Willkommen bei den Sch’tis

Wenn ich schon mal in der Nähe bin.

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Nach den ersten etwa 480 km durch Flandern war es nur ein kleiner Schlenker durch die Wallonie und nach Nordfrankreich, genauer gesagt nach Roubaix.

„Mekka des Radsports“, „Heiliger Boden“, solche Begriffe geistern durch den Kopf, entdeckt man den Namen der Stadt auf der Karte. Dann verlässt man die schöne Vlaanderen fietsroute mit ihren Kanälen, Feldern, mittelalterlichen Städten und schmucken Dörfern in südlicher Richtung, stellt erneut fest, dass die vom Niedergang der einstigen Stahl- und Kohleindustrie gezeichnete Wallonie die ebsch Seit‘ (alle brav die Vokabeln gelernt beim Spätlesereiter?) Belgiens ist – und dass es im Norden Frankreichs nicht besser aussieht. Ex-DDR ohne Soli, um es mal kürzestmöglich zu umreißen. So was bekommt man auch ohne Sozialismus hin.

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Ist wenigstens Roubaix eine Reise wert? Absolut nicht. Bleibt das Stadion. Natürlich will man als Radsportler dort einmal eine Runde drehen und natürlich mache ich das auch. Passenderweise tue ich das direkt vor dem Läuten der Glocke, das die Ankunft der ersten Teilnehmer einer Mountainbikeveranstaltung von Paris nach Roubaix ankündigt und vor denen ich unfreiwillig mit einer Bahnlänge über die Ziellinie rolle, während hinter mir Kinder auf der Bahn spielen. 

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Wirklich spektakulär ist das Stadion aber nicht und wer ein Schmuckkästchen erwartet, wird enttäuscht sein. Ein Rasenplatz, eine rote Laufbahn, eine nicht allzu breite Betonbahn, eine Tribüne, die den Großteil des Jahres vor allem den Tauben als Heimstatt dient.

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Alles nicht baufällig, aber auch nicht herausgeputzt. Das Stadion dient als Zieleinkunft für das berühmte Rennen, den Rest des Jahres kann jeder hinein.

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Kein Platzwart mit dem unvermeidlichen „Runter vom Rasen!“ hindert Kinder am Fussballspielen im Gras und auf der Bahn, wer mit dem Rad eine Runde drehen will, kann das genauso tun wie auch der Kugelstoßer dort trainieren darf, der an diesem Morgen seine Kugel in den Sand wuchtet.

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Die wirklich moderne Radsportanlage ist mit dem modernen Velodrom samt Einkaufspassagen und was man heute sonst noch so braucht, um dem Sport fürs Publikum genügend Eventcharakter zu geben, gegenüber errichtet.

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Fragt man nach dem Weg, muss man die Ohren spitzen, denn der Gefragte lässt seine Auskünfte gerne mal phonetisch verschwimmen und à droite (nach rechts) ist von tout droit (geradeaus) nicht zweifelsfrei unterscheidbar. Auch deshalb muss ich unterwegs an Willkommen bei den Sch’tis denken und damit könnt ihr euch nun die Zeit ein wenig vertreiben, bis ich die nächsten Bilder gesichtet habe und euch weiter auf unsere diesjährige Flandernrundfahrt mitnehme. Bleibt dran!

Rückblick, 1

Die Vlaanderen fietsroute ist, ich hatte das ja bereits im vergangenen Jahr lang und breit erklärt und beschrieben und bebildert, ein etwa 820 km langer Rundkurs durch Flandern. Flandern ist der nördliche Teil Belgiens, dort spricht man Niederländisch. Liest man das Niederländische, dann versteht man durchaus, warum es jeweils geht. Hört man den Leuten zu, ist das nicht so. Aber dieses Jahr bin ich schlauer. Ich weiß nun nämlich, wie die Vokale ausgesprochen werden, und das bringt mich entscheidend voran! Das „oe“ wird wie ein „u“ gesprochen. Das „u“ wiederum ist ein „ü“ und wenn man sich ein Feierabendbier bestellen möchte, dann bestellt man sich das Hoegaarden (lecker dank Koriander und Apfelsinenschalen im Herstellungsprozess) folgerichtig phonetisch als „Hugaarden“ und das Duvel als ein „Düvel“.

