Die Strick-Liesel

Wie gern hätte ich einen echten Islandpullover. So einen dicken, handgestrickten, der meinetwegen auch ein wenig kratzen darf und die perfekte Mischung aus “American-hipster kid-living-in-Berlin/Neukölln-for-a-while” und Walddorfschule ist. Also “kind of cool” und gleichzeitig “crafty”.

Die junge, isländische Fotografin Rebekka Guðleifsdóttir hat ein beeindruckendes Projekt begonnen. Sie strickt auf Anfrage klassische Island-Wolljacken und hat im August diesen Jahres die vierundachtzigste, handgefertigte Jacke vollendet. Vierundachtzig! Wahnsinn. Ich bringe vor lauter Ungeduld ja kaum zwei sauber gestrickte Reihen “kraus rechts” zustande. Langweilig seien der Fotografin die Strickaufträge bisher auch nur deshalb nicht geworden, schreibt sie auf ihrer Webseite, weil sich jeder Kunde andere Farbkombinationen und einen unterschiedlichen Schnitt wünschen dürfe. Aber nach der hundertsten Strickjacke müsse nun Schluss sein. Die Fotografie leide mittlerweile schon unter dem Gestricke und für andere, schöne Dinge bliebe auch kaum Zeit. Ja, wie denn auch…? Nach der Vollendung von 84 ganzen Island-Jacken würde ich vermutlich bemerken, dass nicht nur mein Hauptjob darunter gelitten hätte,  sondern auch so elementare Dinge wie Zähneputzen und Haare waschen. Auch hätte ich es wohl deshalb nicht mal bis zur fünfzigsten Jacke geschafft, weil die Nachbarn aus Sorge darüber, mich seit Monaten nicht mehr im Treppenhaus gesehen zu haben, sicher längst die Polizei gerufen hätten, um die Wohnungstür auftreten zu lassen. Und da säße ich dann: mit fettigen Haaren im Schlafanzug auf der Couch, Sopranos-DVDs in Endlos-Schleife und hochkonzentriert dabei, ein Bündchen wieder “aufzuribbeln”, bei dem ich mich wohl schon wieder verzählt hatte. Nee, das wäre nichts für mich. Ehrlich nicht. Respekt, liebe Rebekka.

Für etwa 600 Dollar kann man bei Rebekka Guðleifsdóttir noch eine (der letzten sechzehn) dieser Jacken in Auftrag geben. Und auf Flickr ist Rebekka in allen 84 fertiggestellten Prachtstücken zu sehen. Fast kommt es einem vor wie ein großes Kunstprojekt. Ein beeindruckenderes Strick-Oeuvre habe ich jedenfalls noch nicht gesehen!

P.S. Für alle, die im Winter mal wieder einen Schal stricken wollen (es muss ja nicht gleich eine ganze Jacke sein): Nina Schweisgut hat in der Linienstraße 154 in Berlin-Mitte gerade den Strick- und Woll-Laden “Knit Knit” eröffnet.

Fotos: Rebekka Guðleifsdóttir

2 comments

  1. Dale of Norway

    Very beautiful examples of Icelandic knitwear. Such a difference in pattern compared to what we do in Norway and Sweden.

    • hellopetersen

      Absolutely! And those Icelandic sweaters on the photos were all done by one woman (Rebekka, the blond girl on the photo) who does all of them by hand and has been knitting 86 sweaters so far. Quite impressive!

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