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Published on Jun 29,2023
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Home Explore Q-A_zum_OR-Rechnungslegungsrecht_12-2022
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P:01

© EXPERTsuisse 2015 1

Ausgewählte Fragen und Antworten zum

OR-Rechnungslegungsrecht

Datum der ersten Veröffentlichung: 7. Januar 2013

Mit letzter Änderung vom: 15. Dezember 2022

P:02

2 l 132

Vorwort

In der Praxis ergeben sich Anwendungsfragen zum Schweizer Rechnungslegungsrecht. Dies

einerseits aufgrund der Anwendung des neuen Rechnungslegungsgesetzes, welches die Eidgenössischen Räte am 23. Dezember 2011 verabschiedet hatten und welches seit dem

1. Januar 2013 in Kraft ist. Andererseits haben sich einige Rechnungslegungsfragen aus

Sachverhalten ergeben, die im Zusammenhang mit neuen Technologien oder neuen Entwicklungen auf den Finanz- und Realmärkten zusammenhängen.

EXPERTsuisse möchte diese Fragen in loser Folge mit diesem Q&A-Dokument aufgreifen und

zu einer sicheren Rechtsanwendung beitragen.

Dieses Dokument stellt ein «lebendes» Dokument und eine Arbeitshilfe dar. Die hier gemachten Aussagen entsprechen der Meinung der Fachkommissionen von EXPERTsuisse zum Zeitpunkt der Publikation dieses Dokumentes. Die vorliegenden Antworten sind genereller Natur

und nicht ohne weiteres auf die speziellen Umstände eines bestimmten Unternehmens anwendbar.

P:03

3 l 132

Dieses Dokument behandelt ausschliesslich Fragen zur Rechnungslegung.

Revisionsfragen behandelt unser Q&A «Prüfung bei Anwendung des neuen Rechnungslegungsrechts».

Gegebenenfalls beinhaltet dieses Dokument weitergehende Erläuterungen und Interpretationen zu bereits im HWP Band \"Buchführung und Rechnungslegung\" behandelten

Themen. Die Ausführungen im HWP behalten ihre Gültigkeit.

Änderung vom 30. März 2015:

Frage 5.1: Grundlegende Überarbeitung und Erweiterung bez. IFRS (EU)

Änderung vom 24. August 2015:

Frage 7.3: Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung

Änderung vom 6. Januar 2016:

Ersatz Frage 1.6: Umstellung auf das neue Recht: Umgang mit Positionen, die das

alte, nicht aber das neue Recht zulässt

Frage 2.3, Frage b): Reserven für eigene Aktien - Überführung der Position ins neue

Rechnungslegungsrecht

Frage 7.2, Frage f): Rechnungslegung in Fremdwährung - Steuerliche Auswirkungen

Änderung vom 11. Januar 2016:

Frage 2.3, Frage c): Ausweis eigener Kapitalanteile aus Sicht des neuen Rechnungslegungsrechtes und des Steuerrechtes, Klärung zu Kreisschreiben

(KS) 29a der ESTV

Änderung vom 10. Oktober 2016:

Frage 9.1: Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes

Änderung vom 17. Mai 2017:

Frage 9.2: Sachdividende - Behandlung bei der ausschüttenden und bei der empfangenden Gesellschaft

Änderung vom 7. Dezember 2017:

Frage 7.4: Behandlung von Bitcoin nach OR-Rechnungslegungsrecht

Änderung vom 3. Dezember 2018:

Frage 10.1: Behandlung von Bitcoin aus Sicht des Halters

(hierher verschoben von Frage 7.4)

Frage 10.2: Verbuchung von ICOs mit Zuteilung von Utility Token

Änderung vom 30. April 2019:

Frage 10.2: Erweiterung um die zusätzlichen Untervarianten (iv) bis (vi)

Frage 10.3: Verbuchung von ICOs mit Zuteilung von Asset Token

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4 l 132

Änderung vom 8. Juni 2020:

Frage 2.4: Latente Steuern im OR Einzelabschluss

Frage 11: Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19

Änderung vom 25. November 2020:

Frage 11.d) Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19

Frage 12.1 Rechnungslegung und Prüfung bei Gesellschaften in Liquidation

Änderung vom 29. Januar 2021:

Frage 11.a) und 11.b) Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19 (Anpassung aufgrund COVID-19 Gesetz vom 19. Dezember 2020

Änderung vom 14. April 2021:

Frage 11.e) Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19

Änderung vom 11. Mai 2021:

Frage 11.f) Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19

Änderung vom 23. Februar 2022:

Frage 11.g) Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19

Änderung vom 15. Dezember 2022:

Frage 9.1) Ergänzung Illustrative Beispiele zur Darstellung des Gewinnverwendungsantrags

P:05

5 l 132

Inhaltsverzeichnis

1. Übergangsbestimmungen und Anwendbarkeit......................................................... 8

1.1 Möglichkeit der vorzeitigen Anwendung................................................................... 8

1.2 Vorzeitige Anwendung der neuen Schwellenwerte in Bezug auf die Befreiung von

der Konzernrechnung .............................................................................................. 9

1.3 Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung ......................................................10

1.4 Anwendbarkeit für neu gegründete Unternehmen...................................................11

1.5 Konsolidierungspflicht: Massgebende Geschäftsjahre für die Befreiung

(Art. 2 Abs. 3 Satz 2 UeB).......................................................................................12

1.6 Umstellung auf das neue Recht: Umgang mit Positionen, die das alte,

nicht aber das neue Recht zulässt ..........................................................................13

1.7 Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen über den Anschaffungswert

(Art. 670 OR) ..........................................................................................................15

1.8 Reserven gemäss Art. 671–674 OR sowie Art. 959a OR........................................16

1.9 Vereinfachte Buchführung gem. Art. 957 Abs. 2 OR («Milchbüchleinrechnung»)....17

2. Bilanzansatz ...........................................................................................................21

2.1 Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten .......................................................21

2.2 Leasing...................................................................................................................22

2.3 Eigene Aktien .........................................................................................................24

2.4 Latente Steuern im OR Einzelabschluss.................................................................29

2.4.1Sonderaspekt Aktivierung latenter Steuerguthaben auf steuerlichen

Verlustvorträgen im OR Einzelabschluss ................................................................31

3. Bewertungsvorschriften ..........................................................................................33

3.1 Einzel- und Gruppenbewertung ..............................................................................33

3.2 Bewertung zum beobachtbaren Marktpreis.............................................................34

4. Anhang...................................................................................................................35

P:06

6 l 132

4.1 Angaben zu Beteiligungsrechten und Optionen für Leitungs- und

Verwaltungsorgane sowie für Mitarbeitende ...........................................................35

5. Rechnungslegung für grössere Unternehmen.........................................................37

5.1 Rechnungslegung für grössere Unternehmen – Möglichkeiten der Befreiung.........37

6. Abschluss nach anerkanntem Standard..................................................................40

6.1 Zusätzlicher Abschluss nach anerkanntem Standard..............................................40

7. Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung ..........................................41

7.1 Buchführung in Fremdwährung...............................................................................41

7.2 Rechnungslegung in Fremdwährung ......................................................................42

7.3 Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung ..........................................45

8. Konzernrechnung ...................................................................................................52

8.1 Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung .........................................................52

8.2 Gesetzliche Bestimmungen zur Konzernrechnung..................................................52

8.3 Anwendung der Grössenkriterien............................................................................53

8.4 Buchwertkonsolidierung..........................................................................................54

8.5 Freiwillige Konzernrechnung nach anerkanntem Standard zur Rechnungslegung..55

8.6 Bestandteile einer Konzernrechnung ......................................................................56

8.7 Lagebericht.............................................................................................................57

8.8 Konsolidierungspflicht und Zweckorganisationen....................................................58

9. Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes ..................................................63

9.1 Illustrative Beispiele zur Darstellung des Gewinnverwendungsantrags ...................63

9.2 Sachdividende - Behandlung bei der ausschüttenden und bei der empfangenden

Gesellschaft............................................................................................................78

10. Kryptowährungen und ICO’s...................................................................................83

10.1 Behandlung von Bitcoin aus Sicht des Halters .......................................................83

10.2 Verbuchung von ICOs mit Zuteilung von Utility Token ............................................90

10.3 Verbuchung von ICOs mit Zuteilung von Asset Token ..........................................104

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7 l 132

11. Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19 ..............................................115

12. Spezialthemen......................................................................................................127

12.1 Rechnungslegung und Prüfung bei Gesellschaften in Liquidation.........................127

Literatur

Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (HWP), Band \"Buchführung und Rechnungslegung\", Treuhand-Kammer (heute EXPERTsuisse), 2014 (zitiert mit HWP 2014)

P:08

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1. Übergangsbestimmungen und Anwendbarkeit

1.1 Möglichkeit der vorzeitigen Anwendung

Erstpublikation: 04.03.2013

Frage

Die Vorschriften über die kaufmännische Buchführung finden für den Einzelabschluss erstmals

Anwendung für das Geschäftsjahr, das zwei Jahre nach Inkrafttreten am 1. Januar 2013 beginnt, für die Konzernrechnung sind dies drei Jahre. Ist eine vorzeitige Anwendung möglich?

Was ist dabei zu beachten?

Antwort

Eine vorzeitige Anwendung ist möglich, entsprechend der Botschaft vom 21. Dezember 2007

wie auch gemäss der Medienmitteilung vom 22. November 2012 des Bundesrates. Aus den

Übergangsbestimmungen lässt sich zudem ableiten, dass die neuen Bestimmungen frühestens für Geschäftsjahre beginnend am 1. Januar 2013 gelten (d. h. beginnend mit dem Datum

des Inkrafttretens).

Dabei ist jedoch zu beachten, dass das neue Rechnungslegungsrecht vollständig angewandt

werden muss, insbesondere dass sowohl die Buchführung als auch die gesamte Rechnungslegung entsprechend dem neuen Gesetz geführt respektive erstellt werden. Konkret heisst

dies, dass die gesamte Jahresrechnung und der Geschäftsbericht nach den neuen Bestimmungen zu erstellen sind. Eine Erleichterung besteht gemäss Art. 2 Abs. 4 der Übergangsbestimmungen lediglich bei den Vorjahreszahlen.

Kleine Unternehmen gemäss Art. 957 Abs. 2 OR können somit vorzeitig auf eine Einnahmenund Ausgabenrechnung und die Darstellung der Vermögenslage umstellen. Auch kleine juristische Personen mit Umsatzgrössen oder Finanzerträgen unter CHF 100'000 gemäss Art.

958b OR haben die Möglichkeit auf die zeitliche Abgrenzung zu verzichten und stattdessen

auf Ausgaben und Einnahmen abzustellen.

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1.2 Vorzeitige Anwendung der neuen Schwellenwerte in Bezug auf die Befreiung von

der Konzernrechnung

Erstpublikation: 04.03.2013

Letzte Änderung vom 15.09.2014 (Ergänzung: Bestimmung von Schwellenwerten zur Konsolidierungspflicht anhand

von Buchwerten ohne konzerninterne Transaktionen)

Frage

Die Schwellenwerte werden auch für die Möglichkeit der Befreiung von der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung (Art. 963a OR) erhöht. Kann mit einer vorzeitigen Anwendung

der neuen Bestimmungen vorzeitig auf die Erstellung einer Konzernrechnung verzichtet werden, sofern die neuen Schwellenwerte nicht überschritten werden?

Antwort

Die vorzeitige Anwendung und damit gegebenenfalls der Verzicht auf die Erstellung einer Konzernrechnung sind möglich. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:

▪ Der gesamte Geschäftsbericht muss nach den neuen Bestimmungen erfolgen. Das heisst,

dass auch der Einzelabschluss der Obergesellschaft nach den neuen Bestimmungen zu

erstellen ist.

▪ Mit dem neuen Recht hat ein Wechsel vom Leitungs- zum Kontrollprinzip stattgefunden

und die Beurteilung der Schwellenwerte muss nach den neuen Prinzipien erfolgen. Der

Konsolidierungskreis kann sich somit verändern.

▪ Die Pflicht zur Erstellung der Konzernrechnung ergibt sich in der Regel aus der Summenbilanz und -erfolgsrechnungen der im Konsolidierungskreis enthaltenen Gesellschaften.

Die Botschaft führt dazu aus, dass auf eine konsolidierte Sicht abgestellt wird, d.h. die

Grössenkriterien nach der Elimination interner Transaktionen und Positionen zu ermitteln

seien. Dabei kann auf die in der handelsrechtlichen Jahresrechnung ausgewiesenen Buchwerte abgestellt werden. Eine vereinfachte Konsolidierung ohne Eliminationen führt in der

Regel zu höheren Werten und ist daher zur Beurteilung der Schwellenwerte ebenfalls zulässig.

▪ Die Tochtergesellschaften erstellen die Rechnungslegung möglicherweise noch nach altem Recht. Im Rahmen der Beurteilung der Konzernrechnungspflicht kann bei eindeutigen

Verhältnissen auf die vorzeitige Umstellung der Tochtergesellschaften verzichtet werden.

Sind die Schwellenwerte jedoch nur knapp unterschritten, drängt sich für den Zweck dieser

Beurteilung die vorzeitige Umstellung der Tochtergesellschaften auf.

▪ Zu beachten ist allerdings Art. 963a Abs. 2 OR: eine Konzernrechnung ist ungeachtet der

Schwellenwerte auch dann zu erstellen, wenn dies für eine möglichst zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage notwendig ist.

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1.3 Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung

Erstpublikation: 04.03.2013

Frage

Wer ist verpflichtet, die neuen Bestimmungen anzuwenden? Bestehen Ausnahmen und gelten

die Ausnahmen für die freien Berufe gemäss dem alten Recht nach wie vor?

Antwort

Die Bestimmungen zur Rechnungslegung sind neu rechtsformneutral ausgestaltet. Art. 957

OR sieht vor, dass Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristische Personen dem

gleichen Rechnungslegungsrecht unterstehen.

Die Ausgestaltung der Rechnungslegung ist allerdings von der wirtschaftlichen Bedeutung abhängig und für kleine Unternehmen gibt es Erleichterungen (vgl. Art. 957 Abs. 2 OR, Art. 958b

Abs. 2 OR). Die bisherigen Ausnahmen für die freien Berufe wie auch für die Landwirtschaft

sind entfallen.

P:11

11 l 132

1.4 Anwendbarkeit für neu gegründete Unternehmen

Erstpublikation: 16.07.2013

Frage

Welche Rechnungslegungsrechts-Vorschriften muss ein Unternehmen anwenden, welches

nach dem 1. Januar 2013 neu gegründet wurde? Müssen die neuen Bestimmungen sofort

angewandt werden oder kann die Erstanwendung der neuen Bestimmungen erst für das Geschäftsjahr beginnend ab dem 1. Januar 2015 erfolgen?

Antwort

Die Übergangsbestimmungen zum neuen Rechnungslegungsrecht sehen keine unterschiedliche Anwendung zwischen bestehenden und neu gegründeten Unternehmen vor. Unternehmungen mit Gründung nach dem 1.1.2013 können daher die «alten» Bestimmungen ebenfalls

noch anwenden, oder ab Gründung die Bestimmungen des neuen Rechtes verwenden. Die

Beurteilung, ob eine Anwendung der alten Bestimmungen für ein bis maximal zwei Jahre sinnvoll ist, bleibt dem Anwender überlassen.

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1.5 Konsolidierungspflicht: Massgebende Geschäftsjahre für die Befreiung

(Art. 2 Abs. 3 Satz 2 UeB)

Erstpublikation: 15.09.2014

Frage

Welche Geschäftsjahre sind übergangsrechtlich massgebend für die Beurteilung, ob die

Schwellenwerte gemäss Art. 963a Abs. 1 Ziff. 1 OR (20–40–250) unterschritten sind und damit

vorbehaltlich der Bestimmungen von Art. 963a Abs. 2 OR auf die Erstellung einer Konzernrechnung verzichtet werden kann?

Antwort

Gemäss Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der Übergangsbestimmungen zum neuen Rechnungslegungsrecht sind dafür die zwei der erstmaligen Anwendung der neuen Bestimmungen zur Konzernrechnung unmittelbar vorangehenden Geschäftsjahre massgebend. Übergangsrechtlich wird damit von Art. 963a Abs. 1 Ziff. 1 OR abgewichen, welcher für diese Beurteilung auf

die Werte des Berichts- und Vorjahrs («in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren») abstellt.

In den Gesetzesmaterialien findet sich keine Erklärung für diese differenzierte Regelung der

Beurteilungsbasis. In praktischer Hinsicht führt die übergangsrechtliche Bestimmung jedenfalls dazu, dass namentlich den neu von der Konsolidierungspflicht erfassten Unternehmen

mehr (Vorbereitungs-)Zeit für den Übergang in die «Konsolidierungsphase» verbleibt. Im

Sinne einer Planungsmassnahme steht den Unternehmen im Übrigen die Option offen, die

neuen Bestimmungen zur Konzernrechnung schon vor Ablauf der dreijährigen Übergangsfrist

von Art. 2 Abs. 3 Satz 1 der Übergangsbestimmungen (vollständig) anzuwenden. Nutzt ein

Unternehmen, das seine Rechnungslegung bis anhin auf das Kalenderjahr ausrichtete, demgegenüber die dreijährige Übergangsfrist voll aus, dann sind gemäss den vorstehenden Ausführungen für die Beurteilung, ob auf eine Konzernrechnung verzichtet werden kann oder

nicht, somit die relevanten Werte der Kalenderjahre 2014 und 2015 massgebend.

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen von Art. 963a Abs. 2 OR, aufgrund welcher unter Umständen eine Konzernrechnung auch dann zu erstellen ist, wenn die relevanten Werte in der

massgebenden Periode unterschritten sind.

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1.6 Umstellung auf das neue Recht: Umgang mit Positionen, die das alte,

nicht aber das neue Recht zulässt

Erstpublikation: 06.01.2016

Frage

Wie ist bei erstmaliger Anwendung des neuen Rechnungslegungsrechts mit altrechtlichen Erfassungs- und Bewertungsentscheiden umzugehen, die unter neuem Recht nicht mehr zulässig sind (z.B. Aktivierung und Abschreibung von Gründungs-, Kapitalerhöhungs- und Organisationskosten)? Haben solche Entscheide resp. Positionen weiterhin Bestand (sog. «Grandfathering»)?

Antwort

Gemäss Art. 2 der Übergangsbestimmungen (UeB) gelangen die neuen Normen zur Buchführung und Rechnungslegung erstmals (zwingend) zur Anwendung für das Geschäftsjahr, das

zwei resp. drei Jahre nach deren Inkrafttreten beginnt, was nach vorliegendem Verständnis

nur heissen kann, dass die neuen Vorschriften in der Jahres- resp. Konzernrechnung nach

neuem Recht vollständig umzusetzen sind. Ein sog. «Grandfathering» findet in den Übergangsbestimmungen zum neuen Buchführungs- und Rechnungslegungsrecht keine ausreichende Stütze. Art. 2 UeB geht als spezifische und abschliessende Regelung den Bestimmungen des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches vor (vgl. Art. 1 Abs. 1 UeB, wonach Letztere nur

soweit gelten, als die folgenden Bestimmungen, d.h. Art. 2 UeB, nichts anderes vorsehen). Ein

«Grandfathering» wäre aber auch mit den zentralen Grundsätzen der Klarheit, Verständlichkeit und Verlässlichkeit nicht vereinbar (Art. 958c Abs. 1 Ziff. 1 und 3 OR). Die einzige «Erleichterung» bei der Umstellung besteht darin, dass bei erstmaliger Anwendung der Vorschriften zur Rechnungslegung auf die Nennung der Zahlen der Vorjahre verzichtet werden kann

und bei der zweiten Anwendung nur die Zahlen des Vorjahres angegeben werden müssen

(Art. 2 Abs. 4 UeB).

Die vorbestehenden, unter neuem Recht nicht mehr zulässigen Entscheide resp. Positionen

sind entsprechend im Geschäftsjahr der erstmaligen Anwendung des neuen Buchführungsund Rechnungslegungsrechts zu bereinigen, und zwar zulasten der Erfolgsrechnung.

Im Einzelnen bedeutet dies, dass z.B.

• der Restwert der Gründungs-, Kapitalerhöhungs- und Organisationskosten, der bei erstmaliger Anwendung des neues Rechts noch in den Büchern steht, erfolgswirksam abzuschreiben ist, da diese Kosten den Anforderungen zur Aktivierung gemäss Art. 959 Abs.

2 OR in der Regel nicht mehr genügen; vorbehalten bleiben bestimmte Kosten, welche

als immaterielle Anlagen (Art. 959a Abs. 1 Ziff. 2d OR) weiter aktiviert bleiben dürfen;

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• die aus der erforderlichen Umstellung von der Gesamtbewertung auf eine Einzel- ggf.

Gruppenbewertung (Art. 960 OR) resultierenden Effekte erfolgswirksam zu verbuchen

sind;

• vorbestehende direkt erworbene eigene Kapitalanteile in den neuen Bilanzierungsmodus

zu überführen sind (siehe dazu im Einzelnen Ziff. 2.3 Frage b);

• auch die Mindestgliederung des neuen Rechts bei Erstanwendung vollumfänglich umzusetzen ist.

Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf die Buchführung und Rechnungslegung nach Obligationenrecht. Die spezifischen Übergangsbestimmungen eines allenfalls anwendbaren anerkannten Standards bleiben vorbehalten.

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1.7 Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen über den Anschaffungswert

(Art. 670 OR)

Erstpublikation: 16.07.2013

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Die Aufwertung bleibt im Aktienrecht (Art. 670 OR) bestehen. Im Rechnungslegungsrecht ist

dieses Instrument nicht vorgesehen. Wie verhält es sich nun mit bestehenden Aufwertungen?

Können neue Aufwertungen noch vorgenommen werden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV. 6.

P:16

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1.8 Reserven gemäss Art. 671–674 OR sowie Art. 959a OR

Erstpublikation: 16.07.2013

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Art. 671–674 OR im Aktienrecht und neu Art. 959a OR definieren die Reserven unterschiedlich. Wie ist der Ausweis künftig zu gliedern?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.2.28.1 und II.4.4.1.2.

P:17

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1.9 Vereinfachte Buchführung gem. Art. 957 Abs. 2 OR («Milchbüchleinrechnung»)

Erstpublikation: 21.10.2014

Frage a)

Welcher Umsatzerlös ist massgebend für die Bestimmung der Schwelle von CHF 500'000 für

die vereinfachte Buchführung gemäss Art. 957 Abs. 2 OR?

Antwort

Dem neuen Rechnungslegungsrecht lassen sich zu dieser Frage wenige Informationen entnehmen, aus der Botschaft des Bundesrats aus dem Jahr 2007 sind keine Zusatzinformationen ersichtlich.

Aus Art. 957 Abs. 2 Ziff. 1 OR ist ersichtlich, dass der Umsatzerlös von Einzelunternehmen

und Personengesellschaften des Vorjahrs weniger als CHF 500'000 betragen muss, damit

eine vereinfachte Buchhaltung geführt werden darf. Bei den Vereinen und Stiftungen, welche

nicht verpflichtet sind, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen und den Stiftungen, welche

keine Revisionsstelle wählen müssen (Art. 957 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 OR), besteht keine Umsatzgrenze.

Die Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen sind nicht gleichzusetzen mit dem Umsatzerlös eines Unternehmens. Der Begriff «Umsatzerlös» wird weiter gefasst.

Ausgehend von der gesetzlichen Mindestgliederung der Erfolgsrechnung bestimmt sich der so

definierte Umsatzerlös wie folgt:

Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen

+ betriebsfremder Ertrag

+ Finanzertrag

+ ggf. ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Ertrag

= Umsatzerlös

Weitere Ausführungen lassen sich dem HWP 2014, Kapitel IV.3.3, sowie der «Analyse des

Vorstandes der SSK zum neuen Rechnungslegungsrecht» vom 12.2.2013 entnehmen.

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Frage b)

Gemäss Art. 957 Abs. 3 OR gelten die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung sinngemäss auch für diejenigen Organisationen, welche die vereinfachte Buchführung anwenden.

Was ist mit der Definition «sinngemäss» gemeint?

Antwort

Auch bei der vereinfachten Buchführung gelten die folgenden Grundsätze ordnungsmässiger

Buchführung (GoB) gemäss Art. 958c OR:

1. die vollständige, wahrheitsgetreue und systematische Erfassung der Geschäftsvorfälle und

Sachverhalte;

2. der Belegnachweis für die einzelnen Buchungsvorgänge;

3. die Klarheit;

4. die Zweckmässigkeit mit Blick auf die Art und Grösse des Unternehmens;

5. die Nachprüfbarkeit.

Der Begriff «sinngemäss» ist so zu interpretieren, dass bei der Anwendung der GoB gewisse

Minimalanforderungen zu beachten sind, welche teilweise weniger weit gehen können als bei

der Buchführung nach dem Normalstandard. So sieht die systematische Erfassung der Geschäftsvorfälle bei diesem Normalstandard auch die Berücksichtigung von zeitlichen und sachlichen Abgrenzungen oder die Anwendung des Realisations- und Imparitätsprinzips vor. Darauf kann bei der vereinfachten Buchführung verzichtet werden

Neben den handelsrechtlichen sind aber auch die steuerrechtlichen Anforderungen abzudecken. Bei steuerpflichtigen Unternehmen, welche Art. 957 Abs. 1 OR unterstehen, gilt für die

Bemessung der Steuern das Massgeblichkeitsprinzip uneingeschränkt (d.h. die handelsrechtskonforme Jahresrechnung ist massgeblich für die Bemessung des steuerbaren Gewinns

bzw. Einkommens und des steuerbaren Kapitals bzw. Vermögens).

Bei denjenigen Gesellschaften, welche die vereinfachte Buchführung anwenden, sind jedoch

zusätzliche steuerliche Anforderungen zu beachten. So verlangen die Steuerverwaltungen bei

Gesellschaften, bei denen eine Buchhaltung fehlt, Aufstellungen über Aktiven und Passiven,

Einnahmen und Ausgaben sowie Privatentnahmen und Privateinlagen. Aus steuerlicher Sicht

sind somit bei der «Milchbüchleinrechnung» nach Art. 957 Abs. 2 OR die Einnahmen im Zeitpunkt des Zahlungseingangs der Rechnung gutzuschreiben und die Ausgaben konsequenterweise erst im Zeitpunkt der Zahlung zu belasten. Die Aufzeichnungen über die Einnahmen

und Ausgaben müssen fortlaufend, lückenlos und wahrheitsgetreu vorgenommen werden.

Bei den Ausgaben ist aufgrund des Klarheitsprinzips zu vermerken, was bezahlt worden ist

(z. B. Miete, Löhne, Art der angeschafften Objekte usw.).

P:19

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Bei Betrieben mit Bargeldverkehr sind die Bareinnahmen und -ausgaben in einem Kassabuch

fortlaufend, lückenlos, wahrheitsgetreu und täglich festzuhalten. Dabei ist der Einbezug von

sogenannten Vorjournalen oder Vorbüchern, wie z. B. Registrierkassenstreifen, statthaft. Die

Aufzeichnungen in solchen Hilfsbüchern sind jedoch zeitnah ins Kassabuch zu übertragen.

Das Kassabuch ist regelmässig – je nach der Intensität des Bargeldverkehrs – täglich, wöchentlich oder monatlich zu saldieren und mit dem tatsächlichen Bargeldbestand zu vergleichen. Allfällige Differenzen sind sofort zu buchen.

Frage c)

Neben der Einnahmen- und Ausgabenrechnung umfasst die eingeschränkte Buchführungspflicht auch die Buchführung über die Vermögenslage.

Was versteht man unter «Buchführung der Vermögenslage»?

Antwort

Die Vermögenslage bezeichnet das Nettovermögen am Bilanzstichtag. Die Vermögenslage

spielt in der Praxis wohl vor allem aus steuerlicher Sicht eine wichtige Rolle, da sie die Grundlage für die Steuererklärung bildet und als Vermögensbemessung dient. Steuerlich massgebend bei Selbstständigerwerbenden sind das Geschäftsvermögen (Aktiven) und die Geschäftsschulden (Verbindlichkeiten) am Bilanzstichtag. Somit müssen auch bei Anwendung

der vereinfachten Buchhaltung Ende Jahr das Vermögen und die Schulden in einem Inventar

erfasst werden. Das Vermögen besteht z. B. aus flüssigen Mitteln, Kundenguthaben, angefangenen Arbeiten und Anlagevermögen, die Schulden z. B. aus Lieferantenschulden, Bankverbindlichkeiten sowie Darlehens- und Hypothekarschulden. Nicht zu berücksichtigen sind aktive

und passive Rechnungsabgrenzungen sowie Rückstellungen.

P:20

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Frage d)

Welches ist das massgebende Geschäftsjahr zur Beurteilung, ob die Umsatzschwelle überschritten wird?

Beispiel

Ein Einzelunternehmen erzielt im Geschäftsjahr 2015 einen massgebenden Umsatzerlös von

CHF 480'000 und macht von den Bestimmungen zur vereinfachten Buchführung Gebrauch.

Im Geschäftsjahr 2016 beträgt der Umsatzerlös CHF 550'000.

Antwort

Die Umsatzschwelle von CHF 500'000 bezieht sich auf den im letzten Geschäftsjahr erzielten

Umsatzerlös. Die Wahl der vereinfachten Buchführung nach Art. 957 Abs. 2 OR für das Geschäftsjahr 2016 ist demnach gesetzeskonform, auch wenn in diesem Geschäftsjahr die Umsatzerlös-Schwelle von CHF 500'000 überschritten wurde. Im Geschäftsjahr 2017 sind aber

die Bestimmungen aufgrund Art. 957 Abs. 1 OR anzuwenden, auch wenn damit zu rechnen

ist, dass der Umsatzerlös in diesem Geschäftsjahr wieder unter CHF 500'000 fallen dürfte.

P:21

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2. Bilanzansatz

2.1 Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten

Erstpublikation: 05.03.2013

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Lassen vergangene Ereignisse einen Mittelabfluss in künftigen Geschäftsjahren erwarten, so

müssen die voraussichtlich erforderlichen Rückstellungen zulasten der Erfolgsrechnung gebildet werden (Art. 960e Abs. 2 OR). Weitere Rückstellungen dürfen gemäss Art. 960e Abs.

3 OR gebildet werden.

Sind die Anforderungen an die Bildung von Rückstellungen im neuen Rechnungslegungsrecht

höher? Sind stille Reserven in den Rückstellungen weiterhin möglich? Kann durch den Ausweis einer Eventualverbindlichkeit im Anhang auf die Bildung einer Rückstellung verzichtet

werden? In welchen Fällen ist der Ausweis einer Eventualverbindlichkeit im Anhang zur Jahresrechnung ausreichend?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.2.24 und IV.5.13.

P:22

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2.2 Leasing

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage a) Bilanzierung von Leasinggeschäften

Art 959 OR führt folgendes aus:

2 Als Aktiven müssen Vermögenswerte bilanziert werden, wenn aufgrund vergangener Ereignisse über sie verfügt werden kann, ein Mittelzufluss wahrscheinlich ist und ihr Wert verlässlich

geschätzt werden kann. Andere Vermögenswerte dürfen nicht bilanziert werden.

5 Verbindlichkeiten müssen als Fremdkapital bilanziert werden, wenn sie durch vergangene

Ereignisse bewirkt wurden, ein Mittelabfluss wahrscheinlich ist und ihre Höhe verlässlich geschätzt werden kann.

Welche Auswirkungen haben diese Bestimmungen auf die Bilanzierung von Leasinggeschäften?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.2.15.2.2.

Frage b) Ausweis von bereits bilanzierten Leasinggeschäften im Anhang

Gemäss Art. 959c Abs. 2 Ziff. 6 OR ist im Anhang der Restbetrag der Verbindlichkeiten aus

kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften und anderen Leasingverbindlichkeiten auszuweisen, sofern diese nicht innerhalb von zwölf Monaten ab Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können.

Wie sind dabei Leasinggeschäfte zu behandeln, welche bereits bilanziert sind?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.2.15.3.

P:23

23 l 132

Frage c) Ausweis von Mietverträgen im Anhang

Gemäss Art. 959c Abs. 2 OR sind «kaufvertragsähnliche Leasinggeschäfte und andere Leasingverpflichtungen» im Anhang auszuweisen.

Welche Ausweispflicht ergibt sich daraus für Mietverträge?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.5.9.

P:24

24 l 132

2.3 Eigene Aktien

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort zu Frage a) durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Letzte Änderung vom 06.01.2016 (Antwort zu Frage b aktualisiert)

Letzte Änderung vom 11.01.2016 (Frage c neu eingefügt)

Frage a)

Das Rechnungslegungsrecht weist eigene Kapitalanteile neu als Minusposten in der Bilanz

aus. Die aktienrechtlichen Bestimmungen in Art. 659a Abs. 2 und Art 671a OR zu den eigenen

Aktien sind vorläufig unverändert in Kraft. Welches sind die Auswirkungen auf die Bilanzierung

eigener Kapitalanteile, wenn diese entweder durch die Muttergesellschaft oder indirekt über

eine Tochtergesellschaft gehalten werden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.2.30.

P:25

25 l 132

Frage b)

Wie führt ein Unternehmen, das eigene Aktien besitzt, ggf. Folgebewertungen gegenüber dem

Anschaffungswert vorgenommen hat, diese Positionen in die Bestimmungen zum neuen

Rechnungslegungsrecht über?

Antwort

Unternehmen, welche eigene Aktien bereits bisher zum Anschaffungswert bilanziert haben,

werden diese mit einer einfachen Umbuchung (eigene Aktien als Minusposten im Eigenkapital

/ Bestand eigene Aktien als Aktivum) überführen. Die bestehende Reserve für direkt gehaltene

eigene Aktien ist gegen die Position aufzulösen, aus der sie im alten Recht gebildet wurde.

Unternehmen, welche eigene Aktien zu einem unter dem Anschaffungswert liegenden Marktwert bilanziert haben, stehen folgende Möglichkeiten offen:

a) Die eigenen Aktien werden erfolgswirksam auf den Anschaffungswert aufgewertet und anschliessend, wie oben erwähnt, ins Eigenkapital umgebucht. Die Reserve für eigene Aktien

wird wie oben beschrieben aufgelöst. Diese Variante setzt voraus, dass der aktuelle Marktwert der Aktie nicht unter dem Anschaffungswert liegt, da ansonsten bei der Aufwertung

unrealisierte (und fiktive) Gewinne gezeigt würden.

b) Die eigenen Aktien werden zum Buchwert ins Eigenkapital umgebucht (ohne vorherige

Anpassung an den Anschaffungswert). Anschliessend wird die Reserve für eigene Aktien

wie oben beschrieben aufgelöst. Die Minusposition im Eigenkapital für eigene Kapitalanteile wird über die freien Reserven auf den Anschaffungswert angepasst. Damit zeigt die

Minusposition den effektiven Geldrückfluss an die Aktionäre.

c) Eine Umbuchung ins Eigenkapital zum tieferen Buchwert (ohne vorherige Wertaufholung)

erscheint aufgrund der prospektiven Anwendung der Bestimmungen zum neuen Rechnungslegungsrecht zulässig, da im Rahmen der Wertberichtigung frei verfügbares Eigenkapital vermindert wurde. Im Gegensatz zu den Varianten a) und b) bildet die Minusposition

im Eigenkapital auf diesen Aktien nicht mehr den Geldrückfluss an die Aktionäre ab («Kapitalherabsetzung»). Die Reserve für eigene Aktien wird wie oben beschrieben aufgelöst.

