650 Jahre Gold- und Silberschmiede Festschrift

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650 JAHRE GOLD- UND SILBERSCHMIEDE KUNSTLIEBEFREUNDSCHAFTFREUDEVERSPRECHENGELDGOLDACHTUNG A N D E N K E N P E R S Ö N L I C H K E I T W E R T S C H ÄT Z U N G T R A D I T I O N S T O L Z W O L L U S T TREUEPROTZZUNEIGUNGMACHTGLAUBEEWIGKEITLUSTREICHTUM B E G I E R D E S C H Ö N H E I T S TAT U S F A I R T R A C H T E I N Z I G A R T I G E I T E L E M O T I O N E D E L G L Ü C K G E S C H E N K S T I L S TÄ R K E K U N S T K U LT U R C H A R I S M A T R A D I T I O N A U S S T R A H L U N G C H A R M E S C H A M S I N N S I N N L I C H K E I TA U S D R U C K F U R C H T A B E R G L A U B E K U LT M U T M A G I E S E E L E F R U C H T B A R K E I T E N T W I C K L U N G D E M U T K R E AT I V I TÄT E G O I S M U S B E W U N D E R U N G G E D A N K E M O M E N T E H O F F N U N G ERBETODALCHEMIEGIERTRENDGEBURTTRÄUMECHICENDLICHANDERS SCHMERZINTIMBRAUCHTUMDRUCKZWANGBUNDSYMBOLEHETRAUMADEL




IMPRESSUM HERAUSGEBER, MEDIENINHABER Landesinnung Wien der Kunsthandwerke Rudolf Sallinger Platz 1,1030 Wien Landesinnungsmeister Wien Wolfgang Hufnagl Geschäftsführer Mag. Georg Lintner georg.lintner@wkw.at

unterliegt der Aufsicht des Kontrollamts CHEFREDAKTEURIN Gabriela Breisach, GWA, GG Goldschmiedemeisterin ARTDIREKTORIN UND FOTOGRÄFIN Charlotte M. Schwarz REDAKTION UND BILDREDAKTION Lena Zach, BA PRODUKTION Forum Goldschmiede GmbH Goldschlagstraße 10-12 1150 Wien office@forumgoldschmiede.at DRUCK Holzhausen Druck GmbH Wienerfeldstraße 9, 2120 Wolkersdorf, Österreich BILDQUELLEN UND –RECHTE

Bildquellen und –rechte stammen von Fotogräfin Charlotte M. Schwarz, außer sie wurden von den EinsenderInnen zur Verfügung gestellt.

WEITERE BILDQUELLEN WERDEN AM WERK GENANNT Marianne Haller, Vera M.F. Hammer, Rudi Huber, Peter Kartusch, Aleksandra Pawloff, Felsenmuseum | Familie Potsch | Bernstein Burgenland |, Mag. Christian Riedel, Alice Schuhmacher, Walter Ungerank, MAK/Katrin Wißkirchen und Georg Mayer, KHM-Museumsverband, Dr Wolf Bialonczyk, Rens Veltman, Alejandro Cock, VK Designs, Sebastian Gansrigler, Peter Weiss, Jarosinski und Vaugoin, Marcus Auer, Prof. Walther K. Stoitzner, Josef Leithner | The Best Kunstverlag, Gold & Co., Wien Museum, Dorotheum Wien, Fischmeister, KHM-Museumsverband Abtei Seckau, Wien Museum | Birgit und Peter Kainz

DANKSAGUNGEN AN Kunsthistorisches Museum Wien Naturhistorisches Museum Wien MAK – Museum der Angewandten Kunst Dorotheum Wien Wiener Stadt- und Landesarchiv Jüdisches Museum Wien ZECHORDNUNG UND EISENBUCH Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA, Innungen und Handelsgremien, Goldschmiede, U1 WStLA, Handschriften, A.1 Eisenbuch: Fotostudio Roland Unger

Aus Gründern der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechend der Begriffe gelten sie im Sinn der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprechform beinhaltet keine Wertung.

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650 JAHRE GOLD- UND SILBERSCHMIEDE

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HANDWERKSORDNUNG DER WIENER GOLDSCHMIEDE Wien, 13. Oktober 1366 Abschrift des Eisenbuches, in der Transkription von Joseph Freyherr von Hormayr 1823, erschienen in Neuwirth, Waltraud (2004) Wiener Silber – Punzierung 1524 -1780. Wien: Selbstverlag Dr. Waltraud Neuwirth.

Der Herzoge Albrecht und Leopold Ordnung für die Goldschmiede zu Wien.

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ir Albrecht vnd lewpold geprüeder von gots gnaden Herczogen ze Österreich ze Steir ze Kernden vnd ze Krain Herren auf der Windischen Marich vnd ze Portenaw Grauen ze Habsburg ze Tirol ze phirt vnd ze Kiburg, Markgrafen ze Purgaw, vnd Lantgrauen in Elsassen, Bekennen vnd tun kund offenleich mit disem brief allen den bis Jn sehent lesent, oder hörnt lesen, nu oder hinnach ewigleich, Seind wir von fürsichtigkait und fürstleicher wirde besorgen vnd fürdern sullen, gemainen nucz vnd frumen vnserr vndertanen, So sein wir sunderlich phlichtig, vnd gepunden nach vnserr Münss Recht, die Goltsmid in rechter ordnung zehalten, wann si in vnser Kamer gehörnt, vnd auch arbaittent vnd würhent, Gold silber, vnd edel gestain, mit den wanndlung vnd gemainsam der leut allermaist, vollbracht wird, darumb nach gutem Rat vnsers Rats vnd anderr vnserr getrewn,vnd mit namen unsers Münssmaisters, vnd der hawsgenossen ze wienn, mit wolbedachtem mut, vnd mit Rechten wissen, haben wir die Recht vnd geseczte den Goltsmieden ze wienn gegeben, und verlihen, und Jn auch vernewet Jr alt gut gewonhait, geben, verleihen, und vernewen auch mit Kraft dicz briefs, für vns vnd all vnser erben als hienach geschriben

stet, Des Ersten, das die Goltsmid vor ainem Münssmaister ze wienn, wer der yr zu den zeiten ist, vnd vor dhainem andern Richter zu recht steen sullen, vnd sullen Jm auch gehorsam sein ze gleicher weis, als die hausgenossen und die Münsser, wer aber das chain sach vnder Jn auserstünd, die dem Münssmaister zu swer wurd gerichten, die sol an vns bracht werden, wann sy in vnser kamer gehörnt in allem dem Rechten als die hausgenossen vnd der Münsser, Es sol auch dhainem Goltsmid erlaubt sein, Goldsmidwerich zu würchen, vnd ze arbeiten, Er hab dann vorgewunen Purgerrecht, vnd des Münssmaister willen, vnd hab auch offen Brief versigilt mit Jnsigeln der Stat, do er geporn vnd erczogen ist, mit dem er beweis gelegenhait seiner kunst, seiner frümkchait, vnd daz er den Maistern daselbs an trew vnd wanndlung wol geuallen hab, Wenn auch das geschiecht, so soll er volles Recht haben ze würhen vnd dasselb Recht erbet vnd geuellet auf seine kind, vnd kindeskind, wer auch vnder Jn newer maister wirdet, vnd den die Maisterschafft angeerbt hat, der sol geben durch gots willen vnd durch sand Eloyen ere, ainen vierdung silbers nach gnaden, Erbet Jn aber die maisterschafft nicht an, so sol er geben, drey vierdung, silbers vnd mit demselben silber, sol man bestatten vnd begraben die maister der Goltsmiden, vnd auch den Armen Maistern, die nicht mehr würchen mügen, an Jrer notdurfft zehilff kömen, Derselb den die Maisterschafft, nicht angeerbt ist, sol dem Münssmaister geben auch auf gnad ain vierdung silbers, das er Jm berait sey ze volfüren seine Recht, Die Maister sullen auch zwen erber mann vnder Jn seczen, vnd kiesen die Jr aller werich beschawn vnd ver-

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suhen, das es gerecht sey, vnd fünden sy icht vngerechts werichs, daz sullen sy pringen an den Münssmaister, vnd an die Hausgenossen vnd wolt Jn Jr kainer, des wider sein,das sullen sy aber bringen an den Münssmaister vnd der sol darczu tun nach Rat der Hawsgenossen was pilleich ist, Auch sol der Goltsmid yegleicher würchen gut werich gold, das zwainczik kurat hab, vnd gut silber, also das alles Goltsmidwerich von silber, wie es genant sey bestee bey ainem lot, und nicht erger angeuert, Es sol auch nyemant Gold noch guldein klainat, aufwendig röter machen noch vergulden noch chainen Valschen stayn in Gold legen, Auch sol nyemant Chupher, Messing, Eysen noch dhainen pfening, noch dhainer anerley gesmeid, vergulden, noch versilbern, erlasse dann daran ain offen vrkund das man wol gesehen müg was es sey, Die goltsmid süllen auch das silber mit dem Premen besser machen, vnd nicht erger, Es sol auch nyemant abschroten von dhainerlay Münss kauffen noch Prennen, er tu es dann dem Münssmaister ze wissen, das der Jnnen werde von wannen es chömen sey, Auch sol chain Goltsmid noch yemand anderr, er sei Phaff oder lay, oder Jud chain Insigil graben er wisse dann chuntleich, das es erberleith in Rechter weise vnd vnarg weuleich gefrumet werde, Es sol auch nyemant chain klainat, das nicht gerecht ist, weder pessern noch verchauffen, wer auch Goltsmid werich, von Gold oder von silber, das anderswo gemacht ist, hie ze wienn Verkauffen will, der sol es vor zebeschawn geben, den zwain, die daruber geseczt sind, durch das nyemant daran betrogen werde, Es sol auch nyemant Goltsmidwerch erlaubt sein ze würchen, denn offenleich in den Gedünern gelegen an off-

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ner strassen, do man für wanndelt vnd get, vnd in chainen verporgen gemechen, oder heimleichen kamern vnd steten, noch auch vnder den Juden, wer aber das yemant, dieser vorgeschriben stukch chains vberfür, so sullen, die Zwen die darüber geseczt sind mit wissen des Münssmaisters, dasselb werich nemen, wo sy es vindent, vnder Krissten oder vnter Juden, vnd sullen es prechen, vnd geprochen dem Münssmaister antwurtten, welcher auch vnder den Goltsmiden, Maister sein will, der sol erberleich verpürgen, das er darnach in dem negsten Jar vnder Maister worden ist, ain eleiche wirttin nemen, ob er aine nicht hat, Darumb ob yemant hintz Jm icht ze würhen gebe, das der des dester sicher sey, Die vorgenanten Recht geseczt, vnd gewonhait, der Goltsmid, sullen volfürt gehalten vnd stet gebebt werden, Vestigkleich in aller der mass als vorgeschaiden ist, doch vnschedleich vnserr Münss an Jrn Rechten, an alles geuerd, Darumb sol nyemant erlaubt sein, dawider in chainen weg zu tun, Wer es darüber täte, der wisse das er daran wider vns getan hat, vnd das wir Jn darumb zu den wanndeln, die davor beschaiden sind, nach gelegenhait der sach vnd schuld swerleich pessern wellen, vnd darüber ze vrkund und ewiger zeugnüss, hiessen wir vnser Jnsigil hengken an disen brief, der geben ist zu wienn an sand Colmanstag, Nach Crists gepurd drewczehenhundert Jahr darnach in dem Sechs und Sechtzigistem Jare.


Übersetzung der Handwerksordnung 1366

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I N S L E S B A R E D E U T S C H Ü B E R S E T Z T V O N M M A G. M A R I A SCHÖRGENHUMER, NACH DER TRANSKRIPTION VON J O S E P H F R E Y H E R R V O N H O R M AY R 1 8 2 3 , A U S N E U W I R T H (2004).

ir, Albrecht und Leopold, Gebrüder von Gottes Gnaden und Herzoge zu Österreich, zur Steiermark, zu Kärnten und zu Friaul, Herren der windischen Mark und zu Portenau, Grafen zu Habsburg, zu Tirol, zu Pfirt und zu Kyburg, Markgrafen zu Burgau und Landgrafen im Elsass, bekennen und tun mit diesem Brief jetzt und fortan allen, die ihn lesen oder denen er zu Gehör gebracht wird, das Folgende öffentlich kund: Voll Umsicht und fürstlicher Würde sind wir darum besorgt, das allgemeine Wohlergehen unserer Untertanen zu fördern. So sind wir im Besonderen dazu verpflichtet, und durch unser Münzrecht gebunden, die Goldschmiede in rechter Ordnung zu halten, die in unsere Kammer gehören und bei uns wirken und Gold, Silber und Edelstein verarbeiten. Darum haben wir nach gutem Rat unserer Berater und anderer Getreuen, und im Namen unseres Münzmeisters und der Hausgenossen zu Wien, mit wohlbedachtem Mut und mit rechtem Wissen, den Goldschmieden zu Wien Gesetze und Rechte gegeben und verliehen, und ihr altes Gewohnheitsrecht erneuert, und wir geben, verleihen und erneuern all dies auch kraft dieses Briefes, für uns und all unsere Erben,

wie hiernach geschrieben steht.Erstens sollen die Goldschmiede vor dem Münzmeister zu Wien, welcher zu ihrer Zeit für sie zuständig ist, und vor keinem anderen Richter zu Gerichte stehen, und ihm in gleicher Weise wie die Hausgenossen und die Münzer gehorsam sein. Angelegenheiten, über die zu richten dem Münzmeister zu schwer wäre, sollen vor uns gebracht werden, wenn sie zu unserer Kammer gehören im Recht wie die Hausgenossen und die Münzer. Es soll keinem Goldschmied erlaubt sein, als Goldschmied zu wirken und zu arbeiten, es sei denn, er hat das Bürgerrecht und des Münzmeisters Zustimmung und auch einen offenen Brief mit den Insignien der Stadt, in der er geboren und erzogen wurde, mit dem er den Stand seiner Kunst und seine Rechtschaffenheit beweise, und dass er den Meistern daselbst in seiner Treue und Lebensführung wohl gefallen hat. Wenn dem so ist, so soll er volles Recht haben, zu arbeiten, und dieses Recht auch seinen Kindern und Kindeskindern vererben. Wer auch unter ihm neuer Meister wird und die Meisterschaft geerbt hat, der soll in Gottes Namen und zu Ehren des Heiligen Eligius eine Viertelmark Silber geben. Wer die Meis-

