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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Verfassungsschutzbericht 1997

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120 Rechtsextremistische Bestrebungen Als die wichtigsten Strömungen gelten dabei die »Neue Rechte" und die »National revolutionäre ", Ideologievarianten des Rechtsextre- mismus, die sich - wenn auch von verschiedenen theoretischen Ausgangspositionen - gleichermaßen gegen die Prinzipien der frei- heitlichen demokratischen Grundordnung wenden und langfristig auf die Abschaffung des demokratischen Verfassungsstaates zielen. »Neue Rechtecc Die Vertreter der »Neuen Rechten" berufen sich auf die »Konservative Revolution" und damit auf eine antidemokratische Bewegung in der Weimarer Republik, die versuchte, das Fundament der parlamentari - schen Verfassung mittels einer geistig -kulturellen Revolution zu unter- graben . Die wichtigsten Vertreter dieser Strömung waren Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck und Carl Schmitt. Ihre konkreten Vorstellungen zielten auf die Etablierung eines cäsaristisch -autoritären Staates ab, der wesentlich vom Vorbild des italienischen Faschismus geprägt sein sollte. »National- revolutionäre" Anders als diese etatistische, also an einem starken Staat ausgerich- tete Denkschule orientiert sich das Lager der »Nationalrevolutionäre<< am Ordnungsbegriff der völkischen Gemeinschaft. Auch bei ihnen gel- ten Intellektuelle aus der Zeit der Weimarer Republik wie etwa Ernst Niekisch oder Ernst von Salomon als geistige Vorbilder. Sie fordern die Abkehr vom politisch kulturellen Westen und die Hinwendung zu einem >>Neuen Nationalismus<< sowie die Etablierung einer homogenen Gemeinschaft; diese unterwirft das Individuum zwar nicht primär den Zwängen eines autoritären Staates, läßt es aber umso mehr in den Ansprüchen der Gemeinschaft aufgehen. Ziel: Meinungs- führerschaft Beide Ideologievarianten suchen die politisch-intellektuelle Debatte, um die Meinungsführerschaft für ihre verfassungsfeindlichen Posi- tionen zu gewinnen. Zahlreiche rechtsextremistische Publikationen bil- den das Forum für diese lagerinterne Diskussion . Während etwa das Theorieorgan >>Sieipnir<< überwiegend Beiträge mit nationalrevolutio- närem Zuschnitt publiziert, ist die Zeitschrift >>Staatsbriefe<< der >> Neuen Rechten << zuzuordnen. Der >>Grabert-Verlag<< (vgl. Kap. VIII) veröffent- licht übersetzte Schriften der französischen >>Neuen Rechten<<. Erosion der Abgrenzung zwi- schen Demokraten und Extremisten Die Vertreter des intellektuellen Rechtsextremismus vermeiden es, ihre ideologischen Fernziele deutlich zu nennen und konkret die Forderung nach Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stellen. Ihre Taktik besteht vielmehr darin, die Grenzen zwischen konservativen Vorstellungen einerseits und extremistischen Ideo- logieelementen zu verwischen. Die fundamentale Ablehnung der demokratischen Prinzipien und Institutionen wird im Sinne vor- getäuschter Gemeinsamkeit mit systemimmanenter Kritik getarnt. So werden etwa Teile der Schriften demokratischer Autoren als Versatz- stücke in rechtsextremistische Agitationen einbezogen und system- immanente Kritikansätze unausgewogen zitiert und stetig wiederholt.