Unternehmen, welche den Bestand eigener Aktien auf einen über den Anschaffungswerten

liegenden Börsenkurs aufgewertet haben, verfahren sinngemäss.

Unternehmen, welche für einen früheren geprüften oder publizierten Abschluss die Verbuchung, wie in der Q&A vom 24. August 2015 vorgegeben, vorgenommen haben, müssen die

Verbuchung nicht anpassen. Diese handelsrechtlichen Verbuchungsvarianten berücksichtigen allfällige steuerliche Auswirkungen nicht.

P:26

26 l 132

Frage c)

Gemäss Kreisschreiben 29a vom 9. September 2015 der ESTV bewirkt nur der Ausweis der

eigenen Beteiligungsrechte als Minusposten unter den gesetzlichen Kapitalreserven, dass

sich bei Vernichtung von eigenen Kapitalanteilen oder bei Fristablauf gemäss Art. 4a VStG

weder Einkommens- noch Verrechnungssteuerfolgen ergeben. Die Mindestgliederung des

Obligationenrechtes (OR) nach Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 lit. e OR verlangt demgegenüber einen Ausweis als Minusposten am Schluss des Eigenkapitals. Gibt es eine Ausweismöglichkeit, die sowohl den steuerlichen wie auch den handelsrechtlichen Ansprüchen gerecht wird?

Antwort

Ja. Die ESTV und die Kommission für Rechnungslegung sowie die Fachgruppe Steuern von

EXPERTsuisse haben sich auf folgenden Ausweis geeinigt:

Das Kreisschreiben 29a vom 9. September 2015 der ESTV hält Folgendes fest:

2.1 Grundsätze

Als Kapitaleinlagen im Sinne von Artikel 20 Absatz 3 DBG und Artikel 5 Absatz 1bis VStG gelten Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse, welche direkt von Inhabern der Beteiligungsrechte geleistet wurden

und in der Handelsbilanz der empfangenden Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft verbucht und

offen ausgewiesen sind (offene Kapitaleinlagen). Das gesonderte Konto für Reserven aus Kapitaleinlagen gemäss Artikel 5 Absatz 1bis VStG ist unter den gesetzlichen Kapitalreserven auszuweisen

4.2.3. Rückkauf eigener Beteiligungsrechte

Werden Beteiligungsrechte, deren Rückkauf bereits zu einer sofortigen oder aufgeschobenen Besteuerung als Teilliquidation geführt hat, wieder ausgegeben, so stellt der Teil des Ausgabepreises, der

über dem Nennwert liegt, eine offene Kapitaleinlage dar. Das ausgewiesene Agio qualifiziert als Reserve aus Kapitaleinlagen (vgl. Kreisschreiben Nr. 5 der ESTV vom 19.8.1999 Ziffer 6).

Der nach Artikel 959a Absatz 2 Ziffer 3 Buchstabe e OR notwendige Ausweis der eigenen Kapitalanteile kann als Minusposten unter den gesetzlichen Kapitalreserven erfolgen, wobei nur der Ausweis

unter den gesetzlichen Kapitalreserven bewirkt, dass bei einer Vernichtung der Anteile oder bei einem

Fristenablauf gemäss Artikel 4a VStG sich weder Einkommens- noch Verrechnungssteuerfolgen ergeben. Zurückgekaufte eigene Kapitalanteile, die innerhalb der Fristen gemäss Artikel 4a VStG weiterveräussert werden, verändern den Minusposten für eigene Kapitalanteile, nicht aber den Bestand der

Reserven aus Kapitaleinlagen. Werden eigene Kapitalanteile nicht innerhalb der Frist nach Artikel 4a

VStG weiterveräussert, erfolgt die Besteuerung aufgrund des Ausweises der eigenen Kapitalanteile

als Minusposten im Zeitpunkt des Erwerbs unter den Gewinn- oder den Kapitalreserven.

Für eigene Kapitalanteile, die vor dem 1. Januar 2011 zurückgekauft wurden, wird auf den Ausweis

der gesonderten Reserven für eigene Aktien in der Handelsbilanz 2011 bzw. 2010/2011 abgestellt.

Bestehende Reserven für eigene Aktien gemäss Artikel 659a Absatz 2 OR, welche zu Lasten der Reserven aus Kapitaleinlagen gebildet wurden, können im Zeitpunkt der Umstellung auf die neue Rechnungslegung gemäss Artikel 957 ff OR ohne Steuerfolgen auf das gesonderte Konto für Reserven aus

Kapitaleinlagen unter den gesetzlichen Kapitalreserven gebucht werden.

P:27

27 l 132

Die ESTV und die Kommission für Rechnungslegung sowie die Fachgruppe Steuern von

EXPERTsuisse haben sich auf die folgende beispielhafte Form des Ausweises eigener Kapitalanteile in der Bilanz geeinigt, sofern die nachstehenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt

sind:

- es liegen steuerlich anerkannten Reserven aus Kapitaleinlagen gemäss Art. 5 Abs.

1

bis VStG (KER) vor, welche verbucht und unter den gesetzlichen Kapitalreserven

ausgewiesen werden

- im Zeitpunkt des Erwerbs der eigenen Kapitalanteile lagen auch tatsächlich Reserven

aus Kapitaleinlagen vor, die betragsmässig mindestens dem Total der eigenen Kapitalanteile zur Verrechnung mit KER entsprechen.

Nach Ansicht der ESTV und der Kommission für Rechnungslegung sowie der Fachgruppe

Steuern von EXPERTsuisse beachtet folgender beispielhafte Ausweis eines Erwerbs eigener

Kapitalanteile zum Preise von 50 bei Kaptaleinlagereserven nach Art. 5 Abs. 1bis VStG von

40 die handelsrechtlichen Vorschriften und genügt auch den steuerrechtlichen Anforderungen:

Aktienkapital 20

Gesetzliche Kapitalreserven

- Reserven aus Kapitaleinlagen 40

- Übrige Kapitalreserven 160 200

Gesetzliche Gewinnreserven 30

Freiwillige Gewinnreserven / kum. Verluste 50

Eigene Kapitalanteile

- Gegen Reserven aus Kapitaleinlagen -40

- Übrige -10 -50

Total Eigenkapital 250

Erklärungen

• Wie bis anhin werden Kapitaleinlagereserven gesondert auf einem Konto in der Handelsbilanz ausgewiesen, in der Gliederung des neuen Rechnungslegungsrechtes unter der Position „Gesetzliche Kapitalreserven“. Im Beispiel beträgt der Bestand an Kapitaleinlagereserven 40.

• Eigene Kapitalanteile, deren steuerliche Behandlung nach Art. 5 Abs. 1bis VStG erfolgen soll, sind in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto unter der Position

P:28

28 l 132

„Eigene Kapitalanteile“ auszuweisen. Im Beispiel wird der gesamte Betrag der Kapitaleinlagereserven (40) den eigenen Kapitalanteilen zugewiesen.

Mit diesem Ausweis ist einerseits die Verbindung zwischen Kapitaleinlagereserven nach Art.

5 Abs. 1bis VStG und eigenen Kapitalanteilen, deren steuerliche Behandlung nach Art. 5 Abs.

1

bis VStG erfolgen soll, klar dargestellt und sind andererseits die Gliederungsbestimmungen

des Obligationenrechts eingehalten. Zudem wird die Kenngrösse „Hälfte des Aktienkapitals

und der gesetzlichen Reserven“ welche zur Bestimmung eines Kapitalverlustes nach Art.

725 Abs. 1 OR verwendet wird, nicht verändert.

Der Ausweis von eigenen Kapitalanteilen, welche zur steuerlichen Verrechnung mit Kapitaleinlagereserven berechtigen, hat einen hohen qualitativen Stellenwert. Ein solcher Ausweis

ist nur zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, dass die damit verbundenen steuerlichen

Bedingungen, insbesondere auch das Vorhandensein von entsprechenden Kapitaleinlagereserven bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der eigenen Kapitalanteile (was insbesondere auch

bei unterjähriger Bildung von Kapitaleinlagereserven relevant ist), uneingeschränkt erfüllt

sind. Andernfalls liegt ein Gesetzesverstoss vor.

P:29

29 l 132

2.4 Latente Steuern im OR Einzelabschluss

Erstpublikation: 08.06.2020

Frage

Sind auf temporären Differenzen zwischen dem OR Einzelabschluss und der Steuerbilanz

latente Steuern zu erfassen?

Antwort

Temporäre Differenzen zwischen der handelsrechtlichen Jahresrechnung nach Obligationenrecht (Art. 958 Abs. 2 OR) und dem steuerrechtlichen Abschluss sind aufgrund des Massgeblichkeitsprinzips sehr selten. Als Folge der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten der STAF

wird dies jedoch voraussichtlich zunehmen (z.B. im Falle von [altrechtlichen] Step-ups oder

gewissen Eintrittsmechanismen in Patentboxen). 1

Von latenten Steuern als Folge temporärer Differenzen zwischen der Handels- und der Steuerbilanz im Sinne von Swiss GAAP FER (FER) und den International Financial Reporting

Standards (IFRS) zu unterscheiden ist die allgemeine Bezeichnung latenter Steuerlasten auf

unversteuerten stillen Reserven wie beispielsweise dem sog. Warendrittel. Im Fall von derartigen unversteuerten stillen Reserven bestehen definitionsgemäss keine Differenzen zwischen der Handels- und der Steuerbilanz, da ja beispielsweise ein Warendrittel sowohl in der

Handels- wie auch der Steuerbilanz erfasst ist. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen

sich lediglich auf latente Steuern auf temporären Differenzen im Sinne von FER oder IFRS

zwischen der Handels- und der Steuerbilanz.

Die Vorschriften zur Jahresrechnung nach OR (Art. 959 bis Art. 961d OR) enthalten keine

expliziten Vorgaben zur Behandlung von Steuern, ausser dass der Aufwand für direkte Steuern in der Erfolgsrechnung separat auszuweisen ist (Art. 959b Abs. 2 Ziff. 10 OR bzw. Art.

959b Abs. 3 Ziff. 7 OR). Es kann mangels expliziter Regelungen im OR nicht darauf geschlossen werden, dass Konzepte aus FER oder IFRS unbesehen auf OR zu übernehmen

sind. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die Bilanzierung von Steuern innerhalb der Bilanzierungsgrundsätze des OR selbst gelöst werden kann. Erst wenn dies nicht möglich ist, können andere Rechnungslegungsstandards wie FER oder IFRS herangezogen werden (soweit die

Konzepte mit den Grundsätzen der OR-Rechnungslegung vereinbar sind).

1 Vgl. EXPERTsuisse, Ausgewählte Fragen und Antworten zur buchhalterischen Behandlung der Steuerreform im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF), Datum der ersten Veröffentlichung: 24. Juli 2019 (Q&A STAF). Diese Publikation bezieht sich auf die Auswirkungen der STAF auf die Bilanzierung nach

IFRS. Im Gegensatz zu IFRS ist eine Aktivierung latenter Steuerguthaben auf steuerlichen Verlustvorträgen, (altrechtlichen)

Step-ups und gewissen Eintrittsmechanismen in Patentboxen (Q&A STAF Ziff. 6.3 Modell A) auf Stufe OR Einzelabschluss

nicht möglich. Vgl. auch nachfolgende Frage 2.4.1.

P:30

30 l 132

Als Folge des Massgeblichkeitsgrundsatzes erfolgt die Erfassung der Steuern im OR Einzelabschluss nach Massgabe der steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften. So sind für wahrscheinliche zukünftige Steuerzahlungen gestützt auf Art. 959 Abs. 5 OR bzw. Art. 960e Abs.

2 OR erfolgswirksam Rückstellungen zu erfassen. Steuervorauszahlungen werden aktiviert,

wenn die Voraussetzungen für eine Aktivierung als Forderung oder als transitorisches Aktivum erfüllt sind.

Nachdem die Rechnungslegungsgrundsätze des OR, insbesondere das Vorsichtprinzip und

die daraus abgeleiteten Imparitäts- und Realisationsprinzipien befriedigende Antworten bezüglich Bilanzierung von Steuerfragen liefern, ist ein Rückgriff auf FER bzw. IFRS Konzepte

nicht notwendig. Somit sind im OR Einzelabschluss grundsätzlich keine latenten Steuern auf

temporären Differenzen im Sinne von FER oder IFRS zwischen der Handels- und der Steuerbilanz zu bilden.

Auf der anderen Seite lässt sich aus den Vorgaben des OR aber auch nicht ableiten, dass

die Anwendung eines Konzepts latenter Steuern nach FER oder IFRS im OR Einzelabschluss an sich nicht möglich ist. Ein derartiger Bilanzierungsansatz ist zwar unüblich. Bei

Einhaltung des Imparitäts- und des Realisationsprinzips sowie bei angemessener Offenlegung des Rechnungslegungsgrundsatzes im Anhang kann die Anwendung des Konzepts latenter Steuern jedoch als vertretbar betrachtet werden.

In der Praxis dürften sich bei Anwendung eines Konzepts latenter Steuern nach FER oder

IFRS auf Stufe OR Einzelabschluss insbesondere im Fall versteuerter stiller Reserven Unterschiede ergeben. In einer Logik der latenten Steuern wäre eine Steuerzahlung auf versteuerten stillen Reserven als latentes Steueraktivum zu betrachten, welches erst im Zeitpunkt der

Auflösung dieser stillen Reserve im handelsrechtlichen Abschluss zu einem Steueraufwand

führen würde. Sofern das Konzept latenter Steuern wie üblich nicht angewendet wird, ist ein

derartiger Steueraufwand nach Massgabe des Steuerrechts zu erfassen, also dann, wenn

die entsprechende Aufrechnung erfolgt bzw. als wahrscheinlich zu betrachten ist.

Daraus folgt auch, dass die Nichtaktivierung eines latenten Steuerguthabens auf versteuerten stillen Reserven keine stille Willkürreserve darstellt, wenn eine Unternehmung latente

Steuern im OR Einzelabschluss wie üblich nicht erfasst. Wenn eine Unternehmung latente

Steuern hingegen auch im OR Einzelabschluss erfasst, ist eine Nichtaktivierung eines derartigen latenten Steuerguthabens in der Konsequenz auch als stille Willkürreserve zu betrachten.

Ein Aktivum ist jedoch auch bei Anwendung des Konzepts latenter Steuern nach FER oder

IFRS auf alle Fälle nur dann zu erfassen, wenn die allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen von Art. 959 Abs. 2 OR und spezifische zusätzliche Aktivierungsvoraussetzungen wie

P:31

31 l 132

das Vorliegen von Anschaffungskosten erfüllt sind. Dies ist namentlich bei steuerlichen Verlustvorträgen, steuerlichen Aufwertungen (z.B. [altrechtlichen] Step ups) oder gewissen Eintrittsmechanismen in Patentboxen nicht der Fall.2

Die Anwendung des Konzepts latenter Steuern auf Stufe OR Konzernrechnung ist hingegen

unbestritten. Für die Konzernrechnung ist zum einen das steuerliche Massgeblichkeitsprinzip

nicht anwendbar. Auf Stufe Konzernrechnung sind zum anderen auch lediglich die Grundsätze ordnungsgemässer Rechnungslegung anwendbar (Art. 963b Abs. 3 OR).

2.4.1 Sonderaspekt Aktivierung latenter Steuerguthaben auf steuerlichen Verlustvorträgen im OR Einzelabschluss

Erstpublikation: 08.06.2020

Frage

Warum können latente Steuerguthaben auf Verlustvorträgen im OR Einzelabschluss im Gegensatz zur OR Konzernrechnung nicht aktiviert werden?

Antwort

Aktivierungen im OR Einzelabschluss folgen faktisch einer zweistufigen Logik. In einem ersten Schritt sind die allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen (insbesondere von Art. 959

Abs. 2 OR) zu erfüllen. In einem zweiten Schritt sind die für eine gegebene Aktivenkategorie

massgeblichen spezifischen Aktivierungsvoraussetzungen gemäss Art. 960 OR ff. zu erfüllen. Nur wenn sowohl die allgemeinen wie auch die für ein bestimmtes Aktivum spezifischen

Ansatzkriterien erfüllt sind, kann dieses auch aktiviert werden.

Eine Aktivierung latenter Steuerguthaben auf steuerlichen Verlustvorträgen scheitert typischerweise daran, dass bereits die allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen nach Art. 959

Abs. 2 OR nicht erfüllt werden. Insbesondere ist der Nachweis einer genügend hohen Wahrscheinlichkeit eines Mittelzuflusses regelmässig nicht zu erbringen. Selbst wenn aber dieser

Nachweis erbracht werden kann bzw. selbst wenn die allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen nach Art. 959 Abs. 2 OR erfüllt sind, können latente Steuerguthaben auf steuerlichen

Verlustvorträgen im OR Einzelabschluss nicht aktiviert werden, weil die spezifischen Aktivierungsvoraussetzungen nicht erfüllt werden können.

Insbesondere fehlen Anschaffungs- oder Herstellkosten (Art. 960a Abs. 1 OR). Eine Analogie zu Schenkungen und damit eine Ausnahme vom Anschaffungskostenprinzip ist nicht

2 Vgl. Fussnote 1 in diesem Kapitel.

P:32

32 l 132

möglich. Schenkungen werden erst erfasst, wenn diese erfolgt und somit \"realisiert\" sind,

was im Falle von erst in Folgejahren möglicherweise nutzbaren latenten Steuerguthaben

nicht der Fall ist. Ferner liegen für latente Steuerguthaben im Gegensatz zu aktivierungsfähigen Schenkungen keine Verkehrswerte vor, welche als Bewertungsbasis dienen könnten.

Aus dem gleichen Grund ist auch eine Analogie zu Sacheinlagen nicht zulässig. Schlussendlich stellen latente Steuerguthaben auf steuerlichen Verlustvorträgen auch keine transitorischen Aktiven dar, da per Bilanzstichtag lediglich ein möglicher, nicht aber ein tatsächlicher,

bereits realisierter Anspruch auf Steuervergünstigungen besteht.

Auch in der Folgebewertung im OR Einzelabschluss dürfen Aktiven nach Art. 960a Abs. 2

OR nicht höher als zu Anschaffungs- oder Herstellkosten bewertet werden, ausser es liegen

Sonderbestimmungen vor. Dazu gehört insbesondere eine Bewertung zu Börsenkursen oder

beobachtbaren Marktpreisen nach Art. 960b Abs. 1 OR. Steuerliche Verlustvorträge haben

zwar einen Wert (beispielsweise im Rahmen einer Firmenübernahme). Da steuerliche Verlustvorträge und deren Nutzen aber faktisch nicht separat verkauft werden können, liegen

weder Börsenkurse noch beobachtbare (oder auch nicht beobachtbare) Marktpreise vor. Somit können steuerliche Verlustvorträge mangels Anschaffungs- oder Herstellkosten oder einer sonstigen anwendbaren Sonderbestimmung auch in der Folgebewertung im OR Einzelabschluss nicht über Null bewertet werden.

Eine Aktivierung auf Stufe OR Konzernrechnung ist hingegen grundsätzlich möglich. Zum einen, weil das Anschaffungskostenprinzip auf Stufe Konzernrechnung mangels expliziter OR

Regelung nicht zwingend anwendbar ist. Zum anderen, weil eine Konzernrechnung andere

Zwecke als ein Einzelabschluss verfolgt. So ist die Konzernrechnung im Gegensatz zur Jahresrechnung kein Instrument des Verkehrs- und Gläubigerschutzes. Entsprechend gibt es

auf Stufe Konzernrechnung auch keine Kapitalschutzmassnahmen wie sie im Einzelabschluss beispielsweise mit Art. 725 OR bestehen. Auch ist eine Konzernrechnung im Gegensatz zum Einzelabschluss nicht die Basis für Dividendenausschüttungen. Die Konzernrechnung soll eine betriebswirtschaftlichere Beurteilung ermöglichen (und dem Gläubigerschutz

und dem Aktionärsinteresse auf diese Weise dienen). Entsprechend haben True & Fair Standards wie Swiss GAAP FER (FER) und die International Financial Reporting Standards

(IFRS) die Praxis der OR Konzernrechnungslegung massgeblich beeinflusst. Sowohl FER

wie auch IFRS enthalten spezifische Vorgaben zur Aktivierung von steuerlichen Verlustvorträgen. FER lässt zudem das Nutzwertprinzip als allgemeinen Bewertungsansatz gelten und

illustriert dies mit dem expliziten Beispiel von steuerlichen Verlustvorträgen (FER Rahmenkonzept Ziff. 26). Das Nutzwertprinzip ist auch auf Stufe OR Konzernrechnung ein möglicher

Bewertungsansatz.

P:33

33 l 132

3. Bewertungsvorschriften

3.1 Einzel- und Gruppenbewertung

Erstpublikation: 07.01.2013

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Art. 960 Abs. 1 OR bestimmt, dass Aktiven und Verbindlichkeiten in der Regel einzeln bewertet

werden, sofern sie wesentlich sind und aufgrund ihrer Gleichartigkeit für die Bewertung nicht

üblicherweise als Gruppe zusammengefasst werden.

In welchen Fällen ist eine Abweichung vom Grundsatz der Einzelbewertung zulässig und kann

eine Bewertung als Gruppe (Gesamtbewertung) vorgenommen werden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.4.3.2.

P:34

34 l 132

3.2 Bewertung zum beobachtbaren Marktpreis

Erstpublikation: 07.01.2013

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

In der Folgebewertung dürfen Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren

Marktpreis in einem aktiven Markt zum Kurs oder Marktpreis am Bilanzstichtag bewertet werden, auch wenn dieser über dem Nennwert oder dem Anschaffungswert liegt (Art. 960b OR).

In welchen Fällen kann nach dieser Norm der Börsenkurs oder Marktpreis für die Folgebewertung angesetzt werden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.4.3.3.

P:35

35 l 132

4. Anhang

4.1 Angaben zu Beteiligungsrechten und Optionen für Leitungs- und Verwaltungsorgane sowie für Mitarbeitende

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antworten durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Fragen

Der Anhang der Jahresrechnung muss Auskunft geben zur Anzahl und zum Wert von Beteiligungsrechten oder Optionen auf solchen Rechten für alle Leitungs- und Verwaltungsorgane

sowie für die Mitarbeitenden (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 11 OR).

a) Gilt diese Offenlegungspflicht nur für börsenkotierte Unternehmen?

b) Betrifft die Offenlegung die vom betreffenden Personenkreis am Bilanzstichtag gehaltenen Instrumente, oder aber die im Berichtsjahr als Vergütung bzw. im Rahmen von Beteiligungsprogrammen zugeteilten Instrumente?

c) Sind die Beteiligungsrechte und Optionen gesamthaft oder aufgeteilt (in Kategorien und

separat für Leitungs- bzw. Verwaltungsorgane sowie für Mitarbeitende) auszuweisen?

d) Welche Werte sind für einen solchen Ausweis anzusetzen?

Antworten

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel IV.5.14.

P:36

36 l 132

Die folgende Aufstellung fasst die Offenlegungspflichten zusammen:

Aktiengesellschaften, deren Aktien an

einer Börse im Inoder Ausland kotiert

sind

Nicht börsenkotierte Unternehmen

Im Berichtsjahr an Leitungs- und Verwaltungsorgane sowie

an Mitarbeitende zugeteilte Beteiligungsrechte und Optionen

auf solche Rechte

Grundlage: Art. 959c Abs. 2 Ziff. 11 OR

Ort der Angabe: Anhang der Jahresrechnung

X X

Von VR, Geschäftsleitung und ihnen nahestehenden

Personen am Bilanzstichtag gehaltene Beteiligungen,

Wandel- und Optionsrechte

Grundlage: Art. 663c Abs. 3 OR

Ort der Angabe: Anhang der Jahresrechnung

X –

Im Geschäftsjahr an VR, Geschäftsleitung und ggf.

ihnen nahestehende Personen ausgerichtete Vergütungen

Grundlage: VegüV

Ort der Angabe: Vergütungsbericht

X –

P:37

37 l 132

5. Rechnungslegung für grössere Unternehmen

5.1 Rechnungslegung für grössere Unternehmen – Möglichkeiten der Befreiung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 30.03.2015 (Grundlegende Überarbeitung und Erweiterung bez. IFRS (EU))

Vorbemerkung

Art. 961 OR verlangt von Unternehmen, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind, zusätzliche Angaben im Anhang, eine Geldflussrechnung und einen Lagebericht.

Art. 961d OR erlaubt einen Verzicht auf diese zusätzlichen Anforderungen an den Geschäftsbericht, wenn das Unternehmen selbst oder eine juristische Person, die das Unternehmen

kontrolliert, eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung

erstellt.

Die Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung (VASR) definiert die

IFRS (IASB), IFRS for SME (IASB), Swiss GAAP FER, US-GAAP und IPSAS als anerkannte

Standard. Die Rechnungslegungsvorschriften der FINMA werden einem anerkannten Standard gleichgestellt. Diese Liste ist abschliessend. Die IFRS as adopted by the EU ist von der

VASR nicht als anerkannter Standard zugelassen.

Nicht zu verwechseln sind diese Ausführungen mit denjenigen von Art. 963a OR. Diese regeln

die Befreiung von der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung. In Art 963a Abs. 1 Ziff. 2

OR wird als ein befreiender Sachverhalt anerkannt, wenn eine juristische Person von einem

Unternehmen kontrolliert wird, dessen Konzernrechnung nach schweizerischem oder gleichwertigen ausländischen Vorschriften erstellt und ordentlich geprüft worden ist. In der Praxis

stellt sich oft die Frage nach der Befreiung von der Konzernrechnungspflicht (Art. 963a OR)

und von den zusätzlichen Anforderungen an den Geschäftsbericht (Art. 961d OR) bei derselben Unternehmung. Die jeweiligen Befreiungsoptionen sind aber in den beiden Gesetzesartikeln unterschiedlich geregelt.

Frage a) Befreiung durch Konzernabschluss nach IFRS (EU)?

Eine Muttergesellschaft erstellt einen Konzernabschluss nach IFRS as adopted by the EU.

Ermöglicht dieser Konzernabschluss einer Schweizer Tochtergesellschaft die Befreiung (Art.

961 d Abs. 1 OR) von den zusätzlichen Anforderungen an den Geschäftsbericht?

P:38

38 l 132

Antwort

Nein. Die anerkannten Standards zur Rechnungslegung sind in der Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung (VASR) abschliessend bezeichnet. In Art. 1 VASR

werden die «International Financial Reporting Standards» (IFRS) des International Accounting

Standards Board (IASB) erwähnt. Die «IFRS as adopted by the EU» oder «EU-IFRS», die

innerhalb der Europäischen Union einem Endorsement-Verfahren unterliegen und damit nicht

jederzeit und vollständig den IFRS des IASB entsprechen, sind in der VASR nicht als anerkannter Standard aufgeführt.

Im Erläuternden Bericht des Bundesamts für Justiz zur Inkraftsetzung des Rechnungslegungsrechts und Erlass der VASR vom 16. August 2012 findet sich folgende Aussage (vgl. 1. Teil,

Abschnitt 3.2.1, S. 6; Hervorhebung EXPERTsuisse):

«Der Bundesrat muss die anerkannten Standards zur Rechnungslegung bezeichnen, die von

Unternehmen angewendet werden müssen, die der Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung gemäss Artikel 957 nOR unterliegen. Unterliegt ein Unternehmen nicht den entsprechenden schweizerischen Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten, findet die Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung keine unmittelbare Anwendung.

Es ist folglich denkbar, dass die Börse Emittenten ohne Sitz in der Schweiz und ohne Pflicht

zur Buchführung und Rechnungslegung gemäss Artikel 957 nOR, die Anwendung eines in der

Verordnung nicht bezeichneten Rechnungslegungsstandards für die börsenmässige Berichterstattung ermöglicht, z.B. der EU-IFRS.»

Somit wird klargestellt, dass die EU-IFRS nicht zu den vom Bundesrat anerkannten Standards

zur Rechnungslegung zählen. Grössere Unternehmen, deren Muttergesellschaft eine Konzernrechnung einzig nach EU-IFRS erstellen, können demnach nicht auf die zusätzlichen Anforderungen an den Geschäftsbericht verzichten.

Frage b) Befreiung durch dualen Konzernabschluss nach IFRS (EU) und IFRS (IASB)?

Wenn eine Muttergesellschaft einen dualen Konzernabschluss in Übereinstimmung mit den

IFRS as adopted by the EU und mit den IFRS (IASB) erstellt, wirkt dieser befreiend?

Antwort

Ja. Die Unterschiede zwischen den beiden Standards können bedingt durch unterschiedliche

Daten der Inkraftsetzung oder dauernde Differenzen sein. In Zeiten, in welchen die materiellen

Unterschiede zwischen IFRS as adopted by the EU und IFRS (IASB) gering sind, gibt es Gesellschaften, die ihre Konzernrechnung nach beiden Standards erstellen und prüfen lassen.

Ein solcher «Dualer Abschluss» – weil (auch) nach IFRS (IASB) erstellt – ist befreiend bezüglich der zusätzlichen Anforderungen an den Geschäftsbericht von grösseren Unternehmen.

P:39

39 l 132

Frage c) Befreiung durch ungeprüften Konzernabschluss nach IFRS (IASB)?

Art. 961d Abs. 1 OR verlangt, dass eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard

erstellt wird. Es wird nicht explizit eine Prüfung verlangt. Wenn eine Muttergesellschaft, welche

eine Konzernrechnung nach IFRS as adopted by the EU erstellt, eine ungeprüfte Konzernrechnung nach IFRS (IASB) vorlegt, wirkt letztere für die zusätzlichen Anforderungen an den

Geschäftsbericht einer Schweizer Tochtergesellschaft befreiend?

Antwort

Ja, unter Beachtung der nachfolgenden Voraussetzungen. Die notwendigen Nachweise zur

befreienden Wirkung einer Konzernrechnung sind durch den Verwaltungsrat des zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmens schlüssig zu erbringen. Der Aufwand dafür ist demjenigen der Erstellung der zusätzlichen Angaben im Geschäftsbericht gegenüberzustellen. Ungenügende Nachweise verhindern die befreiende Wirkung der Konzernrechnung. Die Befreiung kann in Anspruch genommen werden, wenn kumulativ:

a) der Verwaltungsrat in der Lage ist, die Übereinstimmung mit IFRS (IASB) nachzuweisen.

Basierend auf einem geprüften Abschluss nach IFRS as adopted by the EU kann dies

in einfachen Verhältnissen gegebenenfalls mit einer Überleitung nach IFRS (IASB) erreicht werden,

b) das die Befreiung beanspruchende Unternehmen im Anhang seiner Jahresrechnung auf

die Befreiung mit einer Begründung hinweist.

Der Prüfer derjenigen Gesellschaft, welche aufgrund der so erstellten ungeprüften Konzernrechnung nach IFRS (IASB) die Befreiung von den Anforderungen an den Geschäftsbericht

für grössere Unternehmen geltend macht, hat sorgfältig zu beurteilen, ob dieser Konzernabschluss befreiend wirkt. Dies ist daher von grosser Wichtigkeit, als dem geprüften Abschluss

bei der Befreiung wesentliche Informationen fehlen, wie z.B. die Geldflussrechnung.

Es ist angezeigt, dass der Verwaltungsrat, in Analogie zu den Bedingungen für die Befreiung

von der Konzernrechnungspflicht nach Art. 963a Abs. 3 OR, den befreienden Konzernabschluss nach den Vorschriften für die eigene Jahresrechnung bekanntmacht. Damit soll einerseits ein Missbrauch verhindert und anderseits die vom Gesetzgeber als befreiend eingestuften Informationen dem Empfängerkreis auch bekannt gemacht werden.

P:40

40 l 132

6. Abschluss nach anerkanntem Standard

6.1 Zusätzlicher Abschluss nach anerkanntem Standard

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Für Publikumsgesellschaften, Grossgenossenschaften und für wirtschaftlich bedeutende Stiftungen verlangt das Gesetz nebst der obligationenrechtlichen Jahresrechnung einen zusätzlichen Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung (Art. 962 Abs. 1

OR). Qualifizierte Minderheiten haben überdies das Recht, einen zusätzlichen Abschluss nach

einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung zu verlangen (Art. 962 Abs. 2 OR).

Braucht es zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen in jedem Fall zwei Abschlüsse (eine

Jahresrechnung nach Obligationenrecht und einen separaten Abschluss nach einem anerkannten Standard) oder kann ein «dualer Abschluss» ausreichend sein?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.6.

P:41

41 l 132

7. Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung

Hier verwendete Begriffe:

Währungsdifferenzen unterteilen sich in Kursdifferenzen und Umrechnungsdifferenzen.

Kursdifferenzen sind Währungsdifferenzen aus der Verbuchung oder Bewertung von Transaktionen in Fremdwährung.

Umrechnungsdifferenzen sind Währungsdifferenzen aus der Umrechnung der Jahresrechnung in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung (Funktionalwährung) in den

Schweizer Franken.

7.1 Buchführung in Fremdwährung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antworten durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage a) Kriterien zur Wahl der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung –

Buchführung

Die Buchführung kann in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung erfolgen (Art.

957a Abs. 4 OR). Kann irgendeine Währung gewählt werden? Welche Kriterien sind anzuwenden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.2.

Frage b) Kursdifferenzen

Wie werden Kursdifferenzen ermittelt, wenn die Buchführung in einer Fremdwährung erfolgt?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.1.4.

P:42

42 l 132

7.2 Rechnungslegung in Fremdwährung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antworten a) – e) durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Letzte Änderung vom: 06.01.2016 (Antwort f) aufgrund Aktualisierung der Analyse des Vorstandes SSK

Frage a) Konformität der Jahresrechnung mit Gesetz und Statuten

Welches ist die massgebliche Jahresrechnung bei der Rechnungslegung in Fremdwährung?

Müssen die Angaben in Landeswährung für sich alleine auch Gesetz und Statuten entsprechen?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.3.

Frage b) Kriterien zur Wahl der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung –

Rechnungslegung

Die Rechnungslegung (gem. Art. 958d Abs. 3 OR) kann in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung erfolgen. Kann irgendeine Währung gewählt werden? Welche Kriterien

sind anzuwenden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.3.

Frage c) Von der Landeswährung abweichende Währung

Erfolgt die Rechnungslegung in einer von der Landeswährung abweichenden Währung, muss

die Jahresrechnung die ermittelten Werte auch in Landeswährung angeben (Art. 958d Abs. 3

OR). Welche Bestandteile der Jahresrechnung sind davon betroffen? Wie wird dies in der

Jahresrechnung dargestellt?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.3.