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terschaft nicht ererbt, der soll eine Dreiviertelmark Silber geben. Mit diesem Silber soll man die Meister der Goldschmiede bestatten und begraben und auch den armen Meistern, die nicht mehr arbeiten können, in ihrer Not zu Hilfe kommen. Desgleichen soll, wer die Meisterschaft nicht geerbt hat, dem Münzmeister auch eine Viertelmark Silber geben, dass er bereit ist, seine Rechte zu vollziehen. Die Meister sollen auch zwei ehrbare Männer unter sich auswählen, die alle ihre Werke beschauen und prüfen, ob sie auch den Vorschriften entsprechend richtig gemacht sind. Und finden sie ein falsches Werk, dann sollen sie das vor den Münzmeister und die Hausgenossen bringen, und der Münzmeister soll nach Rat der Hausgenossen tun, was recht und billig ist. Der Goldschmied soll gute Werkstücke anfertigen und dazu Gold, das zwanzig Karat hat, und gutes Silber verarbeiten, mit richtigem Lot bezeichnet und nicht mit falschen Erzen angereichert. Es soll auch niemand Gold noch Gulden oder Geldstücke aufwändig röter machen, vergolden oder falschen Stein in Gold legen, auch soll niemand Kupfer, Messing, Eisen, Pfennig oder andere Metalle vergolden oder versilbern, es sei denn, er bringt es offen zur Kenntnis, sodass man wohl sehen mag, was es sei. Die Goldschmiede sollen auch das Silber durch Schmelzen verbessern, und nicht schlechter machen, es soll auch niemand etwas von Münzen Abgeschrotetes kaufen oder einschmelzen, und wenn doch, dann bringe er es dem Münzmeister zur Kenntnis, dass dieser erfahre, woher es komme. Auch soll weder Goldschmied noch je-

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mand anderer, sei er Pfaffe oder Laie oder Jude, Siegel prägen. Es soll auch niemand ein Stück, das nicht den Vorschriften entspricht, verbessern oder verkaufen. Wer Goldschmiedearbeiten aus Gold und Silber, die anderswo gemacht worden sind, hier zu Wien verkaufen will, der soll sie vorher denen zur Begutachtung vorlegen, deren Aufsicht er unterstellt ist, auf dass niemand betrogen werde. Außerdem darf man als Goldschmied nur öffentlich und in Räumen, die an der offenen Straße liegen und an denen man vorüberwandelt und vorbeigeht, arbeiten, nicht jedoch in verborgenen Gemächern oder heimlichen Kammern und Stätten, auch nicht unter den Juden. Wenn jemand diese Vorschrift übertritt, so sollen die zwei, die zur Kontrolle eingesetzt sind, mit Wissen des Münzmeisters, sein Werk nehmen, wo sie es finden, unter Christen oder unter Juden, es zerstören und zerstört dem Münzmeister überantworten. Wer auch unter den Goldschmieden Meister sein will, der soll ehrlich verbürgen, dass er im nächsten Jahr, nachdem er Meister geworden, eine Frau eheliche. Die vorgenannten Rechte, Gesetze und Gewohnheiten der Goldschmiede sollen umgesetzt und stets geachtet werden. Es ist niemandem erlaubt, den Vorschriften zuwiderzuhandeln, und wer dies dennoch tut, der wisse, dass er damit wider uns handelt und Schuld auf sich lädt. Zum ewigen Zeugnis dessen befahlen wir unser Siegel an diesen Brief zu heften, der ausgegeben ist in Wien am Sankt Kolomanstag, dreizehnhundert Jahre nach Christi Geburt im sechsundsechzigsten Jahr.


E PROLOG Das ist der Anfang. WOLFGANG HUFNAGL LANDESINNUNGSMEISTER

s ist der Anfang der Festschrift, es ist aber auch viel mehr. Die Art und Weise, wie die Österreichischen Goldschmiede und Silberschmiedinnen dieses Jubiläum begehen, entspricht der Würde dieses Festes aber auch den Anforderungen einer mobilen, zeitgenössischen Gesellschaft. Seit jeher ist unser Berufsstand verantwortlich für das Wohlergehen seiner Kunden, den sorgsamen Umgang mit edlen Steinen und Metallen, die Weiterentwicklung überlieferten Wissens aber auch das Bewahren traditioneller Handwerkstechniken. Doch eben diese Tradition hindert uns nicht, den Blick nach vorne zu richten und stetig neue Techniken in

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unsere Handwerkskunst zu integrieren. Die Grundlage für diese innovativen Schritte lag seit jeher im Zusammenspiel von Wünschen und deren Erfüllung. Deshalb war das Zusammenspiel zwischen den Herrschenden und den Zünften ein wichtiger Bereich in der Weiterentwicklung der Gold- und Silberschmiede. Sowohl die Familie der Habsburger als auch die Kirche hat in den letzten Jahrhunderten den Schaffensdrang unserer Vorfahren durch Begehrlichkeiten und Beauftragungen unterstützt und gefördert Die Ergebnisse dieser innovativen Schaffensprozesse liegen heute in den Kirchen, Museen, Klöstern und Sammlungen und bringen Eingeweihte aber auch interessierte Laien zum Staunen. Schmuck und Gerät entstehen im Zusammenspiel von Können und Begierde, in der Konfrontation zwischen Form und Funktion und sind letztendlich Ausdruck einer gelungenen Kommunikation zwischen Menschen. Die technische Umsetzung ist ein enorm wichtiger Teil dieses Prozesses, aber wesentlich ist das Verständnis für die Bedürfnisse und Träume der Menschen, für die wir entwerfen, planen und arbeiten. Der Wunsch, sich zu

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schmücken und sich mit schönen oder eher bedeutsamen Dingen zu umgeben, ist so alt wie die Menschheit selbst, „nichts ist so notwendig wie das Entbehrliche“. Im herkömmlichen Sinn des Lebens und Überlebens erfüllt Schmuck keine vorrangige Funktion, aber eben deshalb ist Schmuck Teil des Menschseins. Schmuck kann Ausdruck der Persönlichkeit, der Verbundenheit, der Hierarchie aber auch Ausdruck der Zuneigung zwischen Menschen sein. In diesem spannenden Prozess, in diesem Spannungsfeld der Gefühle erscheinen wir Goldschmiede und setzen Ideen in Taten um, machen Geheimnisvolles sichtbar, setzen Zeichen und erfüllen Träume. Der Drang neue Schmuckstücke zu entwerfen und in Form zu bringen ist die wichtigste Triebfeder im Leben einer Goldschmiedin und eines Silberschmiedes, die Verwirklichung eigener Ideen und der Umgang mit Form, Farbe und Glanz ist die Belohnung dafür, sich dieser Berufung gestellt zu haben. Mit dieser Festschrift und allen Aktivitäten der Feierlichkeiten der 650 Jahr Feier der Gold- und Silberschmiede setzen wir einen Grundstein in der Weiterentwicklung der Kommunikation zwischen uns und den Menschen, für die Schmuck auch eine Bedeutung hat. Wir stehen nach 650 Jahren Zunft- und Innungsgeschichte mitten in einer von Tradition und Innovation erfüllten Welt des Wissens und Könnens. Aber wir stehen auch am Anfang und sind bereit weiter zu gehen.

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Dr. Michael Häupl

BÜRGERMEISTER UND LANDESHAUPTMANN VON WIEN

1366, als die Zunft der Gold- und Silberschmiede gegründet wurde, war Wien eine kleine, aufstrebende Stadt mit etwas mehr als 1.000 Häusern und weniger als 20.000 Einwohnern. Die Stadtentwicklung begann in dieser spätmittelalterlichen Phase intensiver und dynamischer zu werden. Ein Jahr zuvor war die Universität Wien gegründet worden. Knapp hundert Jahre später war Wien bereits dicht verbaut, das Stadtbild von vielen hoch aufragenden Giebelhäusern geprägt. Derzeit erlebt Wien einen ähnlichen Aufschwung. Die Bevölkerungszahlen steigen, bald wird Wien wieder zur ZweiMillionen-Stadt. Die Stadt bereitet sich auf dieses Wachstum vor. So wie sie wächst, wächst auch die benötigte Infrastruktur

mit – Wohnungen, öffentlicher Verkehr, Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen. Die Leistungskraft der Wiener Wirtschaft wird, neben den Milliardeninvestitionen der Stadt, bei der Bewältigung dieses Wachstums ein wesentliches Element sein. Die zahlreichen Klein- und Mittelbetriebe des Handwerks und Gewerbes sind das Rückgrat der Ökonomie und des Wiener Arbeitsmarktes. Sie sind auch ein Faktor für die hohe Lebensqualität, die uns in Serie von internationalen Studien bescheinigt wird. Insofern wünsche ich Ihnen, durchaus im Interesse der gesamten Stadt, weiterhin viel Erfolg bei der Ausübung Ihres traditionsreichen Gewerbes.

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Christoph Schönborn

KARDINAL

Mit besonderer Freude darf ich der Zunft der Gold- und Silberschmiede zu ihrem 650-Jahr-Jubiläum in Österreich herzlich gratulieren. Die Kunst der Gold- und Silberschmiede zählt zu den ältesten Handwerkskünsten der ganzen Menschheit. Seit Jahrtausenden hatten die Menschen besondere Kostbarkeiten aus Gold oder anderen Metallen hergestellt, die bis heute einen unvergänglichen Wert darstellen. Die Kirche verdankt den Handwerkskünsten der Gold- und Silberschmiede unzählige liturgische Kostbarkeiten, wie Reliquiare,

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Kelche, Kreuze und viele andere liturgische Geräte. In vielen Klöstern, Kirchen oder Diözesanmuseen können diese glanzvollen Schätze aus vergangenen Jahrhunderten bestaunt werden. Sie zählen zu den wertvollsten Kulturgütern unseres Landes und sind Zeugnis der hohen Kunstfertigkeit der Gold- und Silberschmiede in Österreich seit vielen Jahrhunderten. Mit meinen besten Grüßen und Segenswünschen zu Ihrem 650 Jahr Jubiläum Ihr


Dr. Andreas Mailath-Pokorny

S TA D T R AT F Ü R K U LT U R U N D W I S S E N S C H A F T

Als Kulturstadtrat hat man immer wieder die schöne Gelegenheit, verdienten Gruppen zu Jubiläen gratulieren zu dürfen, doch dieser Feieranlass der Gold- und Silberschmiede übertrifft die allermeisten Jubiläen um Jahrhunderte! Seit 650 Jahre wird in Wien ein geregeltes und anerkanntes Handwerk gepflegt, das eine Kunst ist. Die Gold- und Silberschmiede Wiens schaffen Werke, deren Werte weit über das Ökonomische hinausgehen. Sei es nun ein Schmuckstück, ein offizielles Ehrenzeichen oder ein schönes Symbol wie ein Ehering,

stets ist das kunstfertig erschaffene Werk mehr als die edlen Materialen, die zur Produktion verwendet wurden. Diese Verwandlung von etwas Profanem zu einem Werk der Gold- und Silberschmiedekunst wird in Wien nicht nur seit vielen Generationen weitergegeben, sondern immer wieder neu erfunden und in zeitgemäßer Form ausgeübt. Zum feierlichen Jubiläum übermittle ich im Namen der Stadt Wien die herzlichsten Gratulationen!

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Dr. Christoph Leitl

WKÖ PRÄSIDENT Ein großes Dankeschön unseren Handwerkskünstlern! Kunstfertigkeit ein hohes Ansehen erworben. 650 Jahre Vertrauen Der sorgfältige Umgang mit dem wertvollen in die HandwerksAusgangsmaterial und die hohe Wertschätkunst, die Kreativität und das verantworzung für die Arbeit sind der Branche in die tungsvolle Handeln einer Branche sind ein auWiege gelegt und bis heute ihr Wesensmerkßerordentlicher Anlass zum Feiern. Eine 650 mal. Auf dieser Basis haben die Gold- und SilJahre zurückreichende Geschichte ist auch berschmiede Österreichs ihre eigene handBeleg dafür, dass Gold- und Silberschmiede werklich-künstlerische Tradition geschaffen. ihr gestalterisches Können weiterentwickeln, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuZur Entwicklung seit dem Jahr 1366 gratuierlich ausbilden und die Wertschätzung ihrer liere ich herzlich und wünsche alles Gute für Kundinnen und Kunden erhalten konnten. die Zukunft. Ich hoffe, dass Gold- und Silberschmiede auch in Zeiten, in denen ihre ArMag am Beginn durchaus die Aufsicht durch beiten als Luxus gelten, mit ihren Kreationen den herzoglichen Münzmeister gestanden unser Leben bereichern. haben, der - wie Gold- und Silberschmiede - wertvolle Edelmetalle brauchte, so hat sich die Branche durch die außergewöhnliche

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KommR Ing. Renate Scheichelbauer-Schuster

W K Ö S PA R T E N O B F R A U GEWERBE UND HANDWERK

Ein großes Dankeschön unseren Handwerkskünstlern! Als Bundesspartenobfrau des Gewerbes und Handwerks gratuliere ich den österreichischen Goldschmieden zum 650-jährigen Branchenjubiläum. Seit Jahrhunderten überzeugen die Goldschmiede durch ihre Handwerkskunst, Kreativität und verantwortungsvolles Handeln. Diese Erfolgsgeschichte der Goldschmiede ist wahrlich ein guter Grund zum Feiern. Die 650 Jahre zurückreichende Geschichte steht auch für die stetige Weiterentwicklung der handwerklichen Fertigkeiten der Gold- und Silberschmiede, aber auch für die laufende Weitergabe dieser Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen der Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und für die

Wertschätzung, die den Kundinnen und Kunden entgegengebracht wurde und immer noch entgegengebracht wird. Die Anfänge des Gold- und Silberschmiedehandwerkes waren stark mit der Herstellung von Münzen unter der Aufsicht des herzoglichen Münzmeisters geprägt. Durch die Verarbeitung von wertvollen Edelmetallen in Verbindung mit perfekten Kunstfertigkeiten hat die Branche ein hohes Ansehen erworben. Der verantwortungsvolle Umgang mit den wertvollen Materialien und die hohe Wertschätzung für die kunstvollen Arbeiten liegen den Gold- und Silberschmieden buchstäblich im Blut. Aus diesen Werten haben die österreichischen Gold- und Silberschmiede ihre eigene handwerklich-künstlerische Tradition geschaffen.