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Rechtsextremistische Bestrebungen 121 Dadurch sollen ursprünglich demokratisch belegte Begriffe umgedeu- tet und zu Trägern extremistischer Inhalte umgewandelt werden. Diese Strategie verfälscht Beiträge einer für die Demokratie notwendigen reformerischen Debatte zu systemwidriger Polemik und verfremdet die eigentliche Intention ihrer Urheber. Zu dieser Erosion der Abgrenzung zwischen Demokraten und Extremisten trägt z.B. die Berliner Wochenzeitung »Junge Freiheit" bei. Sie bietet sowohl Demokraten als auch in- und ausländischen Rechtsextremisten ein publizistisches Forum. X. Revisionismus Der zeitgeschichtliche Revisionismus blieb ein wichtiges rechtsextre- mistisches Agitationsthema . Es handelt sich dabei um politisch moti- vierte Versuche, das negative Geschichtsbild vom Nationalsozialis- mus durch einseitige oder verfälschende Darstellungen zu verändern, um ihn moralisch zu entlasten oder gar das Hitler-Regime zu verteidi- gen. Einerseits dient der Revisionismus dazu, die durch das NS- Regime diskreditierte rechtsextremistische Ideologie von ihrem Makel zu befreien. Andererseits stellt der Revisionismus aber auch ein ver- bindendes und mobilisierendes Element für die unterschiedlichen Strömungen des Rechtsextremismus dar. Verbindendes Element im Rechtsextremismus Unterschieden werden zwei Formen: Revisionismus im weiteren Sinn umfaßt die Versuche der rechtsextremistischen Geschichtsmanipu- lation: von relativierenden Vergleichen (z.B. Auschwitz- Bombardie- rung Dresdens) über die einseitige Hervorhebung angeblicher Lei- stungen der Diktatur (z.B. des Autobahnbaus) bis zur Leugnung von Ereignissen oder Zusammenhängen (z.B. Auslösen des Zweiten Welt- kriegs). Revisionismus im engeren Sinn bezieht sich dagegen aus- schließlich auf die- in Deutschland strafbare- Behauptung, es habe keine Massenvernichtungen von Juden in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern gegeben. Revisionismus im weiteren Sinn Schwerpunkte der Revisionisten waren Themen, die auch in der Medienberichterstattung und der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert wurden: die Thesen des Politologen Daniel J. Goldhagen zum Holocaust 113l und Aspekte des durch die Wehrmachtsausstellung (vgl. Kap. I, Nr. 2) thematisierten Wirkens der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg . Dabei griffen Rechtsextremisten bewußt auch Kritik von wissenschaftlicher Seite auf und vermischten sie mit eigenen revisio- nistischen Auffassungen , um über diesen Weg ein breiteres Publikum anzusprechen. Mit der Demonstration gegen die Wehrmachts- ausstellung am 1. März in München gelang Rechtsextremisten mit ei- nem revisionistischen Thema die seit Jahren größte Veranstaltung. Moralische Entlastung des NS-Regimes und im engeren Sinn
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122 Rechtsextremistische Bestrebungen Protestaktionen gegen die Wehrmachtsausstellung initiierte auch der 1982 wegen versuchter Anstiftung zum Mord und Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilte Neonazi Manfred ROE- DER"). So veranstaltete er zuletzt anläßlich der Präsentat ion der Ausstellung in Marburg (Hessen) zusammen mit Gesinnungs- genossen am 21. September eine Kundgebung und führte am 1. Oktober eine Mahnwache durch. Als Leiter der von ihm 1971 gegrün- deten neonazistischen »Deutschen Bürgerinitiative e. V. " (OBI) ver- breitete er auch 1997 seine ••95 Thesen zum Lutherjahr«.ln diesen Thesen bestreitet er vor allem die Schuld Deutschlands am Ausbruch des 2. Weltkrieges und wendet sich damit gegen angebliche Versuche, dem deutschen Volk mit Hilfe einer »Geschichtsmani- pulation " ein kollektives Schuldgefühl zu verordnen. Holocaust wird durch Andeu- tungen, Fragen oder Suggestionen in Zweifel gezogen Wegen der Strafbarkeit der Leugnung des Holocaust halten sich Rechtsextremisten in Deutschland mit entsprechenden direkten Äußerungen zurück. Meist wird die Massenvernichtung der Juden nur durch Andeutungen, Fragen oder Suggestionen in Zweifel gezo- gen. Beispiele dafür bietet die »Deutsche National-Zeitung" (DNZ), die