Frage d) Umrechnungsmethode

Welche Methode soll angewendet werden bei der Ermittlung der Werte für die Angabe in

Schweizer Franken?

P:43

43 l 132

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.3.

Frage e) Anhangsangaben

Welche Angaben sind gemäss Art. 958d Abs. 3 OR in Bezug auf die Umrechnungskurse im

Anhang zu machen?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.3.

Frage f) Steuerliche Auswirkungen

Was für Auswirkungen wird das Führen der Buchführung bzw. der Rechnungslegung in

Fremdwährung für die Steuern haben? Auf welche Werte wird sich die Steuerbehörde abstützen?

Antwort

Die Schweizerische Steuerkonferenz hat am 12.2.2013 die Analyse des Vorstandes SSK zum

neuen Rechnungslegungsrecht inklusive Beschlüsse publiziert. Mit Datum vom 26. November

2014 wurde diese Analyse aktualisiert. In Bezug auf die Thematik Fremdwährung wurde beschlossen, dass Art. 958d Abs. 3 OR die gesetzliche Grundlage für die Anwendung des Bundesgerichtsentscheides (BGE136 II 88 ff.) zur steuerunwirksamen Behandlung der Differenzen aus der Umrechnung von der funktionalen Währung in die Darstellungswährung darstelle.

Weiter wird festgehalten, dass sich an der bisherigen steuerlichen Praxis nichts ändern würde.

Mit dem Bundesgerichtsurteil wurde im Jahr 2008 entschieden, dass die Umrechnungsdifferenzen steuerlich nicht länger zur Ermittlung des Ergebnisses zu berücksichtigen seien. Das

Urteil des Bundesgerichtes, die Umrechnungsdifferenzen aus dem Abschluss in Schweizer

Franken für die Steuerbemessung nicht zu berücksichtigen, verfolgt in der ökonomischen Konsequenz die Absicht, auf den «realen Gewinn» zurückzurechnen, und die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu erfassen, die sich aus der Jahresrechnung in der

Fremdwährung ergibt.

Die aktualisierte Analyse vom November 2014 präzisiert dahingehend, dass die Berechnung

der Steuerbemessungsgrundlage mit Ausnahme des Grundkapitals sowie der von der ESTV

bestätigten Reserven aus Kapitaleinlagen, welche zum historischen Kurs umzurechnen seien,

durch Umrechnung zum Kurs des Bilanzstichtages erfolge.

P:44

44 l 132

Frage g) Gesellschaftsrechtliche Relevanz

Welche Währung ist für die Beurteilung von gesellschaftsrechtlichen Fragen relevant, vor allem in Bezug auf die Kapitalschutzvorschriften (z. B. Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinnes, Dividendenausschüttungen, Zuweisung an die gesetzlichen Reserven, Kapitalverlust und Überschuldung, u. a.)?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel II.3.4.3.4.

P:45

45 l 132

7.3 Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung

Erstpublikation: 24.08.2015

Frage

Wie ist vorzugehen, wenn die Buchführung und/oder Rechnungslegung auf eine Fremdwährung umgestellt werden soll?

Antwort

Verschiedene Umstellungsmöglichkeiten sind theoretisch denkbar, die am häufigsten in der

Praxis angewendeten dürften die folgenden sein:

- heutige Buchführung in Fremdwährung und Rechnungslegung in CHF soll auf Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung umgestellt werden.

- heutige Buchführung und Rechnungslegung in CHF soll auf Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung umgestellt werden.

Grundsätzliches

Unter dem bisherigen Recht waren Inventar, Betriebsrechnung und Bilanz in Landeswährung

aufzustellen (Art. 960 Abs. 1 aOR). Die Buchführungswährung war nicht gesetzlich geregelt.

In der Praxis wurde eine Buchführung in Fremdwährung akzeptiert, solange die Jahresrechnung in CHF nach den geltenden statutarischen Bestimmungen erstellt wurde. Die der Jahresrechnung zugrundeliegende Buchführungswährung hat die Jahresrechnung in CHF in der

Theorie nicht beeinflussen dürfen, hat daher konzeptionell „nicht existiert“.

Bisherige Praxis

Bei Buchführung in Fremdwährung bestanden unter bisherigem Recht im Wesentlichen zwei

Grundvarianten für die Umrechnung des Fremdwährungs-Abschlusses in den für handelsrechtliche Zwecke massgebenden CHF-Abschluss (vgl. HWP 2009, Band 1, Kapitel

IV.6.1.2.3):

1. Modifizierte Current/Noncurrent-Methode

- Umrechnung des Umlaufvermögens und des kurzfristigen Fremdkapitals zum Stichtagskurs

- Umrechnung des nicht-monetären Anlagevermögens zu historischen Kursen

- Umrechnung des monetären Anlagevermögens zu historischen Kursen resp. zu tieferen

Stichtagskursen

- Umrechnung der monetären langfristigen Verbindlichkeiten zu historischen Kursen resp.

zu höheren Stichtagskursen

- Umrechnung des Eigenkapitals zu historischen Kursen

- Umrechnung der Erfolgsrechnung zum Jahresdurchschnittskurs

P:46

46 l 132

- Erfolgswirksame Erfassung der Umrechnungsdifferenzen, unter Berücksichtigung des Imparitätsprinzips (Rückstellung von unrealisierten Gewinnen)

2. Modifizierte Stichtagskurs-Methode

- Umrechnung der Aktiven und Verbindlichkeiten zum Stichtagskurs

- Umrechnung des Eigenkapitals zu historischen Kursen

- Umrechnung der Erfolgsrechnung zum Jahresdurchschnittskurs

- Erfolgswirksame Erfassung der Umrechnungsdifferenzen, unter Berücksichtigung des Imparitätsprinzips (Rückstellung von unrealisierten Gewinnen)

[Hinweis: Die vorstehend beschriebenen Methoden sind unverändert anwendbar für diejenigen Fälle, in denen - in Weiterführung der bisherigen Praxis - die Buchführung in Fremdwährung und die Rechnungslegung in CHF erfolgt.]

Umrechnung der Eröffnungsbilanz in Fremdwährung

Davon ausgehend, dass bei einer Umstellung der Währung der Buchführung und/oder Rechnungslegung die letzte der Generalversammlung vorgelegte Jahresrechnung in CHF den Ausgangspunkt darstellt, ergeben sich zusammengefasst zwei Möglichkeiten der Umstellung der

Eröffnungsbilanz:

A. Bei einer bestehenden Buchführung in einer Fremdwährung werden diese Werte weitergeführt, da diese de facto bislang Grundlage der Jahresrechnung bildeten und alle

rechnungslegungsrelevanten Informationen (z.B. historische Anschaffungswerte) bereits vorhanden sind.

B. Die Werte der letzten Jahresrechnung in CHF werden zum Stichtagskurs der Umstellung in die Fremdwährung umgerechnet. Der angewandte Kurs bildet für die Zukunft

den historischen Umrechnungskurs.

In beiden Varianten stellt sich die Frage der Behandlung von Umrechnungsdifferenzen bzw.

der Behandlung von bestehenden Rückstellungen für unrealisierte Kursgewinne in der CHF

Jahresrechnung. (Auch wenn die „Rückstellung“ für unrealisierte Kursgewinne technisch eigentlich eine „Abgrenzung“ für unrealiserte Kursgewinn darstellt, wird in dieser Q&A der gebräuchliche Ausdruck der Rückstellung verwendet).

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Grundvariante der bisherigen Umrechnung nach der modifizierten Current/Noncurrent-Methode. Sie gelten für die Grundvariante der

bisherigen Umrechnung nach der modifizierten Stichtagskursmethode analog.

P:47

47 l 132

Buchführung in Fremdwährung und Rechnungslegung in CHF wird auf Buchführung

und Rechnungslegung in derselben Fremdwährung umgestellt (bestehende Buchführungswährung)

Variante A (Weiterführung der bestehenden Buchführungsinformationen in Fremdwährung)

Hier werden die bestehenden Buchwerte in Fremdwährung als Basis für die Eröffnungsbilanz

in Fremdwährung benutzt. Die Rechnungslegung basiert auf den historischen Informationen

in der Fremdwährung und war grundsätzlich in dieser Form bereits vorhanden. Weder diese

Werte an sich noch die daraus abgeleitete „Angabe der Werte in Landeswährung“ (HWP 2014,

Kapitel II.3.4.3) haben eine direkt nachvollziehbare Verbindung zur letzten statutarischen Jahresrechnung in CHF, welche von der GV genehmigt wurde. Die Überleitung des Eigenkapitals

von der letzten statutarischen Jahresrechnung in CHF auf die Eröffnungsbilanz in Fremdwährung wäre mit den handelsrechtlichen Veränderungen (Transaktion mit Aktionären, Jahresgewinn/-verlust) nicht möglich. Daher ist diese Variante in ihrer reinen Form als nicht zulässig

abzulehnen. Siehe Variante C als Lösungsvorschlag.

Variante B (Umstellung ausgehend von der letzten Jahresrechnung in CHF)

Hier wird transparent und nachvollziehbar von der letzten CHF Jahresrechnung auf die „Eröffnungsbilanz“ in Fremdwährung umgestellt und der Zeitpunkt der Umstellung begründet die

neuen historischen Umrechnungskurse. Allerdings dürften mit Ausnahme des Netto-Umlaufvermögens die so errechneten Werte in der Fremdwährung nicht mit den zugrundeliegenden,

bereits bestehenden Buchführungsinformationen in Fremdwährung übereinstimmen, da diese

für die Erstellung der Jahresrechnung zu historischen Kursen in CHF umgerechnet wurden.

Damit stimmt die neue Fremdwährungsbasis nicht mit der bestehenden Buchführungsinformation überein, sondern begründet neue Werte. Für die Umrechnung empfiehlt sich ein Vorgehen

in drei Schritten:

1. In einem ersten Schritt werden die Aktiven und die Passiven aus der letzten CHF Jahresrechnung zum Stichtagskurs der Umstellung in die Fremdwährung umgerechnet. IFRS

Anwender kennen diese Art der Umrechnung aus der Umstellung der Funktionalwährung

aus IAS 21.35-37.

2. In einem zweiten Schritt werden langfristige monetäre Positionen erfolgswirksam auf ihren

nominellen Wert in der Fremdwährung korrigiert (ggf. abzüglich Wertberichtigungen). Die

erfolgswirksame Realisierung von Gewinnen wird durch die Währungsumstellung gerechtfertigt.

3. Eine bestehende zum Stichtagskurs umgerechnete Rückstellung für unrealisierte Währungsgewinne ist ebenfalls erfolgswirksam aufzulösen. Wird die Rückstellung nicht aufgelöst, bildet sie neu eine stille Reserve.

Variante C (Umstellung ausgehend von den aus der Vergangenheit vorliegenden Buchführungsinformationen in Fremdwährung mit Anpassung aufgrund von kumulierten Kursdifferenzen, Kombination aus Varianten A und B)

P:48

48 l 132

Eigenkapitalveränderungen in der statutarischen Rechnungslegung müssen transparent über

die Erfolgsrechnung verbucht werden, sofern sie nicht eine direkte Kapitaleinlage oder eine

Rückzahlung an die Aktionäre darstellen. Dies bedingt, dass transparent von der letzten Jahresrechnung in CHF auf die neuen Eröffnungsbestände in Fremdwährung aber auch auf die

zukünftige „Angabe der Werte in Landeswährung“ des Eigenkapitals übergeleitet werden

kann. Dazu bietet sich folgendes Vorgehen an:

1. In einem ersten Schritt werden die Aktiven und die Passiven aus der letzten CHF Jahresrechnung zum Stichtagskurs der Umstellung in die Fremdwährung umgerechnet (identisch mit Variante B).

2. In einem zweiten Schritt werden das Anlagevermögen und das langfristige Fremdkapital

erfolgswirksam auf die historischen Anschaffungswerte in fremder Währung (ggf. abzüglich Wertberichtigungen) korrigiert. Damit erfolgt eine erfolgswirksame Realisierung kumulierter Fremdwährungsgewinne und/oder -verluste. Die erfolgswirksame Realisierung von

Gewinnen wird durch die Währungsumstellung gerechtfertigt. Durch diesen Schritt werden auch langfristige monetäre Positionen auf ihren nominellen Wert in der Fremdwährung zurückgeführt (ggf. abzüglich Wertberichtigungen).

3. Eine bestehende zum Stichtagskurs umgerechnete Rückstellung für unrealisierte Währungsgewinne ist ebenfalls erfolgswirksam aufzulösen. Wird die Rückstellung nicht aufgelöst, bildet sie neu eine stille Reserve.

Zur Kontrolle werden nun die Eigenkapitalpositionen in Fremdwährung (die sich in Summe

nicht verändert haben) zum Stichtagskurs der Umrechnung in CHF zurückgerechnet. Das Eigenkapital in CHF hat sich nachvollziehbar um die verbuchten FX Korrekturen aus Schritt 2

und 3 verändert.

Mit diesen Schritten beruhen künftige Jahresrechnungen in Fremdwährungen auf den bestehenden historischen Buchführungsinformationen. Zudem wird beim ersten Abschluss in

Fremdwährung ein Eigenkapital ausgewiesen, welches umgerechnet zu den historischen Kursen dem Eigenkapital der letzten Jahresrechnung in CHF entspricht, verändert um das transparent ausgewiesene Ergebnis der Jahresrechnung in Fremdwährung. Diese Variante der

Umstellung realisiert die kumulierten Kursdifferenzen erfolgswirksam, was einen wesentlichen

Einfluss auf die Erfolgsrechnung des Umstellungsjahres haben kann. Die Umstellung der

neuen Währung der Buchführung bzw. der Rechnungslegung ist jedoch eine „normale“ Transaktion in der statutarischen Jahresrechnung, die nach den Grundsätzen der ordnungsmässigen Buchführung- und Rechnungslegung abzubilden ist. Eine erfolgswirksame Realisierung

von Währungsgewinnen/-verlusten wird durch die Umstellung gerechtfertigt. Eine Erfassung

eines Umstellungserfolges direkt im Eigenkapital ist daher nicht zulässig.

Buchführung und Rechnungslegung in CHF werden auf Buchführung und Rechnungslegung in Fremdwährung umgestellt

P:49

49 l 132

In diesem Fall bestehen keine historischen Buchführungsinformationen in fremder Währung.

Die nun erstmalig für die Eröffnungsbilanz ermittelten Werte in fremder Währung bilden die

historischen Anschaffungskosten (ggf. abzüglich Wertberichtigungen), und der anzuwendende

Umrechnungskurs (Stichtagskurs der Umstellung) begründet den historischen Umrechnungskurs für die zukünftige Angabe der Werte in Landeswährung für die Eigenkapitalpositionen.

Dazu bietet sich folgendes Vorgehen an:

1. In einem ersten Schritt werden die Aktiven und die Passiven aus der letzten CHF Jahresrechnung zum Stichtagskurs der Umstellung in die Fremdwährung umgerechnet.

2. In einem zweiten Schritt werden langfristige monetäre Positionen erfolgswirksam auf ihren

nominellen Wert in der Fremdwährung korrigiert (ggf. abzüglich Wertberichtigungen). Die

erfolgswirksame Realisierung von Gewinnen wird durch die Währungsumstellung gerechtfertigt.

3. Eine bestehende zum Stichtagskurs umgerechnete Rückstellung für unrealisierte Währungsgewinne ist ebenfalls erfolgswirksam aufzulösen. Wird die Rückstellung nicht aufgelöst, bildet sie neu eine stille Reserve.

Fazit

Folgende Grundsätze sind bei der Umstellung der Buchführungs- oder Rechnungslegungswährung zu beachten:

1. Ausgangsgrösse ist die letzte von der Generalversammlung genehmigte Jahresrechnung

in CHF.

2. Umrechnungsdifferenzen aus der Umstellung sind erfolgswirksam als ausserordentliche

Positionen zu verbuchen, ungeachtet einer ggf. abweichenden steuerlichen Behandlung.

Ein direkter Ausweis von Umrechnungsdifferenzen aus der Umstellung im Eigenkapital ist

nicht zulässig.

3. Eine Beschreibung der Umstellung und eine Überleitung der Eigenkapitalpositionen nach

einer Umstellung der Buchführungs- und/oder Rechnungslegungswährung im Anhang der

Jahresrechnung sind geboten (Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 und 2 OR).

4. Aus rechtlichen Gründen (für Erläuterungen dazu siehe HWP 2014, Kapitel II.3.4.3) müssen die Eigenkapitalpositionen in CHF von der letzten Jahresrechnung in CHF zu den

erstmalig auszuweisenden „Werten in Landeswährung“ überleitbar sein.

5. Bei der Rechnungslegung in Fremdwährung darf eine in den „Werten in Landeswährung“

existierende Umrechnungsdifferenz im Eigenkapital nur aus der Umrechnung der Jahresrechnung in Fremdwährung für die Angabe der „Werte in Landeswährung“ nach Art. 958d

Abs. 3 OR stammen und nicht aus der Umstellung der Buchführungs- oder Rechnungslegungswährung.

P:50

Beilage: Zahlenbeispiel zur Illustration der Varianten B und C

Zahlenbeispiel Variante B - Umstellung ausgehend von der letzten Jahresrech

CHF Kurs USD CHF Kurs USD

Umlaufvermögen 254.8 S 0.91 280.0 254.8 S 0.91 280.0

Anlagevermögen 330.0 H 1.10 300.0 330.0 S 0.91 362.6

Total Aktiven 584.8 580.0 584.8 642.6

kurzfristiges Fremdkapital -364.0 S 0.91 -400.0 -364.0 S 0.91 -400.0

langfr. Darlehen 20 USD -21.0 H 1.05 -20.0 -21.0 S 0.91 -23.1

Rückstellung unreal. FX Gewinn -12.8 -12.8 S 0.91 -14.1

Total Fremdkapital -397.8 -420.0 -397.8 -437.1

Aktienkapital -120.0 H 1.2 -100.0 -120.0 S 0.91 -131.9

Reserven -57.5 H 1.15 -50.0 -67.0 S 0.91 -73.6

Jahresgewinn -9.5 -10.0

Total Eigenkapital -187.0 -160.0 -187.0 -205.5

Total Passiven -584.8 -580.0 -584.8 -642.6

Ertrag -85.5 D 0.95 -90.0

Aufwand 76.0 D 0.95 80.0

Jahresgewinn -9.5 -10.0

S = Stichtagskurs 0.91 0.91

H = Historischer Kurs

D = Durchschnittskurs 0.95

Ausgangslage altes Recht:

Rechnungslegung CHF, Buchführungswährung USD

1. Schritt:

Eröffnungsbilanz in USD,

umgerechnet von den letzten

CHF Werten zum Stichtagskurs

der Umstellung

Die Rückstellung für unrealiserte FX Gewinne wird in der USD

bestehen, stellt sie stille Reserve dar.

P:51

50 l 132

hnung in CHF

2. Schritt/3. Schritt

Erfolgswirksame

Korrektur der

monetären Werte an

die Nominalwerte in

USD, Auflösung

Rückstellung

Korrigierte USD

Eröffnungsbilanzwerte

USD USD Kurs CHF

280.0 S 0.91 254.8

362.6 S 0.91 330.0

642.6 584.8

-400.0 S 0.91 -364.0

3.1 -20.0 S 0.91 -18.2

14.1 0.0 S 0.91 0.0

-420.0 -382.2

-131.9 H 0.91 -120.0

-73.6 H 0.91 -67.0

-17.2 -17.2 H 0.91 -15.6

-222.7 -202.6

-642.6 -584.8

-17.2 -17.2 H 0.91 -15.6

-17.2 -17.2

0.91

0.91

s

Kontrolle:

Angabe der Werte in CHF bei

RL in FX nach

Stichtagskursmethode für

Jahresabschluss

D Bilanz gegenstandslos und über die Erfolgsrechnung aufgelöst. Bleibt sie

P:52

Zahlenbeispiel Variante C – Umstellung ausgehend von den aus der Vergangen

CHF Kurs USD CHF Kurs USD

Umlaufvermögen 254.8 S 0.91 280.0 254.8 S 0.91 280.0

Anlagevermögen 330.0 H 1.10 300.0 330.0 S 0.91 362.6

Total Aktiven 584.8 580.0 584.8 642.6

kurzfristiges Fremdkapital -364.0 S 0.91 -400.0 -364.0 S 0.91 -400.0

langfr. Darlehen 20 USD -21.0 H 1.05 -20.0 -21.0 S 0.91 -23.1

Rückstellung unreal. FX Gewinn -12.8 -12.8 S 0.91 -14.1

Total Fremdkapital -397.8 -420.0 -397.8 -437.1

Aktienkapital -120.0 H 1.2 -100.0 -120.0 S 0.91 -131.9

Reserven -57.5 H 1.15 -50.0 -67.0 S 0.91 -73.6

Jahresgewinn/Verlust -9.5 -10.0

Total Eigenkapital -187.0 -160.0 -187.0 -205.5

Total Passiven -584.8 -580.0 -584.8 -642.6

Ertrag -85.5 D 0.95 -90.0

Aufwand 76.0 D 0.95 80.0

Jahresgewinn/Verlust -9.5 -10.0

S = Stichtagskurs 0.91 0.91

H = Historischer Kurs

D = Durchschnittskurs 0.95

Die Rückstellung für unrealiserte FX Gewinne wird in der USD B

bestehen, stellt sie stille Reserve dar.

Ausgangslage altes Recht:

Rechnungslegung CHF, Buchführungswährung USD

1. Schritt:

Eröffnungsbilanz in USD,

umgerechnet von den letzten

CHF Werten zum Stichtagskurs

der Umstellung

P:53

51 l 132

heit vorliegenden Buchführungsinformationen in Fremdwährung

2. Schritt/3. Schritt:

Erfolgswirksame

Korrektur USD Werte

auf historische USD

Werte, Auflösung

Rückstellung

Korrigierte USD

Eröffnungsbilanzwerte

USD USD Kurs CHF

280.0 S 0.91 254.8

-62.6 300.0 S 0.91 273.0

580.0 527.8

-400.0 S 0.91 -364.0

3.1 -20.0 S 0.91 -18.2

14.1 0.0 S 0.91 0.0

-420.0 -382.2

-131.9 H 0.91 -120.0

-73.6 H 0.91 -67.0

45.5 45.5 H 0.91 41.4

-160.0 -145.6

-580.0 -527.8

45.5 45.5 H 0.91 41.4

45.5 45.5 41.4

0.91

0.91

ilanz gegenstandslos und über die Erfolgsrechnung aufgelöst. Bleibt sie

Kontrolle:

Angabe der Werte in CHF bei

RL in FX nach

Stichtagskursmethode für

Jahresabschluss

P:54

52 l 132

8. Konzernrechnung

8.1 Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Gemäss Art. 963 Abs. 1 OR hat eine rechnungslegungspflichtige Person eine konsolidierte

Jahresrechnung (Konzernrechnung) zu erstellen, falls sie ein oder mehrere rechnungslegungspflichtige Unternehmen kontrolliert. Die alten Bestimmungen (Art. 663e Abs. 1 aOR)

knüpften die Konsolidierungspflicht an die Zusammenfassung einer oder mehrerer Gesellschaften unter einheitlicher Leitung. Können sich aufgrund dieser gesetzlichen Anpassung

Veränderungen im Konsolidierungskreis ergeben?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.4.1

8.2 Gesetzliche Bestimmungen zur Konzernrechnung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Die Konzernrechnung wird im Obligationenrecht in drei Artikeln (Art. 963 bis Art. 963b OR)

geregelt. Sind darüber hinaus noch weitere gesetzliche Bestimmungen aus Art. 957 bis Art.

960e OR massgebend?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.2.1.2.

P:55

53 l 132

8.3 Anwendung der Grössenkriterien

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antworten durch Hinweis auf HWP ersetzt)

8.3.1 Bei neu gegründeten Konzernen

Frage

Wie sind die Grössenkriterien (Art. 963a Abs. 1 Ziff. 1 OR) bei neu gegründeten Konzernen

für das erste Berichtsjahr anzuwenden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.4.3.1.

8.3.2 Bei verkürzten oder verlängerten Berichtsjahren

Frage

Wie sind die Grössenkriterien (Art. 963a Abs. 1 Ziff. 1 OR) bei Berichtsjahren mit mehr oder

weniger als 12 Monaten anzuwenden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.4.3.1.

P:56

54 l 132

8.4 Buchwertkonsolidierung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Ist die sogenannte Buchwertkonsolidierung weiterhin erlaubt und im Einklang mit den GoR

(Art. 958c OR i.V.m. Art. 963b Abs. 3 OR)?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.6.2.

P:57

55 l 132

8.5 Freiwillige Konzernrechnung nach anerkanntem Standard zur Rechnungslegung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Publikumsgesellschaften sowie grössere Genossenschaften und Stiftungen müssen eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellen (Art. 963b

Abs. 1 OR). Die Konzernrechnung von übrigen Unternehmen untersteht den GoR (Art. 963b

Abs. 3 OR). Genügt in diesem Fall auch eine Konzernrechnung, die freiwillig nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung (beispielsweise Swiss GAAP FER oder IFRS), automatisch auch den Anforderungen der GoR oder sind weitere Erfordernisse (beispielsweise

weitere Anhangsangaben) zu beachten?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.2.1.2.

P:58

56 l 132

8.6 Bestandteile einer Konzernrechnung

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antworten durch Hinweis auf HWP ersetzt)

8.6.1 Geldflussrechnung

Frage

Die Jahresrechnung grösserer Unternehmen hat zusätzlich zur Bilanz und Erfolgsrechnung

eine Geldflussrechnung zu enthalten (Art. 961 Ziff. 2 OR). Gilt dieses Erfordernis auch für die

Konzernrechnung?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.11.1.

8.6.2 Eigenkapitalnachweis

Frage

Muss eine Konzernrechnung nach OR einen Eigenkapitalnachweis enthalten?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.11.2.

8.6.3 Anhang

Frage

Welche Anhangsangaben sind für konsolidierte Jahresrechnungen zwingend verlangt?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.12.

P:59

57 l 132

8.7 Lagebericht

Erstpublikation: 14.02.2014

Letzte Änderung vom: 15.09.2014 (Antwort durch Hinweis auf HWP ersetzt)

Frage

Muss zur Konzernrechnung auch ein Lagebericht gemäss Art. 961c OR erstellt werden?

Antwort

Ersetzt durch HWP 2014, Kapitel V.13.

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8.8 Konsolidierungspflicht und Zweckorganisationen

Erstpublikation: 18.12.2014

Vorbemerkungen

Im Rahmen der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung (Art. 963 OR) ergab sich u.a. ein

Wechsel vom Leitungsprinzip («tatsächliche Ausübung der Leitung») unter bisherigem Recht

hin zum Kontrollprinzip («Möglichkeit der Ausübung der Leitung») im neuen Rechnungslegungsrecht.

Für Konzernrechnungen nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung sieht Art.

963 Abs. 3 OR vor, dass der entsprechende Standard den Konsolidierungskreis festlegen

kann. Wie das Obligationenrecht sehen die anerkannten Standards zur Rechnungslegung

durchwegs vor, dass ein Mutterunternehmen aufgrund des Kontrollprinzips sämtliche Tochterunternehmen einschliesslich Zweckorganisationen (teilweise auch bezeichnet als «Zweckgesellschaften», «structured entities», «special purpose vehicles», etc.) in den Konsolidierungskreis aufnimmt (siehe beispielsweise Swiss GAAP FER 30 oder IFRS 10). Diese Bestimmungen bezwecken, den Konzern als wirtschaftliche Einheit darzustellen. Die Rechtsform von

Tochterunternehmen ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Somit können grundsätzlich

auch Stiftungen Teil eines Konzerns bzw. einer Konzernrechnung sein.

Bezüglich der Behandlung in der Konzernrechnung legen diese Standards fest, dass Vorsorgepläne bzw. Vorsorgeeinrichtungen nicht durch Vollkonsolidierung in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind (vgl. hierzu insbesondere die Bestimmungen von Swiss GAAP FER

16 bzw. IFRS 10.4(b)). Vielmehr bilanziert das Unternehmen die wirtschaftliche Verpflichtung

(ggf. den wirtschaftlichen Nutzen) aus einem Vorsorgeplan als Differenz zwischen den nach

den Vorgaben des angewandten Standards zur Rechnungslegung ermittelten Vorsorgeverbindlichkeiten und dem Vorsorgevermögen.

Nachstehende Ausführungen gelten für Konzernrechnungen, die nach den Bestimmungen des

Obligationenrechts erstellt werden.

Frage a)

Müssen Zweckorganisationen, insbesondere auch Stiftungen, in den Konsolidierungskreis von

Konzernrechnungen nach Obligationenrecht einbezogen werden?

Antwort

1. Kontrolle

Kontrolliert eine rechnungslegungspflichtige juristische Person eines oder mehrere rechnungslegungspflichtige Unternehmen, so muss es nach Art. 963 Abs. 1 OR für die Gesamtheit der

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kontrollierten Unternehmen eine Konzernrechnung erstellen. Eine juristische Person kontrolliert gemäss Art. 963 Abs. 2 OR ein anderes Unternehmen, wenn sie:

▪ direkt oder indirekt über die Mehrheit der Stimmen im oberstes Organ verfügt,

▪ direkt oder indirekt über das Recht verfügt, die Mehrheit des obersten Leitungs- und Verwaltungsorgans zu bestellen oder abzuberufen, oder

▪ aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, bildet das kontrollierte Unternehmen Teil des Konzerns

als wirtschaftliche Einheit und ist entsprechend in die Konzernrechnung einzubeziehen. Die

Rechtsform des kontrollierten Unternehmens ist dabei von untergeordneter Bedeutung.

2. Konsolidierung von Zweckorganisationen

Bei der Betrachtung eines Konzerns als wirtschaftliche Einheit stellt sich u.a. auch die Frage,

unter welchen Voraussetzungen Zweckorganisationen in den Konsolidierungskreis eines Unternehmens einzubeziehen sind. Unter Zweckorganisationen werden wirtschaftliche oder

rechtliche Einheiten verstanden, bei denen die Kontrolle nicht in erster Linie über Stimm- oder

Beteiligungsrechte ausgeübt wird. Zweckorganisationen dienen der Abwicklung gewisser Aktivitäten, z.B. im Zusammenhang mit verbrieften Forderungen, aktienbezogenen Vergütungen,

Forschungstätigkeiten, Leasingobjekten oder Arbeitsgemeinschaften. Ein Unternehmen kontrolliert eine solche Aktivität, wenn

▪ es die Verfügungsmacht über die Aktivität besitzt;

▪ es aus der Aktivität einen direkten oder indirekten Nutzen hat bzw. es den entsprechenden

Risiken ausgesetzt ist;

▪ Leitungsmechanismen bestehen, die eine Einflussnahme des Unternehmens auf die Ergebnisse der Aktivität ermöglichen.

Sind diese Voraussetzungen kumulativ gegeben, bildet die Aktivität Teil des Konzerns als wirtschaftliche Einheit und ist entsprechend in die Konzernrechnung einzubeziehen.

3. Konsolidierung von Stiftungen

Ein kontrolliertes Unternehmen (bzw. die Aktivitäten einer Zweckorganisation) kann auch die

Rechtsform einer Stiftung (als ein einem besonderen Zweck gewidmetes Vermögen nach Art.

80 ZGB) aufweisen. Das Obligationenrecht sieht zwar in Art. 963a gewisse Befreiungstatbestände für die Erstellung einer Konzernrechnung vor. Allerdings bestehen grundsätzlich keine

Ausnahmen vom Einbezug bestimmter Unternehmen bzw. Rechtsformen von Unternehmen

in den Konsolidierungskreis. Somit sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wesentlichkeit (Art. 958c Abs. 1 Ziff. 4 OR) von einem Unternehmen kontrollierte Stiftungen – als Teil

der wirtschaftlichen Einheit «Konzern» – zu konsolidieren. Für die Festlegung des Konsolidierungskreises gilt es im konkreten Einzelfall abzuklären, ob für eine Stiftung die Voraussetzungen von Art. 963 Abs. 2 OR erfüllt sind und der Stifter bzw. das Stifterunternehmen einen

beherrschenden Einfluss hat. Im Einzelfall ist es denkbar, dass die Stimmenmehrheit im Stiftungsrat für sich alleine nicht genügt, um beherrschenden Einfluss zu begründen.

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Für die Abklärung des beherrschenden Einflusses sind die Bestimmungen der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente zu beachten. Aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise stehen dabei, in Analogie zu den Aussagen in Ziffer 2 der Antwort,

folgende Fragen im Vordergrund:

▪ Wer ist der Stifter?

▪ Zu welchem Zweck wurde die Stiftung gegründet?

▪ Was sind die relevanten Stiftungsaktivitäten?

▪ Wer bestellt den Stiftungsrat?

▪ Wie werden Entscheidungen betreffend die Stiftungsaktivitäten getroffen?

▪ Wie gross ist der Entscheidungsspielraum des Stiftungsrats?

▪ Welchen direkten oder indirekten Nutzen kann das (Stifter-)Unternehmen aus der Stiftungstätigkeit ziehen?

▪ Welchen Risiken ist das Unternehmen aus der Stiftungstätigkeit ausgesetzt?

Ergibt sich aus der Beantwortung dieser Fragen, dass die Stiftung einen Teil der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns im oben ausgeführten Sinn darstellt, so ist diese Stiftung Teil des

Konsolidierungskreises.

Eine vom konsolidierungspflichtigen Unternehmen (stark) abweichende Tätigkeit stellt dabei

keinen Grund dar, eine Stiftung nicht in den Konsolidierungskreis einzubeziehen, da mit der

Rechnungslegung bzw. einer Konzernrechnung die wirtschaftliche Lage des Unternehmens

bzw. des Konzerns so darzustellen ist, dass sich Dritte ein zuverlässiges Urteil bilden können

(Art. 958 OR). Ebenso bewirkt die Beaufsichtigung einer Stiftung gemäss Art. 84 ZGB keine

Befreiung vom Einbezug in die Konzernrechnung, da der beherrschende Einfluss nicht verloren geht, sondern lediglich sichergestellt werden soll, dass das Stiftungsvermögen im Sinne

der Stiftungsurkunde verwendet wird.

4. Einbezug von Vorsorgeeinrichtungen

Bei registrierten Vorsorgeeinrichtungen nach BVG ist aufgrund der oben angeführten Argumente davon auszugehen, dass grundsätzlich keine Kontrolle im Sinne von Art. 963 OR und

damit keine Pflicht zur Konsolidierung durch das angeschlossene Unternehmen besteht. Zum

einen ist das oberste Organ einer Vorsorgeeinrichtung gemäss Art. 51 BVG paritätisch aus

Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zu besetzen. Zum anderen entziehen die vorsorgerechtlichen Bestimmungen dem Arbeitgeberunternehmen weitgehend die Verfügungsmacht

über die Verwendung der in diesen Stiftungen vorhandenen Mittel, indem der Stiftungsrat als

oberstes Organ der Vorsorgeeinrichtung diese Mittel einzig für Zwecke der beruflichen Vorsorge einsetzen kann bzw. muss. Damit fehlt ein Leitungsmechanismus des konsolidierungspflichtigen Unternehmens, mit dem es Einfluss auf die gesamthaften Ergebnisse der Vorsorgeeinrichtung zu seinen Gunsten nehmen kann.

