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Samen gespendet? Drogen vercheckt? Seele verkauft?

2014

Willkommen im System. Und, was tust du so f端r ein bisschen Geld?

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100 Rezepte aus der populären FALTER-Serie Grundkurs Kochen 2 FALTE G

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50 Rezepte aus der populären FALTER-Serie

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Mit der Nummer zwei der gereimten Küchenkunde erscheinen weitere 50 Rezepte zu den Themen Basiswissen, Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch sowie Süßes. Aus der Kochkombüse der Stadtzeitung FALTER kommen Klassiker wie Apfelspalten und Brathendl, fast vergessene Lebensmittel wie Tarhonya und viele Tipps, damit gesundes Essen auch abwechslungsreich bleibt.

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50 te Rezpeop n puläre

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50 Rezepte aus der populären FALTER-Serie Mit der Anleitung, ein Butterbrot korrekt zuzubereiten, startete 2009 im FALTER die Serie „Grundkurs Kochen“. Unter den vier Kategorien Basis, Obst/Gemüse, Fleisch/ Fisch und Süßes wird nützliches Koch- und Küchenwissen aufgelistet. Die Rezepte und Tipps enthalten Essenzielles: Wie kocht man am besten Omelettes, Pasta, Erdäpfelpüree und Fisch? Brät Fleischlaberl, Steaks und Huhn? Rührt Risotto, Milchreis und Kuchenteig?

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Editorial

ziemlich viel Arbeit. Ein Magazin zu machen ist ch ckeln wir Studis sogar no Und seit dieser Ausgabe ha ie „d as gjähriger Chef Thom mehr, weil sich unser lan fgaben zugewandt hat. Peitsche“ Vierich neuen Au s über al eine Reihe von Portrait Das Herzstück sind diesm er, Kleidern, die sich etwa als Gärtn nte de Stu d un en nn nti de Stu dium er Meerschweinchen ihr Stu od r be rei Sch e ym on an ständer, en (S. 14f.). indest etwas dazuverdien finanzieren – oder sich zum ommen. gek ka sind wir nicht herum Auch um das Thema Prakti wurde, geschrieben und gesudert er rüb da oft on sch hl wo Ob n (26f.). nichts verbessert zu habe n tio ua Sit r de an h sic t schein ht finanzieren, muss man nic Um sich das Studium zu und Beihilfen e ihr an die Förderungen zwangsläufig arbeiten. Wi d 36. ihr auf den Seiten 34 un rt ah erf t, mm ko at Sta vom amilien Studierende aus Arbeiterf Neben Geldsorgen haben eine iß men zu kämpfen – we auch mit anderen Proble ener Erfahrung (38f.). unserer Autorinnen aus eig

Der faule Student ist längst tot

Abbildung: Kurt Rudolf Archiv;

COVER: Kurt Rudolf, Christian Bretter

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ann stirbt endlich das Klischee vom faulen Studenten? In der Realität ist es doch schon lange so, dass man ohne Nebenjob während dem Studium nicht mehr auskommt. Einerseits wird man inzwischen von seinen Freunden und Mitstudenten schon mal geringschätzig angesehen, wenn man durch sein Studium bummelt, ohne sich um die Finanzen kümmern zu müssen. Andererseits ist es auf dem heutigen Arbeitsmarkt schwer, nur mit einem Abschluss, aber ohne Berufserfahrung eine gute Stelle zu bekommen. Warum hält sich das Klischee so hartnäckig? Liegt es gar an uns selbst? Vielleicht wollen wir den Traum vom gemütlichen Studium, vom unbesorgten Partyleben einfach nicht loslassen. Die Studentenzeit soll doch die beste Zeit des Lebens sein, wir wollen doch so viel verändern, quer denken, revolutionieren – da passt das brave Arbeitstier nicht ins Bild. Und seien wir uns ehrlich: Der Schritt in die Arbeitswelt tut weh. Studieren und Arbeiten auf einmal – das kostet einfach sehr viel Kraft. Mit vielen Dingen können uns unsere Eltern nicht mehr weiterhelfen. Man DURST 1/14

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ist mit so vielen neuen Verantwortungen und bürokratischem Krimskrams konfrontiert. Mit dem ersten Gehaltsscheck in der Hand können wir es nicht mehr leugnen: Wir werden immer mehr zu einem Rädchen im System. Dazu kommt, dass viele von uns gar keine andere Wahl haben als neben dem Studium zu arbeiten. Sonst gehen sich Master oder Bachelor hinten und vorne nicht aus. Andererseits ist es ein gutes Gefühl, nicht oder nur mehr teilweise auf das Geld der Eltern angewiesen zu sein. Was mit dem Selbstverdienten passiert, geht niemanden mehr etwas an. Mit einem Plus am Konto muss man nicht jeden Euro dreimal umdrehen und selbst beim beschissensten Job lässt sich was dazulernen – sei es nur die Erkenntnis, ihn nie wieder machen zu wollen. Und hin und wieder kommt es ja tatsächlich vor, dass die Arbeit Spaß macht und uns ganz neue Perspektiven eröffnet. Höchste Zeit also, das verstaubte Klischee in die Tonne zu treten. Dass Studieren Arbeit bedeutet – in mehrerer Hinsicht – wissen wir schon lange. Und dass sie uns gut tun kann, auch.

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INHALT

Von Studijobs, zu Fördergeldern bis hin zum Arbeiten im Ausland: ein Heft rund ums Studieren und Geldverdienen.

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NOTEN

NEW YORK

Warum sie wenig mit Objektivität zu tun haben, aber trotzdem Personalchefs überzeugen.

Unser Korrespondent hat genug vom ewigen SmallTalk über den Job.

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JOBTEST

Was arbeiten? Unser Psychotest verrät euch, für welche Jobs ihr geeignet seid.

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GELD

DURST erklärt Hans Habenichts, wie er vom Staat Unterstützung bekommt.

Wie man Job und Studium miteinander vereinbart.

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NEUSEELAND

STUDIJOB

Warum da so viele hinwollen? Garantiert nicht wegen den Jobs, denn die sind rar.

Unsere große Strecke mit Portraits von Studenten, die sich mit kuriosen Jobs ihr Studium finanzieren – oder finanziert haben.

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PRAKTIKA

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SEXFRAGEN

Am besten boykottieren? So einfach ist die Sache nicht. Studierende erklären, warum.

beantwortet Prof.Dr. Pfannenstiel ganz unverfroren.

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UNGLEICHE CHANCEN

An den Unis selten wie Orchideen, in der Familie oft unverstanden: Arbeiterkinder und deren Probleme mit dem Bildungssystem.

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BERLIN

Warum unsere Autorin auswanderte, sich in die Stadt verliebte und ernüchtert zurückkehrte.

MEDIENINHABER Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H. Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien T: 01 536 60-0, E: durst@falter.at www.falter.at/durst REDAKTION Martina Powell (Ltg), Sonja Dries, Raffael Fritz, Lena Hammerstingl, Valentin Ladstätter, Jana Lapper, Stefanie Rachbauer, Sandra Schieder, Manon Steiner, Johannes Tschohl AUTOREN Manuel Köllner, Mara Simperler, Manuela Tomic ART DIRECTION Christian Bretter FOTOS & ILLUSTRATION Gaia Soldatini, Kurt Rudolf, Johanna Mark, und wie angegeben HERSTELLUNG Falter Verlagsgesellschaft m.b.H., Produktion: Reini Hackl, Raphael Moser Anzeigenverkauf: Sigrid Johler (Leitung), Geschäftsführung: Siegmar Schlager DRUCK Leykam Druck GmbH DVR: 047 69 86 Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten.

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FOTOCREDIT: PRIVAT (9), DANIEL PUFE

BERUFSBEGLEITEND

FOTOCREDIT: WIE IM HEFT ANGEGEBEN

IMPRESSUM

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Als Maskenbildnerin versagt, in der Küche eine Niete und hinter der Bar falsch abgerechnet. Gut, dass wir alle heute etwas anderes tun.

Raffael Fritz, 28 Magister (FH), Journalist Aushilfe in einer Bar – das klingt am Anfang cool. Aber auch als Alkohol-Dealer gilt: Never get high on your own supply. Besonders, wenn du nach drei Bier das Kopfrechnen verlernst.

Lena Hammerstingl, 21 Journalismus und Medienmanagement Bis heute habe ich ein schlechtes Gewissen wegen meiner Arbeit in der Maske für das Schultheater. Mein Lehrer kam eines Tages mit der Überzeugung auf mich zu, ich sei perfekt geeignet für diesen Job. Keine Ahnung, wie er darauf kam. Die Schauspieler sahen nach meinen Schminkkünsten aus wie Clowns.

Valentin Ladstätter, 24, Zeitgeschichte Ich hatte bisher immer Glück. Klar, nicht alle Jobs, die ich gemacht habe, waren ein Traum. Manche waren fad, andere unbezahlt, aber keiner ein Graus. Gelernt habe ich auch beim langweiligsten Job wenigstens, dass ich da nicht mehr hin will.

Martina Powell, 25, Zeitgeschichte Bierkisten schleppen, Milchpackungen einräumen, Chipstüten stapeln – und dann auch noch die Dauerbeschallung durch das Radio. Nach sechs Wochen war ich froh, dass ich nicht mehr im Supermarkt einschlichten musste. Stefanie Rachbauer, 22, Politikwissenschaft Wie viele Leute laufen an einem eiskalten Samstag nach 21 Uhr am Schottenring herum? Genau 39, habe ich beim Passanten-Zählen erfahren. Wer das wissen will und warum? War mir für einen Zehner pro Stunde egal.

Johannes Tschohl, 27 Journalismus und Medienmanagement In jungen Jahren bin ich bei einem Sommerjob vom Vorgesetzten um 10.000 Schilling betrogen worden. Das zehn Jahre später im Versicherungsdatenauszug festzustellen, war bitter.

Sandra Schieder, 23 Journalismus & PR Miese Jobs gibt es viele. Einen richtig Beschissenen hatte ich trotzdem noch nie. Der Grund dafür: Ich bin wohl gänzlich ungeeignet für so ziemlich alles. Servieren mit zwei linken Händen und Nachhilfe geben mit einem hauchdünnen Geduldsfaden ist genauso unmöglich wie Zeitungen zustellen als Morgenmuffel. Sonja Dries, 26, Journalismus und Neue Medien, Romanistik Acht Stunden am Tag ging es darum, sich selbst zu beschäftigen, dank der absoluten Ignoranz der Kollegen und Vorgesetzten. Mein Volontariat bei einer Tageszeitung war ein verschenkter Sommermonat.

Jana Lapper, 22, Deutsche Philologie, Kultur- und Sozialanthropologie Meinen letzten Ferialjob in der Küche einer urbayrischen Wirtschaft habe ich nur gerade so überlebt. Wenn man am Montagmorgen als erstes das Fleisch von gekochten Hühnchen zupfen soll, kann einem als Vegetarier schon mal das Frühstück hochkommen. Manon Steiner, 25, TFM, Vergleichende Literaturwissenschaft Schlimm genug, dass ich an meinem ersten Tag beim Catering Champagnergläser schleppte und selbst nichts davon abbekam. Ich musste sie auch noch durch eine dicht gedrängte Menge an B-Prominenz balancieren. Keine gute Idee. Der Meinung war auch der Gast, dessen Anzug sich als sehr saugfähig erwies.

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Drum trenne, was ewig weiterleben soll. Glasrecycling bringt jedes Jahr rund 230.000 Tonnen Altglas wieder in den Wertstoffkreislauf zurück.

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Fotocredit: privat (9), Daniel Pufe

Fotocredit: wie im heft angegeben

Die Redaktion stellt sich vor

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Ausgewählte studentische Projekte

Best of Students Handgemacht Drei Studenten aus Graz machen Printjournalismus mit viel Liebe zum Detail.

Stickereien mit fast 400 Stichen auf dem cover, Statt Seitenzahlen geben Uhrzeiten dem Leser Orientierung. Andreas, Markus und Christoph wollen Printjournalismus mal anders machen

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Foto: Alexander Rauch Photography

Andreas Leitner (23), Markus Knauß (24) und Christoph Berger-Schauer (25) feierten vor wenigen Wochen das einjährige Bestehen von a magazine.

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Foto: Angela Frankel

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m digitalen Zeitalter ein Printmagazin als Innovation zu verkaufen, ist ein eher riskantes Unterfangen. Aber mit viel Engagement, Liebe zum Detail und Zeitaufwand haben Andreas Leitner (23), Markus Knauß (24) und Christoph Berger-Schauer (25) von der FH Joanneum in Graz das geschafft, was viele für unmöglich hielten: Sie haben ein eigenes Printmedium namens a magazine gegründet, das vor wenigen Wochen sein einjähriges Bestehen feierte. Das Besondere an a magazine liegt vor allem in den vielen kleinen Details. So zeigte etwa das Cover der Oktoberausgabe 2013 eine handgemachte Stickerei mit fast 400 Stichen. Statt Seitenzahlen geben Uhrzeiten dem Leser Orientierung. Die Geschichten sollen zur jeweiligen Tageszeit passen, so die Idee. Ausschließlich auf klassischen Printjournalismus möchten die drei allerdings nicht setzen. Sie haben natürlich eine Website, die Leser können einzelne Heftseiten mit dem Handy scannen und Zusatzinformationen beziehen. Der Druck von a magazine wird über die Anzeigen finanziert. Gewinn geht sich jedoch keiner aus. Die meiste Arbeit, wie etwa Layout, Redaktion und Vertrieb, erledigen die drei Studenten selbst. Jede neue Ausgabe feiern die drei mit einer Releaseparty für Fans, Leser, Partner und Unterstützer. Ein Drittel der auf 500 Exemplare limitierten Ausgabe ist bereits auf den Releaseparties vergriffen, der Rest wird verteilt oder über Abos vertrieben. Und damit auch jeder ein Unikat in den Händen hält, ist jedes Exemplar handsigniert. Sandra Schieder www.a-mag.at


„Wir waren so in unsere Forschungen vertieft. wir Wussten gar nicht, wie es bei den anderen voran ging“ Angela Frankel

In humorvoller Kurzform fassen Studierende auf lolmythesis.com ihre Abschlussarbeiten

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zusammen. Auch Österreicher machen mit.

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Wissenschaft zum Lachen

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Auf Angela Frankels Webseite machen sich Studis über ihre eigenen Abschlussarbeiten lustig.

Beitrag „It is difficult to own things that don’t exist“. Die Idee zu „lol my thesis“ hatte Angela vergangenen Dezember, als sie und alle ihre Freunde gerade mitten in ihren Abschlussarbeiten steckten. „Wir waren so in unsere eigenen Forschungen vertieft, dass wir gar nicht wussten, wie es bei den anderen voran ging“, erzählt Angela auf DURSTAnfrage. „Da wurde es üblich, dass wir unsere täglichen Fortschritte humorvoll und hochgradig vereinfacht füreinander zusammenfassten.“ Schließlich beschloss sie, diese Kurzversionen zu veröffentlichen. Ein Freund half ihr bei der grafischen Umsetzung. Rund 14.500 Follower hat „lol my thesis“ beim Microblogging-Dienst Tumblr mittlerweile. „Ich dachte nie, dass sich das so gut entwickeln würde“, sagt Angela. Sie bekommt inzwischen so viele Zusendungen, dass sie gar nicht mehr alle veröffentlichen kann, sondern die besten auswählt. Beiträge seien aber immer willkommen. Stefanie Rachbauer www. lolmythesis.com

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have killed so many fish“. So lautet die ironische Zusammenfassung von Angelas Bachelorarbeit auf ihrem Blog lolmythesis.com. In Wirklichkeit ist die Arbeit der StammzellenbiologieStudentin an der Universität Harvard natürlich um einiges komplexer. Aber die Idee, Ergebnisse oft monatelanger Forschungen in humorvoller Kurzform online zu stellen, findet großen Anklang – und das nicht nur in den USA. An die 1.700 Studenten haben Angela Frankel (21) bereits Beiträge für ihre Seite zugeschickt. Amerikanische, chinesische, russische, australische und sogar österreichische Studis sind darunter. „Even though I deleted half my data out of anger, it is safe to say these high school textbook authors fucked up“, fasst etwa ein Sprachwissenschaftler von der Uni Wien seine Untersuchungen zusammen. „Don’t buy stuff you can’t afford“, schreibt ein Student am Juridicum über seine Arbeit „The Transfer of Undertaking and its Implications by Fundamental Rights“. Von einem PhilosophieStudenten an der Uni Wien kam der

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Was möchte ich studieren? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Wer hilft mir bei Fragen und Problemen? Verlassen Sie sich nicht auf Auskünfte aus zweiter Hand, holen Sie sich Ihre Infos bei den Profis. Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft steht Studierenden mit seinen Servicestellen und Beratungsangeboten zur Seite. Nähere Informationen zu den Leistungen rund ums Studium finden Sie auf www.bmwfw.gv.at.

studium mit Zukunft

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Gold-Lisl kommt nach Hause Architekturstudenten aus Österreich sorgen mit ihrem Energiehaus L.I.S.I. weltweit für Aufsehen. Das preisgekrönte Projekt soll nun auch in der Heimat ausgestellt werden.

„Für alternative Entwürfe soll ein junges Start-Up gegründet werden, das sich um die Planung von gröSSeren Einfamilienhäusern oder Geschäftslokalen kümmert“ Andreas Claus Schnetzer von der TU

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Da jubeln die Gewinner: das L.I.S.I.-Team bei der Preisvergabe. Alles grün: Aus dem Abwasser wird über eine spezielle Vorrichtung Wärme rückgewonnen; eine Photovoltaik-Anlage am Dach sorgt für Strom.

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FotoS: Anna Pritz, Manon Steiner

Glastüren und vorhangartigen Elementen lässt sich der Wohnraum nach außen erweitern. Auch technisch ist L.I.S.I. bis ins letzte Detail durchdacht: Sogar aus dem Abwasser vom Duschen wird über eine spezielle Duschtasse Wärme rückgewonnen und so Energie gespart. Den Strom liefert eine Photovoltaik-Anlage am Dach. Auch größere, L.I.S.I.-ähnliche Häuser will Schnetzer bald bauen. „Für alternative Entwürfe soll ein junges Start-up gegründet werden, das sich um die Planung von größeren Einfamilienhäusern oder Geschäftslokalen kümmert“, erzählt er. Zwei Jahre lang tüftelten Schnetzer und seine Kollegen mit rund 70 Studenten an dem Haus herum. Nicht nur die TU, sondern auch andere Hochschulen und Projektpartner aus der Wirtschaft waren an L.I.S.I. beteiligt. Studenten der FH St. Pölten entwickelten zum Beispiel Tools zur Steuerung von Heizung und Lüftung, die Innenausstattung stammt von der FH Salzburg. Vom ersten Strich am Skizzenpapier bis zum Aufbau des Hauses beim großen Finale in Kalifornien erledigten die Studis alles selbst. „Die größte Herausforderung war sicher die Koordination“, sagt Schnetzer. Gleichzeitig sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit aber auch das Interessanteste an L.I.S.I. gewesen. „Jeder hat von jedem gelernt“, erzählt der Projektmanager, „das ist auch sicher das, was wir alle mitnehmen werden.“ Wer L.I.S.I. jetzt schon genauer unter die Lupe nehmen will, kann das im Architekturzentrum Wien tun. Dort ist derzeit eine Miniaturversion ausgestellt. Stefanie Rachbauer www.solardecathlon.at

FotoS: www.solardeclaton.com

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eifall, Lob, Bewunderung. Das alles ernteten die ArchitekturStudenten der Technischen Universität Wien, als sie im Oktober mit ihrem Energiehaus L.I.S.I. den ersten Platz beim Bauwettbewerb „Solar Decathlon“ holten. Ab Mai wird es möglich sein, das vielgepriesene Gebäude auch in Originalgröße anzuschauen. Denn dann soll L.I.S.I. in der „Blauen Lagune“, einem Fertighauspark in Vösendorf, ausgestellt werden. „Wir wollen unser Haus möglichst vielen Leuten zugänglich machen“, sagt TU-Assistent Andreas Claus Schnetzer. Er war gemeinsam mit seinem Kollegen Gregor Pils und TUProfessorin Karin Stieldorf für die Projektleitung verantwortlich. „Living inspired by sustainable innovation“ ist der volle Name des Gebäudes, mit dem das „Team Österreich“ einen der renommiertesten universitären Wettbewerbe für nachhaltiges Bauen gewann. Das besondere an dem Zehnkampf: Die Teilnehmer entwickeln ihre Beiträge nicht nur auf dem Papier, sondern müssen diese am Austragungsort Kalifornien auch tatsächlich bauen. Momentan reist das Haus, in sechs Container verpackt, zurück nach Österreich. „Fünf sind schon da“, sagt Schnetzer. „Bei einem gab es Probleme beim Zoll.“ Ob L.I.S.I. auch bei Hauskäufern so gut ankommt wie bei den Preisrichtern, werden er und seine Projektkollegen voraussichtlich erst im Sommer sehen. Eine Firma, die das Team gesponsert hat, will das Gebäude nun in Serie nehmen. Rund 300.000 Euro wird ein L.I.S.I.-Haus je nach Ausführungsvariante kosten. Der Prototyp misst 60 Quadratmeter und bietet für ein bis zwei Personen Platz. Mit


„Uns unterstützen auch Leute, die eine Lehre oder ihr Studium ohne Matura gemacht haben. Wir wollten das möglichst bunt mischen“ Marlies Brommer von der Akademie

In Form von „Speed Datings“ erklärt Marlies, was sie an der Akademie so macht.

Flirten mit der Bildung Die Akademie der Bildenden Künste will Jugendliche aus allen Schichten in die Uni locken.

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leiche Chancen für alle, Barrieren abschaffen, Bildung als Gemeingut. So lautet der Slogan vieler Politiker. Getan wird aber nur wenig, finden Studierende und Lehrende der Akademie der Bildenden Künste. Deshalb packen sie mit ihrem Projekt „Die Akademie geht in die Schule. Gleichere Chancen durch interkulturelle Bildung“ das Problem jetzt selbst an.

FotoS: Anna Pritz, Manon Steiner

FotoS: www.solardeclaton.com

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Anstoß für die Initiative gab eine Evaluierung der Aufnahmeprüfung an der Akademie. Dort kam heraus, dass die meisten Studierenden aus der privilegierten Bildungsschicht stammen. Nicht gut, dachten sich Anna Pritz, Kunst- und Kulturpädagogin vom Institut für das künstlerische Lehramt der Akademie (WKL), und die Professorin Ruth Sonderegger. Daraufhin entwickelten sie die Idee, an

Mittelschulen zu gehen, um dort über die Möglichkeiten eines Studiums zu informieren und auf lange Frist Bildungsungleichheit abzubauen. In Form von so genannten „Speed Datings“ stehen Lehrende und Studierende der Akademie sowie Vertreter der Initiative arbeiter-kind.at Schülerinnen und Schülern als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Jugendlichen sind dabei aufgefordert, von Tisch zu Tisch zu gehen, um dort jeweils für einige Minuten so viele Fragen wie möglich zum Thema Beruf und Ausbildung zu stellen. Der erste Probelauf fand im Oktober 2013 in der 3. Klasse statt. Das Projekt solle dabei nicht als Werbeeinschaltung für die Akademie verstanden werden, sagen die Initiatorinnen. Vielmehr wolle man generell über die Möglichkeiten einer universitären Ausbildung für Kinder mit Eltern ohne akademischen Hintergrund informieren.

„Uns unterstützen auch Leute, die eine Lehre oder ihr Studium ohne Matura gemacht haben. Wir wollten das möglichst bunt mischen. In den Feedbacks haben wir gehört, dass die Kinder das sehr beeindruckt hat“, sagt Marlies Brommer, Studentin am WKL und Mitwirkende des Projekts. Fünf Jahre soll das Projekt vorläufig dauern. Für die Zukunft gibt es viele Ideen. Informationen sollen zugänglicher gemacht werden und eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle ist geplant. Der Kontakt mit den bisherigen Schulen soll aufrechterhalten und neue Bildungseinrichtungen einbezogen werden. Dabei ist auch jeder Studierende eingeladen, beim Projekt mitzumachen: „Je mehr Studienrichtungen, desto besser. Es wäre cool, wenn das Format auch von anderen Unis angenommen wird, damit es nicht nur eine Akademiegeschichte bleibt.“ Manon Steiner www.akbild.ac.at / www.arbeiter-kind.at

„Die Flüchtlinge wollen nicht betteln oder ig sein, aber sie dürfen nicht arbeiten.