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Dipl.-Ing. Walter Ruck WKÖ PRÄSIDENT WIEN

650 Jahre und dennoch hat das Goldschmiedehandwerk nichts von seiner Bedeutung verloren. Ganz im Gegenteil: Was früher nur wenigen Adeligen und Reichen vorbehalten war, ist heute in allen Bevölkerungskreisen angekommen. Denn heute liegt die Betonung der Gold- und Silberschmiede viel mehr auf der „Kunst“ als vor 650 Jahren, als Gold noch in großem Ausmaß vorrangig als Währung in Verwendung stand. Ihrer Bedeutung wohl bewusst, haben sich die Kunstschmiede schon vor 650 Jahren zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Anliegen zu vertreten. Damit gehören sie zu den ältesten Standesvertretungen, die wir in Wien finden. Und dieses Gemeinsame inner-

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halb der Innung ist heute genauso wie damals die Grundlage für den Erfolg und die hohe Qualität der Gold- und Silberschmiede in Wien. Was sie aber besonders auszeichnet, ist, dass es ihnen immer wieder aufs Neue gelingt, die lange Tradition und das Wissen um das Handwerk mit neuen Trends, Moden aber auch Technologien in Einklang zu bringen und so ständig neue Kostbarkeiten, die Begehrlichkeiten wecken, erschaffen. Ich gratuliere den Wiener Kunstschmieden zu ihrem außerordentlichen Jubiläum, zu ihrem Bekenntnis zur Zusammenarbeit in der Innung und zu dem Erfolg, den sie mit ihren Kunstwerken immer wieder neu erlangen.


Mag. (FH) Maria Smodics-Neumann

W I E N S PA R T E N O B F R A U

Am 13. Oktober 1366 erhielten die Gold- und Silberschmiede ihre erste Handwerksordnung vom herzoglichen Brüderpaar Albrecht III und Leopold III. Deren Interesse am kostbaren Rohstoff Edelmetall, das damals für Münzen benötigt wurde, war wohl eine treibende Kraft. Das Traditionshandwerk der Gold- und Silberschmiede ist seit jeher aber vor allem durch die Anfertigung edler Schmuckstücke von Bedeutung. Schmuckstücke, die wir gerne tragen, begeistert bestaunen und die auch träumen lassen. Denn Menschen beschäftigen sich gerne mit schönen Dingen, die über das Notwendige hinausgehen. Zusätzlich gewinnt der bleibende Wert dieser Stücke immer mehr Relevanz. Als Obfrau der Sparte Gewerbe und Hand-

werk freut es mich besonders, der Innung der Gold- und Silberschmiede Glückwünsche zum 650. Geburtstag überbringen zu dürfen. Diese lange Tradition begründet großes kunsthandwerkliches Können und hohe Qualitätsstandards, die heute mehr Wichtigkeit besitzen denn je. Ich bin stolz und sehr dankbar für die hervorragende Arbeit der Goldund Silberschmiede-Unternehmen – Säulen des Wiener Gewerbes und Handwerks - und die daraus resultierenden positiven Effekte für unseren Wirtschaftsstandort Wien und damit für unser aller Lebensqualität! Für die Zukunft wünsche ich Ihnen eine weiter steigende Nachfrage und viel Freude und Zufriedenheit mit Ihrem wunderschönen Handwerk!

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Sehr geehrte Leser! Sehr geehrte Kollegen! Als Bundesinnungsmeister der Kunsthandwerke erlaube ich mir mit großem Stolz, der Berufsgruppe der Gold-und Silberschmiede zu ihrem Bestandsjubiläum zu gratulieren. Vor 650 Jahren wurde die Zunft der Goldund Silberschmiede gegründet. Es gibt nur ganz wenige Handwerke, die auf eine so lange Geschichte und Tradition zurückblicken können. Ich empfinde es als eine herausragende Leistung, wenn so traditionelle Handwerke gepflegt und durch entsprechende Jubiläen noch mehr Glanz bekommen. Die im heurigen Jubiläumsjahr außergewöhnlichen Aktivitäten, wie Ausstellungen und Events im Bundesgebiet, bieten die Gelegenheit, sich mit diesem schönen Handwerk geschicht-

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FV KommR Hans Joachim Pinter

BUNDESINNUNGSMEISTER

lich vertraut zu machen. Wertvolle Exponate aus den jeweiligen Epochen werden mit ihren Besonderheiten begeistern. Bei einigen Veranstaltungen können Sie den Fachleuten bei der Arbeit zusehen und damit auch ein Verständnis für die Vielfältigkeit an Ideen und deren Umsetzung erlangen. Die technischen Möglichkeiten der Gegenwart fließen auch in eine innovative Ausbildung der nachfolgenden Generation ein. Darum bin ich davon überzeugt, dass die Gold-und Silberschmiede noch viele Jubiläen feiern können. Dazu wünsche ich allen Beteiligten viel Erfolg und ein schönes Jubiläumsjahr. Ihr Bundesinnungsmeister


Obmann KommR Frank Thomas-Moch

BUNDESGREMIUM JUWELEN-, UHREN-, K U N S T- , A N T I Q U I TÄT E N - U N D B R I E F M A R K E N H A N D E L

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist wirklich keine Alltäglichkeit, wenn ein Berufsstand sein 650jähriges Bestehen feiert. Herzlichen Glückwunsch! Als Obmann des Bundesgremiums des Juwelen-, Uhren-, Kunst-, Antiquitäten- und Briefmarkenhandels sehe ich, genauso wie meine Branchenkollegen, in den Goldschmiedinnen und Goldschmieden unsere verlässlichen Partner und wichtige Impulsgeber für den Handel. Wir wissen aus unserer täglichen Arbeit, dass es die Goldschmiede in all den Jahren verstanden haben, Tradition und Moderne sowie Qualität und Innovation hervorragend zu verbinden. Dies ist wohl einer der Gründe für den nachhaltigen und andauernden Erfolg.

Die Goldschmiede schaffen mit ihrer Arbeit bleibende Werte. Gerade in unsicheren Zeiten konstituiert dies einen wichtigen Nutzen für unsere Kundinnen und Kunden, diese schätzen Handwerk im besten Sinne des Wortes. 650 Jahre sprechen für sich selbst. Gerade in einer Welt, die durch Globalisierung und Digitalisierung immer uniformer wird, gewinnt das Individuelle, das Besondere, das Einzelstück, das Handgemachte und das Haptische wieder mehr an Bedeutung. Sohin steht den nächsten 650 Jahren einer erfolgreichen Geschichte der Goldschmiede wahrlich nichts im Wege!

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Martina Jeindl

DIREKTORIN DER LANDESBERUFSSCHULE GRAZ

Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Diese Worte lässt Johann Wolfgang von Goethe sein Gretchen im Faust sagen. Das war etwa um 1800, also rund 430 Jahre nach Erhebung des Handwerkes Gold- und Silberschmiede zur Zunft! Aber auch in den über 200 Jahren nach Goethes Faust hat sich am Wahrheitsgehalt der Aussage nichts geändert und so können wir getrost in die Zukunft blicken, ohne uns um dieses Handwerk Sorgen machen zu müssen. Betriebe und Berufsschule eröffnen als Partner im System der dualen Ausbildung jungen Nachwuchskräften den Einstieg in die Berufswelt des Gold- und Silberschmieds und

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Juweliers. Zur zukunftsweisenden Weiterentwicklung der beruflichen Qualifikationen des Handwerks wurde in den letzten Jahren das Berufsbild des Gold- und Silberschmieds und Juweliers überarbeitet, seitens der Berufsschule erfolgte die Anpassung des schulischen Lehrplans, der auf einen umfassenden Kompetenzerwerb der Nachwuchskräfte ausgerichtet aktualisiert wurde. Wir als Landesberufsschule Graz 6, in der die Lehrlinge dieses Lehrberufes aus acht Bundesländern unterrichtet werden, wünschen auch für die Zukunft alles Gute und werden wie bisher unseren Beitrag im dualen System für die Ausbildung leisten.


Dr. Sabine Haag

KHM GENERALDIREKTORIN

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ls sich die Florentiner Malerzunft 1563 zur Accademia del Disegno wandelte und es dafür auch eines neuen Wappens und Siegels bedurfte, beteiligte sich auch der wohl größte Goldschmied der Neuzeit mit Entwürfen an dieser Aufgabe: Benvenuto Cellini. Mit seiner berühmten Saliera hatte dieser Goldschmied ja bereits nicht nur die Tücken der Technik überwunden, sondern auch ein inhaltlich unfassbar komplexes, goldenes Tischmonument geschaffen. Nicht weniger komplex waren seine Entwürfe zum Siegel der Accademia. Er verlieh ihnen eine Form, die es erlaubte den drei bildenden Künsten Bildhauerei, Malerei und Architektur eine vierte hinzuzufügen - die nobilissima Arte del Cesello, die edle Kunst der Punze, also die Goldschmiedekunst. Diese wollte er wieder auf derselben Stufe mit der etablierten Kunsttrias sehen, auf der sie bis ins 16. Jahrhundert hinein bereits gewesen war. Im Mittelalter galt die Zunft der Goldschmiede noch als die vornehmste der Gilden und ohne die Goldschmiede könnten wir uns auch die Kunst der Renaissance und ihre Folgen nicht denken. Der berühmte Künstlerstreit um die Baptisteriumstüren in Florenz zu Beginn des 15. Jahrhunderts, der gerne als Anbruch dieser Kunstepoche gesehen wird, war genau genommen ja nicht ein Bildhauerstreit, sondern ein künstlerischer Wettstreit zwischen Goldschmieden. Die beiden „Finalisten“ Filippo Bru-

nelleschi und Lorenzo Ghiberti kennen wir aus der Geschichte der Kunst als Bildhauer, doch genauso wie Donatello, Verrocchio, Pollaiuolo, Ghirlandaio, Botticelli, aber auch Schongauer, Dürer und Adriaen de Vries hatten sie zunächst die Goldschmiedekunst erlernt. Über diese edle Kunst, die mit Metall und Edelstein die kostbarsten und härtesten Naturstoffe verarbeitet, unterrichtet uns schon Plinius d. Ä., dass sie mit dem Werkzeug der Punze Gold und Silber gar noch wertvoller mache. Der Menschheit gelehrt soll dies Prometheus haben. Auf diesen mythologischen Lichtbringer, Schöpfer und Lehrmeister der Menschen soll auch das Tragen von Fingerringen als erste Sammelobjekte zurückgehen. Damit wäre die Goldschmiedekunst älter als alle anderen Kunstformen und ihre Entstehung in jene Zeit verlegt, als die Welt von Göttern und Heroen beherrscht wurde und das Menschengeschlecht gerade erst entstanden war. Ganz so alt ist die zünftische Wiener Goldschmiedekunst freilich nicht, doch feiert sie mit dem 650ten Geburtstag ein Jubiläum, das seinesgleichen sucht. Als die Zunft gegründet wurde, stand die gotische Kunst noch in ihrer Blüte, der Weg zur Renaissance war noch gar nicht vorgezeichnet. Diese durchlebten die Wiener Goldschmiede aber ebenso, wie alle darauffolgenden Stilepochen vom Barock über den Klassizismus bis hin zu Jugendstil und Moderne. All diese Epochen sind auch in den Sammlungen des Kunsthistorischen Museums präsent, viele in Gestalt von beispiellosen Goldschmiedewerken. Von Werken eben, die im Laufe der Jahrhunderte nicht nur als kostbare Wertanlage gesehen wurden, sondern als originärer Ausdruck von Kunst und Kultur und als Symbol derselben. Ein Hort der Kunst und des kulturellen Erbes ist auch das Kunsthistorische Museum selbst; und als solches wünscht es den Wiener Gold- und Silberschmieden alles Gute zum besonderen Geburtstag – und eine glänzende Zukunft.

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Ad multos annos!


Editorial G A B R I E L A B R E I S A C H , G WA , G G CHEFREDAKTEURIN

Kunst ist die höchste Form des Handwerks In diesem Sinne ist auch das ehrwürdige Gold- und Silberschmiedegewerbe zu sehen, das es in den vergangenen 650 Jahren meisterhaft verstand, Kunst und Handwerk zu verbinden. Im Gegensatz zu vielen anderen künstlerischen Berufen ist der Goldschmied imstande, sowohl Schmuck und Silber des täglichen Gebrauchs als auch Standesobjekte und Machtinsignien herzustellen. Er schaffte es in allen Epochen, den Geschmack seiner Zeit auf kleinstem Raum und unter Einsatz der edelsten Materialien auszudrücken. Ob als Hofgoldschmied an Königshöfen oder als Bürgerlicher Goldschmied, er war und ist auch heute noch ein „Handwerker des Vertrauens“. Seine Kenntnisse

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über Edelmetalle und Edelsteine sind die Basis seines Schaffens, das im Lauf der Jahrhunderte durch das Beherrschen der verschiedensten Herstellungstechniken ergänzt wurde. „Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird“, meinte schon Johann W. von Goethe. Und „Vom Handwerk kann man sich zur Kunst erheben. Vom Pfuschen nie.“ Den Goldschmieden des 21. Jahrhunderts kann man nur wünschen, das Werk ihrer Vorfahren auf ihre eigene Art und unter besten Bedingungen fortsetzen zu können. Das Rezept dafür: Ein bißchen Tradition, genügend Fantasie und Können sowie eine Prise Extravaganz!


Vgl. Czeike, Felix (2004), Historisches Lexikon Wien: in 6 Bänden. Wien: Kemayr&Scheriau

DAS EISENBUCH

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as Eisenbuch wurde um 1350 angelegt und besteht aus Pergament-Handschriften im Großfolio. Es umfasst 356 Blatt und liegt im Wiener Stadt- und Landesarchiv auf. Das ursprünglich als „Großes Stadtbuch“ geführte Eisenbuch ist in einem Ledereinband aus dem 16. Jahrhundert mit Messingbeschlägen gebunden. Neben landesfürstlichen Privilegien, wie das der Goldschmiede von 1366, enthält das Eisenbuch noch andere, für die Stadt wichtige Urkunden. Die erste Urkunde im Eisenbuch ist eine Verordnung Friedrich des Schönen aus dem Jahre 1320, welche al-

lerdings erst nachträglich eingetragen wurde. Das Eisenbuch wurde bis 1819 geführt, durch diese kontinuierliche Schriftführung bis Anfang des 19.Jahrhunderts enthält das Eisenbuch Schriftarten von der Gotik bis zur modernen Kanzleischrift. Die Eintragungen ins Eisenbuch wurden von offizieller Stelle beauftragt, daher stehen sie in ihrer Authenzität den Originalurkunden um nichts nach. Die Originalurkunden sind über die Jahrtausende, wie die Ordnung der Wiener Goldschmiede 1366, teilweise verloren gegangen und so nur mehr im Eisenbuch enthalten.