Ähnliche Überlegungen gelten auch für patronale (Finanzierungs-)Stiftungen: Solange eine

solche Stiftung über den Status einer Vorsorgeeinrichtung nach BVG verfügt, hat das Unternehmen keine Kontrolle gemäss Art. 963 OR.

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Allerdings hat sich ein Unternehmen im Rahmen der Erstellung einer Konzernrechnung zu

überlegen, in welchem Umfang die in einer Vorsorgeeinrichtung vorhandenen Mittel, insbesondere Arbeitgeberbeitragsreserven (AGBR) aber ggf. auch anteilige freie Mittel, einen wirtschaftlichen Nutzen und damit ein Aktivum bzw. eine stille Reserve für das Unternehmen bzw.

den Konzern darstellen (siehe HWP 2014, Kapitel IV.2.31).

Andere Überlegungen gelten für Unterdeckungen in der Vorsorgeeinrichtung und AGBR. Das

Unternehmen hat zwar keine Kontrolle über die Vorsorgeeinrichtung als Ganzes, doch kann

es bei Vorliegen einer Unterdeckung von der Vorsorgeeinrichtung (ultimativ) zur Leistung von

zusätzlichen (Sanierungs-)Beiträgen verpflichtet werden. Entsprechend hat ein Unternehmen

im Fall einer Unterdeckung in der Vorsorgeeinrichtung abzuschätzen, in welchem Umfang es

Rückstellungen für zu erwartende Zahlungen zu bilden hat (vgl. HWP 2014, Kapitel

IV.2.25.21). Obwohl das Unternehmen eine Vorsorgeeinrichtung nicht kontrolliert, hat es weitgehende Verfügungsmacht über eine allfällige AGBR als Teil des Vermögens einer Vorsorgeeinrichtung. Entsprechend stellt eine AGBR ein Aktivum bzw. eine stille Reserve für das Unternehmen bzw. für den Konzern dar, wenigstens solange kein Verwendungsverzicht seitens

des Arbeitgeberunternehmens wegen einer Unterdeckung in der Vorsorgeeinrichtung erklärt

werden musste.

Frage b)

Wie erfolgt der Einbezug einer Stiftung in eine Konzernrechnung?

Antwort

Einbezug in den Konsolidierungskreis bedeutet, dass Aktiven und Verbindlichkeiten sowie Aufwände und Erträge einer Stiftung brutto, aber nach Eliminierung der konzerninternen Beziehungen in die Konzernrechnung aufgenommen werden. Falls das Unternehmen trotz Kontrolle

nur eingeschränkt über das Stiftungsvermögen verfügen kann, sollte dieser Umstand offengelegt werden.

Eine Kapitalkonsolidierung im eigentlichen Sinn entfällt, da das kontrollierende Unternehmen

über keine Beteiligung an der Stiftung verfügt. Allerdings ist der Vermögensabfluss beim Stifterunternehmen im Zuge der Stiftungsgründung zu eliminieren, indem bei der Erstkonsolidierung eine Rückbuchung des Aufwands gegen das eingelegte Stiftungskapital und in den Folgekonsolidierungen eine Elimination des eingelegten Stiftungskapitals gegen die Reserven

des Konzerns vorgenommen wird.

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Frage c)

Wie ist bei erstmaliger Anwendung des neuen Rechnungslegungsrechts vorzugehen?

Antwort

Während die Bestimmungen des Rechnungslegungsrechts im Einzelabschluss prospektiv,

ggf. mit entsprechender Erfassung in der Erfolgsrechnung, umzusetzen sind, kann im obligationenrechtlichen Konzernabschluss das neue Rechnungslegungsrecht auch retrospektiv angewendet werden. Entsprechend können Veränderungen im Konsolidierungskreis bei der erstmaligen Anwendung des neuen Rechnungslegungsrechts durch Anpassung der Eröffnungswerte in der Vergleichsperiode berücksichtigt werden. In jedem Fall ist das gewählte Vorgehen

im Anhang zu erläutern.

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9. Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes

9.1 Illustrative Beispiele zur Darstellung des Gewinnverwendungsantrags

Erstpublikation: 10.10.2016

Letzte Änderung vom: 15.12.2022 (Erweiterung um die illustrativen Beispiele 7.1 bis 7.5)

Frage / Antwort

In der Praxis sind verschiedentlich Fragen aufgekommen, wie der Gewinnverwendungsantrag bei Vorliegen von spezifischen Sachverhalten dargestellt werden soll. Die nachfolgenden illustrativen Beispiele nehmen diese Fragen auf und zeigen mögliche Lösungsvarianten.

• Illustratives Beispiel 1: Gewinnverwendungsantrag bei Vorhandensein eines Minuspostens für eigene Aktien

• Illustratives Beispiel 2: Gewinnverwendungsantrag bei Sachdividende

• Illustratives Beispiel 3: Gewinnverwendungsantrag bei Dividende mit Verrechnung

• Illustratives Beispiel 4: Gewinnverwendungsantrag bei teilweiser Ausschüttung aus steuerlichen Kapitaleinlagereserven

• Illustratives Beispiel 5: Gewinnverwendungsantrag bei Vorliegen eines Bilanzverlusts und

Ausschüttung einer Dividende aus steuerlichen Kapitaleinlagereserven

• Illustratives Beispiel 6: Gewinnverwendungsantrag bei Rechnungslegung in Fremdwährung

• Illustrative Beispiele 7.1-7.5: Gewinnverwendung unter dem ab 1.1.2023 geltenden Recht

o 7.1: Zwingende Verlustverrechnung gemäss Art. 674 OR

o 7.2: Teilweise zwingende Verlustverrechnung gemäss Art. 674 OR

o 7.3: Dividende aus Bilanzgewinn und Kapitalrückzahlung gemäss Art. 698 OR

o 7.4: Zwischendividende gemäss Art. 675a OR

o 7.5: Gewinnverwendung per Jahresende mit Zwischendividende während des Jahres

(Fortsetzung von Beispiel 7.4)

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Illustratives Beispiel 1:

Gewinnverwendungsantrag bei Vorhandensein eines Minuspostens für eigene Aktien

Variante 1: Minusposten eigene Aktien von CHF 50,000 ist durch ausschüttbares Eigenkapital (abzüglich Bilanzgewinn) gedeckt

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Gewinnvortrag 300,000.00

Jahresgewinn 100,000.00

Verfügbarer Bilanzgewinn 400,000.00

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 1) 350,000.00

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 2) 0.00

Vortrag auf neue Rechnung 50,000.00

400,000.00

1) Die Gesellschaft verzichtet auf die Ausschüttung der Dividende auf den gehaltenen eigenen Aktien.

2) Da die gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven 50% des Aktienkapitals erreicht haben, wird auf eine weitere Zuweisung verzichtet.

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Variante 2a: Minusposten eigene Aktien von CHF 50,000 ist nicht durch ausschüttbares Eigenkapital (abzüglich Bilanzgewinn) gedeckt

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Gewinnvortrag 300,000.00

Jahresgewinn 100,000.00

Bilanzgewinn 400,000.00

Eigene Aktien -50,000.00

Total zur Verfügung der Generalversammlung 350,000.00

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 1) 350,000.00

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 2) 0.00

Vortrag auf neue Rechnung 50,000.00

Total Gewinnverwendungsantrag 400,000.00

Eigene Aktien -50,000.00

350,000.00

1) Die Gesellschaft verzichtet auf die Ausschüttung der Dividende auf den gehaltenen eigenen Aktien.

2) Da die gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven 50% des Aktienkapitals erreicht haben, wird auf eine weitere Zuweisung verzichtet.

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Variante 2b: Minusposten eigene Aktien von CHF 50,000 ist nicht durch ausschüttbares Eigenkapital (abzüglich Bilanzgewinn) gedeckt

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Gewinnvortrag 300,000.00

Jahresgewinn 100,000.00

Bilanzgewinn 1) 400,000.00

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 2) 350,000.00

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 3) 0.00

Vortrag auf neue Rechnung 50,000.00

400,000.00

1) Aufgrund des Minuspostens für eigene Aktien in Höhe von CHF 50,000 stehen der Generalversammlung maximal CHF 350,000 zur Gewinnverwendung zur Verfügung.

2) Die Gesellschaft verzichtet auf die Ausschüttung der Dividende auf den gehaltenen eigenen Aktien.

3) Da die gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven 50% des Aktienkapitals erreicht haben, wird auf eine weitere Zuweisung verzichtet.

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Illustratives Beispiel 2: Gewinnverwendungsantrag bei Sachdividende

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Gewinnvortrag 80,000.00

Jahresgewinn 20,000.00

Verfügbarer Bilanzgewinn 100,000.00

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 1) 50,000.00

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 2) 0.00

Vortrag auf neue Rechnung 50,000.00

100,000.00

1) Der Verwaltungsrat beantragt die Ausrichtung der Dividende in Form von Darlehen gegenüber der Schwestergesellschaft T1-AG (Sachdividende). Das an die Allein-Aktionärin

auszuschüttende Darlehen in Höhe von CHF 50,000 (Buchwert = Nominalwert) ist Teil

der in der Bilanz mit CHF 150,000 ausgewiesenen Darlehensforderung gegenüber der

Schwestergesellschaft T1-AG.

2) Da die gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven 50% des Aktienkapitals erreicht haben, wird auf eine weitere Zuweisung verzichtet.

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Illustratives Beispiel 3: Gewinnverwendungsantrag bei Dividende mit Verrechnung

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Gewinnvortrag 80,000.00

Jahresgewinn 20,000.00

Verfügbarer Bilanzgewinn 100,000.00

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 1) 50,000.00

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 2) 0.00

Vortrag auf neue Rechnung 50,000.00

100,000.00

1) Der Verwaltungsrat beantragt die Ausrichtung der Dividende durch vollständige Verrechnung mit der bestehenden Darlehensforderung gegenüber der Allein-Aktionärin M-AG

(in der Jahresrechnung mit CHF 50,000 ausgewiesen).

2) Da die gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven 50% des Aktienkapitals erreicht haben, wird auf eine weitere Zuweisung verzichtet.

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Illustratives Beispiel 4: Gewinnverwendungsantrag bei teilweiser Ausschüttung aus steuerlichen Kapitaleinlagereserven

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Gewinnvortrag 350,000.00

Jahresgewinn 100,000.00

Übertrag Kapitaleinlagereserven 300,000.00

Total zur Verfügung der Generalversammlung 750,000.00

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 700,000.00

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 1) 0.00

Vortrag auf neue Rechnung 50,000.00

750,000.00

Total Ausschüttung 700,000.00

. /. Anteil Kapitaleinlagereserven -300,000.00

Anteil Gewinnreserven 400,000.00

1) Da die gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven 50% des Aktienkapitals erreicht haben, wird auf eine weitere Zuweisung verzichtet.

P:72

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Illustratives Beispiel 5: Gewinnverwendungsantrag bei Vorliegen eines Bilanzverlusts und

Ausschüttung einer Dividende aus steuerlichen Kapitaleinlagereserven

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 20_X

CHF

Verlustvortrag -400,000.00

Jahresverlust -50,000.00

Vortrag auf neue Rechnung -450,000.00

Ferner beantragt der Verwaltungsrat der Generalversammlung die

Ausrichtung einer Dividende von 300,000.00

zu Lasten der Kapitaleinlagereserven

300,000.00

Redaktionelle Erläuterungen:

• Aufgrund der Legaldefinition des Prüfungsgegenstandes in Art. 728a Abs. 1 Ziff. 2 OR

(„Antrag des Verwaltungsrates an die Generalversammlung über die Verwendung des

Bilanzgewinnes“) ist es in casu trotz Vorliegen eines Bilanzverlustes sachgerecht, den

Titel „Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes“ beizubehalten. Vgl. dazu auch

EXPERTsuisse, Ausgewählte Fragen und Antworten zur Prüfung bei Anwendung des

neuen Rechnungslegungsrechts (Stand 27. Oktober 2015), Frage 9.

• Die Ausschüttung einer Dividende bei Vorliegen eines Bilanzverlustes ist nur möglich,

wenn andere frei verwendbare Kapital- oder Gewinnreserven (abzüglich einem allfälligen Minusbetrag für eigene Aktien) mindestens im Umfang des Bilanzverlustes vorhanden sind (vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.29.2.4.)

P:73

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Illustratives Beispiel 6: Gewinnverwendungsantrag bei Rechnungslegung in Fremdwährung3

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes

20_X 20_X

Fremdwährung (FW) CHF

Gewinnvortrag 25,000 50,000

Jahresgewinn 300,000 750,000

Umrechnungsdifferenz n/a 250,000

Verfügbarer Bilanzgewinn 325,000 1,050,000

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung

folgende Gewinnverwendung:

Ausrichtung einer Dividende von 1) 100,000 300,000

Zuweisung an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve 24,600 59,300

Vortrag auf neue Rechnung 200,400 690,700

Total 325,000 1,050,000

1) Der Verwaltungsrat beantragt eine Dividendenausschüttung in Höhe von FW

100,000, jedoch maximal CHF 300,000. Der Maximalbetrag von CHF 300,000 wird

im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Generalversammlung mit dem an diesem Tag geltenden Kurs in FW umgerechnet. Sofern der resultierende Betrag unter

den für die Ausschüttung vorgeschlagenen FW 100,000 liegt, wird die Ausschüttung

nur in Höhe dieses tieferen Betrags vorgenommen.

Die beantragten Zuweisungen an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve bleiben

bei wechselkursbedingten Anpassungen der Dividendenbeträge unverändert.

ODER (mögliche alternative Formulierung betreffend Reservenzuweisung):

Die beantragten Zuweisungen an die allgemeine gesetzliche Gewinnreserve werden

bei wechselkursbedingten Anpassungen der Dividendenbeträge entsprechend auf

das gesetzlich notwendige Minimum reduziert (Zuweisung in Höhe von 5% des Jahresgewinns [unverändert])).

3 Quelle: Loser, Silvan: Rechnungslegung in Fremdwährung. Angabe der Werte in Schweizer Franken. In: EXPERT

FOCUS, 10/2016.

P:74

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Illustrative Beispiele 7.1 bis 7.5: Gewinnverwendungsanträge unter den ab dem

1. Januar 2023 gültigen rechtlichen Bestimmungen

Die vorliegenden Gewinnverwendungsdarstellungen sind illustrative Beispiele, decken nicht

jeden möglichen Fall ab und sind unter der Annahme erstellt, dass die relevanten rechtlichen

Bestimmungen (im Besonderen Art. 680 Abs. 2 OR) eingehalten sind. Die Gewinnverwendung

resp. Verlustverrechnung richtet sich nach den Art. 672 bis 674 OR. Unter der gesetzlichen

Gewinnreserve ist in diesen illustrativen Beispielen die gesetzliche Gewinnreserve im engeren

Sinne gemeint (vgl. HWP BR 2023, Kapitel IV.2.28). Eine Verrechnung von Verlusten mit der

Aufwertungsreserve und der Reserve für eigene Kapitalanteile im Konzern (welche beide zu

den gesetzlichen Gewinnreserven im weiteren Sinne zählen), ist nicht erlaubt.

Es können weitere Bestimmungen relevant sein wie z.B. die (steuerliche) Bedingung für eine

an einer Schweizer Börse kotierten Kapitalgesellschaft, bei der Rückzahlung von Reserven

aus Kapitaleinlagen mindestens im gleichen Umfang übrige Reserven auszuschütten (Art. 5

Abs. 1ter VStG).

P:75

73 l 132

Illustratives Beispiel 7.1: Zwingende Verlustverrechnung gemäss Art. 674 OR

Ausschnitt Jahresrechnung (operative Gesellschaft; keine Holdinggesellschaft)

31.12.2022

CHF

Aktienkapital 1’000

Gesetzliche Kapitalreserve 360

Gesetzliche Gewinnreserve 500

Freiwillige Gewinnreserve 2’000

Gewinnvortrag 1’680

Jahresverlust -1’950

Bilanzverlust -270

Total Eigenkapital 3’590

Gewinnverwendungsvorschlag

Keiner, da zwingende Verlustverrechnung gemäss Art. 674 Abs. 1 OR.

Illustrativer Ausschnitt Bericht der Revisionsstelle

Keine Aussage bzgl. Gewinnverwendung / Verlustverrechnung, da es keinen Gewinnverwendungsvorschlag gibt.

Zur Illustration: Somit ergibt sich im vorliegenden Beispiel folgende Eigenkapitalsituation

nach Genehmigung der Jahresrechnung durch die Generalversammlung:

CHF

Aktienkapital 1’000

Gesetzliche Kapitalreserve 360

Gesetzliche Gewinnreserve 500

Freiwillige Gewinnreserve 1’730

Total Eigenkapital 3’590

P:76

74 l 132

Illustratives Beispiel 7.2: Teilweise zwingende Verlustverrechnung

gemäss Art. 674 OR

Ausschnitt Jahresrechnung (operative Gesellschaft; keine Holdinggesellschaft)

31.12.2022

CHF ‘000

Aktienkapital 1’000

Gesetzliche Kapitalreserve 360

Gesetzliche Gewinnreserve 500

Gewinnvortrag 650

Jahresverlust -800

Bilanzverlust -150

Total Eigenkapital 1’710

Antrag zur Verlustverrechnung [zum Vortrag des Bilanzverlusts auf neue Rechnung]

31.12.2022

CHF ‘000

Gewinnvortrag 650

Jahresverlust -800

Total Bilanzverlust -150

Variante 1:

Der Verwaltungsrat beantragt, den Verlust wie folgt zu verrechnen:

31.12.2022

CHF ‘000

Gesetzliche Gewinnreserve 500

Bilanzverlust verrechnet mit gesetzlicher Gewinnreserve -150

Vortrag gesetzliche Gewinnreserve auf neue Rechnung 350

Variante 2:

Der Verwaltungsrat beantragt, den Bilanzverlust auf neue Rechnung vorzutragen.

Ausschnitt Bericht der Revisionsstelle

Ferner bestätigen wir, dass der Antrag über [(Variante 1) die Verrechnung des Bilanzverlusts] [(Variante 2) den Vortrag des Bilanzverlusts auf neue Rechnung] dem schweizerischen

Gesetz und den Statuten entspricht, und empfehlen die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.

P:77

75 l 132

Illustratives Beispiel 7.3: Dividende aus Bilanzgewinn und Kapitalrückzahlung

gemäss Art. 698 OR

Ausschnitt Jahresrechnung (operative Gesellschaft; keine Holdinggesellschaft)

31.12.2022

CHF ‘000

Aktienkapital 1’000

Gesetzliche Kapitalreserve – Kapitaleinlagereserve 2’500

Gesetzliche Gewinnreserve 500

Gewinnvortrag 1’680

Jahresgewinn 850

Bilanzgewinn 2’530

Total Eigenkapital 6’530

Antrag zur Gewinnverwendung und zur Rückzahlung von Kapitaleinlagereserven

31.12.2022

CHF ‘000

Gewinnvortrag 1’680

Jahresgewinn 850

Total Bilanzgewinn zur Ausschüttung verfügbar 2’530

Der Verwaltungsrat beantragt die Ausschüttung einer Dividende aus dem Bilanzgewinn und

eine Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve wie folgt:

31.12.2022

CHF ‘000

Dividende aus dem Bilanzgewinn 1’000

Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorzutragen 1’530

Total 2’530

31.12.2022

CHF ‘000

Gesetzliche Kapitalreserve – Kapitaleinlagereserve 2’500

Rückzahlung aus der gesetzlichen Kapitalreserve - Kapitaleinlagereserve -1’500

Gesetzliche Kapitalreserve – Kapitaleinlagereservenach Rückzahlung 1’000

Ausschnitt Bericht der Revisionsstelle

Ferner bestätigen wir, dass der Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinns sowie der

Antrag über die Rückzahlung aus der gesetzlichen Kapitalreserve dem schweizerischen Gesetz und den Statuten entsprechen, und empfehlen die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.

P:78

76 l 132

Illustratives Beispiel 7.4: Zwischendividende gemäss Art. 675a OR

Ausschnitt Zwischenabschluss

30.06.2023

CHF ‘000

Aktienkapital 5’000

Gesetzliche Kapitalreserve – Kapitaleinlagereserve 1’000

Gesetzliche Gewinnreserve 300

Verlustvortrag -50

Gewinn der Periode 2’650

Bilanzgewinn 2’600

Total Eigenkapital 8’900

Antrag zur Ausrichtung der Zwischendividende

Der Verwaltungsrat beantragt folgende Zwischendividende auszurichten:

30.06.2023

CHF ‘000

Periodengewinn 2’650

Verrechnung Verlustvortrag -50

Periodengewinn zur Ausschüttung verfügbar4 2’600

Zwischendividende -1’000

Zuweisung zur gesetzlichen Gewinnreserve -1305

Nicht verwendeter Periodengewinn 1’470

Ausschnitt Bericht der Revisionsstelle

Wir bestätigen, dass der Antrag über die Ausrichtung der Zwischendividende dem schweizerischen Gesetz und den Statuten entspricht.

4 Vgl. Art. 675a Abs. 3 OR i.V.m. Art. 672 Abs. 1 OR.

5 Die Zuweisung zur gesetzlichen Gewinnreserve beträgt 5% des Periodengewinns nach Verlustverrechnung (Art.

672 Abs. 1 OR) → 5% von TCHF 2'600 = TCHF 130.

P:79

77 l 132

Illustratives Beispiel 7.5: Gewinnverwendung per Jahresende mit Zwischendividende

während des Jahres (Fortsetzung von Beispiel 7.4)

Ausschnitt Jahresrechnung (operative Gesellschaft; keine Holdinggesellschaft)

31.12.2023

CHF ‘000

Aktienkapital 5’000

Gesetzliche Kapitalreserve – Kapitaleinlagereserve 1’000

Gesetzliche Gewinnreserve 430

Verlustvortrag -50

Jahresgewinn 3’200

Zwischendividende -1’000

Reservezuweisung aufgrund Zwischendividende -130

Bilanzgewinn 2’020

Total Eigenkapital 8’450

Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes

31.12.2023

CHF ‘000

Verlustvortrag -50

Jahresgewinn 3’200

Zwischendividende, beschlossen am [TT.MM.JJJJ] -1’000

Reservezuweisung aufgrund Zwischendividende -1306

Total zur Ausschüttung verfügbarer Bilanzgewinn 2’020

Der Verwaltungsrat beantragt die folgende Gewinnverwendung:

Dividende 1’500

Zuweisung zur gesetzlichen Gewinnreserve 287

Vortrag auf neue Rechnung 492

Total 2’020

Ausschnitt Bericht der Revisionsstelle

Ferner bestätigen wir, dass der Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinns dem

schweizerischen Gesetz und den Statuten entspricht, und empfehlen die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.

6 Berechnung siehe Beispiel 4.

7 Die Zuweisung zur gesetzlichen Gewinnreserve beträgt 5% des Gewinns nach Verlustverrechnung (Art. 672

Abs. 1 OR) → TCHF 130 wurden bei der Zwischendividende bereits zugewiesen (vgl. Berechnung Beispiel 4); es

bleibt ein Restgewinn von TCHF 550 (TCHF 3'200 (Gesamtjahresgewinn) – TCHF 2'650 (Periodengewinn)); 5%

davon entspricht der Reservezuweisung am Jahresende → 5% von TCHF 550 = TCHF 28.

P:80

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9.2 Sachdividende - Behandlung bei der ausschüttenden und bei der empfangenden

Gesellschaft

Erstpublikation: 17. Mai 2017

Frage a)

Was ist eine Sachdividende und was sind die Voraussetzungen für deren Ausschüttung?

Antwort

Unter Sachdividende (auch Sachwert- oder Naturaldividende) wird die Ausschüttung von anderen Vermögenswerten als Barmitteln einer Gesellschaft an ihre Anteilseigner im Rahmen

der Gewinnverwendung verstanden. Die Ausschüttung von Sachdividenden wird grundsätzlich als zulässig erachtet.

Wie für Bardividenden gilt auch bei Sachdividenden, dass gemäss Art. 675 Abs. 2 OR Dividenden nur aus dem Bilanzgewinn und hierfür gebildeten Reserven ausgerichtet werden dürfen und die Kompetenz zur Festsetzung von Dividenden gemäss Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR

unübertragbar bei der Generalversammlung liegt. Im Übrigen verlangt das Gleichbehandlungsgebot, dass allen Gesellschaftern gleichwertige Sachwerte ausgeschüttet werden. Dies

ist insbesondere dann gegeben, wenn Sachwerte ausgeschüttet werden, die bargeldnah

oder leicht verwertbar sind (z.B. kotierte Aktien, Obligationen etc.). Bei gemischten Dividenden (Kombination von Sach- und Bardividenden) wird der Anteil der Bardividende auf Basis

der tatsächlichen Werte der auszuschüttenden Sachwerte festgelegt (z.B. bei der Ausschüttung von nicht leicht verwertbaren Sachwerten wie Zuteilung von Forderungsrechten, nicht

kotierten Aktien oder Grundstücken an einzelne Gesellschafter und einer Bardividende als

„Ausgleichszahlung“ an die anderen Aktionäre).

Frage b)

Auf welcher Wertbasis wird eine Sachdividende bei der ausschüttenden Gesellschaft verbucht?

Antwort

Gewisse anerkannte Standards zur Rechnungslegung verlangen, dass Transaktionen von

Unternehmen mit den Anteilseignern – und dazu sind auch Sachdividenden zu subsummieren – zum tatsächlichen Wert zu erfassen sind (vgl. z.B. Swiss GAAP FER 24 Ziff. 4 oder IFRIC 17). Unter der Ägide des OR erfasst die ausschüttende Gesellschaft die Sachdividende

demgegenüber zum Buchwert des betreffenden Vermögenswerts in ihrem obligationenrechtlichen Abschluss (Buchwertausschüttung).

P:81

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Zu diesem Wertansatz erfolgt auf der Basis des Dividendenbeschlusses der Generalversammlung dann auch die Erfassung einer Dividendenverbindlichkeit gegen die entsprechende Position im Eigenkapital (z.B. Gewinnreserven oder Kapitalreserven). Die Dividendenverbindlichkeit wird im Zeitpunkt der Fälligkeit durch Ausbuchen gegen den entsprechenden Sachwert beglichen.

Frage c)

Welche Anforderungen bestehen an den Dividendenantrag im Fall einer Sachdividende?

Antwort

Im Dividendenantrag hat der Verwaltungsrat auszuführen, dass eine Dividende in Form von

Sachwerten vorgesehen ist und welchen Buchwert diese aufweisen.

Übersteigt der tatsächliche Wert einer Sachdividende den Buchwert des auszuschüttenden

Vermögenswerts, so wird empfohlen, diesen Umstand (nicht jedoch zwingend die Höhe der

mitübertragenen Reserven oder die Höhe des tatsächlichen Werts) im Dividendenantrag

festzuhalten, insbesondere wenn dies zum Schutz von Minderheitsaktionären notwendig erscheint.

Wird im Dividendenantrag der tatsächliche Wert einer Sachdividende angeführt, hat die Gesellschaft diesen in geeigneter Form nachzuweisen.

Frage d)

Sind bei Sachdividenden Zuweisungen an die Reserven vorzunehmen?

Antwort

Die Frage einer sogenannten ersten Reservezuweisung nach Art. 671 Abs. 1 OR stellt sich

nicht, da sich diese nicht auf die Ausschüttung selbst, sondern auf den ausgewiesenen Jahresgewinn bezieht.

Hinsichtlich der sog. zweiten Reservezuweisung nach Art. 671 Abs. 2 Ziff. 3 OR stellt sich im

Fall, dass der tatsächliche Wert einer Sachdividende deren Buchwert übersteigt, die Frage

nach der relevanten Bemessungsbasis. Da die Ausschüttung zum Buchwert erfolgt (s. Ziff. 2

oben), müsste konsequenterweise dieser als Basis für die zweite Zuweisung dienen. Demgegenüber gibt es in der juristischen Literatur Stimmen, die aus Gründen des Kapitalschutzes

den allfällig höheren tatsächlichen Wert des auszuschüttenden Vermögenswerts als massgebende Bemessungsbasis erachten. Es empfiehlt sich deshalb, eine zweite Zuweisung auf

Basis des tatsächlichen Werts bis zum Erreichen der Limiten von Art. 671 OR vorzunehmen.

Wenn der tatsächliche Wert nicht belegt ist, wird ebenfalls die zweite Reservezuweisung bis

zur genannten Limite empfohlen.

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Frage e)

Welche Auswirkungen hat eine Sachdividende auf die stillen Reserven beim ausschüttenden

Unternehmen?

Antwort

Liegt der tatsächliche Wert des auszuschüttenden Vermögenswerts über dessen Buchwert,

vermindert eine Sachdividende die wirtschaftliche Substanz des ausschüttenden Unternehmens. Dies kann auch eine Verminderung der stillen Reserven im Sinne von Willkürreserven

(vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.31) bedeuten, was vom Unternehmen in der Fortschreibung

dieser stillen Reserven entsprechend zu berücksichtigen ist. Die Offenlegung einer NettoAuflösung von stillen Reserven nach Art. 959c Abs. 1 Ziff. 3 OR aufgrund einer Sachdividende erscheint hingegen nicht angezeigt, da dadurch das erwirtschaftete Ergebnis nicht

günstiger dargestellt wird.

Frage f)

Auf welcher Wertbasis wird eine Sachdividende beim empfangenden Unternehmen verbucht?

Antwort

Das Obligationenrecht kennt keine expliziten Bestimmungen, wie Sachdividenden beim empfangenden Unternehmen im Zuge der Ersterfassung des Aktivums zu verbuchen sind. Ein

Geldabfluss als Bemessungsgrundlage für die Erfassung eines Aktivums im Sinne eines Anschaffungswerts nach Art. 960a OR fehlt bei einer Sachdividende. Das HWP 2014, Kapitel

IV.2.29.2.4 sieht deshalb vor, dass Sachdividenden beim Empfänger wahlweise zum Buchwert der ausschüttenden Gesellschaft oder zum tatsächlichen Wert erfasst werden können.

Bei der Erfassung zum tatsächlichen Wert steht bei der Ermittlung des Werts des Aktivums

dessen Verwertbarkeit durch das empfangende Unternehmen im Vordergrund – analog zu

den Werthaltigkeitsüberlegungen bei Gründung, Tausch, oder Schenkung. Entsprechend ist

der tatsächliche Wert des Aktivums in geeigneter Form nachzuweisen.

Im Anhang der Jahresrechnung sind erhaltene Sachdividenden zu erläutern (Art. 959c Abs.

1 Ziff. 2 OR). Im Minimum anzugeben sind die Art der Erfassung und der Betrag, ergänzend

ggf. auch die Höhe des tatsächlichen Werts und die Methodik der Wertermittlung. Es kann

weiter in Betracht gezogen werden, einen allgemeinen Rechnungslegungsgrundsatz für die

Erfassung von Sachdividenden zu formulieren (Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 OR). Ein solcher

könnte z.B. auch festhalten, dass die Wertbasis für die Erfassung (Buchwert, tatsächlicher

Wert) fallweise festgelegt wird.

P:83

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Frage g)

Welche Aktivierungsüberlegungen ergeben sich beim empfangenden Unternehmen hinsichtlich spezifischer Vermögenswerte im Fall einer Sachdividende?

Antwort

Grundsätzlich können alle Vermögensgegenstände, welche die Voraussetzungen zur Erfassung als Aktiven erfüllen, als Sachdividende an das empfangende Unternehmen übertragen

werden, also Sachwerte (z.B. Immobilien), finanzielle Werte (z.B. Forderungen, Wertschriften) und immaterielle Werte (z.B. Marken, Patente). Ob und zu welchem Wert solche Aktiven

beim ausschüttenden Unternehmen bilanziert waren, ist von untergeordneter Bedeutung. Es

ist somit z.B. denkbar, dass ein nicht bilanziertes Markenrecht als Sachdividende ausgeschüttet und beim empfangenden Unternehmen zum entsprechend nachzuweisenden tatsächlichen Wert erfasst wird.

Frage h)

Kann ein Geschäftsbereich Gegenstand einer Sachdividende sein?

Antwort

Auch ein Geschäftsbereich (im Sinne einer Gruppe von Vermögenswerten des Unternehmens, die unabhängig von anderen Vermögenswerten positive Mittelflüsse generiert) kann

mittels Sachdividende übertragen werden. Dabei sind zwei Wege denkbar:

• Wird der Geschäftsbereich in einer separaten rechtlichen Einheit geführt, so kann eine

solche Beteiligung als Dividende ausgeschüttet werden. Erfasst das empfangende Unternehmen die Beteiligung zum tatsächlichen Wert, wird ein allfälliger Goodwill Bestandteil des Beteiligungswerts.

• Erfolgt die Übertragung des Geschäftsbereichs durch Ausschüttung der zugehörigen Aktiven und Passiven, kann das empfangende Unternehmen diese zu ihrem tatsächlichen

Wert und die Differenz zum tatsächlichen Wert (oder zum Buchwert der ausschüttenden

Gesellschaft) des gesamten Geschäftsbereichs als Goodwill erfassen, da Letzterer zusammen mit den zugehörigen Aktiven und Passiven verwertbar ist. Im Rahmen der

Folgebewertung ist ein solcher Goodwill über eine angemessene Zeitspanne abzuschreiben (vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.16.3). Hat die ausschüttende Gesellschaft bereits Goodwill im Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich bilanziert, so kann dieser

wie oben beschrieben zusammen mit den zugehörigen Aktiven und Passiven ausgeschüttet werden.

Die Ausschüttung von Goodwill ohne die zugehörigen Aktiven und Passiven des entsprechenden Geschäftsbereichs ist hingegen nicht zulässig, da dieser für sich alleine durch das

empfangende Unternehmen nicht verwertbar und damit nicht aktivierbar ist.

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Frage i)

Welche steuerlichen Fragen stellen sich bei der ausschüttenden Gesellschaft bzw. beim

empfangenden Unternehmen im Fall einer Sachdividende?

Antwort

Aus steuerrechtlicher Sicht haben Sachdividenden zum tatsächlichen Wert (Verkehrswert) zu

erfolgen. Dies führt in einem ersten Schritt zu einer gewinnsteuerlichen Realisation bei der

ausschüttenden Gesellschaft im Ausmass der Differenz zwischen Buchwert und Verkehrswert und in einem zweiten Schritt zu einer der mit ihrem Verkehrswert der Verrechnungssteuer unterliegenden Ausschüttung. Die Verrechnungssteuer kann im Falle von Sachdividenden nach Art. 24 VStV grundsätzlich im Meldeverfahren erledigt werden. Im Falle der effektiven Abrechnungspflicht wären die 35 % Verrechnungssteuer in bar zusätzlich aufzubringen und der ESTV abzuliefern. Beim empfangenden Aktionär stellt der Verkehrswert der

Sachdividende steuerbares Einkommen dar, bzw. ist die Sachdividende mit ihrem Verkehrswert in der (steuerlichen) Erfolgsrechnung zu erfassen.