auf der Titelseite Artikel mit Schlagzeilen wie »Das Geheimnis von Auschwitz - Tatsachen und Verfälschungen << 114) oder »Auschwitz: die Millionen-Fälschung - KZ -Lügen gegen Deutschland << 115) ankündigt (vgl. Kap. VI, Nr. 2). ln den Textbeiträgen selbst wird dann aber über Korrekturen durch Forschungsergebnisse seriöser Historiker, die den Holocaust gar nicht in Frage stellen , berichtet ; in den Schlagzeilen werden die überholten Auffassungen jedoch als Fälschungen be- zeichnet. Dadurch wird dem Leser der Eindruck vermittelt, wenn es einzelne (angebliche) Fälschungen gegeben habe, dann sei auch der historische Ablauf des Vernichtungsprozesses an den europäischen Juden als Ganzes zweifelhaft. Strafverfahren gegen Revisionisten Wegen der Leugnung des Holocaust gab es wieder mehrere Straf- verfahren. So verurteilte das Amtsgericht Herford den rechtsextremi- stischen Verleger Udo WALENDY am 6. Mai wegen Volksverheizung in zwei Ausgaben der bis dahin von ihm herausgegebenen Schrif- tenreihe »Historische Tatsachen << zu einer Freiheitsstrafe von 14 Mo- naten ohne Bewährung . Gegen den rechtsextremistischen Verleger Dr. Gert SUDHOLT erhob die Staatsanwaltschaft München im Juni Anklage wegen des Verdachts der Volksverheizung in dem im Fe- bruar beschlagnahmten Buch »Geheimakte Gestapo-Müller Band II " , das im rechtsextremistischen »Druffei-Verlag<< erschienen ist 116). Die Strafbarkeit der Leugnung des Holocaust dämmt die Aktivitäten der Revisionisten in Deutschland weitgehend ein. Um der Straf- ') Öffen11iches Interesse fanden zum Jahresende ROEDERs frühere Aktivitäten im •Deutsch-Russischen Gemeinschaftswerk• (DRG). Für das Jahr 1997 fielen - wie schon 1996 - aufgrund eines durch die russischen Behörden verhängten Einreiseverbots berichtenswerte Aktivitäten ROEDERs für die Organisation nicht mehr an. I
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Rechtsextremistische Bestrebungen vertolgung zu entgehen, haben führende Revisionisten ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt. Hierzu gehören neben Germar SCHEERER (geb . RUDOLF). Autor des den Holocaust leugnenden pseudowissen- schaftlichen ••Rudolf-Gutachtens<<, der Österreichische Revisionist Gerd HONSIK und der Schweizer Jürgen GRAF. Der Österreichische Rechtsextremist Walter OCHENSBERGER betätigt sich weiterhin als Verleger und Herausgeber der revisionistischen Schriften ··Phoenix'' und ••Top Secret«. Diese Revisionisten verbreiten ihr Propagan- damaterial aus dem Ausland und nutzen verstärkt das Internet. 123 Revisionisti- sches Propaganda- material aus dem Ausland Einer der weltweit agierenden Revi- sionisten ist der in Kanada lebende Deutsche Ernst ZÜNDEL, der seine Propaganda u.a. über seine Internet- Hornepage ••Zündelsite'' verbreitet. Hier können Dokumente abgerufen werden mit Titeln wie ••Auschwitz: Mythen und Fakten''• ••Die Holo- caust-Religion•<, ••Holocaust? Wel- cher Holocaust?« oder auch - unter der Rubrik ••Deutsche Helden der Vergangenheit« - ••Rudolf Hess: Der Märtyrer unseres Jahrhunderts« . Ernst ZÜNDEL Zu einem größeren Vertreiber revisio- nistischen Propagandamaterials hat sich auch die in Belgien ansässige Organisation »Vrij Historisch Onder- zoek« (V.H.O., ··Freie Historische »Vrij Historisch Onderzoek« (V.H.O.) Forschung«) entwickelt. Sie ver- breitet alle gängigen, teilweise in Deutschland beschlagnahmten oder indizierten revisionistischen Veröffentlichungen , u.a. auch die Schriftenreihe ·· Historische Tat- sachen«. Im März gab die V.H.O . erstmals die Zeitschrift ••Viertel- jahreshefte für freie Geschichts- forschung « (VffG) heraus. Der presserechtlich verantwortliche Belgier Herbert VERBEKE bietet darin bekannten Revisionisten wie SCHEERER, dem Briten David IRVING oder dem Fran - zosen Robert FAURISSON ein fl/"~h~ fJ a~ ci') id)1!s1~.t~.sr~W