DIE HANDWERKSORDNUNG

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andwerksordnungen sind Ordnungen einzelner Handwerksbranchen. Sie wurden erlassen, um diverse gewerbliche Belange der Handwerker zu regeln, wie Betriebsstandorte, Prüfung der Warenqualität, Lehrlingsausbildung und Ähnliches. Für die Einhaltung der Handwerksordnungen waren gewählte Organe der Handwerkerverbände zuständig. Das Eingreifen des Landesfürsten und des Rates war nicht immer notwendig, aber vor allem bei

den selbst erstellten „Einigungen“ der Handwerker musste mit Verboten, unter anderem gegen Preiskartelle und willkürliche Beschränkungen der Zahl der Meister, öfters eingegriffen werden. Zur Wahrung der Handwerksordnungen wurde am 1. April 1527 eine Handwerksordnung verfasst, welche alle gewerblichen Funktionen dem Rat zuschreibt, womit der Aufgabenbereich der Handwerkerverbände auf soziale, karitative und religiöse Bereiche reduziert wurde. Die älteste Hand-

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werksordnung der Goldschmiede wurde am 13. Oktober 1366 durch die Brüder Albrecht III. und Leopold III. als landesfürstliches Privileg erlassen. Diese Ordnung ging im 30 jährigen Krieg verloren und ist nur mehr im Eisenbuch als „brieff der goldsmid“ erhalten. Die Handwerksordnung der Goldschmiede wurde 1775 das letzte Mal erneuert. Im 14.Jahrhundert lieferten Goldschmie-

de vor allem für den Herzogshof und die Kirche wichtige Arbeiten. Da allerdings Beschau- und Meisterzeichen erst ab 1524 eingeführt wurden, können viele der Goldschmiedearbeiten, mit einigen besonderen Ausnahmen, vom 14. bis Anfang des 16. Jahrhunderts nicht eindeutig ihrem Schöpfer beziehungsweise ihrem Herkunftsland zugeschrieben werden.

DIE ZECHORDNUNG

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echen waren Vereinigungen von Handwerksmeistern gleicher oder auch verwandter Gewerbe. Diese eigentlich genossenschaftlichen Organisationen verfolgten ursprünglich Ziele religiöser Art. Später galt ihre Aufmerksamkeit aber vor allem ökonomischen Belangen, zur Sicherung des Absatzes ihrer Mitglieder. Es bildete sich ein immer stärker werdender Kartellcharakter heraus, so dass Abmachungen, wie Preisabsprachen, vor allem die Ausschaltung des Wettbewerbs zum Ziel hatten. In Österreich und in Wien wurde die Bezeichnung der

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Zeche auch gerne für Bruderschaften und Zünfte verwendet. Dies zeigt sich vor allem in der Namensgebung des Mittelalters durch Organe wie den Zechmeister, und Ordnungen wie die Zechordnung. Ein Jahr nach der Erstellung der offiziellen Handwerksordnung der Goldschmiede 1366 stellte die Zeche der Goldschmiede am 15. Dezember 1367 eine eigene Zechordnung auf. Damals wurde auch ein Handwerkssiegel geschaffen. Dieses Siegel ist das älteste Handwerkssiegel Wiens und zeigt den Schutzpatron der Goldschmiede, den Heiligen Eligius.


650 JAHRE ZUNFT LENA ZACH, BA

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rchäologische Funde beweisen, dass schon zu Beginn der Bronzezeit das Goldschmiedehandwerk ausgeübt wurde. Aber erst mit der Städtebildung und der damit einhergehenden Arbeitsteilung war die Entwicklung von spezialisierten Handwerksberufen möglich. Im Römischen Reich waren ganze Städte auf einzelne Handwerke ausgerichtet. So war zum Beispiel Byzanz die Stadt der Gold- und Silberarbeiter. Das Goldschmiedehandwerk hatte immer eine Sonderstellung im Vergleich zu anderen Handwerken, so erklärte auch Karl der Große im Jahre 800 das Handwerk der Goldschmiede zum Dienst an Gott. Von nun an produzierte der Goldschmied in Klöstern und Abteien. Auch die Ausbildung wurde in die Klosterwerkstätten verlegt. Die Goldschmiede am Hof waren unfrei. Sie unterstanden dem Hofamt und dessen Gerichtsbarkeit. Es gab auch einige wenige freie Goldschmiede, diese wanderten und wurden bei Gelegenheit von Klöstern oder Höfen beschäftigt. Bis ins 12. und 13. Jahrhundert waren die Goldschmiede und andere Handwerker in Klöstern ansässig, bis sie durch das Marktrecht gelockt, aus diesem christlichen

Rahmen heraustraten. Sie trugen ihr Handwerk in die Welt und mussten zeitgleich beginnen, sich untereinander zu organisieren, um sich vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Als der Konkurrenzdruck stieg, strebten sie selbstverwaltete Interessenvertretungen an. Durch solche Zusammenschlüsse konnten sich die Meister untereinander hinsichtlich der Qualität der Ware von der Konkurrenz absetzen. Diese Interessenvertretungen stellten sogenannte Einigungen auf, es waren interne Abmachungen zum Schutz ihres Gewerbes. Neben diesen internen Einigungen gab es auch eine offizielle Aufteilung der Handwerksgruppen in Ämter. Sie wurden über das Marktrecht überwacht. Eine Weiterentwicklung der Ämter waren die Gesellschaften. Sie wiesen dem Zunftzwang ähnliche Strukturen auf, denn man musste Teil der Gesellschaft sein, um das Gewerbe betreiben zu dürfen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entwickelten sich die Zechen. Sie sind Zusammenschlüsse von Gewerbetreibenden desselben Handwerks. Was die Zeche besonders macht, ist dass sie nicht nur wesentlichen Anteil am Berufsleben hatte, sondern auch stark ins Privatleben ein-

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Auszüge der Bachelorarbeit „Das Goldschmiedehandwerk in Österreich“, 2016, Lena Zach

griff. Die Bruderschaften waren mit der Zeche vergleichbar, allerdings beschränkten sie sich auf religiöse Ziele. Das frühe Gewerbewesen ist recht undurchsichtig. Es gab viele Zusammenschlüsse, Institutionen und Regelungen. Auch griffen Begriffe wie Zeche, Zunft, Bruderschaft, Einigung, Amt und Innung oft ineinander, weshalb es in einigen Punkten schwer ist, den roten Faden zu behalten. Landesfürst Herzog Leopold VI. sorgte sich um das Geschehen im Handwerk. Er führte Regelungen ein, welche wir heute bereits als Zunftzwang beschreiben würden. Denn nur Personen, welche Teil des betreffenden Amtes waren, durften dieses Handwerk auch betreiben. Im 13. Jahrhundert war das Ziel eine Eingliederung aller Handwerker in das entsprechende Amt. Im Laufe der Zeit bauten die Zusammenschlüsse der Handwerker ihre Rechte immer weiter aus. Sie schlossen sich immer enger zusammen, sodass ein kleiner elitärer Kreis entstand, bis es, um 1300, nur mehr als Bürger der Stadt möglich war, in die Zunft einzutreten. 1361 verbot Herzog Rudolf IV. alle Zechen und Einigungen in Wien, die Ämter blieben bestehen. Es wurde allen Handwerken, da-

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runter explizit auch den Goldschmieden, die volle Gewerbefreiheit erteilt. Das Verbot wurde 1364 mit einer zweiten Urkunde verschärft. Alle vorherigen Ordnungen wurde für ungültig erklärt, und auch bis nach seinem Tod wurden Handwerksordnungen ausschließlich vom Stadtrat erteilt. Eine besondere Ausnahme stellt hier das landesfürstliche Privileg 1366 der Brüder Albrecht und Leopold von Habsburg dar. Am 13. Oktober 1366 wurde die Innung der Goldschmiede durch die Handwerksordnung der Landesherren rechtlich anerkannt. Die Ordnung beinhaltete vor allem Bestimmungen, welche bereits davor Bestand hatten. Im Allgemeinen waren sie vorteilhaft für die Goldschmiede, da somit ein Rückhalt bei Streitfragen und Schutz vor unlauterem Wettbewerb gegeben war. Diese Ordnung wurde von den Landesfürsten – und nicht wie damals üblich, von der Stadtkanzlei – ausgestellt. Der Grund hierfür lag an den edlen Materialien, mit denen der Goldschmied hantiert. Es galt, den Umgang mit den edlen Rohstoffen zu beaufsichtigen, und das war Aufgabe des herzoglichen Münzmeisters. Wegen der teuren Materialien und der Kunstfertigkeit der Goldschmiede ge-

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nossen sie ein besonderes Ansehen. Durch die Handwerksordnung der Goldschmiede von 1366 war die rechtliche Stellung der Innung festgelegt. Die von den Goldschmiedemeistern beziehungsweise der Bruderschaft der Goldschmiede selbst erstellte Zechordnung von 1367 regelte die internen Verhältnisse. Sie unterschied sich deutlich von der städtischen Handwerksordnung und verstieß in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfügungen von Rudolf IV. Sie war eine autonom erstellte Zechordnung, für die nie eine herrschaftliche Bestätigung eingeholt wurde. Dennoch war sie bezeichnend für das Gewerbetreiben der Goldschmiede. Im Wien des 14. Jahrhunderts, hatte sich der Zunftzwang, mit dem genossenschaftlichen Gedanken der Organisation des Handwerks, bereits fest etabliert. Gegen Endes des selben Jahrhunderts schloss sich die Zunft zur Konkurrenzmeidung. Die Mitgliedschaft wurde erblich, sodass es nur mehr möglich war, durch Einheiraten Teil der Zunft zu werden. Die Handwerksordnung der Goldschmiede wurde immer wieder ergänzt: Einer der stärksten Eingriffe war wohl die Generalhandwerksordnung 1527 von König Ferdinand I. Und auch diese hatte langfristig gesehen keinen großen Einfluss auf das Zunftwesen der Goldschmiede. Es kam zu immer mehr Handwerksmissbräuchen, da sich das Zunftwesen verselbstständigte und in vielen Punkten nicht herrschaftlich reglementiert werden konnte. Kaiser Ferdinand II. verfolgte eine strikte Rekatholisierung in Österreich. Nach seinem Amtsantritt 1619 wanderten viele tüchtige Handwerker aus. Mit dem Dreißigjährigen Krieg wurden die Grenzen geschlossen, die Kauftätigkeit und die potentielle Kundschaft nahm ab. Die Handwerker hatten Sorge um ihre Lebensgrundlage. Deshalb beschloss die Zunft, Regelungen zur Konkurrenzmeidung aufzustellen. Innerhalb ihres Gewerbes war die Zunft autonom. Die öffentliche Hand konnte ihre Neuerungen nicht unterbinden.

Von den Goldschmieden wurde 1635 ein Zechbuch angelegt. Darin war die Abschrift einer Ordnung enthalten, welche den jungen Meistern vorschrieb, wie sie sich zu verhalten hätten. Im 15. und 16. Jahrhundert hatte die Zunft ihren Höhepunkt. Allerdings gab es zahlreiche Handwerksmissbräuche und Missstände von denen die Öffentlichkeit wusste. Leopold I. wollte diese Handwerksmissbräuche und vielleicht sogar das Zunftsystem abschaffen. Im Jahr 1666 erneuerte Leopold I. die Zunftstatuten. Hierbei wurde der Lehrzeitraum ein halbes Jahr verlängert. Nachdem sich Wien von der Pest, der Türkenbelagerung und der Befreiung Ungarns erholt hatte, liefen die Handwerksgeschäfte wieder. Mit dem Einzug der Fabriks-Industrie um 1700 nach Österreich trat ein Stimmungswechsel in der Gesellschaft und im Gewerbewesen ein. Der Wirtschaftsgedanke der höheren Stückzahlen in kürzerer Zeit war geboren, das zünftige Handwerk folgte allerdings anderen Prinzipien, es stagnierte. Joseph I. änderte die Innungsprivilegien der Wiener Goldschmiede. Erkennbar war das an der Neustrukturierung der Goldschmiedeordnung von 1708. 1716 bestätigte Karl VI. die Goldschmiedeordnung von 1708. 1722 legte Münzmeister Mittermayer eine neue Ordnung vor. Mit den Schutzbefugnissen von Karl VI. wurde 1725 erstmals ernstzunehmend in das Zunftwesen eingegriffen. Dieses kaiserliche Patent ermöglichte es ohne zünftiges Meisterrecht, selbstständig Gewerbe zutreiben, somit war die Zunft nicht mehr geschlossen. Das Patent wurde in Österreich sehr gut aufgenommen und relativ schnell gab es so viele zünftige wie unzünftige Handwerker. Unter Maria Theresia wurde das Goldschmiedehandwerk ab 1768 als Kommerzialgewerbe geführt. Des weiteren erließ sie 1773 eine neue Goldschmiedeordnung, welche bis dahin an Genauigkeit unübertroffen war.