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10. Kryptowährungen und ICO’s

10.1 Behandlung von Bitcoin aus Sicht des Halters8

Erstpublikation: 07.12.2017

Vorbemerkungen:

i) Grundsätzliches zu Bitcoin

Bitcoin ist zum einen der Name einer digitalen Geldeinheit und zum anderen der Name des

Internet-Zahlungssystems, welches Bitcoin als virtuelles Zahlungsmittel ermöglicht. Bitcoin

ist eine virtuelle Geldeinheit, welche vom Besitzer in einer virtuellen Geldbörse (engl. \"Wallet\") gehalten wird. Bitcoin werden entsprechend nicht von einer Zentralbank oder anderen

staatlichen oder privaten Institutionen real herausgegeben oder garantiert. Es gibt zwar Anbieter, welche Bitcoin-Einheiten im Rahmen einer separat angebotenen Dienstleistung in

herkömmliches Geld wie Schweizer Franken oder andere frei konvertierbare Währungen

(sog. \"Fiatgeld\") eintauschen. Ein entsprechender Rechtsanspruch auf Konversion in Fiatgeld besteht innerhalb des Bitcoin-Systems hingegen nicht. Die Umtauschwerte von Bitcoin

in Fiatgeld sind plötzlichen und sehr starken Schwankungen ausgesetzt, welche sich auch im

Tagesverlauf im zweistelligen Prozentbereich befinden können.

Das Bitcoin-Internet-Zahlungssystem protokolliert sämtliche Überweisungstransaktionen

chronologisch und via Internet zugänglich in der sogenannten \"Blockchain\". Bitcoin-Transaktionen finden alleine im gleichnamigen Internet-Zahlungssystem statt, ohne die im herkömmlichen Zahlungsverkehr notwendigen Zahlungsstellen wie Banken, Broker oder Kreditkartenunternehmen. Dabei werden sämtliche Transaktionen in Bitcoin mittels kryptologischer Techniken dezentral durch eine Vielzahl von Rechnern verifiziert (deshalb der Begriff \"Kryptowährung\"). Diese kryptographischen Kontrollen sollen sicherstellen, dass jede Bitcoin-Geldeinheit nur vom jeweiligen Eigentümer und gleichzeitig nur einmal verwendet werden kann. Für

die Verwendung von Bitcoin ist die Kenntnis zweier Codes notwendig - eines öffentlichen

\"Public Keys\" (PUK) sowie eines geheimen \"Private Keys\" (PIK). Dabei wird der PUK für eine

Transaktion mit der Gegenpartei ausgetauscht, der PIK hingegen entspricht einem persönlichen Passwort des Bitcoin-Inhabers. Bei Verlust des PIK können die entsprechenden Bitcoin

nicht mehr verwendet werden.

Wirtschaftlich sind Bitcoin primär als alternatives Zahlungsmittel zu betrachten. Weiter werden Bitcoin vielfach auch zu Handels- oder Investitionszwecken gehalten.

8 Die Kommission für Rechnungslegung der EXPERTsuisse dankt Herrn Heiko Petry, Doktorand zum Thema \"Universelle

Kryptowährungen und Blockchain-Technologie aus der schweizerischen Rechnungslegungs-, Steuer- und Revisionsperspektive\" an der Universität St. Gallen für seine Bereitschaft, die bisherigen Erkenntnisse seiner Arbeit mit uns zu teilen

und zu diskutieren. Verschiedene wesentliche Erkenntnisse sind in die vorliegenden Ausführungen eingeflossen.

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ii) Rechtliche und regulatorische Aspekte von Bitcoin

Die Diskussion zur Rechtsnatur von Bitcoin nach Schweizer Recht ist noch jung, weshalb

sich neue relevante rechtliche und regulatorische Erkenntnisse derzeit nicht ausschliessen

lassen. Die vorliegenden Betrachtungen basieren auf folgendem (vorläufigen) Stand:

- Bitcoin-Geldeinheiten sind in der Schweiz keine gesetzlichen Zahlungsmittel, da nur der

Bund bzw. die Schweizerische Nationalbank gesetzliche Zahlungsmittel emittieren dürfen.

- Bitcoin-Geldeinheiten sind nicht als Fremdwährungen zu betrachten, da offizielle ausländische Währungen im Herkunftsland von einer zentralen Ausgabenstelle wie einer Zentralbank emittiert werden und dort als gesetzliches Zahlungsmittel qualifizieren.

- Bitcoin-Geldeinheiten selbst stellen keine Waren oder Dienstleistungen dar.

- Bitcoin-Geldeinheiten qualifizieren als Sache in Form einer digitalen Informationseinheit

im Sinne des Art. 641 ZGB; Besitzer von Bitcoin-Geldeinheiten verfügen demnach über

ein geldwertes Recht an einer Sache (dies obwohl Bitcoin keine physische Substanz aufweisen).

- Bitcoin-Geldeinheiten sind weder Wertpapiere noch Guthaben noch andere Forderungsrechte.

- Im Konkursfall sind Bitcoin-Geldeinheiten aussonderbar, da der Eigentümer Kontrolle via

Private Key ausüben kann und Bitcoin durch Public Key Zuordnung unterschieden werden

können

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) behandelt Bitcoin für Steuerzwecke wie

Fremdwährungen.

iii) Limitationen der vorliegenden Q&A

Neben Bitcoin gibt es weitere Kryptowährungen wie Ethereum, Ripple, Litecoin, Dash, BitConnect, NEO, NEM oder Monero. Diese virtuellen Zahlungsmittel weisen mehr oder weniger bedeutsame Unterschiede zu Bitcoin auf. Nachfolgende Ausführungen beschränken sich

auf Bitcoin (und Bitcoin Cash, eine Abspaltung von Bitcoin), da diese im Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Fragen mit Abstand die grösste Relevanz bzw. Marktkapitalisierung aufweisen. Ferner wird nachfolgend nicht auf Sonderaspekte für Branchen wie Banken (Eigenmittelunterlegung, FINMA Vorgaben etc.) eingegangen.

Frage a) Sind Bitcoin zu bilanzieren?

Ja, Bitcoin erfüllen die Aktivierungsvoraussetzungen nach Art. 959 Abs. 2 OR.

Bitcoin basieren auf einer Transaktion in der Vergangenheit (Kauf mittels Fiatgeld, also herkömmlichem Geld, als Guthaben in Folge von Bitcoin-Transaktionen oder durch sog. \"Mining\", also durch Zurverfügungstellung von Rechenkapazitäten für die Blockchain). Über Bitcoin kann mittels des notwendigen Zugangscodes (Private Key) verfügt werden. Bitcoin resultieren in einem wahrscheinlichen Mittelzufluss, da Bitcoin entweder als virtuelles Zahlungsmittel in der Blockchain oder durch Umtausch in Fiatgeld verwendet werden können.

Für Bitcoin besteht ein aktiver Markt, so dass der Wert von Bitcoin in Schweizer Franken

oder einer anderen Bilanzierungswährung (Art. 958d Abs. 3 OR) verlässlich ausgedrückt

werden kann.

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Frage b) Wie sind Bitcoin in der Bilanz auszuweisen?

Der Ausweis von Bitcoin hängt vom Verwendungszweck der Bitcoin ab. Nachfolgend wird

der Ausweis unter einzelnen Bilanzpositionen diskutiert und beurteilt:

Flüssige Mittel

Zu den flüssigen Mitteln gehören Kassenbestände, Post- und Bankguthaben auf Sicht sowie

die kurzfristig (in der Regel innert drei Monaten nach dem Bilanzstichtag) fälligen Festgeldguthaben. Implizit wird für eine Klassifizierung als flüssige Mittel somit die Eigenschaft als

gesetzliches Zahlungsmittel bzw. Fremdwährung vorausgesetzt. Bitcoin erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Neben der mangelnden rechtlichen Eigenschaft als Währung erfüllen

Bitcoin aktuell auch verschiedene ökonomische Währungseigenschaften nicht: so ist die

Volatilität von Bitcoin sehr hoch und es fehlt die allgemeine Akzeptanz als Zahlungsmittel.

Entsprechend erscheint eine Klassifizierung von Bitcoin als flüssige Mittel nicht sachgerecht.

Wertschriften (Umlauf- und Anlagevermögen)

Kurzfristig gehaltene Wertschriften, Gold, andere Edelmetalle oder Rohstoffe sind Teil der

Bilanzposition \"Kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs\". Diese Aktiven weisen wie Bitcoin einen handelbaren Wert auf, ohne dass sie direkt als gesetzliches Zahlungsmittel oder

als Forderung betrachtet werden. Zwar sind Bitcoin keine Wertpapiere i.S. von Art. 965 OR,

der bilanzielle Begriff \"Wertschriften\" ist jedoch nicht deckungsgleich mit dem rechtlichen Begriff \"Wertpapiere\". Neben Wertpapieren umfassen Wertschriften auch gewisse Forderungsund Beteiligungsrechte ohne Wertpapiercharakter. Auch Gold und andere Edelmetalle werden üblicherweise mit Wertschriften zusammen ausgewiesen, obwohl es sich begrifflich nicht

um Wertschriften handelt (HWP 2014, Kapitel IV.2.3.1). Die Position Wertschriften ist somit

offen genug definiert, um in verschiedener Hinsicht mit Bitcoin vergleichbare Aktiven aufzunehmen.

Eine Klassifizierung von Bitcoin als gesonderte Position „Wertschriften“ im Umlaufvermögen

oder als Teil der kurzfristig gehaltenen Aktiven mit Börsenkurs ist dann angezeigt, wenn eine

kurzfristige Halteintention besteht und der Handel mit Bitcoin nicht der ordentlichen Geschäftstätigkeit entspricht (beispielsweise etwa eines Brokers, vgl. „Vorräte“ nachfolgend).

Eine Klassifizierung von Bitcoin als Wertschriften unter den Finanzanlagen ist dann angezeigt, wenn eine langfristige Halteintention besteht.

Forderungen

Bitcoin stellen rechtlich keine Forderungen dar, weshalb eine Klassifizierung als kurz- oder

langfristige Forderung als nicht sachgerecht erscheint.

Selbst wenn Bitcoin indirekt über einen sog. \"Wallet-Provider\" (beispielsweise Bank) gehalten werden (Halten in \"Konsignation\" bzw. via \"Omnibus-Account\"), ist eine Bilanzierung als

Forderung nicht angezeigt. Denn auch wenn Bitcoin indirekt in Bankkonto-ähnlicher Form

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gehalten werden, besteht ein Anspruch auf Bitcoin und nicht auf flüssige Mittel. Der Anspruch auf Bitcoin kann beispielsweise auf Herausgabe eines Private Keys lauten. Anders

wäre die Situation jedoch beispielsweise zu beurteilen, wenn ein Anspruch auf Aktiven wie

Schweizer Franken-Guthaben bestünde, welche lediglich auf dem Wert von Bitcoin basieren.

Vorräte

Vorräte enthalten neben den üblichen Komponenten wie Rohstoffe, Halb- und Fertigfabrikate

auch andere, im Rahmen der operativen Geschäftstätigkeit zur Veräusserung bestimmte Aktiven. Sofern eine Unternehmung im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit laufend

und in wesentlichem Umfang Handel mit Bitcoin betreibt (beispielsweise ein Broker), kann

eine Klassifizierung als Vorräte sachgerecht sein.

Immaterielle Anlagen

Immaterielle Anlagen als Teil des Anlagevermögens beinhalten identifizierbare, nicht-monetäre Aktiven ohne physische Substanz wie Konzessionen, Patente, Lizenzen oder Kontingente. Bitcoin mit langfristiger Halteintention erfüllen diese Kriterien an sich. Allerdings sind

Bitcoin von ihrem Wesen her viel eher als Wertschriften (vgl. Ausführungen unter \"Wertschriften\") zu betrachten.

Die Praxis der internationalen Rechnungslegungsnormen wie beispielsweise der \"International Financial Reporting Standards\" (IFRS) tendiert auf eine Bilanzierung von Bitcoin als immaterielle Aktiven. Dies ist vor dem Hintergrund der jeweiligen spezifischen Definitionen für

einzelne Aktiven/Bilanzpositionen zu sehen. Eine Bilanzierung als immaterielle Aktiven ist

auch nach OR vertretbar, weshalb Schweizer IFRS Anwender Bitcoin in der OR Bilanz nicht

umgliedern müssen. Aus den vorerwähnten Gründen ist jedoch eine Bilanzierung als immaterielle Aktiven in einem \"reinen\" OR Abschluss nicht zu bevorzugen.

Frage c) Wie sind Bitcoin zu bewerten?

Die Bewertung von Bitcoin hängt von der Klassifizierung der entsprechenden Bestände ab

(vgl. Frage b) oben).

Wertschriften (Umlauf- und Anlagevermögen)

Bitcoin, welche als Wertschriften im Umlauf- oder Anlagevermögen bilanziert sind, können

auf zwei Arten bewertet werden (Wahlrecht, vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.3.3.2).

Zum einen kann die Bewertung zu Anschaffungskosten/Niederstwerten erfolgen.

Zum anderen ist auch eine Bewertung zu Börsenkursen bzw. zu beobachtbaren Marktpreisen möglich. Dabei kann beispielsweise auf die Bewertung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) abgestellt werden, welche seit 31.12.2015 einen für die Vermögenssteuer

massgebenden Wert als Durchschnittswert verschiedener Bitcoin-Anbieter publiziert. Es ist

aber auch zulässig, eigene Marktbewertungen auf Basis von effektiven Transaktionskursen

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auf den für die Unternehmung relevanten Handelsplätzen per Bilanzstichtag vorzunehmen.

Transaktionsgebühren sind analog Courtagen und Bankgebühren normalerweise als Aufwand zu erfassen. Eine Aktivierung als Teil der Anschaffungskosten ist jedoch zulässig.

Sofern Bitcoin des Umlauf- oder des Anlagevermögens zu beobachtbaren Marktpreisen bewertet werden, sind gestützt auf Art. 960b Abs. 1 OR alle Bitcoin in der jeweiligen Bilanzposition auf diese Weise zu erfassen.

Vorräte

Bitcoin, welche im Rahmen der operativen Geschäftstätigkeit zur Veräusserung bestimmt

und als Vorräte bilanziert werden, können auf zwei Arten bewertet werden (Wahlrecht).

Zum einen kann die Bewertung auf Basis von Anschaffungskosten oder tieferem Marktwert

erfolgen (Art. 960c Abs. 1 OR). Der (tiefere) Marktwert ist dabei gemäss den Ausführungen

zu \"Wertschriften\" festzulegen. Für die Festlegung der Anschaffungswerte kann ein übliches

Verfahren wie First-in-first-out (FIFO), gewichtete Durchschnittsmethode etc. herangezogen

werden.

Zum anderen können Vorräte gestützt auf Art. 960b Abs. 1 OR zu beobachtbaren Marktpreisen bewertet werden, sofern diese Bewertung für alle Bitcoin-Vorratsbestände angewendet

wird. Die Festlegung des Marktwerts ist dabei gemäss den Ausführungen zu \"Wertschriften\"

vorzunehmen.

Immaterielle Anlagen

Bitcoin, welche als immaterielle Anlagen bilanziert werden, können auf zwei Arten bewertet

werden (Wahlrecht).

Zum einen kann die Bewertung auf Basis von Anschaffungskosten/Niederstwerten erfolgen

(Art. 960a OR). Da Bitcoin keinem nutzungs- und altersbedingten Wertverlust unterliegen,

erfolgen auch keine entsprechenden Abschreibungen. Hingegen sind \"anderweitige Wertverluste\" durch Wertberichtigungen zu berücksichtigen (Art. 960a Abs. 3 OR). Derartige Wertberichtigungen sind vorzunehmen, sobald der Marktwert tiefer als der Anschaffungs- bzw. bisherige Buchwert ist. Die Festlegung des Marktwerts ist dabei gemäss den Ausführungen zu

\"Wertschriften\" vorzunehmen.

Zum anderen können auch immaterielle Anlagen gestützt auf Art. 960b Abs. 1 OR zu beobachtbaren Marktpreisen bewertet werden, sofern diese Bewertung für alle Bitcoin-Bestände in dieser Bilanzposition angewendet wird. Die Festlegung des Marktwerts ist dabei

gemäss den Ausführungen zu \"Wertschriften\" vorzunehmen.

Für alle Bitcoin, welche zu beobachtbaren Marktpreisen bewertet werden, ist zudem die Bildung einer Schwankungsreserve nach Art. 960b Abs. 2 OR möglich und zu prüfen.

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Exkurs: Bewertung von in Bitcoin denominierten Verbindlichkeiten

Das Bitcoin-Zahlungssystem lässt nur Guthaben-Positionen zu, wobei das \"Guthaben\" aus

noch nicht weiterüberwiesenen Gutschriften auf die Bitcoin Adresse des \"Wallet\"-Nutzers besteht. Verbindlichkeiten kennt das Bitcoin-System somit per se nicht.

Demzufolge sind \"Bitcoin-Verbindlichkeiten\" nur dann möglich, wenn für die Begleichung einer Verbindlichkeit mit einer Drittpartei die Bezahlung in Bitcoin statt in einer herkömmlichen

Währung vereinbart wurde. In diesem Fall richtet sich die Bilanzierung nach dem Charakter

dieser Verpflichtung (als Kreditor aus Lieferung und Leistung, langfristige Verbindlichkeit

etc.). Bitcoin und deren Wert in herkömmlicher Währung sind lediglich für die Bewertung

(nicht aber für die Klassifizierung gemäss Mindestgliederung nach Art. 959a Abs. 2 OR)

massgeblich.

Die Bewertung erfolgt dabei auf der gleichen Basis wie für Fremdwährungsverbindlichkeiten.

Somit ist insbesondere das Vorsichtsprinzip zu beachten. Danach sind allfällige nicht realisierte Kursverluste im Aufwand zu erfassen - nicht realisierte Kursgewinne dürfen hingegen

in der Erfolgsrechnung nicht ausgewiesen werden. Betreffend erfolgswirksamer Erfassung

von nicht realisierten Kursgewinnen auf kurzfristigen Verbindlichkeiten verweisen wir auf die

Ausführungen in HWP 2014 , Kapitel II.3.4.1.2. Die für eine erfolgswirksame Erfassung von

nicht realisierten Kursgewinnen notwendige angemessene Umschlagshäufigkeit bezieht sich

dabei auf die Umschlagshäufigkeit der kurzfristigen, in Bitcoin denominierten Verbindlichkeiten der Unternehmung (und nicht auf die allgemeine Umschlagshäufigkeit von Bitcoin auf

den entsprechenden Bitcoin Handels-Plattformen).

Frage d) Welche Offenlegungsvorschriften sind im Zusammenhang mit Bitcoin zu beachten?

Rechnungslegungsgrundsätze

Wie die vorgehenden Fragen und Antworten aufzeigen, sind Bitcoin je nach Verwendungszweck unterschiedlich in der Jahresrechnung zu behandeln, wobei zusätzlich noch Wahlrechte bestehen. Entsprechend ist gemäss Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 OR im Anhang offen zu

legen, wie Bitcoin im Jahresabschluss berücksichtigt worden sind.

Angaben, Aufschlüsselungen und Erläuterungen

Nach Art. 959c Abs. 1 Ziff. 2 OR enthält der Anhang Angaben, Aufschlüsselungen und Erläuterungen zu Positionen der Bilanz und Erfolgsrechnung. Im Falle von wesentlichen Bitcoin

Beständen ist ein separater Ausweis gestützt auf Art. 959a Abs. 3 OR i.V.m. Art. 958c Abs. 1

Ziff. 1 OR angezeigt. Bitcoin weisen eine derart hohe Volatilität auf, dass die Buchwerte gemäss Stichtagsbetrachtung in einem Ausmass relativiert werden, dass lediglich eine Offenlegung die notwendige Bilanzklarheit schafft. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Bitcoin als

Teil der Bilanzposition \"Flüssige Mittel und kurzfristige Aktiven mit Börsenkurs\" (ohne weitere

Untergliederung) gezeigt werden.

Bewertung zu beobachtbaren Marktpreisen

Sofern Bewertungen zu beobachtbaren Marktpreisen vorgenommen worden sind, ist im Anhang auf diese Bewertungen hinzuweisen (Art. 960b Abs. 1 OR). Dabei ist der Gesamtwert

der Bitcoin-Aktiven als Teil der im Anhang offen zu legenden Totale für \"Wertschriften\" oder

\"Übrige Aktiven\" zu berücksichtigen. Im Falle von wesentlichen Bitcoin Beständen ist eine

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separate Offenlegung angezeigt (vgl. obige Ausführungen zu \"Angaben, Aufschlüsselungen

und Erläuterungen\").

Schwankungsreserve

Sofern eine Schwankungsreserve nach Art. 960b Abs. 2 OR gebildet wurde, ist diese in der

Bilanz oder im Anhang gesondert auszuweisen.

Ereignisse nach dem Bilanzstichtag

Sofern nach dem Bilanzstichtag aber vor Genehmigung der Jahresrechnung wesentliche

Wertberichtigungen auf Bitcoin im neuen Jahr notwendig werden, ist eine Offenlegung der

finanziellen Auswirkungen i.S. von Art. 959c Abs. 2 Ziff. 13 OR zu überlegen. Die Bewertung

per Bilanzstichtag erfolgt nach dem Stichtagsprinzip.

Frage e) Eignen sich Bitcoin als Buchführungs- oder Rechnungslegungswährung?

Nein. Gemäss Art. 957a Abs. 4 OR und Art. 958d Abs. 3 OR erfolgen Buchführung und

Rechnungslegung in Landeswährung oder einer für die geschäftliche Tätigkeit wesentlichen

Währung. Da Bitcoin weder als Landes- noch als Fremdwährung betrachtet werden können

(vgl. Ausführungen zu \"Flüssige Mittel\" in Frage 2 oben), sind auch die Voraussetzungen für

eine Verwendung als Buchführungs- oder Rechnungslegungswährung nicht gegeben.

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10.2 Verbuchung von ICOs mit Zuteilung von Utility Token9

Erstpublikation: 03.12.2018

Letzte Änderung vom: 30.04.2019 (Erweiterung um die zusätzlichen Untervarianten (iv) bis (vi))

Vorbemerkungen

Unter einem ICO (Initial Coin Offering) wird eine digitale Form der öffentlichen Kapitalbeschaffung bzw. eines Crowdfundings zu unternehmerischen oder gemeinnützigen Zwecken

verstanden, die über die Distributed-Ledger- bzw. Blockchain-Technologie erfolgt.10 Bei einem ICO überweisen die Investoren11 finanzielle Mittel (üblicherweise in Form von Kryptowährungen) an den ICO-Organisator. Im Gegenzug werden ihnen Blockchain-basierte

„Coins“ bzw. „Token“ zugeteilt, welche entweder auf einer in diesem Rahmen neu entwickelten Blockchain oder mittels eines sog. „Smart Contract“ auf einer bereits bestehenden Blockchain geschaffen und dezentral gespeichert werden.12

Die Eidg. Finanzmarktaufsicht (FINMA) unterscheidet mit Bezug auf ICOs drei grundsätzliche Kategorien von Token:13

Token-Kategorie Erläuterung gemäss FINMA

Payment Token

(Zahlungs-Token)

Der Kategorie \"Payment Token\" (gleichbedeutend mit reinen \"Kryptowährungen\") werden Token zugeordnet, die tatsächlich oder der Absicht des Emittenten nach als Zahlungsmittel für

den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen akzeptiert werden oder der Geld- und Wertübertragung dienen sollen. Kryptowährungen vermitteln keine Ansprüche gegenüber einem

Emittenten.

Utility Token

(Nutzungs-Token)

Als \"Utility Token\" werden Token bezeichnet, die Zugang zu einer digitalen Nutzung oder

Dienstleistung vermitteln sollen, welche auf oder unter Benutzung einer Blockchain-Infrastruktur erbracht wird.

Asset Token

(Anlage-Token)

Der Kategorie \"Asset Token\" gehören Token an, die Vermögenswerte repräsentieren. Solche

Token können insbesondere eine schuldrechtliche Forderung gegenüber dem Emittenten

oder ein Mitgliedschaftsrecht im gesellschaftsrechtlichen Sinne darstellen. Bei Asset Token

werden beispielsweise Anteile an künftigen Unternehmenserträgen oder künftigen Cashflows

versprochen. Der Token repräsentiert damit nach der wirtschaftlichen Funktion z.B. eine Aktie, Obligation oder ein derivatives Finanzinstrument. Unter die Kategorie der Asset Token

können auch Token fallen, welche physische Wertgegenstände auf der Blockchain handelbar

machen sollen.

Die einzelnen Kategorien von Token schliessen sich nicht zwingend gegenseitig aus. In der

Praxis erfüllen Token häufig die Kriterien mehrerer Kategorien (auch als \"hybride Token\" bezeichnet). Je nach Ausgestaltung des ICO werden Token entweder bereits im Zeitpunkt der

9 Die vorliegende Q&A wurde in Zusammenarbeit mit der Working Group „Tax/Accounting/Structuring“ der Crypto Valley

Association erstellt (Markus Vogel [Chair], Kevin Leuthardt, Thomas Linder, Heiko Petry).

10 In Anlehnung an FINMA-Aufsichtsmitteilung 04/2017 vom 29.09.2017, Aufsichtsrechtliche Behandlung von Initial Coin Offerings, S. 2. Der Begriff ICO wird vielfach auch synonym verwendet für ITO (Initial Token Offering) oder TGE (Token Generating Event).

11 Der Begriff Investoren wird hier generell für Teilnehmer am ICO verwendet und impliziert keine regulatorische Qualifikation.

12 Vgl. Wegleitung FINMA für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs), Ausgabe vom 16.02.2018, S. 1.

13 Vgl. Wegleitung FINMA für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs), Ausgabe vom 16.02.2018, S. 3.

P:93

91 l 132

Mittelaufnahme in Umlauf gebracht oder es wird im Zeitpunkt der Mittelaufname nur in Aussicht gestellt, dass die Investoren in der Zukunft Token erhalten (welche erst noch zu entwickeln sind).14

Betreffend Behandlung von Payment Token aus Sicht des Halters von Bitcoin wird auf Frage

10.1 (Behandlung von Bitcoin aus Sicht des Halters) verwiesen. Auf die Behandlung von

Payment Token aus Sicht der emittierenden Gesellschaft sowie auf Asset Token wird vorliegend nicht weiter eingegangen.

Utility Token ermöglichen wie oben erwähnt die Nutzung bestimmter Dienste, Protokolle oder

Plattformen. Da die Umsetzung eines Projekts zur Entwicklung einer (dezentralen) Plattform

oder Applikation vielfach erst durch die beim ICO aufgenommenen Mittel finanziert werden

kann, besitzen die Token im Zeitpunkt der Ausgabe in der Regel noch keinen Nutzwert. Erst

wenn das Projekt realisiert ist, sind die herausgegebenen Token einsetzbar. Abhängig von

der erworbenen Anzahl Token haben die teilnehmenden Parteien die Möglichkeit, das entwickelte Produkt oder die Dienstleistung in entsprechendem Umfang zu nutzen. Investoren mit

spekulativem Hintergrund, die kein Interesse am Endprodukt haben, setzen darauf, dass das

Projekt grossen Erfolg haben wird und die Nachfrage nach den Token für die Inanspruchnahme der Applikation oder der Leistung dadurch stark ansteigt. Aufgrund des oftmals limitierten Angebots dieser Token soll dann der Wert über den ursprünglichen Ausgabepreis

steigen, wodurch sich Kapitalgewinne realisieren lassen. Die Teilnahme am ICO kann aber

nicht nur für Spekulanten, sondern auch für künftige Nutzer der entwickelten Lösung eine

lohnenswerte Investitionsmöglichkeit darstellen, zumal sich der Leistungsbezug häufig mit

einem gewissen Preisabschlag reservieren lässt.15

Die mit Utility Token verbundenen Rechte und Pflichten sind typischerweise in einem sog.

„Whitepaper“ festgehalten. In aller Regel sind insbesondere die Versprechen gegenüber den

Investoren nur vage beschrieben (im Gegensatz zu den expliziten Anspruchsausschlüssen),

so dass sich für die Investoren vielfach keine rechtlich durchsetzbaren Ansprüche ableiten

lassen. Mangels regulatorischer Vorgaben kann ein Whitepaper für reine Utility Token grundsätzlich frei gestaltet werden. In der Praxis sind diese Dokumente sehr unternehmens- und

fallspezifisch aufgesetzt, so dass praktisch kaum ein ICO direkt mit dem anderen vergleichbar ist. Dies verunmöglicht es, die buchhalterische Behandlung von ICOs mit Utility Token in

allgemeingültiger Weise abzuhandeln. Aus diesem Grund wird die Abbildung in der Jahresrechnung anhand eines konkreten Fallbeispiels beschrieben, das den typischen Charakter

eines ICO mit Utility Token ohne Anspruch gegenüber einer Gegenpartei aufweist. Der dargestellte Lösungsansatz hat damit grundsätzlich nur für das konkrete Fallbeispiel Gültigkeit,

bei abweichender Ausgangslage können sich unter Umständen andere rechnungslegungstechnische Implikationen ergeben.

14 Weiter ist in der Praxis auch die Variante anzutreffen, dass im Zeitpunkt der Mittelaufnahme Token ausgegeben werden,

welche gegen die Token der später entwickelten Plattform/Applikation eingetauscht werden können.

15 In Anlehnung an Nazareno, Dominic: Initial Coin Offering und die damit verbundenen Steuerfolgen, in: Expert Focus 2018/3,

S. 198.

P:94

92 l 132

Buchhalterische Erfassung anhand eines konkreten Fallbeispiels

(i) Fallbeispiel OPEN16

• Die OPEN SOURCE AG („OPEN“) ist ein Start-Up mit Sitz in Zug. Sie plant, ein neues

dezentrales Open-Source Blockchain Protokoll zu entwickeln, welches neben Smart

Contract Funktionalitäten auch spezielle Governance Funktionen vorsieht und als „Internet 3.0“ bezeichnet wird.

• Die Software befindet sich noch in der Konzeptionierungsphase und soll – sofern erfolgreich – in ca. 2 Jahren unter einer Open-Source Lizenz veröffentlicht werden (d.h. die

Nutzung und Weiterentwicklung wird dann frei möglich sein).

• Für den Fall, dass die Erstellung des Open-Source Blockchain Protokolls gelingt, besteht seitens der Gründer von OPEN Interesse, danach in die Entwicklung von Applikationen zu investieren, welche auf dem neuen Protokoll aufbauen und durch die OPEN

Dienstleistungen erbringen kann. Dies ist jedoch nicht Teil des beschriebenen Projektes.

• Da die Entwicklung bis zur Veröffentlichung einen hohen Finanzierungsbedarf aufweist,

möchte OPEN zusätzliche Finanzmittel über ein ICO einnehmen. OPEN plant daher,

von interessierten Community Members rund CHF 50 Mio. an Ether und Bitcoin entgegenzunehmen. Danach soll das Open-Source Protokoll mit diesen Mitteln entwickelt

werden. Unmittelbar nach Zugang würden die erhaltenen Ether und Bitcoin dann an einer Krypto-Börse in Schweizer Franken umgetauscht.

• Da es sich um eine experimentelle Entwicklung handelt, kann nicht garantiert werden,

dass das Protokoll jemals fertig entwickelt wird. Sofern es aber zu einer Veröffentlichung

kommt, würde OPEN eine Zuteilung von 100 Mio. OPEN Coins vorsehen, welche die

Einleger fair berücksichtigt. Dazu erfasst sie eine Liste der Einleger und der entsprechenden Einlagen im sogenannten „Genesis Block“, dem ersten Eintrag auf der Blockchain. OPEN übernimmt aber aufgrund des dezentralen Charakters des Protokolls keine

Garantie, dass diese Zuteilung von der Community auch akzeptiert wird.

• Ohne OPEN Coins können die Funktionalitäten der dezentralen (Open Source) Infrastruktur innerhalb des durch die Community geschaffenen „offiziellen“ Netzwerkes nicht

genutzt werden bzw. sind gewisse Transaktionen nicht möglich, was entsprechend den

potentiellen Wert der OPEN Coins erklärt. Die Nutzung und Weiterentwicklung des Protokolls ist aber kostenlos und es können neue, parallel existierende Communities/Blockchains (sog. „Forks“) aufgebaut werden.

• Es bestehen seitens der Investoren keine rechtlich durchsetzbaren Ansprüche gegenüber einer definierten Gegenpartei (wie z.B. OPEN) auf bestimmte Leistungen oder

Rückzahlung.

• Die OPEN Coins sollen zu einem zukünftigen Zeitpunkt über eine Krypto-Börse ohne Involvierung von OPEN handelbar sein.

16 In Anlehnung an Gennari, Franco / Jud, Guido / Oesterhelt, Stefan / Winzap, Maurus: Initial Coin Offerings (ICOs), Präsentation an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung der International Fiscal Association vom 08.02.2018 in Basel,

Slides 45-47.

P:95

93 l 132

(ii) Lösungsansatz / Verbuchungsmodell

Die Darstellung von ICOs mit Ausgabe von Utility Token sollte nach der hier vertretenen Auffassung der Logik für die Verbuchung von langfristigen Fertigungsaufträgen nach Swiss

GAAP FER 22/3 folgen, welche auch im OR-Rechnungslegungsrecht als zulässig angesehen wird.17. Im Gegensatz zu herkömmlichen Fertigungsaufträgen besteht vorliegend weder

eine spezifische Gegenpartei noch ein rechtlich durchsetzbarer (Werk-) Vertrag. Aufgrund

der öffentlichen Bekanntgabe im Whitepaper, ein spezifisches Projekt mit den aus dem ICO

generierten Mitteln realisieren zu wollen, ist aus Sicht der Rechnungslegung jedoch von einer faktischen Leistungsverpflichtung auszugehen.

Die Voraussetzungen für die Anwendung der klassischen POC-Methode (Percentage-ofCompletion-Methode) dürften bei ICOs in den wenigsten Fällen erfüllt sein, da die Auftragskosten nicht verlässlich ermittelt werden können. Bei fehlender Voraussetzung für POC-Accounting erlaubt Swiss GAAP FER eine Erfassung des Umsatzes im Ausmass der projektbezogenen Aufwendungen (ohne Gewinnrealisierung).

