Wussten Sie schon, dass das Bundesverfassungsgericht 2017 – 60 Jahre nach dem Verbot der KPD von 1956 – das KPD-Verbot wieder aufgehoben hat?
Wussten Sie schon, dass nicht nur das KPD-Urteil, sondern auch das Verfahren gegen die KPD selbst verfassungswidrig war?
Wussten Sie schon, dass das Bundesverfassungsgericht und die Bundesregierung eng zusammen-gearbeitet und das gesamte Verfahren miteinander abgesprochen haben?
Wenn nicht, dann müssen Sie unbedingt meinen Beitrag für die 3. Auflage des Handbuchs „Das Bundesverfassungsgericht im politischen System“ lesen. Viel Freude bei der Lektüre!
Ihr Josef Foschepoth, früher Freiburg, heute Münster
Wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen möchten, dann über: j.foschepoth@gmx.de
Die Stadt Karlsruhe ist nicht nur die Stadt vielerlei Rechts, sondern auch die Stadt vielfältiger Künste. Machmal trifft beides aufeinander wie hier auf der ART Karlsruhe 2017? In dem Jahr, in dem das Karlsruher Bundesverfassungsgericht das KPD-Urteil für verfassungswidrig erklärte und deshalb aufhob. In dem Jahr, in dem der Freiburger Historiker Josef Foschepoth in einer umfangreifen historischen Monographie nachwies, dass auch das 55 Monate dauernde Verfahren gegen die KPD verfassungswidrig war.
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Präsident Voßkuhle bei der Verkündigung der NPD-Entscheidung und der Aufhebung des KPD-Verbots
…und nun viel Spaß bei der Lektüre von…
Josef Foschepoth
Die Aufhebung des KPD-Verbots durch das Bundesverfassungsgericht[1]
1. Sechzig Jahre danach: die verfassungsrechtliche Revision des KPD-Urteils
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Am 17. Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine historische Entscheidung. In dem bislang letzten Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei ging es wieder einmal um eine rechtsextremistische Partei, dieses Mal um die NPD. Zwar wurde die NPD als verfassungswidrig eingestuft, der Antrag der Bundesländer auf ein Verbot der Partei jedoch als unbegründet zurückgewiesen. In Ihrer Begründung bezogen sich die Karlsruher Richter auf das Grundgesetz. Dort heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“[2]
Entscheidend für ein Parteiverbot sei jedoch der Nachweis des „darauf Ausgehens“,des Willens, der Fähigkeitund der „Potentialität“, die verfassungswidrigen Ziele durch aktives, planvolles und nicht zuletzt erfolgreiches Handeln in die Tat umzusetzen. Im Falle der NPD fehle es „an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt“[3]. Auf einer Pressekonferenz betonte der Vorsitzende des 2. Senats, Präsident Andreas Voßkuhle, klar und deutlich, dass ein Parteiverbot „kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot“, sondern ein „Organisationsverbot“[4] sei.
Mit der NPD-Entscheidung distanzierte sich das Karlsruher Gericht gleichsam nebenbei von einer abweichenden Entscheidung des seinerzeit 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts am 17. August 1956, mit der die KPD nicht nur für verfassungswidrig erklärt, sondern auch verboten wurde. In der wörtlich zitierten Begründung des KPD-Urteils hatten die Verfassungsrichter seinerzeit für Recht erklärt, dass eine Partei auch dann verfassungswidrig sein und präventiv verboten werden könne, „wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können“[5].
60 Jahre sollten vergehen, ehe sich die Karlsruher Verfassungsrichter bereitfanden, die Verfassungswidrigkeit des seit Jahrzehnten hoch umstrittenen KPD-Urteils zu bestätigen und zwar mit folgenden Worten: „Lässt das Handeln einer Partei dagegen noch nicht einmal auf die Möglichkeit eines Erreichens ihrer verfassungsfeindlichen Ziele schließen, bedarf es des präventiven Schutzes der Verfassung durch ein Parteiverbot nicht. An der abweichenden Definition im KPD-Urteil, nach der es einem Parteiverbot nicht entgegenstehe, wenn für die Partei nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können[6], hält der Senat nicht fest.“[7] Verfassungsrechtlich war das KPD-Verbot von 1956 somit ein präventives Verbot „verfassungswidriger Absichten“ ohne jegliche Realisierungschancen und daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, mithin verfassungswidrig, wie auch neue historische Forschungen belegen.[8] Mithin wurde die KPD 1956 allein deswegen verboten, weil die Partei bestimmte politische Inhalte „planvoll“ propagierte, wie Horst Meier schon 1987 in seiner juristischen Dissertation zum KPD-Verbot feststellte. „Handfeste, materielle Tathandlungen im Sinne der Vorbereitung eines revolutionären Umsturzes spielten dabei ausdrücklich keine Rolle.“[9]
Mit der Entscheidung vom 17. Januar 2017 reiht sich das Bundesverfassungsgericht jetzt auch als Verfassungsorgan in die Reihe der Kritiker außerhalb und innerhalb des eigenen Hauses ein. Schon bei der Verkündung des Urteils wies der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Josef Wintrich, auf die politische Dimension des Verfahrens hin. Den Vorwurf eines politischen Verfahrens wies er jedoch zurück, obwohl er durchblicken ließ, dass von außen, von wem auch immer, starker Druck auf das Gericht ausgeübt worden sei.[10] 1967 räumte Erwin Stein, Berichterstatter (BE) im Verfahren gegen die KPD, gegenüber einem führenden Kommunisten ein, das Bundesverfassungsgericht habe regelmäßige Kontakte zur Bundesregierung gehabt und ihr bis zum Schluss immer wieder angeboten, den Antrag auf ein Verbot der KPD zurückzuziehen.[11] Verfassungsrichter Herbert Scholtissek, der ebenfalls am KPD-Verfahren mitwirkte, kritisierte im selben Jahr in einer Fernsehsendung, dass der Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD „gar nicht so schlüssig begründet gewesen sei und unter heutigen Verhältnissen keinerlei Aussicht mehr auf Erfolg hätte“[12]. Auch die Verfassungsrichter Konrad Zweigert und Martin Drath äußerten sich Ende der 1960er Jahre kritisch zu dem eigenen Urteil und beklagten die fehlende Revisionsmöglichkeit derartiger Verfahren.[13]
Im Kreis der Kritiker und Kritikerinnen darf Jutta Limbach nicht fehlen. 1996 erklärte die damalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts aus Anlass des 40. Jahrestags des KPD-Verbots, „dass sie nach heutigen rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die KPD nicht verbieten würde“[14]. Hier irrte die Präsidentin. Die rechtsstaatlichen Prinzipien für Parteiverbotsverfahren waren 1956 keine anderen als 1996 oder auch 2017. Oder wollte Jutta Limbach mit ihrer Einlassung sagen, dass bei Beachtung aller „rechtsstaatlichen Gesichtspunkte“ die KPD schon damals nicht hätte verboten werden dürfen? Wie dem auch sei, die Kritik von höchster Stelle machte erneut das rechtsstaatliche Unbehagen deutlich, das auch Juristen und Juristinnen mit größer werdendem Abstand beim KPD-Verbot von 1956 empfanden. Es sollten weitere 20 Jahre vergehen, ehe die Frage der Rechtsstaatlichkeit der höchstrichterlichen Entscheidung von 1956 zum Gegenstand verfassungsrechtlicher Rechtsprechung und zeitgeschichtlicher Forschung wurde. So wurde 2017 zum Jahr der verfassungsrechtlichen und historischen Neubewertung des KPD-Prozesses, des KPD-Verbots und seiner politischen Folgen.
2. Sechzig Jahre danach: die erste historisch-kritische Analyse des KPD-Verfahrens.
Grundlage für die neuen historischen Erkenntnisse ist die Entdeckung tausender bislang unter Verschluss gehaltener Akten und Dokumente, nach denen in allen relevanten Archiven geforscht wurde, in den National Archives in Washington und London ebenso wie an den verschiedenen Standorten des Bundesarchivs in Koblenz, Berlin und Hangelar bei Bonn. Zugang wurde gewährt zu den zahlreichen Verschlusssachen in den Bundesministerien des Innern und der Justiz, des Auswärtigen Amts, des Bundeskanzleramts und des Bundesverfassungsgerichts einschließlich der Staatsarchive der Länder (NRW, Bayern, BW, Hessen) und der Parteiarchive von CDU, CSU, SPD und FDP sowie zu den Nachlässen einzelner Politiker. Zudem konnten im Bundesarchiv Berlin erstmals sämtliche Bestände von SED und KPD eingesehen und ausgewertet werden.
Als sich in den Archiven, insbesondere im Bundesarchiv immer größer werdende Lücken auftaten, lag die Vermutung nahe, dass in den Kellern noch weitere wichtige Akten lagerten, die noch nicht deklassifiziert und freigeben worden waren. Intensive Recherchen zeigten, dass es sich dabei in der Tat um sogenannte Verschlusssachen bzw. VS-Akten handelte, die Dokumente enthielten, die „nur für den Dienstgebrauch“, „geheim“ oder „streng geheim“ gestempelt waren. Eine Schätzung, basierend auf Angaben des Bundesministeriums des Innern (15 VS-Dokumente pro Vorgang bei ca. 100 000 Vorgängen), ließ vermuten, dass allein im BMI mindestens noch 1,5 Millionen VS-Dokumente schlummerten. Diese Zahlen mit fünf der wichtigsten Ministerien multipliziert, ergaben sehr schnell eine Summe von 7,5 Millionen VS-Dokumenten, die sich um die VS-Akten der besonders sicherheitsrelevanten Institutionen wie BND, Bundesamt für Verfassungsschutz, BKA etc. um ein Vielfaches erhöhen durften. Nahm man die VS-Akten der übrigen Bundesministerien, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte noch hinzu, so wurde klar, dass es sich bei der Freigabe der VS-Akten allein auf Bundesebene um einen Fund im zweistelligen Millionenbereich handelte.
Bedenkt man, dass sich auch in Privatarchiven wie dem Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf oder den Stiftungen der Parteien noch eine Fülle staatlicher Akten befinden, die beim Ausscheiden der Politiker von Adenauer bis Kohl kurzerhand „privatisiert“ wurden, ist die Fülle der noch nicht frei zugänglichen Akten zur Geschichte der alten Bundesrepublik nicht einmal annähernd genau zu beziffern.[15] Hinzukommt, dass sich natürlich auch in den Landesarchiven für die Geschichte der Bundesrepublik relevantes Quellenmaterial befindet. Die dort gelagerten VS-Akten füllen immerhin weitere 1,3 Regal-Kilometer.[16] Da die eingangs geschätzten Zahlen im Laufe der Jahre immer wieder nach oben korrigiert werden mussten und müssen, bewegen wir uns bei der Ermittlung der Gesamtzahl der Akten, ob VS oder Nicht-VS, die noch nicht erschlossen, geschweige von der Forschung ausgewertet werden konnten, nicht mehr in einem niedrigen, sondern stetig wachsenden zweistelligen Millionenbereich. neuer Quellen für die Zeitgeschichte.[17]
Die Zeitgeschichte, insbesondere auch die juristische Zeitgeschichte, steht vor großen Herausforderungen. Die Quellen sind allesamt staatliche Akten. Sie dokumentieren staatliches Handeln. Der Staat als Gegenstand der Zeitgeschichte ist neu zu entdecken. Zu den neuen Fragestellungen gehören etwa Fragen nach dem Charakter und der Qualität dieses Staates, nach seiner Entwicklung und Bedeutung im historischen Prozess, seiner Rolle und Funktion für die Demokratisierung, Liberalisierung und Modernisierung Deutschlands.[18] Die Geschichte der Bundesrepublik wird gern als“ Erfolgsgeschichte“ [19] beschrieben. Als historische Bezugsgrößen gelten die Weimarer Republik, die NS-Diktatur und die SED-Diktatur. Dabei können wir nicht stehen bleiben, wie neue Forschungen zeigen. War der KPD-Prozess etwa eine Erfolgsgeschichte? Nach über 70 Jahren Bundesrepublik ist es an der Zeit, einen neuen Bezugspunkt zu wählen und den Erfolg der Bundesrepublik an dem eigentlich Neuen, den Normen und Werten des Grundgesetzes und des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats durch quellengestützte Forschungen zu überprüfen und zu messen. Wie verhielten sich Norm und Wirklichkeit zueinander? Am Anfang war die Verfassung, nicht der Staat. „Nicht ein Staat hat sich eine Verfassung gegeben, sondern eine verfassungsgebende Versammlung hat einen Staat ‚geschaffen‘.“[20]
Bislang haben sich weder die zeitgeschichtliche Forschung noch die juristische Zeitgeschichte für den KPD-Prozess, das KPD-Verbot, den Antikommunismus, dessen historische Ursachen und juristische Folgen interessiert. Den bisherigen Konsens von Wissenschaft und Öffentlichkeit hat Heinrich August Winkler gleich für beide Verfahren gegen KPD und SRP und in einem kurzen Satz zusammenfasst: „Das sorgfältig begründete Urteil war verfassungsrechtlich ebenso unanfechtbar wie jenes, das vier Jahre zuvor, am 23. Oktober 1952, die rechtsextreme SRP getroffen hatte. Politisch freilich war die KPD für die innere Ordnung der Bundesrepublik schon seit langem keine Gefahr mehr.“[21] Die rechtsstaatliche Korrektheit beider Verfahren wird zwar immer wieder behauptet, nicht aber hinterfragt, schon gar nicht erforscht. Mit einer solchen, in sich widersprüchlichen Einschätzung des KPD-Prozesses, die keine sonderliche Beschäftigung mit dem Thema erfordert, konnten Geschichts- und Rechtswissenschaft bis jetzt gut leben. Kritiker wurden und werden gern unter „Ideologieverdacht“ („von interessierter Seite“) gestellt. Das Gericht habe, so Christian Bockemühl, „im Falle des Verbotsantrages gegen die KPD aufgrund der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Prämissen nicht anders entscheiden können. Kritik am Urteil konnte und kann deshalb – außer von interessierter Seite – kaum vorgebracht werden.“[22] Auch Edgar Wolfrum stimmt dem Inhalt dieses Zitates zu. Immerhin stellt er die Frage, „ob es die Pflicht des wehrhaften und aus den Fehlern der Vergangenheit lernenden Rechtsstaates Bundesrepublik“ gewesen sei, die KPD „zu verbieten, um den Bestand der Demokratie nicht zu gefährden?“[23] Allerdings nur, um sie im Sinne der traditionellen Sichtweise mit einem klaren Ja zu beantworten. Die staatlichen Akten und Dokumente, die ein halbes Jahrhundert unter Verschluss gehalten wurden, sprechen eine andere Sprache.[24]
Die Akten dokumentieren weitgehend ein autoritäres Staatsverständnis, stellen den Staat über die Verfassung, erklären den Staatsschutz zu einem höherwertigen Rechtsgut, das über den Grundrechten steht. Die Treuepflicht des Beamten wurde zur tragenden Säule der Staatsdemokratie der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Der Beamte wurde zum aktiven Schutz des Staates verpflichtet, auch wenn diese Pflicht einen Verstoß gegen das Grundgesetz implizierte. Wenn einer solchen Pflicht eine andere Pflicht wie die Wahrung des Postgeheimnisses entgegenstünde, hieß es in einer Vorlage für eine Konferenz der Innen- und Justizminister „überwiegt nach dem Prinzip der Güter- und Pflichtenabwägung das Staatsinteresse. Jeder Beamte hat daher das Recht und die Pflicht, Propaganda, die den Tatbestand des Hochverrats, des Landesverrats oder der Staatsgefährdung erfüllt, zur Anzeige zu bringen.“[25]
Die neue höchstrichterliche, verfassungsrechtliche Entscheidung und die neuen quellenfundierten, historischen Forschungen lassen derart schlichte Werturteile, die den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zutiefst widersprechen, nicht mehr zu. Die Norm zur Auswertung und Bewertung der bis dahin unter Verschluss gehaltenen, umfangreichen Akten zum KPD-Prozess hat der Präsident und Vorsitzende des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts, Josef Wintrich, bei Verkündung des KPD-Urteils selbst vorgegeben. Es liegt nahe, diesen Maßstab auch für die historische Beurteilung des größten, längsten und bedeutendsten Parteiverbotsverfahrens in der Bundesrepublik zu verwenden. „Das Gericht“, so Wintrich, „hat seine Entscheidung nach rein rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen; daher sind ihm politische Zweckmäßigkeitserwägungen versagt“. Das Bundesverfassungsgericht „lasse sich in seiner richterlichen Entscheidung durch keinerlei Einwirkung von außen – von wem auch immer sie kommen möge – beeinflussen. Das Bundesverfassungsgericht ist lediglich dem Gesetz unterworfen und entscheidet nur nach Gesetz und Recht.“[26] Es ist die Aufgabe des Historikers, den Präsidenten beim Wort zu nehmen und das Handeln des Bundesverfassungsgerichts in diesem Sinne zu überprüfen.
