Achtung! Der Datenschutz ist nicht das zentrale Recht, nachdem sich von nun an alles richten muss! Es ist ein Grundrecht, das ich mit anderen Grundrechten vereinen lassen muss.

Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht: es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen, und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzip, gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund Nummer 4 der DSGVO).

 

Berechtigtes Interesse und die Geschichte von der Pizza

Das Leben besteht aus Interessen. Du möchtest eine Wohnung vermieten, dass ist ein Interesse. Du möchtest eine Reise machen, dass ist ein Interesse. Der Reiseveranstalter hat ein Interesse an Kunden. Der Verleger von Büchern hat ein Interesse an Leuten, die gerne lesen. Das sind alles berechtigte Interessen. Wenn Du eine Pizza bestellst, hat der Pizza-Lieferant ein berechtigtes Interesse an Deinen Daten, damit er die Pizza überhaupt liefern kann. Aber er hat auch ein berechtigtes Interesse Dir Werbung zu senden, damit er Dich als Kunden behalten kann. Das wäre eine vereinfachte Darstellung des Begriffes „berechtigtes Interesse“ – wie es im Datenschutz verwendet wird.

Das war schon immer so, und wird auch durch den Datenschutz nicht anders.

Schlüsselworte zu diesem Thema

Um den Begriff des berechtigten Interesses besser zu verstehen, schauen wir uns zuerst ein paar Schlüsselwörter an:

Schutzwürdig: Schutzwürdig ist eine Eigenschaft, die zum Ausdruck bringt, ob eine Sache, ein Interesse oder eine Bedeutung, einen Wert hat fortzubestehen. Es ist ein Begriff der in die Zukunft deutet.
Hierzu ein Beispiel: Ein Kulturdenkmal ist schutzwürdig.

Ermessen: Darunter versteht man einen Handlungsspielraum. Es ist ein Vorgang des Einschätzens.

Interesse: Das ist die gesteigerte Anteilnahme an einer Sache, einem Sachverhalt oder Umständen. Jemand hat seine emotionale Absicht auf eine Sache gerichtet. Vorliebe, Vorteil und Eigennutz sind Ausdruck von Interesse. Somit kann man sagen, dass Interesse die Aufmerksamkeit einer Person beschreibt, die diese an einer Sache oder anderen Person hat. Es hat für die Person eine Bedeutung oder Wichtigkeit. Wenn mich etwas nicht interessiert, dann hat es keine Wichtigkeit und keine Bedeutung für mich.

Interessensabwägung: Bei einer Interessensabwägung gibt es mehrere Parteien. Jede Partei hat Absichten, Ziele, Wünsche oder Interessen. Die Interessensabwägung klärt, wessen Interesse, im Vergleich zu anderen Interessen der verschiedenen Parteien, am stärksten wiegt. Man wägt ab, was dafür und was dagegen spricht.

Du hast eine Firma und möchtest die Firma voranbringen, und dazu braucht es geeignete Werbemaßnahmen. Dein Interesse ist ein expandierendes Unternehmen, das eine Existenzgrundlage darstellt. Dem steht eine Abneigung einer betroffenen Person gegenüber, die keine Werbung haben möchte. In so einem Fall ist Dein Interesse höher zu bewerten, als das Interesse der betroffenen Person.

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Und was ist nun berechtigtes Interesse?

Nachdem wir diese Worte geklärt haben, kommen wir zur Definition von berechtigtem Interesse selbst: “Berechtigt” im Maßstab des Datenschutzes, ist somit jedes Interesse, das aufgrund der Rechtsordnung gebilligt ist. Dieses Interesse muss für den Fall eines Rechtsstreites oder einer Kontrolle, gut dokumentiert werden. Ein allgemeiner Hinweis auf Interessen reicht hier nicht aus. Du musst darlegen, wieso die Erhebung, Verarbeitung oder Verwendung der personenbezogenen Daten für Dich wichtig ist, und worin die Bedeutung der Interessenswahrung besteht, und welche Interessen das konkret sind. Das klingt vielleicht im Moment sehr kompliziert und nach Rechts-Deutsch, aber es sagt genau aus, dass Du Deine Interessen offen-legen und begründen musst, warum diese wichtig sind. Mit einem Wort: Warum diese Interessen schützenswert bzw. berechtigt sind.