Bei einem ICO mit Ausgabe von Utility Token beauftragen die Investoren die Gesellschaft

implizit, Bemühungen zur Entwicklung einer dezentralen Infrastruktur zu unternehmen, wobei

diese Bemühungen (vollumfänglich) durch Vorauszahlungen vorfinanziert sind. Im Umfang

der aufgelaufenen Projektkosten ist von einem direkten Verrechnungsanspruch der Gesellschaft zu Lasten der Vorauszahlung auszugehen.18 Dieser Anspruch wird in einer Position

„Aufträge in Arbeit“ erfasst und in der Bilanz von den erhaltenen Vorauszahlungen in Abzug

gebracht (mit Offenlegung der Bruttopositionen „Vorauszahlungen ohne Rückerstattungsverpflichtung“ und „Aufträge in Arbeit“ im Anhang).19 In der Bilanz wird somit einzig die Nettoposition „Erhaltene Vorauszahlungen für Projektentwicklung“ auf der Passivseite ausgewiesen.

Diese Darstellungsweise entspricht der üblichen Darstellung von langfristigen Fertigungsaufträgen.20 Im Falle von Utility Token kann diese Nettoposition jedoch nicht zu einem Aktivum

werden. Spätestens wenn Kosten im Umfang der geleisteten Vorauszahlungen aufgelaufen

sind, wird das Projekt in der Regel beendet, da seitens der Investoren keine Nachschussoder zusätzliche Leistungspflicht besteht.

Die gemäss HWP alternativ mögliche Bruttodarstellung von \"Aufträge in Arbeit\" als Aktivum

und \"Vorauszahlungen\" als Passivum21 erscheint vorliegend als nicht sachgerecht, da ein

Verrechnungsanspruch die bereits erhaltenen (passivierten) Vorauszahlungen reduziert und

nicht zu einem zukünftigen Mittelzufluss führt. In der Buchführung ist eine separate Erfassung der beiden Posten für einen besseren Nachvollzug der einzelnen Transaktionen jedoch

zweckmässig.

17 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.10.3.6

18 Aufgrund dieses direkten Verrechnungsanspruchs ist der Umsatz im Umfang der aufgelaufenen Kosten als realisiert zu betrachten, so dass die Anwendung der Completed-Contract-Methode als nicht sachgerecht erscheint. Bei der CompletedContract-Methode würde die Veränderung der Aufträge in Arbeit während der Projektentwicklung nicht als Umsatz, sondern

als Bestandesveränderung der Vorräte ausgewiesen. Bei Projektabschluss würden dann die Vorauszahlungen gegen den

Umsatz und die Aufträge in Arbeit gegen die Bestandesveränderung der Vorräte ausgebucht.

19 Andere, sinngemässe Bezeichnungen der Positionen in Bilanz und Anhang (wie z.B. „Angefangene Projektarbeiten“ oder

„Vorauszahlungen ohne rechtliche Leistungsverpflichtung“) sind ebenfalls denkbar.

20 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.10.4.

21 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.10.4.

P:96

94 l 132

Bei Projektbeendigung (Realisierung oder Aufgabe) werden die Positionen verrechnet und

der allfällige positive Restbetrag (Vorauszahlungs-Überhang) gegen den Umsatz ausgebucht.

Zeichnet sich im Verlauf des Projektes ab, dass die Aufwendungen die erhaltenen Vorauszahlungen übersteigen und die Entwicklung dennoch weitergeführt/abgeschlossen werden

soll, sind (Drohverlust-) Rückstellungen im Umfang der erwarteten ungedeckten Kosten zu

bilden. Damit wird die Finanzlage des Projekts bzw. der Finanzierungsbedarf den Investoren

gegenüber transparent dargestellt (mit entsprechenden Rechtsfolgen für die Gesellschaft bei

allfälligem Kapitalverlust bzw. Überschuldung).

Die nachfolgende Tabelle fasst das beschriebene Verbuchungsmodell nach Projektphasen

zusammen:22

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

ICO Wertschriften23 Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Vereinnahmung der im Rahmen des

ICO generierten Mittel in Form von

Ether/Bitcoin.

Flüssige Mittel Wertschriften Umtausch der aus dem ICO erhaltenen Ether/Bitcoin in CHF.

Projektentwicklung

Betriebsaufwand24 Flüssige Mittel Laufende Verbuchung der Projektentwicklungskosten.

Aufträge in Arbeit Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen

Erfassung von Umsatz im Umfang der

angefallenen Projektkosten (laufend,

bis zur Fertigstellung bzw. bis zum

Projektabbruch).

Erwartete

Kostenüberschreitungen

[sofern zutreffend]

Betriebsaufwand Rückstellungen Bildung von Rückstellungen für erwartete Kostenüberschreitungen, soweit

diese nicht durch die Vorauszahlungen gedeckt sind.

Projektabschluss

Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Aufträge in Arbeit Verrechnung von Vorauszahlungen

und Aufträgen in Arbeit bei Projektbeendigung (Fertigstellung oder Abbruch).

Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen

Ausbuchung des (positiven) Restbetrags gegen den Umsatz.

22 (Mehrwert-) steuerliche Implikationen werden vorliegend ausgeblendet.

23 Zur Behandlung von Kryptowährungen aus Sicht des Halters vgl. Ziff. 10.1. Im vorliegenden Fall erscheint der Ausweis der

erhaltenen Ether/Bitcoin in der Position „Wertschriften“ als sachgerecht, da diese zum einen keinen Anlagecharakter haben

und der Handel mit Kryptowährungen zum anderen nicht Teil der ordentlichen Geschäftstätigkeit von OPEN ist.

24 „Betriebsaufwand“ wird hier vereinfachend als Sammelbegriff verwendet. In der Erfolgsrechnung ist diese Position entsprechend den gesetzlichen Mindestgliederungsvorschriften (vgl. Art. 959b OR) aufzusplitten in „Materialaufwand“, „Personalaufwand“, „Abschreibungen“ etc.

P:97

95 l 132

In der Jahresrechnung führt das beschriebene Verbuchungsmodell während der Projektentwicklung zu folgender Darstellung (Annahme: Einnahmen aus ICO Ende 20_0 von CHF 50

Mio., Projektkosten 20_1 von CHF 20 Mio.):

Bilanz

(in TCHF)

20_1 20_0

Flüssige Mittel

(…)

(…) (…)

Total Aktiven (…) (…)

Erhaltene Vorauszahlungen für Projektentwicklung

(…)

30,000 50,000

Total Passiven (…) (…)

Erfolgsrechnung

(in TCHF)

20_1 20_0

Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen

Aufwand für Material und Fremdleistungen

Personalaufwand

Übriger betrieblicher Aufwand

Abschreibungen auf Sachanlagen

20,000

-10,000

-5,000

-4,000

-1,000

0

0

0

0

0

Betriebliches Ergebnis 0 0

(…) (…) (…)

Jahresgewinn (…) (…)

Anhang

(in TCHF)

20_1 20_0

Vorauszahlungen ohne Rückerstattungsverpflichtung

Aufträge in Arbeit

50,000

-20,000

50,000

-0

Erhaltene Vorauszahlungen für Projektentwicklung

30,000 50,000

Neben obiger Aufschlüsselung der erhaltenen Vorauszahlungen sind im Anhang der Jahresrechnung weiter die angewandten Rechnungslegungsgrundsätze für die Abbildung des ICO

offenzulegen sowie ggf. zusätzliche Erläuterungen zu einzelnen Bilanz-/ Erfolgsrechnungspositionen sowie zu den im Whitepaper enthaltenen Terms & Conditions zu machen (vgl. Art.

959c Abs. 1 und 2 OR). Im Ergebnis muss die Jahresrechnung die wirtschaftliche Lage der

Gesellschaft so darstellen, dass sich Dritte (insbesondere die Investoren) ein zuverlässiges

Urteil bilden können (vgl. Art. 958 OR).

P:98

96 l 132

(iii) Variante: Programmierung der Token vor dem ICO

Falls die Token vor dem ICO geschaffen und im Rahmen des ICO vollumfänglich gegen entsprechende Einlagen zugeteilt werden, würden sich folgende (zusätzlichen) Buchungen ergeben:

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

Herstellung

Token

Betriebsaufwand Flüssige Mittel Erfassung der Herstellungskosten für

die Entwicklung bzw. Programmierung

der zuzuteilenden Token.

Vorräte Bestandesänderungen

Vorräte

Ersterfassung der Token zu den Kosten der technischen Herstellung, sofern diese die Definition eines Aktivums gemäss Art. 959 Abs. 2 OR erfüllen (was in der Regel der Fall sein

dürfte).25

ICO Wertschriften Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen

[im Umfang der Herstellungskosten

der Token]

Verkauf der Token gegen Ether/Bitcoin. Im Umfang der aufgelaufenen

Herstellungskosten wird Umsatz realisiert, so dass die Ausgabe der Token

keine Ergebniswirkung hat (Höhe des

Umsatzes = Höhe der Bestandesänderungen der Vorräte).

Bestandesänderungen

Vorräte

Vorräte Abbuchung verkaufte Token vom Vorratsbestand.

Wertschriften Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Erfassung der Differenz zwischen den

Einlagen der Investoren und den Herstellungskosten der Token als Vorauszahlung ohne Rückerstattungsverpflichtung [vgl. (ii) oben], da die Plattform/Applikation erst noch mit den generierten Mitteln entwickelt werden

muss.

Flüssige Mittel Wertschriften Umtausch der aus dem ICO erhaltenen Ether/Bitcoin in CHF.

Projektentwicklung

Vgl. (ii) oben Vgl. (ii) oben

Erwartete

Kostenüberschreitungen

[sofern zutreffend]

Vgl. (ii) oben Vgl. (ii) oben

Projektabschluss

Vgl. (ii) oben Vgl. (ii) oben

Die Gesellschaft hält vielfach einen Teil der von ihr geschaffenen Token selbst. Dieser Eigenbestand wird typischerweise an verschiedene Stakeholder verkauft oder unentgeltlich abgegeben, z.B. an Mitarbeiter, Gründer, Grossinvestoren oder Berater.

25 Ggf. mit Bewertungskorrektur im Rahmen der Folgebewertung, falls Werthaltigkeit nicht gegeben.

P:99

97 l 132

Der Bestand der bei der Gesellschaft verbleibenden Token wird zu den historischen Herstellungskosten fortgeführt. Anders als bei erworbenen Token (wie z.B. Bitcoins) wird eine

Folgebewertung von selbst geschaffenen Token zu Marktpreisen als nicht sachgerecht erachtet (Verstoss gegen das Realisationsprinzip).26

26 Gemäss Art. 960b OR besteht für die Folgebewertung das Wahlrecht, Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis in einem aktiven Markt zum Kurs oder Marktwert am Bilanzstichtag zu bewerten. Während Art.

960a Abs. 1 OR für die Erstbewertung von „Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ spricht, ist die Bewertung zum höheren

Marktpreis gemäss Art. 960b OR nach dem Gesetzeswortlaut möglich, wenn dieser „über dem Nennwert oder dem Anschaffungswert liegt.“ Im Gegensatz zur Erstbewertung werden für die Folgebewertung die Herstellungskosten nicht erwähnt, woraus sich schliessen lässt, dass eine Marktpreisbewertung für selbst hergestellte Aktiven generell nicht möglich

ist. Im Ergebnis gleich Böckli, der aufgrund der Gesetzessystematik zum Schluss kommt, dass Art. 960b OR auf betriebliche Vorräte nicht anwendbar ist; vgl. Böckli, Peter: Neue OR-Rechnungslegung, Schulthess 2014, N 390. Bei Bitcoin, die

einem Miner aufgrund seiner geleisteten Rechenarbeit systemseitig zugeteilt werden, handelt es sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht um selbst hergestellte Token im erwähnten Sinne.

P:100

98 l 132

(iv) Variante: OPEN ist eine Stiftung (statt eine AG)

Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besonderen

Zweck (Art. 80 ZGB). Die Rechnungslegung unter OR folgt hierbei grundsätzlich dem rechtlichen Set-up der Stiftung. Sofern die Stiftung gemäss Stiftungsurkunde so aufgesetzt ist,

dass - nach Widmung eines (minimalen) Anfangskapitals - zur Zweckerreichung eine sukzessive Erhöhung des Stiftungskapitals (Grundkapital) über Zustiftungen durch Dritte (hier:

ICO Investoren) erfolgen muss, wären die aus dem ICO generierten Mittel als Stiftungskapital zu klassifizieren. Entsprechend hätte eine solche Stiftung dann in der Entwicklungsphase

nur noch Aufwendungen, die (mangels Umsätzen) zu entsprechenden Verlusten führen und

das Eigenkapital reduzieren würden. In diesem Fall müsste die Stiftung als Verbrauchsstiftung ausgestaltet sein, d.h. das Stiftungskapital müsste für die Umsetzung des Stiftungszweckes zur Verfügung stehen und entsprechend verbraucht werden können.

Sofern urkundlich keine Zustiftungen von Dritten ins Stiftungskapital27 vorgesehen sind,

bleibt das auf Basis der Ausgangslage (i) unter (ii) dargestellte Verbuchungsmodell unabhängig von der Rechtsform von OPEN unverändert – vorbehältlich eines dualen Abschlusses

(vgl. Exkurs).

Exkurs: Dualer Abschluss OR / Swiss GAAP FER 21

Falls OPEN verpflichtet wäre, einen dualen Abschluss nach OR und Swiss GAAP FER 21 zu

erstellen, müssten gewisse Anpassungen am Buchungsschema unter (ii) vorgenommen werden, vgl. nachstehende Tabelle.28 Der ICO-Erlös wäre in diesem Fall nach dem Bruttoprinzip

als zweckbestimmter Fonds im Fremdkapital zu bilanzieren (statt als Vorauszahlung ohne

Rückerstattungsverpflichtung). Weiter würde sich die Entwicklung des Fondskapitals aus der

gesonderten Rechnung über die Veränderung des Kapitals ergeben (an Stelle der Aufgliederung im Anhang).

27 Für eine Erfassung im Stiftungskapital muss in der Stiftungsurkunde (und idealerweise auch in den ICO-Terms) ein klarer

Bezug zwischen Einlagen und Stiftungskapital bestehen. Allgemein gehaltene Formulierungen in der Stiftungsurkunde bezogen auf das Gesamtvermögen genügen hierfür nicht. Eine erfolgsneutrale Erfassung von Zuschüssen von Dritten ins

(sonstige) Eigenkapital der Stiftung ist nicht möglich (vgl. auch HWP 2014, Kapitel IV.2.28.3).

28 Vgl. zum Ganzen ZEWO/Expertsuisse: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Rechnungslegung und Prüfung von Jahresrechnungen nach Swiss GAAP FER 21 bei Organisationen mit Zewo-Gütesiegel vom 12.12.2016, Ziff. 5.

P:101

99 l 132

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

ICO Wertschriften Zweckgebundene

Zuwendungen

[Erfolgsrechnung]

Vereinnahmung der im Rahmen des

ICO generierten Mittel in Form von

Ether/Bitcoin.

Veränderung Fondskapital

[Erfolgsrechnung]

Fondskapital

[Fremdkapital]

Flüssige Mittel Wertschriften Umtausch der aus dem ICO erhaltenen Ether/Bitcoin in CHF.

Projektentwicklung

Betriebsaufwand Flüssige Mittel Laufende Verbuchung der Projektentwicklungskosten.

Fondskapital

[Fremdkapital]

Veränderung Fondskapital

[Erfolgsrechnung]

Auflösung Fondskapital im Umfang

der angefallenen Projektkosten (laufend, bis zur Fertigstellung bzw. bis

zum Projektabbruch).

Erwartete

Kostenüberschreitungen

[sofern zutreffend]

Betriebsaufwand Rückstellungen Bildung von Rückstellungen für erwartete Kostenüberschreitungen, soweit

diese nicht durch die Vorauszahlungen gedeckt sind.

Projektabschluss

Fondskapital

[Fremdkapital]

Veränderung Fondskapital

[Erfolgsrechnung]

Ausbuchung des (positiven) Restbetrags.

P:102

100 l 132

(v) Variante: Die mittels ICO generierten Mittel in Form von Ether und Bitcoin werden

bei Zugang nicht in CHF umgetauscht, sondern (soweit nicht für Zahlungen benötigt) weiter als Kryptowährungen gehalten

Die generierten Mittel werden auf der Aktivseite als Wertschriften bilanziert; auf der Passivseite wird eine Vorauszahlung erfasst (soweit möglich aufgeteilt in einen kurz- und einen

langfristigen Teil).29

Bei der Folgebewertung auf der Aktivseite besteht handelsrechtlich ein Wahlrecht: Wertschriften können zu Anschaffungskosten abzüglich notwendiger Wertberichtigung oder (sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind) zum beobachtbaren Marktpreis bewertet werden.30 Steuerrechtliche Folgen einer Bewertung zum beobachtbaren Marktpreis

sind hierbei separat zu beurteilen.

Bei der Vorauszahlung handelt es sich um eine nicht monetäre (in Kryptowährung denominierte) Leistungsverpflichtung, welche betraglich grundsätzlich dem Wert der im Rahmen des

ICO zugegangenen Mittel (Wertschriften) entspricht.31 Sollte sich aufgrund eines Kursrückgangs der Kryptowährung der Wert der Wertschriften reduzieren, würde sich bei der Folgebewertung die Verbindlichkeit im gleichen Umfang reduzieren (spiegelbildliche Abbildung der

Veränderung der aus dem ICO generierten Mittel und der Vorauszahlung). Gleiches gilt bei

einer Wertsteigerung (sofern die Wertschriften zum beobachtbaren Marktpreis bewertet werden).

Beispiel:

• Einnahmen ICO per 31.12.2017: BTC 1,000 zum Kurs von 6,000 = CHF 6,000,000

• Umtausch BTC Anfang 2018 für Begleichung Projektkosten 2018: BTC 400 zum Kurs

von 5,000 = CHF 2,000,000 (→ realisierter Kursverlust auf BTC von CHF 400,000)32

• Neubewertung der BTC per 31.12.2018: BTC 600 zum Kurs von 4,000 = CHF 2,400,000

(→ unrealisierter Kursverlust auf BTC von CHF 1,200,000)

→ Vorauszahlung (brutto, vor Abzug Aufträge in Arbeit) per 31.12.2018 = CHF 4,400,000

(umgetauschte CHF 2,000,000 + CHF 2,400,000 Restbestand an BTC)

→ Kein Erfolgseffekt aus Umrechnung in 2018: Kursverlust auf Wertschriften von CHF

1,600,000 wird durch entsprechenden Kursgewinn auf Vorauszahlung neutralisiert.33

29 Bei nicht klar bestimmbarer Fristigkeit erfolgt der Ausweis der Vorauszahlung im kurzfristigen Fremdkapital.

30 Vgl. Frage 10.1 c), Abschnitt „Wertschriften (Umlauf- und Anlagevermögen)“. Bei einer Bewertung zum beobachtbaren

Marktpreis besteht gemäss Art. 960b Abs. 2 OR die Möglichkeit, erfolgswirksam eine Schwankungsreserve im Umfang von

maximal der Differenz zwischen Marktpreis und Anschaffungswert zu bilden.

31 Vorbehältlich anderslautender Bestimmungen im White Paper.

32 Die gleiche Logik gilt auch für realisierte Kursgewinne. Würde der Wechselkurs Anfang Januar 2018 z.B. CHF 7,000 betragen, ergäbe sich eine Vorauszahlung (brutto, vor Abzug Aufträge in Arbeit) per 31.12.2018 von CHF 5,200,000 (umgetauschte CHF 2,800,000 + CHF 2,400,000 Restbestand an BTC).

33 Bei konsequenter Anwendung des Niederstwertprinzips dürfte der Kursgewinn auf dem langfristigen Teil der Vorauszahlung

an sich erst bei Realisierung erfasst werden (vgl. HWP 2014, Kapitel II.3.4.1.2). Dies würde zu einem Accounting Mismatch

führen (buchungspflichtiger Verlust auf der Aktivseite, der auf der Passivseite infolge des Niederstwertprinzips nicht kompensiert wird). Aufgrund der fehlenden Rückzahlungsverpflichtung erscheint es vorliegend als sachgerecht, auf die Anwendung des Niederstwertprinzips auf der Passivseite zu verzichten.

P:103

101 l 132

(vi) Variante: OPEN kontrolliert das entwickelte Blockchain-Protokoll (kein Open

Source); ICO-Investoren wird ein befristetes Nutzungsrecht eingeräumt

Abänderung Ausgangslage gemäss (i):

• OPEN kontrolliert das entwickelte Blockchain-Protokoll (kein Open Source).

• Den ICO-Investoren wird als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Kapitals

nach Fertigstellung des Protokolls ein kostenloses Nutzungsrecht eingeräumt (1 OPEN

Coin = 24h Nutzung). Die Coins müssen innerhalb von 3 Jahren nach dem Go-live eingelöst werden, ansonsten verfallen sie. Gemäss Whitepaper ist vorgesehen, von Dritten

nach der Inbetriebnahme eine Nutzungsgebühr von CHF 2 pro 24h-Slot zu erheben.

• Für den laufenden Betrieb der Plattform fallen Kosten von CHF 100,000 pro Jahr an (unabhängig von der Zahl der User).

Unter der vorliegenden Variante ändert sich die Verbuchungslogik grundlegend, da das Protokoll für die Gesellschaft selbst und nicht für die ICO-Investoren entwickelt wird. Entsprechend kann nicht mehr ein Fertigungsauftrag unterstellt werden, sondern die Verbuchung hat

in Analogie zu der für Asset Token entwickelten Logik zu erfolgen.34

Im Emissionszeitpunkt bestehen hier gemäss Whitepaper zwei sequenzielle Leistungsverpflichtungen:

1. Entwicklung Plattform (faktische Leistungsverpflichtung, das Blockchain-Protokoll mit

den aus dem ICO generierten Mitteln zu realisieren);

2. Einlösung der ausgegebenen OPEN Coins (vertragliche Leistungsverpflichtung zum Betrieb der Plattform während mindestens 3 Jahren).

Da die 2. Leistungsverpflichtung erst bei erfolgreicher Projektrealisierung entsteht und die

Kosten der Projektentwicklung nicht verlässlich geschätzt werden können, werden die nach

Erfüllung der 1. Leistungsverpflichtung verbleibenden Mittel auf die 2. Leistungsverpflichtung

alloziert.

Im Einzelnen ergeben sich folgende Buchungen:

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

ICO Wertschriften Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Vereinnahmung der im Rahmen des

ICO generierten Mittel in Form von

Ether/Bitcoin.

Flüssige Mittel Wertschriften Umtausch der aus dem ICO erhaltenen Ether/Bitcoin in CHF.

34 Vgl. dazu Ziff. 10.3.2, Fallbeispiel ROB.

P:104

102 l 132

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Projektentwicklung

Betriebsaufwand Flüssige Mittel Laufende Verbuchung der Projektentwicklungskosten.

Selbst erarbeitete

immaterielle Aktiven

Aktivierte Eigenleistungen

[Erfolgsrechnung]

Aktivierung der erfassten Projektentwicklungskosten als selbst erarbeitetes immaterielles Aktivum im Sinne einer aktivierten Eigenleistung, sofern

und soweit die Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt sind. Sofern die Aktivierungsvoraussetzungen nicht erfüllt

sind, erfolgt direkt eine Sollbuchung

über das Konto Vorauszahlungen (vgl.

nachfolgende Buchung). Die entsprechende Habenbuchung würde in diesem Fall über den übrigen betrieblichen Ertrag erfolgen.

Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Selbst erarbeitete

immaterielle Aktiven

Verrechnung des Aktivums mit der Vorauszahlung analog zum Vorgehen bei

Investitionszuschüssen. Danach ist

der Saldo des Kontos \"Selbst erarbeitete immaterielle Aktiven\" wiederum

null.

Projektabschluss

Vorauszahlungen ohne

Rückerstattungsverpflichtung

Passive Rechnungsabgrenzungen

(Umsatzabgrenzung)

Umbuchung des (positiven) Restbetrags in einen Umsatzabgrenzungsposten.35

Die Betriebskosten für die nächsten 3

Jahre stellen Periodenkosten dar, die

grundsätzlich bei Anfall zu erfassen

sind. Sofern aber der verbleibende

Umsatzabgrenzungsposten die

Summe der Betriebskosten für die 3

Jahre Einlösungsfrist (CHF 300,000)

nicht erreicht und diese Betriebskosten nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit

durch die Nutzungsgebühren von Dritten gedeckt werden können, muss im

Umfang der Differenz eine Drohverlustrückstellung zu Lasten des Betriebsaufwands gebildet werden. 36 Damit wird erreicht, dass aus der Einlösung der OPEN Coins keine Verluste

entstehen. Eine solche Drohverlustrückstellung würde als übriger betrieblicher Ertrag über die Mindestbetriebsdauer von 3 Jahren aufgelöst.

35 Sollte dieser Umsatzabgrenzungsposten den Marktwert der versprochenen Leistungen übersteigen (vorliegend CHF 100

Mio. entsprechend 50 Mio. OPEN Coins multipliziert mit der Dritt-Nutzungsgebühr von CHF 2 pro Tag), wäre die Differenz

zum Marktwert erfolgswirksam als übriger betrieblicher Ertrag aufzulösen. Eine solche Konstellation kann sich grundsätzlich

nur ergeben, wenn die eingenommenen Mittel in Kryptowährung gehalten werden und sich der Wert dieser Kryptowährungen stark erhöht. Vgl. dazu Untervariante (v).

36 Falls neben nutzungsunabhängigen Fixkosten auch vom Nutzungsvolumen abhängige variable Kosten anfallen, hat eine

allfällig notwendige Drohverlustrückstellung im Minimum die variablen Kosten (Grenzkosten) für die Einlösung der 50 Mio.

OPEN Coins abzudecken.

P:105

103 l 132

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Betrieb

Plattform

Betriebsaufwand Flüssige Mittel Laufende Verbuchung der Betriebskosten.

Passive Rechnungsabgrenzungen

(Umsatzabgrenzung)

Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen

Auflösung Umsatzabgrenzung im Verhältnis zu den eingelösten OPEN

Coins.

P:106

104 l 132

10.3 Verbuchung von ICOs mit Zuteilung von Asset Token37

Erstpublikation: 30.04.2019

Vorbemerkungen

Asset Token (Anlage Token) repräsentieren Vermögenswerte in Form von Anteilen an Realwerten oder Unternehmen, wobei künftige Erträge (z.B. Anteile an Umsatz oder EBIT) oder

künftige Cashflows (z.B. Ansprüche auf Dividenden oder Zinszahlungen) versprochen werden. Der Token entspricht damit nach der wirtschaftlichen Funktion z.B. einer Aktie, einem

Partizipationsschein, einer Obligation, oder einem derivativen Finanzinstrument.38

Innerhalb dieser Definition können Asset Token ganz unterschiedliche Charakteristiken aufweisen. Aus Sicht Rechnungslegung sind insbesondere folgende Aspekte von Relevanz:

1) Bestehen direkte (vertragliche oder faktische) Ansprüche der Investoren auf zukünftige, vom Anlagegut generierte Geldströme (z.B. Zinsen, EBIT- oder Umsatzanteile,

Lizenzgebühren), oder besteht lediglich eine Beteiligung mit indirekten (gesellschaftsrechtlichen) Ansprüchen wie Dividenden?

2) Besteht das Anlagegut bereits und ist lediglich zu erwerben (z.B. Immobilien, Wertschriften), oder besteht das Anlagegut noch nicht und ist zuerst noch von der emittierenden Gesellschaft zu entwickeln resp. fertig zu entwickeln (z.B. Software-Plattform,

Medikament)?

Aus Sicht der emittierenden Gesellschaft ist bezüglich Verbuchung von ICOs entscheidend,

welche vertraglichen, faktischen oder gesellschaftsrechtlichen Rechte / Pflichten bestehen,

und nicht, ob ein Token gemäss FINMA Klassifizierung als Asset-, Utility oder Payment Token betrachtet wird.

Nachfolgend soll die OR Verbuchungslogik von Asset Token anhand von zwei vereinfachten,

typischen Beispielen dargestellt werden. Die präsentierten Lösungsansätze haben grundsätzlich aber nur für die konkreten Fallbeispiele Gültigkeit. Bei Abweichungen in der Ausgangslage können sich andere rechnungslegungstechnische Implikationen ergeben.

37 Die vorliegende Q&A wurde in Zusammenarbeit mit der Working Group \"Tax/Accounting/Structuring\" der Crypto Valley

Association erstellt (Markus Vogel [Chair], Kevin Leuthardt, Thomas Linder, Heiko Petry)

38 In Anlehnung an FINMA Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs), Ausgabe vom 16.

Februar 2018. Vgl. auch Vorbemerkungen zu Ziff. 10.2 vorgehend.

P:107

105 l 132

10.3.1 Fallbeispiel 1 - Indirekte gesellschaftsrechtliche Ansprüche auf zukünftige

Geldströme durch Partizipationsscheine / Anlagegut wird erworben, nicht selber entwickelt

(i) Fallbeispiel IMMO

• Die IMMO ist ein Start up Unternehmen und beabsichtigt, Schweizer Geschäftsimmobilien zu erwerben und dieses Immobilien-Portefeuille zu verwalten.

• Zwecks Finanzierung dieser Immobilienkäufe will IMMO Finanzmittel über ein ICO aufnehmen und IMMO Coins ausgeben. Der IMMO Coin wird als Partizipationsschein (PS)

i.S. von Art. 656a OR ff emittiert. Ein IMMO Coin entspricht einem PS.

• Ein Teil des ICO Erlöses soll nicht in Immobilien investiert werden, sondern für die laufende Geschäftstätigkeit zur Verfügung stehen.

• Die Liberierung der IMMO Coins bei der Emission wird in Kryptowährung (z.B. Ether/Bitcoin) erfolgen, danach aber in Schweizer Franken umgetauscht werden.

• Die IMMO Coins sollen inskünftig an einer Krypto-Börse handelbar sein.

• Die ICO Investoren verfügen über keinen direkten (vertraglichen oder faktischen) Anspruch auf die Immobilien, deren Nutzung oder entsprechende Erträge.

• Allfällige Auszahlungen (Dividenden, Liquidationsanteile) an die Partizipanten würden in

Schweizer Franken erfolgen. Die Dividendenpolitik ist im Whitepaper dargelegt.

• Der Fall basiert auf der Annahme, dass vorliegend die rechtlichen Voraussetzungen an

eine PS Emission erfüllt sind. Die ICO Investoren verfügen entsprechend über die

Rechte von Partizipanten.

(ii) Lösungsansatz/Verbuchungsmodell

Beim Fallbeispiel IMMO besteht lediglich die Verpflichtung, dass ein Grossteil der ICO Erlöse

in Schweizer Geschäftsimmobilien zu investieren ist. Diese Verpflichtung ist als schwebendes Geschäft zu betrachten, welches nur dann zu einer Buchung bzw. zur einer Rückstellung

führt, wenn Verluste absehbar sind.39 Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Immobilien jeweils zum Marktwert von Dritten erworben werden.

39 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.24.5.

P:108

106 l 132

Die nachfolgende Tabelle fasst das beschriebene Verbuchungsmodell nach Projektphasen

zusammen:40

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

ICO Wertschriften 41 PS Kapital Vereinnahmung der im Rahmen des ICO generierten Mittel in Form von Ether/Bitcoin.

Es handelt sich um eine Platzierung von PS,

der Erlös dieser Kapitalbeschaffungsmassnahme stellt Eigenkapital dar.

Flüssige Mittel Wertschriften Umtausch der aus dem ICO erhaltenen

ETH/BTC in CHF.

Laufende

Geschäftstätigkeit

Betriebsaufwand42 Flüssige Mittel Der ICO Erlös qualifiziert vorliegend als Eigenkapital und nicht als Vorauszahlung ohne

Rückerstattungsverpflichtung43. Entsprechend erfolgt die Erfassung der Kosten der

laufenden Geschäftstätigkeit in der Erfolgsrechnung.

Kauf Immobilien

Immobilien Flüssige Mittel Investition des ICO Erlöses in Immobilien.

Ausschüttungen

Eigenkapital Flüssige Mittel Ausschüttungen an die Partizipanten erfolgen

in CHF.

40 (Mehwert-) steuerliche Implikationen werden vorliegend ausgeblendet. Ferner wird auf eine Darstellung der allgemeinen

betrieblichen Erträge und Aufwendungen aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. Es werden lediglich jene Transaktionen abgebildet, welche für ein Verständnis der ICO-relevanten Aspekte notwendig scheinen.

41 Zur Behandlung von Kryptowährungen aus Sicht des Halters vgl. Ziff. 10.1. Im vorliegenden Fall erscheint der Ausweis der

erhaltenen Ether/Bitcoin in der Position \"Wertschriften\" als sachgerecht, da diese zum einen keinen Anlagecharakter haben

und der Handel mit Kryptowährungen zum anderen nicht Teil der ordentlichen Geschäftstätigkeit von IMMO sind.

42 Betriebsaufwand\" wird hier vereinfachend als Sammelbegriff verwendet. In der Erfolgsrechnung ist diese Position entsprechend den gesetzlichen Mindestgliederungsvorschriften (vgl. Art. 959b OR) aufzusplitten in \"Materialaufwand\", \"Personalaufwand\", \"Abschreibungen\" etc.

43 Vgl. Fallbeispiele OPEN, Ziff. 10.2 und ROB, Ziff. 10.3.2.

P:109

107 l 132

10.3.2 Fallbeispiel 2 - Direkte vertragliche/faktische Ansprüche der Investoren auf zukünftige Geldströme / Anlagegut ist noch zu entwickeln

(i) Fallbeispiel ROB44

.

• Die ROB ist ein Start-up Unternehmen, welches Roboter mit gewissen Aufgaben im

Haushalt entwickelt.

• Die Roboter befinden sich noch in der Entwicklungsphase und sollen in ca. 3 Jahren

marktreif sein.

• Nach Markteinführung rechnet ROB mit hohen Gewinnen aus dem serienmässigen Verkauf der Roboter.

• Da die Entwicklung bis zur Marktreife noch einen hohen Finanzierungsbedarf aufweist,

möchte ROB zusätzliche Finanzmittel über ein ICO einnehmen. Sie bietet deshalb 50

Mio. ROB Coins für CHF 50.0 Mio. an. Die Einzahlungen der Investoren für die ROB

Coins werden in Kryptowährung (z.B. Ether/Bitcoin) erfolgen, welche danach aber in

Schweizer Franken umgetauscht werden.

• Gemäss Whitepaper sollen die mittels ICO aufgenommenen Mittel zur Entwicklung und

Vermarktung der ROB Roboter eingesetzt werden. Dabei können die mittels ICO aufgenommenen Mittel für sämtliche anfallenden Kosten verwendet werden, unabhängig davon, ob Kosten aktivierungsfähig sind oder nicht.

• ROB stellt gemäss den \"Terms of Coin Sale\" im Whitepaper in Aussicht, eine Zahlung

von 10 % vom Umsatz in Schweizer Franken gemäss der von der Generalversammlung

der ROB genehmigten Jahresrechnung an die ROB Coin Halter zu leisten. Dabei erfolgt

die Zahlung in Kryptowährung (Ether/ETH). Hierbei wird der ETH/CHF Schlusskurs am

Tag der Generalversammlung von ROB gemäss Börse XY zugrunde gelegt.