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Danach folgte das Handwerkspatent, die sogenannte Normalverordnung 1776. Sie wurde nie öffentlich bekannt gegeben, sondern lediglich den Behörden, mit der Anweisung danach zu verfahren, vorgelegt. Durch diese Ordnung wurden das Meisterrecht und der Zunfteintritt nicht mehr durch die Zunft sondern durch die Stadt geregelt. Sie stellte einen der Grundsteine der Gewerbeordnung von 1859 dar. Zur Regentschaft Joseph II. wurden 1783 mit einem Hofdekret alle Bruderschaften aufgelöst. Österreich erfuhr einen industriellen Aufschwung, nur nicht die kleinen Handwerksbetriebe. So schlugen die Innungen, und darunter die der Goldschmiede vor, wieder zu den alten Bestimmungen zurückzukehren. Die Prüfung des Anliegens durch die Hofkammer ergab, dass der Aufschwung dem freien und unzünftigen Gewerbe zuzuschreiben sei. Dies stellt eine weitere Anregung zur Gewerbefreiheit 1859 dar. Mit dem Amtsantritt von Kaiser Franz I. endete der aufgeklärte Absolutismus und so wurde auch der Weg zur Gewerbefreiheit gehemmt. 1832 betraute man die Hofkammer mit der Prüfung der Sinnhaftigkeit der Gewerbebefugnisse von Handels- und Gewerbeklassen. Die Kernaussage der daraus folgenden 67 Paragraphen war, dass die Aufhebung des Zunftzwangs wünschenswert wäre, allerdings mit dem Erhalt der Befähigungsnachweise zur Wahrung des Handwerks. Wenige Wochen später begann die Hofkammer mit der Erstellung eines allgemeinen Gewerbegesetzes. Seit den Schutzbefugnissen von Kaiser Karl VI. befand sich das österreichische Gewerbe in einer Übergangsphase. Durch Kaiser Franz I, wurden die Bestrebungen Maria Theresias und Joseph II. zur Weiterentwicklung des Gewerbes gehemmt. Mit dem Amtsantritt Ferdinands I. wurde wieder ein freiheitliches Gewerbewesen verfolgt. Bis zur Gewerbefreiheit 1859 unter Kaiser

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Franz Joseph gab es kein einheitliches Gewerberecht, viele der Missstände im Handwerk fanden erst mit ihrer Einführung ein Ende. Mit der Gewerbefreiheit 1859 begann das heutige Gewerbewesen. Durch die Gewerberechtsordnung wurde das Gewerbe frei gemacht und in drei Sparten geteilt: freie Gewerbe, freie Gewerbe mit Anmeldung und konzessionierte Gewerbe, welche einen Befähigungsnachweis benötigen. Zum letzteren zählt das Goldschmiedehandwerk. Die Zunft wurde von der Genossenschaft abgelöst. In ihr waren alle Mitglieder gleichgestellt ohne Mitgliedszwang. Also nach der Gewerbeordnung gab es die k.u.k. landesfürstlich privilegierten Fabriken und die genossenschaftlich geöffnete Zunft. Rasch nach der Einführung der Gewerbeordnung galt sie wiederum als reformbedürftig und es wurden zahlreiche Sondergesetze und Neuerungen erlassen. Diese ständigen Änderungen machten das Gewerbewesen sehr undurchsichtig. So wurde 1957 eine Kommission aus Personen wissenschaftlicher Fachbereiche, Interessenverbänden, Verwaltung und Volksvertretung mit der Erstellung einer neuen Gewerberechtsordnung beauftragt. Heute unterliegen alle gewerblichen Unternehmungen der Gewerbeordnung von 1994, nach der neusten Novellierung. Das Gewerbewesen läuft heute unter dem Prinzip der Einheitskammer. Die Wirtschaftskammer besteht aus den Landes- und Bundeskammern und den Fachorganisationen, bestehend aus Fachgruppe (Innung) und Fachverbänden. Gewerbetreibende Personen sind rechtlich zur Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer und deren Fachorganisation verpflichtet. Seit einem Erlass 2002 gibt es freie Gewerbe, reglementierte Gewerbe und Teilgewerbe. Das Goldschmiedehandwerk gehört heute zum reglementierten Gewerbe. Zur Ausübung benötigt man einen Befähigungsnachweis. Dieser setzt sich aus dem Lehrabschluss und dem Meisterbrief zusammen.

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PA U L A P O S P I S I L

Innungsgeschichte ab 1967

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eit dem Jahr 1967 haben insgesamt sieben Innungsmeister die Geschicke der Wiener Gold- und Silberschmiede gelenkt und den Aufbruch in eine neue Zeit mitgetragen. Es waren dies Karl Nikl, Anton Escher, Bruno Schiller, Wilfried Haas, Horst Urban, Günter Guggenberger und Wolfgang Hufnagl. Die fünf letztgenannten sind auf dem Foto stolz mit der Innungskette zu sehen. Die vielen Verhandlungen mit den Behörden verlangten von dem jeweiligen Innungsmeister bedingungslosen Einsatz und vor allem Fingerspitzengefühl und Durchhaltevermögen. Die Meisterprüfungsordnung wurde adaptiert und den neuen Erfordernissen angepasst, ebenso die Lehrabschlussprüfungsordnung. Es gab gemeinsame Messeauftritte (z.B. Inhorgenta, Midora), Sonderschauen der Wiener Goldschmiede bei der Wiener Messe und Teilnahme an Gewerbeveranstaltungen, Wiener Modenacht, Gewerbe- und Handwerkstage u.v.m. Zu einer besonderen Erfolgsgeschichte wurde in der Zeit von 1975 bis 1993 die Teilnahme junger österreichischer Goldschmiede an den World Skills Competitions. Es konnten insgesamt 8 Medaillen erreicht werden. Die Teilnahme am österreichischen Staats­

preis war ebenfalls für Wiener Goldschmiede von Erfolg gekrönt. Das neue Punzierungsgesetz trat 2001 in Kraft. Von nun an konnten die Goldschmiede in Eigenverantwortlichkeit selbst punzieren. Ein Höhepunkt in der Innungsgeschichte war der Einsatz seitens der Wiener Landesinnung im Jahr 2012 bei der Verhandlung zum 1. Stabilitätsgesetz 2012. Die Verhandlungen im Finanzministerium wurden zum Teil sehr emotional geführt und waren letztendlich sehr erfolgreich. Es konnten massive Verschlechterungen für Gold- und Silberschmiede im Bereich der Einkommenssteuer verhindert werden. Das gesellschaftliche Leben kam in den letzten 50 Jahren nicht zu kurz. Seit vielen Jahrzehnten gibt es den beliebten Goldschmiedeball. Die Weihnachtsfeier der Goldschmiedepensionisten findet seit 1979 statt. Jahrelang zeigten sich die Goldschmiede beim Tennisturnier von ihrer sportlichen Seite. Dies wird seit 2014 mit der Jewel Tennis Trophy fortgeführt. Wilfried Haas wurde 1980 zum Sektionsobmannstellvertreter gewählt und später zum Sektionsobmann der Sparte Gewerbe und Handwerk. Dies war nicht nur für den Gewählten eine besondere Auszeichnung, sondern für die gesamte Branche.

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Die Kette des Wiener Innungsmeisters GABRIELA BREISACH

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nno 1974 stellte man fest, dass bei internationalen Veranstaltungen unserer Branche die Innungsmeister, Obermeister oder Präsidenten von Fachvertretungen als Zeichen ihres Amtes stets eine goldene Kette trugen. Alle - bis auf einen - den Wiener Innungsmeister der Gold- und Silberschmiede, damals Komm. Rat Bruno Schiller. Also entschloss sich der Ausschuss der Landesinnung, eine repräsentative Innungsmeisterkette zu schaffen, welche auch die nachfolgenden Amtsträger schmücken sollte. Ein Wettbewerb wurde ins Leben gerufen. Gefordert wurde „ein zeichnerischer Entwurf einer Kette aus 18 Karat Gold, die in Ihrer Funktion als Innungsmeisterkette der Landesinnung Wien der Gold- und Silberschmiede und Juweliere gerecht werden muss. Die Verwendung von Schmucksteinen ist möglich. Der zeichnerische Entwurf hat in natürlicher Größe zu erfolgen, die innere Länge muss 85 bis 90 cm betragen.“ Zu gewinnen waren 100g Feingold (1. Preis), 60g Feingold (2. Preis) oder 700g Feinsilber (3. Preis). Das Rennen machte der Entwurf des Goldschmiedemeisters Alfred SEITNER (1919-1998). Diese wirkungsvolle Schulterkette besticht bis heute durch ihre Formschönheit, Farbkombination und Eleganz. Sie besteht aus blauem Lapis-Lazuli im Karree-Schliff, umrahmt von teils mattierten, teils hochglanzpolierten Goldelementen. Das Mittelteil zeigt das Wiener Wappen, darunter ein Symbol der Goldschmiede (der Ring), ein Symbol der Silberschmiede (der Kelch) und eines der Juweliere (der Edelstein).

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Helga Dworzack-Seitner, die Tochter des Goldschmieds, sowie Christian Tesarik, der spätere Schwiegersohn, waren als damalige Lehrlinge / Gesellen an der Fertigstellung maßgebend beteiligt. An die durch Schmirgeln wund geriebenen Finger erinnern sie sich noch heute. Der Meister selbst war ein Handwerker aus Leib und Seele, besessen von seinem geliebten Beruf, wie sein Sohn Manfred Seitner erzählt. Er genoss den strengen und konsequenten Vater als Lehrherrn, wie übrigens auch die folgende Seitner-Generation. Nach seiner Tätigkeit als Werkstättenleiter der Fa. Heldwein betrieb Papa Seitner ab 1964 ein gut florierendes Handwerk, zuerst in Wien 4, Frankenberggasse, später „auf der Pawlatschen“ im Haus Kohlmarkt 11. Dort arbeitete er auch für die Juweliere Rozet & Fischmeister. Alfred Seitner zählt bis heute zu jenen Goldschmieden, die sich durch Präzision, extreme Genauigkeit und sparsamste Verwendung von Lot einen Namen gemacht haben. Diese Gabe hat er wohl auch seinem Sohn vererbt. Die Wiener Innungsmeisterkette wird jedenfalls für alle Zeiten mit seinem Namen verbunden bleiben.

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Reliquiar des hl. Eligius, 1764, Ausführung: Joseph Moser Silber, getrieben, gegossen, ziseliert, vergoldet, Diamanten, Rubine, Smaragde, Höhe: 34 cm Beschauzeichen: Wien 1764, Repunzierungs- und Befreiungsstempel, Meisterzeichen: „IM“ im Queroval Dauerleihgabe der Landesinnung der Gold- und Silberschmiede im Wien Museum

Die Zunftobjekte der Gold- und Silberschmiede im Wien Museum M A G . E VA - M A R I A O R O S Z , K U R AT O R I N FÜR KUNSTGEWERBE UND MÖBEL IM WIEN MUSEUM

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ie 1859 mit kaiserlichem Patent verabschiedete Gewerbeordnung führte ein einheitliches und kodifiziertes Gewerberecht für die gesamte Habsburger Monarchie ein und setzte den letzten Resten der zünftischen Ordnung ein Ende. Die Freiheit der gewerblichen Produktion sollte weiten Kreisen der Erwerbstätigen zugänglich gemacht und nicht durch Gebote und Verbote eingeschränkt werden. An die Stelle der Zünfte traten die Genossenschaften, denen aber keine polizeilichen Aufgaben mehr zustanden sondern nur eine begutachtende und fördernde Tätigkeit. Die Zünfte waren Geschichte geworden und ihre Musealisierung durch die Stadt Wien begann.

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Zunftpokal der Goldschmiede, 1650 Silber, getrieben, vergoldet, Höhe: 11,6 cm, Bez. am Mundrand: „Hans Maunz Ferert Disen Pecher Zu Der Master Lat 1650“ Beschauzeichen: Wiener Silberpunze Meisterzeichen: „AT“ Foto: © Wien Museum Bürgermeister Johann Kaspar Seiller (1802–1888) richtete im Februar 1860 ein Zirkular an die Vorstände der Wiener Innungen, in dem er um die „sorgfältige Aufbewahrung aller jener in ihrem Besitze befindlichen Urkunden, Schriften, Bücher, Siegel, Embleme und sonstigen denkwürdigen Gegenstände“ bat, die durch die Neuordnung kaum von administrativer Wichtigkeit, jedoch von „geschichtlichem Wert sein und bleiben werden.“ Er wollte die für die Geschichte der Stadt wichtigen Materialien möglichst vollständig zusammengetragen sehen und lud die Innungen und Genossenschaften ein, ihre wertvolleren historischen Gegenstände der Gemeinde Wien zur Aufbewahrung im Städtischen Archiv im Rathaus oder im Städtischen Zeughaus zu übergeben. Die Genossenschaft der Gold- und Silberschmiede kam dem Aufruf des Bürgermeisters besonnen nach. Anlässlich der 1873 ausgerichteten „Historischen Ausstellung der Stadt Wien“ im Pädagogium in der Hegelgasse wurde ein erster Überblick an ehemaligen zünftischen Insignien gegeben. Die Genossenschaft der Gold- und Silberarbeiter war durch die „Älteste Ordnung der Wiener Goldschmiede“ vom 13. Oktober 1366, die von den Herzogsbrüdern Albrecht III. und Leopold III. ausgestellt worden war, vertreten. Diese regelte Meisterrecht und Zunftordnung, umfasste Feingehaltsvorschriften sowie deren Überwachung durch zwei Münzmeister. Auch ihre Zunftlade, wichtiges Symbol des zünftischen Rechtslebens, war zu sehen. Ihr Eigentümer war nicht mehr die Genossenschaft, sondern der Kommunalpolitiker Josef Matzenauer (1837–1905), der vermutlich eine Vermittlerfigur zwischen Genossenschaft und Stadt Wien war. Matzenauer war gelernter Gold- und Juwelenarbeiter, ebenso Antiquitäten- und Pretiosenhändler, ab 1870 Vertrauensmann der Innung und über mehrere Jahre eines ihrer Vorstandsmitglieder. Der liberal gesinnte Matzenauer bekleidete mehrere

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politische Ämter und Positionen in der Stadtregierung: Von 1870 bis 1900 gehörte er dem Wiener Gemeinderat an, 1891 war er zum Stadtrat und 1894 zum zweiten Vizebürgermeister gewählt worden. Für das Kulturleben der Residenzstadt Wien beachtenswert ist u. a., dass er gemeinsam mit dem Archivdirektor Karl Weiss zu den Gründern des Historischen Museums der Stadt Wien im Neuen Rathaus zählte. Im 1888 eröffneten Historischen Museum der Stadt Wien konnten zwar viel mehr Zunftobjekte präsentiert werden, als in der Ausstellung von 1873, dennoch war von den Gold- und Silberschmieden zunächst nur Matzenauers Zunftlade zu sehen. Nach einem weiteren Apell an die Wiener Innungen, diesmal durch den Museumsdirektor Karl Glossy, entschloss sich die Genossenschaft

