175 Jahre Jubiläum AZ Medien

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175 JAHRE

Mittwoch, 9. November 2011 | az

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AZ MEDIEN

ZEHNDER WANNER PRESSE

Familie als Wesensgemeinschaft und Panoptikum: Die Verlegerfamilie auf Schloss Lenzburg mit – von links – Anna, Florian, Peter, Maja, Michael und Caroline Wanner. Bärn, wurde erneut in der Weise dargestellt: als «folgerichtig» und «natürlich», «aargauisch unauffällig, durchdacht und grundsolide». So breit und frei von Erregung war die Anerkennung, dass man schon frotzelte, Wanner gewinne demnächst noch einen Friedenspreis. Nur mündlich, nirgends schriftlich, wurde die Frage gestellt, was man Kapitänen expandierender Unternehmen gemeinhin zubilligt oder unterstellt: «Kann Peter Wanner auch hart sein?» Es gibt da – zum einen – die Theorie «vom Letzten, der zu Wanners Tür rausgeht». Eine beliebte Wanderlehre, die besagt, dass immer der Letzte, mit dem der Verleger rede, recht bekomme, woran man sich folglich halten soll, wenn man bei ihm etwas erreichen will. «Ach ja?», rufen die Söhne am Familientisch amüsiert, gespannt auf die Antwort des Vaters. Peter Wanner sagt: «Ich höre genau zu, was die Leute sagen, nicht unempfänglich, wo sie ihre Sache mit Brillanz vortragen. Und dann mögen sie das Gefühl bekommen, dass ich ihnen auch recht gebe.» Er erwäge indes die Dinge meist sehr lang, ringe mit sich, zumal wenn zwei Seiten einer Sache, für sich gesehen, einleuchtend wirkten, treffe die Entscheide dann aber autonom. Zum anderen gab es, als Peter und Otto Wanner noch gemeinsam dem Unternehmen vorstanden, eine gewisse Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Usanzen: Als vier RedaktionsJunghechte meinten, eine von oben angeordnete Personalie in einem gemeinsamen Brief etwas anders beleuchten zu müssen, wurden sie von Alteingesessenen gewarnt: Für Otto Wanner war jede gemeinsame Aktion Meuterei: «Das BT ist nicht die Bounty!» Der Sohn jedoch liess sich in seinem Büro die Sache erläutern . . . Nun, die Angelegenheit endete so, dass die vier noch einmal beide Prinzipien obwalten sahen, dasjenige der Vergangenheit und das der Zukunft.

Seis drum: Zum Schaden gereichte dem Quartett beides nicht. Sachthemen – was einer sagt und eher weniger, wie er es sagt – waren, sind und bleiben in einem Medienhaus Reibungsflächen. Chefs und Fusssoldaten bekamen das dann und wann zu spüren. Anders ausgedrückt: Wer in den Wald ruft, darf sich nicht wundern, wenn in diesem Wald auch noch ein Verleger steckt und es drum gelegentlich zurückschallt. Der Wald

Aus dem Kräftefeld der Familie erschlossen sich neue Bereiche und parallel dazu äussere. soll stehen bleiben, darum geht es. Nennen wir ihn freiheraus auch wieder mal pathetisch: Bannwald der Demokratie. Es wäre kreuzfalsch, zu sagen, der liberale Peter Wanner sei darin jemals als brachialer Säger und Holzer aufgefallen. Eher als Baumpfleger. IV. DER INNERE KREIS: MAJA, DIE TÖCHTER, DIE SÖHNE Wie halten es hierbei Wanners Nachkommen, in der einen oder anderen Weise wohl auch Nachfolger? Das eingangs bloss angetönte Gefühl am Familientisch verstärkt sich noch, je länger der Abend dauert: So unverwechselbar jeder Einzelne von ihnen ist, so homogen erscheint die Familie zusammen. Angefangen bei etwas so Charakteristischem wie vermutlich auch Förderlichem im öffentlichen Leben: Alle scheinen sie im gleichen Charme-Bad gewendet worden zu sein, wobei der Jüngste, Florian, sich am längsten darin aufgehalten zu haben schien. Die anderen necken ihn – vielleicht darum – als «geborenen Verkäufer». Die schalkhafte Eleganz, mit der er ausdrückt, während des Praktikums in einer Bank zwar viel ge-