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LIFESTYLE

„AM BESTEN SCHMEISST DU DIR DEN SOUNDTRACK VON PRETTY WOMAN AUF DEINEN NEUEN MP3-PLAYER UND LÄSST DICH EINFACH TREIBEN. ES IST DAS KLÜGSTE, WAS DU TUN KANNST. SCHLIESSLICH HAT MAN, WAS MAN HAT“

ach dem Leben als armer Schlucker auf der Uni fallen dir beim ersten Gehaltszettel fast die Augen aus dem Kopf. So viel Geld! Doch als frisch gebackener Großverdiener kommt nach dem anfänglichen Glücks-Schock bald ein neues Problem auf dich zu: Wohin mit der ganzen Kohle? Die Miete ist bezahlt, du hast jeden Tag Pizza oder Sushi bestellt und trotzdem ist am Ende des Monats noch so viel Moos übrig. Da gibt’s nur eins: Ab auf die Kärntnerstraße! Du bist jetzt ein wertvolles Rad im System. Also dreh dran! Die Wirtschaft will angekurbelt werden und du gehörst zu jenen, die das können. Mit großem Portemonnaie kommt große Verantwortung. Außerdem hast du es bestimmt nötig. Schau dich nur mal an! Dein Handy ist bestimmt nicht auf dem neuesten Stand und von deiner Uhr wollen wir gar nicht erst reden. Maßanzug, Cocktailkleid, neue Schuhe ... Am besten schmeißt du dir den Soundtrack von Pretty Woman auf deinen neuen MP3-Player und lässt dich einfach treiben. Es ist das Klügste, was du tun kannst. Schließlich hat man, was man hat und bei den momentanen Zinsen wird das Geld auf der Bank ohnehin nur weniger. Ist es nicht ein tolles Gefühl, so viele neue Sachen zu besitzen? Und das Glück, das du empfindest, wenn du dir etwas kaufst, hält zwar nicht ewig an, aber du musst dir ja nur wieder etwas Neues zulegen. Schon fließen die Endorphine wieder in Strömen. Na gut, du musst dir schon mit der Zeit immer mehr oder immer teurere Sachen kaufen. Aber schließlich bekommst du ja auch immer mehr Gehalt, oder? Eben. So lebst du wirklich glücklich bis ans Ende deiner Tage. Valentin Ladstätter

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WEAR SQUARE!

Dreiecke sind so 2013! Wer heute cool sein will, trägt ein Quadrat auf der Brust. Gibt‘s für knapp 26 Euro auf zazzle.at. Nicht vergessen: It‘s hip to be square!

FERNWEH

Tokio? New York? Oder doch Paris? Die Motive von George Gina & Lucy wurden von den größten Modemetropolen inspiriert. „Stay City Weird“ für 119 Euro.

HALS ÜBER KOPF

Billig sind sie zwar nicht (ca. 200 Euro), dafür aus guter Baumwoller oder Kaschmir. Und die Weberinnen in der Mongolei werden auch fair bezahlt – sagen die beiden Hippie-Schwestern Leigh & Luca.

BAUKLÖTZE

Wer schon am Frühstückstisch nerdig sein will, schneidet sich einfach seinen Toast in mundgerechte Tetris-Stücke – via neatgeek.com (ca. 13 Dollar).

BÖSER STICK

Leider unverkäuflich und ungenießbar. Den USB-Stick kann man sich bis 6. 7. in der Ausstellung „Böse Dinge. Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks“ im Hofmobiliendepot ansehen.

38 EURO

So viel kostet ein frisches Gesicht bei Yves Saint Laurent. Unbezahlbar nach einer durchzechten Partynacht. Den Highlighter „Touche Éclat Wild Edition“ gibt‘s in jedem gut sortierten Drogeriemarkt.

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WAS TUN MIT SO VIEL KOHLE?

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Sportfreunde Stiller

poolbar mit Pratersauna 8. - 10. 5., Pratersauna, Wien Die Feldkircher Poolbar feiert auch diesen Mai in der Pratersauna ein paar dicke Parties mit einem ganzen Haufen nationaler und internationaler Bands. Daneben gibt’s jede Menge DJs, einen Mix aus Poetry Slams, Kurzfilmen und vielem mehr.

Pearl Jam 25. 6., Stadthalle, Wien Eine der letzten ganz großen Grungebands geht 2014 auf Europatournee. Pearl Jam erlebten 1991 bereits mit ihrem ersten veröffentlichten Album „Ten“ ihren großen Durchbruch. 2013 erschien ihr zehntes Studioalbum, das sie mit ihrer Tour promoten. Wer eine lebende Legende sehen will, sollte sich dort blicken lassen. Kostet auch 15 Euro weniger als Miley Cyrus.

Pearl Jam Eröffnung von „Sommer im Museumsquartier“ 8. 5., MQ, Wien Im Museumsquartier beginnt der Sommer bereits Anfang Mai. Damit das MQ den Sommerbeginn nicht allein feiern muss, trifft man sich bei freiem Eintritt in seinen Kulturinstitutionen zu Führungen, Workshops, Musik, Grillen und vielem mehr. Stadtfest 16. - 17. 5., in der ganzen Wiener Innenstadt Zum 31. Mal feiert Wien das Stadtfest in der Innenstadt. Genauere Infos waren bei Redaktionsschluss noch nicht öffentlich. Aber die Erfahrung zeigt, dass es wieder eine Mordsgaudi werden wird. Schließlich ist der Eintritt frei!

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Miley Cyrus 10. 6., Stadthalle, Wien Über Miley Cyrus wurden genug Witze gerissen, deshalb lassen wir das lieber. Der komische kleine Wrecking Ball kommt jedenfalls nach Wien. Und wer knapp 60 Mücken locker hat, kann die twerkende Skandalnudel im Juni live in der Stadthalle angucken. Und sollte das auch tun. Ganz egal, ob einem die Musik gefällt oder nicht, ein Erlebnis wird’s allemal.

FotoScredit: Warner Music, Gerald von Foris, FMService GmbH, Florian Auaer, Danny Clinch

Left Boy 31. 3, Gasometer, Wien Ferdinand Sarnitz aka Left Boy, Sohn des berühmten André Heller, schreibt seit er 16 ist Rapsongs. Sein Hit „Jack Sparrow“ hat immerhin schon knappe sechs Millionen Klicks auf YouTube, was für einen österreichischen Künstler, vor allem einen Rapper, ganz schön viel ist. Am 31. 3. gibt er das Abschlusskonzert seiner Tour im Gasometer.

Poolbar in der Pratersauna

Miley Cyrus DURST 1/14

26.02.2014 12:07:56 Uhr


ILLUSTRATION: JOHANNA MARK; KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

Vom Model bis zum Versuchskaninchen: Mit welchen Jobs Studierende ihr Geld verdienen Hitliste: Auf welche Arbeit wir verzichten können • Was aus der „Generation Praktika“ geworden ist

Luft und Liebe zahlen keine Rechnungen. Deshalb muss unser Sekthund in die Uniform. Liedzeile aus „Money“ von Barrett Strong. DURST 1/14

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Studentenjob: Model

nach MaSS

Fashion, Drogen, Skandale und Big Money? Von wegen! Unsere Autorin ist Studentin und arbeitet seit über fünf Jahren als Model. Für DURST hat sie ein kleines Lexikon zusammengestellt und warnt: Als Studijob ist die Arbeit nur bedingt lukrativ, dafür hart und oft alles andere als glamourös.

500 € pro Show

Hinter den Kulissen geht es in der Glitzerwelt weniger glamourös zu.

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Frust, der Natürlich habe ich schon überlegt, das Modeln einfach zu lassen und mir einen anderen Job zu suchen. Vor allem die Anforderungen an den → Körper sind auf Dauer sehr anstrengend.Für das Modeln spricht für mich allerdings, dass man im Vergleich zu anderen Studentenjobs tatsächlich einiges verdienen kann. Außerdem bleibt man als Model flexibel und kann den Job gut mit der Uni vereinbaren. Ich kann beispielsweise jederzeit zu meiner Agentur sagen, dass ich keine Zeit habe, auf ein Casting zu gehen oder dass sie mich für zwei Wochen blockieren soll, da ich für Prüfungen lernen muss. Und der wohl ausschlaggebendste Punkt: Es wird nicht langweilig. DURST 1/14

26.02.2014 12:45:45 Uhr

Klebeschrift: Kurt Rudolf

Ü

berrascht war ich schon, als mich mit 16 Jahren ein Scout in der Hamburger Innenstadt ansprach, ob ich nicht Lust hätte zu modeln. Er arbeite für eine → Agentur und ich solle doch mal vorbei kommen und mich bei ihnen vorstellen. Zunächst war ich skeptisch und dachte, der Typ will mich angraben. Dann habe ich die Agentur gegoogelt und mich ein bisschen über die Branche informiert. Als ich mich vorstellte, fanden sie mich tatsächlich gut. Da ich noch zur Schule ging, arbeitete ich zu Beginn nur hin und wieder als Model, nach meinem Abschluss aber dann für eineinhalb Jahre Vollzeit. Allerdings war für mich schon immer klar, dass ich auch studieren möchte. Deshalb bin ich derzeit Vollzeitstudentin und arbeite nur nebenberuflich als Model. Ich nutze vor allem die Semesterferien und die lange Sommerpause, um zu reisen und Fashion Weeks zu besuchen. Meinen echten Namen möchte ich deshalb nicht verraten, weil die Welt der Mode – vor allem in Österreich – klein ist.

man seine Agentur sehr sorgfältig auswählen, da sie den wichtigsten Ansprechpartner darstellt - und in der Modelbranche leider auch viele unseriöse Teilnehmer unterwegs sind. Aber dazu mehr unter → Skandale.

Foto: privat

von Cate Catwalk

Agentur, die Gleichermaßen geliebt und verhasst, ist sie meist Ursprung vieler Vorurteile gegenüber dem Modeln. Die Agentur fungiert vor allem als Vermittler zwischen Model und Kunden. Außerdem organisiert sie Jobs, Auslandsaufenthalte, erstellt Sed-Karten (eine Art überdimensionale Visitenkarte von Models), treibt das Geld von den Kunden ein, gibt dieses nach saftigen Abzügen an dich weiter und meckert oft an deiner Figur oder Haarfarbe herum. Gute Agenturen entwickeln eine Strategie, wie sie ihr Model langfristig managen. In Deutschland und Österreich verlangen Agenturen für ihre Arbeit 25-30 Prozent Provision (→ Geld) für alle Jobs, die du in ihrem Namen erledigst. Entweder wird man „entdeckt“ – das bedeutet Scouts sprechen dich auf der Straße an und wollen dich für ihre Agentur anwerben – oder man bewirbt sich selbstständig bei einer Agentur. In jedem Fall sollte


GLAMOUR, DER Natürlich sind Glitzer und Halli Galli auch Teile der Fashionwelt. Gerade in modeaffinen Städten wie Mailand oder Paris kann man es sich als weibliches Model schon gut gehen lassen. Vorteile wie freier Eintritt und freie Getränke in den nobelsten Clubs der Stadt, umsonst in bestimmten Restaurants Mittagessen – der so genannte „Models Free Lunch“ – oder auch Vergünstigungen in Friseursalons oder Fitnessstudios werden angeboten. Sehr beliebt sind auch die Aftershow-Partys von großen Kunden, denn das bedeutet „Open Bar“: Gratis Champagner, bis dir schlecht wird. MODELN, DAS Der „Normalbetrieb“ setzt sich hauptsächlich aus Castings, Fittings, Modenschauen, KollektionsKLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

FOTO: PRIVAT

GELD, DAS Mit Modeln wird man nicht reich. So, nun wäre das Wichtigste schon mal gesagt. Denn im Gegensatz zum allgemeinen Bild der Öffentlichkeit ist Modeln kein Business, in dem sich schnell viel Kohle verdienen lässt. Es ist zwar richtig, dass die Tagesgage durchschnittlich höher ist als bei anderen Studentenjobs. Diese Summen sagen allerdings nichts darüber aus, wie viel man letztendlich von der Agentur ausbezahlt bekommt. Ein Beispiel: Es ist Fashion Week in Mailand. Man ist auf vier Shows gelaufen und bekommt je Modenschau 500 Euro, macht 2000 Euro brutto. Davon abgezogen werden: 50 Prozent pro Job Agenturprovision (üblich in Mailand), 100 Euro für die Sed-Karte, 25 Euro für das Modelbuch, fünf Euro für die Citymap, 250 Euro Kosten für die Unterkunft, 200 Euro für den Flug, 200 Euro für den Fahrer. Und schon bleiben von verdienten 2000 Euro für zehn Tage Arbeit nur noch 220 Euro übrig. Mit Fashion Weeks verdient man also nicht das große Geld. Es geht eher darum, sich auf dem internationalen Markt zu zeigen und Referenzen aufzubauen. Arbeitet man jedoch beispielsweise in seiner Heimatstadt als Model, ist es durchaus eine nette Einnahmequelle. Hier fallen viele Kostenpunkte weg. So muss kein Flug, Fahrer oder → Apartment bezahlt werden und die Agentur verlangt in der Regel auch nur 25-30 Prozent Provision. Allerdings sind die Jobs in Österreich auch schlechter bezahlt, zwischen 80 und 500 Euro liegen die Durchschnittsgagen.

präsentationen, Showroom-Jobs und Fotoshootings zusammen. Je nachdem, auf welchem Qualitätsniveau wir uns bewegen, gibt es dann noch Kaufhauseröffnungen, oder Jobs als Haarmodels und Party-Girls, aber diese Arbeiten zählen nach meinem Verständnis nicht mehr zum klassischen Beruf des Models. Es lässt sich nicht verallgemeinern, welche Art von Job am meisten Spaß macht, da die Umstände jedes Mal verschieden sind. Dabei kommt es auf Faktoren wie die Laune des Kunden an, die Chemie im Team, das Leistungspensum, das es zu bewältigen gilt und auf die Bezahlung an.

KÖRPER, DER Dein Körper ist dein Kapital. Diese Floskel gilt nicht nur für Stripperinnen, sondern auch für Models. Daher muss, wer Geld damit verdienen möchte, auch penibel auf sich achten. Das bedeutet in erster Linie: dünn sein. Mancherorts (Paris) sogar so dünn, dass der Hüftumfang dem eines zehnjährigen Mädchens entsprechen würde. In Österreich reicht es, einfach nur „schlank“ zu sein. Diese Tatsache ist meiner Meinung nach auch das Härteste an diesem Beruf. Leider haben viele meiner Kolleginnen mit einer Essstörung zu kämpfen. Glücklicherweise ist mir das Modeln nicht so wichtig, als dass ich mich von diesen körperlichen Extremen beeinflussen lassen würde. Meine schlanke Figur verdanke ich einerseits einem genetischen Vorteil, andererseits mache ich viel Sport und ernähre mich gesund. Der Druck von den → Agenturen zur perfekten Figur ist enorm. Die Maximalmaße für Frauen sind 88 Zentimeter im Brustumfang, 60 Zentimeter Taillenumfang und 89 Zentimeter Hüftumfang. Der geringe Hüftumfang stellt meist das größte Problem dar, da dieser auch nicht an der eigentlichen Hüfte gemessen wird, sondern an der breitesten Stelle des Pos. Der vor ein paar Jahren in den Medien propagierte Trend zu normalgewichtigeren Models ist in der Realität nie auf den Laufstegen angekommen. Lediglich auf der → Fashion Week in Berlin waren Designer wie Anja Gockel oder Lena Hoschek Vorbilder in dieser Hinsicht: Es wurden nur Mädchen mit Kleidergröße 36 gecastet. Alle Mädchen, die schlanker waren, konnten nach Hause gehen. Wobei dieser Anspruch auch hier nicht konsequent durchgezogen wurde.

MODELAPARTMENT, DAS Die meisten Models assoziieren dieses Wort mit Dreck, Chaos und mangelnder Privatsphäre. Es ist durchaus normal, sich ein kleines Zimmer mit vier (Mailand) oder auch mit sieben (Istanbul) anderen Mädchen zu teilen. Die meisten Models, die ich kennen lernen durfte, sind extrem unordentlich und alles andere als putzfreudig. Außerdem kommen die Mädchen aus der ganzen Welt; und da natürlich jede mit Freund/Freundin/Vater/ Oma skypen möchte, ist aufgrund der unterschiedlichen heimatlichen Zeitzonen rund um die Uhr Betrieb wie in einem Callcenter. Nicht selten gibt es auch kreischende Diskussionen, wer nun von wem das fettreduzierte Jogurt weggegessen oder schon wieder neben das Klo gekotzt hat. Allerdings habe ich auch mit einigen sehr netten Mädels zusammengelebt, mit denen ich bis heute freundschaftlich verbunden bin. Gemeinsames Leid verbindet eben. REISEN, DAS Vielleicht der größte Vorteil, den dieser Beruf mit sich bringt. Beliebte Destinationen sind neben den klassischen europäischen Modemetropolen Paris, London und Mailand auch Städte wie Tokyo, Singapur, Athen, Istanbul, New York, Kapstadt, Barcelona oder Berlin. Mittlerweile gibt es jedoch fast in jeder größeren Stadt dieser Welt eine Fashion Week, auf der man arbeiten kann. Hast du eine → Agentur in der Wunschstadt gefunden, die dich „on stay“ haben möchte, bucht sie dir auch den Flug und bietet Unterkunft in einem Apartment. Ein wöchentliches Taschengeld ist üblich (das jedoch alles bei der Endabrechnung wieder abgezogen wird!). So hat man die Möglichkeit, für etwa ein bis drei Monate im Ausland zu sein und dort zu arbeiten. Sofern man es so lange aushält. Denn die → Modelapartments sind, anders als Germany’s Next Topmodel glauben machen möchte, alles andere als luxuriös. SKANDALE, DIE Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Unseriöse Arbeitspraktiken gibt es fast überall. Sehr häufig kommt es vor, dass enweder Kunden oder → Agenturen ihre Models nicht bezahlen. Da es sich dabei meist um Beträge im drei- oder niedrigen vierstelligen

Bereich dreht, lohnen sich die Anwaltskosten in der Regel nicht – was natürlich auch Kunden und Agenturen bewusst ist. Oft wird willkürlich abgerechnet, undurchsichtige Posten werden aufgeführt. Beispielsweise wurden mir einmal 400 Euro pro Jahr für das Hochladen von Fotos auf die Internetseite der Agentur verrechnet. Bei einem anderen Job berechnete meine damalige Agentur anstatt der üblichen 25 Prozent Provision plötzlich 40 Prozent – ohne jede nachvollziehbare Begründung. Auch erlebte ich schon, wie ein Booker munter backstage von den Models beim Umziehen ein Video drehte und es für seine Privatunterhaltung nutzen wollte. Leider habe ich gerade in Wien viele negative Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht. Da gibt es dann keinen anderen Ausweg, als die Agentur zu wechseln, was normalerweise kein Problem darstellen sollte.

FAZIT, MEIN Der Beruf Model ist hart, macht aber auch sehr viel Spaß. Es ist schön zu reisen, viele neue und vor allem kreative Leute kennen zu lernen und es ist auch immer noch spannend, auf Fashion-Shows zu laufen oder Fotoshootings zu machen. Jedoch sollte man sich nicht zu viel von diesem Beruf erhoffen – sei es Ruhm, Geld oder Erfolg – da die Konkurrenz enorm groß und der Job oft genug frustrierend ist. In jedem Fall rate ich allen, die es in dieser Branche versuchen wollen zu Zähheit, Ausdauer und dem Selbstbewusstsein das es braucht, mal „nein“ sagen zu können. Man wird von vielen Seiten beeinflusst, ständig wird einem der Spiegel vorgehalten. Umso wichtiger ist es, für sich zu überlegen, ob man bestimmte Jobs auch wirklich machen möchte. Denn mit diesem Beruf steht man klar in der Öffentlichkeit und es ist kaum kontrollierbar, wer das produzierte Material zu Gesicht bekommt. Wichtig ist auch zu lernen, zu seinem Körper zu stehen, nicht nur selbstbewusst aufzutreten, sondern es auch zu sein. Äußerliche Mängel werden unmissverständlich kommuniziert – nicht verwunderlich in einem Business, in dem sich alles um Oberflächlichkeiten dreht. Kann man jedoch von all dem Abstand nehmen, ist es eine wunderbare Möglichkeit, die Welt zu bereisen und viel Neues zu erleben.

„DIE TAGESGAGE IST DURCHSCHNITTLICH ZWAR HÖHER ALS BEI ANDEREN STUDENTENJOBS, DIESE SUMMEN SAGEN ALLERDINGS NICHTS DARÜBER AUS, WIE VIEL MAN LETZTENDLICH VON DER AGENTUR AUSBEZAHLT BEKOMMT“ DURST 1/14

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Studentenjob: Samenspender

Moneyshot

Blut und Plasma sind nicht das Einzige, was man spenden kann. Unser Interviewpartner erzählt, ­welche Anforderungen man erfüllen muss, wenn man mit seinem Erbgut Geld verdienen möchte.

750 € für zehn Schuss

Leicht verdientes Geld? Von wegen! Als Samenspender muss man einiges über sich ergehen lassen. Woody Allen als Sperma verkleidet in seinem Film „Everything You Wanted to Know About Sex But Were Afraid to Ask“ (1972).

meinem Arbeitsplatz führt, verfliegt das unangenehme Bauchgefühl, das ich beim Betreten der Klinik hatte, augenblicklich. Jetzt ist mir die Situation so richtig peinlich. Es ist nämlich kein gewöhnlicher Arbeitsplatz. An den Wänden der kleinen Kammer hängen in regelmäßigem Abstand stilvolle Schwarzweißfotografien von nackten Frauen. In der Ecke steht ein schwarzes Ledersofa, gegenüber ein großer Flachbildfernseher. Beschämt blicke ich mich kurz um. Die Frau drückt mir ein Behältnis in die Hand und beginnt mit den Instruktionen. Nachdem sie mich mit der Bedienung

des Fernsehers vertraut gemacht hat, gibt sie mir noch ein paar kurze Anweisungen: die Türe gut verschließen, Hände und Glied gründlich waschen, den Becher ordnungsgemäß beschriften, ihn nach getaner Arbeit mit dem Deckel verschließen und in die dafür vorgesehene Durchreiche stellen. Da ich keine weiteren Fragen mehr habe, lässt sie mich allein. Während ich mich reinige, blicke ich etwas ungläubig in den Spiegel des winzigen Badezimmers. Gleich werde ich meine erste Samenprobe abgeben, die dann darüber bestimmt, ob ich als Spender in Frage komme.

Wenn man jemandem auf einer Party erzählt, dass man Samenspender ist, bekommt man teils sehr unterschiedliche Reaktionen. Üblicherweise reichen sie von großer Neugier über Gelächter bis hin zu regelrechtem Entsetzen. Einige wiederum denken sich das Selbe wie ich, als ich mich, ebenfalls auf einer kleinen Party, dazu entschloss meine DNS zu verkaufen: In einen Becher wichsen? Hört sich nach leicht verdientem Geld an. So schickte ich also, nachdem mich im bereits leicht angeheiterten Zustand ein Bekannter auf eine entsprechende Anzeige im Internet aufmerksam

„Die Reaktionen sind unterschiedlich. Einige denken sich das Selbe wie ich, als ich mich dazu entschloss meine DNS zu verkaufen: BIn einen Becher wichsen? Hört sich nach leicht verdientem Geld an“

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26.02.2014 12:45:48 Uhr

Klebeaufschrift: Kurt Rudolf

A

ls ich zum ersten Mal die Räumlichkeiten meines zukünftigen Arbeitgebers betrete, fühle ich mich ein wenig an die durchschnittliche Privatklinik eines Zahnarztes erinnert. Im geschmackvoll eingerichteten und sauberen Eingangsbereich begrüßt mich eine attraktive junge Frau, fragt mich höflich nach dem Grund meines Besuches und bittet mich anschließend, im Wartezimmer Platz zu nehmen. Dort sitzt außer mir nur ein ernst dreinblickendes Paar, das ich auf Mitte dreißig schätze. Als mich die nette Empfangsdame fünf Minuten später aufruft und zu

Foto: Mary Evans / picturedesc.com

Aufgezeichnet von Valentin Ladstätter


WENN ES AN DER TÜR KLOPFT

KLEBEAUFSCHRIFT: KURT RUDOLF

FOTO: MARY EVANS / PICTUREDESC.COM

machte, ohne zu Zögern meine Bewerbung ab. Bereits am nächsten Vormittag erhielt ich Unterlagen mit Informationen zu Rechtslage, Aufnahmebedingungen und Ablauf der Samenspende. Ernüchtert musste ich feststellen, dass die Sache mit dem leicht verdienten Geld wohl ein Trugschluss war. Zum einen ist es keineswegs einfach, als Spender aufgenommen zu werden. Neben dem Ausfüllen von umfangreichen Fragebögen über die medizinische Vorgeschichte von mir und meiner Familie, der Abgabe von Blutproben und einem persönlichen Eignungsgespräch, war es vor allem die Tatsache, dass selbst unter gesunden, jungen Männern die wenigsten eine hinreichende Samenqualität haben, um aufgenommen zu werden, die mich stutzig machte. Das liegt daran, dass beim Einfrieren und Auftauen des Ejakulates viele der Spermien absterben, und deshalb nur die fruchtbarsten Männer genommen werden. Obwohl von Seiten der Klinik betont wird, dass eine Ablehnung keinesfalls bedeutet, dass man infertil ist, drängte sich doch die Frage auf, ob ich es überhaupt wissen will, wenn meine Krieger mit Anfang zwanzig vielleicht nicht so flink sind, wie sie sein sollten. Zum anderen gestaltet sich der Ablauf komplizierter als gedacht. Die insgesamt zehn Spenden erfolgen über ein ganzes Jahr, das von einer sechsmonatigen Wartezeit und medizinischen Zwischentests geteilt wird. Vor jeder Spende werden mindestens zwei und höchstens fünf Tage Abstinenz verlangt. Sollte die Qualität einer der Spenden nicht den Ansprüchen genügen, bleibt sie ohne Vergütung und muss wiederholt werden. Von wegen Aufwandsentschädigung. Es geht hier beinhart um Materialkosten.