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Zunftfahne der Gold- und Silberschmiede, 1781 Seidendamast, Metallgespinste, Metallfransenborte, Posamentrie, Flitterstickerei, gleichseitige Stechtechnik, Ölmalerei. Dauerleihgabe der Landesinnung der Gold- und Silberschmiede im Wien Museum. Fotos: © Wien Museum | Birgit und Peter Kainz 1893, die anderen bis zum heutigen Tag im Wien Museum (ehemals Historisches Museum der Stadt Wien) aufbewahrten Leihgaben zu borgen. Die Zunftfahne, das Eligius-Reliquiar, das Messbuch, zwei Messkelche sowie Wein- und Wasserkrug wurden damals mit der Zunfttruhe vereint. Gemeinsam mit weiteren Prunk- und Ehrenpokalen, vorwiegend aus der Zeit des Klassizismus, wurde die Kunstfertigkeit des Handwerkerstands unter Beweis gestellt und ihre zünftische Tradition präsentiert. Mehrere Zunftobjekte – die Fahne, das Messbuch und das Reliquiar – sind eng mit dem hl. Eligius, Schutzpatron der Gold- und Silberschmiede, verbunden. Bereits seit dem 13. Jahrhundert zierte seine Darstellung Zunftsiegel und Zunftstiftungen. Die Legende erzählt, dass Eligius ein begabter Gold-

schmied war, der den wertvollen Werkstoff mit bemerkenswerter Sparsamkeit zu verarbeiten verstand. Das Vertrauen des fränkischen Königs Clothar II. erwarb er sich, indem er aus der ihm anvertrauten Goldmenge statt einem gleich zwei kunstvolleThronsessel herstellte. Gegenüber Armen und Notleidenden zeigte sich Eligius, später Bischof von Noyon und Tournai, wohltätig. Bis heute bilden die in einer eigenen Vitrine präsentierten Leihgaben der Genossenschaft der Gold- und Silberschmiede den Höhepunkt der Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts im Wien Museum am Karlsplatz. Das vollplastische Büstenreliquiar des hl. Eligius von 1764 fertigte Joseph Moser, einer der bedeutendsten Meister seines Fachs, der auch für den Wiener Hof arbeitete. Das Reliquiar stellt Eligius im Bischofsornat von einer

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Weiterführende Literatur: Ausgenommen von der neuen Gewerbeordnung waren das venezianische Verwaltungsgebiet sowie die sogenannte Militärgrenze, ein Grenzstreifen in Kroatien, Slawonien, Banat und in Siebenbürgen. Ernst Mischler/Josef Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechts, Wien 1905–09, Bd. 2, S. 467f.

Strahlenglorie hinterfangen dar. Am Sockel finden sich die Attribute des Goldschmieds: Amboss und eine ganze Reihe von miniaturhaft kleinen Gerätschaften, die in der Werkstätte der Goldschmiede entstehen. Auf der Wiener Zunftfahne aus dem Jahr 1781, die aus restauratorischen Gründen im Depot verwahrt wird, sieht man den Schutzpatron Almosen spendend. Die Wiener Goldschmiede trafen sich regelmäßig in der Eligiuskapelle im Stephandom. Bei Prozessionen wurde die Zunftfahne vorangetragen. Das Zunftheiligtum könnte das beschriebene Reliquiar des hl. Eligius von Joseph Moser gewesen sein. Dieses wurde der Zunft der Wiener Goldschmiede 1785 von Joseph Ignaz Schwab gestiftet. Auch ein zweites, 1762 ebenfalls von Joseph Moser gefertigtes Eligius-Reliquiar könnte einst im Besitz der Zunft gewesen sein. Das während des Zweiten Weltkrieges verlorene Objekt kam über den Kunstsammler Dr. Albert Figdor ans Museum. Aus dessen Besitz stammt auch der Zunftpokal der Goldund Silberschmiede aus dem Jahr 1650. Mit der Aufhebung der Zünfte 1859 hatte nicht nur die Musealisierung ihrer Insignien begonnen. Der Antiquitätenhandel räumte sich spätestens zu diesem Zeitpunkt das Recht ein, mit den geschichtsträchtigen und im Falle der Gold- und Silberschmiede, wertvollen Objekten, gewinnbringende Geschäfte zu machen. Dies macht erklärbar, warum zünftische Gegenstände in Streubesitz und in die Hände von Kunstsammlern wie Josef Matzenauer oder Albert Figdor gelangten.

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Mit der Gesetzesnovellierung vom 15. März 1883 wurde für die Ausübung eines Handwerks der Befähigungsausweis wieder verpflichtend vorgeschrieben. Harry Kühnel, Chronik des Handwerks in Österreich. Ausgabe Wien, Wien 1959, S. 28. Wiener Zeitung vom 28.2.1860, S. 855. Karl Weiss, Vorwort, in: Katalog des Historischen Museums der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien. I., II. und III. Abteilung, Wien 1888, S. III-VIII, hier S. IV. Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Wien, Wien 1873, S. 194-201. Dort waren die Genossenschaft der Bäcker, Bau- und Steinmetzmeister, Drechsler, Fischer, Gold- und Silberarbeiter, Taschner und Tischler vertreten. Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Wien, Wien 1873, S. 196. Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Wien, Wien 1873, S. 200. Zu seiner Biografie siehe u. .a.: Neues Wiener Tagblatt, 10.5.1905, S. 8-9. Österreichisches Biografisches Lexikon 1815-1950, Bd. 6, Wien 1974, S. 153. Peter Noever (Hg.), Wiener Goldund Silberschmiede von 1781 bis 1921 und ihre Punzen, CD-ROM, MAK, Wien 2005. Neues Wiener Tagblatt, 10.5.1905, S. 8-9. Reingard Witzmann, Vom Volksleben zur Alltagskunde. Skizze zur Entwicklung einer historisch fundierten Stadtvolkskunde von Wien, in: 100 Jahre Historisches Museum der Stadt Wien, Ausstellungskatalog Historisches Museum der Stadt Wien, Wien 1987, S. 38-41, hier S. 39. Wien Museum, Archiv, Z. Prot. 6-12/1893. Johann Kronbichler/Wilfried Seipel, Glanz des Ewigen. Der Wiener Goldschmied Joseph Moser 1715-1801, Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum der Stadt Wien, Wien 2003, S. Kat. Nr. 36, S. 114f.


650 Jahre Gold- und Silberschmiede in Wien

ALEXANDER EPPLER LEHRLINGSBEAUFTRAGTER S PA R T E G E W E R B E U N D H A N D W E R K

650 Jahre Ausbildung Handwerkskunst ist eine oft Jahrhunderte alte Kunst. Bewährtes Wissen und Fertigkeiten werden weitergegeben, aber auch angepasst, erneuert. Dennoch bleibt das Wichtigste: Die Beständigkeit in Qualität und Können. Ich war zunächst erstaunt zu erfahren, welch einflussreiche Auftraggeber die Gold- und Silberschmiede in Wien zu jener Zeit vor 650 Jahren schon hatten. Ihre großartige Arbeit überzeugte schon im Mittelalter Herrscherhäuser und Kirchenfürsten und übermittelt unserer Zeit eine wertvolle Botschaft: Die Bedeutung von Lehre und Ausbildung. In Zeiten wie diesen ist es wichtiger denn je, für eine qualitativ hochwertige und fundierte Ausbildung junger Menschen zu sorgen. Die Lehre ist eine solche fundierte und zukunftsorientierte Ausbildung, denn sie verbindet auf optimale Art und Weise bewährtes Wissen und Können mit zukunftsorientiertem Know-how und Techniken. Sie, als einer der unzähligen Ausbildner und Betriebe in Wien, sichern nicht nur die Weitergabe von Jahrhunderte alten Fertigkeiten, Sie gewährleisten auch, dass die-

se Fähigkeiten jungen Menschen mit Interesse an einem traditionsreichen Beruf ihre Zukunft sichern. Ihr Einsatz für die Ausbildung dieser Jugendlichen kommt selbstverständlich auch der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmen zugute. Deshalb ist es auch unerlässlich, auf Veränderungen in der Berufs- und Ausbildungswelt richtig zu reagieren. Das moderne Berufsbild ist einem ständigen Wandel unterworfen. Europäische Integration, Modularisierung von Lehrberufen oder das Konzept von Lehre mit Matura sind nur einige Beispiele, womit die Lehrausbildung konfrontiert war und ist – und wie erfolgreich sie diese Herausforderungen gemeistert hat. Der dynamische Umgang mit der Beschreibung von moderner Berufsbildung und Qualifikationsanforderungen ist hier notwendig. Wenn ich jedoch sehe, wie Ihre Zunft in den vergangenen 650 Jahren mit diesen Anforderungen immer umgegangen ist, blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft – für zumindest die nächsten 650 Jahre!

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Kunsthandwerk und WIFI eine Symbiose des Schönen, Kreativen und Dynamischen.

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enschen, die im Kunsthandwerk oder als Gold- oder Silberschmiede tätig sind, erleben Vielfalt in ihrem täglichen Tun: Sie schaffen Neues, die Werke sind nachhaltig und haben neben dem monetären einen oftmals unbezahlbaren ideellen Wert. Sie beweisen mit ihren Schöpfungen Sinn für das Schöne und schenken den Kunden/-innen wundervolle Momente. Was haben nun das Wiener Kunsthandwerk und Aus- und Weiterbildung miteinander gemein? Beide schaffen Mehrwert und stiften Sinn. Hier arbeiten Menschen mit Freude konstruktiv, kreativ und beharrlich, um eine Vorstellung zu realisieren. Das Wichtigste bei der persönlichen oder fachlichen Weiterentwicklung ist es auch – wie an einem Kunsthandwerksstück – daran kontinuierlich weiter zu feilen, um Potenziale auszuschöpfen und Kompetenzen zu entwickeln. Das WIFI Wien stellt die Werkzeuge zur Verfügung, um das Kunstwerk „Mensch“ zu vollenden. Mit seinem Angebot der praxisnahen Begleitung von künftigen Unternehmern/-innen mittels der Goldschmiede-Meistervorbereitungskurse hilft das WIFI Wien mit, diese Branche nach außen qualitativ zu positionieren. Darüber hinaus bieten die WIFI-Weiterbildungsangebote Chancen zur Formung neuer Ideen und persönlicher Stärken. Aus kompakten Seminaren, intensiveren Lehrgängen bis hin zu akademischen Ausbildungen

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können Interessierte das auswählen, was zur jeweiligen Lebensphase passt. Vor allem wenn oftmals die Zeit knapp ist, lohnt es sich, einen zuverlässigen Begleiter für qualitative Weiterbildung an der Seite zu wissen, um geschätzte Tradition erfolgreich in die Zukunft zu führen. Mehr als 60.000 Teilnehmer/-innen pro Jahr sehen das ebenso und absolvieren einen WIFI-Kurs. Eine weitere Gemeinsamkeit teilt das WIFI Wien mit dem Wiener Kunsthandwerk: Wenn wir auch nicht auf eine derartig lange Geschichte zurückblicken können, freuen wir uns, heuer das 70-jährige Bestehen feiern zu können. Das WIFI Wien gratuliert der Innung für Kunstgewerbe, Gold- und Silberschmiede und allen Menschen, die daran teil hatten und noch haben werden, zu 650 Jahren Erfolgsgeschichte!

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D Vom Lehrling zum Meister Das Ausbildungswesen in der Goldschmiedezunft LENA ZACH, BA

ie mehrjährige und vor allem praktische Ausbildung von Handwerksberufen ist ungemein wichtig, denn handwerkliche Fähigkeiten muss man sich über Jahre hinweg angeeignen, sie können nicht einfach aus einem Buch heraus erlernt werden. Gesprochen wird hier vom impliziten Wissen, von den Fähigkeiten, die nicht durch Erklärung sondern nur durch das Tun und die Übung erlangt werden können. Denn das richtige Führen einer Säge muss gelernt sein. Kurz gesagt ist die Weitergabe von Fähigkeiten in einem handwerklichen Beruf durch einen Fähigen, zur Wahrung des Handwerks und der Arbeitsmethoden, unumgänglich. Seit den ersten Goldschmiedearbeiten wird dieses erfahrungsgebunde Wissen weitergegeben. Die handwerkliche Ausbildung war lange Zeit nicht einheitlich geregelt, aber mit der Einführung des Zunftzwangs etablierte sich auch der Lehrzwang. Ausgehend vom Lehrzwang kann weiter auf das Ausbildungswesen der Goldschmiede eingegangen werden. Ein Goldschmied lernt und arbeitet in der Werkstatt. Im Vergleich zu heute herrschte eine familiäre Werkstättensituation, in welcher Leben und Arbeit eng miteinander gekoppelt waren. Die Werkstatt stellte das Zuhause der gesamten Familie dar. Aber es bestand untereinander eher einer raues und unpersönliches Verhältnis. Nur durch gute Arbeit und Leistung konnte ein Goldschmied an Ansehen gewinnen. Die Ausbildung im Zunftwesen war stark von Zeremonien geprägt, welche im 21. Jahrhundert häufig wegfallen. Um im Mittelalter eine Lehrstelle zu bekommen, musste man aus ehelicher Geburt und ehrlicher Herkunft sein. Bevor ein Junge Lehrling werden konnte, kam es zum Aufdingen. Hierbei führte der Vater sein Kind den Zunftmeistern vor, und wenn nichts gegen die Aufnahme sprach, folgte eine Ermahnungsrede und das Kind wurde per Handschlag als Lehrling aufgenommen und dem Meister übergeben. Besiegelt wur-

Auszüge der Bachelorarbeit „Das Goldschmiedehandwerk in Österreich“, 2016, Lena Zach