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124 Rechtsextremistische Bestrebungen Forum für ihre Agitation. Dabei versucht er, der Schrift den Anschein von Seriosität und Wissenschaftlichkeit zu geben. Zu den Veröffentlich- ungen der V.H.O. gehört auch die sich ebenfalls auf die Goldhagen- Debatte beziehende Broschüre ••Eine deutsche Antwort auf die Goldhagen-und Spielberglügen", in der die gängigen, den Holocaust leugnenden Behauptungen zusammengefaßt werden . Der Leser der Broschüre soll weitere Exemplare bestellen und sie in Form eines »Schneeballsystems" verbreiten. XI. Internationale Verbindungen Deutsche Rechtsextremisten unterhalten Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen aus unterschiedlichen Gründen. Im Vorder- grund steht dabei oft die Produktion und der Vertrieb von Pro- pagandamaterial insbesondere für die neonazistische und die Skinhead-Szene (vgl. Kap. IV, Nr. 2), da Herstellung und Vertrieb sol - chen Materials in anderen Staaten in der Regel nicht mit Strafe bedroht sind. Auch haben deutsche Rechtsextremisten im Ausland seltener mit Demonstrationsverboten zu rechnen , was in Teilen der rechtsextremistischen Szene zu einer regen grenzübergreifenden Zusammenarbeit geführt hat. 1. Internationale Treffen Deutsche Rechtsextremisten beteiligten sich u.a. an folgenden inter- nationalen Veranstaltungen: • Am 16. August veranstaltete die »Dänische Nationalsozialistische Bewegung" (DNSB) in Köge (Dänemark) eine internationale »HeB- Kundgebung«. An der Veranstaltung nahmen etwa 140 Personen aus Skandinavien, den Niederlanden und Deutschland teil. Nach Ausschreitungen mit Gegendemonstranten wurden 24 Rechts- extremisten festgenommen. • Am 30./31. August fand in Diksmuide (Belgien) die 70 . ••ljzer- bedevaart" flämischer Patrioten mit ca. 3.000 Besuchern statt. Zu dem ••internationalen Kameradschaftstreffen" am Vorabend der Veranstaltung waren rund 140 Rechtsextremisten angereist, davon etwa 80 aus Deutschland. 13 Deutsche wurden bei Kontrollen durch die belgisehe Polizei vorläufig festgenommen und drei unmit- telbar nach der Festnahme abgeschoben. • An der Eröffnungsveranstaltung der »21. Gästewoche" des deut- schen »Freundeskreises Ulrich von Hutten e.V. « und der Öster- reichischen »Deutschen Kulturgemeinschaft Österreich<< vom 30. August bis zum 6. September in Altenberg (Sachsen) nahmen rund 150 Deutsche teil.
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Rechtsextremistische Bestrebungen • Am Rande der traditionellen »Uirichsberg«-Gedenkfeier zu Ehren der gefallenen Soldaten beider Weltkriege am 5. Oktober in der Nähe von Klagenfurt (Österreich) fanden sich etwa 70 Rechtsextre- misten aus verschiedenen Ländern ein, darunter ca. 30 Deutsche. • Zu den Gedenkfeiern zum Todestag von General Francisco Franeo vom 21. bis 23. November reisten annähernd 100 deutsche Rechtsextremisten nach Spanien - vor allem Mitglieder der »Nationaldemokratischen Partei Deutschlands« (NPD) und der "Jungen Nationaldemokraten" (JN). 2. »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslands- und Aufbauorganisation« (NSDAP/AO) gegründet: 1972 Sitz: Lincoln (Nebraska/USA) Vorsitzender: Gary Rex LAUCK Publikation: »NS Kampfruf«, unregelmäßig Als weltweite Zentrale für die Verbreitung von neonazistischem Propagandamaterial hat die »Nationalsozialistische Deutsche Ar- beiterpartei/Auslands- und Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) seit der Inhafti erung ih res »Propagandaleiters" Gary Rex LAUCK weiter an Bedeutu ng verloren 117l. 1997 erschienen lediglich drei Ausgaben des »NS Kampfrufs", der deutschsprachigen Publikation der NSDAP/AO. Auch fü r diese Ausgaben zeichnete ein »Europa-Ausschuß der NSDAP/AO« verantwortlich . Dem Ausschuß, der von dem niederlän- dischen Neonazi Eite HOMAN geleitet wird, gehören deutsche und niederl ändische Rechtsextremisten an. HOMAN versteht sich als Ko - ordinator der NSDAP/AO für Europa und führt die rassistische und tei lweise militante Agitation LAUCKs fort. So heißt es im »NS Kampf- ruf«: »Unser Feind ist in erster Linie das Bonner und Wiener Judensystem und seine Lakaien, (... ). Der Nationalsozialismus ist eine Idee, die Lehre des Lebens , die sich nicht wie T-Hemd an- und ausziehen läßt. Er ist keine Modeerscheinung, wie die kurzlebigen Subkulturen der dekadenten Demokraturen. (... ) Dieser Idee, dieser grandiosen Lehre des Lichts und des Lebens, stemmen sich welt- weit ganze Armeen von Untermenschen entgegen ." (•• NS Kampfruf" Nr. 117/ 1997, S. 1 , 2) 125