Außerdem war da natürlich auch noch die ethische Tragweite einer solchen Entscheidung. Es war ja schließlich mein Erbgut, das ich verkaufen wollte. Was sollte damit eigentlich geschehen? Wie sich herausstellte, ist die österreichische Rechtslage im Bezug auf Samenspenden genauso eindeutig wie konservativ. Jeder Mann darf nur bei einer Klinik spenden. Diese Spende darf in höchstens drei Kindern resultieren. In Frage kommen nur heterosexuelle Ehepaare (nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes im Dezember soll in Zukunft auch lesbischen Paaren die künstliche Befruchtung offenstehen). Eltern und Spender bleiben anonym. Dass es in Österreich seit Jahren an DURST 1/14

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Samenspendern mangelt, hat allerdings folgendes Gesetz als Ursache: Jedes Kind hat ab dem Alter von 14 Jahren das Recht zu erfahren, wer sein leiblicher Vater ist. Zwar versicherte man mir später in dem persönlichen Eignungsgespräch, dass erstens die meisten Kinder nicht über ihren tatsächlichen Ursprung aufgeklärt werden, und sich zweitens von diesen nur die wenigsten tatsächlich auf die Suche nach ihrem biologischen Vater machen. Dennoch besteht folglich zumindest die Möglichkeit, dass nach knapp 15 Jahren ein mir leicht ähnlich sehender Pubertierender an die Tür klopft und mich kennen lernen will. Dieser Gedanke mutet erstmals ziemlich seltsam an, auch wenn ich gegenüber einem etwaigen Kind keinerlei gesetzliche Verpflichtungen hätte. Es gab also einige Aspekte, die mich zweifeln ließen.

MATERIALKOSTEN Dass ich dann doch in der kleinen Kammer mit der Ledercouch landete, lag an Folgendem: Einerseits brachte mir die Aufwandsentschädigung (Bezahlungen sind gesetzlich verboten) ein für einen Studenten ansehnliches Taschengeld von 750 € ein. Andererseits stellen die strengen Gesetze sicher, dass nur Paare mit aufrichtigem Kinderwunsch zum Mittel der künstlichen Befruchtung greifen. Ich kann also dabei helfen, einigen Menschen einen ihrer sehnlichsten Wünsche zu erfüllen. Was meine Bedenken bezüglich Fruchtbarkeit betraf, waren es das Vertrauen auf meine Gesundheit und wohl auch die Neugier, die mich darüber hinwegsehen ließen. Und sollte tatsächlich der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ein Kind mich eines Tages aufsucht, könnte es zwar unangenehm, möglicherweise aber auch eine interessante und bereichernde Erfahrung werden. Mitten während meines ersten Probearbeitens bemerke ich, dass es gar nicht so leicht ist, in den Becher zu treffen. Da es so im Sitzen wohl nicht funktionieren wird, muss ich, kurz bevor ich so weit bin, aufstehen, mich etwas nach vorne beugen, und dann den Becher akkurat und im richtigen Winkel ansetzen, damit das Zeug nicht wieder heraustropft. Eine Zeit lang inspiziere ich den kleinen Messbecher samt meinem Inhalt und bin recht stolz auf das Ergebnis. Schließlich habe ich mich zuvor auf Wikipedia über die durchschnittliche Ejakulationsmenge informiert. Als ich dann das ordnungsgemäß beschriftete Behältnis fest verschraube und in die dafür vorgesehene Durchreiche stelle, wundere ich mich

noch ein wenig über die verschiedenen Nischengenres, die die Festplatte des Flachbildfernsehers anbietet. Insgesamt zwanzig Filme stehen zur Auswahl, und in einigen davon geht es ziemlich zur Sache. Bereits der erste beginnt mit einer Bukkake-Szene, einer bizarren Sexualpraktik, bei der mehrere Männer einer Frau nacheinander ins Gesicht ejakulieren. Glücklicherweise werden aber auch konservativere Geschmäcker bedient, und es findet sich, sofern man nicht einer der hoffnungslosen Romantiker ist, die auf Handlung in Pornos Wert legen, für jeden etwas. Ich gehe also ins Badezimmer, um mich erneut zu waschen. Zögerlich und mit ungleich größerem Unbehagen als beim Betreten des Gebäudes gehe ich zurück in den Eingangsbereich. Dort angekommen, blicke ich der freundlichen Dame nur kurz in die Augen und murmle etwas vor mich hin. Sie lächelt und erklärt mir, dass ich innerhalb der nächsten Woche einen Anruf erhalten und das Ergebnis erfahren werde. Bereits am nächsten Tag, als ich gerade neben einem Fremden im Zug sitze, klingelt das Telefon. Eine andere, ebenfalls sehr sympathisch

klingende Frau sagt mir, die Qualität meines Samens sei hervorragend. Man lädt mich zum persönlichen Gespräch ein. Dort will man mich noch kennenlernen und etwas über meine Motivation erfahren. Als dann die abschließenden Bluttests bescheinigen, dass ich keine Infektionskrankheiten habe, bin ich offiziell Samenspender. Über ein Jahr verteilt gehe ich also noch zehn Mal zurück. Die Scham legt sich ziemlich bald, ein seltsames Gefühl bei der ganzen Prozedur bleibt allerdings bis zum Schluss. Die erzwungene Enthaltsamkeit von mindestens zwei Tagen wird ein wenig zur Last, vor allem da die Abgaben in der Regel wöchentlich stattfinden. Seit der letzten Spende sind mittlerweile mehr als zwei Jahre vergangen. Womöglich bin ich, rein biologisch betrachtet, Vater eines Kindes. Die 750 Euro waren natürlich schnell verbraten. Die Folgen meiner Entscheidung begleiten mich eventuell noch lange. Natürlich frage ich mich manchmal, ob ich das Ganze noch bereuen werde. Laut der Klinik könnte ich jederzeit erfragen, ob meine Spende bereits verwendet wurde. Bis jetzt will ich es eigentlich gar nicht wissen.

�hol dir einen von� �1.500 sommerjobs!� Auch die MitarbeiterInnen der Post müssen mal Urlaub machen. Das bedeutet sonnige Aussichten für deine Urlaubskasse. Denn wir suchen in ganz Österreich 1.500 Vertretungen für unsere ZustellerInnen, die ihren Sommer für ein Bruttomonatsgehalt von mindestens EUR 1.000,– (Vollzeitgehalt, inkl. Überstundenpauschale) gerne in der Sonne verbringen. Bei entsprechender Erfahrung ist eine Überzahlung möglich. Für alle ab 18, und für alle, die mit Verantwortung umgehen können. n:� ewerbe �Jetzt b ERIALJOB� /F t a st. �www.po

�WENN’S WIRKLICH WICHTIG IST,� IST, �DANN LIEBER MIT DER POST.� POST.�

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Studentenjob: Drogendealer

Der Gärtner

Marcel (31) dealte jahrelang mit Gras und finanzierte so sein Studium an der TU Graz mit. Inzwischen hat er seinen Nebenjob aufgegeben – aber nicht aus schlechtem Gewissen, wie er DURST erzählte.

4 € Pro gramm

Hinter dieser Tür wird gegärtnert. Da Marcel mit dem Gras von der Straße nicht zufrieden war, beschloss er, selbst anzubauen. von Johannes Tschohl

Servus! Ich komme aus der klassischen, bürgerlichen Mittelschicht und bin als jüngstes von mehreren Kindern in einem ordentlichen Elternhaus aufgewachsen. Dort habe ich eine behütete Kindheit erlebt, bin in ländlicher Umgebung groß

geworden, war nie ein schlechter Schüler. Ich war schon immer ein neugieriges Kerlchen. Mein Respekt vor Drogen war immer groß, aber bei Gras habe ich das eigentlich nie so dramatisch gefunden. Meinen ersten Joint habe ich mit vierzehn geraucht. Und beim ersten Joint ist es nicht geblieben? Es hat eine Zeit gegeben, in der täglicher Graskonsum normal war. Der

Bekanntenkreis spielt dabei eine wichtige Rolle. Natürlich sucht man sich die Freunde auch entsprechend den eigenen Interessen aus, so war es auch nach meiner Landflucht nach Graz. Geholt haben wir das Zeug in Parks oder vor Szenelokalen. Das war allerdings immer mit dem Risiko verbunden, sich mit zwielichtigen Gestalten abgeben zu müssen und entweder gar nichts zu kriegen oder etwas völlig Überteuertes. Es gab auch das eine oder andere Café, in dem man Kraut

kaufen konnte. Das war zwar besser als von der Straße, aber noch immer nicht das Gelbe vom Ei. Um uns von diesen überteuerten Cafés etwas unabhängiger zu machen, war mit zwei Freunden der Entschluss schnell gefasst, sich als Gärtner zu versuchen. Wie kann man sich das vorstellen? Wir haben uns das nötige Equipment besorgt und losgelegt. Obwohl wir alle

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Foto: Privat

„Der Bekanntenkreis spielt eine wichtige Rolle. In meinem Umfeld hat sich etabliert, dass kiffen völlig normal ist. Natürlich sucht man sich die Freunde auch den eigenen Interessen Entsprechend aus“ DURST 1/14

26.02.2014 12:45:55 Uhr

Klebeaufschrift: Kurt Rudolf

Wir haben ausgemacht, das Interview anonym zu führen. Aber kannst du dich unseren Lesern trotzdem kurz beschreiben?


Wie viel Zeit ist für das Growen draufgegangen? Nicht besonders viel – wir hatten ja keine Hightech-Bewässerungsanlage. Es lief alles manuell per Gießkanne, und das nur an jedem zweiten Tag. Um den Fortschritt festzustellen, wird aber sowieso jeden Tag mal zu den Pflanzen geschaut. Sie sind alle tadellos gewachsen. Beim ersten Mal zumindest. Als ich es später auch alleine versucht habe, musste ich gleich zweierlei Schädlingsbefall feststellen: durch Mücken und Milben. Ich musste ein spezielles Mittel besorgen, alles auf natürlicher Basis, versteht sich. Damit habe ich die Pflanzen aufwändig in der Badewanne besprüht und es dann mit Wasser wieder herunter gespült. Da gingen doch ein paar Stunden drauf. Dann wird das Ganze schon mühsamer. Wie viel habt ihr im Schnitt geerntet? Bei der ersten Session waren‘s 15 Pflanzen, davon hat jede bis zu 30 Gramm getrocknetes Blütenmaterial abgeworfen. Diese Ernte von in Summe über 400 Gramm haben wir zum Eigenbedarf fair unter uns aufgeteilt. Und wie hast du dann mit dem Dealen angefangen? Zuerst habe ich meinen Freunden ein bisschen Zeug verkauft, die wiederum haben ihre Freunde mitgebracht. Nach und nach sind Dritte oder Vierte gekommen, die ich am Anfang persönlich nicht gekannt habe. Erstaunlicherweise sind fast alle Altersklassen vertreten. Überwiegend Gleichaltrige, aber auch Personen, die mitten im Berufsleben stehen, ehrbare Leute. Man würde ja gar nicht glauben, wer aller raucht.Wenn ein mittfünfzigjähriger Akademiker zu dir kommt, um Gras zu kaufen, ist das schräg. Eigentlich fast schon wieder cool. Wie viel hast du für ein Gramm verlangt? KLEBEAUFSCHRIFT: KURT RUDOLF

FOTO: PRIVAT

drei völlig unerfahren waren, ist die Aufzucht im geeigneten Kämmerlein sehr gut gelaufen. Der erste „Grow“ hat sensationell funktioniert. Strafrechtlich gesehen war uns sehr wohl bewusst, dass wir uns weit aus dem Fenster lehnen. Aber wir wollten ja nicht kiloweise produzieren.

Der Freundschaftspreis liegt um die vier, fünf Euro das Gramm, und je weiter weg die Personen von meinem direkten Umfeld sind hinauf bis zu acht, neun Euro pro Gramm. Das sind dann hohe Preise, ich habe aber DURST 1/14

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auch immer ein Super-Material. Von Leuten, von denen ich weiß, dass sie gut verdienen, habe ich auch manchmal schon 50 Euro für fünf Gramm verlangt. Die Preisgestaltung ist sozial gestaffelt, wenn man so will (grinst). Hast du auch schlechte Erfahrungen mit Käufern gemacht? Richtig schlechte nicht, aber man merkt schon, dass viele was von einem wollen. Wenn einmal nichts mehr übrig ist, sind die Leute nicht direkt sauer, aber ich merke ihnen eine gewisse Enttäuschung an. Dann ist‘s aus mit der Freundschaft, und von manchen habe ich gar nix mehr gehört. Ist auch schon vorgekommen. Aber das ist mir eigentlich völlig wurscht. Du kannst halt dann die Kehrseite von Leuten sehen, die nur freundlich sind, wenn sie sich etwas von dir erwarten. Dir wird klar – wenn‘s ein nächstes Mal gibt, legst du ein, zwei Euro pro Gramm drauf (lacht). Von wie viel illegal verdientem Geld sprechen wir? Pro Ernte ist etwa 1000 bis 1500 Euro Gewinn abgefallen. Ich habe aber keinerlei moralische Bedenken gehabt. Für mich ist Gras züchten und verkaufen keine schlechte Sache, nur weil‘s vom Gesetz her verboten ist. Hast du mit dem Dealen dein Studium finanziert?

vor der Prüfung geraucht habe.

Und du hast solche Drogen auch selbst genommen? In einer Experimentierphase in meinen frühen Zwanzigern, in der ich mehr Zeit in Bars und Klubs verbracht habe als zuhause, habe ich so ziemlich alle Drogen bis auf Heroin ausprobiert. Das High musst du aber meistens mit einem heftigen Kater wieder zurückzahlen. Es war ständig eine latente Angst da, nicht mehr Herr über seinen Konsum zu sein. Ich habe immer auf große Zeitabstände zwischen den Einnahmen geachtet und nie den Respekt davor verloren. Hast du durch den Umgang mit Drogen nachteilige Auswirkungen auf dein Privatleben oder dein Studium bemerkt?

Und warum hast du dann mittlerweile mit dem Dealen aufgehört? Über mein Studium konnte ich bei bezahlten Projekten mitarbeiten, da ist dann der wirtschaftliche Aspekt weg gefallen. Außerdem habe ich meinen Konsum deutlich reduziert, weil ich jetzt schon seit vielen Jahren mit meiner Freundin zusammen bin, die damit eigentlich nicht in Verbindung gebracht werden will. Ich akzeptiere das. Glaubst du, man wird in Österreich irgendwann auch legal Gras verkaufen können?

Obwohl ich zeitweise recht viel Gras geraucht habe, gab‘s nie negative Einflüsse auf mein Studium oder das Privatleben. Ich studiere in der Mindeststudienzeit und habe seit jeher einen großen Freundeskreis, von Einschränkungen keine Spur. Ich hatte nie ein Problem damit, mit einem Joint zu lernen oder eine Übung zu machen. Es hat sogar mal LGV_OL_DURST106x145_iCOEv2.pdf einen Extremfall gegeben, bei dem ich

Ich habe das Gefühl, je weiter die Zeit fortschreitet, desto offener wird auch damit umgegangen. Zumindest hoffe ich das. Leider gibt es immer noch viele konservative Kräfte, die das anders sehen. Und natürlich will ich nicht verharmlosen. Mir ist klar, das jede Droge ihre Problematik hat und es immer schwierig ist, einen verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln zu 25.02.14 12:35 fi1 nden.

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Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Ob das Geld nun in meine monatlichen Fixkosten zum Leben einfließt, ob ich mir einen hochwertigen, teuren Computer zum Arbeiten kaufe oder mir davon einen schönen Urlaub gönne – es ist Geld, das sonst nicht da gewesen wäre. Außerdem ist der Eigenbedarf gedeckt, dadurch muss man sein Geld nicht für Gras ausgeben. Indirekt auch eine Ersparnis.

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Ich wollte mich nie völlig von diesem Geld abhängig machen. Man kann ja auch nicht davon ausgehen, dass die Aufzucht immer wieder funktioniert. CMY

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Studentenjob: Anonyme Texter

Vgl. Ghostwriter

Klara und Daniel schreiben wissenschaftliche Arbeiten für andere – gegen Geld. Während die Unis vor Ghostwritern warnen, verteidigen die beiden ihre Branche.

60 € für eine SEite

„Nachhilfe der anderen Art“ oder doch eine Form des Plagiats? Ghostwriter wie Daniel und Klara arbeiten in einem Graubereich.

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lara* sitzt gerade an einer Dissertation und zwei Abschlussarbeiten. Die Doktorarbeit schreibt die Forschungsassistentin für sich selbst. Die restlichen beiden Arbeiten bekommen zwei andere Studenten – gegen Geld. Klara ist Ghostwriterin. „Nachhilfelehrerin der anderen Art“, wie sie ihren Job selbst beschreibt. Denn Master-Studenten, die nicht zitieren können, gibt es wirklich, sagt Klara. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Freund Daniel* hat sie es sich zum Geschäft gemacht, derartigen Greenhorns in wissenschaftlichen Techniken zu Abschlussarbeiten zu verhelfen. Philologie und Sozialwissenschaften

sind die Spezialgebiete der beiden. Auch wirtschaftswissenschaftliche Projekte und Aufträge aus Pädagogik und Psychologie hat Daniel schon angenommen. Zwischen 40 und 60 Euro blättern seine Auftraggeber für eine Seite Text hin. Der Preis hängt davon ab, wie sehr die Zeit drängt, wie anspruchsvoll das Thema ist und wie viel die Kunden selbst mit anpacken. Letzteres täten die meisten auch fleißig, sagt Daniel. Denn das Klischee des Wirtschaftsstudenten, der keinen Bock hat und sich eben mal schnell seine Abschlussarbeit kauft, existiere in der Realität kaum. „Dass jemand zu uns kommt und sagt: Ich brauche eine Dissertation, scheißegal welches

Thema, wir sehen uns ins zwei Jahren – das kommt so nicht vor. Dafür ist die Angst zu groß.“ Die Kunden würden kein Outsourcing wollen, sondern Hilfe.

Ein Graubereich Bei Klara und Daniel sind sie damit an der richtigen Adresse. Beide haben nicht nur mehrere Fächer studiert, sondern auch als Assistenten an der Uni gearbeitet und als solche selbst Diplomarbeiten korrigiert. Daniel studiert momentan wieder – auch, um noch mehr Wissen für seinen Job zu sammeln. Welche Art von Unterstützung die Kunden der Ghostwriter

benötigen, ist von Auftrag zu Auftrag unterschiedlich. „Es wenden sich Perfektionisten an uns, die nur einen Feinschliff brauchen“, erzählt Klara. „Und solche, die kein Thema finden“, sagt Daniel. Einzuschätzen, welche Literatur geeignet ist und zu erklären, wie eine Textstelle paraphrasiert oder eine Gliederung erstellt wird, gehören zu den typischen Aufgaben der beiden. Druckreif ausformulierte Arbeiten verkaufen sie aber nicht, betonen Daniel und Klara, denn das entspreche nicht ihrer Philosophie. Abgesehen davon könnte das auch rechtliche Folgen für sie haben. Wer eine fremde Arbeit als die ­eigene ausgibt, betrügt. Und wer eine

„Es wenden sich Perfektionisten an uns, die nur einen Feinschliff brauchen. Und solche, die kein Thema finden“ Daniel & Klara

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Illustration: Archiv Bretter; Klebeschrift: Kurt rudolf

von Stefanie Rachbauer

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ILLUSTRATION: ARCHIV BRETTER; KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

„WENN EINE ARBEIT 5000 EURO KOSTET, DANN MUSS SCHON MEHR GELEISTET WERDEN. DAS IST DANN KEINE HILFESTELLUNG MEHR“ Nicole Föger von der ÖAWI

Arbeit für jemand anderen schreibt, leistet folglich Beihilfe zum Betrug. Sowohl Ghostwriter als auch deren Kunden würden in diesem Fall strafrechtliche Konsequenzen riskieren. Deshalb sagen Klara und Daniel immer wieder, dass sie nur individuelle Vorlagen erstellen. „Es wäre vermessen zu sagen, wir produzieren keinen Text für unsere Kunden“, sagt Daniel. „Aber dieser Text ändert sich in der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber so oft, dass man definitiv nicht sagen kann, wir würden fertige Arbeiten verkaufen.“ Die beiden sind also so etwas wie ein nichtdeklariertes Hilfsmittel. Dass alle Branchenkollegen so arbeiten, bezweifelt Daniel aber.

AGENTUR VERSUS EINZELKÄMPFER Dieser Umstand ist auch mit ein Grund, warum die beiden ihre eigenen Chefs sind. Ghostwriter bieten ihre Dienste auf zwei verschiedene Arten an, erzählen Klara und Daniel. Sie arbeiten entweder als Ein-Personen-Unternehmer oder als freie Mitarbeiter bei Textagenturen, von denen viele ihren Sitz im deutschsprachigen Ausland haben. Erstere können sich vom Fächerangebot her kaum gegen die Großen behaupten, sagen die beiden. Die Agenturen hingegen würden Aufträge an ihre Mitarbeiter häufig zu unrealistischen Honoraren vermitteln und so junge, als Ghostwriter tätige Akademiker in eine Lohndumpingspirale treiben. Wie die heimische Branche genau aussieht, sei schwer zu sagen. „Prinzipiell scheint aber der Markt in Deutschland und auch der Schweiz größer zu sein als hier“, sagt Klara. Sie und Daniel versuchen einen Mittelweg zwischen anonymen Agenturen und dem mühsamen Einzelkämpfertum zu gehen. Vor knapp einem Jahr schlossen sich die beiden mit drei befreundeten Ghostwritern zu the-ghostwriter.com zusammen. Die Gemeinschaft bietet Arbeiten aus gut 20 verschiedenen Fächern an. Jeder Ghostwriter schreibt auf eigene Rechnung, aber zu gleichen Geschäftsbedingungen. Fixkosten wie die Wartung der Homepage teilen sie. Als Phantomschreiber aktiv sind Klara und Daniel aber schon viel länger. Seine erste Bachelorarbeit schrieb Daniel für einen Bekannten zum Thema Marketing. Der damalige Lohn: eine Flasche Champagner. Ihm sei lange nicht bewusst gewesen, dass das, was er mache, ein richtiges DURST 1/14

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Berufsbild sei, erzählt Daniel. Irgendwann begannen die beiden, mit ihren wissenschaftlichen Texten auch Geld zu verdienen. „Ich bin da so hineingerutscht“, erklärt Klara. Mittlerweile sind sie und Daniel seit knapp zehn Jahren in der Branche. Für beide ist Ghostwriting ein wesentliches Zusatzeinkommen geworden.

UNTERSCHIEDLICHE MOTIVE Wie die Professoren an den Unis ihre Arbeiten beurteilen, wissen die beiden nicht. Nachdem sie ihre Leistung erbracht haben, löschen sie E-MailVerkehr und Manuskripte von ihren Rechnern. Kontakt zum Auftraggeber gibt es keinen mehr. „Ich glaube aber, wir schreiben ganz gute Noten“, sagt Klara und lacht. „Es hat sich noch nie jemand beschwert.“ Mehr will sie aber nicht über die Arbeiten verraten – zum Schutz der Kunden. Über deren Motive, einen Ghostwriter zu engagieren, erzählen Klara und Daniel dafür umso mehr. Studis, die ihre Hilfe suchen, seien weder zu dumm noch zu faul, um sich selbst um ihr Abschlussprojekt zu kümmern, sondern Opfer eines Systems. Zeitdruck, das Damoklesschwert namens Plagiatsprüfung, schlechte Betreuung durch die Professoren und wegrationalisierte Lehrveranstaltungen sind aus der Sicht der beiden dafür verantwortlich, dass sich Studierende an Phantomschreiber wenden. „Für wissenschaftliches Arbeiten ist heute kein Platz mehr“, sagt Daniel, „die Bachelorarbeit ist oft die erste wissenschaftliche Arbeit, die ein Student verfasst.“ Unsicherheit und Alleine-gelassen-werden seien in solchen Fällen starke Motive. „Und da kommen wir dann ins Spiel“, sagt Klara.

Sanktionen in Betracht: „Wird das Plagiat erst nach der Beurteilung entdeckt, ist ein Verfahren zur Nichtigerklärung der Beurteilung und gegebenenfalls auch zum Widerruf des akademischen Grades einzuleiten.“ Inwieweit Ghostwriting an heimischen Universitäten tatsächlich ein Problem ist, ist laut Nicole Föger von der österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) schwer abzuschätzen. „Von deutschen Kollegen höre ich schon länger davon“, sagt Föger. „Mittlerweile gab es auch bei uns Verdachtsfälle.“ Dass sich Ghostwriter auf reine Hilfestellungen beschränken, stellt sie in Frage: „Wenn eine Arbeit 5000 Euro kostet, dann muss da schon mehr geleistet werden.“ Klara und Daniel haben wegen ihrer Arbeit kein schlechtes Gewissen. „Wenn der Betreuer an der Uni dem Studenten einen Tipp für ein Kapitel gibt, dann ist das auch keine reine Eigenleistung mehr“, sagt Daniel. Klara freut sich, Geburtshilfe für eine Arbeit leisten zu können. Und sie mag ihren Job – die zeitliche Flexibilität, die thematische Abwechslung und den Umgang mit Sprache. Zu kellnern oder Flyer zu verteilen – diese Alternativen kommen für die beiden nicht in Frage. „Es ist immer sinnvoll etwas zu tun, das mit der Haupttätigkeit korreliert“, sagt Klara. „Und wir sind ja Wissenschaftler. Wir sind Profis für diesen Job.“ * Namen von der Redaktion geändert

PROBLEME mit Literaturrecherche, korrektem Zitieren oder wissenschaftlichem Stil? Eine Auswahl an Hilfsmitteln: SCHREIBZENTREN Gibt es an Hochschulen wie FH Wien, Uni Graz oder Uni Klagenfurt. Diese Serviceeinrichtungen bieten Workshops zu Themen wie „Wissenschaftliches Schreiben für Bachelor-Studierende“, Schreibwerkstätten und persönliche Beratungen an. SCHREIBMENTORING Gibt es an der Uni Wien. Politikwissenschaft-Studenten helfen Studienanfängern bei der Lektüre und beim Verfassen wissenschaftlicher Texte. Das Pilotprojekt findet im SommerSemester zum zweiten Mal statt. Kontakt: schreibmentoring. powi@univie.ac.at . PRIVATKURSE Anbieter von Schreibkursen und -coachings in Wien sind u.a. „Wort und Weise“ oder die Schreibwertstatt „Weigl“. www.schreibwerkstatt.co.at www.wortundweise.at GHOSTWRITER „The Original Ghostwriters“ in Wien, das „Schreibbüro Manuela Aberger“ in Tirol, „Acad Write“ in Salzburg sind einige der wenigen österreichischen Agenturen für wissenschaftliches Ghostwriting.