3. Die SED gesteuerte Milieu-Partei: War die KPD eine staatsgefährdende Partei?
Die Nachkriegs-KPD war vor allem eines: eine kleine, lokal und regional agierende, national eher unbedeutende und erfolglose Milieu-Partei.[27] Sie selbst fühlte sich in ihren Quartieren, den Milieus der Arbeiter, der Kumpel unter Tage, der Stahlkocher, der Metall- und Chemiearbeiter am wohlsten. Hier fassten die Genossen nach dem Ende der NS-Diktatur, gegen die sie aktiven Widerstand geleistet hatten, wieder Fuß. Kommunisten arbeiteten bei der Entnazifizierung mit. Sie waren Gewerkschafter, saßen in den Betriebsräten, übernahmen deren Vorsitz. Sie konkurrierten mit den Sozialdemokraten und stellten teilweise mehr Betriebsratsvorsitzende als die SPD. Sie wirkten in den Parlamenten und verfassungsgebenden Versammlungen als Abgeordnete, Staatssekretäre, Minister und Oberbürgermeister beim Wiederaufbau Westdeutschlands aktiv mit.[28]
Nach anfänglichen politischen Erfolgen in der unmittelbaren Nachkriegszeit gingen die Mitgliederzahlen und damit auch die Mitgliedsbeiträge seit 1948 dramatisch zurück. Die KPD steuerte auf eine schwere Krise zu, die die SED nutzte, um die KPD an die kurze Leine zu legen. Neben der SED sollte es keine zweite kommunistische Partei in Deutschland geben. Eine Parteisäuberung folgte der anderen, hüben wie drüben. Der Niedergang der KPD aufgrund der direkten Steuerung durch die SED zeichnete sich bereits bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 ab. Gemessen an ihren hohen Erwartungen erzielte die KPD mit 5,7 Prozent der Wählerstimmen, ein katastrophales Ergebnis.[29]
Die Teilung Deutschlands wurde der KPD zum Verhängnis. Was wollte, was sollte, was durfte sie sein: Westpartei oder Ostpartei? In der Partei selbst machten sich Misstrauen, Verweigerung und Aversion gegenüber der Parteiführung der SED in Ost-Berlin breit. Die KPD hatte keine andere Wahl. Seit Gründung der beiden deutschen Staaten im Herbst 1949 stand die Westpartei regelmäßig auf der Tagesordnung des Politbüros der SED in Ost-Berlin. Von ihr wurde sie gesteuert: politisch, ideologisch, finanziell. Wegen ihrer immer größer werdenden Abhängigkeit von der SED wurde die KPD politisch immer schwächer.[30]
Mit der Kampagne zur Propagierung des „Programms der nationalen Wiedervereinigung“[31] erreichte die Politik der Radikalisierung der KPD durch die SED Ende 1952 ihren Höhepunkt. Das „Nationale Programm“ hatte Walter Ulbricht persönlich der KPD in die Feder diktiert. Es war ein Kampfprogramm des Politbüros der SED gegen die Westpolitik der Bundesregierung. Innerhalb von vier Wochen musste es der KPD-Vorstand als Programm zur „Mobilisierung aller patriotisch gesinnten Deutschen zum Kampf gegen die Ratifizierung des ‚General-Kriegsvertrages‘ und für die Herbeiführung eines Friedensvertrages mit Deutschland“[32] verabschieden. Ulbricht drängte aufs Tempo, um ein sich immer deutlicher abzeichnendes Machtvakuum in Moskau – aufgrund der zunehmenden „Führungsschwäche“[33] Stalins – zu nutzen, um die KPD für seine Zwecke zum Aufbau eines sozialistischen Staates in Stellung zu bringen und ein erneutes Angebot des Kreml zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu konterkarieren.[34]
Eine neue Säuberungswelle in SED und KPD machte klar, dass es nicht um die Vereinigung Deutschlands, sondern um die Sicherung der DDR ging. Die antifaschistisch-demokratische Phase sollte beendet, der Aufbau des Sozialismus rasch begonnen und zügig vollzogen werden. Damit dieser Prozess weder von innen noch von außen gestört oder gefährdet würde, sollten alle „antinationalen“ Kräfte, die dieses Projekt bedrohten, im Westen wie im Osten mit härtesten Mitteln bekämpft werden. Das „Adenauer-Regime“ verfolge und schütze die Interessen des westlichen Kapitals, nehme die Befehle der amerikanischen Imperialisten entgegen und zwinge sie der deutschen Bevölkerung auf. „Das Adenauer-Regime“ sei daher ein „Regime des nationalen Verrats“, hieß es im Nationalen Programm der KPD. Es müsse daher „gestürzt und auf den Trümmern dieses Regimes ein freies, einheitliches, unabhängiges, demokratisches und friedliebendes Deutschland geschaffen werden“[35].
Der Erfolg dieser Politik blieb bekanntlich aus. Das Gegenteil trat ein. Walter Ulbricht stürzte sich selbst, das Politbüro der SED und die KPD mit seinem beschleunigten Weg zum Sozialismus in die bislang schwerste Krise, die in den Arbeiteraufstand von 1953 mündete. Der KPD liefen die Mitglieder davon, über 200 000 zwischen 1948 und 1952, der SED die eigene Bevölkerung. 1952 waren es bereits über 232 000, ein Jahr später über 400 000 Personen, die vor dem beschleunigten Aufbau des Sozialismus in der DDR davon liefen und in die Bundesrepublik wechselten.[36] Ein weiterer negativer Erfolg des Nationalen Programms war, dass es den Verfassungsrichtern als wichtigster Beleg für die Verfassungswidrigkeit der KPD diente, auch wenn die KPD aufgrund ihrer inneren Verfasstheit und äußeren Verfolgung in keinster Weise in der Lage war, der umstürzlerischen Propaganda der SED auch Taten folgen zu lassen.
Die Forderung, das „Adenauer-Regime“ zu stürzen und auf den Trümmern ein neues Deutschland zu schaffen, wurde mit Beginn der mündlichen Verhandlungen im Verfahren gegen die KPD im Dezember 1954 nicht mehr erhoben. Allerdings distanzierte sich der Vorstand der KPD erst im Frühjahr 1956 von dem Nationalen Programm, das Walter Ulbricht den Westkommunisten aufgezwungen hatte.
4. Ziel des Verbots: Mobilisierung des Bürgertums gegen den Kommunismus und für die Westintegration
Politischer Kopf und juristischer Planer der staatlichen Kommunistenverfolgung in der Bundesrepublik war Thomas Dehler, Bundesjustizminister im ersten Kabinett Adenauer. In der Weimarer Republik war er – wie Theodor Heuss und Hermann Höpker Aschoff – Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die sich 1932 in „Deutsche Staatspartei“ umbenannte und am 23. März 1933 für Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmte. Nach Eintritt in die Bundesregierung wurde Dehler zunächst ein überzeugter Anhänger der Adenauerschen Politik der Integration Westdeutschlands in den Westen. Er entstammte einem bürgerlichen Milieu. Sein politisches Ziel war es, eben dieses Milieu für den Aufbau eines westdeutschen Teilstaates zu gewinnen. Schon wenige Monate nach Übernahme seines neuen Amtes als Bundesjustizminister entpuppte Dehler sich mehr und mehr als überzeugter Nationalist und strammer Antikommunist.
In einer Rede auf dem Hamburger Parteitag der FDP griff er am 22. Januar 1950 die Französische Besatzungsmacht frontal an. Er sei überzeugt, so Dehler, dass Deutschland nicht mehr Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs trage als Frankreich. Für den Aufstieg Hitlers machte er nicht nur den Friedensvertrag von Versailles verantwortlich, sondern zuallererst die Ängstlichkeit der Franzosen während der 1930er Jahre.[37] Eine verärgerte Reaktion der Alliierten Hohen Kommission ließ nicht lange auf sich warten. Der Minister entschuldigte sich zwar, legte jedoch vier Wochen später nach. Jetzt forderte er eine Relativierung der Schuld der Deutschen an der NS-Diktatur und am Zweiten Weltkrieg. „Deutschland müsse als gleichberechtigte Nation in die europäische Gemeinschaft eingeordnet werden“, erklärte er am 19. Februar 1950 auf einer FDP-Versammlung in Berlin. „Die Schuld des deutschen Volkes dürfe in der Geschichte nicht ewig verankert werden. Auch andere Nationen hätten Fehler gemacht.“[38]
Das Projekt der Westeinbindung der Bundesrepublik sah Dehler vor allem durch den Kommunismus bedroht. Er betrachtete es als „eine geschichtliche Pflicht, die Illegalität der KPD mit allen uns zur Verfügung stehenden legalen Mitteln darzutun“[39]. Anderthalb Jahre bevor das Bundesverfassungsgericht überhaupt existierte, sah er „eine der ersten Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts“ darin, die „Verfassungsmäßigkeit der Kommunistischen Partei und aller Organisationen, die kommunistische Ziele verfolgten“[40], zu überprüfen. Seitdem wurde er nicht müde, sich immer wieder für ein Verbot der KPD stark zu machen, in Reden und Interviews, aber auch als „Strippenzieher“ innerhalb der Bundesregierung.
Thomas Dehler war einer der ersten Politiker, der bereits kurz nach Gründung der Bundesrepublik ein Verbot der KPD öffentlich forderte. Sein neues Amt als Bundesjustizminister erlaubte es ihm, systematisch die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Fünf Monate nach seiner Vereidigung erklärte er in einem Interview, „eine der ersten Aufgaben des BVerfG würde die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der KPD sein“. Parallel dazu holte er Willi Geiger – von 1941 bis 1943 Staatsanwalt beim NS-Sondergericht in Bamberg – ins Bundesjustizministerium (BMJ) nach Bonn. Zunächst erhielt er das Personal-, dann das Verfassungsreferat. Das 1. Strafrechtsänderungsgesetz ebnete den Weg für die Wiedereinführung der politischen Strafjustiz, das Bundesverfassungsgerichtsgesetzden Weg für ein Verbot verfassungswidriger Parteien, vor allem der KPD. Zur SRP nahm der Minister persönlich Kontakt auf, mit dem Ziel, sich im Kabinett gegen ein Verbot der neuen nationalen Bewegung und für ein Verbot der KPD einzusetzen, was er dann auch tat. Ziel sei es, wie Dehler der Presse gegenüber erklärte, „das Bürgertum zu mobilisieren“ gegen die Kommunisten und für die „Integration des westdeutschen Teilstaates in den Westen“[41].
4.1 Adenauer: „Die Gefahr von rechts wird überschätzt, die von links unterschätzt.“
Mit Gründung der Bundesrepublik war Bewegung in die neue Parteienlandschaft gekommen. Die Lizenzierung politischer Parteien durch die Besatzungsmächte entfiel. Insbesondere am rechten Rand tauchten immer wieder neue Gruppen, Vereine und Parteien auf. Auch wenn die meisten von ihnen schnell wieder verschwanden, errang die Sozialistische Reichspartei (SRP), die sich selbst als Nachfolgepartei der NSDAP bezeichnete, bei der Niedersachsenwahl im Frühjahr 1951 mit 11 Prozent der Stimmen 16 Mandate im Niedersächsischen Landtag. Zum Vergleich: Die KPD erhielt nur 1,8 Prozent der Stimmen und 2 Sitze im Landtag in Hannover. Die drei westlichen Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich (Dreimächte) waren alarmiert und forderten von der Bundesregierung energische Maßnahmen, zumal die CDU in Niedersachsen durchaus bereit war ein rechtes Bündnis zu schmieden, um den SPD-Ministerpräsidenten Kopf zu stürzen. Adenauer versprach gegenüber den Dreimächten, „mit aller Schärfe gegen alle Feinde der Republik vorzugehen“[42]. Die in den Augen Adenauers weit überschätzte rechte Gefahr sollte mit der weit unterschätzten linken Gefahr verknüpft werden. Angesichts der größeren Gefährlichkeit der Kommunisten dürfe man nicht bei der Bekämpfung der rechten Gefahr stehen bleiben. Offen räumte er ein, dass ein alleiniges Vorgehen gegen die SRP ohne ein gleichzeitiges Verbot der KPD weder in der Regierungskoalition noch in den sie tragenden Parteien durchsetzbar sei.[43]
Im Gegensatz zur Bundesregierung sahen die Dreimächte keinerlei Notwendigkeit, gleichzeitig auch gegen die KPD vorzugehen. Ihre Gelassenheit gegenüber den Kommunisten hatte im Wesentlichen vier Gründe:
1. Im Unterschied zum Nationalsozialismus war der Kommunismus eine den Deutschen zutiefst wesensfremde Ideologie. Nach Untersuchungen zweier US-Senatoren lehnten „über 95 Prozent der westdeutschen Bevölkerung den Kommunismus grundsätzlich ab“[44].
2. Die KPD war schon zu Beginn der Bundesrepublik eine politisch zu vernachlässigende Größe. Bei allen Wahlen seit 1948 hatte sie kontinuierlich an Stimmen verloren. In der Bevölkerung galt sie in „geradezu katastrophalem Ausmaß als Versager“[45].
3. Eine legale, öffentlich agierende Partei war wesentlich leichter zu kontrollieren als eine verbotene, illegal operierende Partei. Administrative, strafrechtliche oder politische Maßnahmen waren jederzeit möglich, um ungewollte politische Aktivitäten zu unterbinden oder zu ahnden.
4. Ein Verbot der KPD war weder aus Sicherheitsgründen notwendig, noch aus politischen Gründen zweckmäßig. Sollte sich die KPD doch an einer derart antikommunistisch eingestellten deutschen Gesellschaft, wie es keine zweite gab, abarbeiten und daran zugrunde gehen.
Nicht nur amerikanische Untersuchungen, sondern auch deutsche repräsentative Umfragen des Allensbacher Instituts für Demoskopie zeigten eine zunehmende positive Bewertung des Nationalsozialismus. Parallel zu den Beratungen des Grundgesetzes äußerten sich 57 Prozent der Westdeutschen dahingehend, dass der Nationalsozialismus eine gute Idee sei, die nur schlecht ausgeführt worden sei. Vor die Wahl gestellt, sich für den Nationalsozialismus oder den Kommunismus zu entscheiden, votierten im Gründungsjahr der Bundesrepublik 43 % für den Nationalsozialismus, 2 % für den Kommunismus. Der positive Rückbezug auf den Nationalsozialismus wird in den Fünfzigerjahren durch eine Reihe weiterer Umfragen immer wieder bestätigt. Auf die Frage, wann es Deutschland am besten gegangen sei, antworteten im Oktober 1951 40 Prozent der Befragten: „Zwischen 1933 und 1938 (Drittes Reich)“.[46] Im Mai 1955, zeitgleich mit dem Ende des Besatzungsregimes, waren fast die Hälfte der Westdeutschen (48 Prozent) der Meinung, dass „Hitler ohne den Krieg einer der größten Staatsmänner gewesen wäre“[47]. Mit diesen sehr positiven Werten für den Nationalsozialismus, die das Wählerpotential der extremen Rechten deutlich überstiegen, korrespondierten stets äußerst schlechte Umfrageergebnisse für die KPD. Auf die Frage „Was halten Sie von der KPD?“ antworteten im April 1950 achtzig Prozent der Bundesrepublikaner nur mit negativen Urteilen.[48]
Antikommunismus und Antisemitismus waren seit dem Kaiserreich die tragenden Säulen des deutschen Nationalismus im 20.Jahrhundert. Nachdem die Ausrottung des „jüdischen Bolschewismus“ trotz des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion nicht gelungen war, ein neuer oder alter Antisemitismus von den Dreimächten nicht mehr geduldet wurde, wurde der Antikommunismus zur alleinigen mobilisierenden Kraft des neuen deutschen Nationalismus. Er erlaubte einerseits, einen positiven Bezug zum Nationalsozialismus herzustellen und von der Wiederherstellung des deutschen Reiches in den Grenzen von 1937, von einem „Dreigeteilt niemals“ und einem „Schlesien bleibt unser“ zu träumen. Andererseits diente der deutsche Antikommunismus in seiner nationalistischen Unerfüllbarkeit auch dazu, die Bedrohungsangst der west- und osteuropäischen Länder vor dem revisionistischen Nationalismus der Westdeutschen zu relativieren. Ohne die antikommunistische Angst der Deutschen vor „den Russen“ und die Angst der Europäer vor den nationalistischen Westdeutschen wäre das Projekt der Westintegration des Weststaates nicht möglich gewesen. Es war der Antikommunismus, der dem Nationalismus der Westdeutschen nach 1945 Sinn und Begrenzung zugleich geben sollte und gab.