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Ein Rijstaartje ist zwischendurch und überhaupt bei jeder Gelegenheit ein leckeres Ding und beißt man hinein und entdeckt die Zutaten, dann hat man schon gelernt, das „ij“ sich anhört wie „ei“. Und so weiter und so fort. Weil die Flamen aber alle auch Englisch sprechen, ist das Reisen dort ziemlich einfach.

In der Wallonie hingegen, dem südlichen Teil Belgiens, spricht man Französisch. In der Wallonie brummte einst die Wirtschaft und beim Militär waren die Offiziere stets französischsprachig. Das verstanden die nördlichen Landmänner, die einfachen flämischen Bauern, nicht so gut, was zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Befehlen führte. Dann erloschen in der Wallonie die Schlote und heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt. In Flandern bringen sie pro Nase am Monatsende mehr nach Hause und das sieht man unterwegs auch. Oben: Die wie aus dem Katalog herausgeputzten Häuser, mit der Nagelschere kurz gehaltene Rasenflächen und Buchsbaumhecken mit rasiermesserscharfen Kanten; unten fallen als architektonische Leistungen vor allem riesige Wassertürme aus Sichtbeton auf. 

In einer beliebigen Stadt Flanderns verweilt man gerne mal auf einen Imbiss in irgendeinem Lokal am stets vorhandenen schmucken Grote Markt.

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In der Wallonie fährt man am zentralen Platz einfach weiter. 

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Das mag etwaig mitlesenden Wallonen nicht gefallen, aber liebe Leute, mir hat es bei euren flämischen Landsleuten deutlich besser gefallen. 

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Bleiben wir in Flandern auf der fietsroute. Auf die stoßen wir nach unserem Start von Mönchengladbach aus kommend bei Roermond und weil das in den Niederlanden liegt, das wir ein Stück weit durchqueren müssen,  hat prieditis schon mal was vorbereitet. Ein Gruß geht damit auch an Anneke.

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Vorher müssen wir aber ein erstes Mal mit Karacho bremsen, denn noch in Deutschland entdecken wir diese Rarität, eine DS in Rallyeausführung.

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Mit diesen Sänften, nur ohne Rallye, war ich mit nem Freund früher einige Male quer durch Europa unterwegs.

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Etwas später müssen wir schon wieder halten. Ein weißes Känguruh! Das sieht man auch nicht alle Tage. 

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Überhaupt, wir machen Urlaub und das zufällig auf dem Rad. Wenn’s irgendwo schön ist, dann lassen wir uns das nicht entgehen, Kilometer hin, Zeit her. Ob da eine lustige Ente schnäbelt oder ein vorwitziger Piepmatz unerschrocken guckt, wer wiederum ihn gerade anguckt, ob Dorfkatzen auf dem Asphalt in der Sonne liegen, da sagen wir mal eben hallo.

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120 sonnige Kilometer mit Wind von vorne vergehen und 50 verregnete Kilometer mit mehr Wind von vorne schließen sich an. Die idyllische Kanalroute, flach wie ein Brett, wandelt sich auf unheimliche Weise in ein nervtötendes Monster. Was uns eben noch als sattes Grün, als endlose Alleen, als Wasserläufe mit hübschen Hausbooten erfreute, will nun plötzlich gar nicht mehr enden. Was geht mir das im Dauerregen auf den Keks!

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Eine endlose Zahl von Bäumen steht schnurgeradeaus bis zum Horizont am Ufer aufgereiht und nicht die kleinste Biegung, nicht die kleinste Kurve bringt ein Minimum an Abwechslung. Zwei Stunden lang. Kanal, Wasser, Baum. Kanal, Wasser, Baum. Kanal,  Wasser, Baum. Im Rückblick verschwimmt das zu einem einzigen Standbild und mehr kann ich von der Route nicht erzählen. Weil das hier ja aber alles gratis ist, passt an dieser Stelle prima eine kurze Verbraucherberatung hinein.