KEIN KAVALIERSDELIKT Die Unis haben damit naturgemäß keine Freude. Auf ihren Webseiten warnen viele Hochschulen vor Ghostwriting und seinen rechtlichen Folgen. „Alle fremden Gedanken, die in die eigene Arbeit einfließen, müssen durch Quellenangaben belegt werden“, schreibt etwa die Studienpräses der Uni Wien. Einen Phantomschreiber zu engagieren sei eine Form des Plagiierens und somit kein Kavaliersdelikt, heißt es weiter. Wenn ein solches Plagiat entdeckt wird, kommen laut Studienpräses neben strafrechtlichen vor allem universitätsrechtliche

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Studentenjob: Soldat bei der Navy

Der ewige Rebell

Schon als Teenager legte sich der Künstler Joseph Schützenhöfer mit dem Staat an. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er bei der US Navy. Wie sich das mit seiner Systemkritik vereinbaren lässt, erzählte er DURST.

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nfang der 1970er ist noch alles anders. Als Joseph Schützenhöfer einem Bettler gegen die Polizei zu Hilfe kommt, muss er 28 Tage ins Gefängnis. Wenn man dem heute 59-jährigen Künstler gegenübersitzt, dann spürt man noch immer die ­rebellische Energie, die ihn durch sein Studentenleben getrieben hat. Mit 19 Jahren flüchtet der gebürtige Steirer nach Wien, weil er genug von den Beamten mit „weißen Stutzen und kurzen Lederhosen“ hat – dem nicht so geheimen Erkennungsmerkmal illegaler Nazis. 1977 verlässt er schließlich das Land – im Zorn. Als man ihm später die Staatsbürgerschaft aberkennt, kümmert ihn das kaum. Ihn zieht es nach Amerika.

Keine Waffen, viel Freizeit Dort lässt Schützenhöfer keine Möglichkeit aus. Erst arbeitet er als Laufbursche in einem Hotel, dann studiert er ein Jahr am Cleveland Institute of Art. Als er sich das nicht mehr leisten kann, tritt er kurzerhand der Navy bei. Und das, obwohl er strikte Systeme und Obrigkeiten verabscheut. „Der Vietnamkrieg war gerade vorbei, es waren also keine kriegerischen Tätigkeiten in Aussicht und ich dachte mir: Navy ist ganz gut, da bin ich wenigstens in so einer Dose drin und kämpf ‘ nicht als Individuum“, erklärt er heute. „Man darf sich das nicht wie die Army vorstellen: Als eine Truppe, die ständig mit einem Gewehr herumläuft.“ Seine vierjährige Dienstzeit beschreibt er ganz anders, als man es sich erwarten würde: „Gearbeitet hab ich von acht Uhr Früh bis zwei am Nachmittag. Es war eine recht lockere Sache. Wenig militärisches Zeug: keine Waffe, fast nie Uniform. Die Navy hat auch einem genug Freizeit zum Lernen gegeben. Und es gab einen Typen aus Philadelphia, der alle mit Drogen versorgt hat.“ Trotzdem sind Schützenhöfer vier Jahre bei der Navy

Rumhängen, für nix

Josef Schützenhöfer in seiner Uniform bei der US Navy. Als Künstler legt er sich heute mit dem Staat, großen Unternehmern und Altnazis an.

dann doch genug. Als seine Dienstzeit zu Ende ist, kann er endlich sein lang ersehntes Kunststudium weiterführen, das ihm die Navy nun finanziert. Erst geht er an die Old Dominion University in Norfolk, Virginia. Später inskribiert er sich am renommierten Maryland Institute of Art, wo Grace Hartigan seine Lehrmeisterin wird, eine Wegbereiterin des Abstrakten Expressionismus. Um Geld zu verdienen, handelt Schützenhöfer mit alten VW-Käfern. Außerdem lebt er billig – in seinem VW-Bus: „Den habe ich vor der Akademie geparkt, geduscht hab ich mich in der Turnhalle. Auch

in meinem Atelier konnte ich schlafen. Das war nicht erlaubt, aber bei Gesetzesgeschichten sind die Amerikaner nicht so exakt wie hier.“

Systemkritik wo‘s geht Bei seinem Job als Assistent an der Uni lernt er Künstler wie David Salle, Elaine De Kooning oder Lee Krasner kennen, mit der Dichterlegende Allen Ginsberg geht er Krawatten einkaufen. Es ist die Zeit, in der er selbst als Künstler erste Erfolge sammelt. Bereits 1988 hat er eine Soloausstellung in der Galerie „Walker, Ursitti

and McGinnisin“ in Washington. Bis heute macht Schützenhöfer kontinuierlich Ausstellungen. Er ist einfach nicht unterzukriegen. Und das, obwohl er 1997 in die Steiermark zurückgekehrt ist. Vor Ort lasse es sich eben besser kritisieren. Bei Magna holte er sich gar ein Hausverbot ein, weil er Unternehmer und Ex-Politiker Frank Stronach im Rahmen der Ausstellung „Kunst kommt von Arbeit“ bloßfüßig im Anzug auf einer Bombe vor einer Seeschlacht porträtierte und so Kritik an Stronachs Wirtschaftsstrategie übte. Und auch im Alltag bleibt Schützenhöfer bis heute unbequem: Wenn ihn ein Polizist brutal vom Fahrrad reißt, weil er in einer autofreien Zone Rad fährt, wehrt er sich. Sein Verhalten brachte ihm schon an die 30 Anzeigen ein. Das ist Schützenhöfer aber egal: „Die Polizisten richten sich ihren Machtbereich ein und agieren dann nach eigenem Ermessen.“ Trotz aller Kritik an seiner Heimat lebt der Künstler jetzt in Österreich, auch wenn er eigentlich lieber nach Italien gegangen wäre. Zumindest auf das Bildungs- und Sozialsystem hierzulande ist er stolz. Außerdem möchte er nicht noch einmal von vorne beginnen. Weil es schwer sei, sich in der Kunstwelt zu etablieren und das habe er jetzt in Österreich geschafft. Bis heute lässt ihn der Faschismus, dessen Überbleibsel ihn als Teenager aus der Heimat getrieben haben, nicht los: Nun versucht er die NS-Vergangenheit der Gegend aufzuarbeiten, indem er Denkmäler für verstorbene Alliierte errichtet und Altnazis anprangert. Auch die eingesessenen Strukturen, die Akademikern zu viel Macht zusprechen, gehen ihm auf die Nerven: „Es ist schockierend, wie sie andere bewachen und ihnen das Leben schwer machen“. Er ist zwar selbst Akademiker, findet aber: „Das ist völlig unwichtig. Man muss sich jeden Tag neu erkämpfen.“ Also ungemütlich bleiben.

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Foto: Privat

„Es war eine recht lockere Sache. Wenig militärisches Zeug: keine Waffe, fast nie Uniform. Die Navy hat einem auch genug Freizeit zum Lernen gegeben“ Josef Schützenhöfer DURST 1/14

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Foto: privat

von Manon Steiner


Taxi-Thomas

Der ehemalige DURST-Chefredakteur Thomas „die Peitsche“ Vierich fuhr während ­seiner Studentenzeit in Hannover und Berlin Taxi, um über die Runden zu kommen. von Valentin Ladstätter

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ei seiner ersten Fahrt kam Thomas ins Schwitzen. Nicht nur, weil sie seine längste war. Als junger Jurastudent hatte er in Hannover gerade seinen Taxischein gemacht, als ein Typ in den nagelneuen Mercedes einstieg und ihm eine Adresse nannte, die weit außerhalb der Stadt lag. Ein ungutes Gefühl, gleich bei der ersten Fahrt, da die Funkverbindung zur Zentrale nach der Stadtgrenze abbrach. Handy? Woher denn, im Jahr 1986? Thomas war ganz allein mit einer Person, die er nicht kannte, in einem Auto, das ihm nicht gehörte, auf dem Weg an einen Ort, an dem er noch nie zuvor gewesen war. Keine angenehme Situation für einen 21-jährigen Studenten. Wie lange Thomas mit seinem ersten Gast im Auto verbrachte, weiß er heute nicht mehr. Doch als er die ersten 120 Mark (umgerechnet etwa 60 Euro) seiner neuen Arbeit in der Hand hielt, was fast dem Gehalt einer ganzen Schicht entsprach, hatte er all die durchlebten Panikattacken und Schweißausbrüche schnell wieder vergessen. Von nun an fuhr Thomas zwei bis drei Mal pro Woche Taxi. Nach zwei Jahren hatte Thomas die Nase voll von Jura und Hannover, ihn zog es nach Westberlin zu Geschichte und Germanistik. Dort machte er seinen zweiten Taxischein. Wenn er einmal keinen Fahrgast hatte, lernte er oder traf sich mit den anderen Taxlern – einen Haufen schräger und lustiger Vögel: „Das Taxifahrermilieu in Berlin Ende der 1980er war ganz anders als das im heutigen Wien. Damals fuhren viele Künstler und Studenten Taxi. Es war ein cooler, angesehener Job.“ Außerdem waren die Anforderungen höher als heute, denn man hatte noch kein Navi. Stattdessen brauchte man eine gute Straßenkenntnis und

einem Handgemenge mit einem Fahrgast. „Der Typ hatte keine Kohle dabei und wollte abhauen.“ Ohne zu Zögern rannte Thomas ihm nach. „Dann haben wir mehrere Minuten miteinander gerungen.“ Mehr als ein zerknittertes Hemd und eine ruinierte Frisur habe er sich aber nicht zugezogen. Da sein Raufgegner nun mal kein Geld bei sich hatte, musste er ihn schließlich doch laufen lassen.

60 € am ersten Tag

Neue Konkurrenz

In jungen Jahren fuhr Thomas Askan Vierich andere von A nach B. Bis heute verfolgt ihn seine Zeit als Taxler.

eine Funkausbildung. Im Taxi hat man oft eine Doppelfunktion als Fahrer und Seelenklempner, denn die Leute, die nachts zu einem in den Wagen steigen, befinden sich oft genug in einem Ausnahmezustand. Thomas hat sie fast alle getroffen: die, die komplett am Ende sind, weil sie gerade verlassen wurden, die Überdrehten, dazu kommen die Aggressiven und natürlich die

Betrunkenen, was nicht selten dasselbe ist. „Du musst dich innerhalb kürzester Zeit auf einen dir völlig unbekannten Menschen einstellen. Ich glaube, dass ich in dieser Zeit erwachsen geworden bin.“ Im Taxi müsse man lernen, Autorität auszustrahlen. „Sonst tanzen einem die Leute auf der Nase rum.“ Tatsächlich kam es in seiner zehnjährigen Taxikarriere nur einmal zu

Nach der Wende war Thomas einer der ersten, die mit dem Taxi durch den nun geöffneten Checkpoint Charlie in den Osten fuhren. Vom einen auf den anderen Tag hatte sich sein Zuständigkeitsgebiet fast verdoppelt. „Eine spannende Sache, schließlich kannte sich keiner von uns in Ostberlin aus.“ Nach einiger Zeit jedoch wuchs auch die Konkurrenz. Angeblich, weil viele der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter nach dem Ende der DDR als Taxifahrer ihr Brot verdienten. Nach seinem Abschluss 1992 fuhr Thomas noch zwei Jahre lang Taxi, bis er genug Geld als Journalist verdiente, um auch ohne seinen Nebenjob auszukommen. Außerdem hatte er keine Lust mehr „auf die besoffenen Idioten“. Trotzdem hat ihn das Taxifahren bis heute nicht losgelassen. Seit zwanzig Jahren träumt er immer wieder davon, dass er hinter dem Lenkrad sitzt. „Dann finde ich entweder den Weg nicht oder mein Schein ist abgelaufen.“ Als Fahrgast blickt er seinen ehemaligen Kollegen nach wie vor kritisch über die Schultern. Mittlerweile kann er aber ruhig am Beifahrersitz Platz nehmen und die Fahrt genießen. Geld verdient er ja jetzt genug, auch ohne DURST, um sich chauffieren zu lassen. Und erwachsen ist er inzwischen auch.

www.deinferienjob.com Foto: privat

Foto: Privat

Studentenjob: taxifahrer

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Studentenjob: Versuchskaninchen

In der Kammer

Rotz, Husten und ein schwerer Kopf ­– ein übereifriges Immunsystem kann tatsächlich Geldsorgen lösen. Zum Beispiel wenn man sich wie unser Autor freiwillig medizinischen Allergietests unterzieht. Gratis Allergiecheck incl.

von Raffael Fritz

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Also belegte Brote. Aber eigentlich ist es egal, denn mit verstopfter Nase schmeckt alles wie Pappe.

AAATSCHI!“ Es ist neun Uhr in der Früh, und wenn ich bisher noch nicht wach war, bin ich es jetzt. Zu zwölft sitzen wir heute in der Kammer, und das große Niesen hat begonnen. Am Anfang wünscht der eine oder die andere noch vereinzelt „Gesundheit!“, aber bald haben selbst die Höflichsten unter uns es aufgegeben. Sonst müssten sie die nächsten sechs Stunden nichts anderes mehr tun. Die Kammer – offiziell heißt sie „Vienna Challenge Chamber“. Und die Challenge besteht darin, sich eine erlesene Mischung aus Allergenen um die Ohren blasen zu lassen. Heute auf dem Tagesmenü: Milbenscheiße. Oder, genauer gesagt, die besonderen Inhaltsstoffe der Milbenscheiße, die mir die Augen schwellen, die Nase rinnen und die Lunge rasseln lassen.

Rotzbruderschaft

Wenn wenn die Natur dich nicht gerade mit Talenten überschüttet hat – oder nur mit solchen, die sich in unserer Marktwirtschaft bedingt zu Geld machen lassen – nicht verzagen! Vielleicht hat sie an anderer Stelle ihr Füllhorn ausgeschüttet. Wie bei mir: Birke, Gräser, Hausstaub, Katzenhaare, Schimmel, das volle Programm an Allergien. Und immerhin die lassen sich zu Geld machen – jedenfalls, wenn man in Wien wohnt, wo es eine von weltweit nur einem halben Dutzend aktiver Allergie-Provokationskammern gibt: Ein Raum im Raum, etwa zwanzig Quadratmeter groß und begrenzt von einer Fensterfront, durch die uns die Mitarbeiter der VCC bei unserem Nieskonzert zuschauen. Die meisten Probanden sind Anfang zwanzig und haben Lernsachen oder den Laptop dabei. Es gibt WLAN. Einen Beamer gibt es auch, mit dem wir manchmal Filme ansehen. Heute nicht: Die meisten sitzen da und lesen, drei Burschen und ein Mädchen

Stoppel in die Nase, Atemmaske rauf und durch das Näschen atmen. Was hier passiert, nennt sich Rhinomanometrie und tut nicht weh.

spielen UNO. Aber langweilig wird es hier sowieso nie. Wer nicht gerade niest, sich schnäuzt oder die Nase mit Bepanthen-Creme einschmiert, bewertet alle Viertelstunde seine Symptome auf einem Touchscreen. Hin und wieder müssen wir so fest es geht in ein Röhrchen blasen. Das heißt Spirometrie. Und dann wieder einen Stoppel in ein Nasenloch stecken, eine Atemmaske aufsetzen und versuchen, so viel Luft wie möglich durch das andere Nasenloch zu quetschen. Das heißt dann Rhinomanometrie. Über ein halbes Jahr hinweg gehe ich einmal im Monat zur Kammersitzung.

So lässt sich sagen, ob das Allergiemedikament anschlägt, das ich mir während dieser Zeit täglich einmal unter die Zunge lege. Aber vielleicht bekomme ich ja das Placebo – spannend, spannend. Nach drei Stunden in der Kammer habe ich so einen Verdacht, denn meine Schleimhäute haben Heraklit beherzigt: Alles fließt. Verstopfte Nase? Stark. Rinnende Nase? Stark. Niesen? Stark. Tränende Augen? Stark. Und so weiter tippe ich meine Symptome auf dem Touchscreen ein. Immerhin gibt es jetzt Mittagessen, je nach Gusto belegte Brote oder Frankfurter.

Vienna Challenge Chamber Die Vienna Challenge Chamber wird vom Uni-Professor und HNO-Arzt Friedrich Horak geleitet. 1985 hat er die erste Allergie Provokationskammer weltweit gegründet. Infos unter www.vcc.at Foto: Michael Hofer

Kein talent, biete allergie

Die letzte Stunde zieht sich. Im Zwerchfell kündigt sich schon ein Muskelkater vom Niesen an, Nase und Augen können nicht mehr röter werden. Die meisten Probanden haben das Lernen mittlerweile aufgegeben, manche haben den Laptop auf dem Schoß und surfen im Internet. Die anderen unterhalten sich miteinander – nach ein paar Stunden in der Kammer wurde hier sicher schon die eine oder andere Bluts-, oder sollte man eher sagen, Rotzbruderschaft geschlossen. Und um 15 Uhr ist es endlich soweit: Noch einmal die Symptome angeben und wir dürfen durch die zwei Reihen von automatischen Türen, die die Kammer luftdicht abschließen, an die frische Luft – erst mal durchatmen und eine Allergie-Tablette nehmen. Noch ein paar Tests, dann habe ich nur noch eines im Kopf: Nach Hause kommen, Duschen, Umziehen, Hinlegen. Was tut man nicht alles im Dienste der Wissenschaft. Und natürlich gibt es da noch die „angemessene Aufwandsentschädigung“, die locker für einen mittelprächtigen Urlaub reicht. Außerdem hat man auf Partys immer was zu erzählen, wenn das Gespräch auf Nebenjobs kommt. Und, was machst du so? Ach, ich bin Versuchskaninchen bei medizinischen Studien, ist echt interessant und die Leute sind totaaal nett! Okay, so sollte man es vielleicht nicht erzählen.

„Nach drei Stunden in der Kammer habe ich so einen Verdacht. denn meine Schleimhäute haben Heraklit beherzigt: Alles flieSSt“

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von Valentin Ladstätter & Martina Powell

Diese Studentenjobs sind nicht zu empfehlen

Da verkaufe ich lieber meine NieRE Studenten aufgepasst! Bist du kreativ, flexibel und offen für neue Berufserfahrung? Wir haben den perfekten Job für dich! So und ähnlich klingen Anzeigen auf Online-Portalen wie studentjob.at. Da wird nicht nur ein halbwegs akzeptables Gehalt in Aussicht gestellt, mit dem sich das Studentenkonto scheinbar ohne großen Aufwand aufbessern lässt. Oft ist da auch von einem „hippen Team“ oder einem „abwechslungsreichen Jobumfeld“ die Rede. Dahinter steckt aber eben oft nur eine Beschäftigung, von der wir froh sind, dass wir sie nur vorübergehend machen müssen und insgeheim hoffen, dass nach dem Studium bessere Zeiten kommen. Die DURST-Redaktion präsentiert ihre ganz persönliche Job-Hitliste. Was in der Anzeige steht:

Die Realität:

Work and Travel

„Du möchtet Dir einfach mal frischen Wind um die Nase wehen lassen, eine Auszeit vom Alltag nehmen? Dann entdecke mit uns die Welt!“

Ja, Work and Travel kann cool sein, wenn du Glück hast. Hast du aber Pech, dann schaufelst du zwei Wochen lang Kuhscheisse im stinklangweiligen norwegischen Äquivalent von Hintertupfing.

Callcenter-Agent

„Neben einem krisensicheren Arbeitsumfeld und einer fundierten Einschulung bieten wir eine spannende und herausfordernde Tätigkeit in einem engagierten Team.“

Du wirst beschissen bezahlt, das mal vorneweg. Du bist ein klitzekleines Rädchen in einem streng hierarchisch organisierten System. Ach ja: Die Leute, die du anrufst, behandeln dich, als wärst du das Letzte. Und das, das weißt du leider selbst, auch noch zu Recht.

FlieSSbandarbeit

„Sie sind körperlich belastbar und ein Teamplayer? Sie haben Freude daran, gemeinsam mit uns in einem modernen Umfeld an neuen technischen Herausforderungen zu arbeiten? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung!“

Teamarbeit? Modernes Umfeld? Technische Herausforderungen? Freude? An einem Fließband hat man wirklich keines dieser Dinge. Tagaus, tagein macht man immer dasselbe in immer derselben Weise. Alles auf Dauer höchst deprimierend, langweilig und außerdem unheimlich mies bezahlt für das, was man über sich ergehen lassen muss.

Promotion

„Sie brauchen Promotion- bzw. Verkaufserfahrung, Freude daran, aktiv auf Menschen zuzugehen, hohes Kommunikationsgeschick, hohe Einsatzbereitschaft, Verlässlichkeit und die Fähigkeit, zielorientiert zu arbeiten.“

Keine Frage, manche Leute treffen die richtige Mischung aus aufdringlich und interessant. Aber die sind so selten wie die blaue Mauritius. Ansonsten scheint sich unter Promotern herumgesprochen zu haben, dass derjenige gewinnt, der den höchsten Penetranzfaktor an den Tag legt. Leute anlabern und ihnen nicht von der Pelle rücken, bis sie die Packerlsuppe nehmen oder einen Wisch unterschreiben, nur damit du endlich (mit einem Lächeln auf den Lippen) Leine ziehst – das ist dein täglich Brot.

Catering

„Wir bieten sehr gute Verdienstmöglichkeiten, ein motiviertes, dynamisches Team und flexible Einsatzzeiten.“

Blasen an den Füßen, gestresste Kollegen und dann auch noch nörgelnde Gäste. Ohne weitere Worte daran zu verschwenden – lies dir den Text von unserer Kollegin Manon Steiner auf Seite 5 durch.

Animateur

„Abiturienten, Studenten, Auszubildende, Studienabbrecher, Klassenclowns, Sportfanatiker, Stars und Sternchen ... Wir brauchen euch ALLE! Und zwar in – FÜGE BELIEBIGES LAND EIN – !!!! Arbeite, wo andere Urlaub machen. Der Strand, die Sonne und wir warten auf Dich!“

Selbst Frohnaturen berichten, dass ihnen nach ein paar Tagen das Strahlen vergangen sei. Wen wundert‘s? Lächeln bis der Arzt kommt, lautet die Devise. Deine positive Ausstrahlung ist dein Kapital. Herumschmollen oder einfach nur die Seele baumeln lassen – vergiss es. Du musst die Gäste unterhalten. Um jeden Preis. Wir raten dir, eine Tackermaschine mitzunehmen. Damit zauberst du auch in traurigen Stunden den Sonnenschein zurück auf dein Gesicht.

Zeitungen Ausstellen

„Wenn das Arbeiten in den frühen Morgenstunden kein Hindernis ist (die Zeitungen müssen bis 6h zugestellt sein), dann freuen wir uns auf Ihre Anfrage!“

Spätestens, wenn der Wecker klingelt, wirst du deine Entscheidung bereuen. Dann, wenn andere noch Party machen, schleppst du tonnenweise Krone und Co. Und das ist nicht das Schlimmste an diesem Job. Schon mal gedacht, wie viel Papier wiegt, wenn es in den Regen kommt?

Umzugshilfe

„Packst du gerne mit an? Dann schick uns deine Bewerbung!“

Das Workout zum Traumkörper wird dir bezahlt? Hättest du wohl gerne. Vielmehr ist der Bandscheibenvorfall programmiert. Geht was schief, haftest du für Schäden am Eigentum.

Haushaltshilfe für betagte Damen und Herren

„Geboten werden eine vertrauensvolle und langfristige Teilzeitanstellung mit hoher Eigenverantwortung.“

Eine vertrauensvolle Teilzeitanstellung? Und was heißt hier langfristig? Es geht schließlich um – pardon – alte Säcke, die offenbar schon nicht mehr so flink, sondern auf Hilfe angewiesen sind. Viel Spaß mit dem alten Hausdrachen, der die Wut über sein verschwendetes Leben an dir auslässt.

Mitarbeit im StudentenMagazin

Nix. Dieser Job wird Gott sei Dank nicht inseriert. Nur Verrückte melden sich zu dieser unterbezahlten Sklavenarbeit freiwillig.

Deine Kollegen sind längst Alkoholiker, du selbst stehst bald vorm Nervenzusammenbruch. Die Chefredakteurin nervt schrecklich und klaut ihren Mitarbeitern das Geld aus der Tasche, weil sie sich den Zwieback nicht mehr leisten kann. Gearbeitet wird in der Abstellkammer. Noch Fragen?

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PraktikA: Pure ausbeutung?

Sarah Kohlmaier und Christine Leitl kennen die Probleme mit Praktika. Die beiden beraten Studierende am Uniport, dem Karriereservice der Uni Wien und sagen: Der Konkurrenzdruck ist härter geworden, die Arbeitsbedingungen oft schlecht. Aber ohne Praxiserfahrung tut sich der Absolvent von heute am Jobmarkt schwer.

Bist du noch immer Praktikant?