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de dieses Verhältnis durch einen beidseitigen Schwur: Der Meister schwor, Wissen weiterzugeben und den Lehrling vor dem Missbrauch als billige Arbeitskraft zu schützen. Der Lehrling hingegen schwor, die Geheimnisse des Meisters nicht zu verraten. Dieses besiegelte Band hatte in Bezug auf die Weitergabe und Übernahme der Werkstatt oft mehr Stärke als die leibliche Vaterschaft. Damals war dem Meister ein Lehrgeld zu entrichten. Falls der Lehrjunge dieses nicht aufbringen konnte, wurde er vom Meister für die Dauer der Lehrzeit in den Familienverbund aufgenommen. Hiermit erhielt der Meister neben seinen Pflichten den Lehrling auszubilden auch väterliche Rechte, wie zum Beispiel das Recht der körperlichen Züchtigung. Nach der Lehrzeit, welche einen Zeitraum von 3 bis 4 Jahren umfasste, mit einer täglichen Arbeitszeit von 14 Stunden, konnte der Lehrling zur Gesellenprüfung antreten. Nach einer Prüfung und dem Gesellenstück, bei dem der Lehrling zeigen musste, dass er die technischen Fähigkeiten beherrschte, kam es zur Zeremonie des Gesellenmachens. Hierbei wurde der Lehrling mit der Lossprechung zum Gesellen erklärt. Ab dem 15. Jahrhundert wurden die Wanderjahre der Gesellen zur Vorstufe des Meisters. Gesellen wanderten und tauschten so Wissen und Techniken aus. Die Goldschmiede hatten ein besonders ausgeprägtes Zunftnetzwerk. Sie waren durch Rituale und Bruderschaften sozial sehr eng miteinander verbunden, sodass für wandernde Goldschmiedegesellen gute Kontaktmöglichkeiten bestanden. Die Wanderjahre waren Teil einer linearen Berufsausbildung – Lehrling, Geselle, Meister – geworden. Der ortsgebundene Lehrling begann, nachdem er zum Gesellen geworden war, zu wandern. Der wandernde Goldschmied musste sich vor fremden Meistern behaupten und dort selbst zum Meister werden. Die Gesellenzeit dauerte zwischen vier und sechs

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Jahre. Das Wandern war den Gesellen vorbehalten, und deshalb konnte sich ein Meister dazu entschließen, wieder Geselle zu werden und abermals auf Wanderschaft zu gehen. Nach den Wanderjahren begann die Muthzeit. Diese beschreibt die Wartezeit der Gesellen bis sie den Meister machen dürfen. Denn als die Zunft geschlossen wurde, erhielt man das Bürger- und Meisterrecht erst dann, wenn man eine Meisterstochter oder -witwe heiratete. So verbrachte zum Beispiel Albrecht Dürer 12 Jahre in der Muthzeit als Goldschmiedegeselle, bis die Tochter seines Meisters alt genug zum Ehelichen war. Neben dem Meister, der ordentlich gelernt und seine Wanderjahre angetreten hatte, gab es auch den Gnadenmeister. Dieser hatte die Wanderschaft nicht angetreten und konnte deshalb nicht ordentlicher Meister werden. Da es aber nicht jedem möglich war zu wandern und noch dazu nur Meister heiraten durften, wurde diese besondere Variation des Meisters eingeführt. Allerdings war er kein vollwertiges Zunftmitglied und konnte so zum Beispiel nie Zunftvorsteher werden. Wie heute auch musste, um Meister zu werden, ein Meisterstück gefertigt werden. Dieses unterlag besonderen Vorschriften und seit dem 16. Jahrhundert existieren genaue Formvorlagen. Bei der Prüfung musste der angehende Meister nicht nur fachliches Können demonstrieren sondern auch die notwendige Kompetenz und Autorität zur Leitung einer Werkstatt unter Beweis stellen. Nach dem Meisterstück und einer entrichteten Gebühr wurde der neue Meister mit dem Meisterbrief in die Zunft aufgenommen. Teil des Zunfteintritts war ein heiliger Schwur: die Heimlichkeiten des Handwerks zu wahren. Heute gestaltet sich der Lehrablauf der österreichischen Goldschmiede etwas anders. Der Ablauf ist bis zur Lehrabschlussprüfung in der Ausbildungsordnung, als Ergänzung zum Berufsausbildungsgesetz, geregelt. Für die Gewerbezulassung muss ein Goldschmied

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die Meisterprüfung absolviert haben. Sie gilt als Befähigungsnachweis für die Ausübung des Gewerbes und wird durch die Meisterprüfungsordnung geregelt. Die Lehrzeit von 3 bis 4 Jahren im Zunftwesen wurde mittlerweile auf eine Dauer von dreieinhalb Jahre festgelegt. In der Lehre wird das praktische Können und das theoretische Wissen vom Lehrbetrieb vermittelt. Anders als in der Zunft gibt es hierfür nicht nur den Lehrbetrieb sondern auch die Berufsschule. Das Verhältnis zwischen Meister und Lehrling wird heute durch den Lehrvertrag geregelt. Dieser enthält alle, das Lehrverhältnis betreffende Informationen, sowie die Verpflichtung des Lehrlings, die Berufsschule zu besuchen. Das Verhältnis endet in der Regel mit dem Lehrabschluss. In der Zunft waren die Lehrbedingungen nicht so klar festgelegt. Bis auf den beidseitigen Schwur wurde das Lehrverhältnis nicht weiter maßgeblich reglementiert. Denn auch wenn der Meister von der Zunft überwacht wurde, hatte er innerhalb seiner Werkstatt freie Verfügungsgewalt, da die Zunft nur selten in das Werkstättengeschehen eingriff. Bei der Lehrabschlussprüfung gibt es einen theoretischen und einen praktischen Teil. In der praktischen Prüfung wird ein Werkstück erzeugt, an welchem der Lehrling seine handwerklichen Fähigkeiten beweisen muss. Hierbei wird vor der Prüfungskommision zu-

sätzlich ein Fachgespräch geführt, in dem das praktische Wissen und die angewandte Problemlösung abgefragt wird. Nach Ablegung der Lehrabschlussprüfung wird dem Prüfling ein Prüfungszeugnis ausgestellt. Die Gesellenwanderung ist mittlerweile unüblich und schon lange keine Pflicht mehr. Auch das Wandernetzwerk ist nicht mehr so wie im Zunftwesen vorhanden. Also kann heute nach dem Gesellen der Meister abgelegt werden. Die Meisterprüfung wird in 5 Modulen absolviert. Die Module beinhalten neben den Prüfungsgegenständen, wie dem Meisterstück, zum Beispiel auch die Unternehmerprüfung und die Ausbilderprüfung. Zudem dem kann die Meisterprüfung durch eine A und B-teilige Prüfung, mittlerweile auch ohne zuvor abgelegte Gesellenprüfung absolviert werden. Wenn alle erforderlichen Modulnachweise vorliegen, wird von der Prüfungsstelle das Meisterprüfungszeugnis ausgestellt. Das Ausbildungswesen hat sich vom Zunftwesen bis heute umfassend verändert. Aber es sind viele Handwerkszeuge und Arbeitsmethoden erhalten geblieben. Und auch wenn immer mehr neue technische Hilfmittel wie CAD hinzukommen, bleiben beim Goldschmied Jahrtausende alte Fähigkeiten erhalten, denn der Hammer, die Säge und die Zange werden noch lange zu den wichtigsten Werkzeugen dieses traditionellen Handwerks zählen.

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... macht meister Forum Goldschmiede das Kompetenzzentrum für Schmuck W W W. F O R U M G O L D S C H M I E D E . AT

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as Forum Goldschmiede ist das Kompetenzzentrum für Schmuck. Begonnen hat diese Geschichte im Jahre 2004, als sich die Landesinnung Wien und alle systemrelevanten Vereinigungen der Goldund Silberschmiede darauf verständigt haben, die Intention der Gründung eines Vereins zur Weiterführung der Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in Wien zu unterstützen. Das Wifi Wien hat sich zu diesem Zeitpunkt von allen Handwerkseinrichtungen und Werkstätten verabschiedet, das neu gegründete Forum Goldschmiede übernahm die Werkstätteneinrichtung mit der Verpflichtung, diese weiter zu führen. Es wurden 12 Arbeitsplätze, eine Schleudergussanlage und diverse Maschinen übernommen, zum heutigen Tage verfügt das Forum Goldschmiede über 34 voll eingerichtete Goldschmiedearbeitsplätze, zwei Vakuum-

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gussanlagen und 10 Computerarbeitsplätze. In der Pelzgasse sind zurzeit drei Orte, an denen das Forum Goldschmiede wirkt und werkt. Viel wichtiger als die räumliche Ausdehnung ist aber der Einsatzbereich. Im Bereich der Ausund Weiterbildung reicht das Engagement von der Grundausbildung bis hin zum Abhalten von Meisterkursen, der Teilnahme an Aktionen wie dem Töchtertag, dem regelmäßigen Zurschaustellen der handwerklichen Möglichkeiten der Gold- und Silberschmiede im Rahmen von Ausstellungen oder ähnlichen Veranstaltungen. Die lange Nacht der Museen im Bassanosaal des KHM, der Stefflkirtag oder die Kunsthandwerkstage auf der Schallaburg sind Beispiele für Aktivitäten, bei denen Kunden und Interessierte einen Einblick in die Welt der Goldund Silberschmiedinnen erhalten. Seit dem Jahr 2015 besteht das Forum Goldschmiede auch als GmbH und verfügt über eine Gewerbeberechtigung für Gold- und Silberschmiede sowie für Fotografie. Forum Goldschmiede macht Meister!

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Das Handwerk der Goldschmiede in Wien und das Haus Habsburg DR. FRANZ KIRCHWEGER, K U R AT O R D E R K U N S T K A M M E R W I E N UND DER KAISERLICHEN S C H AT Z K A M M E R W I E N

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ur wenige Jahre nachdem die Habsburger die Herrschaft in Österreich und der Steiermark übernommen hatten, kam es 1287/88 in Wien zu einer Erhebung gegen Herzog Albrecht I., in deren Verlauf jedoch die Handwerker die adeligen Anführer des Aufstandes dazu zwingen konnten, Verhandlungen mit dem Landesfürsten aufzunehmen, um die Blockade der Stadt aufzuheben. In Erinnerung an diese politische Einflussnahme schrieb der Verfasser der sog. Steirischen Reimchronik am Beginn des 14. Jahrhunderts: „Daz groezist volc, daz Wienne hat, daz sint hantwerkaere“. Seinem Lob ließ der Chronist eine lange Liste der in Wien ansässigen Handwerksberufe folgen. Gleich an den Beginn seiner Aufzählung stellte er dabei die Schmiede, Bogner, Schlosser und Goldschmiede. Das Handwerk der Goldschmiede war in der Zeit um 1300 in Wien bereits fest etabliert. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts diente die Stadt als Residenz der Babenberger. 1177 wird als erster Handwerker in Wien ein Goldschmied „Bruno de Wiene“ genannt. Am Ende des 13. Jahrhunderts treten Ortsbezeichnungen, wie „Auf der Goldsmit“

1 Nautiluspokal, Marx Kornblum, Wien, um 1580/90. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer

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2 Hostienmonstranz, Zacharias Feil, Wien, 1701. Kunsthistorisches Museum Wien, Geistliche Schatzkammer oder das „stresslein unter den goldsmit“, in Erscheinung, die auf eine größere Zahl ansässiger Goldschmiede schließen lassen. 1366 erhielten diese von den Herzögen Albrecht III. und Leopold III. eine Ordnung für ihr Handwerk auf der Basis „alter guter Gewohnheiten“. Zur Ausübung ihres Gewerbes mussten die Goldschmiede zwar Bürger der Stadt werden, ihre unmittelbare Kontroll- und Gerichtsinstanz war aber der Münzmeister. Damit kam ihnen, wie etwa auch den Bognern oder Münzern, für lange Zeit eine Sonderstellung unter den Wiener Handwerkern zu, da sie nicht dem Stadtrichter sondern direkt der Gerichtsbarkeit des Landesfürsten unterstellt waren. 1367 gaben sich die Goldschmiede in Ergänzung zur landesfürstlichen Ordnung von 1366 selbst eine umfangreiche Ordnung als Bruderschaft (Zeche). Sie sollte neben der Arbeit im engeren Sinne vor allem auch Aspekte des sozialen und religiösen Lebens regeln. In dieser Zeit dürfte auch das Siegel mit der Umschrift „S(igillum) Aurifabrorum de Wienna“ entstanden sein, das als ältestes bekanntes Siegel eines Handwerks in Wien und einer Goldschmiedevereinigung in Mitteleuropa gelten kann. Es zeigt den hl. Eligius als Schutzpatron im Zentrum. Diesem war auch ein Altar in der Stephanskirche geweiht, an dem die Bruderschaft ihre Andachten abhielt. Dass dieser Altar in der sog. Herzogskapelle stand, zeigt die Bedeutung und Relevanz des Goldschmiedehandwerks für den Wiener Hof. Immer wieder werden in den spätmittelalterlichen Quellen Namen von Goldschmieden genannt, die in enger Beziehung zu den Habsburgern standen. Der 1370 eingebürgerte Hans Prentschenk aus Zürich wird 1394 als Goldschmied Albrechts III. bezeichnet, ist dann Mitglied des äußeren Rates der Stadt und 1402 in der Vertrauensstellung als Münzanwalt Herzog Albrechts IV. dokumentiert. 1415 hatte der Goldschmied Oswald Pauch diese Funktion inne, der sich ebenso

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3 Messkelch, Joseph Moser, Wien, 1775. Kunsthistorisches Museum Wien, Geistliche Schatzkammer