4.2 „Rücksicht auf die nationalen Kreise“: kein Verbot der SRP ohne Verbot der KPD
Während der Kommunismus seit Beginn der Bundesrepublik immer weiter steigende Ablehnungsquoten erzielte, erfreute sich der Nationalsozialismus ungebrochen hoher, teils wachsender Zustimmung. Sowohl die Amerikaner als auch die Briten führten bis zum Ende der Besatzungszeit 1955 kontinuierlich eigene Umfragen zu Art und Ausmaß des Nationalismus und Neonazismus in der Bundesrepublik durch, sehr zum Ärger von Bundeskanzler Adenauer. Nach britischen Umfragen stieg die Zahl derjenigen, die den Nationalsozialismus für eine gute Idee hielten, von 34 Prozent (1951) auf 44 Prozent (1953) an. In Hintergrundgesprächen mit ausgewählten Journalisten[49] und einer Kanzler-Erklärung im Deutschen Bundestag[50] suchte Adenauer die politische Bedeutung dieser Umfrage herunterzuspielen: „Es besteht keine Gefahr in der Bundesrepublik, dass der Nationalsozialismus, das Hitlertum in irgendeiner abgewandelten Form in dieser Bundesrepublik zur Macht kommt.“[51]
Unterdessen war Thomas Dehler damit beschäftigt, durch Gespräche mit Fritz Dorls, dem neuen „Reichsführer“ der Sozialistischen Reichspartei (SRP), die Nachfolgepartei der NSDAP salonfähig zu machen. Als die ehemaligen Nationalsozialisten bei der Niedersachsenwahl am 6. Mai 1952 auf Anhieb 11 Prozent der Stimmen erhielten und viertstärkste Partei wurde, forderten die Dreimächte den Bundeskanzler auf, endlich etwas gegen den wieder erstarkenden Nationalismus zu tun. Andernfalls würden sie selbst eingreifen. Die Bundesregierung und auch die sie tragenden Fraktionen waren gespalten. Ein einseitiges Vorgehen gegen die Rechtspartei kam nicht in Frage. Auch Dehler stellte sich vor die SRP und empfahl, erst die KPD zu verbieten. Das Kabinett verabschiedete einen Unvereinbarkeitsentschluss („Adenauererlass“). Auf Platz 1 stand die KPD, gefolgt von 9 weiteren kommunistischen Organisationen, auf Platz 11 folgten die SRP und zwei rechte Organisationen.[52]
Nach der Niedersachsenwahl war die Bereitschaft Dehlers, die SRP zu legalisieren, politisch nicht mehr zu realisieren. Jetzt war die eher im Verborgenen wirkende Einflussnahme auf die Vorbereitung eines Verbotsantrags der SRP angesagt. In einem persönlichen Schreiben wandte sich der Justizminister an seinen Kollegen, Bundesinnenminister Lehr.[53] Detailliert erörterte er die Chancen eines Antrags an das Bundesverfassungsgericht. Es genüge nicht, dass die Bundesregierung von der Verfassungswidrigkeit der SRP überzeugt sei, „sie muss nachweisen, dass die Partei auf die Zerstörung und Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Staates hinarbeitet“. Hier gehe es um Tatsachenbeweis und nicht etwa nur um ausfällige Beschimpfungen der Bundesregierung und ihrer Politik. Prinzipiell schätzte er die Chancen eines Verbotsantrags gegen die SRP eher skeptisch ein. Wenn sich ein Verbotsantrag gegen die SRP jedoch nicht vermeiden lasse, dann sollte die KPD zumindest gleichzeitig verboten werden, zumal sich die Verfassungswidrigkeit der KPD nach Dehlers Auffassung „erheblich leichter“ beweisen ließe als die der SRP. „Es würde deshalb eine weitere psychologische Erleichterung für das Bundesverfassungsgericht sein, wenn es das Verbot gegen die SRP wenigstens gleichzeitig mit dem Verbot der KPD aussprechen könnte.“ Deshalb sprach sich der Justizminister dafür aus, „dass mit der Klage gegen die SRP die gegen die KPD eingereicht werden sollte“[54].
Bundesinnenminister Lehr verfügte daraufhin, unverzüglich auch eine Klage gegen die KPD vorzubereiten, obwohl es dafür noch keinen Kabinettsbeschluss gab. Der Entwurf sollte binnen einer Woche, bis zum 15. August 1951 gefertigt werden, was natürlich viel zu kurzfristig angesetzt war.[55] Dehler nutzte die Zeit, um für seinen Vorschlag für ein gemeinsames Vorgehen gegen SRP und KPD zu werben, mit Erfolg. Auch im Bundeskanzleramt stieß sein Vorschlag auf uneingeschränkte Zustimmung. Hier überzeugte die Idee vor allem deshalb, weil es einige Schnittmengen zwischen dem Wählerpotential der SRP und dem der Regierungsparteien, nicht zuletzt der CDU gab. Ein einseitiges Vorgehen gegen die SRP müsste, so die Befürchtung, „ungünstige Rückwirkungen auch bei den Rechtskreisen“ haben, „die sich nicht speziell zur SRP bekennen“, hieß es in einem Vermerk eines Referatsleiters im Bundeskanzleramt. „Die Handlungsweise der Regierung würde als ein einseitig gegen national gesinnte Kreise gerichtetes Vorgehen angesehen werden.“[56]
Was der Kanzler brauchte und schließlich auch bekam, war eine Lösung für die SRP, die sowohl den Forderungen der Dreimächte nach einer wirksamen Bekämpfung des Rechtsradikalismus als auch den Vorbehalten der „nationalen Kreise“ in den eigenen Reihen gerecht wurde. Die nationalen Kreise waren nicht nur in den Fraktionen von CDU/CSU, FDP und DP gut vertreten, sondern auch in der Bundesregierung selbst. Die Verbotsfrage hatte somit eine außenpolitische und eine innenpolitische Dimension. Es stand einiges auf dem Spiel, die Abschaffung des Besatzungsregimes ebenso wie der Zusammenhalt der Koalition. Dass ein Antrag auf Verbot der SRP gestellt werden musste, daran gab es seit der Niedersachsenwahl keinen Zweifel mehr. Ein solches Verbot war nach der politischen Gemengelage innerhalb der Regierungskoalition nur möglich, wenn gleichzeitig ein Antrag auf Verbot der KPD gestellt wurde. Wieder und wieder wies Adenauer im Kabinett darauf hin, „dass die SRP außerordentlich störend bei allen Verhandlungen wirke. Es sei deshalb die Durchführung der Klage erforderlich.“[57] Prompt folgte auf eine derartige Äußerung die Forderung des rechten Lagers innerhalb der Koalition, etwa von Hans-Joachim von Merkatz (DP), „dass ein Verbot der SRP ohne gleichzeitiges Verbot der KPD nicht möglich wäre“[58].
Am 12. Oktober 1951 erhielt Bundesinnenminister Lehr vom Kabinett den Auftrag, die beiden Klagen fertigzustellen. Sobald die endgültige Fassung vorläge, sollte die Entscheidung getroffen werden.[59] Der weitere Abstimmungs- und Entscheidungsprozess verlief weitgehend komplikationslos. Die FDP-Fraktion schloss sich der von Dehler vorgegebenen Linie des gleichzeitigen Antrags auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit gegen die SRP und die KPD an. Die Deutsche Partei neigte eher zu einem alleinigen Verbot der KPD. Da dies politisch auf keinen Fall möglich war, war sie bereit, dem vorgeschlagenen Kompromiss des gleichzeitigen Verbots beider Parteien zuzustimmen. Am 29. Oktober ließ Bundeskanzler Adenauer auch in der CDU-Fraktion die Frage stellen, „ob bei der bevorstehenden Klage des Bundeskabinetts gegen die SRP beim Bundesverfassungsgericht nicht auch gleichzeitig Klage gegen die KPD auf Verfassungswidrigkeit eingereicht werden müsse“. Die Meinung der Fraktion war, wie Heinrich von Brentano, Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, dem Kanzler sagte, „man müsse gegen beide einschreiten“[60].
Außen- und deutschlandpolitisch war der Kompromiss nur möglich, wenn die Dreimächte ihre Bedenken gegen ein Verbot der KPD nicht mehr geltend machten. In einer gemeinsamen Besprechung Adenauers mit den Alliierten Hohen Kommissaren am 25. Oktober 1951 kamen die neuralgischen Punkte noch einmal zur Sprache. Im Kabinett sei man der Ansicht gewesen, so der Bundeskanzler, „dass man nicht gegen die SRP vorgehen könne, ohne gleichzeitig gegen die KPD vorzugehen. Das Ganze ist eine hochpolitische Angelegenheit. Daher sind Fühlungnahmen mit den Parteien im Gange. Die SPD wird wahrscheinlich dagegen sein. Meine Auffassung: die Regierung trägt die Verantwortung und kann keine Rücksicht auf die Parteien nehmen.“[61]
Die Protokollnotizen über die Besprechung vermerken nicht, ob und wenn ja, wie die Hohen Kommissare auf die Antworten des Kanzlers reagierten. Die Vertreter der Westmächte dürften froh gewesen sein, dass ihr Anliegen von der Bundesregierung endlich ernstgenommen und etwas zur Bekämpfung des erstarkten Rechtsradikalismus getan wurde. Wenn dazu ein gleichzeitiges Verbot der KPD notwendig war, dann sollten das die Westdeutschen halt tun. Jedenfalls behandelten die Dreimächte die KPD-Frage künftig als eine Art innere Angelegenheit der Bonner Regierung und mischten sich weiterhin in der KPD-Frage nicht mehr ein. Der Kanzler bekam, was er wollte.
5. Die Verbotsanträge: Höpker Aschoff will die Antragstellung der Bundesregierung verhindern.
Nachdem bekannt geworden war, dass die Bundesregierung am 16. November 1951 über die Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD und der SRP entscheiden würde, äußerte der Präsident des BVerfG den Wunsch, vor der Kabinettsentscheidung noch einmal gehört zu werden. „Er habe Mitteilung zu machen, die für die Entschließungen der Bundesregierung von wesentlicher Bedeutung seien.“[62] Der Kanzler willigte ein. Neben Adenauer und Höpker Aschoff nahmen zunächst nur Bundesinnenminister Lehr und der Prozessbeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Ritter von Lex, anschließend auch alle anwesenden Bundesminister teil.[63] Das Gespräch wurde „außerhalb des Kabinetts“ geführt und dauerte 90 Minuten. Ein Protokoll durfte der besonderen Geheimhaltungsstufe wegen nicht geführt werden. Andere Aufzeichnungen konnten nicht ermittelt werden, bis auf eine Ausnahme. So findet sich Im Nachlass Seebohm[64] eine kurze, jedoch aufschlussreiche Notiz: „Besprechung mit HöA [Höpker Aschoff, J.F.]: die 24 Rotrobigen in Karlsruhe haben Angst vor SRP-KP-Prozessen!!“[65]
Die Seebohm-Notiz ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen spiegelt sich in der Ausdrucksweise „die 24 Rotrobigen in Karlsruhe“ eine nicht gerade respektvolle Art, mit der nicht nur Seebohm, sondern auch das politische Bonn auf das BVerfG herabschaute. Zum andern wird mit dem Wort „Angst“ eine neue handlungsleitende, politische Kategorie eingeführt, die in der Politik damals wie heute zu wenig Beachtung findet. Angst hilft, Erlebtes zu verarbeiten oder zu verdrängen. Angst kann lähmen, aber auch aktivieren, kann Mut machen etwas zu tun, aber auch zu lassen. Im Fall des KPD-Prozesses dürfte die Angst der Richter, insbesondere des Präsidenten und Vorsitzenden des zuständigen 1. Senats, vor den politischen und persönlichen Folgen und Implikationen des höchst umstrittenen Prozesses dazu beigetragen haben, dass der Staatsprozess gegen die KPD unter der Präsidentschaft von Hermann Höpker Aschoff immer wieder verzögert, das Hauptverfahren nicht eingeleitet, geschweige denn durchgeführt wurde.
Nach der Unterbrechung wurde die Kabinettssitzung fortgesetzt. Es blieb dabei, so die Entscheidung vom 16. November 1951, dass beide Verbotsanträge gleichzeitig beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestellt werden sollten. Der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der SRP wurde am 19. November 1951, der auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD am 22. November 1951 vom Bundesminister des Innern unterzeichnet und beim Verfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.[66]
Mit dem gleichzeitigen Verbotsantrag gegen die SRP am 19. November 1951 und gegen die KPD am 22. November 1951 war der Bundesregierung ein politischer Coup gelungen, der weder gegen die eine noch gegen die andere Partei allein möglich gewesen wäre. Zu groß wären die politischen Widerstände in dem einen wie dem anderen Fall gewesen. Die angebliche Gleichbehandlung des politischen Radikalismus, die Adenauer schon in seiner ersten Regierungserklärung[67] angesprochen bzw. angedroht hatte, war zum ersten Mal umgesetzt worden. Jetzt hatte die Regierung freie Hand, die Bedrohungen von rechts und von links nach ihrem Gusto neu zu gewichten. Dies hatte den politischen Charme, dass die bürgerliche Mitte, in der sich die Masse der alten und neuen Nationalisten tummelte, wieder einmal ungeschoren davon kam. Der unerlaubte Nationalismus wurde auf die Unverbesserlichen à la Dorls, Remer und Co. eingegrenzt, die „mit lautem Getöse“ in und mit der SRP aufmarschierten, während sich für die Mehrheit der alten und neuen Nationalisten die Türen zum neuen westdeutschen Teilstaat auf allen Ebenen weit öffneten. Sie alle hatten die Zusage des Kanzlers, dass man endlich „mit der Naziriecherei Schluss machen“[68] werde. Ein Angebot nicht nur für die „Ewiggestrigen“, sondern auch für die „Rückversicherer“, die nicht zupacken, sondern abwarten wollten, in welche Richtung das politische Pendel letztlich ausschlagen würde, nach Westen oder doch nach Osten, und nicht zuletzt für alle, die als Flüchtlinge, Kriegsgefangene und Kriegsheimkehrer, ehemalige Weimarer und NS-Eliten nach neuer staatlicher und nationaler Orientierung suchten.
Indem das KPD-Verbot das SRP-Verbot erst ermöglichte und das SRP-Verbot das KPD-Verbot erzwang, um die „nationalen Kreise“ zu befrieden, dienten beide Parteiverbote gleichsam dem gleichen Zweck, den alten antisemitischen und antikommunistischen Nationalismus der Mehrheitsgesellschaft einzugrenzen und zu relativieren und dem neuen, allein auf den Antikommunismus reduzierten Nationalismus zur neuen sinnstiftenden Staatsdoktrin der Bunderepublik zum Durchbruch zu verhelfen. So wurde das KPD-Verbot zu einem entscheidenden Instrument im antikommunistisch begründeten Staatswerdungsprozess der Bundesrepublik und deren Integration in die Bündnisstrukturen des Westens.
6. Konflikte und Konfrontationen zwischen Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht
Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht war von Anfang an eine konfliktreiche Beziehung. Im Kern ging es um die Frage, ob das erstmals geschaffene höchste Gericht ein eigenständiges und unabhängiges „Verfassungsorgan“ sei, wie die Karlsruher Richter es forderten, oder ein ganz normales Gericht, eingebunden in die allgemeine Gerichtsbarkeit des jungen Staates, wie die Bundesregierung und vor allem Bundesjustizminister Dehler immer wieder betonten. Letztlich ging es um die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht ein Kontrollorgan oder ein Ausführungsorgan der Exekutive sei.
Wenn das Karlsruher Gericht aus Sicht des Bundesministers der Justiz wieder einmal versagte, konnte Dehler recht ausfallend werden. „Das Bundesverfassungsgericht“ sei, erklärte er in der sog. Gutachten-Affäre zu den Westverträgen in einem veröffentlichen Schreiben an Heidelberger Anwälte, „ in einer erschütternden Weise von dem Weg des Rechts abgewichen und hat dadurch eine ernsthafte Krise geschaffen.“[69] In einem Pressegespräch unterstützte Bundeskanzler Adenauer die Sicht seines Ministers.[70] Was diesen ermunterte, noch eins drauf zu setzen, als die Richter nicht der gewünschten Linie der Bundesregierung folgten. Der Karlsruher Beschluss sei ein „Nullum“, so Dehler, den die Bundesregierung niemals anerkennen werde. Und weiter: “Die merkwürdige Geistesverfassung der Karlsruher Richter entspreche nicht mehr den Vorstellungen des Gesetzgebers, der sie eingesetzt habe.“Der größte Mangel des Gerichts sei „nicht die parteipolitische Zusammensetzung, sondern die fehlende richterliche Qualität“[71].
Kein Wunder, dass ein derartiger Umgangston mit dem Hohen Gericht zu einem Zerwürfnis zwischen dem ersten Präsidenten und langjährigen politischen Weggefährten Hermann Höpker Aschoff und Bundesjustizminister Dehler führte. Die SPD reagierte im Bundestag auf die massive öffentliche Beschädigung des Bundesverfassungsgerichts mit Missbilligungsanträgen gegen Kanzler und Justizminister. Als diese im Bundestag am 4. März 1953 debattiert wurden, bemühte sich Dehler keineswegs, die Wogen zu glätten. Vielmehr warf er den Karlsruher Richtern vor, eine „Überregierung“ und ein „Überparlament“ schaffen und sich zum „Herrn der Verfassung“ aufschwingen zu wollen. Das Bundesverfassungsgericht solle „ein echtes Gericht und nur ein Gericht“ sein. Wenn das Gericht ein normales Gericht und kein „Verfassungsorgan“ war, liege es nahe, so der Justizminister, dass er es als Aufgabe seines Amtes betrachte, „die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sorgfältig zu überwachen“[72].