Ausbeutung, Langeweile, nervtötende Hilfsarbeiten – wie kein anderer Begriff erzeugt das Wort „Praktikum“ bei Studenten heftige Abwehrreflexe. Zehn Jahre nach dem Hype rund um die „Generation Praktika“ zieht DURST Bilanz.

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ass das Wort „Praktikum“ nie zum „Unwort des Jahres“ gekürt wurde, grenzt an ein Wunder. Eigentlich gehört es schon lange in diese Liste. In unserer Generation hat gefühlt jeder zweite Student schon einmal eines gemacht. Meist unbezahlt natürlich, also darf man nebenbei noch zweimal die Woche nachts kellnern gehen. Tagsüber lernt man dann wertvolle Dinge wie Post abholen, Einkaufen gehen, Café servieren, Telefone beantworten und E-Mails schreiben. Der Student von heute mit Top­ausbildung wird zum Schani vom Dienst. Aber immerhin, trösten sich manche, steht es im Lebenslauf. Vielleicht sogar unter dem einen oder anderen renommierten Namen.

Später fragt eh keiner mehr nach, was man dort gemacht hat. Außerdem hat das Unternehmen, bei dem man sich später bewirbt, ohnehin selbst Praktikanten, die ebenso grandiose Taten vollbringen dürfen. Ein ewiger Kreislauf also. Ja, wir übertreiben ein bisschen, wir bedienen Klischees. Trotzdem: Nach wie vor werden unter dem Stichwort „Generation Praktikum“ hitzige Debatten geführt. Dieser leidige Begriff geistert seit 2005 in den Medien herum. Er fasst grob die Situation junger Akademiker zusammen, die während oder nach ihrem Studium Praktika machen, keinen fixen Arbeitsplatz finden, sich in prekären Lebenssituationen befinden und generell

unterbezahlt sind. Vor wenigen Jahren kam dann der Begriff „Generation Prekär“ hinzu, der das generelle Beschäftigungsproblem junger Menschen adressiert. Demnach würden viele Uni-Absolventen vor ihrem 30. Lebensjahr keine Fixanstellung mehr finden. Auf der anderen Seite steht die „Generation Vielfalt“ von Hochschulforscher Harald Schomburg, der prekäre Arbeitsverhältnisse für Ausnahmen hält und fächerübergreifende Möglichkeiten am Arbeitsmarkt hervorhebt. Ist die ganze Debatte nur eine Spielwiese für so genannte Experten, die sich mit neuen Begrifflichkeiten wichtig machen möchten? Wie sieht die Situation von Praktikanten

tatsächlich aus, Jahre nach dem großen Hype? Einige Studien bestätigen die Missstände, andere widerlegen sie. Kritik gibt es von allen Seiten, doch wenn es um detaillierte Informationen geht, stößt man oft an eine Mauer. Grundsätzlich scheint eines zu gelten: ohne Praxiserfahrung kein Job. Oder sagen wir mal, selten. Christine Leitl von Uniport, dem Karriereservice der Uni Wien, kann das bestätigen: „In den 1970er Jahren hat man ein Studium abgeschlossen und dann irgendeinen Job angenommen. Da war das noch mehr so genanntes ‚training on the job‘. Heute hat sich die Anzahl der Absolventen und Absolventinnen verfünffacht. Für Unternehmen ist es ein Risiko,

„Für Unternehmen ist es ein Risiko, einfach irgendjemanden anzustellen und zu schauen, ob das funktioniert. Dieses Risiko will und kann man heute viel weniger eingehen“ Christine Leitl

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Fotos: Manon Steiner (2), Privat; Klebenschrift: Kurt Rudolf

von Manon Steiner und Johannes Tschohl

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FOTOS: MANON STEINER (2), PRIVAT; KLEBENSCHRIFT: KURT RUDOLF

Csaba (25) hat ein Praktikum im Ausland absolviert – und ist davon begeistert. Allerdings hätte er sich seinen Aufenthalt in Deutschland nicht ohne elterliche und staatliche Unterstützung leisten können.

Marina (23) muss für ihr Studium ein Pflichtpraktikum absolvieren und findet das System gar nicht mal so schlecht. Nach ihrem Studium wird sie ziemlich sicher einen Job finden. einfach irgendjemanden anzustellen und zu schauen, ob das funktioniert. Dieses Risiko will und kann man heute viel weniger eingehen.“ Deshalb würden viele Unternehmen Praktika vergeben, sagt die 31-Jährige. „Oft führt das ja auch zu einer Anstellung.“ Leitl hat ein Problem mit dem Begriff „Generation Praktikum“: „Als hätten Studierende heute keine Wahl. In der Realität kann man sich aber durchaus entscheiden: Mach ich ein Praktikum oder einen Studentenjob? Generation Praktikum, das wirkt, als käme es von außen.“ Also müssen wir doch nicht? Jein, lautet ihre Antwort. Eine bestimmte Anzahl an Praktika werde zwar nicht erwartet, sagt Leitl. Praktische Erfahrungen in einem bestimmten Bereich seien jedoch von Vorteil. „Woher du sie hast, ist unwichtig.“ Für die Jobaussichten ist es also egal, ob man sich während des Studiums bei diversen Projekten engagiert, Sommerjobs annimmt oder eben ein Praktikum macht? Das stimmt nur in der Theorie. Viele Studierende haben nicht die Wahl, wie Marina R. Die 23Jährige belegt Physiotherapie an der FH Campus Wien und muss im Rahmen ihrer dreijährigen Ausbildung insgesamt zehn Praktika machen. Das ist im Studienplan so vorgesehen. Die Praktika werden den Studierenden zugeteilt – und sind unbezahlt, sagt Marina. Die Anforderungen sind groß: „In den letzten drei Monaten DURST 1/14

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unseres Studiums bekommen wir ein 40-Stunden Praktikum aufgehalst, müssen nebenbei unsere Bachelorarbeit schreiben und Abschlussprüfungen machen.“ Generell findet sie das System aber nicht schlecht, da gerade in ihrem Beruf Praxiserfahrung enorm wichtig ist: „Es ist Teil der Ausbildung und deshalb schwer zu sagen, ob es gerechtfertigt ist. Mich stört, dass es in Wien nicht für alle eine Praktikumsstelle gibt. Ich muss mir dann selber etwas in einem anderen Bundesland suchen.“

HARTE KONKURRENZ Zu viele Studenten, zu wenige Praktika, von einer anschließenden Anstellung und fairen Bezahlung ganz zu schweigen. Die Konkurrenz ist groß und gute Praktikumsplätze sind rar. Dessen ist sich auch Leitl vom Uniport bewusst: „Es hat mit Angebot und Nachfrage sowie Unternehmenswerten zu tun. Es gibt zum Glück auch jene, die bewusst zahlen.“ Das ist laut einer Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) vom November 2013 aber nur maximal die Hälfte der Unternehmen. Demnach sind nur ein Drittel der rund 40.000 Pflichtpraktika und zwei Drittel der freiwilligen Praktika bezahlt, wobei Frauen öfter Praktika machen und seltener bezahlt werden. Bei technischen Studien sei die Lage

generell besser. Dennoch muss man bei bezahlten Praktika, die meist unter dem Mindestlohn ausfallen, häufig die Arbeit eines Vollzeit-Angestellten übernehmen. Auch Marina findet: „Du kannst dir alle zehn Finger abschlecken, wenn du einen bezahlten Job bekommst. Oft machst du als Praktikant ja wirklich Arbeit, die jemand anderer machen sollte.“ Die Erfahrung hat sie selbst schon gemacht. „Ich hatte ein Praktikum, bei dem meine Praktikumsleiterin die Hälfte der Zeit nicht da war. Da habe ich alle Patienten übernommen. Das war anstrengend, aber auch sehr interessant.“ Vor allem der Umgang mit Praktikanten lasse in Teilen ihrer Branche zu wünschen übrig, sagt die 23Jährige. „In einem Praktikum wurde mir gleich am Anfang ein Zettel mit der Krankenhaushierarchie hingelegt. Dann hat die verantwortliche Dame gesagt: Hier ist deine Vorgesetzte, hier bin ich und da ganz unten bist du. Sie hat uns auch gleich zu einer 40-Stunden-Woche verdonnert, obwohl wir eigentlich eine 35-Stunden-Woche vereinbart hatten.“ Immerhin hat Marina nach ihrem Studium einen Job. Diese Sicherheit ist heutzutage ein Privileg – vor allem bei Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften, wo die Praktika tendenziell am schlechtesten sind. Das weiß auch Sarah Kohlmaier. Die 29-Jährige hat Kultur- und Sozialanthropologie studiert und berät heute am Uniport Studierende, die genauso unentschlossen sind, wie sie selbst es einmal war. Früher hat sie Studentenjobs einem Praktikum vorgezogen. Bereut hat sie das erst im Nachhinein: „Ich habe unterschätzt, wie wenig praktisch anwendbar mein Studium ist. Bis ich wirklich fachlich arbeiten konnte, musste ich erst lernen, mich in der Arbeitswelt zurechtzufinden.“ Mittlerweile weiß sie: „Der Preis kann höher sein, wenn man es erst nach dem Studium macht oder darauf wartet, bis das perfekte Praktikum daherkommt.“ Leitl bestätigt: „Ich werde nie den Satz einer Seminarleiterin aus der Praxis vergessen, die meinte: Wenn ihr direkt aus dem Studium kommt, werdet ihr keine Chance haben. Ich will Leute mit praktischer Erfahrung.“ Damals, als Leitl Psychologie im Diplom studierte, war zumindest ein Praktikum verpflichtend. Doch sie hatte Glück: „Ich hatte eine Betreuerin bei meinem Praktikum, die ihren Job sehr ernst genommen hat. Sie bildete mich gut weiter und stellte mich Kollegen vor. So konnte ich

mir ein Netzwerk aufbauen.“ Trotz Kritik an gängigen Praktikumsverhältnissen weiß sie, wie wichtig ihre Erfahrungen für ihre Karriere waren: „Man sollte sich über die momentane gesellschaftspolitische Situation im Klaren sein und sich überlegen, wie man dazu steht. Ich persönlich finde es nicht gut, habe mich aber trotzdem bewusst für ein unbezahltes Praktikum entschieden. Weil der Nutzen für mich größer war.“

EUROPAWEITE STANDARDS FEHLEN Fakt ist, dass der Arbeitsmarkt härter geworden ist. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Absolventen beinahe verdoppelt, was vor allem mit der Umstellung auf das Bologna-System zu tun hat, das einen schnelleren und leichteren Studienabschluss ermöglicht. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die generellen Anforderungen an Absolventen gestiegen sind. Ein Bachelor alleine reicht heute kaum aus. Zumindest nicht ohne einschlägige Praxiserfahrung. Das wissen auch junge Akademiker. Laut der Studierenden-Sozialerhebung von 2011 haben 43 Prozent aller Studierenden in Österreich zumindest ein Praktikum freiwillig absolviert, davon sind Fachhochschulen ausgenommen. In anderen EU-Staaten sieht es ähnlich aus. Nach der Eurobarometer-Umfrage der Europäischen Kommission vom Mai 2013 haben 46 Prozent der insgesamt 12.921 Befragten zwischen 18 und 35 Jahren zumindest ein Praktikum gemacht, davon mehr als die Hälfte unentgeltlich. Etwa jedes dritte Praktikum sei in Bezug auf Lerninhalt oder Arbeitsbedingungen unzureichend, so die Kritik der Studienautoren. Dass es Beschäftigungsverhältnisse wie diese gibt, sei zum Teil auf unzureichende oder inexistente Regelungen zurückzuführen. Oft seien sich Praktikanten aufgrund der mangelnden gesetzlichen Definition nicht über ihre Rechte im Klaren. Der Unterschied zwischen einem Arbeitsverhältnis (Eingliederung in den Arbeitsprozess, Weisungsgebundenheit, persönliche Arbeitspflicht, Recht auf Entgelt) und einem Ausbildungsverhältnis sei oft schwammig und werde meist nicht vertraglich geregelt, kritisiert die Arbeiterkammer Wien. Deshalb solle man sich vor Antritt des Praktikums über die „genaue Tätigkeit, Beginn und Ende der Beschäftigung, Arbeitszeit, Entlohnung, eventuell Kost und Quartier sowie die Kollektivvertrags-Zugehörigkeit des Betriebes

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Praktika: Pure Ausbeutung? informieren“. Auch Leitl vom Uniport rät: „Man sollte sich überlegen: Was möchte ich mir mitnehmen, was sind meine Ansprüche und Erwartungen? Man sollte auch Eigeninitiative und Eigenverantwortung ergreifen.“

Missstände Bekämpfen Eigeninitiative, dem Chef auf die Finger schauen und sich gut informieren. Gut gemeinte Ratschläge. Aber für den einzelnen Studi ist es oft schwer, wenn nicht unmöglich, selbst etwas an der gängigen Arbeitspraxis zu ändern und sich gegen seine Vorgesetzten zu stellen. Das hat auch die Europäische Kommission erkannt und angekündigt, etwas gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu tun. Das im April 2013 verabschiedete Programm „Jugendgarantie“ behandelt auch das Thema Praktikum. Darin wird ein Qualitätsrahmen beschrieben, der Arbeitgeber dazu auffordert, Modalitäten klar anzugeben und nachhaltiges Wissen und wertvolle Erfahrungen zu vermitteln. Teil der Modalitäten sind Bezahlung, Arbeitsbedingungen sowie Betreuung. Außerdem soll die Beschäftigungszeit auf maximal sechs Monate beschränkt werden. Allerdings handelt es sich dabei nur um Empfehlungen, nicht um gesetzliche Richtlinien. Also alles nur wieder schöne Worte? Ob das EU-Programm tatsächlich etwas an den Arbeitsbedingungen von Praktikanten ändern kann, ist fraglich. Auch Leitl sieht keinen Trend zur Veränderung, „weil die Schlange an Praktikantinnen in vielen Bereichen noch zu lange ist“. Ihre Kollegin Kohlmaier ergänzt: „Es gibt Bereiche, wo Arbeitgeber sich einfach absichern möchten, dass ein gewisses fachliches Know-How vorhanden ist. In wirtschaftlichen und juristischen Richtungen mag das relevanter sein.“ Doch nur weil die praktische Erfahrung in manchen Bereichen angeblich relevanter ist, heißt das nicht, dass man mehr lernt. Das weiß Martin M., 31, der vor kurzem sein Gerichtsjahr beendet hat. Unmittelbar nach dem Jus-Studium musste er ein achtmonatiges Praktikum im Bezirksgericht Döbling und am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien absolvieren. Für ihn war das Gerichtsjahr eine Art „geheimer Zwang, wie beim Bundesheer“: „In den meisten Stellenausschreibungen ist dieses Praktikum eine Grundvoraussetzung für Einsteiger in den Arbeitsmarkt. Diese Zeit,

die man am Gericht verbringt, ist zwar abzuleisten. Brauchbar ist aber das Wenigste, weil man dabei eigentlich nichts für das Berufsleben lernt.“ Er selbst hatte nie vor, als Anwalt oder Richter in der Justiz zu arbeiten. Martin wollte immer im privatwirtschaftlichen Bereich unterkommen. Wenn jemand allerdings Richter, Staatsanwalt oder Anwalt werden will, hat das Gerichtsjahr in seinen Augen sehr wohl einen Sinn. Die Ausbildung so genannter „Übernahmswerber“, also jener Absolventen mit einer hohen Chance auf eine Übernahme in den Richterstand, unterscheidet sich qualitativ deutlich von dem von ihm absolvierten Praktikum. Er selbst wurde zu stupider Büroarbeit verdonnert: „Mein betagter Ausbildungsrichter hat irgendwann bemerkt, das ich sehr schnell schreiben kann. Das hat dazu geführt, dass ich ihm helfen musste, seinen Aktenberg abzuarbeiten, was stundenlange Diktate mit sich brachte.“ Martin verdiente noch monatlich 1.000 Euro, für manche Praktikanten mag das wie ein stattliches Gehalt erscheinen. Mittlerweile wurde aber auch das Gerichtsjahr auf fünf Monate und 800 Euro monatlich gekürzt. Martin sieht das als eine billige Art, der Justizverwaltung unter die Arme zu greifen. Studierende könnten an dieser Situation wenig ändern. Veränderungen müssten auf anderer Ebene geschehen. Martin hätte da schon ein paar Vorschläge, etwa das Gerichtsjahr zu streichen und das Rechtspraktikum zu reformieren, indem man allen Absolventen und nicht nur den Übernahmswerbern eine hochwertige Ausbildung zukommen lässt. Reine Kanzleitätigkeiten für die Praktikanten und Praktikantinnen sollten seiner Meinung nach abgeschafft werden.

Erlebnis Auslandspraktikum Von ihrem Praktikum war Ella G. wie Martin wenig begeistert. Im Rahmen des Lehrgangs Tourismusmanagement an der FH Wien absolvierte die 24-Jährige ihr verpflichtendes Auslandspraktikum in einem kleinen Tourismusbüro in Málaga, Spanien: „Angefangen von Kloputzen über Sachen sortieren und E-Mails ­schreiben bis zu Hotelverhandlungen und Vorbereitung von Events habe ich alles gemacht. Die Arbeitsbedingungen waren chaotisch. Es gab mehr Praktikantinnen als Sesseln und

Beratungsstellen rund um die Themen Praktika und Jobeinstieg UNIPORT, Karriereservice der Uni Wien Kontakt: Campus, Hof 1.17, Stöcklgebäude, Spitalgasse 2, 1090 Wien Email: office@uniport.at Tel. 01/ 4277 - 10070 Fax: 01/ 4277 - 10079 Arbeiterkammer Außerdem hat die Arbeiterkammer (www.ak.at) in jedem Bundesland eine Vertretung und hilft bei Fragen weiter.

Österreich gibt es in Deutschland das so genannte Praktikantengehalt. Dieses steht jedem im Rahmen eines freiwilligen Praktikums zu und ist im deutschen Berufsbildungsgesetz gesichert. Die Entschädigung hängt allerdings stark von der Branche ab. Csaba bekam als österreichischer Student zusätzlich das Erasmus-Stipendium, in seinem Fall betrug es etwas mehr als 300 Euro pro Monat. Mit der Hilfe seiner Eltern konnte er sich die Zeit in Deutschland ohne Verluste finanzieren. Doch Csabas Beispiel zeigt auch: Trotz gesetzlicher Regelungen und EU-Stipendien – ein Praktikum muss man sich erst leisten können.

Horror oder Chance? ­ ische, die Arbeitszeiten waren nicht T geregelt und es gab keine konkreten Arbeitsanweisungen.“ Dabei sollte man meinen, dass gerade bei kleinen Unternehmen mehr herauszuholen sei. Paradoxerweise scheint es gerade dort schwieriger zu sein, denn laut einer Studie von FORBA kalkulierten gerade diese mit schlecht- oder unbezahlten Praktikanten. Trotzdem meint Ella: „Ich hätte nicht so viel gegen ein unbezahltes Praktikum, wenn ich dabei etwas lernen würde! Mir ist es bei jedem meiner vier Praktika an meinem ersten Tag so gegangen, dass kein Mensch wusste, dass ich komme. Es gab zu Beginn nie eine Erklärung was ich machen, wo ich was lernen oder wen ich kontaktieren kann.“ Dennoch möchte Ella ihre Erfahrung in Málaga nicht missen: „Essentielle Dinge habe ich nicht gelernt aber dafür, wie man mit schwierigen Situationen und internen Konflikten umgeht. Und was es bedeutet, in einem anderen Kulturkreis zu arbeiten.“ Dem stimmt Csaba Röszler, 25, zu. Er studiert Sportgeräteentwicklung im Masterlehrgang an der FH Technikum Wien und ging wie Ella für sein Praktikum ins Ausland. Bei einem Hersteller von Fahrrad- und Motorradkomponenten in Stuttgart kam er unter. Im Gegensatz zu Ella ist er von seiner Zeit in Deutschland begeistert: „Ich bin in der Firma sehr wohlwollend aufgenommen worden, man begegnete mir auf Augenhöhe. Das rechne ich meinen Kollegen hoch an. Auch ein fester Job ist mir recht bald angeboten worden.“ Csaba konnte sich im Unternehmen einbringen, durfte ­Produkte testen und auch die Bezahlung war für ihn akzeptabel. Im Gegensatz zu

Ist der Begriff „Praktikum“ nun ein überholter Kandidat für das „Unwort des Jahres“, oder nicht? Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Für manche sind Praktika ein Horror, der noch dazu als Terminus einer ganzen Generation – unserer eigenen – übergestülpt wurde, während andere durchaus von ihren Erfahrungen profitieren und mit Praktika Positives verbinden. Praxiserfahrung ist für Jobs heute genauso wichtig wie vor 40 Jahren. Nur dass das Sammeln dieser Erfahrung heute schwieriger geworden ist. Auffällig, aber wenig verwunderlich ist, dass schlecht bezahlte Praktika vor allem ein fachspezifisches Problem sind, etwa in den Bereichen Soziales und Gesundheit, Architektur, Kultur- und Verlagswesen, Medien und Geisteswissenschaften oder PR und Werbung. Hinzu kommt, dass sich an diesem Zustand seit dem ersten Aufschrei vor acht Jahren nichts geändert hat. Im Gegenteil. Auch mit einem abgeschlossenen Studium und einer Liste von Praktika im Lebenslauf sehen sich Absolventen häufig mit prekären Beschäftigungsverhältnissen konfrontiert. Die aktuelle Wirtschaftskrise macht die Sache noch schlimmer. Dass dadurch die Angst vor Arbeitslosigkeit wächst und ihrerseits zu verstärktem Konkurrenzdenken und Selbstausbeutung führt, ist nachvollziehbar. Um dem Problem entgegenzuwirken und dem Begriff „Praktikum“ das Ausbeutungsflair zu nehmen, ist ein Umdenken an mehreren Fronten erforderlich, meint auch Leitl: „Es ist ein starker Reflexionsprozess beim Arbeitsmarkt und bei den Unternehmen nötig, aber ­genauso auch bei den Studierenden.“

„Ich hätte nicht so viel gegen ein unbezahltes Praktikum, wenn ich dabei etwas lernen würde! Mir ist es bei jedem meiner vier Praktika an meinem ersten Tag so gegangen, dass kein Mensch wusste, dass ich komme“ Ella G.

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ILLUSTRATION: JOHANNA MARK; KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

Berufsbegleitend studieren • Psychotest: Welcher Job passt zu dir? Förderdschungel: Wie bekomme ich Kohle fürs Studium?

Abenteuer, Geld, Spaß und Freizeit. Wir wollen alles, und zwar jetzt. Nur wie? „I want it all...“ von Queen. DURST 1/14

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Berufsbegleitend Studieren

Alles unter einem Hut

Immer mehr Studierende entschließen sich für ein berufsbegleitendes Studium. Eine Studentin, ein Studiengangsleiter und ein Zeitmanager erklären, wie man mit der Doppelbelastung umgehen kann – und wo die Risiken liegen.

Sozialerhebung: Über 60 STunden pro Woche für Job und Studium In Österreich absolvieren etwa 14.000 Studierende ein berufsbegleitendes Studium. Laut Studierenden Sozialerhebung (2011) ist der wöchentliche Gesamtzeitaufwand in berufsbegleitenden FH-Studiengängen mit 62 Stunden pro Woche mit Abstand am höchsten. 87 Prozent der berufsbegleitend Studierenden sind erwerbstätig, im Schnitt 36,6 Stunden pro Woche. An Österreichs Fachhochschulen werden derzeit knapp 100 berufsbegleitende Studien angeboten. An der FH Campus Wien sind es elf Bachelor- und 22 Master-Studiengänge an der FHWien derzeit sechs Bachelorund acht Master-Studiengänge, die berufsbegleitend studiert werden können.

Nix als Lernen und Hackln Cigdem Kurt ist das, was man einen echten Workaholic nennt. Wie die 26-Jährige ihren Job als Krankenpflegerin samt berufsbegleitenden Master meistert, erzählte sie DURST. von Sonja Dries

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igdem Kurts Patienten haben Krebs, meistens Leukämie. Das Sterben ist alltäglich. Ihre 40 Stunden Woche ist auf Tag- oder Nachtdienste von jeweils zwölfeinhalb Stunden aufgeteilt. Doch wenn Cigdem ihre Dienstwoche auf der fünften Medizinischen Abteilung des Krankenhauses Hietzing beendet hat, ist der Pflichtteil noch nicht vorbei. Die gebürtige Türkin ist eine von 14.000 Studierenden in Österreich, die ein berufsbegleitendes Studium absolvieren. „Advanced Nursing Education“ lautet der Titel ihres Master-Studiengangs. In vier Semestern wird den Studierenden erweitertes Fachwissen aus der Pflege näher gebracht. In der

Praxis heißt das für die 26-Jährige, dass sie sich nach drei Tagen Dienst im Krankenhaus und einem freien Tag in Bus und Straßenbahn setzt, um von ihrer Wohnung in Hietzing zur FH auf der Favoritenstraße zu fahren. In besonders stressigen Wochen kann es schon einmal vorkommen, dass sie drei Tage hintereinander von 08:45 bis 21:30 Uhr Unterricht hat und anschließend einen Nachtdienst schiebt. Eigentlich hatte sich Cigdem für „Logopädie“ angemeldet, doch beim Einzelgespräch des Aufnahmeverfahrens wurde ihr klar, dass sie aus Versehen „Gesundheits-und Krankenpflege“ gewählt hatte. Heute erscheint ihr das fast wie Schicksal: „Obwohl das

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nicht von Anfang an mein Traumberuf gewesen ist, würde ich jetzt nichts anderes mehr machen wollen.“ Und das, obwohl das Studium alles andere als ein Spaziergang ist: Teilweise würden sehr viel Stoff und Lehrveranstaltungen in die verfügbaren FH-Tage gestopft werden. Jetzt, im dritten Semester, seien gleich neun Seminararbeiten fällig. Eine bessere Aufteilung der Kurse auf die vier Semester und eine Entschärfung der Präsenzzeiten könnten für zukünftige Studierende hilfreich sein, um Job und Studium besser zu koordinieren, meint sie. Die 26-Jährige weiß, wovon sie spricht. Neben ihrem 40-Stunden-Job und dem Studium ist sie auch im ÖHTeam tätig. Dort kümmert sie sich vor allem um die rechtliche Beratung der Studierenden, hilft aber auch bei der Organisation von Punschständen, nimmt an den Vollversammlungen teil und hat den Campus schon des Öfteren erst nach Mitternacht verlassen. Die Dreifachbelastung, die mit Job, Studium und ÖH auf der 26-jährigen liegt, ist jedoch auch für sie manchmal frustrierend und auslaugend.