Ein letzter Begriff, der in diesem Zusammenhang noch wichtig ist, ist “Notwendigkeit der Verarbeitung”. Ist die geplante Verarbeitung wirklich notwendig oder gibt es andere Alternativen dazu?
Grundsätzlich ist das nichts Unlogisches. Denn es macht keinen Sinn eine Verarbeitung zu überlegen, die im Grunde nicht wichtig oder notwendig ist, um sich selbst und andere dadurch einem Risiko auszusetzen.



Und wo kann ich das jetzt verwenden?


Wie ist das bei Online-Marketing – was muss ich beachten?

Die Online-Branche hat Glück, weil sie ein „berechtigtes Interesse“ geltend machen kann. Im Art.6/1f DSGVO (Artikel 6 betrifft die „Rechtmäßigkeit der Verarbeitung„) ist dies aufgeführt. Im Erwägungsgrund 47/7 wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Direkt-Marketing als berechtigtes Interesse zu werten sei.

Hier wird von Interessensabwägung gesprochen. Es sind die Interessen des Betroffenen, und die Interessen des Verarbeiters zu berücksichtigen. Wenn die Interessen ausgewogen sind, dann darfst Du es machen.

Im Erwägungsgrund 47 1, 3 und 4 wird darauf hingewiesen, dass die vernünftigen Erwartungen des Betroffenen mit einzubeziehen sind. Das bedeutet soviel, dass wenn es „normal“ ist und es „jeder“ macht, dann darfst Du es machen. Es ist in Ordnung, wenn es jeder macht. Aber das habe ich ja schon weiter oben beschrieben.

Siehe dazu auch den ausführlichen Beitrag zu dem Begriff „Nutzungsbasierte Onlinewerbung„.

Unter welchen Umständen sind berechtigte Interessen angemessen?

In Fällen, wo Du eine zwingende Rechtfertigung für die Verarbeitung hast, und die unerwünschten und negativen Auswirkung auf den Betroffenen, nur als gering zu bewerten sind.

 

Können wir berechtigtes Interesse für unsere gesamte Datenverarbeitung geltend machen?

Wie schon an anderer Stelle bemerkt, ist berechtigtes Interesse nur eine von sechs Rechtsgrundlagen, für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Man muss in jeden Fall immer wieder neu entscheiden, ob berechtigtes Interesse für die jeweilige Datenverarbeitung in Anspruch genommen werden kann. Aber es ist nicht so, dass man die gesamte Verarbeitung im Unternehmen, auf diese Rechtsgrundlage stellen kann.

 

Was sind die Vorteile, wenn man berechtigtes Interesse verwendet?

Der Vorteil liegt natürlich klar auf der Hand – weil man nicht für jede Verarbeitung eine extra Einwilligung besorgen muss – und das ist auch oft nicht notwendig. Weil bei gewissen Verarbeitungen die Leute damit rechnen können, dass gewisse Daten erhoben werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Benutzer (= betroffene Person), ausführlich informiert wird. Entweder über die Datenschutzerklärung oder über einen spezifischen Informationstext.

 

Was sind hier die Nachteile?

Ein Nachteil ist sicherlich, dass man für jede Verarbeitungstätigkeit eine eigene Auswertung machen muss. Man muss jedes Mal eine Art Bilanz der Interessen machen. Du musst jedes Mal die eigenen Interessen mit den Interessen der Betroffenen abwägen, und diese Abwägung muss nachweislich zu Deinen Gunsten ausfallen, ansonsten ist sie nicht rechtmäßig. Weiters muss diese Abwägung dokumentiert und auf Verlangen gezeigt werden können.

 

Können Behörden legitime Interessen geltend machen?