Dies war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Auf den erneuten politischen Angriff aus Bonn reagierte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts prompt. Auch er wählte die Form der politischen Rede, die am Abend des 14. März 1953 über den Rundfunk ausgestrahlt wurde. Manuskripte waren zeitgleich an ausgewählte Personen verschickt worden, unter anderem an den Bundeskanzler und den Bundesjustizminister.[73] Bestürzt zeigte sich Höpker Aschoff über die erneuten Angriffe des Bundesjustizministers, „mit dem mich eine langjährige Freundschaft verbindet“. Statt zu erklären, „dass es ihm leid tue, das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts durch seine Angriffe gefährdet zu haben“, hielt er seine Vorwürfe „in vollem Umfange“ aufrecht. Nicht um den Streit fortzusetzen, melde sich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts öffentlich zu Wort, „sondern um sich schützend vor die Unabhängigkeit der Gerichte zu stellen und zu verhindern, dass die Idee des Rechtsstaates Schaden leide“[74].
Als Dehler es nicht lassen konnte, auch im Wahlkampf 1953 das BVerfG weiter zu attackieren, wandte sich Höpker Aschoff an den Bundespräsidenten und erklärte , er und einige andere Richter würden zurücktreten, wenn Dehler nach der Wahl erneut Justizminister würde. Auch Bundespräsident Heuss war zum Äußersten bereit. Notfalls wollte er sich weigern, „die Ernennungsurkunde für Dehler zu unterzeichnen, falls die Fraktion der Liberalen und Adenauer auf dessen Ernennung beharren würden“[75]. Damit war Dehlers politisches Schicksal besiegelt. Dem zweiten Kabinett Adenauer gehörte er nicht mehr an. In Dehlers Fußstapfen trat nach der Bundestagswahl von 1953 der neue, junge und schneidige Bundesinnenminister Gerhard Schröder, der wie Dehler ein strammer Antikommunist war und den Kampf gegen den Kommunismus als eine seiner Hauptaufgaben ansah.
7. Politischer Druck und immer neue Verzögerung des KPD-Verfahrens
Die heftigen Konflikte zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht blieben nicht ohne Auswirkungen auf das Verfahren gegen die KPD. Während der erste Präsident jede Gelegenheit nutzte, das Verfahren zu verzögern, hielt der politische Druck auf das BVerfG unverändert an, endlich einen Termin für die mündliche Verhandlung anzusetzen. Dies geschah jedoch erst, nachdem Höpker Aschoff im Januar 1954 gestorben war und sein Nachfolger, Josef Wintrich, wieder die Nähe zur Bundesregierung suchte, um gemeinsam nach einer Konsens-Lösung zu suchen, am liebsten durch Rücknahme des Antrags durch die Bundesregierung. Die Bedenken, die KPD durch das Verfassungsgericht verbieten zu lassen und dadurch das Gericht in einer Weise zu politisieren, die dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichts großen Schaden zufügen könnte, teilte der Präsident mit seinem Vorgänger.
Am 7. April 1954 fuhr Präsident Wintrich zum ersten Mal in seinem neuen Amt nach Bonn, um Bundeskanzler Adenauer seinen Antrittsbesuch zu machen. Gesprächsthema war sicherlich auch, was am folgenden Tag im Kabinett besprochen wurde. Danach hielt die Bundesregierung zurzeit ein Verbot der KPD „aus politischen Gründen nicht für zweckmäßig“.[76] Als Gründe wurden genannt: die Landtagswahlen in NRW, die Verhandlungen über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in Paris und die politische Mitsprache der Kommunisten in der französischen Nationalversammlung. Der neue Kurs sollte sich bald schon wieder ändern, als am 20. Juli 1954 Otto John, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, plötzlich nach Ostberlin verschwunden war. Als auch das EVG-Projekt gescheitert war, gab es für die Bundesregierung keinen Grund mehr, ein KPD-Verbot weiter zu verzögern. So forderte Bundesinnenminister Schröder Präsident Wintrich auf, „einen Termin in dem Verfahren gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes gegen die KPD so frühzeitig anzusetzen, wie es die Geschäftslage des damit befassten Senats des Bundesverfassungsgerichts erlaubt.“[77]
So einfach war das nicht. Immerhin, je näher der Beginn der mündlichen Verhandlung rückte, desto mehr Möglichkeiten der persönlichen Begegnung gab es vor Ort. Präsident Wintrich und Ministerialrat Gecks vom Bundesinnenministerium waren zum Beispiel in derselben Pension untergebracht, was manches unkomplizierte und zufällige Gespräch ermöglichte. So sprach der Präsident den Ministerialrat darauf an, dass bei dem Prozess auf jeden Fall geprüft werden müsse, ob ein Rechtsschutzinteresse, mithin ein öffentliches Interesse an einem derartigen Prozess überhaupt bestehe. Die KPD sei doch bereits tot, und er frage sich, ob man ihr noch den Gnadenstoß versetzen soll.
Als von Lex, der auch in Karlsruhe anwesend war, von dem Gespräch erfuhr, griff er gleich zum Telefonhörer und rief den Berichterstatter im KPD-Prozess, Verfassungsrichter Stein, an. Er teilte ihm mit, „dass nach Auffassung der Bundesregierung die Frage des Rechtsschutzinteresses sich in diesem Verfahren gar nicht stellen könne“. Er sei erstaunt, „wie man zu dieser Frage überhaupt kommen könne“. Im Grundgesetz sei die Frage schon entschieden. In Artikel 21 Absatz 2 sei geregelt, dass Parteien, die in bestimmter Weise gegen die Verfassung verstießen, verfassungswidrig seien. „Daraus ergebe sich für das angerufene Gericht die Pflicht, die Konsequenz der Verfassungswidrigkeit festzustellen, wenn der Antragsteller die Unterlagen für die Verfassungswidrigkeit vorlege.“[78]
Auch im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes sah der Präsident ein Problem für ein mögliches Verbot der KPD, das im Prozess berücksichtigt werden müsse. Die Stalin-Note von 1952 könne möglicherweise Schwierigkeiten machen. Immerhin hatte Stalin unter der Voraussetzung einer Neutralisierung eine Wiedervereinigung Deutschlands in Aussicht gestellt. Schließlich kam Wintrich in dem Gespräch mit Gecks noch „auf die suprakonstitutionellen Bedenken zu sprechen, ob nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung Artikel 21 GG, der dem Gericht eine eigentlich zunächst der Exekutive obliegende Entscheidung auferlege, überhaupt rechtens sei“. Kein Wunder, dass auf Seiten des Bundesministeriums des Innern kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung der Eindruck entstand, „dass im Senat Kräfte am Werke sind, die um eine Entscheidung unter allen Umständen herumkommen wollen“[79].
Trotz aller Differenzen stimmten Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht in einem überein: Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit dem BVerfG konnte die Bundesregierung auch weiterhin Druck und Einfluss auf das KPD-Verfahren ausüben. Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung konnte das Gericht hoffen, in ihrem Sinne auf Bundesregierung und Bundeskanzler einwirken und das Knowhow und die Ressourcen des Staates nutzen zu können. So entstand die Idee, ausgerechnet das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Ritter von Lex, BMI- Staatssekretär und Leiter der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung im KPD-Prozess unterstellt war, zum Hilfsorgan des Bundesverfassungsgerichts zu bestellen. Zwischen den staatlichen Gewalten gab es keine Barrieren. Selbst streng geheime Papiere erhielt der Verfassungsschutz von Berichterstatter Stein. „Lediglich ein Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Hilfsorgan des BVerfG hat eine Abschrift des Protokolls als Grundlage für weitere Ermittlungen erhalten.“[80]
8. Der Staatsprozess: Verfassungswidrige Zusammenarbeit von Exekutive und Judikative[81]
Gesetzliche Grundlagefür die Gründung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) in Köln war das „Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“ vom 27. September 1950.[82] Darin wurden Bund und Länder zu enger Zusammenarbeit verpflichtet. Das Bundesamt selbst war lediglich als „Sammelstelle für Informationen“ konzipiert. Weitergehende Befugnisse wie die aktive Beschaffung von Informationen, Polizei- und Kontrollbefugnisse, Spionage, Spionageabwehr und Gegenspionage waren ausdrücklich untersagt. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wurde dem BfV erst im Jahre 1972 eingeräumt.
Nominell unterstand das Kölner Bundesamt der Bundesregierung mit dem Bundeskanzler an der Spitze, faktisch jedoch der Dienst- und Fachaufsicht des Bundesministers des Innern, auch wenn das in dem Erlass so nicht geregelt war.[83] Die eigentlichen Herren des BfV waren die Besatzungsmächte. Bis 1955 „lag die Verantwortung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in erster Linie bei den Sicherheitsdirektoren der alliierten Besatzungsmächte“[84]. Entsprechend waren alle operativen Einsätze von der Beschaffung von Informationen, über die Mitwirkung an polizeilichen Durchsuchungen und Beschlagnahmen, die Lagerung und Auswertung von der beschlagnahmten Gegenständen, die Kontaktaufnahme zu möglichen Zeugen und deren Vernehmung sowie die Erstellung von „Selbsterklärungen“ von Zeugen und deren Weitergabe an Gerichte, mithin die Wahrnehmung aller Aufgaben als „Hilfsorgan“ für das BVerfG rechtswidrig. Laut Bundesverfassungsrichter Stein konnten alle Beschränkungen des Verfassungsschutzes und der Polizei umgangen werden. Rechtliche Grundlage sei § 35 BVerfGG, „sodass die Bestimmungen des Grundgesetzes über den Behördenaufbau und alle landesgesetzlichen diesbezüglichen Bestimmungen hier nicht zur Anwendung kommen“[85].
8.1 § 35 BVerfGG: Erweiterte Kompetenzen des Gerichts und die „ziemlich freie Hand der Exekutive“
Am 28. Januar 1952 fand in Bonn auf Initiative und Einladung des Bundesinnenministers eine erste Besprechung in den Räumen des BMI statt. Gegenstand waren die von der Bundesregierung beantragten bundesweiten Durchsuchungen von SRP- und KPD-Räumen. Ziel war es, das insbesondere für ein Verbot der KPD noch nicht ausreichende Beweismaterial durch eine gemeinsame Aktion von Verfassungsschutz und Polizei zu vervollständigen. Zu den Teilnehmern der Konferenz gehörten die Berichterstatter der Verbotsverfahren gegen SRP und KPD, Bundesverfassungsrichter Scholtissek und Stein, der Bundesinnenminister und sein Staatssekretär Ritter von Lex, Leiter der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung, Vertreter der Länderinnenminister und die Polizeireferenten der Länder Auch der Chef des BfV John war anwesend.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand zunächst § 35 BVerfGG, ein Paragraph, den Willi Geiger unter der Ägide von Thomas Dehler in das Gesetz geschrieben hat. Er lautet: „Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.“[86] Bundesverfassungsrichter Stein erklärte den zum Teil sehr erstaunten Teilnehmern, dass für diese Aktion nicht die StPO gelte wie vom BVerfGG gefordert, sondern § 35 BVerfGG – ein Ermächtigungsparagraph[87], der es den Richtern erlaube, sich über Bestimmungen der StPO hinwegzusetzen. § 35 gebe dem Gericht, so Stein, ziemlich freie Hand. Daher sei es nicht nötig, die Beschlüsse des Gerichts den Betroffenen zur Kenntnis zu geben, die Mitteilungen der Polizeiexekutivorgane reichten aus. Die Polizei habe weiten Spielraum für ihre Aufgabe. Richter Stein ordnete an, dass sämtliche beschlagnahmten Unterlagen nicht dem Bundesverfassungsgericht, sondern dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln zu übersenden seien. Während die Prozesspartei der Bundesregierung jeder Zeit Zugang in ihrer eigenen Behörde hatte, galt das für die Vertreter der KPD nicht. Selbst Listen über die beschlagnahmten Gegenstände bekam die Partei nicht. Die Durchsuchungen der Polizei konnten auch auf Privaträume ausgedehnt werden.
Am 24. Januar 1952 griff das BVerfG die Anregung der Bundesregierung auf, die gewünschten Durchsuchungen und Beschlagnahmen auf der Grundlage von § 35 BVerfGG anzuordnen. Die Entscheidung, wonach § 35 und nicht etwa die Regelungen der StPO Grundlage für die Anordnung von Durchsuchungen sein sollten, war zwischen dem Verfassungsgericht und der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung im Bundesinnenministerium abgestimmt worden. „Da die Art der Vollstreckung und das Organ der Vollstreckung durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt werden, wird auch diese Frage noch einer Vorbesprechung mit dem Bundesverfassungsgericht bedürfen, damit in dem Verfahren später sachdienliche Anträge gestellt werden oder Anregungen gegeben werden können.“[88] So geschah es.
Das vom BVerfG verfügte Durchsuchungsverfahren[89] verlagerte auf die Exekutive, was in der Strafprozessordnung den an den Durchsuchungsorten jeweils zuständigen Richtern, Staatsanwälten und der Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft vorbehalten war. Die Verfassungsrichter delegierten ihr Anordnungsrecht auf die Innenminister der Länder. Nicht die Richter, sondern die Politiker bzw. in weiterer Delegation die Polizei und die Verfassungsschutzämter der Länder bestimmten jetzt, was durchsucht und beschlagnahmt werden sollte. Ausgestattet mit der Autorität des Bundesverfassungsgerichts, dem Auftrag, genügend Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen, und der Zusage, bei Rechtsverstößen die fehlende Legitimierung durch Richterbeschluss nachzuholen, räumten die Richter der Exekutive große Spielräume ein, ohne Gefahr zu laufen, dass diese rechtlich überprüft werden könnten. Hiervon profitierten vor allem die Polizeibehörden und die Landesämter für Verfassungsschutz, die gemeinsam [sic!] mit der Durchführung der Durchsuchungen und Beschlagnahmen beauftragt wurden. Die Exekutive erhielt ausdrücklich die Befugnis, „bei Gefahr im Verzug selbständig, vorbehaltlich der Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht, zu handeln“[90].
Durchsucht werden sollten sämtliche Räumlichkeiten des Parteivorstands in Düsseldorf und der elf Landesleitungen der KPD „nebst den dazu gehörenden Boden-, Keller- und sonstigen Nebenräumen sowie der in diesen Räumen befindlichen Gegenstände“. Hierzu konnten auch Wohnungen gehören, auch wenn sie im Beschluss nicht ausdrücklich genannt wurden. Die bei den Durchsuchungen sichergestellten Gegenstände waren „von den Polizeibehörden unverzüglich in Verwahrung zu nehmen“, jedoch nicht dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, sondern „unter Beifügung eines Berichts über die Beschlagnahme und Durchsuchung dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln zu übersenden“[91].