Hinzu kommt die finanzielle Belastung: Da der Master nicht vom Bund gefördert wird, musste Cigdem insgesamt 10.800 Euro für ihr Studium hinblättern. Nicht nur einmal hat sie sich schon die Frage gestellt, warum sie sich das eigentlich antut: „Manchmal schaue ich in meinen Terminkalender und bin mir nicht sicher, wie sich das alles ausgehen soll.“ Dass sie ihren Alltag trotzdem bewältigt schreibt Cigdem vor allem ihrem Organisationstalent – ohne ToDo Listen gehe gar nichts – ihrem Ehrgeiz und der Fähigkeit, sich ein bisschen selbst anlügen zu können und Dinge auch mal schön zu reden, zu. Die wichtigste Stütze seien jedoch ihre Familie und Freunde. Nächstes Semester schließt Cigdem ihr Masterstudium ab. Die FH hat ihr angeboten, als externe Lektorin zwei Fächer im Bachelorstudiengang zu unterrichten. Auch wenn sie ihre Arbeit mit den Patienten in Hietzing liebt und erstmal nicht „weg vom Bett“ will, hat sie die Stelle angenommen. Schließlich brauche sie neue Herausforderungen, sonst werde ihr ja langweilig.

Fotos: Sonja Dries, FH Wien; Klebeaufschrift: Kurt Rudolf

Job und Ausbildung in Einem – so ein Lebensstil braucht viel Disziplin. Cigdem Kurt (26) arbeitet als Krankenpflegerin und macht nebenbei einen berufsbegleitenden Master. Sie wünscht sich eine bessere Aufteilung der Kurse und eine Entschärfung der Präsenzzeiten an ihrer FH.

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FOTOS: SONJA DRIES, FH WIEN; KLEBEAUFSCHRIFT: KURT RUDOLF

WIE SICH JOB UND STUDIUM BESSER VEREINBAREN LASSEN von Stefanie Rachbauer

Nikolaus Koller (33) leitet seit Juni 2013 das Institut für Journalismus und Medienmanagement an der FHWien. Davor war er für die KarriereRedaktion der Tageszeitung „Die Presse“ verantwortlich.

Auf diese sieben Tipps schwört Burkhard Heidenberger, Trainer für Zeitmanagement und Arbeitsmethodik:

1

Sei vorbereitet. Wer nach dem Büro noch an die Uni will, sollte sich bereits im Vorfeld Strategien zu Recht legen, wie er die Doppelbelastung am besten bewältigt. Auch ein Gespräch mit dem Arbeitgeber kann hilfreich sein, um nicht ständig mit Überstunden eingedeckt zu werden.

2

Verschaffe dir Überblick. Organigramme, Mindmaps etc. helfen, die Übersicht über den Lernstoff zu bewahren.

3

Teile deine Zeit ein. Welcher Lernstoff muss bis wann sitzen? Das sollte in einem schriftlichen Zeitplan festgehalten werden.

4

Kenne deinen Lerntyp. Wiederholen oder doch lieber in der Gruppe diskutieren? Wer weiß, wie der Stoff am besten hängen bleibt, lernt auch effizient.

5

Lass dich nicht ablenken. Berufsbegleitend studieren heißt, die begrenzt zur Verfügung stehende Zeit für die Uni möglichst gut zu nutzen. Deshalb: Weg mit Handy und Facebook vom Schreibtisch!

6

Pflege deine Motivation. Zum Beispiel, indem du dir laufend Ziele setzt und dich belohnst, wenn du sie erreichst. Wer seine Ziele an Freunde oder die Familie kommuniziert, schafft sich einen leichten Druck, sie auch zu verwirklichen. Lerngruppen können vor dem inneren Schweinehund retten.

7

Kenne deine Grenzen. Wann die Belastungsgrenze durch Job und Uni erreicht ist, muss jeder selbst entscheiden. Auf jeden Fall aber dann, wenn psychische und physische Gesundheit leiden. DURST 1/14

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„ES KANN AUCH BIS INS BURNOUT FÜHREN“ Wie lassen sich Studium und Job miteinander vereinbaren? DURST hat mit Nikolaus Koller, Leiter des Studiengangs Journalismus und Medienmanagement an der FHWien, über berufsbegleitendes Studieren gesprochen.

von Sonja Dries Herr Koller, ab nächstem Wintersemester wollen Sie und ihr Team ein neues berufsbegleitendes Bachelorstudium an der FH Wien anbieten. Worauf achten Sie bei der Konzeption eines berufsbegleitenden Studiums?

Die Studienzeiten. Wir versuchen, Rücksicht auf die Lebensbedingungen der Berufstätigen zu nehmen und die 20 vorgeschriebenen Lehreinheiten pro Woche gut zu verteilen. Früher hatten wir ein Modell mit vielen Abendeinheiten bis 22 Uhr. Wir haben uns jetzt dazu entschlossen die Lehreinheiten donnerstags und freitags zu blocken. Zusätzlich gibt es in den ersten drei Semestern jeweils eine Intensivwoche. Diese Variante ist didaktisch besser, weil die Studierenden nicht den ganzen Tag arbeiten und dann noch in den Hörsaal müssen, sondern zwei Tage pro Woche fix fürs Studium eingeplant haben. Sie empfehlen eine maximale Arbeitswoche von 20 Stunden. Warum?

Berufsbegleitend heißt eigentlich berufsermöglichend. Sie haben hier im Bachelorstudium 20 Lehreinheiten in der Woche mit Anwesenheitspflicht. Wenn sie über die ganzen drei Jahre 40 Stunden pro Woche arbeiten, dann fängt nach 60 Stunden, ohne Transferzeiten und Mittagspause, erst ihr Familienleben, ihre Regeneration an und da haben sie noch keinen Strich gelernt. Deswegen empfehlen wir die Arbeitszeit zu reduzieren – auch wenn uns bewusst ist, dass Studierende durchaus ökonomische und soziale Zwänge haben. Es ist unsere Pflicht zu sagen, dass ein 40-Stunden-Job, Karriere und dazu noch voll zu studieren auch bis ins Burnout führen kann. Ist die Berufstätigkeit neben dem Studium verpflichtend?

Auch wenn es nicht kontrolliert wird, empfehlen wir eine einschlägige Beschäftigung während des Studiums. Weil das

Wissen, das die Studierenden sich bei uns erarbeiten, gleich in der Praxis umgesetzt werden kann. Auf der Fachhochschule bekommen sie das Rüstzeug, um sich neben dem Job weiterzuentwickeln. Je früher man den Fuß in ein bestimmtes Berufsfeld setzt, desto besser. Wie wird berufsbegleitendes Studieren von den Arbeitgebern eigentlich angenommen?

Ein schlauer Arbeitgeber wird Angestellte, die berufsbegleitend studieren wollen, an sich binden und entwickeln wollen. Man sollte jedoch niemals ein solches Studium beginnen, ohne den Arbeitgeber vorher informiert zu haben. Denn man ist immer wieder auf sein Verständnis angewiesen. Es gibt Arbeitgeber, die ihren Angestellten durch Zeitreduktion oder unbezahlten Urlaub entgegenkommen. Andere gehen sogar so weit, die Studiengebühren zu übernehmen. Es empfiehlt sich, gemeinsame Ziele zu vereinbaren, damit man als Studierender nachher nicht enttäuscht ist, wenn man vollgepumpt mit Motivation und Veränderungsdrang in die Arbeit kommt und niemanden interessiert es.

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Illustration: Gaia Soldatini; Klebenschrift: Kurt Rudolf

Psychotest

Den Absolventen von heute stehen alle T체ren offen. Nicht mal mit dem, womit wir uns im Studium besch채ftigt haben, m체ssen wir zwangsl채ufig Geld verdienen. Die Kehrseite der Freiheit: Was tun mit so viel Talent und Wissen? Unser Psychotest gibt die Antwort.

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ILLUSTRATION: GAIA SOLDATINI; KLEBENSCHRIFT: KURT RUDOLF

CLOWN ODER DOCH GHOSTWRITER?

Welcher Nebenjob passt zu dir? Unser Psychotest verrät dir, was in dir steckt. von Lena Hammerstingl

Wie würdest du deinen Kleidungsstil beschreiben?

Wie verhältst du dich auf Partys?

Mit meinen Latschen mache ich Big Foot Konkurrenz. Gut, dass ich die in meinen noch größeren Schuhen verstecken kann. Ich gehe eigentlich am liebsten oben ohne raus, damit ich vor den Ladys und Boys meine Brustmuskeln spielen lassen kann. In den Farben dunkelbraun, grau oder moosgrün fühle ich mich am wohlsten. Besonders stolz bin ich auf meine Hemden, die verschmelzen praktisch mit der Umwelt – und ich mit ihr. Ich trage gerne lässige Klamotten, yo! Hoodies oder Jacken – Hauptsache, die Teile haben viele Innentaschen. Ich mag weite, flauschige Klamotten, in die ich mich so richtig reinkuscheln kann.

Nach dem zweiten Bier gehe ich auf den Händen über den Tresen und bin der Alleinunterhalter der Runde. Ich stehe gerne in Eingangsnähe und checke die Leute ab. Ich versorge meine Freunde mit stimmungsaufhellenden Substanzen. Ich gehe nicht auf Partys. Außer auf die Wein- und Käseverkostung meiner Studentenverbindung. Aber nur bis 23:30, dann ist Schlafenszeit. Ich streite mich mit dem Barkeeper über die überteuerten Getränkepreise und lasse mich danach von meinem Gspusi einladen.

Wovor hast du Angst? Was sind deine persönlichen Stärken? Ich bin gut darin, Leute zu etwas zu bringen, egal ob sie wollen oder nicht. Ich kann alles verticken, was mir in die Finger kommt! Ähm, ich spreche also von meinem außerordentlichen Verkaufstalent. Mein Lächeln strahlt heller als die Sonne und die Frise sitzt – egal ob‘s regnet, stürmt oder schneit. Ich bin der härteste Streber und intelligenter als Jimmy Neutron. Ich bin ein liebevoller Tollpatsch, meine Freunde lachen ständig über mich. Außerdem lieben mich Kinder.

Was machst du gerne in deiner Freizeit? Lesen. Und Wörterbücher auswendig lernen. Liegestütz vor dem Spiegel. Da kann ich so schön zugucken, wie sich die Sehnen in meinem Arm anspannen und entspannen. Und anspannen und entspannen. Und anspannen ... Ich adoptiere gerne streunende Katzen, überschütte sie mit Liebe und streichle sie so lange, bis ihr Fell wieder schön glänzt. Ich chille am liebsten mit meinen Homies im McD auf der Favoritenstraße. Ich bin im Jonglierverein. DURST 1/14

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Lösung Die Auswertung geht ganz einfach: Zähle die Häufigkeit der Farbsymbole vor deinen Antworten. Das Symbol, das du am öftesten gewählt hast, führt dich zur deinem perfekten Nebenjob. GHOSTWRITER Du bist blitzgescheit, diszipliniert und ehrgeizig. In Kombination mit deinem nahezu krankhaften Perfektionismus bietest du beste Voraussetzungen für einen Studentenjob als Ghostwriter. Ein klarer Vorteil bei diesem Job ist, dass du deine Gewohnheiten nicht ändern musst. Du kannst den ganzen Tag an deinem Arbeitsplatz sitzen und deine gedanklichen Ergüsse zu Papier bringen. Du bildest dich weiter und bekommst auch noch Geld dafür bezahlt. Deine Angst vor Menschen lässt sich problemlos umgehen. Schließlich hast du deinen nerd@ home.com-Mailaccount und kommunizierst ausschließlich darüber mit den leider nicht so begnadeten Studenten, die deine Dienste in Anspruch nehmen müssen. TÜRMODEL Du siehst gut aus, hast einen knackigen Po und noch dazu süße Grübchen. Warum also nicht deinen Körper für ein sympathisches Textilunternehmen zur Verfügung stellen? Die geistige Arbeit liegt dir ohnehin nicht besonders. Lässig an der Tür zu lehnen und den heißen Schnecken und Schneckerichen „Hey guys, whatz up?“ zuzurufen ist schon eher dein Ding. Es kommt nicht selten vor, dass Leute sogar ein Foto mit dir machen wollen – hach, der Duft von Fame liegt in der Luft!

Dass mich der Türsteher nicht mehr in den VIP-Bereich lässt. Vor einer unsichtbaren Wand, an der ich einfach nicht vorbeikomme. Dass auch noch die letzten Nachkommen der Kegelrobbe aussterben! Dass ich einen Kommafehler in meiner Hausarbeit übersehe. Aber das wird nicht passieren. Niemals! Zivil-Bullen, die blöden Penner.

CLOWN Kinder lieben dich, komische Klamotten stehen dir super, eine rote Nase ist dir quasi angeboren. Da du meistens durch deine lustige Art im Mittelpunkt stehst ist das Unterhalten fremder Leute für dich ein Klacks. Auch dein wunder Punkt mit den zu großen Füßen löst sich wie von selbst, denn von nun an werden dich deine Kollegen um dein ausladendes Fußbett beneiden! Nach der Arbeit wirst du stets gut gelaunt nach Hause kommen, denn wo ist die Stimmung besser als in Zirkuszelten oder auf Familienfesten?

Wo hältst du dich gerne auf?

UNTERSCHRIFTENSAMMLER Du magst Tiere, vergötterst unsere Erde und studierst mit einem Blumenkranz im Haar. Für NGOs und ihre Ziele auf der Straße zu stehen – das ist der perfekte Job für dich. Du stehst den ganzen Tag vor der Uni, kannst frische Luft schnappen und wirbst ganz nebenbei Paten für die armen, süßen, knuffeligen, paarungsscheuen Pandas an. Was, dein Gegenüber ist schon Pate? Kein Problem, es gibt ja noch so viele andere Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Zum Beispiel Seeadler. Oder Luchse. Oder Braunbären. Oder Nashörner!

Ich treibe mich gerne am Westbahnhof rum, da lernt man viele interessante Leute kennen. Im großen Lesesaal der Hauptuni. Ich bin der neue Bibster! In Hüpfburgen. In abgedunkelten Räumen mit der heißesten Mainstream-Mukke. Draußen an der frischen Luft, am liebsten an Kreuzungen oder in Fußgängerzonen.

Was studierst du? Meinen Körper. Irgendwas zwischen Publizistik und Theaterwissenschaften. Blumen und Bäume. Diese Frage ist mir zu ungenau. Definiere „studieren“. Alles mit Laborzugang.

DROGENVERCHECKER Der Kitzel vom schnellen Geld, das Versteckspiel mit der Polizei – das ist genau dein Ding. Schon als Kind warst du immer der Räuber, nie der Gendarm. Du lernst viele neue Leute kennen, hast flexible Arbeitszeiten und zudem noch Zugriff auf den besten Stoff zu Einkaufspreisen. Außerdem kannst du während der Laborarbeiten für dein Studium schon mal das eine oder andere Inhaltsstöffchen verschwinden lassen. Keine Frage – bald machst du Heisenberg Konkurrenz.

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HANS MACHT SICH SCHLAU

Unser Student Hans Habenichts will demnächst sein Studium beginnen. Er hat schon gehört, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, vom Staat Kohle zu bekommen. Weil wir aber bekanntermaßen in Bürokratiehausen leben, beantwortet DURST die wichtigsten Fragen rund um den Förderdschungel. von Johannes Tschohl und Sonja Dries

Aber davon muss ich ja gleich wieder die Studiengebühren abziehen!

Ich würde gerne mal im Ausland studieren. Gibt es da auch Unterstützung?

u kannst die Studiengebühren rückerstattet bekommen, wenn du – bürokratisch ausgedrückt – sozial förderungswürdig bist und dein Studium innerhalb der vorgegebenen Zeit (plus ein Toleranzsemester) absolvierst. Auch wenn du berufstätig bist, kannst du dich von den Studiengebühren befreien lassen. Voraussetzung ist, dass du im letzten Jahr mindestens 5.415,20 Euro verdient hast.

nachdem an welcher Universität Jeoder Fachhochschule du studierst,

D Welche finanzielle Unterstützung steht mir während dem Studium eigentlich zu?

A

nrecht auf Studienbeihilfe hast du als österreichischer Staatsbürger, Staatenloser, (unter bestimmten Bedingungen) Ausländer aus dem EWR-Raum oder Drittstaatsangehöriger. Sozial bedürftig musst du halt sein. Das heißt, Faktoren wie das Einkommen deiner Eltern oder die Familiengröße werden zur Berechnung herangezogen. Außerdem darfst du noch keine andere Ausbildung auf derselben Stufe absolviert haben. Für den zweiten Bachelor gibt es also kein Fördergeld mehr. Als Kandidat für die Studienbeihilfe musst du außerdem einen gewissen Studienerfolg nachweisen. 30 ECTS oder 14 Semesterwochenstunden sind etwa für einen Bachelor an einer FH oder Uni nach den ersten beiden Semestern nötig. Erfüllst du all diese Kriterien, kannst du im Monat bis zu 424 Euro bekommen. Vollwaisen, verheirateten Personen, oder Studierenden mit Kindern stehen bis zu 606 Euro monatlich zu.

Ob Fahrtkostenzuschüsse, Mobilitätsstipendium oder Studienbeihilfe: Es gibt viele Möglichkeiten, sich vom Staat unterstützen zu lassen. Vorrausgesetzt, du erfüllst gewisse Kriterien. Und stell‘ dich darauf ein, dich mit ein wenig Bürokratie herumzuschlagen.

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Das Hin- und Herfahren zwischen Uni und Zuhause wird aber auch ganz schön ins Geld gehen.

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enn du Studienbeihilfe beziehst, kannst du so genannte Fahrtkostenzuschüsse beantragen. Natürlich gilt das nur für jene Strecken, die dein Studium direkt betreffen. Wenn du noch bei deinen Eltern lebst und ihr Wohnsitz von deinem Studienort so weit entfernt ist, dass das Hin- und Herfahren zeitlich nicht mehr zumutbar ist, hast du außerdem ein Anrecht auf eine höhere Studienbeihilfe (bis maximal 606 Euro), damit du in die Nähe deiner FH oder Uni ziehen kannst.

hast du während deines Auslandsaufenthaltes weitere zwei bis vier Semester Anspruch auf deine Studienbeihilfe. Um abgesehen davon weitere Beihilfen zu bekommen, musst du mindestens drei Monate lang im Ausland studieren. Die Unterstützung gibt’s für maximal 20 Monate. In deinem Antrag, den du bis spätestens drei Monate nach deinem Auslandsaufenthalt einbringen kannst, sollten Dauer, Studienprogramm und eine Bestätigung der Gleichwertigkeit deines österreichischen Studiums und jenem im Ausland enthalten sein. Dann kannst du bis zu 582 Euro im Monat zusätzlich einstecken. Auch bei den Reisekosten kannst du auf Unterstützung hoffen. Wenn zusätzlich Probleme mit der Sprache bestehen, ist es für Studienbeihilfebezieher möglich, eine Finanzspritze für die Absolvierung eines Sprachkurses vor Reiseantritt zu bekommen. Ein guter Weg, die Kosten deines Studiums im Ausland ein bisschen zu reduzieren, ist außerdem ein Mobilitätsstipendium. Das bekannteste ist das Erasmus-Programm. Voraussetzungen dafür sind, dass du deine Matura in Österreich gemacht hast und dass sich dein Wohnsitz seit mindestens fünf Jahren in Österreich befindet. Der Höchstbetrag beläuft sich hier wie bei der Studienbeihilfe auf 606 Euro pro Monat.

ILLUSTRATION UND KLEBENSCHRIFT: KURT RUDOLF

Her mit der Kohle!

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Wenn ich dann in der Endphase meines Studiums bin, würde ich mich gerne richtig ins Zeug legen. Nebenbei arbeiten geht sich da aber nicht mehr aus.

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ls Student hast du die Möglichkeit einer Selbstversicherung. Die kostet dich etwa bei der Wiener Gebietskrankenkasse monatlich 52,68 Euro und deckt die Krankenversicherung. Du musst einen Antrag stellen und eine Inskriptionsbestätigung an die Versicherungsanstalt schicken. Du kannst dich für die Mindeststudiendauer plus vier Toleranzsemester versichern. Das funktioniert übrigens auch, wenn du lediglich einen Nebenwohnsitz im Studiengebiet hast. Du musst unbedingt darauf achten, dass du die Studienrichtung nicht öfter als zwei Mal wechselst und dein jährliches Einkommen 8000 Euro brutto nicht überschreitet. Wenn du geringfügig beschäftigt bist, kostet dich die Selbstversicherung monatlich 55,79 Euro und deckt die Kranken- und Pensionsversicherung. Neben einem Antrag musst du hier auch einen Lohn- oder Gehaltsnachweis der Geringfügigkeit übermitteln. Um die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu überschreiten, darf dein monatliches Einkommen 395,31 Euro nicht überschreiten. Hilfreich ist hier auch der „Geringfügigkeitsrechner“ (www.schwarzesbrett-oeh. at), der gemeinsam von ÖH und Jugendgewerkschaft entwickelt wurde. Wenn du außerdem Studienbeihilfe beziehst und über 27 Jahre alt bist, hast du Anspruch auf einen Versicherungskostenbeitrag in der Höhe von monatlich 19 Euro.

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enn du weißt, dass du dein Studium in den nächsten 18 Monaten abschließen wirst, nicht über 41 Jahre alt bist und noch kein anderes Studium mit etwas Höherem als einem Bachelor abgeschlossen hast, gibt es die Möglichkeit ein „Studienabschluss-Stipendium“ zu beantragen. Dabei handelt es sich immerhin um 500 bis 1090 Euro im Monat, die bis zu achtzehn Monate lang ausgezahlt werden. Dafür müssen allerdings ein paar Anforderungen erfüllt werden. In den letzten vier Jahren solltest du zumindest halbbeschäftigt gewesen sein und du darfst keine Studienbeihilfe bezogen haben. Wenn dir die Beihilfe gewährt wird, musst du jegliche Berufstätigkeit aufgeben. Wichtig ist, dass du dein Studium dann auch wirklich abschließt. Sonst musst du die Förderung zurückzahlen. Eine weitere Möglichkeit ist ein Förderungsstipendium, das dich bei deiner wissenschaftlichen Arbeit unterstützt. Du musst eine Beschreibung deiner Arbeit, eine Kostenaufstellung und einen Finanzierungsplan vorweisen. Außerdem brauchst du ein Gutachten von einem Prof, in dem steht, dass du in der Lage bist, die Arbeit mit überdurchschnittlichem Erfolg durchzuführen. Die Förderungen werden von deiner Uni oder FH selbst ausgeschrieben und es können bis zu 3.600 Euro pro Studienjahr dabei rausschauen.

Vielleicht geh ich doch erst mal arbeiten. Bringt mir das förderungstechnisch auch was?

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Bringt es mir eigentlich finanziell auch was, wenn ich mich so richtig anstrebere? Jahr werden LeistungsstipenJ edes dien von den Universitäten und

FHs ausgeschrieben. Dort findest du dann auch die Bewerbungsfrist, die zu erbringenden Studiennachweise und die Kriterien für die Auswahl der Stipendiaten. Zum Beispiel darf dein Notendurchschnitt nicht schlechter als 2,0 sein. Bis zu 1.500 Euro werden pro Stipendiat vergeben.

enn du dich vor Beginn deines Studiums über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren mit einem Einkommen von mindestens 7.272 Euro brutto pro Jahr zur Gänze „selbst erhalten“ hast, kannst du ein so genanntes „Selbsterhalterstipendium“ beantragen. Mit „sich selbst erhalten“ ist gemeint, dass du dir deinen Lebensunterhalt – ohne Unterstützung deiner Eltern – selbst verdient hast. Auch Arbeitslosenunterstützung, Notstandshilfe, Karenzgeld und Kinderbetreuungsgeld gelten als eigene Einkünfte, Zuverdienste über Ferialarbeit aber nicht. Erfüllst du alle Kriterien, kannst du mit einer monatlichen Unterstützung von 679 Euro rechnen. Sehr vorsichtig musst du beim Zuverdienst sein, dieser darf die monatlichen 395,31 Euro brutto der Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten. Ein günstiger Studienverlauf ist erwünscht. Formulare findest du auf der Homepage der Studienbeihilfenbehörde. ILLUSTRATION UND KLEBENSCHRIFT: KURT RUDOLF

Achja, versichern sollte ich mich vielleicht auch ...