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126 Rechtsext remistische Bestrebungen XII. Übersicht über weitere erwähnenswerte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation - einschl. Sitz - Mitglieder/ Anhänger (z.T. geschätzt) 1997 Publikationen (einschl. Erscheinungsweise und Auflage - z.T. geschätzt) (1996) »Arndt-Verlag « - Martensrade/ Krs. Plön - »Castel del Monte-Verlag" -München- »Staatsbriefe" - monatlich - -1.000- »Europa vorn Verlag« - Eschweiler- »Europa vorn" - vierzehntägig - -5.000- »Grabert-Verlag" - Tübingen- »Deutschland in Geschichte und Gegenwart" - vierteljährlich - -3.000- »Euro-Kurier« - zweimonatlich - »Nation Europa Verlag GmbH" - Coburg- »Nation & Europa - Deutsche Monatshefte« - - monatlich - -15.000- »Verlag der Freunde" (VdF) - Berlin- »Sieipnir« - zweimonatlich - -1 .000- »VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH« - Berg am Starnberger See - »Deutsche Geschichte« - sechsmal jährlich - - 10.000-
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Verfassungsschutz durch Aufklärung Linksextremistische Bestrebungen Verfassungs schutz bericht 1997 Rechtsextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte
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128 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern I. Überblick Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern in Deutschland spiegeln in erster Linie politische Vorgänge in den jeweiligen Herkunftsländern wider. Vor allem extremistisch-islamische (islamistische) Gruppierungen tür- kischen und arabischen Ursprungs haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die meisten dieser Organisationen versuchen, die mehr oder weniger westlich orientierten Regierungssysteme in ihren Heimatländern durch islamistische Staatsgefüge, die auf dem Koran und der Scharia (dem islamischen Rechtssystem) basieren, zu ersetzen. Während für die Mehrzahl der arabischen lslamisten Ge- waltanwendung ein opportunes Mittel zur Durchsetzung ihrer politi- schen Ziele ist, setzen derzeit türkische lslamisten zumeist noch auf politische Aktivitäten zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhält- nisse in der Türkei. Die Anhänger des Islamismus 118 1 betrachten ihre Konzepte als Ausdruck eines unverfälschten Islam. Die authentischen Quellen Koran und Sunna (Lebensregeln des Propheten Mohammed und Praxis in der Ausbreitungsphase des Islam) enthalten nach ihrer Auffassung die vollkommene, unteilbare Wahrheit, die keiner Interpre- tation bedarf. ln ihnen sei das aktive Wirken Gottes enthalten. Deshalb dürfe sich der Mensch nicht mit seiner inneren Überzeugung begnügen, sondern müsse nach praktischer Verwirklichung der isla- mischen Ordnung streben. Aus diesem theoretischen Konzept ergä- ben sich somit konkrete politische Handlungskonzepte. Wegen der Unteilbarkeit dieser islamischen Weltordnung ist - so Islamistische Ideologen - das Parteiensystem abzuschaffen . Es erzeuge »die Einheit zerstörende Gegensätze" . Nach Meinung seiner Verfechter entspricht der Islamismus als einziges gesellschaftliches System in allen Aspekten vollständig der »menschlichen Natur" und ist eine uni - versale, ideale Weltordnung. Kommunismus und Kapitalismus wer- den gleichermaßen als ungeeignet angesehen, das Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten. Nach dem Versagen des Kommunismus stehe das Ende des Kapitalismus, der den Westen in Dekadenz und Unmoral geführt habe, ebenfalls bevor. »Natürlicher« Erbe werde der Islamismus sein. Die linksextremistischen Ausländergruppierungen verfolgen - bei unterschiedlichen strategischen und taktischen Konzepten - letztlich das Ziel , die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung in ihren Heimatländern zu beseitigen und durch eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Einige dieser Organisationen halten an ••klassischen<< marxistisch-leninistischen Überzeugungen fest, andere folgen maoistischen Positionen. Zur ideologischen Basis dieser Gruppen zählt stets auch eine »antiimpe- rialistische<< Grundhaltung.