Der Clou der von den Karlsruher Richtern verfügten Durchsuchungen und Beschlagnahmen war, wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts auf eine anwaltliche Beschwerde antwortete, dass diese gar nicht zulässig war, „da das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen eine Beschlagnahme oder Durchsuchung nicht vorsieht“[92]. Ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht setzte den ansonsten für alle Durchsuchungen und Beschlagnahmen geltenden Rechtsschutz der Betroffenen außer Kraft. „Die Beschwerde“, so heißt es in der StPO, „ist gegen alle von den Gerichten … erlassenen Beschlüsse ….zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht“[93]. In seinem Schreiben an die Wiesbadener Anwälte reduzierte ausgerechnet der Präsident des Bundesverfassungsgerichts das grundgesetzlich garantierte Beschwerderecht auf das Recht auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde. „Soweit die mit der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme beauftragten Beamten die ihnen obliegenden Amtspflichten verletzt haben sollten, steht Ihnen das Recht der Dienstaufsichtsbeschwerde an die den Beamten vorgesetzte Dienstbehörde zu.“[94]
8.2 Die Stein-Affäre: das gefälschte „Vernehmungs-Protokoll“ des Berichterstatters
Am 24. Juni 1952, fünf Monate nach Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD, stellte Ritter von Lex, Leiter der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung, einen Antrag auf Vernehmung des Zeugen Georg Wilhelm Jost, der sich im Frühjahr 1952 nach West-Berlin abgesetzt hatte und von dort vom amerikanischen Geheimdienst in das Hauptgebäude der CIA in Frankfurt gebracht worden war. Jost war im Nationalrat der Nationalen Front der DDR zuständig für die Westarbeit der DDR. Nach ausführlichen Befragungen durch die CIA bekam das Bundesamt für Verfassungsschutz am 16. Mai 1952 ebenfalls Zutritt zu dem Überläufer, um ihn – rechtswidrig – zu verhören Da der Verfassungsschutz weder nachrichtendienstliche noch polizeiliche Vernehmungen durchführen durfte, wurde das Ergebnis nicht in einem Protokoll, sondern in einer persönlichen Erklärung festgehalten, die vom Verfassungsschutz verfasst und von Jost unterschrieben wurde. Ritter von Lex fügte diese Erklärung seinem Antrag an das Hohe Gericht als Anlage bei. So gelangte das Dokument in die Akten des Karlsruher Verfassungsrichters Erwin Stein, Berichterstatter im KPD-Prozess. Am 26. Juni 1952, zwei Tage nach Eingang des Schreibens, beschloss das Gericht, dem Antrag stattzugeben. Gleichzeitig schlossen sich die Richter der Auffassung der Prozessstelle an, wonach „Gefahr im Verzuge“ sei, da „unzulässige Einwirkungen der KPD auf den Zeugen“ zu befürchten seien. Aus diesen Gründen unterbleibe „eine Benachrichtigung der Beteiligten von dem Beweistermin“, womit natürlich nur eine Seite, die der KPD gemeint war. Bereits einen Tag später, am 27. Juni 1952, fand in Frankfurt die Vernehmung des Zeugen Jost durch den vom 1. Senat beauftragten Richter Stein statt,
Die geheime Vernehmung des Zeugen Jost verstieß in vielen Punkten gegen geltendes Recht. Für die Vernehmung von Zeugen in Parteiverbotsverfahren gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO). Im BVerfGG wurde dieser zentrale Grundsatz rechtsstaatlicher Vernehmungen sogar wörtlich wiederholt: „Die Beteiligten werden von allen Beweisterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme beiwohnen. Sie können an Zeugen und Sachverständige Fragen richten.“ [95] Das war nicht geschehen. Ferner waren von allen Untersuchungshandlungen Protokolle anzufertigen, die von den Beteiligten zu unterschreiben waren. Das von Richter Stein angefertigte Vernehmungsprotokoll war jedoch nur von ihm und der Protokollantin unterschrieben. Auch das Recht auf Akteneinsicht wurde erst auf massiven Druck der Verteidigung in der Hauptverhandlung gewährt. Die immer wieder geforderte Einsicht in die Anlage des Antrags von Ritter von Lex auf Vernehmung von Jost wurde bis zum Schluss des Verfahrens verweigert. Schließlich überzeugte die angebliche Gefahr im Verzuge für die Geheimhaltung des Verfahrens nicht, war der Zeuge Jost doch seit Monaten in dem am meisten gesicherten Ort der damaligen Bundesrepublik untergebracht, im IG-Farben-Haus in Frankfurt, Sitz der Militärverwaltung der USA und des wichtigsten Geheimdienstes, der CIA.
In den Akten des BVerfG befindet sich nur ein Exemplar der Selbsterklärung Jost und zwar in den Handakten von Verfassungsrichter Stein. Dieses Dokument wurde auf den Seiten 7 bis 13 intensiv redaktionell bearbeitet und zwar von Verfassungsrichter Stein persönlich. Ein Vergleich der bearbeiteten Selbsterklärung mit dem offiziellen Vernehmungsprotokoll zeigt, dass der korrigierte Text der Selbsterklärung zum größten Teil (10 von 12 Schreibmaschinenseiten) bausteinartig in das von Stein unterschriebene Vernehmungsprotokoll eingearbeitet worden ist. Ein Hinweis darauf, dass die Selbsterklärung Jost in das Protokoll eingewoben wurde und dieses mit ausdrücklicher Genehmigung des Vernommenen erfolgte, findet sich nicht im Protokoll. Ob das nachweislich von Richter Stein zusammengebastelte Dokument tatsächlich dem Vernommenen „vorgelesen“ und von ihm „genehmigt“ wurde, wie die Schlussformel nahelegt, muss bezweifelt werden, da keines der drei in den Prozessakten gefundenen Vernehmungsprotokolle von dem vernommenen Zeugen Jost unterschrieben wurde.
Zweieinhalb Jahre konnte die geheime Vernehmung vor der KPD geheim gehalten werden, ehe sie durch einen Zufall in den ersten Sitzungen der Hauptverhandlung ans Licht der Öffentlichkeit gebracht wurde. Die darauf gestützten Anträge auf Befangenheit des Richters Stein, vor allem wegen Nichtfreigabe des Anhangs, obwohl dieser nicht „geheim“ gestempelt war, wurden vom Gericht ohne Begründung zurückgewiesen. Warum gewährte das Gericht schließlich Einsicht in alle Dokumente der Vernehmung, mit Ausnahme der vom Verfassungsschutz angefertigten Selbsterklärung des Zeugen Jost? Erst nach Einsicht der Akten des BVerfG und der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung konnte das Geheimnis im Rahmen dieses Forschungsprojektes gelüftet werden.
Die Ablehnung des Befangenheitsantrags der KPD-Anwälte gegen Erwin Stein löste heftige Reaktionen auf Seiten der Antragsgegnerin aus. Die Ausführungen des Senatsvorsitzenden, mit denen er die Ablehnung des Antrags begründet habe, so KPD-Anwalt Böhmer, habe zweierlei deutlich gemacht: Erstens seien durch Beschluss des BVerfG „in diesem Verfahren Geheimakten geführt worden, die zumindest einer der Antragstellerin unterstellten Verwaltungsorgane zugänglich gemacht worden sind“. Die Führung von Geheimakten stelle „einen mit der Rechtsordnung unvereinbaren und insofern unerträglichen Zustand“ dar. Zweitens stelle die Tatsache, dass „die für dieses Verfahren eindeutig festgelegten Normen durch richterlich geschöpfte Rechtsgedanken ersetzt werden, eine verzweifelte Ähnlichkeit mit dem Zustand dar, der nach dem Glauben der Prozessvertreter, für die zu sprechen ich die Ehre habe, mit dem 8. Mai 1945 in deutschen Landen ein Ende erreicht zu haben schien“. Diese Feststellung zwinge die Kollegen dazu, „in diesem Verfahren, neben der Erfüllung der ihnen als Prozessvertretern der KPD auferlegten Verpflichtungen, im Interesse der Wahrung des Rechts und der Rechtsstaatlichkeit, im besonderen Maße für die Verteidigung der Gesetzlichkeit einzutreten, da nunmehr für das gesamte Verfahren keine Verfahrensnormen mehr erkennbar sind“[96].
Das waren harte Worte. Doch es kam noch schlimmer. Rechtsanwalt Böhmer forderte unter Berufung auf das BVerfGG das Gericht auf, die rechtlichen Normen zu achten und den Prozessvertretern der KPD Einsicht in sämtliche Schriftstücke zu gewähren, die bezüglich der Vernehmung des Zeugen Jost in die Akten gelangt seien. Wieder zog sich das Gericht zur Beratung zurück und beschloss, die Dokumente, die die Prozessvertretung der Bundesregierung dank der engen Zusammenarbeit mit Berichterstatter Stein schon seit über zwei Jahren in ihren Akten hatte, „den Prozessbevollmächtigten beider (!) Parteien“ zur Einsichtnahme frei zu geben. Hierzu gehörten der Antrag der Bundesregierung vom 24. Juni 1952, der Vernehmungsbeschluss des Gerichts vom 26. Juni 1952 und die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen Jost vom 27./28. Juni 1952. Damit war die Frage der Befangenheit keineswegs erledigt, auch wenn Präsident Wintrich zu Beginn des dritten Verhandlungstages am 25. November 1954 einräumte, dass etliche Schriftstücke nicht in die Prozessakten genommen worden seien. „Um jede Gefahr einer Unvollständigkeit der Prozessakten auszuschließen“, so der Vorsitzende, habe der Senat „auch die Handakten des Berichterstatters durchgesehen, die an sich nicht zu den Prozessakten gehören. Aus diesen Handakten ist alles in die Prozessakten übernommen worden, was nach Meinung des Gerichts, des Senats, richtiger dorthin gehört.“ Er schloss mit dem Satz: „Es gibt keine Prozessakten, die nicht den Bevollmächtigten beider Seiten zugänglich sind.“[97]
Nach Einsichtnahme der frei gegebenen Schriftstücke durch die Anwälte der KPD tauchte wieder die Frage auf: Warum stellte das Gericht zwar den Antrag des Prozessbevollmächtigten der Bundesregierung auf Vernehmung von Georg W. Jost vom 24. Juni 1952 zur Einsichtnahme zur Verfügung, die in diesem Schreiben erwähnte und beigefügte Anlage jedoch nicht? So beantragte Rechtsanwalt Böhmer erneut „volle Akteneinsicht, einschließlich der Geheimakten“. Der Präsident zögerte nicht lange und rief in den Gerichtssaal: „Herr Rechtsanwalt, Ihr Antrag wird vom Gericht abgelehnt.“[98] Dabei blieb es. Was war der Grund, dass sich das Gericht derart hartnäckig weigerte, die Anlage des Antrags von Ritter von Lex mit der Selbsterklärung des Zeugen Jost vom 16. Mai 1952 für die KPD-Anwälte zur Einsicht frei zu geben, selbst auf die Gefahr hin, dass dem Gericht erneut vorgeworfen würde, geltendes Recht zu missachten?
Die Anlage, die Richter Stein und mit ihm der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts der KPD nicht zur Einsichtnahme vorlegen wollten, trägt den Titel: „Erklärung über meine im Auftrage des Büros des Präsidiums des Nationalrats der Nationalen Front des Demokratischen Deutschlands und im Auftrage des Politbüros der SED im Hauptausschuss für Volksbefragung ausgeübte Tätigkeit.“[99] Das Dokument stammt vom 16. Mai 1952, das Vernehmungsprotokoll von Richter Stein vom 27./28. Juni 1952. Demnach wurde Jost zunächst vom Verfassungsschutz und erst sechs Wochen später von Bundesrichter Stein vernommen. Alle vier hier relevanten Dokumente „Antrag Ritter von Lex“, „Anlage Erklärung Jost“, „Beschluss BVerfG“, „Vernehmungsprotokoll Stein“ befinden sich in den Akten des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Prozess unter der Bezeichnung “Anlagen zum Sitzungsprotokoll“. Die zwei- bzw. dreimalige Um-Paginierung der Akten lässt erkennen, dass sich die „Anlage Erklärung Jost“ längere Zeit nicht in dieser Akte befunden hat.[100] Wegen ihrer großen historischen Bedeutung wurden alle vier Dokumente bereits veröffentlicht.[101]
Die Brisanz der beiden Dokumente liegt nicht in ihren Inhalten, sondern darin, dass Bundesverfassungsrichter Stein die vom Verfassungsschutz gefertigte Jost-Erklärung vom 16. Mai 1952[102] als Vorlage für die Abfassung seines Protokolls über die Vernehmung des Jost am 27./28. Juni 1952[103] benutzt und in einem Umfang von etwa 10 Seiten abgeschrieben hat. Wie ein Vergleich der grau hinterlegten Textbausteine des Vernehmungsprotokolls mit den ebenfalls grau hinterlegten identischen Textteilen der Faksimile-Wiedergabe der Jost-Erklärung zeigt[104], hat Stein die vom Verfassungsschutz erstellte Vorlage persönlich bearbeitet, an einigen Stellen gekürzt, zum größten Teil jedoch wortwörtlich übernommen. Der so redigierte Text ist dann bausteinartig in das von ihm verfasste Vernehmungsprotokoll eingearbeitet worden. Nimmt man aus beiden Dokumenten die einleitende Erklärung und die Angaben zur Person heraus, bleiben zwei inhaltliche Texte zur Sache im Umfang von ca. 12 Seiten (Jost-Erklärung) und ca. 20 Seiten (Jost-Vernehmung) übrig. Die aus der Jost-Erklärung in das Jost-Vernehmungsprotokoll übernommenen Textteile haben einen Umfang von etwa 10 Seiten. Die Jost-Erklärung des Verfassungsschutzes ist somit fast vollständig in das offizielle Vernehmungsprotokoll eingearbeitet worden. Das bedeutet, dass etwa 50 Prozent des Protokolls bereits geschrieben waren, ehe die Vernehmung überhaupt durchgeführt wurde.
Hinzukommt, dass das Protokoll lediglich von Richter Stein und der Urkundsbeamtin Kapferer von der Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichts unterschrieben worden ist[105], nicht jedoch – wie die StPO ausdrücklich vorsieht[106] – auch von dem vernommenen Jost. Es kann daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob das von Verfassungsrichter Stein aus zwei verschiedenen Texten zusammengebastelte Vernehmungsprotokoll dem Zeugen in Gänze vorgelesen und von ihm genehmigt worden ist, wie es die Schlussformel nahelegt: „Vorgelesen und genehmigt.“ Zweifel sind wegen der fehlenden Unterschrift angebracht. Sollte Jost jedoch tatsächlich „nach nochmaliger Belehrung beeidigt“[107] worden sein, wie die Schlussformel nahelegt, dann wäre Jost auf ein Protokoll vereidigt worden, dessen Inhalt zu 50 Prozent aus dem Hause des Bundesamtes für Verfassungsschutz stammte und daher gar nicht Gegenstand der von Stein durchgeführten Vernehmung gewesen sein konnte. Hinzukommt, dass dieses gesetzwidrig entstandene oder – sagen wir es deutlicher – höchstrichterlich gefälschte Vernehmungsprotokoll in einer vom Bundesverfassungsgericht beglaubigten Abschrift[108] im Sommer 1954 in einem Verfahren gegen die Mitglieder des Parteivorstands der KPD Oskar Neumann, Karl Dickel und Emil Bechtle vor dem BGH auch als ein „unrechtmäßig beschafftes Beweismittel“ eingeführt worden ist. Eine detaillierte Darstellung der Affäre Stein liegt bereits vor.[109]
Wäre schon damals bekannt geworden, wie eng die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung in allen Phasen des Verfahrens tatsächlich war, hätte das zweifellos das vorzeitige Ende des Staatsprozesses gegen die KPD bedeutet. Nicht nur das Hohe Gericht, sondern auch der Leiter der Prozessvertretung der Bundesregierung wäre in arge Bedrängnis geraten. Hatte von Lex doch am 26. November 1954, um den weiterhin stark unter Druck stehenden Bundesverfassungsrichter Stein zu entlasten, vor dem Gericht behauptet: „Die Prozessvertretung der Bunderegierung hat von dem Protokoll über die Vernehmung des Jost, ebenso wie die Antragsgegnerin, jetzt erst erfahren.“[110] Das war, man kann es nicht anders bezeichnen, eine Lüge, wie die Existenz der vier Abschriften des Vernehmungsprotokolls in den Akten der Prozessführenden Stelle und ein Vermerk beweisen, wonach sich drei der vier Abschriften im Ordner „Zeugenaussagen“ befinden. Ein handschriftlicher Vermerk, der mit dem Kürzel „Sts“ für Staatssekretär gezeichnet ist, bestätigt die Richtigkeit. Umso mehr wundert es und lässt einen doch erstaunen, dass Verfassungsrichter Stein offenbar keinen Moment zögerte zu erklären, was die Kollegin und die Kollegen des 1. Senats offensichtlich von ihm erwarteten: „Dr. Stein hält sich auch selbst nicht für befangen.“[111]
8.3 Gemeinsame Vorbereitung und Abstimmung des Verfahrens gegen die KPD
Eine Woche nach Festsetzung des Termins für die Eröffnung der mündlichen Verhandlung kamen am 29. September 1954 in Karlsruhe der Berichterstatter (BE) für den KPD-Prozess, BVR Stein und Oberregierungsrat Barthold (BMI), Mitglied der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung im Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zusammen, um die Hauptverhandlung im KPD-Prozess vorzubereiten. Das Ergebnis wurde in einem 16 Seiten umfassenden, „Streng Geheim“ klassifizierten Vermerk festgehalten.[112]
Besprochen wurden alle wichtigen Fragen des Verfahrens, von der technischen und organisatorischen Vorbereitung, über die Auswahl von Sachverständigen und Zeugen, die Teilnahme von Mitgliedern des KPD-Vorstands, Klärung des freien Geleits, bis zu Aufträgen des Berichterstatters Stein zur Klärung bestimmter inhaltlicher Fragen wie die Finanzierung der Partei oder prozesstaktische Fragen und Vorgehensweisen. Um eine schnelle, unkomplizierte und regelmäßige Kontaktaufnahme zwischen den Vertretern und Mitarbeitern des Gerichts und der Bundesregierung zu ermöglichen, räumte das Bundesverfassungsgericht der Prozessvertretung „als Arbeitsraum die bereits bekannten, ineinander gehenden, großen Zimmer im ersten Stockwerk nach der Karlstrasse ein“[113].
In der Frage der Sachverständigen und Zeugen plädierte Stein dafür, gleich mehrere Sachverständige hinzuzuziehen, die sich in Sachen „Weltkommunismus“ auskannten. Barthold reagierte darauf eher zurückhaltend und skeptisch, um den Prozess nicht „über das rechtlich unbedingt Notwendige hinaus auszuweiten“, zumal „in politischen Prozessen erfahrungsgemäß Sachverständigen-Gutachten Beweismittel seien, deren Wert höchst problematisch“[114] sei. Eine Reihe bekannter Personen wurde genannt, unter ihnen Richard Löwenthal, Klaus Mehnert, Boris Meissner, Ossip Kurt Flechtheim. Einige stießen von vornherein bei Barthold auf Ablehnung. Andere wie Richard Löwenthal sollten erst vom Verfassungsschutz überprüft werden, erwiesen sich dann allerdings als zuverlässige und langjährige Mitarbeiter des Inlandgeheimdienstes.