WEITERE INFORMATIONEN STUDIENBEIHILFENBEHÖRDE: Gudrunstraße 179A, 1100 Wien, Tel.: 01 60-173, www.stipendium.at GRUPPE FÜR SELBSTVERSICHERUNG DER WIENER GEBIETSKRANKENKASSE: Kundendienst-Telefonnummer, 01/ 60 122-2700 GPA-DJP JUGEND: Die Gewerkschaft hat auch in jedem Bundesland Regionalgeschäftsstellen, wo du persönlich vorbeikommen kannst. www.jugend.gpa-djp.at

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ILLUSTRATION: JOHANNA MARK. KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

Hürden für Arbeiterkinder • Work in New York • Flucht nach Neuseeland • Hass auf Berlin Warum Noten in unseren Lebenslauf gehören • Sexberatung

Oh yeah, Nigel! Aber nicht ohne meine Kohle! „But baby i don‘t....“ aus dem Lied von Spinal Tap. DURST 1/14

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Bildungsungerechtigkeit

Studieren sei doch keine richtige Arbeit – mit diesem Vorwurf werden viele Studierende zu Hause konfrontiert. „Kunst kommt von Arbeit“: Arbeiterinnen und Arbeiter dargestellt vom steirischen Maler Josef Schützenhöfer (siehe auch Seite 20).

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Arbeiterkinder sind an den Hochschulen eine Seltenheit. Sie kämpfen nicht nur mit den Hürden des Bildungssystems, sondern auch mit dem eigenen Umfeld - weiß unsere Autorin aus eigener Erfahrung.

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nd, studierst du noch in Wien? Ja, solang es die Eltern ­finanzieren, gell. Aber dein Bruder, der arbeitet schon was, oder?“, ­lautet die erste Frage meiner Großtante beim weihnachtlichen Familienfest. Der Unterton ist deutlich zu hören. ­Meine Mutter versucht die unangenehme Situation zu lösen, indem sie stolz von meinem Berufswunsch berichtet. Dann schaltet sich mein Onkel in das Gespräch ein: „Ach, Journalistin willst werden? Braucht man da wirklich noch mehr von denen?“ Ich bin Jana. Ich bin die Tochter einer Versicherungsangestellten und eines Kunstschmieds. Der Großteil

meiner Familie ist in der Landwirtschaft tätig, Arzthelferin, Bäcker oder Kaufmann. Auf dem Gymnasium war keiner von ihnen. Damit falle ich in die Kategorie „Arbeiterkind“ – und bin laut Statistik eine Seltenheit an den österreichischen Universitäten. Ich habe den Weg raus aus dem Dorf an die Universität geschafft. Andere Arbeiterkinder habe ich dort allerdings kaum getroffen. Das liegt wohl daran, dass Bildung heute immer noch eine Sache der Vererbung ist. Ob du auf eine Hochschule gehst oder nicht, hängt maßgeblich davon ab, ob deine Eltern das getan haben. Wer denkt, dass die Zeiten vorbei

sind, in denen eine universitäre Ausbildung Sache der Eliten ist, hat sich an den Hochschulen Österreichs noch nicht richtig umgeschaut. Von 100 Kindern, deren Eltern lediglich einen Pflichtschulabschluss haben, absolvieren nur 14 die Matura und gar nur fünf ein Hochschulstudium. Im Vergleich dazu schaffen von 100 Kindern aus Akademikerfamilien 66 die Matura und 41 ein Hochschulstudium. Das schreiben die Autoren der „Studie Education at a Glance 2013“ der OECD. Die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten sind offenbar enorm. Dabei heißt es doch immer Österreich, sei ein Land, in

dem Chancengleichheit in Sachen Bildung herrscht. Das ist sogar in Artikel 14 Absatz 5a der Bundesverfassung verankert. Die gesamte ­Bevölkerung soll „unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, unter steter Sicherung und Weiterentwicklung best­möglicher Qualität ein höchstmögliches Bildungsniveau“ erreichen können. Die Realität zeichnet allerdings ein anderes Bild. Das Bildungsungleichgewicht zeigt sich nicht nur an den Universitäten und Fachhochschulen. Auch an den Gymnasien ist man als Arbeiterkind bereits deutlich in der Minderheit. Hier beginnen bereits die

„Ich habe den Weg raus aus dem Dorf an die Universität geschafft. Andere Arbeiter­kinder habe ich dort allerdings kaum getroffen. Das liegt wohl daran, dass Bildung heute immer noch eine Sache der Vererbung ist“

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Abbildung: Josef Schützenhöfer; Klebenschrift: Kurt Rudolf

von Jana Lapper

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ABBILDUNG: JOSEF SCHÜTZENHÖFER; KLEBENSCHRIFT: KURT RUDOLF

Herausforderungen. Schon der Weg zur Matura gestaltete sich für mich holpriger als für manche meiner Mitschüler. Während die Mutter meiner Freundin ihr zu Hause stundenlang Physik erklärte, konnte mir meine Mutter schon als ich zwölf Jahre alt war kaum mehr helfen. „Das war schwierig, auch für mich. Natürlich bekommt man da Komplexe wenn man dem Kind nicht mal mehr bei den Hausübungen helfen kann“, sagt meine Mutter, als ich mit ihr für diesen Artikel über meine ersten Schritte ins Akademikerleben spreche. Irgendwann ließ meine Mutter mich einfach alleine machen, hoffte das Beste. Ich wurde selbstständiger. Von meiner Familie konnte ich mir nur wenige Ratschläge erwarten: Wie ich an meine Matura, geschweige denn zu meinem Studienabschluss, kommen sollte, das musste ich mir schon selbst organisieren. So steht das Arbeiterkind ziemlich oft alleine da, während die Zukunft anderer schon so gut wie von den Eltern vorgeplant ist. Das kann eine Erleichterung sein, aber auch eine Bürde. Denn manchmal sind es auch die Eltern, die einem nahelegen, mit dem Studium in diese oder jene Richtung zu gehen. Das war bei zwei Freunden von mir der Fall. Weil die Eltern Ärzte sind, sollten sie ebenfalls Medizin studieren. Akademikerkinder haben generell einen höheren Druck, studieren zu müssen. Mich hingegen hat kein Arzt-Papa zu einem Medizin-Studium gedrängt.

EINE FRAGE DES GELDES Der erste Schritt an die Universität ist für jeden schwierig. Zu Beginn stellen sich für Arbeiterfamilien aber oft andere Fragen als für Akademikerfamilien – allen voran die Frage nach der Finanzierung. Viele meiner Freunde und Studienkollegen bekommen reichlich Unterstützung von ihren Eltern. Geld wäre nie eine Frage gewesen, an der ihr Studienvorhaben hätte scheitern können. Für meine Eltern allerdings war das eine große Sorge: „Wir hatten keine Ahnung, wie wir dir ein Studium finanzieren sollen, wenn es bei uns selbst nur gerade so reicht. Da war natürlich eine große Unsicherheit da. Aber irgendwie haben wir uns gedacht, dass du schon wissen wirst, wie man das macht. Und als du dann von staatlicher Förderung erzählt hast, waren wir sehr erleichtert“, sagen meine Eltern heute. Staatliche Förderung wie die Studienbeihilfe erleichtert die Situation vieler Studierenden ungemein. Nichtsdestotrotz reicht auch dieses Geld oft hinten und vorne nicht aus und so sind viele dazu gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten. DURST 1/14

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Und wenn das Amt wieder drei Monate länger braucht, um den Antrag auf Förderung zu bearbeiten und das Geld einfach nicht kommt, kann man schon mal Existenzängste entwickeln.

LOST IM ANMELDESYSTEM Unsicherheit, Selbstzweifel und Angst vor dem neuen Umfeld prägen die ersten Wochen an der Hochschule. Eine neue Stadt, neue Menschen, ein neues System und neue Umgangsformen. Man muss die ersten Kurse wählen und versteht das Anmeldesystem nicht. Man hat Prüfungsstress und keine Ahnung vom wissenschaftlichen Arbeiten. Wer hilft einem, wenn man wieder einmal vor einer Krise steht und sich nicht sicher ist, ob das alles überhaupt das Richtige für einen ist? Meine Eltern konnten es nicht – für sie war dieses Umfeld ja noch fremder als für mich. Von Modulen und Multiple-Choice-Prüfungen hatten sie noch nie etwas gehört. Sie mussten erst einmal damit klar kommen, dass ich jetzt so weit von ihnen entfernt wohne. Dass ich mich in einem ganz anderen Milieu bewege, neue Menschen treffe und Erfahrungen sammle, die außerhalb ihrer Vorstellungskraft liegen. Da kann es schon manchmal schwierig werden, sich gegenseitig zu verstehen. Dann fühlt es sich ein bisschen so an, als ob zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander treffen. Denn eine zentrale Schwierigkeit war für mich immer, meiner Familie nahezubringen, was ich da eigentlich den ganzen Tag mache. Dieses Unverständnis macht vielen Arbeiterkindern zu schaffen. Auch meine beste Freundin und Mitbewohnerin, selbst Arbeiterkind, hat mit solchen Dingen zu kämpfen: „Wenn ich zum Beispiel meiner Oma davon erzähle, was ich gerade im Studium mache oder was meine Pläne für die Zukunft sind, bekomme ich kaum Reaktionen. Dann wird schnell das Thema gewechselt.“ Nicht nur strukturelle Hürden in der Bildungspolitik Österreichs erschweren Arbeiterkindern also den Schritt ins Studium – hinzu kommt die Skepsis innerhalb der Familie. Meine Familie, abgesehen von meinen Eltern, denen ich viel davon erzähle, kann sich unter einem Studium nur wenig vorstellen. Dass dieses Studium auch noch ein geisteswissenschaftliches ist, erschwert das Verständnis dann noch zusätzlich. Dadurch wurde ich zu einer Art Tabuthema in meiner weitläufigen Familie. Wenn wir an Geburtstagen zusammen am Tisch sitzen und uns über Neuigkeiten austauschen, erzählt meine Tante leidenschaftlich gerne

Anekdoten über die Arbeit meiner Cousine und meines Cousins, deren Lohn und deren neues Auto, das sie sich schon davon leisten können. Über mich verliert man kein Wort. Fragen werden keine gestellt. Ich habe meine Eltern gefragt, woran das liegen könnte. Warum sich NATIONALER in meiner Familie scheinbar niemand BILDUNGSBERICHT für mein Leben in Wien und mein ÖSTERREICH Studium zu interessieren scheint. „Arbeit bedeutet bei uns eben immer noch körperliche Arbeit. Also EIN HOHES MASS AN richtige Anstrengung und dass man CHANCENUNGLEICHHEIT irgendetwas Handfestes herstellt. So– das attestieren die Autoren des gar über deine Cousine werden oft Nationalen Bildungsberichts dem genug Sprüche gemacht, weil sie nur österreichischen Bildungssystem. in der Gemeinde im Büro sitzt“, sagAusschlaggebend sei dabei das te mein Vater. So gesehen ist es schon Elternhaus – Faktoren wie nachvollziehbar, dass es für manche Migrationshintergrund oder unvorstellbar ist, wie anstrengend Wohnort spielen dem gegenüber auch ein Studium sein kann. Und es eine geringere Rolle. wird deutlicher, wo die gängigen Vorurteile über Studenten – das „faule 70 PROZENT Pack“ und „die Schmarotzer“ – herder angehenden AHSler haben Eltern, kommen. die mindestens Matura gemacht haben. Trotz aller Hürden: Meine Eltern haben mich immer unterstützt 30 BIS 35 PROZENT und mir oft gezeigt, wie stolz sie auf der Mütter und Väter jener mich sind. Meine Mutter und mein Jugendlicher, die nach der Volksschule Vater haben mir immer meine Freiin die Hauptschule oder NMS wechseln, heiten gelassen und mich in allem haben einen höheren Schulabschluss. bestärkt, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Und auch meine Tante ist ÜBER 90 PROZENT an diesem besagten Weihnachten in der Schülerinnen und Schüler einer ruhigen Minute auf mich zubesuchen nach einer AHS-Unterstufe gekommen und hat mir einen Umeine Schule mit Matura. schlag in die Hand gedrückt: „Ich will, dass du diese 100 Euro nimmst. NUR ETWA EIN DRITTEL Einfach so, weil ich das toll finde, was der Absolventinnen und du machst, weil du dein Leben in die Absolventen von Hauptschulen Hand nimmst und die Welt siehst. wechseln in eine matuIch weiß, dass du sie brauchen kannst raführende Schule. und auch gut verwenden wirst. Und weil ich früher zu solchen Dingen www.bifie.at/nbb Ins. Durst PR DUK 02.14_: 26.02.14 10:11 Seite 1 nicht die Möglichkeit hatte.“

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ir sollten die Decke neu streichen. Oder vielleicht auch nicht. Ich drehe mich vom Rücken auf die Seite, gähne, strecke meine Zehen aus, bis sie das Ende der Couch erreichen und grabe meinen Kopf in den Polster. Die Strahlen der Nachmittagssonne zeichnen sich im schwebenden Staub ab. Ein Schlüssel bewegt sich im Schloss der Wohnungstür und mein Mitbewohner kommt herein. Es ist Sommer und brütend heiß auf den Straßen von Brooklyn. Dementsprechend verschwitzt ist sein Gesicht. Er kommt eben aus seinem Restaurant zurück, wo er acht Stunden lang Falafel verkauft hat. Jetzt hängt er an seinem Handy und delegiert Fahrradkuriere durch die Straßen von New York. Neben dem Restaurant leitet er noch eine Agentur für Lieferanten. „Du bist nicht in der Arbeit?“, fragt er, als er mich auf der Couch liegen sieht. „Wann geht dein Flug?“ „Am Donnerstag, aber ich hab’ mir die ganze Woche frei genommen“, antworte ich. „Wow. Wenn ich wo hinfliege, arbeite ich im wahrsten Sinne des Wortes bis ich zum Flughafen fahre“, sagt mein Mitbewohner. „Was machst du denn noch?“ „Nichts.“ Ich setze mich von der Couch auf, strecke meine Arme durch und betrachte die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster in den Raum fallen. Ich fühle mich faul. Es ist Montag. In drei Tagen geht mein Flug von JFK nach Wien. Sommerurlaub. Ich werde die nächsten drei Tage (vor meiner Reise!) in New York verbringen und nicht ins Büro gehen. Ich fühle mich faul. Ich habe, seit ich vor sechs Monaten nach New York gezogen bin, im Schnitt fünfzig ­Stunden pro Woche gearbeitet, manchmal auch am Wochenende. Das Leben ist teuer hier, aber ich komme ohne Kopfweh über die Runden. Ich fühle mich faul. Ich werde kein richtiger New Yorker mehr. New York ist eine Arbeitsstadt. Muss es auch sein, weil ohne Job ist der Kontostand schneller bei oder unter Null angelangt als in den

meisten Städten dieses Planeten. Mieten sind unverschämt teuer – und daher alles andere auch, das in einer Immobilie stattfindet, verkauft oder hergestellt wird. Die überwiegende Mehrheit der New Yorker mietet. So baut sich der Kostendruck von allen

mag meinen Beruf, aber ich finde, dass bei einem Gespräch die wichtigsten Infos über die Aufgaben und ein, zwei Anekdoten eine angemessene Überleitung sind, um entweder über interessante Dinge zu reden oder einfach nur herumzublödeln. Eindeutig

Gefühlte Faulheit

Wenn die New Yorker nicht in der Arbeit sind, sprechen sie über ihre Arbeit. Unser Autor lebt seit einem Jahr in der Stadt und plädiert für den gepflegten Müßiggang. von Manuel Köllner

In der Stadt der Träume möchte unser Autor nur eines: seine Füße hochlegen. Seiten auf. Und das Ventil dafür ist arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich mag meinen Job. Die Arbeit ist nicht das Schlimme hier, sondern der Einfluss der Arbeit auf das Leben und die Art, wie die Menschen miteinander umgehen, miteinander reden. Nicht dass in Europa nur über die Liebe und das Leben philosophiert wird, aber so viel über meine Arbeit habe ich vor meinem Umzug hierher noch nie reden müssen. Eine Alltagsplauderei wirkt hier schnell wie ein Bewerbungsgespräch, in dem es sich möglichst gut verkaufen zu gilt. Ich würde wahrscheinlich nie eingestellt werden. Ich

interessant sind Humor, Reisen, kulturelle Unterschiede oder politische Überzeugungen. Fußball gehört auch zum Interessanten, aber darüber rede ich aus Respekt vor der Mehrheit nur mit anderen Fußballverstörten.

Happy Jobtalking Es riecht nach Süßkartoffel, als ich in die Wohnung eintrete. Umarmungen und Händeschütteln. Vom Tisch in der Küche, auf dem sich Weinflaschen und benutzte Teller stapeln, blicken mir freundliche Gesichter entgegen. Ich bedanke mich beim

Gastgeber, der mich gerade zum Buffet geführt hat, für die Einladung zu seiner Thanksgiving-Feier und richte mir einen Teller mit Truthahn und den bereits eingangs erschnupperten Süßkartoffeln. Ich frage, ob der Sessel noch frei ist und setzte mich an den Tisch zu den fremden, freundlichen Gesichtern. Ich sage meinen Namen. Es gehe mir gut und ihnen gehe es auch gut. Happy Thanksgiving. „Und was machst du?“, fragt mich meine Sitznachbarin nach dem ersten Bissen Truthahn. Machen ist gleichbedeutend mit arbeiten. „Ich arbeite als Reporter fürs deutsche Fernsehen. Wir berichten über New York, die UNO und die Wall Street.“ „Wow. Das ist cool.“ „Ich kann mich tatsächlich nicht beschweren“, sage ich und möchte nun fragen, was denn sie so mache, und ... „Manuel reist auch ziemlich viel für seinen Job. Wo warst du zuletzt?“, höre ich von einer bekannten Stimme hinter mir. Mein unternehmerischer Mitbewohner ist auch auf der Feier. Wir sind Freunde und er steht mir beim Amerikanisch-Sein immer mit Rat und in diesem Fall auch Tat zur Seite. Er hat mein „Fehlverhalten“ sofort erkannt und weiß genau, dass es wichtig ist, einen beruflich erfolgreichen Eindruck zu hinterlassen. Gut gemeint. Aus mir wird kein richtiger New Yorker mehr. New York ist eine Handelsstadt. Alles ist Ware, alles hat einen Preis. Ich habe keine Lust, mich selbst als Ware auf dem Humankapitalmarkt anzubieten. Und schon gar nicht, wenn ich ein Glas Wein vor mir und nette Menschen rund um mich stehen habe. Ich werde deshalb in Zukunft noch weniger über meine Arbeit sprechen. Ich fühle mich nicht mehr so faul. Ich genieße es, an die Decke zu starren und meine Beine zu strecken, während ich mich nicht entscheiden möchte, ob wir frisch ausmalen sollten. Ich verschwende Geld und verdiene Lebensgefühl. Ich schreibe ab und zu kitschig. Ich fühle mich gut. Ich bin lieber human denn Kapital; und mit dieser Einstellung in der falschen Stadt.

„New York ist eine Arbeitsstadt. ohne Job ist hier der Kontostand schneller bei oder unter Null angelangt, als in den meisten Städten auf diesem Planeten“

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Foto: Manuel Köllner

New York: Wo sich alles um den Job dreht

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26.02.2014 12:28:46 Uhr


Neuseeland: Weil es hier doch so schön ist

Hallo Pampa!

Foto: Mara Simperler

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o idyllisch wie auf unserem Foto ist es nicht überall auf Neuseeland. Lena (23) studierte ein Semester an der Lincoln-Universität „Natural Resources Management and Ecological Engineering“. Im südlichen Teil der Insel, wo sie wohnte, war es vor allem eines: flach und fad. Auf dem Weg nach Hause begegneten ihr täglich hunderte Kühe und Schafe, Geräusch- und Geruchskulisse inklusive. Obwohl die Studiengebühren höher (zwischen 3.000 und 4.000 Euro pro Semester) sind und der Lebensstandard ein wenig teurer als in Österreich ist, entscheiden sich viele Österreicher für ein Studium über 18.000 Kilometer von der Heimat entfernt. Warum auch nicht? Schließlich würden einen die Leute im Supermarkt freundlich grüßen, am Nachmittag könne man einfach raus zum Strand und Wale schauen gehen. Und von ihrem Kaff mal

abgesehen, hat Neuseeland wirklich eine atemberaubende Landschaft, erzählt Lena. Viel Zeit zum Entdecken bleibt den Studis aber nicht: Der Unialltag ist straff organisiert, 40 Wochenstunden sind die Regel. Viele ihrer Kommilitonen mussten neben ihrem Studium arbeiten, um sich die Kursgelder zu verdienen. Nach der Ausbildung geht der Stress weiter: Viele Absolventen finden keine feste Anstellung in Neuseeland. Der Jobmarkt ist klein, die Insel weit entfernt von attraktiveren Märkten wie jene in Australien. Deshalb wandern viele Einheimische aus. Auch wenn Lena ein halbes Jahr in der sprichwörtlichen Pampa lebte – für sie hat sich das Semester ausgezahlt. Wegen den Walen, dem Strand, den netten Leuten – und ja, weil sie interessante Ansätze über Umwelt und Wassermanagement an der Uni zu hören bekam. Martina Powell

Auf dieser Insel ist man am weitesten entfernt von seinen Sorgen in der Heimat – denken sich viele Studis aus Österreich, wie Lena. DURST 1/14

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Berlin: Schwarz zu Blau

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ch wollte die Welt erobern. Ich wollte, dass mein Leben etwas ­Besonderes ist. Ich wollte nach meinem Studium nicht in irgendeinem Job versauern. Ich wollte mutig sein, neue, interessante Menschen kennen lernen. Raus aus Wien. Nur kein Stillstand. Und dann überkam es mich: das Berlin-Gefühl. Als ich das erste Mal vor sechs Jahren in Berlin war und nach meinem viertägigen Kurztrip wieder am Flughafen Tegel stand, wusste ich, dass ich irgendwann hier zurückkehren würde. „Dies Stadt, das bist DU“, dachte ich mir damals. Im Flugzeug musste ich die vergangenen vier Tage Revue passieren lassen. Ich wohnte in Kreuzberg, mitten in der Partymeile für coole, hippe Menschen. Nur, dass ich das zu dieser Zeit noch nicht wusste. Junge Menschen saßen überall, auf Gehwegen,

Häusertreppen, Dächern oder auf Sofas, die sie selbst auf die Straße getragen hatten. Die Stadt lebte. Da musste ich kurz an mein langweiliges Meidling denken, wo ich damals wohnte. Dort sitzt niemand auf der Straße, in Wien trägt niemand ein Sofa auf eine Brücke und setzt sich mitten drauf. Und dann diese vielen kleinen MiniSupermärkte, „Spätis“ genannt. Sie sind ein Treffpunkt für Junge, Alte, Verrückte oder einfach nur Einsame. Verrücktes Kreuzberg, dachte ich mir damals. Die Menschen sind alle so unterschiedlich, so viele Lebensstile, Kulturen und Charaktere auf einem Haufen. Und alle scheinen perfekt miteinander auszukommen. Was ist das für ein Leben hier? Ich möchte nicht weg. Nie wieder. Und was konnte mir Wien schon bieten? Oh du langweiliges Wien, mit deinen kleinen

Zeitungen, kleinen Gassen, den Sackerln fürs Gackerl, deiner Melange, deinen Weckerln und deiner MaHü. Während ich zu meiner Wohnung in Meidling spazierte, merkte ich, dass sich nach diesen vier Tagen in Berlin etwas in mir verändert hatte. 2011 bewarb ich mich dann um einen Praktikumsplatz bei einer deutschen Tageszeitung in Berlin. Mein Studium war beendet, ich wollte weg und hasste den Stillstand. Ich bekam das Praktikum, meine Eintrittskarte für zwei Monate Berlin. Die Wiege der Verrückten. In Berlin angekommen, war ich elektrisiert. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch. Ich war verliebt. Das Tempo der Stadt war so schnell, die Haupthalle des Flughafens breitete sich vor mir aus wie eine malerische Kulisse, die sich im Sekundentakt verändert. Ein verschwommenes

Aquarellbild, das nie still bleibt. Die Menschen gingen so schnell, dass ich nur die leuchtenden Farben ihrer Kleider wahrnehmen konnte, wie Glühwürmchen schwirrten sie an mir vorbei, und in dem Moment wusste ich: Ich bin in einer Weltmetropole. Meine Bleibe war diesmal nicht in Kreuzberg sondern am Prenzlauer Berg. Ich brauchte fast eineinhalb Stunden zu meiner neuen Wohnung, und da merkte ich erst, wie weitläufig Berlin ist. Aber sie war wieder da: die Begeisterung für Berlin. Ich ließ mich von der Schönheit der Menschen, dem Glanz der Cafés, ja selbst dem Charme heruntergekommener Häuser oder Ruinen und dem endlos scheinenden U-Bahnschienennetz unter der Mauerbrücke blenden. Ich wohnte bei einer 40-jährigen Punkerin, Dani, und ihrer dreijährigen

Urlaute in Meiner Brust

Eine Stadt, die mein Leben verändern sollte: Wie ich Berlin lieben und hassen lernte.

FotoS: Christoph Liebentritt (2), privat

; Klebeschrift: Kurt Rudolf

von Manuela Tomic

Hier kommt Woodstock-Feeling auf. Wöchentlich trifft man sich am Berliner Mauerpark zum Ausnüchtern, Flohmarkt-Shoppen und Zuhören.