lernt, aber nicht bis ans Limit gefordert worden zu sein, er, der lange mit Legasthenie kämpfte, ist umwerfend. An der Hochschule St. Gallen fühlt er sich offenbar wohler. Michaels Werdegang, des Ältesten, wirkt förmlich darauf angelegt, in die Fussstapfen des Vaters zu treten. Aber auch bei ihm haben sich im Laufe der Ausbildung verschiedene Möglichkeiten aufgetan: zum Beispiel als Assistent des CEO von Gruner + Jahr in Hamburg, eines gigantischen Medienunternehmens mit einem Umsatz von 2,5 Milliarden. Im Management oder im Journalismus, mit ersten Erfahrungen im Wirtschaftsressort der az, dann beim «Hamburger Abendblatt» und beim «Stern», wo er, wie Michael sagt, «Blut geleckt» habe. Noch scheint er die Mehrfachoption, eine Wannersche Spezialität, zu geniessen, den sicher guten, weitgehend freien Zustand, sich nicht festzulegen. Einen anderen Weg schlug die jüngere Tochter ein, Caroline. Wer sie näher beschreiben will, müsste auf das trockene Klappern der Computertasten verzichten – eine feine Witterung zeichnet sie aus. Caroline berichtet den Eltern, wie sie, die Medizinstudentin, eine Nebenarbeit gefunden habe im Spital: Nachtwachen bei Patienten während deren Dämmerns, eine Arbeit, worüber manche sich wohl nicht in der Weise freuen würden. Sie erzählt von unsichtbaren, unhörbaren Wechselkräften von Mensch zu Mensch, die eine Art inneres Bild eines Menschen zeichnen. Caroline spricht Spanisch und studierte zunächst Sinologie mit Chinesisch in Wort und Schrift. Ein Jahr lang war sie in China und hätte da auch bleiben können dank eines Stipendiums der chinesischen Behörden für ein Akupunktur-Studium. Aber, sagt sie, die Leute in China seien ihr am Ende zu fremd geblieben, trotz pausenloser Erheiterung über die Art des Humors bei ihnen und europäischen Langnasen. Am Schluss

litt Caroline an etwas, wogegen keine Akupunktur hilft: Heimweh. Vielleicht ist es spekulativ, zwischen Caroline und Maja Wanner, der Mutter, eine Wesensverwandtschaft anzunehmen, deren Grund, ganz allgemein, die Kultur bildet. Maja Wanner ist zum Familientreffen gestossen nach gleich zwei Anlässen: In Rheinfelden sprach sie vor FDPFrauen, in Königsfelden nahm sie an der 700-Jahr-Feier der Klosterstiftung

Die Töchter werden dafür sorgen, dass der Vater nicht auf den Mount Everest entwischt. teil. Diese Klammer – Politik und Kultur – prägt ihr Leben. Erzählt sie jedoch vom Zweiten, nimmt eine ungleich deutlichere Wärme von ihr Besitz. Früh hatte sie, zusammen mit Brigitta Luisa Merki von Flamencos en route, die Bühne entdeckt, eine nicht weniger wahre Welt als das reale Leben. Spät lebte das wieder auf, bei den Klosterspielen Wettingen, wo Maja Wanner in Thomas Hürlimanns «Franzos im Aargau» die Toinette spielte, die Frau des Schulmeisters. Wie sie jenen Sommer schildert, ist zu spüren, dass sie künftig an der Welt des Theaters – oder etwas Vergleichbarem – wohl noch enger Anteil nehmen wird. Im Theater, notabene, lernte Maja Wanner ihren Mann kennen. Bleibt Anna, die ältere Tochter: Ihr Studiengang (Politikwissenschaft und Geschichte) zeichnet, eine Generation später, jenen des Vaters nach. Ein Jahr in New York beschleunigte allerdings den Abschluss. Seither ist Anna entschieden auf den Journalismus eingeschwenkt, mit einer Ausbildung in Luzern, mit Praktika in den hauseigenen Zeitungen und mit Fokus auf politischen Jour-

CHRIS ISELI

nalismus im Inland. Anna ist froh, manchmal unerkannt durchzuschlüpfen. Natürlich könnte sie am Familientisch aus dem Nähkästchen plaudern. Da gelte jedoch die Regel, Redaktions-Interna nicht zu verpetzen, ohne Augenwischerei, dass zwei Verwaltungsräte der Arbeitgeber-Firma gleichwohl Wanner heissen. V. DAS PARADIES LAG IN DER QUARTIERSTRASSE Auch geschäftsferne Dinge kommen nicht unbedingt auf den Tisch: Als Anna mit ihrer Schwester Caroline durch Fernasien reiste, darunter auch in Tibet, erfuhr der Vater erst im Nachhinein davon und wurde fast etwas ungehalten. Das wären seit langem Traumdestinationen auch für ihn gewesen. Die Töchter wollen ihn beim nächsten Mal mitnehmen, aber am Fuss des Himalaja streng darauf achten, dass ihr Vater nicht entwischt und doch noch auf den Mount Everest kraxelt, ein Traum, dem er zwar abgeschworen hat, offenbar aber nicht restlos überzeugend. Alle vier Kinder reden vom Paradies, das sie erlebt haben – freilich noch vor dem Umzug aufs viel beraunte «Schlössli» in Würenlos. Damals, als die Familie an einer Quartierstrasse in Baden wohnte, wo es zwanzig andere Kinder gab, alle versammelt an Mittagstischen, an denen sich die nachbarschaftlichen Mütter abwechselten, eher eine Sippen- als Familien-Struktur. Bezogen auf letztere, will Anna sagen . . ., zögert – ist das öffentlich? –, sagt dann doch: «Ich glaube, ich habe die beste Familie, die ich mir vorstellen kann.» *Max Dohner ist langjähriger az-Autor und Schriftsteller.


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