Grundsätzlich war die Bundesregierung weniger an Gutachtern als an Zeugen interessiert, vor allem an solchen, die aus der DDR gekommen waren. Als Top-Zeuge galten Georg Wilhelm Jost, führendes Mitglied des Nationalrats der Nationalen Front in der DDR, und Heinz Lippmann, Stellvertreter Erich Honeckers in der Leitung der FDJ. Lippmann werde gerade von einem Untersuchungsrichter des BGH vernommen. Die Vernehmung könne auch einiges für das laufende KPD-Verfahren erbringen. Zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Untersuchungsrichter am BGH Claus sei vereinbart worden, dass bei der Vernehmung auch darauf geachtet werde. Um die für das laufende Verfahren besonders wichtigen Punkte herauszuarbeiten, werde es in Kürze im Bundesamt für Verfassungsschutz ein Arbeitstreffen geben. An dieser Besprechung würden neben Landgerichtsrat Strickert vom Bundesverfassungsgericht, Ministerialrat Gecks und Oberregierungsrat Barthold von der Prozessvertretung der Bundesregierung teilnehmen.[115]
Hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens gegen die KPD erwartete das Gericht, dass zu Beginn Staatssekretär von Lex „ein Eröffnungs-Plädoyer allgemeiner Art über die Verfassungswidrigkeit und besondere Gefährlichkeit der KPD für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hält und die Problemkreise kurz umreißt.“ Die Einzelheiten solle anschließend Rechtsanwalt Dix von der Prozessvertretung der Bundesregierung näher ausführen. Danach werde die KPD zu Wort kommen und ihre Beweisanträge einbringen. An den folgenden Tagen werde über die einzelnen Problemkreise gesprochen. Für die Behandlung eines Problemkreises erwarte das Gericht, „dass zunächst Dr. Dix hierzu einen Vortrag hält, worauf die KPD antwortet, die Bundesregierung dann die Beweismittel einführt, z. B. vorschlägt, einen Sachverständigen zu hören. Zum Schluss fasst Dr. Dix die Stellungnahme der Bundesregierung zusammen.“[116]
Ferner erwartete das Verfassungsgericht, dass die Bundesregierung für die Eröffnung des Verfahrens einen Schriftsatz vorbereite. Dieser solle vorab mit dem Bundesverfassungsgericht abstimmt werden. Außerdem sei es erforderlich, so der weitere Auftrag, den Barthold aus Karlsruhe mitbrachte, „den Entwurf dieses Schriftsatzes, der die Gliederung des Sachvortrages der Bundesregierung, d. h. ihre Beweisführung zu enthalten haben wird, anhand des in Karlsruhe liegenden Materials anzufertigen, weil gleichzeitig geprüft werden muss, ob unsere Akten mit denen des Gerichts übereinstimmen und nur dort Rückfragen bei dem Mitarbeiter des BE [Berichterstatters, J.F.] möglich sind“[117].
Was die Erledigung von sog. „Anregungen“, genauer Aufträgen anbetraf, so hatte Richter Stein bereits 1953 bei verschiedenen geheimen Besprechungen um bestimmte Gefälligkeiten gebeten, um an Informationen über die Gesellschafter kommunistischer Betriebe heranzukommen. Ein erstes Gespräch hatte am 29. September 1953 im Bundesverfassungsgericht Karlsruhe stattgefunden. Neben Bundesverfassungsrichter Stein und Landgerichtsrat Strickert nahmen je zwei Ministerialbeamte des Bundesfinanzministeriums und des Bundesinnenministeriums sowie Günther Nollau vom Bundesamt für Verfassungsschutz teil. Ministerialrat Senftleben vom Finanzministerium berichtete über die Erledigung des Auftrags. Unter dem Vorwand von Steuerprüfungen sollten Informationen über die Gesellschafter der Hansa-Grundstücksgesellschaft mbH, der Westdruck GmbH und der Rheinisch Westfälischen Volksdruckerei beschafft werden. Die genannten Firmen seien inzwischen „steuerlich überprüft worden“. Die Prüfung habe ergeben, dass die Gesellschafter dieser Firmen „vorgeschobene Personen“ seien.[118] Der Verfassungsrichter betonte, „dass noch weitere im Dienste der KPD stehende Gesellschaften steuerlich zu prüfen seien“. Er nannte vier Druckereibetriebe in München, Stuttgart, Hamburg und Mainz. Stein bat darum, diese Prüfungen beschleunigt durchzuführen. Erneut wies Verfassungsrichter Stein darauf hin, dass die Steuerprüfung nicht Zweck, sondern Mittel zum Zweck sei. „Die steuerliche Überprüfung der im Dienste der KP stehenden Gesellschaften hält BR Stein für notwendig, um Aufschluss über die Finanzierung der KP zu gewinnen, und um bereits im Urteil dieses Vermögen einzuziehen“[119].
In der Folgezeit mussten die von Stein in Auftrag gegebenen „Steuerprüfungen“ wiederholt angemahnt werden. Der Verfassungsrichter hatte bezeichnenderweise die gewünschten Informationen nicht in einem offiziellen Schreiben an den Bundesfinanzminister, gleichsam als „Amtshilfe“ eingefordert, dafür war die Angelegenheit zu heikel, sondern auf der Beamtenebene mehrfach „angeregt“. In der geheimen Unterredung mit Oberregierungsrat Barthold, ein Jahr später am 29. September 1954, kam er erneut auf das Thema zu sprechen. Inzwischen gehe es nicht mehr darum, Voraussetzungen für eine spätere Einziehung des Vermögens der KPD zu schaffen, sondern darum, „die Gefährlichkeit des kommunistischen Vorgehens auch durch die Darstellung des finanziellen Einsatzes dieser Partei zu dokumentieren“[120].
9. „Urteilsverweigerung?“: massiver Druck der Bundesregierung auf das Bundesverfassungsgericht und erzwungene Beendigung des KPD-Verfahrens
Die Ungewissheit, ob das Verfassungsgericht letztlich so entscheiden würde, wie es die Bunderegierung von ihm erwartete, blieb bis zum Schluss bestehen. Gegen Ende des Verfahrens erhöhte die Bundesregierung noch einmal kräftig den politischen Druck. Auch jetzt überraschte die Exekutive, mit welch kreativen Methoden sie die Judikative in den Griff kriegen wollte. Im Sommer 1955, noch während des laufenden Verfahrens gegen die KPD, dessen Urteil erst ein Jahr später, am 17. August 1956, verkündet werden sollte, entschloss sich die Bundesregierung zu einem in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Schritt. Auf Anregung des Bundesinnenministeriums stellte das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen Finanzmittel für die Herausgabe und den Druck der Wortprotokolle und Beweismaterialien des KPD-Prozesses bereit. Nach Abschluss der Hauptverhandlung im Juli 1955 gab die Bundesregierung eine dreibändige Dokumentation des Verfahrens in Auftrag. Ein solches Projekt konnte nur mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts realisiert werden. Jedenfalls wurden alle Prozessunterlagen des Gerichts einer Prozesspartei, der der Bundesregierung, dreizehn Monate vor dem Ende des Verfahrens für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Der erste Band wurde bereits 1955 gedruckt, während der Prozess gegen die KPD noch lief.
Das auf drei Bände konzipierte Dokumentarwerk wurde in großer Zahl gedruckt und kostenlos unter das Volk gebracht. Auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages erhielten ein Exemplar, so Walter Menzel (SPD), Vorsitzender des Ausschusses zum Schutz der Verfassung. In einem Begleitschreiben unterstrich Staatssekretär Franz Thedieck vom gesamtdeutschen Ministerium[121] die staatspolitische Bedeutung dieses Dokumentenwerks: In ihren Schlussplädoyers vor dem Bundesverfassungsgericht habe es die Bundesregierung „mit Recht als ein historisches Ergebnis des Prozesses gegen die KPD bezeichnet, dass dem deutschen Volke zum ersten Mal an höchster Gerichtsstelle die Gefährlichkeit und die revolutionäre Zielsetzung der kommunistischen Partei vor Augen geführt worden ist. Zu gleicher Zeit wurde bei dieser Gelegenheit die KPD gezwungen, ihre Vorstellungen von der Wiedervereinigung Deutschlands offenzulegen. Dabei wurde unter Beweis gestellt, dass die Einbeziehung ganz Deutschlands in den kommunistischen Machtbereich ihr letztes und eigentliches Ziel ist.“[122]
Als neun Monate nach dem Ende der mündlichen Verhandlung im KPD-Prozess immer noch keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sicht war, erhöhte Bundesinnenminister Schröder erneut den Druck und ging an die Öffentlichkeit. Am 23. April 1956 forderte er auf einer Pressekonferenz eine baldige Entscheidung der Karlsruher Richter. Detailliert setzte er sich mit der Verhandlungstaktik der KPD auseinander. Von ihren revolutionären Zielen habe die Partei in keinster Weise Abstand genommen. Das Beweisergebnis der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe sei „unerschüttert“. Wenn das die Richter nicht einsehen und bald zu einer Entscheidung kommen würden, so der Tenor, gefährde das Bundesverfassungsgericht das Ansehen des Staates und seiner Institutionen. Wörtlich sagte Schröder, was einer öffentlichen Schelte des höchsten Gerichts gleichkam: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Autorität und die Sicherheit des Staates und das Ansehen seiner rechtsstaatlichen Institutionen eine baldige Schlussentscheidung des Bundesverfassungsgerichts verlangen.“[123]
Als Innenminister Schröder vier Wochen später immer noch keinen Termin für die Verkündung des Urteils aus Karlsruhe bekommen hatte, schrieb er einen geharnischten Brief an den Präsidenten des BVerfG. Seit Dezember 1955 habe der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung in etlichen Schriftsätzen immer wieder eine Entscheidung im Verfahren gegen die KPD angemahnt und deren „alsbaldige Ausschaltung aus dem politischen Leben“ gefordert. Seither sei nichts geschehen. Die drohende Gefahr, die von der KPD ausgehe, sei in den letzten Monaten keineswegs kleiner, sondern eher größer geworden. Mangels eines Verbots könne die KPD ihre verfassungsfeindliche Tätigkeit ungehemmt fortsetzen. Gleiches gelte auch für die zahlreichen kommunistischen „Tarnorganisationen“. Die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte müssten bei der Abwehr staatsgefährdender Handlungen erlahmen, wenn die KPD weiterhin politisch tätig sein könne. Außerdem müsse er auf die in letzter Zeit wieder stärker werdende „Hetze kommunistischer Organe“ aus der DDR hinweisen. Die fortgesetzte Verbreitung von Verleumdungen müsse „zu einer Demoralisierung des Rechts- und Verfassungsbewusstseins unseres Volkes und damit auch zu einer verhängnisvollen Schwächung der Position unseres Staates in der für unser ganzes Volk entscheidenden West-Ost Auseinandersetzung führen“. Und wer war schuld an der Malaise? Das Bundesverfassungsgericht. Die Bundesregierung hielt es daher für ihre Pflicht, „diese Zusammenhänge mit ihren für unser Volk so weittragenden Folgen dem Senat in aller Klarheit darzulegen und ihn zu bitten, über ihren Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD nunmehr alsbald zu entscheiden“[124].
Als Schröder den Bundeskanzler über sein Schreiben an Präsident Wintrich unterrichtete, war dieser spontan bereit, ebenfalls einen Brief nach Karlsruhe zu schreiben. Auch Adenauer zeigte sich sehr besorgt darüber, dass über die Verfassungswidrigkeit der KPD noch nicht entschieden sei. Der Kampf gegen „die kommunistischen Infiltrationsversuche“ sei fühlbar gehemmt. „Die zuständigen Behörden machen gegenüber linksradikalen Organisationen nur zögernd von der Befugnis Gebrauch, die ihnen der Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes[125] bietet, weil sie auf den Spruch des Bundesverfassungsgerichts warten. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden drohen in ihrer Entscheidungsfreudigkeit zu erlahmen, weil sie sich immer wieder der zu Unrecht vorgetragenen Behauptung gegenübersehen, die subversive kommunistische Tätigkeit sei nicht zu beanstanden, da sie der Auffassung einer in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz bestehenden politischen Partei entspreche.“ Schließlich wies Adenauer darauf hin, „dass die Bundesregierung aus zwingenden politischen Gründen an einer schnellen Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der KPD interessiert ist. Die Bundesregierung bittet, möglichst bald über ihren Antrag zu befinden.“[126]
Schröder dankte dem Kanzler, nicht ohne zu erwähnen, dass er dem Bundesjustizminister auch eine Abschrift seines Briefes an das Verfassungsgericht zugeleitet habe, „mit der Bitte zu erwägen, ob er, falls der Senat nicht in naher Zeit über den Antrag der Bundesregierung entscheidet, den Präsidenten nicht seinerseits darauf hinweisen sollte, dass der Senat bei weiterer Verzögerung der Urteilsfällung sich dem Verdacht der Urteilsverweigerung aussetzt“[127].
Parallel zu dem sich auch während der mündlichen Verhandlungen weiter steigernden politischen Druck der Bundesregierung auf das Karlsruher Verfassungsorgan nahm ein alter Konflikt neue Konturen an. Das Bundesverfassungsgericht hatte in den ersten vier Jahren nur wenige Freunde gefunden. Kritik gab es von allen Seiten. Eine grundlegende Reform des BVerfG schien allseits ein dringendes Desiderat. Seit dem Tod von Höpker Aschoff wurde über eine gesetzlich geregelte Strukturreform des Bundesverfassungsgerichts nachgedacht. Der desaströse Start der mündlichen Verhandlungen im Winter 1954/55 sein Übriges. Der Unmut innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die unzureichende Professionalität und geringe politische Sensibilität der Richter, wie sie gerade im Prozess gegen die KPD zutage getreten seien, nahm zu. So mokierte sich Heinrich von Brentano, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, bei Staatssekretär Globke vom Bundeskanzleramt darüber, „dass der Senat sich ernstlich mit Beweisanträgen beschäftigt, über die ein mittelmäßig begabter Amtsrichter meiner Überzeugung nach lachen würde“. Es sei höchste Zeit, „das Gesetz über das Verfassungsgericht so rasch wie möglich ganz entscheidend zu ändern“. Der von den Verfassungsrichtern vorgelegte Entwurf sei „keine geeignete Grundlage“. Eine kleine Reform reiche nicht aus. „Der Bundeskanzler tritt entschieden für eine große Reform ein.“[128]
Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Eine erneute Anhörung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts lehnte das Kabinett ab. „Man müsse leider“, so hielt das Protokoll ausdrücklich fest, „eine eventuelle Verstimmung des Bundesverfassungsgerichts in Kauf nehmen, da der Entwurf möglichst schnell von den gesetzgebenden Körperschaften behandelt werden müsse“[129]. So konnten die kleinen Bosheiten, die die Bundesregierung noch gegen die „Richter in der roten Robe“ hineingeschrieben hatten, mit Präsident Wintrich nicht mehr besprochen werden. Am 20. Juni 1956 war es dann so weit. In namentlicher Abstimmung verabschiedete der Bundestag mit der Regierungsmehrheit von 205 zu 167 Stimmen die Novelle zum BVerfGG.