• Diese Verpflichtung ist zeitlich unbeschränkt.

• Das Whitepaper sieht zu keinem Zeitpunkt eine Rückzahlung des von den Investoren

gezahlten Entgelts für die ROB Coins vor, auch nicht im Falle der Liquidation der Gesellschaft.

• ROB weist im Whitepaper darauf hin, dass die Fertigentwicklung der Roboter infolge von

technischen / finanziellen Unsicherheitsfaktoren nicht garantiert werden kann und dass

sich ROB allgemein vorbehält, das Projekt ohne Angabe von Gründen einzustellen.

• Die ROB Coins sollen inskünftig über eine Krypto-Börse handelbar sein.

• Das ICO ist erfolgreich und alle 50 Mio. ROB Coins können zu (umgerechnet) CHF 1 pro

ROB Coin emittiert werden.

44 In Anlehnung an Gennari, Franco / Jud, Guido / Oesterhelt, Stefan / Winzap, Maurus: Initial Coin Offerings (ICOs) Präsentation an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung der International Fiscal Association vom 08.02.2018 in Basel, Slides

19 - 39.

P:110

108 l 132

(ii) Lösungsansatz / Verbuchungsmodell

Lösungsansatz

Beim Fallbeispiel ROB handelt es sich um einen Asset Token, da der Tokenholder Anspruch

auf Erträge eines Aktivums (Roboter) respektive aus einer entsprechenden Geschäftstätigkeit hat.45 Dabei weist dieser Asset Token gewisse Ähnlichkeiten mit Utility Token auf, bei

denen ebenfalls zuerst eine Entwicklungsphase besteht (vgl. Fallbeispiel OPEN in Ziff. 10.2).

Anders als bei derartigen Utility Token besteht jedoch im Fall ROB ein Anspruch auf künftige

Erträge, ohne dass der Token selber eine technische Funktion in einer Plattform oder in einem Protokoll hat. Gleich wie bei dieser Form von Utility Token existiert hingegen im Zeitpunkt des ICOs eine faktische Leistungsverpflichtung, mit dem ICO Erlös zuerst das Aktivum

zu entwickeln. Hingegen bestehen auch grundsätzliche Unterschiede zu derartigen Utility Token, insbesondere bezüglich Kontrolle des fertig entwickelten Aktivums.46 Der grundsätzlich

andersartige Charakter eines Asset Token wie im Fallbeispiel ROB führt entsprechend zu einer anderen Verbuchungslogik als im Fallbeispiel OPEN in Ziff.10.2 dargestellt. Die ICO Investoren stellen der Gesellschaft Mittel zur Entwicklung und allenfalls Vermarktung von Aktiven zur Verfügung, welche auch nach Entwicklung in der Kontrolle der Gesellschaft verbleiben. Dabei werden diese Mittel weder in der Form von Eigenkapital noch von rückzahlbarem

Fremdkapital zur Verfügung gestellt. Vielmehr handelt es sich um eine Vorauszahlung ohne

Rückerstattungsverpflichtung.

Aus Sicht der Gesellschaft hat die Verbuchung eines ICO mit Asset Token wie im Fallbeispiel ROB Analogien zur Verbuchung von Subventionen.

47 Zuwendungen von ICO Investoren an eine ICO Gesellschaft unterscheiden sich zwar bezüglich der Absicht der Geldgeber

grundlegend von Subventionen. ICO Geldgeber erwarten im Gegensatz zum Staat einen finanziellen Gewinn und nicht die Finanzierung einer Infrastruktur oder einer Tätigkeit mit gemeinnützigem oder gemeinwirtschaftlich förderungswürdigem Zweck. Aus Sicht der empfangenden Gesellschaft bestehen jedoch für eine Analogie in der Verbuchung genügend An45 Der Begriff \"Aktivum\" wird zwecks höherer Lesefreundlichkeit verwendet. Effektiv können mehrere, teils materielle, teils immaterielle Aktiven entstehen. Vorliegend beispielsweise Roboter-Prototypen, spezifische Maschinen oder Werkzeuge zur

Herstellung, Markenrechte, Patente.

46 Bei der Art von Asset Token gemäss Fallbeispiel ROB steht aus Sicht der Gesellschaft immer eine Geschäftstätigkeit und

ein entsprechendes Aktivum im Zentrum, welches von der Gesellschaft und für die Gesellschaft entwickelt wird. Dabei ist es

auch möglich, dass das Aktivum in der Bilanz nicht aktivierungsfähig ist, beispielsweise, weil der Nachweis des wahrscheinlichen zukünftigen Mittelzuflusses im Bilanzierungszeitpunkt nicht erbracht werden kann (Art. 959 Abs. 2 OR). Dieses Aktivum steht aber in der alleinigen Verfügungsgewalt bzw. Kontrolle der Gesellschaft. Investoren in Asset Token verfügen hier

über keinen direkten (faktischen oder vertraglichen) Anspruch auf das Aktivum und dessen Nutzung. Der Anspruch der Investoren besteht in solchen Fällen lediglich auf eine Zahlung, beispielsweise als Dividende oder wie im Fall ROB als Anteil

des entsprechenden Erlöses. Im Fallbeispiel ROB verfügt die Gesellschaft auch nach Abschluss der Entwicklung über die

Kontrolle am Aktivum, was bei einem Fertigungsauftrag für Dritte definitionsgemäss nicht der Fall ist und womit eine analoge Anwendung von FER 22/3 wie im Fallbeispiel OPEN hier nicht sachgemäss ist. Dort wird zwar ebenfalls ein Aktivum

entwickelt, jedoch nicht für die Gesellschaft selber sondern für die ICO Investoren. Diese können das Aktivum nachdem es

entwickelt ist gemäss den entsprechenden Funktionalitäten mittels der OPEN Coins nutzen. Das Aktivum wird im Fallbeispiel OPEN zudem auch nicht ausschliesslich von der Gesellschaft kontrolliert, weil es sich um eine Software unter OpenSource Lizenz handelt, welche nach der Entwicklung für alle (auch für Dritte, welche nicht ICO Investoren sind) frei verfügbar ist. Weil das Aktivum zuerst noch erstellt werden muss, kann im Fall OPEN die Entwicklung als faktischer Fertigungsauftrag für die Utility-Tokenholder aufgefasst und abgebildet werden.

47 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.14.3.1.

P:111

109 l 132

knüpfungspunkte. Insbesondere ist die empfangende Gesellschaft in beiden Fällen eine faktische oder vertragliche Verpflichtung eingegangen, mit diesen Geldern entweder ein Aktivum zu entwickeln und / oder eine Tätigkeit vorzunehmen. Dabei wären beide Aktivitäten

ohne diese Gelder vermutlich nicht vorgenommen worden. Ferner sind die Zuwendungen in

beiden Fällen grundsätzlich weder Einlagen ins Eigenkapital noch rückzahlbares Fremdkapital. Gestützt auf international anerkannte Rechnungslegungsnormen kann dabei zwischen

Investitionszuschüssen (\"Zuwendungen für Vermögenswerte\") und Kostenzuschüssen (\"erfolgsbezogene Zuwendungen\") unterschieden werden.48 Bei Investitionszuschüssen steht

die Entwicklung eines Aktivums im Vordergrund, bei Kostenzuschüssen sollen betriebliche

Aufwendungen abgedeckt werden.

Im Fall ROB liegen im Emissionszeitpunkt zwei faktische Leistungsverpflichtungen vor:

• Eine erste Verpflichtung zur Entwicklung der Roboter, für welche die ICO Investoren einen Investitionszuschuss geleistet haben.

• Eine zusätzliche, separate Leistungsverpflichtung für die Vermarktung der Roboter. Für

diese haben die ICO Investoren einen Kostenzuschuss geleistet.

Die Auszahlung zukünftiger Umsatz-Anteile an die Investoren ist hingegen nicht Teil einer im

Emissionszeitpunkt bestehenden faktischen Verpflichtung.

Eine faktische Leistungsverpflichtung besteht, wenn ein Unternehmen aufgrund öffentlich angekündigter, spezifischer Aussagen (vorliegend via im Internet publiziertem Whitepaper) bei

Dritten (hier den ICO Investoren) eine gerechtfertigte Erwartung geweckt hat, diese Verpflichtungen zu erfüllen. Eine faktische Verpflichtung kann zwar rechtlich nicht durchgesetzt

werden, die negativen Auswirkungen auf die Reputation der Gesellschaft und deren Repräsentanten im Falle einer Nichterfüllung schaffen jedoch einen faktischen Handlungszwang.49

Dieser beinhaltet im Emissionszeitpunkt, dass die aus der ICO Emission generierten Mittel

gemäss Whitepaper für die Entwicklung und Vermarktung der Roboter eingesetzt werden.50

Den Investoren muss aber zu diesem Zeitpunkt klar sein, dass Umsätze (und entsprechende

Zahlungen an die Investoren) nur generiert werden können, falls die Roboter zuvor erfolgreich entwickelt und vermarktet worden sind. Die Verpflichtung, Umsatzanteile auszuzahlen,

ist im Emissionszeitpunkt somit als bedingte Verpflichtung zu betrachten. Wenn die Roboter

erfolgreich entwickelt und vermarktet worden sind, ist die Bedingung erfüllt und die Verpflichtung zur Zahlung von Umsatzanteilen ist als vertragliche Verpflichtung zu betrachten. Der

Anspruch der Investoren auf Umsatzanteile aus dem Verkauf der Roboter entsteht somit erst

im Lauf der künftigen Geschäftsjahre, und zwar im Zeitpunkt und im Umfang wie entsprechender Umsatz generiert wird. Eine rechtliche Schuld zur Zahlung der Umsatz-Anteile an

48 Vgl. IAS 20.3 / Definitionen. Der IFRS Standard IAS 20 Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen

Hand behandelt Zuwendungen der öffentlichen Hand wie Subventionen.

49 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.24; Böckli, Peter, Neue OR-Rechnungslegung, Schulthess 2014 [nachfolgend zitiert mit

Böckli], N 673

50 Ohne dass eine vertragliche oder faktische Verpflichtung besteht, dass Entwicklung und Vermarktung auch erfolgreich abgeschlossen werden können.

P:112

110 l 132

die Investoren besteht zudem erst im Zeitpunkt der Genehmigung einer Jahresrechnung,

welche Umsätze zeigt.51 Der Anspruch der Investoren kann hingegen bereits bei der Erstellung der Jahresrechnung praktisch zweifelsfrei ermittelt werden. Entsprechend ist für die bekannte Zahlung des Umsatz-Anteils der Investoren des jeweils aktuellen Jahres eine Abgrenzung zu bilden.52 Für erwartete Zahlungen von Umsatz-Anteilen der Folgejahre ist jedoch

noch keine Rückstellung zu bilden, da die Ursache dieser Zahlungen die erst noch zu erwirtschaftenden zukünftigen Umsätze sein werden. Die vom Gesetz für eine Rückstellung verlangten \"vergangenen Ereignisse\" haben für die Umsatz-Anteilszahlungen der Folgejahre

entsprechend noch nicht stattgefunden.53

Verbuchungslogik

Auf der Aktivseite wird der ICO Erlös in Kryptowährung als Wertschriften erfasst. Nach der

Umwandlung in Fiatgeld werden diese als flüssige Mittel bilanziert. Aus diesen flüssigen Mitteln werden die Entwicklungskosten beglichen. Im Betrag der Entwicklungskosten wird, falls

und soweit die Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt sind, ein selbst erarbeitetes immaterielles

oder materielles Aktivum bilanziert .54 Der Investitionszuschuss aus dem ICO reduziert jedoch die Herstellkosten dieses Aktivums, bis der Betrag des ICO Erlöses aufgebraucht ist.55

Auf der Passivseite wird der ICO Erlös als Vorauszahlung ohne Rückerstattungsverpflichtung

erfasst. Dieser Betrag bildet die faktische Leistungsverpflichtung der Gesellschaft ab. Diese

faktische Leistungsverpflichtung wird um den Betrag der Entwicklungskosten reduziert, bis

die Vorauszahlung aufgebraucht ist.

51 Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR.

52 Keine Rückstellung, da bezüglich des Betrages keine nennenswerte Unsicherheit besteht und die Begleichung des Betrages innerhalb weniger Monate nach dem Bilanzstichtag erfolgt. Allerdings kommen die gleichen Bewertungsgrundsätze zur

Anwendung, vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.24 sowie Böckli, N 1010.

53 Vgl. Art. 960e Abs. 2 OR.

54 Im Gegensatz zu Utility Token wie im Fall OPEN in Ziff. 10.2 können dabei die Kosten nur dann aktiviert werden, wenn die

Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt sind. Im Fall OPEN erfolgt die Bilanzierung als langfristiger Fertigungsauftrag. Da der

Fertigungsauftrag bereits im Voraus (via ICO) bezahlt wurde, ist der Entschädigungsanspruch als Auftrag in Arbeit i.S. von

FER 22 bis zum Betrag der Vorauszahlung immer aktivierbar. Die Bilanzierung eines Aktivums im Fall von Asset Token wie

ROB folgt jedoch einer anderen Logik: das Aktivum verbleibt auch nach Abschluss der Entwicklung zur alleinigen Nutzung

bei der Gesellschaft, womit die Aktivierungsvoraussetzungen wie für alle anderen Aktivierungen erfüllt sein müssen.

55 Vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.14.3.1. Das HWP sieht in Fällen von Subventionszahlungen eine Nettoerfassung vor (d.h. die

Subventionszahlung reduziert den aktivierten Betrag). ICO Erlöse stellen üblicherweise eine Vorfinanzierung für gewinnorientierte Investitionen dar und unterscheiden sich deshalb grundlegend von Subventionsbeiträgen für gemeinwirtschaftliche

Leistungen. Entsprechend wäre vorliegend auch eine Bruttoerfassung möglich, wie sie die internationalen Rechnungslegungsnormen alternativ ebenfalls zulassen (IAS 20.24 ff.). Dabei würde ein selbst erarbeitetes materielles oder immaterielles Aktivum erfasst, soweit die Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Vorauszahlungsbetrag (im Betrag der Aktivierungen) würde stehen gelassen, bis das Aktivum fertig entwickelt ist und genutzt werden kann. Danach würde zum einen

das selbst erarbeitete Aktivum über die Nutzungsdauer abgeschrieben, zum anderen würde der Vorauszahlungsbetrag im

Betrag der Abschreibungen als \"übriger Ertrag\" erfolgswirksam aufgelöst. Die Bruttomethode hat den Vorteil grösserer

Transparenz. In beiden Varianten würde der Erfolgsrechnungs-Effekt des ICO Erlöses über die Nutzungsdauer effektiv: Bei

einer Nettoerfassung dadurch, dass gar keine Abschreibungen entstehen, bei einer Bruttoerfassung dadurch, dass zwar

Abschreibungen entstehen, diese aber im übrigen Ertrag kompensiert werden. In Anbetracht der inhärenten hohen Fortführungs- und Impairmentrisiken von ICO Projekten ist aus Vorsichts- und Einfachheitsgründen eine Nettoerfassung zu empfehlen.

P:113

111 l 132

In der Erfolgsrechnung werden die Entwicklungskosten bei Anfall erfasst. Die Aktivierung eines selbst erarbeiteten immateriellen oder materiellen Aktivums wird als \"Aktivierte Eigenleistung\" im Ertrag abgebildet. Sollten die die Aktivierungsvoraussetzungen nicht erfüllt sein, erfolgt eine Buchung im übrigen Ertrag (statt als aktivierte Eigenleistung). In beiden Fällen wird

die Vorauszahlung um den Betrag der Entwicklungskosten reduziert. Spätestens wenn Kosten im Umfang der geleisteten Vorauszahlungen aufgelaufen sind, wird das Projekt in der

Regel beendet, da seitens der Investoren keine Nachschuss- oder zusätzliche Leistungspflicht besteht.56

Nachdem die Roboter entwickelt sind oder das Projekt aufgegeben wurde, ist die faktische

Leistungsverpflichtung zur Entwicklung der Roboter erfüllt. Da neben einer faktischen Leistungsverpflichtung zur Entwicklung zusätzlich noch eine zweite faktische Leistungsverpflichtung zur Vermarktung der Roboter besteht, kann vorliegend ein allfällig verbleibender positiver Restbetrag (Vorauszahlungs-Überhang) im Zeitpunkt der abgeschlossenen Entwicklung

nicht erfolgswirksam aufgelöst werden57

.

Entsprechend sind diesem allfälligen Restbetrag der Vorauszahlung die Kosten der Vermarktung zu belasten, bis der Restbetrag aufgebraucht ist. Dabei wird in einem ersten Schritt der

Vermarktungsaufwand erfolgswirksam erfasst. In einem zweiten Schritt wird der Betrag der

Vorauszahlung um den Betrag dieses Vermarktungsaufwandes reduziert (Gegenbuchung im

\"übrigen Ertrag\").

56 Zeichnet sich im Verlauf des Projekts ab, dass die Aufwendungen die erhaltenen Vorauszahlungen übersteigen und die

Entwicklung wird dennoch weitergeführt/abgeschlossen, stellt sich vorliegend die Frage der Drohverlustrückstellung nicht.

Dies ist im Gegensatz zum Fallbeispiel OPEN bezüglich Utility Token in Ziff. 10.2. Im Fall OPEN wird die Gesellschaft nach

Abschluss der Entwicklung über kein Aktivum verfügen, weil das Aktivum für Dritte entwickelt wird, welche via ICO Emission

bereits einen fest vereinbarten \"Verkaufspreis\" im Voraus einbezahlt haben. Ist absehbar, dass die Kosten diesen Erlös

übersteigen, ist für den absehbaren Verlust eine Rückstellung zu erfassen. Im Fallbeispiel ROB wird das Aktivum hingegen

für die ROB selber entwickelt. ROB wird über dieses Aktivum nach Abschluss der Entwicklung verfügen können und erfasst

entweder entsprechenden Entwicklungsaufwand bei Anfall (wenn nicht aktivierungsfähig) oder aktiviert die angefallenen

Entwicklungskosten (wenn diese aktivierungsfähig sind).

57 Dies im Gegensatz zum Fallbeispiel OPEN bezüglich Utility Token in Ziff. 10.2. Im Fallbeispiel OPEN besteht lediglich eine

faktische Leistungsverpflichtung, welche mit der Entwicklung des dezentralen Open-Source Blockchain Protokolls erfüllt ist.

P:114

112 l 132

Die nachfolgende Tabelle fasst das beschriebene Verbuchungsmodell nach Projektphasen

zusammen:58

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

ICO Wertschriften59 Vorauszahlungen

ohne Rückerstattungsverpflichtung

Vereinnahmung der im Rahmen des ICO generierten Mittel in Form von Ether / Bitcoin.

Flüssige Mittel Wertschriften Umtausch der aus dem ICO erhaltenen Ether

/ Bitcoin in CHF.60

Projektentwicklung

Betriebsaufwand61 Flüssige Mittel Laufende Verbuchung der Projektentwicklungskosten.

Selbst erarbeitete immaterielle/materielle

Aktiven

Aktivierte Eigenleistungen (Erfolgsrechnung)

Die erfassten Projektentwicklungskosten werden in einem ersten Schritt als selbst erarbeitetes immaterielles oder materielles Aktivum

im Sinne einer aktivierten Eigenleistung aktiviert, sofern und soweit die Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt sind. Sofern die Aktivierungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, erfolgt direkt eine Sollbuchung über das Konto

Vorauszahlungen (vgl. nachfolgende Buchung). Die entsprechende Habenbuchung

würde in diesem Fall im übrigen betrieblichen

Ertrag erfolgen.

Vorauszahlungen

ohne Rückerstattungsverpflichtung

Selbst erarbeitete immaterielle /materielle

Aktiven

In einem zweiten Schritt wird der vorausbezahlte \"Investitionszuschuss\" aus dem ICO

analog zum Vorgehen bei entsprechenden

Subventionen mit dem Aktivum verrechnet.

Danach ist der Saldo des Kontos \"selbst erarbeitete immaterielle bzw. materielle Aktiven\"

wiederum null.

Vermarktung

Betriebsaufwand Flüssige Mittel Erfolgswirksame Erfassung des Vermarktungsaufwandes.

Vorauszahlungen

(ohne Rückerstattungsverpflichtung)

Übriger betrieblicher

Ertrag

Die Kosten zur Vermarktung der Roboter

werden dem Vorauszahlungskonto belastet,

bis dieses Konto aufgebraucht ist. Dabei ist

massgeblich, welche Kosten gemäss Whitepaper aus dem ICO Erlös abgedeckt werden

können. Vorliegend sind dies gemäss Ausgangslage alle anfallenden Kosten. Sofern

nur für bestimmte Kosten Vorschüsse geleistet worden sind, können auch nur diese Beträge über das Vorauszahlungskonto in der

Erfolgsrechnung kompensiert werden.

58 (Mehwert-) steuerliche Implikationen werden vorliegend ausgeblendet.

59 Zur Behandlung von Kryptowährungen aus Sicht des Halters vgl. Ziff. 10.1. Im vorliegenden Fall erscheint der Ausweis der

erhaltenen Ether/Bitcoin in der Position \"Wertschriften\" als sachgerecht, da diese zum einen keinen Anlagecharakter haben

und der Handel mit Kryptowährungen zum anderen nicht Teil der ordentlichen Geschäftstätigkeit von ROB sind.

60 Betreffend Vorgehen wenn die eingenommenen Ether/Bitcoin nicht in Fiatgeld getauscht werden, vgl. Untervariante zu Fall

OPEN in Ziff. 10.2 (v).

61 Betriebsaufwand\" wird hier vereinfachend als Sammelbegriff verwendet. In der Erfolgsrechnung ist diese Position entsprechend den gesetzlichen Mindestgliederungsvorschriften (vgl. Art. 959b OR) aufzusplitten in \"Materialaufwand\", \"Personalaufwand\", \"Abschreibungen\" etc.

P:115

113 l 132

Ereignis /

Schritt

Verbuchung Kommentar

Soll Haben

Falls es sich um wesentliche Beträge handelt, ist ein separater Ausweis in der Erfolgsrechnung angezeigt.62

Erfassung

UmsatzVerpflichtung Jahr t1

in der Jahresrechnung t1

Betriebsaufwand Passive Rechnungsabgrenzung UmsatzAnteile Investoren

Auf Basis des ausgewiesenen Umsatzbetrages in CHF gemäss Jahresrechnung ist der

Umsatz-Anteil für das laufende Jahr (t1) zu

berechnen. Dieser Betrag entspricht per Bilanzstichtag 10 % des Umsatzes in CHF. Die

Abgrenzung erfolgt in CHF und ist erfolgswirksam zu erfassen.

Analog zu umsatzbasierten Lizenzzahlungen

erfolgt die Erfassung im Betriebsaufwand.

Eine Erfassung im Finanzaufwand ist nicht

sachgerecht, da keine Finanzschuld bilanziert ist.

Erfassung

Schuld Umsatz-Anteile

für Jahr t1

nach GV Beschluss im

Verlauf von

Jahr t2

Passive Rechnungsabgrenzung UmsatzAnteile Investoren

Übrige kurzfristige

Verbindlichkeiten Investoren

Die Erfassung der Schuld erfolgt zum

ETH/CHF Endkurs per Datum der GV.

Auszahlung

Umsatz-Anteile für

Jahr t1 nach

GV im Verlauf von

Jahr t2

Übrige kurzfristige

Verbindlichkeiten Investoren

Wertschriften Die Auszahlung erfolgt unmittelbar nach dem

GV Beschluss, wobei die Zahlung in ETH erfolgt.63

62 Vgl. Art. 959b Abs. 5 OR, HWP 2014, Kapitel IV.3.4, beispielsweise als \"vorausbezahlter Vermarktungsbeitrag aus ICO\",

\"Kostenzuschüsse aus ICO\" o.ä.. Diese Erfassung folgt der Logik von erfolgsbezogenen Zuwendungen (income related

grants) nach IAS 20.29ff. Sofern die Vermarktung des entsprechenden Produkts eingestellt wird und noch ein positiver

Restsaldo vorhanden ist, würde dieser erfolgswirksam aufgelöst.

63 Betreffend Erfassung einer allfälligen Wertveränderung aufgrund von Kursschwankungen wird auf die Ausführungen zur

Bilanzierung von Bitcoin in Ziff 10.1 (Exkurs: Bewertung von in Bitcoin denominierten Verbindlichkeiten) verwiesen.

P:116

114 l 132

In der Jahresrechnung führt das beschriebene Verbuchungsmodell während der Projektentwicklung zu folgender Darstellung (Annahme: Einnahmen aus ICO Ende 20_0 von CHF 50

Mio., Projektkosten 20_1 von CHF 20 Mio., davon aktivierbar CHF 17 Mio.):

Bilanz

(in TCHF)

20_1 20_0

Flüssige Mittel

Selbst erarbeitete immaterielle / materielle Aktiven*

(…)

(…)

0

(…)

0

Total Aktiven (…) (…)

Vorauszahlungen für Projektentwicklung

(…)

30,000 50,000

Total Passiven (…) (…)

Erfolgsrechnung

(in TCHF)

20_1 20_0

Aktivierte Eigenleistungen

Übriger betrieblicher Ertrag

Aufwand für Material und Fremdleistungen

Personalaufwand

Übriger betrieblicher Aufwand

Abschreibungen auf Sachanlagen

17,000

3,000

-10,000

- 5,000

- 4,000

- 1,000

0

0

0

0

0

Betriebliches Ergebnis 0 0

(…) (…) (…)

Jahresgewinn (…) (…)

* Buchungen 20_1 - Soll: TCHF 17'000, Buchungen Haben: TCHF 17'000, Saldo: TCHF 0, bzw. Erfassung als

pro memoria Posten.

Per Bilanzstichtag sind im Anhang der Jahresrechnung die angewandten Rechnungslegungsgrundsätze für die Abbildung des ICO offenzulegen sowie ggf. zusätzliche Erläuterungen zu einzelnen Bilanz- und Erfolgsrechnungspositionen sowie zu den im Whitepaper enthaltenen Terms & Conditions zu machen (vgl. Art. 959c Abs. 1 und 2 OR). Im Ergebnis muss

die Jahresrechnung die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft so darstellen, dass sich Dritte

(insbesondere die Investoren) ein zuverlässiges Urteil bilden können (vgl. Art. 958 OR).

P:117

115 l 132

11. Rechnungslegungsfragen mit Bezug zu COVID-19

Frage a)

Erstpublikation: 08.06.2020

Letzte Änderung vom 29.01.2021 (Anpassung aufgrund des am 18. Dezember 2020 verabschiedeten COVID-19 Solidarbürgschaftsgesetzes)

Wie sind COVID-19-Kredite in der Jahresrechnung nach OR zu erfassen?

Antwort

COVID-19-Kredite stellen (verzinsliche) Verbindlichkeiten gemäss Art. 959a Abs. 2 OR dar,

die je nach beabsichtigter Rückzahlung als kurz- oder langfristig zu ihrem Nominalwert ausgewiesen werden. Die Darstellung in der Bilanz kann als separate Position, z.B. als «Verbürgter

COVID-19-Kredit» oder zusammen mit anderen Finanzverbindlichkeiten in der entsprechenden Bilanzposition erfolgen. Allfällige im Zusammenhang mit diesen Krediten geschuldete Zinsen sind periodengerecht als Finanzaufwand nach Art. 959b Abs. 2 Ziff. 7 bzw. Abs. 3 Ziff. 4

OR zu erfassen.

Unabhängig von der gewählten Darstellung in der Bilanz drängen sich im Anhang der Jahresrechnung weitere Angaben und Erläuterungen zum COVID-19-Kredit auf (Art. 959c Abs. 1 Ziff.

2 OR). Eine solche Offenlegung umfasst insbesondere auch die mit einem COVID-19-Kredit

verbundenen Auflagen im COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz bzw. in der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung sowie, falls anwendbar, in ähnlichen kantonalen Erlassen oder in Vereinbarungen mit der kreditgebenden Bank. Die Anhangsangabe zum COVID-19-Kredit sollte

insbesondere folgende Punkte adressieren:

• Betrag, Verzinsung und (beabsichtigte) Dauer der Inanspruchnahme

• Investitionsrestriktionen aus der Verordnung, gültig bis 19. Dezember 2020

• Unzulässige Ausschüttungen

• Restriktionen betreffend Gewährung und Ablösung von Finanzierungen gegenüber bzw.

von Gruppengesellschaften und Eigentümern

• Ggf. Auswirkungen auf Situationen mit Kapitalverlust / Überschuldung nach Art. 725 OR

• Ggf. weitere relevante Punkte aus Kreditvereinbarungen

Aufgrund von Ziff. 8 der Muster-Kreditvereinbarung im Anhang 2 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung hat die kreditgebende Bank namentlich das Recht, die Kreditvereinbarung

P:118

116 l 132

aus regulatorischen oder rechtlichen Gründen (z.B. Verletzung des Geldwäschereigesetzes

oder der Kreditvereinbarung) jederzeit mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Sämtliche zum Zeitpunkt der Kündigung unter der Kreditvereinbarung ausstehende Beträge werden unmittelbar

fällig und zahlbar. Sind die Voraussetzungen für die Kündigung des COVID-19-Kredits erfüllt,

ist dieser vollumfänglich als kurzfristige Verbindlichkeit in der Bilanz auszuweisen, ausser die

kreditgebende Bank verzichte bis zur Verabschiedung der Jahresrechnung durch den Verwaltungsrat schriftlich auf die Kündigung des COVID-19-Kredits.

Nachstehend ein illustratives Beispiel einer solchen Offenlegung

(anzupassen an die konkreten Umstände im Einzelfall):

Zur Liquiditätssicherung hat die XY AG einen verbürgten COVID-19-Kredit von total CHF 2.5

Mio. in Anspruch genommen. Davon sind CHF 0.5 Mio. zu einem Satz von 0.0%, CHF 1.7

Mio. zu 0.5% und CHF 0.3 Mio. zu x% zu verzinsen. Die Zinskonditionen können jeweils per

31. März, erstmals per 31. März 2021 aufgrund der Vorgaben des Eidg. Finanzdepartements

an die Marktentwicklungen angepasst werden. Das Unternehmen beabsichtigt, den COVID19-Kredit bis zum 31. Dezember 2023 zurückzuführen.

Für die Dauer der Inanspruchnahme des COVID-19-Kredits darf das Unternehmen keine Dividende und Tantiemen ausschütten und keine Rückzahlung von Kapitaleinlagen vornehmen. Zudem bestehen weitere Restriktionen betreffend die Gewährung und Ablösung von

Darlehen gegenüber Gruppengesellschaften und Eigentümern.

Im Zusammenhang mit den Bestimmungen zum Kapitalverlust bzw. einer Überschuldung

nach Art. 725 OR gilt der verbürgte COVID-19-Kredit im Umfang von CHF 0.5 Mio. nicht als

Fremdkapital.

Frage b)

Erstpublikation: 08.06.2020

Letzte Änderung vom 29.01.2021 (Anpassung aufgrund des am 18. Dezember 2020 verabschiedeten COVID-19 Solidarbürgschaftsgesetzes)

Gemäss COVID-19-Verordnung berufliche Vorsorge können Arbeitnehmerbeiträge an die berufliche Vorsorge temporär aus den ordentlichen Arbeitgeberbeitragsreserven (AGBR) finanziert werden. Wie ist eine solche Verwendung der AGBR im Jahresabschluss darzustellen?

P:119

117 l 132

Antwort

(1) Grundlagen: AGBR als Instrument zur Vorfinanzierung von reglementarischen

Arbeitgeberbeiträgen

AGBR entstehen dadurch, dass ein Unternehmen im Voraus Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung bezahlt. Ziel ist es, diese anstelle einer Zahlung in späteren Perioden zu nutzen und

dadurch die Vorsorgeaufwendungen zu entlasten. Werden Einlagen in AGBR aus Gründen

der Steuerplanung dem Periodenergebnis belastet, stellen sie aus obligationenrechtlicher

Sicht stille Reserven dar (vgl. HWP 2014, Kapitel IV.2.31.1).

Stille Reserven sind über diejenige Erfolgsrechnungsposition zu bilden und aufzulösen, die mit

der entsprechenden Bilanzposition sachlich zusammenhängt (vgl. HWP 2014, Kapitel

IV.2.31.2). Denkbar wäre ebenfalls eine Bildung und Auflösung über das ausserordentliche

Ergebnis, allerdings erfolgt die Bildung resp. Auflösung in diesem Fall nicht mehr „still“ (Erläuterungspflicht für ausserordentliche Posten gemäss Art. 959c Abs. 2 Ziff. 12 OR).

AGBR im Sinne von vorausbezahlten Vorsorgeaufwendungen haben bei Nichtbilanzierung

den Charakter von wertberichtigten Rechnungsabgrenzungsposten. Die Bildung und Auflösung dieser Wertberichtigungen erfolgt sachlich über den Personalaufwand. Die Verwendung

von (nicht bilanzierten) AGBR zur Finanzierung von Arbeitgeberbeiträgen reduziert entsprechend den Bestand an stillen Reserven sowie den Personalaufwand im Umfang der erfolgten

Inanspruchnahme. Wie ausgeführt kann alternativ auch der volle Personalaufwand verbucht

und die Auflösung der AGBR als ausserordentlicher Ertrag ausgewiesen werden.

Sofern durch die Auflösung der stillen Reserven das erwirtschaftete Ergebnis wesentlich günstiger dargestellt wird, ist die Netto-Auflösung der stillen Reserven im Anhang offenzulegen (Art.

959c Abs. 1 Ziff. 3 OR).

(2) Temporäre Möglichkeit zur Finanzierung von Arbeitnehmerbeiträgen aus den

AGBR aufgrund der COVID-19-Massnahmen

Gemäss COVID-19-Verordnung Berufliche Vorsorge können Arbeitnehmerbeiträge an die berufliche Vorsorge bis am 31. Dezember 2021 aus den ordentlichen AGBR finanziert werden.

Die Arbeitgeberfirma muss der Vorsorgeeinrichtung die Verwendung von AGBR für die Vergütung von Arbeitnehmerbeiträgen schriftlich mitteilen. Eine Änderung des Vorsorgereglements oder Anschlussvertrages ist dafür nicht erforderlich.

P:120

118 l 132

Die Darstellung einer Inanspruchnahme von (nicht bilanzierten) AGBR für die Finanzierung

von Arbeitnehmerbeiträgen entspricht exakt der Verbuchungssystematik bei Finanzierung von

Arbeitgeberbeiträgen (vgl. Abschnitt (1) oben).

Illustratives Beispiel:

Firma X hat eine Bruttolohnsumme von 100, davon sind je 10 als Arbeitnehmer- resp. Arbeitgeberbeiträge an die Pensionskasse zu entrichten. Ohne Inanspruchnahme einer AGBR beträgt der Personalaufwand in diesem Fall 110 (90 Überweisung an Arbeitnehmer, 20 Überweisung an Pensionskasse). Bei Finanzierung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen

über eine AGBR beträgt der Personalaufwand 90 (= Überweisung an Arbeitnehmer). Gleichzeitig werden stille Reserven von 20 (Reduktion AGBR) aufgelöst.