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26.02.2014 12:33:06 Uhr


; KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT (2), PRIVAT

Tochter. Die Wohnung war dreckig. Ich schlief in meinem Schlafsack und bezahlte viel zu viel Geld für diese heruntergekommene Bude. Aber ich war wie auf Drogen. Urlaute kamen aus meiner Brust, mein Herz schien noch fester zu schlagen als sonst. Die Urlaute veranlassten mich an diesem Tag dazu, immer weiter zu marschieren. Ich lief Berlins Straßen ab, den Mauerpark, den Moritzplatz, die Hermannstraße und die Gegend rund um das Kottbusser Tor, die ich künftig wie alle „echten“ Berliner nur noch „Kotti“ nennen sollte. Ich stieg in sämtliche Busse, ohne zu wissen, wo sie hinfahren. Und schon war es geschehen. Bereits am ersten Tag, hatte ich Wien vergessen. Ich hatte alles vergessen. Es gab nur noch Berlin und mich. Die nächsten zwei Monate blieben so berauschend wie es der erste Tag bereits war. Jeden Tag passierte etwas. Und nach der Arbeit gingen wir ein wohlverdientes Billigbier im Mauerpark trinken. Wir, das war eine Clique aus fünf Leuten, alles Praktikanten und Volontäre. Ich hatte plötzlich sehr intensive Freundschaften, verliebte mich, hatte Beziehungen, trennte mich. Verliebte mich wieder. Alles spielte sich innerhalb dieser Clique ab. Wenn das alles vorbei ist, dachte ich mir, werde ich euch vier furchtbar vermissen. Und es stimmt. Wir gingen den Hang hinauf, so konnte man über den gesamten Park blicken, jeden Abend Festivalstimmung. Warmes Wetter, ein rosa Himmel, und ganz langsam genoss man gemeinsam jeden Abend den Sonnenuntergang, bis in die Nacht blieb man. Schließlich wollte keiner von uns diese besondere Zeit auch nur für eine Sekunde verpassen. Wir waren alle im Hier und Jetzt. Einmal bin ich mit meinem besten Freund auf einer Wiese in Wedding gesessen, es war eher eine Brachfläche und wir machten eine Art Picknick, umrahmt von einer riesigen, lauten Kreuzung. Kein typischer Ort für ein Picknick. Die Wiese war total dreckig, voll mit Zigarettenstummeln und sonstigem Müll. Links von uns ein riesiger Supermarkt. „Weißt du, Manu“, sagte der Freund damals zu mir, „in Berlin scheint alles so normal zu sein, was anderswo total komisch wäre. Und wenn man hier ist, weiß man gar nicht mehr, was normal ist und was nicht. Man ist einfach hier.“ Und er hatte so Recht. Mein Praktikum neigte sich dem

Berlin Tempelhof. Am ehemaligen Flugplatz lässt es sich gut abhängen. Ende zu und ich musste mich von Dani verabschieden. „Warum bist du nie hier gewesen?“, fragte sie, fast schon in einem mütterlichen Ton. „Ich, ähm, es war eben viel los“, stammelte ich. „Naja, Berlin eben“, sagte sie, und lachte. Mit ihrer Tochter im Arm, beide winkten mir zu, entließ sie mich wieder nach Wien. Wo ich nicht lange bleiben sollte. Schon ein halbes Jahr später zog ich nach Leipzig zu meinem Freund und dann wieder ein Jahr später nach Berlin.

TSCHÜSS, SOMMER Doch als ich nach einem anstrengenden Umzug in meiner ErdgeschossWohnung in Berlin-Moabit stand, hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas anders war. Der rosa Schleier war verschwunden. Ich dachte, wenn ich wieder nach Berlin ziehe, wird es mir wieder so gehen wie im in dem einen, besonderen Sommer. Natürlich war es nicht so. Monatelang war ich arbeitslos, Berlin versank unter einem grauen und trostlosen Herbsthimmel. Ich musste mich als freie Journalistin durchschlagen, war nicht mehr in der flauschigen Welt des Praktikums gefangen, sondern alleine, ohne

Unsere Autorin Manuela.

Struktur und Tagesablauf. Es wurde Winter. Nach einem harten halben Jahr bekam ich endlich eine Stelle als Redakteurin. Jetzt, dachte ich, jetzt wird alles wieder so wie an diesen Sommertagen. Jetzt lebst du wirklich in Berlin und bleibst hier. Jetzt hast du einen Job, du hast es geschafft. Ich hatte eine tolle Arbeit, verdiente gutes Geld und konnte um 17 Uhr heimgehen. Aber mit der Zeit schlich sich etwas ein: Zwischen Arbeit, Freunden und Partys bis sieben in der Früh überkam mich plötzlich das Anti-Berlin-Gefühl. Ich war auf einmal dauerübermüdet, überarbeitet, gestresst und alles nervte mich. Es war passiert: Mir war die Energie für die Party-Weltmetropole Berlin, in der die Zeit nie stillsteht, ausgegangen. Wie ein Licht, eine Glühbirne, die noch flackert, kurz bevor sie durchbrennt. Das war ich. Ich fühlte mich innerlich leer.

DAS SPASS-GEFÄNGNIS Ich hatte alles satt. Die hübschen Menschen, sie waren für mich nur noch internationale Langweiler, die vor irgendetwas weglaufen. Vielleicht vor dem Erwachsenwerden. Wie ich damals. Ich aber hatte realisiert, dass das Leben keine Langzeitparty ist – und dass ich nicht auf einer Langzeitparty leben möchte. Und so saß ich in meinem Büro, blickte abends aus dem Fenster auf den leuchtenden Fernsehturm am Alexanderplatz und fragte mich: „Was kommt jetzt?“ Und das eineinhalb Jahre, nachdem ich nach Berlin gezogen war. Die Stadt wirkte für mich nur mehr wie ein Gefängnis, ein Korsett in dem man

„KEINER VON UNS WOLLTE DIESE BESONDERE ZEIT AUCH NUR FÜR EINE SEKUNDE VERPASSEN. WIR WAREN ALLE IM HIER UND JETZT“ DURST 1/14

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zu funktionieren und Spaß zu haben hatte. „So viele Menschen kommen einfach mit zu hohen Erwartungen in diese Stadt und merken dann, dass Berlin diese Erwartungen gar nicht erfüllen kann“, hat mir ein Freund bei einer unserer WG-Partys mal gesagt. Wie wahr, wie wahr. Bei den hohen Erwartungen, die ich hatte, konnte ich nur enttäuscht werden. Also ließ ich meine Arbeit stehen und fasste den einzig richtigen Entschluss: Ich musste Berlin, diesem Lebensgefühl, der unbeschreiblich schönen und einzigartigen Phase in meinem Leben, auf Wiedersehen sagen. Alles, woran ich denken konnte, war mein schönes Wien mit seinen kleinen Zeitungen, seinen kleinen Gassen, seinen Sackerln fürs Gackerl, seiner Melange, seinen Weckerln und seiner MaHü. Das hat Seele.

DIE KONFETTI-EXPLOSION Ich bin gegangen, einfach so verpufft, verschwunden aus Berlin, wie so viele vor mir. Ich bin explodiert und übrig blieben nur mehr viele bunte Konfetti. Freunde riefen mich an, wollten sich treffen, wollten Party machen. Doch ich war weg. Jetzt sitze ich im schrulligen Café Sperl, blicke auf die Gumpendorfer Straße im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Jetzt bin ich froh wieder in Wien zu sein. Aber ich kann sagen: Ich hätte es wahnsinnig bereut, wenn ich meinem inneren Trommelwirbel nicht gefolgt wäre. Denn jetzt ist Berlin immer ein Teil von mir. Und es prägt mich. Ich muss öfter über mich selbst schmunzeln, über die Österreicher, auch über die Deutschen. Und vor allem weiß ich jetzt eines: Wien ist die tollste Stadt der Welt. Ich habe auch in Berlin Spuren hinterlassen, Menschen verlassen, die ich sehr mag. Aber vor allem habe ich eines: mein persönliches Zeichen gesetzt. Irgendwo auf den Straßen Berlins findet sich in irgendeiner Ritze noch ein Konfetti. Es ist das Konfetti meiner Explosion an dem Tag, als ich aus Berlin geflüchtet bin. Irgendwann werden genug Menschen über dieses Konfetti gelaufen sein, es wird im Nichts verschwinden und sich auflösen. Bis der Nächste explodiert. Und so bleibt Berlin für mich die ewige Stadt der Party. Ich werde die Zeit nie vergessen. Und wenn ihr das nächste Mal in Berlin seid, tut mir den Gefallen und verstreut ein paar Konfetti. Irgendwo, irgendwie irgendwann. Es wird sich sowieso niemand nach euch umdrehen. Alles ist erlaubt in Berlin. Alles normal. Bis man sich fragt: „Normal, was ist das eigentlich?“

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Endlich wieder Platz, um ein bisschen zu nörgeln. ...

DAS KREUZ MIT DER OBJEKTIVITÄT

Diesmal geht es um das leidige Thema Noten und die Frage, ob sie für einen Job ausschlaggebend sind. Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, dann erscheint die Antwort klar: Um eine Spitzenposition in der Wirtschaft, in der Politik oder sonst wo zu erobern, sind gute Noten oft eine wichtige Voraussetzung. Für andere, weniger prestigeträchtige Jobs wiederum nicht. Soviel zu der uns allen bekannten Situation am Arbeitsmarkt. Gehen wir die Sache deshalb anders an. Im Fall von Noten ist es wahnsinnig trocken, sich mit dem Konzept selbst zu beschäftigen. Da geht es um die so genannte „Leistungsbeurteilungsverordnung“ und darum, wie ein „sehr gut“ definiert wird und … gähn. Wir kennen die Argumente, die dann immer wieder

durchgekaut werden. Da ist ein veränderter Blickwinkel beim Thema Noten schon interessanter. Also die Frage: Ist es überhaupt sinnvoll, sich als Arbeitgeber auf Noten oder andere Bewertungskriterien, die nicht von einem selbst erstellt wurden, zu verlassen? Um das zu beantworten, müssen wir einen kurzen Abstecher zu denen machen, die Noten vergeben – zu den Lehrerinnen und Lehrern, den Professorinnen und Professoren, eben zu allen, die in irgendeiner Form eine Bewertung abgeben können oder müssen. Obwohl es festgelegte Regeln gibt, nach denen die Beurteilung von Schülern und Schülerinnen oder Studentinnen und Studenten erfolgen sollte (wie weiter oben erwähnt: das steht in der

Leistungsbeurteilungsverordnung. Was für ein Ungetüm der deutschen Sprache), so ist die Benotung doch etwas durch und durch Subjektives. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Benotung überhaupt nichts mit Objektivität zu tun hat.

PERSPEKTIVENWECHSEL Sich mit Objektivität zu beschäftigen, ist eine extrem heikle Sache. Weil man dabei so ziemlich alles in Frage stellen muss. Allem voran sich selbst und seine eigenen Auffassungen. Fangen wir also gleich damit an: Wie kann ich behaupten, dass sich mit Objektivität zu beschäftigen eine „extrem heikle Sache“ ist? Und warum ist der Grund, den ich dafür genannt habe, „einfach“? Da habt ihr‘s. Sobald

Noten machen uns vergleichbar und ermöglichen anderen, Werturteile über uns zu fällen. Warum das bei genauerem Hinsehen Quatsch und trotzdem nicht zu ändern ist.

ILLUSTRATION: BRETTER; KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

von Valentin Ladstätter

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ich Adjektive wie diese verwende, begebe ich mich auf dünnes Eis. Und wenn ich Floskeln wie „dünnes Eis“ verwende, dann erst recht. Vorerst bleibt uns aber nichts anderes übrig. Machen wir das, was die Wissenschaft macht, wenn sie nichts Handfestes hat, arbeiten wir mit Annahmen. Nehmen wir also an, dass es sich bei der Objektivität um einen schwierigen Begriff handelt. Er hängt eng mit der Frage zusammen, ob etwas wahr ist oder falsch und ob wir, also die Menschen, die Wahrheit als solche erkennen können. Oh, toll, noch so ein Begriff. Die Wahrheit. Dabei haben wir uns ja extra vor der Leistungsbeurteilungsverordnung gedrückt.

DIE WELT, NUR EIN TRUGBILD? Jemand, der uns vielleicht weiterhelfen kann, ist René Descartes. Der Mathematiker, Philosoph und Naturwissenschaftler ist Urheber des berühmten Satzes „Ich denke, also bin ich“. Auch Descartes begann seine Überlegungen damit, alles in Frage zu stellen. In seinen Grübeleien schloss er die Möglichkeit mit ein, dass die äußere Welt nur ein Trugbild sei und dass wir tatsächlich von einem bösen Geist getäuscht werden könnten, der uns die „Realität“ nur vorgaukelt. Mist. Alles was wir wahrnehmen, könnte eine Verarschung sein? Spätestens, seit der Hollywoodfilm „The Matrix“ in die Kinos kam, ist dieser philosophische Gedanke einem breiteren Publikum bekannt. Morpheus brachte es auf den Punkt: „Wie definiert man das, Realität? Wenn du darunter verstehst, was du fühlst, was du riechen, schmecken oder sehen

kannst, ist die Wirklichkeit nichts weiter als elektrische Signale, interpretiert von deinem Verstand.“ Und doch ist nicht alles anzuzweifeln, behauptet Descartes. Trotz der Erkenntnis, dass wir uns auf unsere Sinne nicht verlassen können, fand der Philosoph schließlich etwas „Reales“. Etwas, dessen Existenz seiner Meinung nach nicht verleugnet werden kann. Denn auch wenn nichts, was wir wissen, und nichts, was wir wahrnehmen, für wahr gehalten werden kann, so muss es doch ein Etwas – einen Geist, eine Seele, ein Ich – geben, das diese Dinge in Frage stellen und das von dem weiter oben erwähnten „bösen Geist“ getäuscht werden kann. Ein denkendes Wesen. Davon leitete Descartes seinen berühmten Satz, „Ich denke, also bin ich“, ab. Na bravo. Alles, was wir als wirklich fix und gegeben annehmen können, sind wir selbst. Vielen Dank, dann wissen wir ja, was wir von Objektivität halten können: nämlich nichts! Jegliche Aussage, die wir von außen bekommen, kann falsch sein. Und jegliche andere Aussage kommt von uns selbst und ist daher subjektiv. Gut, dass wir das geklärt haben. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen.

SUBJEKTIVITÄT ÜBERALL Jetzt haben wir aber ein Problem. Wenn alles subjektiv und nichts wirklich wahr ist, worauf basieren dann unsere Entscheidungen und Urteile? Andersrum gefragt: Worauf basieren dann die Entscheidungen anderer? Wenn wir im Grunde genommen schon unserer eigenen Wahrnehmung nicht trauen dürfen, warum

sollten wir das dann bei der Wahrnehmung anderer tun? Und warum verlässt sich der Personalchef darauf? Ist doch eigenartig, dass Philosophen bereits vor Jahrhunderten logisch dargelegt haben, dass wir nichts als sicher annehmen können und trotzdem leben wir so, als träfe das Gegenteil zu.

WIR MACHEN ES UNS LEICHT Denken wir kurz darüber nach. Worauf basieren denn unsere alltäglichen Entscheidungen? Auf dem Wissen, das wir irgendwann irgendwo gelernt oder aufgeschnappt haben. Millionen von Kindern wurden schon mit Spinat gefoltert, nur weil sich irgendwann mal ein Lebensmittelfuzzi im Komma geirrt hat. Und glaubt mir, da gibt es noch wesentlich gravierendere Beispiele. Aber da fängt’s ja schon wieder an! Wieso solltet ihr mir irgendwas glauben? Es ist zum Verrücktwerden. Im Grunde genommen haben wir keine andere Wahl, gewisse Dinge als gegeben anzunehmen. Wir können nicht bei jeder noch so kleinen Entscheidung jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Der Grund dafür ist überaus banal, aber eben nicht zu ändern: Wir haben einfach nicht die Zeit dafür. Sich auf gewisse Vorannahmen und Konventionen zu stützen, ist menschlich und überlebenswichtig. Wenn wir alles selbst erst erfahren und beurteilen müssten, hätte sich die Menschheit niemals weiter entwickelt, als dies in einem Menschenleben möglich ist. Wir bauen auf den Erfahrungen anderer auf. Und genauso macht es der Personalchef. Wir treffen unsere Entscheidungen

auf Basis von gewissen Vorannahmen und Vorlieben. Bei Filmen sind das vielleicht die Genres, bei Musik ist es ein bestimmter Stil, beim Sex eine geile Position. Sonst wäre das Leben einfach nicht zu bewältigen. Darum verlässt sich der Personalchef auf das Urteil der Professorinnen und Professoren, obwohl er keinen Einblick in die Vergabepraxis an der jeweiligen Uni hat und sich nicht darauf verlassen kann, dass die Noten fair zu Stande gekommen oder besonders aussagekräftig sind. Es ist also vielleicht nicht unbedingt sinnvoll für einen Arbeitgeber, sich auf Noten oder ähnliche Bewertungskriterien zu verlassen, wenn er die bestmögliche Person für einen Job haben will. Aber im Grunde hat er keine Alternative, oder? Tatsächlich verlassen sich die wenigsten (guten) Arbeitgeber bei der Jobvergabe ausschließlich auf die Anzahl unserer „Sehr Gut“ im Abschlusszeugnis. Immer wichtiger werden Motivationsschreiben und der persönliche Auftritt beim Bewerbungsgespräch. Allerdings dienen Noten nach wie vor dazu, im Vorhinein auszusieben, wer überhaupt für einen Arbeitsplatz in Frage kommt. Die Entscheidung fällt also meist bei einem persönlichen Gespräch, doch dazu müssen wir erst eingeladen werden. Haben wir also zu Recht gestänkert? Nicht unbedingt. Noten sind wichtig, um bei manchen Jobs überhaupt mitmischen zu können. Sie sind das Sieb, durch das wir gedrückt werden. Danach kommt es aber darauf an, wie man sich präsentiert. Es ist – bei aller Objektivität – die Subjektivität, die am Ende entscheidet.

Schreib dir die Nacht um die Ohren!

Nachtschicht@UB ILLUSTRATION: BRETTER; KLEBESCHRIFT: KURT RUDOLF

Einmal im Semester legen wir mit euch eine Nachtschicht@UB ein und unterstützen euch beim Schreiben eurer wissenschaftlichen Arbeiten. Wir halten eine Bibliothek bis in die Morgenstunden offen und bieten euch Workshops und Beratung zu Recherche, Format und Zitat, Pausensport, Snacks und natürlich jede Menge Kaffee!

Eure Universitätsbibliothek Wien Kommende Nachtschichten werden auf unserer Events-Seite angekündigt: http://bibliothek.univie.ac.at/events Bei Fragen wendet euch an: events.ub@univie.ac.at

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Let‘s talk about sex

von Raffael Fritz & Martina Powell

Und führe uns nicht in versuchung Sie hat Antworten auf alle Fragen, die ihr euch kaum zu stellen traut. Unsere Sexologin Prof. Dr. Pfannenstiel bohrt nach, wo andere sich beschämt abwenden.

Orgasmus intensivieren. Viele Frauen scheuen aber davor zurück, weil ihnen ein Furz entweichen könnte. Deshalb meine Devise: Nicht drauf scheißen, sondern pupsen!

Frauen wollen Zärtlichkeit und viel Gekuschel, bevor sie für Sex bereit sind. Zumindest lese ich das immer wieder in der Bravo. Ich will aber gleich rangenommen werden, ohne Vorspiel. Bin ich abnormal? - Sabine, 22

Komme gerade aus den USA und bin geschockt. Warum werden weibliche und männliche Genitalien als Schimpfworte benutzt? Sollte ein „Dick“ oder eine „Pussy“ nicht für Vergnügen stehen? - Manfred, 25

W

Hatten die Leute im Mittelalter eigentlich auch die gleichen sexuellen Vorlieben und Fetische wie wir? Oder hatten die ganz anders Sex, weil sie noch keine Pornos als Vorbilder hatten? - Tom , 24

K

eine Sorge, die Menschen waren damals auch ohne Pornos kreativ

D genug. Das wissen wir ziemlich genau, denn seit dem Frühmittelalter stellten christliche Kleriker so genannte Bußbücher zusammen – das waren Handbücher für Landpfarrer, in denen die häufigsten Sünden verzeichnet waren sowie die passende Buße, die der arme Sünder dafür tun musste. Und diese Bußbücher haben hauptsächlich ein Thema: Sex. Zu den aufgeführten Sünden zählen Zungenküsse, Selbstbefriedigung, der Gebrauch von Aphrodisiaka, Petting, Geschlechtsverkehr a tergo (heute bevorzugt Doggy-Style genannt), Oralverkehr, Analverkehr, das Schlucken von Sperma – also das volle Porno-Programm. Und weil sie in den Bußbüchern vorkommen, müssen diese Sünden auch häufig genug begangen worden sein. Mit drei Vaterunser und einem Knicks vor dem Altar war es für den Sünder aber nicht getan. Hast du mit deiner Frau kopuliert, wie es die Hunde tun? Zehn Tage Buße bei Brot und Wasser für euch beide. Hast du den Samen deines Mannes getrunken in der Hoffnung, dass er dich durch deinen diabolischen Akt mehr liebt? Sieben Jahre Brot und Wasser an einem festgelegten Wochentag. Hattest du gar Analverkehr? Jackpot – zehn Jahre Fasten. Aber viele Bischöfe waren von Anfang an gegen den Einsatz von Bußbüchern – auf dem Konzil zu Paris im Jahr 829 wurde sogar

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verfügt, sie zu verbrennen. Und spätestens im 13. Jahrhundert verschwanden sie dann endgültig. Der Grund: War jemand länger nicht bei der Beichte, pflog der Pfarrer ihm einfach alle Sünden aus dem Bußbuch vorzulesen wie einen Fragebogen. Praktische Sache, wenn einem im Bett die Ideen ausgehen!

Jedes Böhnchen ein Tönchen, heißt es doch so schön. Aber stimmt es, dass unsere Winde jede Liebe verblasen können? - Ida, 26

B

eziehungen gehen wegen jedem noch so kleinen, naja, Schas in die Brüche. Da muss es nicht einmal deine Flatulenz sein, die deine Partner in die Flucht schlägt. Wie viele Fürze eine Beziehung verträgt, bevor die Leidenschaft komplett verflogen ist, ist eine individuelle Sache. Fakt ist, dass wir uns nicht so haben sollten. Ein paar rektale Entweichungen (Falsche Freunde, also ein ungewollter Stuhlabgang, mal ausgenommen) könnten dir im Bett sogar Wunderbares bescheren: Wenn Frauen kommen, ziehen sie oft ihre Beckenbodenmuskulatur zusammen. Doch das Gegenteil – nämlich den Muskel nach außen drücken – könnte ihren

as ist tatsächlich ein mieses Spiel, das die westliche Kultur mit unseren besten Teilen da treibt. Aber wie immer ist die Sache nicht so einfach, da lohnt ein Blick in die Untiefen der Etymologie. Sowohl im Englischen („pussy“), im Deutschen („Muschi“) als auch im Französischen, („chatte“), gibt es gewisse Parallelen. Laut Oxford Dictionary wird „puss“ – und dessen Diminutiv „pussy“ – seit Jahrhunderten im Englischen als Rufname für niedliche Tiere wie Kaninchen oder Feldhasen verwendet. Eingebürgert hat er sich aber als Name für Katzen (zu beobachten vor allem bei betagten Damen). Analog trifft dies auf die Begriffe „Muschi“ und „chatte“ zu. Woher diese einhellige Konnotation kommt, darüber zerbrechen sich die Etymologen in Oxford nach wie vor das Köpfchen. Vermutlich ist das Wort eine Art Imitation jenes Zischgeräusches, mit dem man versucht, Katzen anzulocken. Aber in der „pussy“, steckt – Vorsicht! – mehr. Denn parallel dazu nannten wohlsituierte Bürger des British Empire ab etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Betthäschen – Frauen wie schwule Männer – „pussy“. Und das war ganz liebevoll gemeint. Verrückt nicht? Was das Wort „Dick“ anbelangt: Schon mal etwas von „Dick“, dem Gefährten und Kumpel gehört? Außerdem ist Richard im Englischen ein geläufiger Männernamen und „Dick“ seit Jahrhunderten seine Kurzform – ohne Hintergedanken. Dass damit der Penis bezeichnet wird, ist erst seit 1891 schriftlich festgehalten. Hinter Sexualslang verbirgt sich also meist mehr als nur ein beleidigendes Wort.

Illustration: Bretter

enn du damit das meinst, was Mann tun sollte, damit Frau feucht wird, dann liegt darin der Keim deiner Verwirrung, liebe Sabine. Ein „gutes Vorspiel“ impliziert, dass der Mann einfühlsam und aufgeschlossen seiner Partnerin gegenüber ist und nicht gleich loshämmert. Im Grunde ist das Konzept vom Vorspiel aber Blödsinn. Die Idee impliziert, dass die Frau aufgewärmt werden muss wie ein alter Ford, den man an einem kalten Tag nicht in die Garage gestellt hat. Dabei wird vergessen, dass Frauen genauso wie Männer mal schnell, mal langsam auf Touren kommen können. Dass das „Warmlaufen“ eine weibliche Domäne ist und ein guter Liebhaber eben diesem Bedürfnis entgegenzukommen hat, ist eine schlechte Erfindung von Sexratgebern. Warum ist aber der Mythos entstanden, ein so genanntes Vorspiel sei für die Frau wichtig, ja manchmal sogar das Schönste am Sex? Weil es sich in unserer Gesellschaft als Frau nicht gehört, einen Quickie einfach geil zu finden. Weil Streicheleinheiten und Zärtlichkeit nach wie vor weiblich konnotiert sind, während das „Aufreißen“ der männlichen Sphäre zugerechnet wird. Spätestens seit „Feuchtgebiete“ ist es kein Geheimnis mehr, dass das auch umgekehrt der Fall sein kann.

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