In der Tat, in den verklausulierten Formulierungen, Quer- und Rückverweisen, Paragrafen und Artikeln der Gesetzesnovelle zum BVerfGG gut versteckt, war eine politisch wie rechtlich hochbrisante Regelung zum KPD-Prozess enthalten, die dessen baldiges Ende besiegeln sollte. Es war der berühmt berüchtigte, von Juristen später vielfach kritisierte Artikel 4 des Änderungsgesetzes des BVerfGG[130] In diesem Artikel wurde dem 1. Senat des BVerfG mit Wirkung zum 1. September 1956 die Zuständigkeit für den mehr als fünf Jahre dauernden KPD-Prozess entzogen, sofern das Gericht bis zum 31. August 1956 keine Entscheidung getroffen habe. „Anhängige Verfahren gehen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Lage, in der sie sich befinden, auf den nunmehr zuständigen Senat über. In der Zeit bis zum 31. August 1956 verbleiben jedoch Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung oder eine Beratung der Entscheidung stattgefunden hat, in der Zuständigkeit des bisher zuständigen Senats.“[131]
Die neue gesetzliche Bestimmung war das genaue Gegenteil von dem, was die Verfassungsrichter in ihren Entwurf eines Änderungsgesetzes zum BVerfGG am 23. Dezember 1954 hineingeschrieben hatten.[132] Dieser sah vor, dass nur die Verfahren in die Zuständigkeit des anderen Senats übergehen sollten, die sich noch in einem Frühstadium befanden, nicht jedoch die, in denen bereits „ein Termin zur mündlichen Verhandlung oder zur Beratung der Entscheidung“ stattgefunden hatte. Solche Verfahren sollten in der Zuständigkeit des entsprechenden Senats verbleiben. Auch in den ersten Entwürfen des Bundesjustizministeriums war eine solche Formulierung enthalten. Sie lautete: „Anhängige Verfahren, in denen Termin zur mündlichen Verhandlung oder zur Beratung der Entscheidung noch nicht anberaumt war, gehen mit der Beschlussfassung/dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Lage, in der sie sich befinden, auf den nunmehr zuständigen Senat über.“[133]
Das, was in Artikel 4 der Gesetzesnovelle allgemein formuliert wurde, als träfe es für etliche Verfahren zu, traf de facto allein für den KPD-Prozess zu. Es gab kein zweites Verfahren vor dem 1. Senat, das unter den in Artikel 4 genannten Voraussetzungen und Bestimmungen auf den 2. Senat hätte übergehen können. Es handelte sich somit um eine klare „Einzelfallregelung“, ein sog. „Fallgesetz“, eine „Lex KPD“, die lediglich den rechtsstaatlichen Schein eines allgemeinen Gesetzes wahrte. Gesetze, die nur einen Einzelfall regeln, widersprechen den Normen der Rechtsstaatlichkeit und sind somit verfassungswidrig. Zu offensichtlich ist die in eine gesetzliche Regelung gefasste politische Absicht der Bundesregierung, den Druck auf das Bundesverfassungsgericht in einer Weise zu erhöhen, dass das Verfassungsgericht keine andere Möglichkeit mehr hatte, als den KPD-Prozess innerhalb der von der Bundesregierung in das Änderungsgesetz hinein geschriebenen Frist bis zum 31. August 1956 zu beenden.
Die Prozessvertretung der KPD suchte das Blatt noch einmal zu wenden und beantragte in einer Verfassungsbeschwerde, das Änderungsgesetz für verfassungswidrig zu erklären und aufzuheben.[134] Die Gesetzesnovelle sei ein verfassungswidriges „Fallgesetz“, da es keine weiteren Verbotsverfahren gebe. Einem Gericht mitten in einem Verfahren die Zuständigkeit zu entziehen und ein anderes Gericht ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entscheiden zu lassen, widerspreche allen rechtsstaatlichen Prinzipien und verletze das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter.[135] Durch das Änderungsgesetz werde auch die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit der Justiz verletzt.[136] Wenn der 1. Senat länger als ein Jahr nicht in der Lage gewesen sei, einen Verkündungstermin für die Entscheidung anzusetzen, dieses aber nun nach Inkrafttreten des Gesetzes tue, so geschehe dieses unter der Einwirkung der Änderung des BVerfGG. „Das stellt eine unzulässige und grundgesetzwidrige Einwirkung außergerichtlicher Instanzen insbesondere der Bundesregierung, die überdies selbst Prozesspartei in diesem Verfahren ist, auf das Bundesverfassungsgericht dar.“ Deshalb regte die KPD die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht gegen das Änderungsgesetz an. Gleichzeitig stellte sie „den dringenden Antrag, über diese Fragen zu entscheiden, bevor irgendwelche weiteren prozessualen Handlungen des 1. Senats im Verbotsverfahren gegen die KPD ergehen, da anderenfalls jede dieser Handlungen des Senats angesichts des von ihnen ausgehenden Odiums einer unzulässigen Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit des Senats als rechtswidrig angesehen werden müsste.“[137]
So berechtigt die Einwendungen des KPD-Anwalts Kaul waren, so wenig war das Hohe Gericht bereit, den rechtlich korrekten Einwendungen zu folgen. Die Verfassungsbeschwerde wurde wie die meisten anderen Anträge, die die KPD-Anwälte im Laufe des Staatsprozesses gegen die KPD gestellt hatten, vom 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt. Das, was Hans-Peter Schwarz einmal als „Feinsteuerung“ des KPD-Prozesses durch die Bundesregierung bezeichnet hat, um politisch „unerwünschte Implikationen“[138] zu vermeiden, war nichts anderes als die fortgesetzte, die Unabhängigkeit des Gerichts und damit die Gewaltenteilung missachtende Einwirkung der Bundesregierung auf das Bundesverfassungsgericht. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Verabschiedung des Änderungsgesetzes zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, das am 21. Juli 1956 in Kraft trat. Aus politischem Druck war gesetzlicher Zwang geworden, den Prozess bis zum 31. August 1956 zu beenden und die KPD zu verbieten.
Angesichts des nunmehr bestehenden gesetzlichen Zwangs, den die Bundesregierung durch die kurzfristige Änderung von Artikel 4 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes auf das höchste deutsche Gericht ausübte, blieb den Richtern keine andere Wahl, als das Urteil im Staatsprozess gegen die KPD innerhalb der gesetzten Frist zu verkünden. Im Namen des Volkes erkannte das Hohe Gericht am 17. August 1956 für Recht: „1. Die Kommunistische Partei Deutschlands ist verfassungswidrig. 2. Die Kommunistische Partei Deutschlands wird aufgelöst. 3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen. 4. Das Vermögen der Kommunistischen Partei Deutschlands wird zugunsten der Bundesrepublik Deutschland zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen.“ Die Innenminister der Länder wurden mit der Durchführung der Entscheidung beauftragt. Dem Bundesminister des Innern wurde die Einziehung des Vermögens übertragen. Zuwiderhandlungen gegen die Entscheidung des Gerichts wurden „mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft“.[139]
So erklärte der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts, trotz besseren Wissens, die KPD fristgerecht für verfassungswidrig mit der Begründung, dass die Partei bestimmte politische Inhalte „planvoll“ propagiere. Die Kommunistische Partei wurde somit, wie eingangs schon betont, „nach ihren Zielen“, nicht etwa „nach dem Verhalten ihrer Anhänger“ und schon gar nicht dafür verboten, dass sie nachweislich „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland“ gefährdete, wie es im Grundgesetz heißt.[140] „Handfeste, materielle Tathandlungen im Sinne der Vorbereitung eines revolutionären Umsturzes spielten dabei ausdrücklich keine Rolle.“[141] So bewegte sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit seiner präventiven Gefahrenabwehr ganz im Dunstkreis des von Thomas Dehler wieder eingeführten politischen Strafrechts der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Schon 1957 kritisierte Oberbundesanwalt Max Güde in einem Vortrag vor Juristen, dass im politischen Strafrecht „eine sichere Identifikation des Strafbaren“ nicht möglich sei. Deshalb sprach er sich entschieden gegen das Präventivstrafrecht aus, das „mit dem modernen Schuldstrafrecht“ nicht vereinbar sei.[142]
Vergleicht man den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD von 1951 mit dem Urteil von 1956, fällt auf, dass die Verfassungsrichter die Wünsche der Bundesregierung zu hundert Prozent erfüllten.[143] Da handfeste Tathandlungen zwecks eines revolutionären Umsturzes nicht nachgewiesen werden konnten, kamen die Richter in der roten Robe notgedrungen zu der Erkenntnis, dass eine Partei auch dann verfassungswidrig sein und präventiv verboten werden kann, „wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können“[144]. Für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei genügte demnach die Feststellung einer verfassungswidrigen Absicht, auch wenn deren Realisierung, wenn überhaupt, in weiter Ferne lag. Um dennoch eine unmittelbare Bedrohung konstruieren zu können, lehnten die Richter eine Unterscheidung „zwischen erheblichen Nah- und unerheblichen Fernzielen“ als verfassungsrechtlich irrelevant ab. Stattdessen griffen sie das von der Bundesregierung eingebrachte Konstrukt des „Gesamtplans“ auf, der die politischen Fern- und Nahziele miteinander verbindet. Für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit genüge die Absicht, ein bestimmtes Fernziel wie die Errichtung der Diktatur des Proletariats, den Sturz des Adenauerregimes oder die Schaffung eines wiedervereinigten (kommunistischen) Deutschlands eines Tages verwirklichen zu wollen. So dienten nach Auffassung der Verfassungsrichter politische Ziele, auch wenn sie überhaupt keine Chance hatten, jemals verwirklicht zu werden, schon heute dazu, die Freiheitlich Demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen bzw. „zu zersetzen“.
Da war es wieder: das beliebte Wort aus der nationalsozialistischen Zeit. In seinem Schlussplädoyer verfiel der Leiter der Prozessführenden Stelle der Bundesregierung, Staatsekretär Ritter von Lex, vollends in den alten Jargon: Die KPD sei „trotz ihrer zahlenmäßigen Geringfügigkeit eine ernste Bedrohung für unser freiheitliches demokratisches Leben. Sie ist ein gefährlicher Infektionsherd im Körper unseres Volkes, der Giftstoffe in die Blutbahn des staatlichen und gesellschaftlichen Organismus der Bundesrepublik sendet.“[145]
Entsprechend wurde in den frühen Morgenstunden des 17. August 1956 in der gesamten Bundesrepublik die Aktion „Holzwurm“ ausgelöst, die vom Verfassungsschutz und der Polizei gemeinsam durchgeführt wurde. Für die Kriminalpolizei galt Vollalarm, für die Schutzpolizei Teilalarm. Ziel des Großeinsatzes war es, die Parteibüros der KPD, die Wohnungen der Spitzenfunktionäre und Kreissekretäre zu durchsuchen, notfalls gewaltsam zu öffnen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, zu beschlagnahmen: technische Geräte, Karteien, Namenslisten, Geschäftsbücher, Druck- und Presseerzeugnisse, Kraftfahrzeuge und natürlich alle Vermögenswerte. Parteibüros, Geschäfts- und Lagerräume, Schulungsräume oder Druckereien waren zu versiegeln. In den Grundbüchern für die KPD selbst oder auch getarnt eingetragene Grundstücke, Liegenschaften etc. waren zu erfassen. Personen sollten nur festgenommen werden, wenn dringender Verdacht auf strafbare Handlungen vorlag. Mögliche Demonstrationen, Versammlungen, Stör- und Protestaktionen jeder Art, sowie Sabotageakte sollten mit geeigneten Mitteln unterbunden werden. Die Polizei hatte – wie immer – große Handlungsspielräume und konnte alle Aktionen vor Ort „in eigener Zuständigkeit“ vollziehen. Bei Rechtsverstößen würden es die Richter in der roten Robe gemäß BVerfGG § 35 schon richten.[146]
Der Aufwand der Aktion „Holzwurm“ war groß, der Ertrag gering. „Schlag gegen KPD ging ins Leere“, titelte die Presse. „Die Polizei fand lediglich leere ausgeräumte Geschäftsstellen.“[147] Ganz so war es nicht. Immerhin häuften sich Berge von Bürosperrmüll an, der in den Polizeistationen gelagert werden musste. Was tun mit den vielen Marx-, Lenin- und Stalin-Plakaten, den zigtausenden Broschüren über die Politik der SED und der KPD, den „Umdruckmaschinen“, Filmen und Rundfunkgeräten und dem wenigen Bargeld, das noch gefunden wurde? Die Kommunisten waren, wie so oft zuvor, auch dieses Mal gut informiert und präpariert gewesen, so dass sie die Aktion ohne größeren Schaden überstanden. Dort wo Privatwohnungen durchsucht wurden, erwarteten die Polizei keine Kommunisten in Kampfanzügen mit der roten Fahne in der Hand, sondern Männer und Frauen im Schlafanzug, die ohne Widerstand zu leisten bereit waren, ihre Wohnung nach staatsfeindlichem Material durchsuchen zu lassen. Alle Berichte aus dem Lande betonten, wie ruhig und friedlich die Aktion verlief. Selbst Passanten nahmen nur vorübergehend Notiz von dem großen Polizeieinsatz. „Nur wenige Menschen stehen herum, durch einen Zufall festgehalten“, schrieb die Frankfurter Allgemein Zeitung: „Ob die Menschen wissen, dass heute eine schwere Entscheidung gefallen ist? Ob sie wissen, dass man versucht hat, sie gegen die Gegner der freiheitlichen Grundordnung zu schützen, in der sie leben? Und wenn sie es wissen, ob sie wohl der Überzeugung sind, dass dies der richtige Weg war?“[148]
Mit dem Verbot der Partei begann die zweite große Phase der Verfolgung von Kommunisten in der Bundesrepublik, die von 1957 bis 1968 dauerte. Jeder, der „die gesetzwidrige Wirksamkeit der verbotenen Partei“ förderte, machte sich jetzt der Zuwiderhandlung gegen das KPD-Verbot strafbar.[149] Darunter fielen das Verteilen kommunistischer Zeitungen, Broschüren, Flugblätter ebenso wie das Mitmachen in angeblichen oder tatsächlichen kommunistischen Vereinigungen wie zum Beispiel „Frohe Ferien für alle Kinder“[150]. Darunter fielen aber auch alle Straftatbestände der „Staatsgefährdung“[151]. Die Strafen waren in der Regel eher gering. Vielfach dauerte die Untersuchungshaft länger als die Abbüßung der eigentlichen Haftstrafe. Besonders hart waren die zahlreich ausgesprochenen Bewährungsauflagen und verhängten Nebenstrafen wie Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, Aberkennung von Entschädigungen für den Widerstand gegen die NS-Diktatur, Entzug des Reisepasses, polizeiliche Meldepflicht etc.[152]
Nicht nur die Polizei- und Justizbehörden, die politischen Sonderstrafkammern und Strafgerichte, von den Amtsgerichten bis zum Bundesgerichtshof, stöhnten unter der Masse der Ermittlungs- und Strafverfahren, sondern auch die Zivil-, Verwaltungs- und Arbeitsgerichte. Über tausend Prozesse mussten geführt werden, um halbwegs rechtsstaatlich korrekt aus den Miet-, Besitz- und Geschäftsverhältnissen herauszukommen, die von heute auf morgen endeten. Allein 800 Arbeitsgerichtsprozesse wurden geführt.[153]
Abb 1. Strafrechtlich verurteilte Kommunisten und NS-Täter von 1951 bis 1967
Quellen: Brünneck von, Politische Justiz, S. 276. BArch: B 106/101858, ergänzend hier die Zahl für 1967. Eichmüller: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen, S. 621ff. Die bei von Brünneck zitierten Zahlen des Statistischen Jahrbuchs decken sich mit denen in den Akten der Bundesregierung.[154]
Abb 2. Verurteilte Kommunisten und NS-Täter von 1951 bis 1967 insgesamt[155]
Vergleicht man die Zahlen der in den Fünfziger- und Sechzigerjahren strafrechtlich verurteilten NS-Täter mit denen der strafrechtlich verurteilten Kommunisten ergibt sich ein erstaunliches Bild: Auf 961 verurteilte NS-Täter kamen 6900 verurteilte Kommunisten. Mit andern Worten: Auf einen verurteilten NS-Täter kamen statistisch gesehen 7,18 verurteilte Kommunisten. Jeder Verurteilung eines Kommunisten gingen etwa 20 Ermittlungsverfahren voraus. Die Zahl dieser Verfahren dürfte somit bei ca.150000 gelegen haben. Die Strafen waren in der Regel eher gering. Vielfach dauerte die Untersuchungshaft länger als die Abbüßung der eigentlichen Haftstrafe. Besonders hart waren die zahlreich ausgesprochenen Bewährungsauflagen und verhängten Nebenstrafen wie Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, Aberkennung von Entschädigungen für den Widerstand gegen die NS-Diktatur, Entzug des Reisepasses, polizeiliche Meldepflicht etc.[156]
Das KPD-Verbot vom 17. August 1956 erleichterte – wie die steigenden Verurteilungszahlen zeigen – die politische Verfolgung von Kommunisten und deren Gesin-nungsgenossen. Jeder, der „die gesetzwidrige Wirksamkeit der verbotenen Partei“ förderte, machte sich der Zuwiderhandlung gegen das KPD-Verbot strafbar.[157] Darunter fiel das Verteilen kommunistischer Zeitungen, Broschüren, Flugblätter ebenso wie das Mitmachen in angeblichen oder tatsächlichen kommunistischen Vereinigungen wie zum Beispiel „Frohe Ferien für alle Kinder“[158]. Darunter fielen aber auch alle Straftatbestände der „Staatsgefährdung“[159]. Gerne griffen die Richter auf diese Möglichkeit zurück, da das Strafmaß für Zuwiderhandlungen gegen das KPD-Verbot von mindestens 6 Monaten Gefängnis vielfach höher war als das für Staatsgefährdungsdelikte.