Falls die Finanzierung von Arbeitnehmerbeiträgen gestützt auf die COVID-19-Verordnung

Berufliche Vorsorge für das Unternehmen bedeutend ist, sollte im Anhang auf die Inanspruchnahme dieser temporären Möglichkeit hingewiesen werden.

Frage c)

Erstpublikation: 08.06.2020

Wie ist die erhaltene Kurzarbeitsentschädigung beim Arbeitgeber zu verbuchen?

Antwort

Kurzarbeitsentschädigungen haben als Folge der COVID-19 Krise signifikant zugenommen.

Die Verbuchung der Kurzarbeitsentschädigung hat sich prinzipiell nicht geändert. HWP 2014

Kapitel IV.3.6. hält fest, dass erhaltene Entschädigungen von Sozialversicherungen (beispielsweise Erwerbsausfallentschädigungen) dem Personalaufwand zuzurechnen sind. Solche Entschädigungen, welche auch Kurzarbeitsentschädigungen umfasst, werden in der Buchführungspraxis vielfach als Minderung des Personalaufwandes dargestellt. Eine Erfassung auf

einem separaten Konto im Hauptbuch, welches das Total des Personalaufwandes verringert,

erscheint sachgerecht. Beiträge von Sozialversicherungen, Erwerbsersatzordnungen etc. werden von der Unternehmung vereinnahmt, um selbst ausgerichtete Lohn(fort-)zahlungen zu reduzieren und stellen in der Regel keinen Ertrag dar. Wesentliche verrechnete Beträge sind im

P:121

119 l 132

Anhang der Jahresrechnung nach Art. 959c Abs. 1, Ziff. 2 OR als Aufschlüsselung zu Positionen der Erfolgsrechnung offenzulegen.

Frage d)

Erstpublikation: 25.11.2020

Unter welchen Voraussetzungen können Aufwendungen und Erträge im Zusammenhang mit

COVID-19 als ausserordentlich ausgewiesen werden?

Antwort

Als ausserordentliche Aufwendungen / Erträge gelten in der OR-Rechnungslegung ungewöhnliche, in der Regel einmalige oder mit dem Geschäftsgang nicht ohne Weiteres zusammenhängende Vorgänge (vgl. HWP 2014, Kapitel IV.3.12).

Spezifische Aufwendungen / Erträge im Zusammenhang mit COVID-19 erfüllen die genannten

Voraussetzungen, wenn kumulativ die folgenden Bedingungen eingehalten sind:

1. Der Aufwand / Ertrag ist direkte, unmittelbare Folge von Massnahmen zur Bekämpfung

der COVID-19-Ausbreitung, insbesondere wenn diese Massnahmen staatlich verordnet /

empfohlen sind.

und

2. Es handelt sich um zusätzlichen Aufwand / Ertrag, der im normalen Geschäftsverlauf ohne

Corona-Krise nicht angefallen wäre (inkl. COVID-19 bedingte zusätzliche Abschreibungen

/ Wertberichtigungen).

Ausserordentliche Elemente sollten eine gewisse Tragweite haben. Es wird als nicht opportun

erachtet, unwesentliche Einzelereignisse als ausserordentlich auszuweisen, ausser diese

seien auf das gleiche Ereignis zurückzuführen und seien zusammen mit anderen erfolgswirksamen Sachverhalten in der Gesamtheit wesentlich.

Mit dem Übergang in eine „neue Normalität“ werden auch verschiedene im In- und Ausland

angeordnete Massnahmen ihren notrechtlichen bzw. ausserordentlichen Charakter verlieren.

Entsprechend sind die vorerwähnten Grundsätze vorerst insbesondere für Jahresabschlüsse

P:122

120 l 132

anzuwenden, welche den Zeitraum der notrechtlichen Phase der COVID-19 Krise teilweise

oder ganz beinhalten. Die Frage des ausserordentlichen Charakters von COVID-19-spezifischen Aufwendungen / Erträgen ist für folgende Abschlüsse jeweils neu zu beurteilen.

Bezüglich Einordung von Aufwendungen / Erträgen als ordentlich oder ausserordentlich besteht grundsätzlich kein Wahlrecht, da ausserordentliche Posten der Erfolgsrechnung Teil der

OR-Mindestgliederung sind (Art. 959b Abs. 2 Ziff. 9 OR bzw. Art. 959b Abs. 3 Ziff. 6 OR).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in der Praxis schwierige Ermessensentscheide notwendig sein können und ein Ereignis mit den entsprechenden Aufwendungen und Erträgen im

Zweifelsfall als Teil des ordentlichen bzw. betrieblichen Ergebnisses zu klassifizieren sein wird.

Somit ist zwar im Einzelnen zu begründen, wenn ein Posten als ausserordentlich erfasst

wurde, nicht jedoch, wenn dies nicht der Fall ist. Unwesentliche Posten können gestützt auf

Art. 958c Abs. 1 Ziff. 4 OR vernachlässigt werden.

Unabhängig von der Klassifizierung von Aufwänden und Erträgen als ausserordentlich stellt

sich für das bilanzierende Unternehmen die Frage, welche (zusätzlichen) Erläuterungen zu

einzelnen Posten der Jahresrechnung dem Abschlussadressaten nützlich sein können, um die

finanziellen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf das Unternehmen zu verstehen (Art.

959c Abs. 1 Ziff. 2 OR). Wesentliche Einflüsse von COVID-19 sind zu erläutern, unabhängig

davon, ob diese als ordentlich oder ausserordentlich ausgewiesen werden.

Beispiele:

Als ausserordentlich können beispielsweise folgende Sachverhalte angesehen werden:

• eine erhebliche Konventionalstrafe, die entstanden ist, weil eine Unternehmung aufgrund

staatlich verfügter Massnahmen ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkommen konnte

• eine erhebliche Wertberichtigung auf Warenlager von non-food Retailern (z.B. Kleider einer Frühjahrskollektion), die COVID-19 bedingt ihre Geschäfte nicht öffnen durften

• die Auswirkungen von erheblichen Mietreduktionen (sei es als Vermieter und ggf. als Mieter), die aufgrund von behördlichen oder gesetzlichen Vorgaben entstanden sind

In der Regel nicht als ausserordentlich gelten beispielsweise folgende Sachverhalte:

• Wertbeeinträchtigungen auf Sachanlagen oder immateriellen Werten, weil die Werthaltigkeit primär von der langfristigen Ertragskraft abhängt, sofern davon ausgegangen wird,

dass die COVID-19 Situation sich nicht wesentlich auf den Terminal Value niederschlägt

• Personalkosten (z.B. freiwillige Lohnfortzahlung) im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit

• Debitorenverluste, die das normale Ausmass überschreiten

• Zusätzliche Mietkosten, weil aufgrund der Pandemie zusätzlicher Lagerraum gemietet

werden musste

• Abschreibungen der Sachanlagen und immateriellen Werte während des Lockdowns

P:123

121 l 132

Frage e)

Erstpublikation: 14. April 2021

Über welchen Zeitraum gelten die COVID-19 Kreditverwendungsbedingungen?

Antwort

Gemäss Art. 6 Abs. 3 COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung (Covid-19-SBüV) und Art. 1

lit. a und Art. 2 Abs. 2 Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz (Covid-19-SBüG) gelten die Kreditverwendungsbestimmungen während der Dauer der Solidarbürgschaft. Gemäss Art. 3 Abs. 3

Covid-19-SBüV gelten die Kredite bis CHF 500'000 «ohne Weiteres als von der Bürgschaftsorganisation verbürgt, wenn die kreditgebende Bank die vom Gesuchsteller oder der Gesuchstellerin unterzeichnete Kreditvereinbarung gemäss Anhang 2 erhalten hat und die Kreditvereinbarung an die von den Bürgschaftsorganisationen bezeichnete Zentralstelle versandt oder den entsprechenden Kreditbetrag dem Kunden oder der Kundin freigegeben

hat.»

Aus Art. 3 Abs. 1 Covid-19-SBüG ergibt sich sodann, dass die Bürgschaft höchstens acht

Jahre dauert

o ab der Unterzeichnung der Kreditvereinbarung für einen Kredit nach

Art. 3 Covid-19-SBüV (CHF 500'000 COVID-19 Kredit)

o ab der Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrags für einen Kredit nach

Art. 4 Covid-19-SBüV (COVID plus Kredit).

Die Einhaltung der Kreditverwendungsbedingungen sowie der entsprechenden Offenlegungen (vgl. Frage a)) gilt somit bei den Krediten bis CHF 500'000 ab der Unterzeichnung der

Kreditvereinbarung und in den anderen Fällen ab Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrags.

Die Pflichten nach Art. 6 Abs. 3 Covid-19-SBüV resp. Art. 2 Abs. 2 Covid-19-SBüG entfallen

nach Ablauf der gesetzlichen Frist von acht Jahren (vgl. oben) oder früher, sofern der Kredit

endgültig zurückbezahlt wurde.

Frage f)

Erstpublikation: 11. Mai 2021

Die Covid-19-Härtefallverordnung sieht vor, dass Härtefallmassnahmen in der Form von

rückzahlbaren Darlehen, Bürgschaften, Garantien oder nicht rückzahlbaren Beiträgen erfolgen können. Die untenstehenden Ausführungen beziehen sich nur auf die nicht rückzahlbaren Beiträge und thematisieren die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine nicht rückzahlbare COVID-19 Härtefallentschädigung (à fonds perdu) zu verbuchen und in der Erfolgsrechnung

auszuweisen ist.

P:124

122 l 132

Antwort:

Ein à fonds perdu-Beitrag kann in der Jahresrechnung erfasst werden, wenn per Bilanzstichtag die sachlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, der Mittelzufluss wahrscheinlich

ist und sich der Anspruch verlässlich schätzen lässt. Im Fall von à fonds perdu-Beiträgen

setzt dies aufgrund der bestehenden Unsicherheit voraus, dass im Zeitpunkt der Verabschiedung der Jahresrechnung die unternehmensspezifische, behördliche Gutsprache vorliegt.

Ein Zahlungseingang nach dem Bilanzstichtag alleine ist keine hinreichende Grundlage für

die Erfassung eines Anspruchs per Bilanzstichtag.

Zu den sachlichen Anspruchsvoraussetzungen zählen das Bestehen einer Rechtsgrundlage,

das materielle Erfüllen der Bedingungen gemäss der Rechtsgrundlage sowie ein sachlogischer Zusammenhang zwischen einem Ereignis im Berichtsjahr der Erfassung und der à

fonds perdu-Entschädigung.

Die Entschädigung ist als ausserordentlicher Ertrag oder als Teil des sonstigen betrieblichen

Ertrages zu erfassen und im Anhang entsprechend zu erläutern (Sachverhalt, Höhe, allfällige

Auflagen z.B. hinsichtlich zukünftiger Dividenden, solange die Auflagen bestehen – auch in

zukünftigen Jahresrechnungen).

Die kantonalen Bestimmungen können Auflagen enthalten. Deren Nichteinhaltung kann dazu

führen, dass à fonds perdu-Beiträge rückzahlungspflichtig werden. Im Falle einer solchen

Nichteinhaltung ist im Zeitpunkt des Verstosses gegen die Auflagen eine Rückzahlungsverpflichtung in der Bilanz anzusetzen.

Frage g)

Erstpublikation: 23. Februar 2022

Wie sind die Bestimmungen in Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes und Art. 8e der

Covid-19-Härtefallverordnung bezüglich Gewinnermittlung zu verstehen? Welche Rechnungslegungsentscheidungen (wie z.B. Bildung stiller Reserven) können eventuell zu einer

Gewinnbeteiligung und einer entsprechenden Rückzahlungspflicht an den zuständigen Kanton führen?

Antwort:

Gesetzliche Regelungen

Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes lautet wie folgt:

Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 5 Millionen Franken, die im Jahr der Ausrichtung eines nicht rückzahlbaren Beitrags einen steuerbaren Jahresgewinn nach den

Artikeln 58–67 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer

erzielen, leiten diesen an den zuständigen Kanton weiter; dies aber höchstens im Umfang

P:125

123 l 132

des erhaltenen Beitrags. Der Kanton leitet 95 Prozent der erhaltenen Mittel an den Bund weiter. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich die Berücksichtigung von Vorjahresverlusten und die Behandlung in der Rechnungslegung.

Covid-19-Härtefallverordnung regelt in Art. 8e (in Kraft bis 31.12.202164) was folgt:

Für die Berechnung der bedingten Gewinnbeteiligung nach Artikel 12 Absatz 1septies des Covid-19-Gesetzes vom 25. September 2020 massgeblich ist der steuerbare Jahresgewinn

2021 vor Verlustverrechnung nach den Artikeln 58–67 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer. Vom steuerbaren Jahresgewinn abziehbar ist ausschliesslich ein im Geschäftsjahr 2020 entstandener steuerlich massgeblicher Verlust.

Covid-19-Härtefallverordnung regelt in Art. 22a Abs. 2 (in Kraft bis 31.12.2021) was folgt:

Die Gewinnbeteiligung nach Artikel 8e in der Fassung der Änderung vom 31. März 2021 gilt

für Unternehmen, denen Härtefallhilfen ab dem 1. April 2021 zugesichert werden.

Meinung der Kommission für Rechnungslegung von EXPERTsuisse

Mangels spezifischer bundesrätlicher Regelungen betreffend die Behandlung in der Rechnungslegung (wie in Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes vorgesehen), gelten für die

statutarischen Abschlüsse per 31. Dezember 2021 insbesondere die nachfolgend aufgeführten Bestimmungen des Obligationenrechtes. Gewisse Kantone haben mit Bezug auf kantonale Härtefallhilfen spezifische Bestimmungen erlassen, die im Einzelfall ebenfalls zu berücksichtigen sind. Dazu sind die Auszahlungsverfügungen für die Härtefallhilfen zu prüfen.

Erläuterungen von Bundesbehörden (z.B. SECO) können für die Auslegung der Bestimmungen hilfreich sein.

Art. 958c OR

1 Für die Rechnungslegung sind insbesondere die folgenden Grundsätze massgebend:

1. Sie muss klar und verständlich sein.

2. Sie muss vollständig sein.

3. Sie muss verlässlich sein.

4. Sie muss das Wesentliche enthalten.

5. Sie muss vorsichtig sein.

6. Es sind bei der Darstellung und der Bewertung stets die gleichen Massstäbe zu verwenden.

7. Aktiven und Passiven sowie Aufwand und Ertrag dürfen nicht miteinander verrechnet

werden.

64 Art. 8e und Art. 22a Covid-19-Härtefallverordnung wurden per 1. Januar 2022 ausser Kraft gesetzt.

Aufgrund des Zeitbezugs sind diese Bestimmungen zur Berechnung der bedingten Gewinnbeteiligung

für die bis 31.12.2021 gesprochenen Härtefallhilfen weiterhin massgebend.

P:126

124 l 132

Art 960a Abs. 4 OR

4 Zu Wiederbeschaffungszwecken sowie zur Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens dürfen

zusätzliche Abschreibungen und Wertberichtigungen vorgenommen werden. Zu den gleichen Zwecken kann davon abgesehen werden, nicht mehr begründete Abschreibungen und Wertberichtigungen aufzulösen.

Art. 960e Abs. 3 und 4 OR

3 Rückstellungen dürfen zudem insbesondere gebildet werden für:

1. regelmässig anfallende Aufwendungen aus Garantieverpflichtungen;

2. Sanierungen von Sachanlagen;

3. Restrukturierungen;

4. die Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens.

4 Nicht mehr begründete Rückstellungen müssen nicht aufgelöst werden.

Für die Beurteilung des Risikos einer allfälligen Rückerstattungspflicht aus Gewinnbeteiligung kann die folgende Kaskade an Fragen hilfreich sein (eine allfällige Rückerstattungspflicht wegen missbräuchlichem Bezug oder unzulässiger Verwendung bleibt in jedem Fall

vorbehalten):

1. Wurden die Härtefallhilfen ab dem 1. April 2021 gesprochen?

Falls nicht, ist Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes nicht anwendbar.

2. Handelt es sich um ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 5 Millionen

Franken?

Falls nicht, ist Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes nicht anwendbar; allenfalls

sind kantonale Regeln zu beachten, die z.T. eine Gewinnbeteiligung auch bei Jahresumsätzen unter 5 Millionen Franken vorsehen.

3. Sind stille Reserven im handelsrechtlichen Sinne gebildet worden?

Falls nicht und falls das Unternehmen keinen steuerbaren Gewinn ausweist, dürfte,

vorbehaltlich abweichender kantonaler Regelungen, keine Rückerstattungspflicht

nach Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes zu erwarten sein.

4. Sind stille Reserven im handelsrechtlichen Sinne gebildet worden, welche in der

steuerlichen Praxis klar akzeptiert sind (z.B. Delkredere/Warendrittel etc.)?

Falls die Bildung steuerlich nicht klar akzeptiert ist, könnte daraus eine Rückerstattungspflicht mit entsprechender Abgrenzung in der Jahresrechnung resultieren.65 Besondere kantonal zulässige Steuerabzüge (z.B. Direktabschreibungen von

Anlagegütern) sind gemäss Verlautbarungen von Bundesbehörden (z.B. SECO) für

die Ermittlung einer eventuellen Rückerstattungspflicht u.U. aufzurechnen, um einheitliche Regelungen auf Bundesstufe zu erreichen.

65

Eine Rückerstattungspflicht ist wohl erst dann gegeben, wenn der steuerbare Jahresgewinn 2021

höher ist als der ausschliesslich im Geschäftsjahr 2020 entstandene steuerlich massgebliche Verlust

(vgl. aArt. 8e Covid-19-Härtefallverordnung).

P:127

125 l 132

5. Ist die steuerlich legitimierte Bildung stiller Reserven im Rahmen der bisherigen

Rechnungslegungspraxis erfolgt? Falls die Bildung stiller Reserven im handelsrechtlichen Sinne in der steuerlichen Praxis akzeptiert ist und als Fortschreibung bestehender unternehmensspezifischer Rechnungslegungspraxis betrachtet werden

kann, dürfte daraus keine Rückerstattungspflicht abzuleiten sein. Falls der Umfang

der Bildung stiller Reserven oder die Ausnützung von Wahlrechten nicht als Fortschreibung der bestehenden unternehmensspezifischen Rechnungslegungspraxis

qualifiziert (z.B. erstmalige Bildung eines Warendrittels oder einer Arbeitgeberbeitragsreserve), könnte dies indes als Indiz für eine missbräuchliche Gewinnschmälerung mit Rückerstattungsfolge betrachtet werden.

Die Festsetzung von Unternehmerlohn oder Boni an Mitarbeitende können einen grossen Ermessenspielraum beinhalten. Von Drittvergleichen oder von der bisherigen Praxis abweichende Beträge könnten als missbräuchliche Gewinnschmälerung eingestuft werden.

Erhaltene Härtefallhilfen sind im Anhang der Jahresrechnung mit den damit verbundenen

Auflagen offenzulegen (z.B. bedingte Rückzahlungsverpflichtungen aus Gewinnbeteiligung

nach Art. 12 Abs. 1septies des Covid-19-Gesetzes, Verbot zum Beschluss oder Zahlung von

Dividenden oder Kapitaleinlagen).

Der Ausweis einer Eventualverbindlichkeit ist aufgrund der aktuell hohen Rechtsunsicherheit

angebracht, wenn die Gewinnermittlung durch Ermessensentscheide beeinflusst wurde, welche nicht offensichtlich unbeachtlich für die Beurteilung einer Rückerstattungspflicht der Härtefallhilfen anzusehen sind. Die abschliessende Beurteilung einer allfälligen Rückerstattungspflicht kommt den Steuer- oder Bundesbehörden oder gar Gerichten zu.

Illustratives Beispiel siehe nächste Seite

P:128

126 l 132

Nachstehend ein illustratives Beispiel einer solchen Offenlegung

(anzupassen an die konkreten Umstände im Einzelfall):

Die XY AG hat am DATUM eine Härtefallhilfe durch den Kanton XY von total CHF XY erhalten und im sonstigen Ertrag66 erfasst.

Für das Geschäftsjahr 2021, in dem die Härtefallhilfen ausgerichtet wurden, sowie für die

drei darauffolgenden Jahre oder bis zur Rückzahlung der erhaltenen Hilfen darf die Gesellschaft

• keine Dividenden oder Tantiemen beschliessen oder ausschütten

• keine Kapitaleinlagen rückerstatten

• keine Darlehen an seine Eigentümer vergeben

• die ihm gewährten Mittel nicht an eine mit ihm direkt oder indirekt verbundene Gruppengesellschaft übertragen, die ihren Sitz nicht in der Schweiz hat; zulässig ist jedoch

das Erfüllen vorbestehender ordentlicher Zins- und Amortisationszahlungspflichten

innerhalb einer Gruppenstruktur.

• [AUFLISTUNG AUF DEN EINZELFALL ANPASSEN / ERGÄNZEN]

Die Gewährung der Härtefallhilfen ist an Bedingungen geknüpft, deren Nichteinhaltung zur

teilweisen oder vollständigen Rückzahlung der gewährten Zuwendung führen kann, namentlich bei der Erzielung eines steuerbaren Jahresgewinnes im Geschäftsjahr 2021. Der Verwaltungsrat ist der Ansicht, dass diese Bedingungen eingehalten sind. Die abschliessende Beurteilung einer möglichen Rückerstattungspflicht durch die Behörden ist aktuell jedoch noch

ausstehend. Eine anderslautende abschliessende Beurteilung durch die Behörden hätte die

Erfassung einer entsprechenden Verbindlichkeit zur Folge.

66 Oder auch im ausserordentlichen Ertrag, vgl. EXPERTsuisse, Ausgewählte Fragen und Antworten

zum OR-Rechnungslegungsrecht, Frage 11 f)

P:129

12. Spezialthemen

12.1 Rechnungslegung und Prüfung bei Gesellschaften in Liquidati

Erstpublikation: 25.11.2020

A. Ausgangslage

Die X-AG hat Bilanzstichtag 31.12. Auf Antrag des Verwaltungsrates beschliesst die Gen

ernennt die Mitglieder des Verwaltungsrates zu Liquidatoren. Die Liquidatoren erstellen p

die Liquidations-Schlussbilanz erstellt und von der Generalversammlung im Januar 2021

B. Fragestellung

• Für welche Perioden ist ein Abschluss zu erstellen?

• Welche dieser Abschlüsse sind durch die Revisionsstelle zu prüfen?

C. Lösungsvarianten

C.0. Grundlagen

• Ist Liquidation innerhalb von 12 Monaten ab Bilanzstichtag beabsichtigt, sind der R

OR).

• Nicht zwingend zu prüfen sind Liquidations-Eröffnungsbilanz und Liquidations-SchlZwischenabschlüsse (vgl. HWP, Band \"Betriebswirtschaftliche Prüfungen und verw

→ Ordentliche oder eingeschränkte Revision gemäss den anwendbaren Bestimmu

→ Sofern nur Pflicht zu eingeschränkter Revision besteht, ist ggf. Opting-out möglic

67 Gemäss Art 736 Ziff. 2 OR wird die Gesellschaft aufgelöst durch einen Beschluss der Genera sene Auflösung ist im Handelsregister einzutragen (Art. 737 OR). Die Liquidation wird durch d

Beschluss der Generalversammlung anderen Personen übertragen wird (Art. 740 Abs. 1 OR)

68 Die HWP-Meinung widerspricht mit Bezug auf Eröffnungs-/Schlussbilanz einem obiter dictum

63) ist der Auffassung, dass zumindest die Schlussbilanz zu prüfen ist. Eine gesetzliche Grun

P:130

127 l 132

on

neralversammlung am 01.11.2019 die Liquidation der Gesellschaft und

per 01.11.2019 eine Liquidations-Eröffnungsbilanz. Per 30.11.2020 wird

1 genehmigt.67

echnungslegung Liquidationswerte zugrundezulegen (Art. 958a Abs. 2

ussbilanz, hingegen bei länger dauernder Liquidation die Liquidationswandte Dienstleistungen\", Teil IV Rz. 154).68

ngen (Art. 727 resp. 727a OR)

ch

alversammlung, über den eine öffentliche Urkunde zu errichten ist. Die beschlosden Verwaltungsrat besorgt, sofern sie nicht in den Statuten oder durch einen

).

in BGE 123 III 473 E. 4a). Auch Böckli (Schweizer Aktienrecht, 4.A., 2009, § 17 N

ndlage dafür besteht allerdings nicht.

P:131

• Für den Stichtag der Liquidations-Zwischenbilanzen kann entweder der Stichtag de

gewählt werden (vgl. HWP 2014, Kapitel IV.9.3).69

• Nach Böckli (Schweizer Aktienrecht, 4.A., 2009, § 17 N 60) besteht bei Liquidation

18 Monate umfassend).

69 In diesem Sinne auch Glanz (veb.ch Praxiskommentar, 2.A., 2019, S. 902 / Rn 55): „Der Eintr

Rumpfgeschäftsjahr wird und per Stichtag des Auflösungsbeschlusses eine gesonderte Jahre

dieses Datum ein neues Geschäftsjahr zu eröffnen.“

P:132

128 l 132

er Eröffnungsbilanz oder der Stichtag des bisherigen Geschäftsjahres

die Möglichkeit, ein erstes verlängertes Geschäftsjahr zu machen (max.

ritt in die Liquidationsphase bedeutet nicht, dass das laufende Geschäftsjahr zum

esrechnung zu erstellen ist. Man kann aber von einem Wahlrecht ausgehen, auf

P:133

C.1. Bilanzstichtag unverändert 31.12.

Abschluss Nr. Rechnungslegung Gesetzlich vorge

1 01.01.2019 – 31.12.2019

(Vorjahr: Bilanz 31.12.2018 sowie Erfolgsrechnung 01.01.2018 – 31.12.2018)

Ja

(Ordentlicher Jahquidations-Zwisch

2 01.01.2020 – 30.11.2020

(Vorjahr: Bilanz 31.12.2019 sowie Erfolgsrechnung 01.01.2019 – 31.12.2019)

Nein

(Liquidation vor E

Kommentare:

• Die unveränderte Beibehaltung des Geschäftsjahres dürfte primär in Situationen zu

des Liquidators übernimmt (Personalunion). Sofern hier unterschiedliche Personenwortung die Umsetzung von Lösungsvariante C.2. oder C.3.

• Sofern die Liquidationseröffnung mit dem Bilanzstichtag 31.12.2019 zusammenfallestellen und würde damit der Liquidations-Eröffnungsbilanz entsprechen.

P:134

129 l 132

eschriebene Prüfung Anmerkungen

hresabschluss resp. Lihenabschluss)

Rechnungslegung

• Aus Transparenzgründen erscheint es als sinnvoll, in der Erfolgsrechnung 2019 die folgenden Spalten zu zeigen:

- 01.01.2019 – 31.10.2019 (Fortführungswerte, Effekt Umstellung

Fortführungs- auf Liquidationswerte im a.o. Ergebnis)

- 01.11.2019 – 31.12.2019 (Liquidationswerte)

- Total

Diese Aufgliederung der Erfolgsrechnung kann auch in Form einer

Anhangsangabe erfolgen.

• Ebenfalls aus Transparenzgründen erscheint es weiter als sinnvoll,

die Liquidations-Eröffnungsbilanz als separate Spalte in der Bilanz

oder im Anhang offenzulegen.

• Die Umstellung von Fortführungs- auf Liquidationswerte ist im Anhang zu erläutern.

Prüfung

• Im Revisionsbericht kann mit einem Absatz zur Hervorhebung eines

Sachverhalts (ordentliche Revision) resp. einem Zusatz (eingeschränkte Revision) auf die Änderung der Wertbasis hingewiesen

werden. Ob ein solcher Absatz aufgenommen wird, liegt im Ermessen des Abschlussprüfers (vgl. PS 706 Tz. 4 und 6).

Ende Geschäftsjahr)

ur Anwendung kommen, in denen der Verwaltungsrat auch die Funktion

involviert sind, empfiehlt sich aus Gründen der Abgrenzung der Verant

en würde, wäre die Bilanz per 31.12.2019 zu Liquidationswerten zu er

P:135

Optionen:

• Freiwillige Prüfung Liquidations-Eröffnungsbilanz (einschliesslich Erfolgsrechnung 0

• Freiwillige Prüfung Liquidations-Schlussbilanz (einschliesslich Erfolgsrechnung 01.

Erfolgt eine freiwillige Prüfung oder Review, richtet sich diese nach den Vorgaben der PS richtsbeispiele (ordentliche Revision) vgl. PH 10 Ziff. 2.9 resp. 2.11.

70 Der Anhang enthält den Zweck des Abschlusses, das Datum des Liquidationsbeschlusses de

für das Verständnis des Abschlusses notwendig sind. Insbesondere ist für wesentliche Positioachten für eine Immobilie, erwartete Verkaufspreise abzüglich Verwaltungs- und Vertriebskos

P:136

130 l 132

01.01.2019 – 31.10.2019 sowie Anhang70)

01.2020 – 30.11.2020 sowie Anhang)

S für die Abschlussprüfung resp. nach den Vorgaben von PS 910. Be

er Generalversammlung sowie diejenigen Angaben gemäss Art. 959c OR, welche

onen anzugeben, wie die Liquidationswerte ermittelt wurden (z.B. Bewertungsgut sten für Vorräte etc.).

P:137

C.2. Bilanzstichtag = Stichtag der Liquidations-Eröffnungsbilanz

Abschluss Nr. Rechnungslegung Gesetzlich vorge

1 01.01.2019 – 31.10.2019

(Vorjahr: Bilanz 31.12.2018 sowie Erfolgsrechnung 01.01.2018 – 31.12.2018)

Ja

(Ordentlicher Jahkürzten Geschäft

2 01.11.2019 – 31.10.2020

(Vorjahr: Vorjahrswerte nicht verpflichtend,

da infolge geänderter Wertbasis nicht vergleichbar)

Ja

(Ordentlicher Liquschluss)

3 01.11.2020 – 30.11.2020

(Vorjahr: Bilanz 31.10.2020 sowie Erfolgsrechnung 01.11.2019 – 31.10.2020)

Nein

(Liquidation vor E

Kommentar:

• Verkürzung des Geschäftsjahres auf 31.10.2019 ist durch VR zu beschliessen, ggf

Statuten wird der Generalversammlung sinnvollerweise gleichzeitig mit dem Liquida

Optionen:

• Freiwillige Prüfung Liquidations-Eröffnungsbilanz (einschliesslich Erfolgsrechnung 0

• Freiwillige Prüfung Liquidations-Schlussbilanz (einschliesslich Erfolgsrechnung 01.

Erfolgt eine freiwillige Prüfung oder Review, richtet sich diese nach den Vorgaben der PS richtsbeispiele (ordentliche Revision) vgl. PH 10 Ziff. 2.9 resp. 2.11.

P:138

131 l 132

eschriebene Prüfung Anmerkungen

hresabschluss des versjahres)

Rechnungslegung

• Effekt der Umstellung von Fortführungs- auf Liquidationswerte ist im

a.o. Ergebnis darzustellen und im Anhang zu erläutern.

• Bilanz per 31.10.2019 entspricht der Liquidations-Eröffnungsbilanz

per 01.11.2019.

Prüfung

• Im Revisionsbericht kann mit einem Absatz zur Hervorhebung eines

Sachverhalts (ordentliche Revision) resp. einem Zusatz (eingeschränkte Revision) auf die Änderung der Wertbasis hingewiesen

werden. Ob ein solcher Absatz aufgenommen wird, liegt im Ermessen des Abschlussprüfers (vgl. PS 706 Tz. 4 und 6).

uidations-Zwischenab

Prüfung

• Prüfungsbericht (ordentliche Revision) vgl. PH 10 Ziff. 2.10.

Ende Geschäftsjahr)

. ist Statutenänderung notwendig. Eine allfällig notwendige Änderung der

ationsantrag zur Genehmigung unterbreitet.

01.01.2019 – 31.10.2019 sowie Anhang)

11.2020 – 30.11.2020 sowie Anhang)

S für die Abschlussprüfung resp. nach den Vorgaben von PS 910. Be

P:139

C.3. Bilanzstichtag = Stichtag der Liquidations-Eröffnungsbilanz / anschliessend Ä

Abschluss Nr. Rechnungslegung Gesetzlich vorge

1 01.01.2019 – 31.10.2019

(Vorjahr: Bilanz 31.12.2018 sowie Erfolgsrechnung 01.01.2018 – 31.12.2018)

Ja

(Ordentlicher Jahkürzten Geschäft

2 01.11.2019 – 30.11.2020

(Vorjahr: Vorjahrswerte nicht verpflichtend,

da infolge geänderter Wertbasis nicht vergleichbar)

Nein

(Liquidation vor E

Kommentar:

• Verkürzung des Geschäftsjahres auf 31.10.2019 sowie Verlängerung des darauffolsen, ggf. sind Statutenänderungen notwendig. Allfällig notwendige Änderungen der

mit dem Liquidationsantrag zur Genehmigung unterbreitet.

Optionen:

• Freiwillige Prüfung Liquidations-Eröffnungsbilanz (einschliesslich Erfolgsrechnung 0

• Freiwillige Prüfung Liquidations-Schlussbilanz (einschliesslich Erfolgsrechnung 01.

Erfolgt eine freiwillige Prüfung oder Review, richtet sich diese nach den Vorgaben der PSrichtsbeispiele (ordentliche Revision) vgl. PH 10 Ziff. 2.9 resp. 2.11.

P:140

132 l 132

Änderung Bilanzstichtag auf 31.12.

eschriebene Prüfung Anmerkungen

hresabschluss des versjahres)

Rechnungslegung

• Effekt der Umstellung von Fortführungs- auf Liquidationswerte ist im

a.o. Ergebnis darzustellen und im Anhang zu erläutern.

• Bilanz per 31.10.2019 entspricht der Liquidations-Eröffnungsbilanz

per 01.11.2019.

Prüfung

• Im Revisionsbericht kann mit einem Absatz zur Hervorhebung eines

Sachverhalts (ordentliche Revision) resp. einem Zusatz (eingeschränkte Revision) auf die Änderung der Wertbasis hingewiesen

werden. Ob ein solcher Absatz aufgenommen wird, liegt im Ermessen des Abschlussprüfers (vgl. PS 706 Tz. 4 und 6).

Ende Geschäftsjahr)

Rechnungslegung

• Das verlängerte Geschäftsjahr dauert bis 31.12.2020. Infolge Abschluss der Liquidation wird dieser Stichtag jedoch nicht mehr erreicht.

genden Geschäftsjahres auf den 31.12.2020 sind durch VR zu beschliesr Statuten werden der Generalversammlung sinnvollerweise gleichzeitig

01.01.2019 – 31.10.2019 sowie Anhang)

11.2019 – 30.11.2020 sowie Anhang)

S für die Abschlussprüfung resp. nach den Vorgaben von PS 910. Be

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