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Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 129 Bei einigen Ausländergruppierungen (z .B. kurdischen und tamilischen Ursprungs) treten linksextremistische Orientierungen zunehmend gegenüber ethnisch motivierten Unabhängigkeitsforderungen in den Hintergrund. Von extrem-nationalistischen Ausländergruppierungen gingen 1997 keine bedrohlichen Aktivitäten gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Das Potential extremistischer Ausländerorganisationen stieg 1997 geringfügig auf 58.200 Personen (1996: 57.300). Die Zahl der Ge- walttaten ausländischer Extremisten ist zurückgegangen. Ursächlich für diese Entwicklung ist der Wandel im taktischen Verhalten kurdi- scher Extremisten. Oie Gewaltbereitschaft türkischer Linksextre- misten ist dagegen nach wie vor hoch. Oie linksextremistischen türkischen Gruppierungen gefährden auch weiterhin durch ihre- teilweise fanatische- Militanz die innere Sicher- heit der Bundesrepublik Deutschland. Besonders augenfällig sind die seit Jahren auch in Deutschland ausgetragenen Flügelkämpfe in der verbotenen »Oevrimci Sol<< (Revolutionäre Linke). Bei diesen Aus- einandersetzungen kam es im Sommer in Frankfurt/ M. und Harnburg zu sechs Schußwaffenanschlägen mit auch lebensgefährlichen Ver- letzungen der Opfer. Ein Ende der Rivalitäten ist nicht abzusehen . Auch bei den regelmäßig durchgeführten Spendenkampagnen, Haupteinnahmequelle beider Flügel der »Oevrimci Sol<<, wurden wie- der zahlreiche Personen geschädigt. Die Anhängerschaft beider Flügel der »Oevrimci Sol << unter den in Deutschland und anderen europäischen Ländern lebenden Türken blieb ein Reservoir, aus dem die terroristischen Aktivitäten im Heimatland propagandistisch und finanziell unterstützt werden. Bei der »Türkischen Kommunistischen Partei (Marxisten-Leninisten)<< (TKP (ML)) kam es, anders als 1996, nicht zu gewaltsamen Re- aktionen auf Ereignisse im Heimatland. Auch zwischen Anhängern der »Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei << (MLKP) und ihrer Abspaltung •• Kommunistische Partei - Aufbauorganisation << (KP-IÖ), unterblieben größere Gewalttaten, die noch 1996 ein Todes- opfer gefordert hatten. Die Anhänger der »Arbeiterpartei Kurdistans << (PKK) hielten sich weit- gehend an die vom Generalvorsitzenden Abdullah ÖCALAN ge- gebenen Weisungen und ließen von militanten Aktionen ab. Nach der öffentlichen Ankündigung ÖCALANs im Mai 1996, künftig in Deutschland gewaltfrei agieren zu wollen und den politischen Dialog zu suchen, kames-anders als in den Jahren davor - nur noch ver- einzelt zu Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen ; Straßen - krawalle und die früher häufigen Serien von Brandstiftungen und Militante Ausländer bedrohen nach wie vor die innere Sicherheit
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