Von einer „antitotalitären Äquidistanz“[160] nach rechts und nach links, wie es der Gründungsmythos der Bundesrepublik will, kann bei diesen Zahlen keine Rede sein. Vielmehr prägten den jungen Rechtsstaat eine kaum zu überbietende „Justizvergessenheit“[161] gegenüber den alten und neuen Nazis auf der einen und eine ebenfalls nicht mehr zu überbietende „Justizversessenheit“ gegenüber den alten und neuen Kommunisten auf der anderen Seite. Beide, „Justizvergessenheit“ und Justizversessenheit, dienten dem gleichen Zweck. Sie ermöglichten einen positiven Rückbezug zur NS-Vergangenheit herzustellen, indem sie dem Einzelnen wie der Gesamtheit der Deutschen und deren Einsatz für das nationalsozialistische Deutschland einen legitimierenden Sinn gaben. Dabei ging es zum einen darum, den Deutschen den Vorwurf einer kollektiven Schuld zu nehmen, an einem der größten Verbrechen der Menschheit aktiv mitgewirkt zu haben. Zum andern ging es darum, dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion einen gewissen Sinn zu geben, da man schon damals gegen den richtigen Feind gekämpft habe. Dieser Feind stand nach dem verlorenen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion mitten in Deutschland. Die Angst vor einer Revanche der „Russen“ war groß. Die als „Russenpartei“ geltende KPD musste daher mit allen Mitteln, offensichtlich auch mit rechtswidrigen Mitteln bekämpft werden, wie die Geschichte des Staatsprozesses gegen die KPD zeigt.
Die Verfolgung der Kommunisten und solcher, die man dafür hielt, ist die größte, längste und rechtswidrigste politische Verfolgung gewesen, die es bislang in der Bundesrepublik gegeben hat. Es dauerte 60 Jahre, ehe sich das Bundesverfassungsgericht von der Begründung und Entscheidung des Ersten Senats vom 17.8.1956 distanzierte, das KPD-Urteil für verfassungswidrig erklärte und aufhob. Es dauerte ebenfalls 60 Jahre, bis die erste historische Monografie erschien, die nicht nur das KPD-Urteil, sondern auch das KPD-Verfahren als verfassungswidrig erkannte. Der Anfang zur Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der „Freiheitlich Demokratischen Grundordnung“ der Bundesrepublik Deutschland ist gemacht. Die Geschichte des KPD-Verbots ist wahrlich keine Erfolgsgeschichte des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates, sondern eine Problemgeschichte der „Staatsdemokratie“ der Adenauer-Zeit, die dringend weiter aufzuarbeiten ist. Noch sind die Archive prall gefüllt mit offenen und noch verschlossenen Staatsakten, Verfahrensakten, Parteiakten und sonstigen Quellen. Allein es fehlt an Historikerinnen und Historikern, Juristinnen und Juristen, die sich diesem wichtigen und spannenden Kapitel unserer Demokratiegeschichte mit Sachverstand, Freude und Ausdauer widmen. Es gibt noch viel zu tun!
Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis zu meinen Forschungen finden Sie in:
Josef Foschepoth, Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg, 2. Auflage Göttingen 2021
[1] Die folgenden Ausführungen basieren auf umfangreichen Archivforschungen im Rahmen einer von der DFG geförderten, großen Forschungsprojektes aus dem zwei Monographien entstanden sind: Foschepoth, Überwachtes Deutschland 5.Aufl. 2017 und Foschepoth, Verfassungswidrig!Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg, 2.Aufl. Göttingen 2021.
[2] Grundgesetz (GG) Art. 21 Abs. 2 Satz 1.
[3] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html.
[4] Ein Urteil, das Spielraum lässt, in https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-01/npd-verbot-bundesverfassungsgericht-richter-verfassungsfeindlichkeit, 17.1. 2017.
[5] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 3, S. 613.
[6] Bundesverfassungsgericht, BVerfG 5, 85 <143>.
[7] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html
[8] Vgl. Foschepoth, Verfassungswidrig!
[9] Meier, Als die Demokratie streiten lernte, S. 462.
[10] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 3, S. 583.
[11] Bundesarchiv (BArch), BY 1/4356, Vermerk Rische über ein Gespräch mit Verfassungsrichter Stein, 13.1.1967.
[12] ZDF: 17.8.1967. Vgl. DKP: Chronik der 60er Jahre, S.12.
[13] Drath: Stellungnahme zu Problemen der Fortdauer des KPD-Verbots.
[14] Limbach: „Ich hätte den KPD-Verbotsantrag abgelehnt.“ In: taz19.8.1996. Vgl. auch: Limbach., Politische Justiz im Kalten Krieg.
[15] Ausführlich hierzu: Foschepoth, Die Bedeutung der Bundesakten, Vortrag im Bundesarchiv Koblenz. Foschepoth, Geheimes Deutschland, Vortrag auf dem Historikertag Mainz.
[16] Zuber, Verschlusssachen in den Archiven der Länder, in: Niederhut,/Zuber, Geheimschutz transparent?, S. 93-105, hier S. 97. Vgl. auch Hollmann, Verschlusssachen im Bundesarchiv, in: Niederhut/Zuber, Geheimschutz transparent?, S. 113-118.
[17] Zur Novellierung des Bundearchivgesetzes (BArchG) vgl. Foschepoth/Deiseroth, “Der Staatmauert sich ein“.
[18] Herbert, Liberalisierung als Lernprozess. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte, S. 7-52.
[19] Wolfrum, Die geglückte Demokratie S.13.
[20] Böhret/Jann/ Kronenwett, Innenpolitik und politische Theorie, S. 78.
[21] Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 184.
[22] Bockemühl, 25 Jahre nach dem KPD-Urteil, S. 11.
[23] Wolfrum, Das Verbot der KPD im Jahr1956, S.251.
[24] Zur Bedeutung der Aktenfunde für die Wissenschaft: Foschepoth/Deiseroth, „Der Staat mauert sich ein“. Das neue Bundesarchivgesetz von 2017.
[25] BArch, B 141/3834, Vorlage vom 3.10.1952. Vgl. Foschepoth, Staatsschutz und Grundrechte, S.56f.
[26] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 3, S. 583.
[27] Kössler, Abschied von der Revolution, S. 56ff
[28] Klocksin, Kommunisten im Parlament. Die KPD in Regierungen und Parlamenten.
[29] Foschepoth, Verfassungswidrig! S. 45ff.
[30] Ebd,, S.47f.
[31] Ebd.,Kap. 2 Die Radikalisierung
[32] BArch: BY/507, Beschluss-Vorlage. 27.9.1952.
[33] Scherstjanoi, Die Folgen von Stalins Tod für die DDR, S.207.
[34] Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 220ff.
[35] „Programm zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands“, in: KPD 1945-1968.Dokumente, Bd.1, S.400-404.
[36] Malycha/Winters, Geschichte der SED, S.110.
[37] Buscher, U.S. High Commission and German Nationalism, 1949-52, S. 62.
[38] Europa Archiv 5 (1950), S. 2929, 19.2.1950.
[39] Archiv des Liberalismus (ADL),Nachlass (NL) Dehler, N1-1043, Schreiben an Rechtsanwalt Tag, 8.3.1950.
[40] Europa Archiv 5 (1950), S. 2929, 21.2.1950.
[41] ADL, NL Dehler, N1-1023, Dehler an Friedrich Middelhauve, Vorsitzender der FDP in NRW,18.9.1950.
[42] AdenauerBriefe, 1951–1953, S. 115.
[43] Ausführlich hierzu: Foschepoth, Verfassungswidrig!, S,106ff.
[44] HStAS, EA 2/301, Bü 71, Die Untersuchungen der Senatoren Theodore Green und Henry Lodge,5.6.1950.
[45] Amt des amerikanischen Hochkommissars, 7. Bericht über Deutschland, S. 29.
[46] Jahrbuch der öffentlichen Meinung, 1947-1955, S.127.
[47] Jahrbuch der öffentlichen Meinung,1947-1955, S.277.
[48] Jahrbuch der öffentlichen Meinung,1947-1955, S.272.
[49] Adenauer Teegespräche 1950-1954, S. 400ff.
[50] PA DBT, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenograf. Berichte,1. WP, 21.1.1953, S. 11673f.
[51] Adenauer Teegespräche 1950-1954, S. 401.
[52] Foschepoth, Verfassungswidrig, S.123 Ausführlich hierzu: Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland, S.84f.
[53] BArch, B106/200800, Dehler an Lehr, 18.7.1951
[54] Ebd.
[55] BArch, B 141/207, Vermerk 11.10.1951
[56] BArch, B 136/3784, Vermerk Karl Gumbel, 11.10.1951.
[57] Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz, S. 158.
[58] Ebd
[59] Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 12.10.1951. Prüfung der Einbringung der Verfassungsklage.
[60] Adenauer: „Es musste alles neu gemacht werden.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1950-1953, S. 92f.
[61] Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD) Bd. 1, Adenauer und die Hohen Kommissare 1949-1951, 25.10.1951, S. 558.
[62] BArch, B 136/3784, Vermerk Globke für Adenauer, 16.11.1951.
[63] StBKAH, Kalendarium, Tageskalender, 16.11.1951, in: http://www.konrad-adenauer.de.
[64] Hans Christoph Seebohm war Mitglied der Deutschen Partei (DP), trat 1960 in die CDU ein und gehörte als Bundesminister für Verkehr allen Kabinetten von Adenauer bis Erhard (1949 -1966) an. In Kabinettssitzungen machte er sich regelmäßig Notizen, die in Ergänzung zu den Kabinettsprotokollen eine wichtige Quelle sind.
[65] BArch, N1178/7a, NL Seebohm, persönliche Notizen zur Kabinettssitzung am 16.11.1951.
[66] Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 16.11.1951. Anträge an das Bundesverfassungsgericht.
[67] Konrad Adenauer. Reden 1917-1967, Erste Regierungserklärung von Bundeskanzler Adenauer, 20.9.1949, S. 153.
[68] PA DBT, Verhandlungen des DBT. Stenografische Berichte, 1. WP, 22.10.1952, S. 10735 .
[69] HStAS, Q 1/35, Bü 517, o. D. Besondere Bemerkungen zur „Verfassungskrise“ (März J.F.)1952, S. 4.
[70] Adenauer Teegespräche1950-1954, S. 365 u. S. 383.
[71] HStAS, Q 1/35, Bü 517, Stuttgarter Zeitung und Baseler Nationalzeitung, 12.12.1952.
[72] Zit. n. Wengst, Thomas Dehler, S. 220.
[73] BArch, B 136/4436, Höpker Aschoff an Adenauer, 14.3.1953. ADL, NL Dehler, N 1-29032903, Höpker Aschoff an Dehler, 14.3.1953.
[74] BArch, B 136/4436, Höpker Aschoff, Rundfunkmanuskript, 14.3.1953, S. 2.
[75] Wengst, Thomas Dehler, S. 231.
[76] BArch, B 136/1737, 7.5.1954.
[77] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. A 11, Schreiben vom 5.8.1954, S.381f.
[78] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 16.v. Lex an Schröder, Gespräch Wintrich mit Gecks, 19.11.1954, S. 436f.
[79] Ebd.
[80] KPD-Prozess, Dokumentarwerk, Bd. 1, S. 106f
[81] Vgl. Foschepoth, Verfassungswidrig! Kapitel 5, 7, und 8.
[82] Bundesgesetzblatt (BGBl) I 1950, S. 682.
[83] PA DBT, 3102/ 2.WP, BMI an Walter Menzel, 20.01.1955, Anordnung der Bundesregierung vom 07.11.1950.
[84] BArch, B 106/101841, BfV, Zusammenarbeit BfV mit den alliierten Nachrichtendiensten, o. D.
[85] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 4, Protokoll der Besprechung 28.1.1952, S. 396- 410.
[86] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 4, Protokoll der Besprechung 28.1.1952, S. 397.
[87] Ebd..
[88] BArch, B 106/15544, Vermerk Min. Rat Kipp für StS v. Lex, 3.12.1951.
[89] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 3, BVerfG, Durchsuchungsbeschluss, 24.1.1952.
[90] BVerfG-Archiv Karlsruhe: 1 BvB 2/51, S. 126f. Höpker Aschoff an RA H. Friedrich, Wiesbaden, 28.5.1951
[91] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 3, BVerfG, Durchsuchungsbeschluss, 24.1.1952.
[92] Ebd.
[93] StPO § 304.
[94] BVerfG, Archiv Karlsruhe: 1 BvB 2/51, S. 126f. Höpker Aschoff an H. Friedrich, 28.5.1951.
[95] BVerfGG § 29.
[96] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 1, S. 108f.
[97] Ebd., S. 109
[98] Ebd., S. 111.
[99] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. C 2, Faksimile der Erklärung Jost gegenüber dem BfV, 16.5.1952, S. S.439
[100] BArch B 237/215681.Hinweis des Archivs: Laufzeit 1952-1953.
[101] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokumente Nr. C 1 bis C 4, Protokoll mit Anhang im Faksimile, S. 438-466
[102] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. C 2, S.439
[103] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. C 4, S. 457- 466.
[104] Vgl. Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. C 2 und C 4, S. 439 und S.457- 466,
[105] Das Original des Vernehmungsprotokolls Jost befindet sich in den Akten des BVerfG: BArch: B 237/215681.
[106] StPO § 188, Abs. 3.
[107] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. C 4, S.457- 466.
[108] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 1, S. 103,
[109] Vgl. Foschepoth, Verfassungswidrig, S. 242-253,
[110] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 1, S. 121.
[111] Ebd., S. 107.
[112] Foschepoth, Verfassungswidrig, Dokument Nr. B 8, Bericht Barthold über Abstimmung mit VR Stein S. 415-423.
[113] Ebd., Punkt 10, S.417.
[114] Ebd., Punkt II, 2, S.418.
[115] Ebd., Punkt IV, 3, S.420..
[116] Ebd., Punkt IV, 7. S.420.
[117] Ebd., Punkt B I, 7 und 8, S.417.
[118] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 5, Vermerk Gecks, 29.9.1953, S.410ff.
[119] Ebd.
[120] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. B 8, Vermerk Barthold, IV,4, S.420.
[121] Creuzberger, Kampf für die Einheit, S.65ff.
[122] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. A 12. Thedieck an Menzel, 27.2.1956, S. 382.
[123] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. A 13. Pressekonferenz, 23.4.1956, S. 383ff.
[124] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. A 14. Schröder an Wintrich, 25.5.1956, S.386ff.
[125] GG, Art. 9,2 ermöglichte es der Exekutive, verfassungswidrige Organisationen und Vereine zu verbieten.
[126] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. A 16. Adenauer an Wintrich, 30.5.1956, S.388ff.
[127] Foschepoth, Verfassungswidrig! Dokument Nr. A 15. Schröder an Adenauer, 25.5.1956, S.388.
[128] BArch, B 136/4434, Globke an von Brentano, 12.2.1955.
[129] Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. Gesetz zur Änderung des BVerfGG, 2.6.1955
[130] BGBl, I 1956: Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, 21.7.1956, S. 662 – 665.
[131] Ebd., S. 665.
[132] BArch, B 141/74, Präsident Wintrich an Bundesjustizminister Neumayer, 25.1.1955.
[133] BArch, B 136/4434. Wintrich, Entwurf eines Änderungsgesetzes (Art. 2, Abs), 23.12.1954; BMJ, Entwurf eines Änderungsgesetzes, 5.4.1954.
[134] KPD-Prozess.Dokumentarwerk, Bd. 3, S. 578 ff.
[135] GG, Art. 101, 2.
[136] GG, Art. 20, 2 u. 3 sowie Art. 97,1.
[137] KPD-Prozess.Dokumentarwerk, Bd.3, S. 580.
[138] Schwarz, Die Ära Adenauer 1949-1957, S. 132
[139] KPD-Prozess. Dokumentarwerk, Bd. 3, S. 582.
[140] GG, Art. 21, Abs. 2.
[141] Meier, Als die Demokratie streiten lernte, S. 462.
[142] Güde, Probleme des politischen Strafrechts, S. 13
[143] Meier, Parteiverbote, S. 53.
[144] KPD-Prozess, Dokumentarwerk, Bd. 3, S.613
[145] KPD-Prozess, Dokumentarwerk, Bd. 3, S. 116
[146] BArch: B141/30786, BfV, Vollzug KPD-Verbot, Berichte vom 18.und 24.8.1956.
[147] Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland (LAV NRW R), NW 22/1619. Presseausschnitte zum KPD-Verbot.
[148] FAZ, Kurzes Ende eines langen Prozesses, 18.8.1956
[149] BVerfGG, §§ 42,47.
[150] Niederhut, Frohe Ferien in der DDR.
[151] von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten, S. 135.
[152] Foschepoth, Rolle und Bedeutung der KPD, S. 902
[153] BArch, B106/151328 Der Beauftragte des BMI für die Einziehung des KPD-Vermögens, Statistik der Arbeitsgerichtsprozesse, 19.2.1957.
[154] Vgl. Foschepoth, Verfassungswidrig! S. 284ff.
[155] Quellen wie zu Abb 1.
[156] Foschepoth, Rolle und Bedeutung der KPD, 2008, S. 902
[157] BVerfGG, §§ 42,47.
[158]Niederhut, Frohe Ferien in der DDR, 2010.
[159] von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten, 1978, S. 135.
[160] Vgl. Backes/Jesse, Vergleichende Extremismusforschung, 2005.
[161] Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik, 1997.
NEU Aufhebung KPD-Verbot d. BVerfG 2023_10_12
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