Zwar ist nichts so wasserdicht wie Haut, zwar braucht man bei 18° C keine Regenkleidung, aber wenn’s abends kühler wird, sieht das ganz anders aus. Mehrfach erprobt und vom kreuzbuben empfohlen, gerade wenn man die Kleidungs- und Gepäckstücke auf ein Minimum reduzieren möchte: Castelli Nanoflex Armlinge und Knielinge. Die Dinger sind nicht wasserdicht, lassen aber den Regen eine Zeitlang abperlen. Sie werden dann etwas feucht, aber weil das Material „anders“ und dicker ist als bei anderen Armlingen und Beinlingen, bleibt man trotz der Feuchtigkeit warm. Außerdem halten sie den Wind besser ab als andere.

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Kreuzbube im Regen Flanderns

Dann, und dafür muss man leider einen dicken Batzen hinlegen, wenn man nicht das Glück einer EK-Bezugsquelle hat: Das Castelli Gabba Trikot. Das Kleidungsstück, auf das ich nicht mehr verzichten möchte. Windstopper drin, hinten ein Lappen dran, wasserabweisend. Die Ärmel sind länger geschnitten, damit sie mit den Armlingen ordentlich überlappen. Die Windjacke kann man sich sparen und wenn es nicht in den Strömen regnet, alles andere auch. Temperaturmäß deckt man damit alles von 6 bis rauf zu 16 Grad ab, denn erstaunlicherweise schwitzt man darin auch bei steigenden Temperaturen nicht nennenswert. Irre, aber auch irre teuer.

Drunter gehört das beste baselayer, das ich je anhatte. Es ist ebenfalls, ich traue mich kaum das zu sagen, von … Castelli und heißt Iride. Das Teil ist ungemein weich, fühlt sich etwas dicker an als andere Unterhemden, wärmt, ist gleichwohl aber nicht schweißtreibend und bleibt stets trocken. Die Passform: Stellt euch einfach eine Art Schlauch mit Ärmeln dran vor, es hat nämlich am Leib keine Nähte. Dafür ist es auf besagten Leib geschneidert. Race cut, es modelliert eure Anatomie heraus, wie auch immer sie sich darbietet. Aber man hat ja noch was drüber… Das baselayer muss man sich in der größten Größe kaufen, die man kriegen kann. Nur eine Nummer größer, wie sonst bei Castelli, reicht nicht aus, weil sie L und XL zu einer Größe zusammenfassen. Es sieht dann nach dem Auspacken trotzdem noch aus wie ein Kinderhemd. Ich trage L und habe beim Iride (kurzarm) zu XXL gegriffen. Das ist immer noch hauteng, aber gar nicht einengend. Es passt sich an und man kommt sich nicht vor wie eine Presswurst. Irgendwie merkt man es beim Tragen gar nicht. Ein Wunderteil sage ich euch, weil’s als abschließenden Bonus noch einen Müffelfaktor nahe Null hat. Auf Reisen ist das wahrlich kein Nachteil. Leider bekommt man es kaum noch, wer Glück hat eins zu finden, sollte zugreifen. Bike24 hatte das Iride zuletzt für 40.- EUR.

Und so geht es weiter.

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5 Antworten zu Willkommen bei den Sch’tis

  1. kreuzbube schreibt:

    „Kroitsboebe“, das gefällt mir. Alternativ könnte ich mich an ein „van“ gewöhnen. „Van der Boebe“ zum Beispiel. Vor der Kneipe standen wir und fanden es völlig skurril, dass da noch ein altes, verwittertes Schild am Haus hängt, wonach geöffnet sei. Wir hätten nur durch die Tür schreiten müssen, wären aber im Traum nicht darauf gekommen, dass die Tür unverschlossen ist.

    „Salat mit Ui“… Sachen gibt’s. Aber schon habe ich wieder was gelernt, denn es heißt ja Duitsland.

  2. Anneke schreibt:

    Vielen Dank für den Gruß aus der Heimat! Dazu noch das Phantomas-mobil in oranje, wunderbar! 🙂

    Ja, die Aussprache……liest der Niederländer Kreuzbube, sagt er Kröjtzbübe. Steht da Kroitsboebe, dann sagt er Kreuzbube. Das „ui“ ist auch schwierig, klingt wie das eui in „fauteuille“
    Unvergessen die Frage eines Sportfreundes in Valkenburg: „Was ist denn Salat mit Ui“? (Ui ist nicht nur ein Doppelvokal sondern steht auch für Zwiebel…)

    Schade um die Kneipe.

  3. prieditis schreibt:

    Wir haben leider etwas verpasst. Nun gut, man kann nicht alles haben…

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