Wir sind schon öfters gefragt worden, ob öffentliche Stellen berechtigtes Interesse geltend machen können. Natürlich können öffentliche Stellen ihre Verarbeitung auch mit dem berechtigten Interesse rechtfertigen. Aber öffentliche Stellen machen naturgemäß „öffentliches Interesse“ geltend.

Beim Verwenden von berechtigtem Interesse geht es nicht darum wer sie geltend macht, sondern welche Aufgabe oder Verarbeitung damit gerechtfertigt wird.

 

Gibt es Fälle, in denen der Zweck ein berechtigtes Interesse darstellt?

Ja, es gibt spezielle Fälle, wo berechtigtes Interesse durch den Zweck alleine gerechtfertigt ist. Diese sind:

  • Bereiche von Informationssicherheit und Datenschutz im Allgemeinen
  • Verhinderung von Betrug
  • aufdecken und Verhinderung von kriminellen Bedrohungen und Handlungen

Gibt es Fälle in denen klare berechtigte Interessen bestehen?

Auch das werden wir oft gefragt, und darauf gibt es eine einfache Antwort: In Bereichen, wo die Verarbeitung von personenbezogenen Daten erwartet werden kann, und man nicht davon ausgehen kann, dass die Verarbeitung unerwünscht ist, kann man von einem berechtigten Interesse ausgehen. 

Darum macht man ja auch diese Abwägung der Interessen. Wenn eine Verarbeitung für jemanden einen Schaden herbeiführen würde, kann man sicher nicht davon ausgehen, dass der Betroffene das erwarten würde. Gehe bei Deiner Verarbeitung von personenbezogenen Daten immer davon aus, dass niemand zustimmen würde, wenn er einen Schaden erwarten könnte.

 

Können wir berechtigte Interessen für Mitarbeiter- oder Kunden-Daten nutzen?

Berechtigtes Interesse ist nicht der einzige Rechtfertigungsgrund um Mitarbeiter- oder Kunden-Daten zu verwenden. Weil normalerweise hier auch eine andere Rechtsgrundlage angewendet werden kann – nämlich die “gesetzliche Verpflichtung” oder “Vertragserfüllung”.

 

Dürfen wir konzerninterne Datentransfers auf dieser Rechtsgrundlage durchführen?

Konzerninterne Datentransfers werden im Erwägungsgrund 48 geregelt. Demnach dürfen personenbezogene Daten, innerhalb der Unternehmensgruppe, für Verwaltungszwecke weitergeleitet werden.

 

Können wir berechtigtes Interesse für Marketing-Aktivitäten geltend machen?

Direkt-Marketing auf der Grundlage „berechtigten Interesses“ zu betreiben ist rechtskonform. Dabei gilt es folgendes zu beachten: Zum einen muss es sich um Aktivitäten handeln, mit denen der Betroffene rechnen kann – also es dürfen nicht unbedingt Aktivitäten sein die niemand kennt, und mit denen auch niemand rechnet –  der Belästigungsfaktor muss gering sein, und eine Abwägung der Interessen muss stattfinden – und die Verarbeitung muss für den Zweck notwendig sein.

Vergiss aber nicht, dass der Betroffene, zu jeder Zeit der Verarbeitung, in dieser Form widersprechen kann.

Beantworte diese Fragen

Um diese Interessens-Abwägung richtig anzugehen, musst Du Dir folgende Fragen stellen:

  • Habe ich eine angemessene Rechtsgrundlage, auf der ich meine Direkt-Marketing-Aktivitäten stütze?
  • Sind andere oder gesonderte Regelungen anzuwenden?

Diese Fragen kannst Du mit Deiner Interessens-Vertretung oder Deinem Anwalt besprechen. Wenn Du zum Schluss kommst, dass alles seine Richtigkeit hat, dann dokumentiere das bitte, damit Du beweisen kannst, dass Du Dich damit auseinander gesetzt hast. Das würde wieder ein Stückchen zur Erfüllung Deiner Rechenschaftsverpflichtung beitragen.

Ist eine Frage offen geblieben?

War die Erklärung verständlich?

Was kann ich besser machen?

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