4 Drei sechseckige Schalen, Nikolaus Andreas Kolmart, Wien, 1717. Kunsthistorisches Museum Wien, Geistliche Schatzkammer

aktiv an der Stadtregierung beteiligte. In den Jahren um 1500 besetzte der Goldschmied Jörg Jordan das Amt des Münzanwaltes, war Mitglied des Inneren Rates und 1506/7 dann auch Münzmeister Maximilians I. Diese und andere Meister übernahmen hohe Funktionen und wichtige Aufgaben sowohl für die Stadt als auch den jeweiligen Landesfürsten. Der ambivalente Status der Wiener Goldschmiede, die Bürger der Stadt sein mussten, zugleich aber in Rechtssachen direkt dem Landesfürsten bzw. seinem Münzmeister unterstellt waren, scheint die wechselweise Übernahme von Funktionen in beiden Bereichen erleichtert zu haben. Eigene Hofgoldschmiede, wie sie in Frankreich und in Burgund im Spätmittelalter bereits bekannt waren, dürften die Habsburger hingegen zu dieser Zeit noch nicht oder nur ausnahmsweise beschäftigt haben. Konkrete Nachrichten zu Aufträgen der habsburgischen Landesfürsten an die in Wien ansässigen Goldschmiede finden sich für diese Zeit nur selten. 1402 bestätigte Herzog Albrecht IV. seinem Goldschmied Leupold Weiler eine Schuld von fast 700 Pfund Pfennig, „umb gold, silber, arbait, lon und weihnachtsgab“. Eckhard Refer, den Herzog Albrecht V. „sei-

nen“ Goldschmied nannte, lieferte 1445 Arbeiten auch an Albrecht VI. Ein Goldschmied namens Neithart fertigte 1459 ein Siegel für Kaiser Friedrich III. Im Auftrag Maximilians I. schuf Hans Herzog 1496 bis 1506 einen großen Silberschrein für die Reliquien des hl. Leopold in Stift Klosterneuburg. Eine genauere Vorstellung davon, was der Hof im 14. und 15. Jahrhundert bei welchen Goldschmieden in Wien in Auftrag gab, lässt sich auf dieser Basis nicht gewinnen. Für eine in einem europaweiten Netzwerk agierende Dynastie wie die Habsburger war es überdies völlig selbstverständlich, Goldschmiedearbeiten ebenso auch in Zentren außerhalb ihrer eigenen Territorien beauftragen bzw. erwerben zu lassen. Dass die Landesfürsten regelmäßig in den Besitz von Prunkgefäßen kamen, die in Wien geschaffen worden waren, belegen aber die Vermerke in den städtischen Rechnungen zu Geschenken und Ehrengaben, die man diesen überreichte. Erhalten blieben nur sehr wenige Werke des Mittelalters, die mit einer Entstehung in Wien in Verbindung gebracht werden können. Eine Stadtmarke, ein „Probpunzen“, als Bestätigung der Einhaltung vorgeschriebener Qualitätsstandards soll bereits 1369 eingeführt worden sein. Die erste be-

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5 Pazifikale, Johann Baptist Känischbauer,Wien, 1726. Kunsthistorisches Museum Wien, Geistliche Schatzkammer kannte Goldschmiedearbeit, die eine solche Wiener Beschaumarke zeigt, stammt jedoch erst aus dem Jahr 1524. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erlebte die Stadt schwierige Zeiten. Für einige Jahrzehnte verlor sie sogar die Rolle als wichtigster Residenz- und Aufenthaltsort der Habsburger. Die Zahl der Meister ging von über 50 bekannten Namen zwischen 1400 und 1450 auf 33 in der Zeit zwischen 1450 bis 1500 zurück. Erst in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stieg die Zahl wieder auf 73 Goldschmiede an. Die zweifellos wichtigsten Voraussetzungen hierfür bot der neuerliche Ausbau der Stadt als Sitz der landesfürstlichen Verwaltung und die Entscheidung Ferdinands I., in Wien seine ständige Residenz einzurichten. 1526 und 1527 griff dieser tief in die überkommenen Rechte der Stadt und der Handwerksverbände ein. Am direkten Bezug der Goldschmiede zum Landesfürsten und seiner Münze als Gerichts- und Kontrollinstanz änderte sich dabei aber nichts. Ihr Umgang mit Gold und Silber als geldwerten Materialien hielt die Tätigkeit der Goldschmiede auch weiterhin im direkten Blickfeld habsburgischer Ordnungspolitik. Auf die Bestätigung und Ergänzungen von 1527 sollten noch viele weitere Ordnungen für das Handwerk der Goldschmiede in Wien folgen. 1582 bestätigte Kaiser Rudolf II. die älteren Dekrete und ließ eine umfangreiche Strafandrohung gegen die vermehrt auftretenden Störer hinzufügen. 1612 erneuerte Kaiser Mattias die früheren Ordnungen, von denen zu diesem Zeitpunkt auch noch das Original der ältesten Urkunde von 1366 vorgelegt werden konnte. In den Jahren 1621, 1635, 1639, 1666, 1708, 1716 und 1722 wurden weitere Ordnungen im Namen des jeweiligen Landesfürsten erlassen. Erst 1773 trat der Bürgermeister als Aussteller einer ausführlichen Bruderschaftsordnung für die bürgerlichen „Gold-, Silber- und Galanterie-Arbeiter“ in Erscheinung. Die entscheiden-

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6 Goldplatte mit der Darstellung von Kriegstaten Kaiser Ferdinands III., Johann Georg Brämer von Brams und Johann Wilhelm Baur (Emailmalerei), Wien, 1640. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer den Bezugs- und Kontrollorgane blieben aber auch hierbei die Niederösterreichische Kammer und das k.k. Hauptmünzamt. Mit Ferdinand I., der 1531 zum König des Heiligen Römischen Reiches gewählt wurde und seinem Bruder Karl V. 1556 in der Kaiserwürde folgte, rückte Wien nicht nur wieder zur Residenzstadt der Habsburger auf, sondern auch zurück ins Zentrum der Reichspolitik. Das Bedürfnis und der Zwang zur Repräsentation, zum Austausch von Geschenken und zur Unterstützung kirchlicher Institutionen ließen Hof und Adel von jeher zu bedeutenden Auftraggebern für das Goldschmiedehandwerk werden. Mit dem endgültigen Aufstieg Habsburgs zu einer imperialen Großmacht im 16. Jahrhundert hatten auch die Anschaffungen für die sich in dieser Zeit etablierenden Sammlungen, die Kunstkammern, sowie für das in den Silberkammern gelagerte Tafelgeschirr für festliche Anlässe oder Ehrengeschenke für Freunde und Gegner diesem besonderen Rang der Dynastie zu entsprechen. Davon konnte auch die Zunft der Gold-

schmiede in Wien profitieren, wenngleich der Hof große Aufträge weiterhin vielfach an auswärtige Zentren vergab und sich das Prinzip der vom Zunftzwang befreiten Hof- und hofbefreiten Handwerker nun fest etablierte, woraus den städtisch-zünftigen Goldschmieden Konkurrenz direkt vor Ort erwuchs. Ferdinand I. selbst ließ 1533 seine königlichen Insignien in Augsburg fertigen und beschäftigte am Hof einen spanischen Goldschmied. Einen Auftrag zu einer „Kredenz“, das heißt zu einem repräsentativen Ensemble von Tafelgerät für die Silberkammer, vergab er aber auch an eine Gruppe zünftiger Goldschmiede in Wien. Martin Pappierer, Sebastian Heydeckher, Mathias Jamnitzer, Martin Kessler und Hans Müllner quittierten 1556 dafür jeweils den Empfang einer Zahlung. Die sechs Konfektschalen, die Hans Müllner lieferte, mussten allerdings noch einmal neu angefertigt werden, da sie Ferdinand nicht gefielen. In noch größerem Ausmaß vergab sein Sohn und Nachfolger, Maximilian II., wichtige Aufträge ebenso an bürgerliche Goldschmiede

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in Wien. Zugleich gewann aber unter ihm das hofbefreite Handwerk solche Bedeutung, dass 1572 eine eigene Ordnung für die Hofhandelsleute, Hofkrämer und Hofhandwerker erlassen und ihre Zahl auf insgesamt 72 „Freimeister“ beschränkt werden musste. Dabei handelte es sich im Regelfall um Spezialisten, die unabhängig von ihrer Nationalität oder sogar Religion an den Hof gerufen wurden, um dort für dessen Bedürfnisse zu arbeiten. Dafür mussten sie weder über das Bürger- noch das Meisterrecht verfügen oder Steuern an die Stadt bezahlen, wie dies für die zünftigen Handwerker verpflichtend war. Die kleinere Gruppe der Kammer- und Hofhandwerker erhielt eine feste und regelmäßige Besoldung und zählte zum inneren Hofstaat. Die hofbefreiten Handwerker wurden dem gegenüber nur für jene Arbeiten bezahlt, die sie bei Bedarf für den Hof fertigten. Aus diesem Grund war es letzteren ausdrücklich erlaubt, ebenso für Auftraggeber außerhalb des Hofes tätig zu sein. Unter Kaiser Rudolf II. und seinem Bruder Matthias stieg die Zahl der Hof- und hofbefrei-

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ten Handwerker so stark, dass 1621 einer Zahl von 1.319 bürgerlichen Handwerkern in Wien geschätzte 350 bis 450 hofbefreite Handwerker gegenüberstanden. In der Folge wurde deren Zahl reduziert, Kaiser Karl VI. ließ jedoch ab 1725 Dekrete gegen eine jährliche Gebühr ausstellen, die es nicht-zünftigen Handwerkern (sog. Dekretisten) erlaubte, in Wien ihrem Gewerbe nachzugehen. Im Jahr 1736 kamen damit auf 3.345 bürgerliche Handwerker insgesamt 3.126 außerzünftige Dekretisten. Wie schon früher bei den Hofbefreiten war deren Anteil bei den Goldschmieden besonders hoch. Auf 99 bürgerliche Goldschmiede kamen zu dieser Zeit 30 Hofbefreite und insgesamt 114 Dekretisten, denen auch Störer und Mitglieder der Stadtguardia, das heißt Soldaten, die sich nebenbei als Handwerker betätigen durften, zugerechnet waren. 1768 löste Kaiserin Maria Theresia die Institution des Hof- und hofbefreiten Handwerks schließlich überhaupt auf. In weiterer Folge wurde ein Hof- und Kammertitel nur noch ehrenhalber an ausgewählte Betriebe vergeben. Eine Mit-

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7 Sog. Goldenes Nachtzeug, Frühstücks- und Toiletteservice, Anton Matthias Domanöck, Wien, um 1750. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer

gliedschaft im Hofstaat verband sich damit ebenso wenig wie der konkrete Anspruch auf eine Beschäftigung durch den Hof. Das Formular des kaiserlichen Freibriefs für die Hof- und hofbefreiten Handwerker schloss ausdrücklich eine Aufforderung an die Zünfte mit ein, jene bei der Ausübung ihres Gewerbes nicht zu behindern. Gleichwohl kam es im beruflichen Alltag aus naheliegenden Gründen immer wieder zu Konflikten. So wird es nicht verwundern, dass die zünftigen Goldschmiede die fallweise dokumentierten Bemühungen von Hofbefreiten blockierten, die Mitgliedschaft in der Zunft zu erwerben, um sich für den Fall abzusichern, dass der nur für die Lebenszeit des ausstellenden Landesfürstens gültige Freibrief von dessen Nachfolger nicht verlängert werden würde. 1592 musste Kaiser Rudolf II. in Wien einfordern, dass man den Goldschmied Mang Kornblum seitens der Zunft nicht daran hindern möge, für ihn an einem Silbergeschirr zu arbeiten, weil er nicht über das Meisterrecht verfügte. Als Mang sich schließlich 1593 und 1596 um die Zulassung zu den Meisterstücken bemühte, setzte man ihm dann aber offenbar ebenso Widerstand entgegen wie einige Jahrzehnte später dem hofbefreiten Goldschmied Michael Dietrich, der 1660 erst nach Intervention als Meister in die Zunft aufgenommen wurde. Dem stehen jedoch auch Beispiele gegenüber, wo bürgerliche Goldschmiede ihrerseits die Chance nutzen konnten, selbst die Hoffreiheit zu erlangen. Der ältere Bruder des genannten Mang Kornblum, Marx, der 1570 Meister und Mitglied der Zeche geworden war, erhielt 1580 in Anerkennung seiner Arbeit als „cammergoldschmidt“ für das Haus Habsburg (Abb. 1) gemeinsam mit seinem Bruder die hohe Auszeichnung eines Wappenbriefes. In weiterer Folge finden sich im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder Beispiele von Goldschmieden in Wien, die Meister der Zunft und Bürger der Stadt

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8 Krönungsmahl Josephs II. in Frankfurt am Main (1764), Detail, Atelier des Martin van Meytens, Wien, nach 1764. Bundesmobilienverwaltung Wien

waren und trotz des Widerspruchs, der sich dabei in Hinblick auf die Regelungen der Freibriefe ergab, die Hoffreiheit erlangten. Dazu zählen neben Namen wie Michael Erdtmann, Johann Andreas Entzenberger, Johann Peter Feil und Zacharias Feil (Abb. 2), Nikolaus Andreas Kolmart (Abb. 4) und Anton Josef Radt zwei der bedeutendsten Vertreter der Wiener Goldschmiedekunst im 18. Jahrhundert: Johann Baptist Känischbauer und Anton Matthias Domanöck.
 Die Arbeit für den Hof bot in jedem Fall Prestige und Ansehen, das auch für Auftraggeber und Kunden aus dem Umfeld des Hofes von Bedeutung war. Unter Umständen brachte sie Reichtum und sogar die Erhebung in den Adelsstand. Kaiser Ferdinand III. adelte 1653 seinen Kammergoldschmied Johann Georg

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Brämer von Brams (Abb. 6). Joseph I. nobilierte 1710 den Hofgoldschmied und – juwelier Johann Kaspar von Brenner, dessen Verlassenschaft im Jahr 1715 mit 437.835 Gulden die mit Abstand höchste Summe umfasste, die sich unter den Hof- und hofbefreiten Handwerkern zwischen 1620 und 1770 in Wien feststellen lässt. Johann Baptist Känischbauer, der 1695 bürgerlicher Meister geworden und 1713 von Kaiser Karl VI. zum Kammergoldschmied ernannt worden war, erhielt 1722 das Adelsprädikat „Edler von Hochenried“. Mit diesem Titel und der selbstbewussten Nennung als „kamer/künstler“ signierte er 1726 das kostbare Pazifikale aus Gold, das sich in der kaiserlichen Geistlichen Schatzkammer erhalten hat (Abb. 5). Unter Maria Theresia wurde der Hof- und Kam-

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9 Kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens, Johann Michael Grosser, Wien, 1757. Kunsthistorisches Museum Wien, Weltliche Schatzkammer

10 Tabatière mit Bildnissen der Familie Maria Theresias, Franz von Mack, Wien, um 1773. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer

merjuwelier Johann Michael Grosser 1764 in den Reichsadelsstand, 1769 sogar in den Reichsritterstand erhoben. Von ihm hat sich ein 1757 datiertes Kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens in der Schatzkammer erhalten (Abb. 9). Dass ein solcher Wohlstand und sozialer Aufstieg dabei aber keinesfalls selbstverständlich und alltäglich waren, erweist der Umstand, dass mehr als die Hälfte der Hof- und hofbefreiten Handwerker nur über ein ganz durchschnittliches Vermögen verfügte und ein Viertel sogar als arm bis völlig mittellos bezeichnet werden muss. Zu letzteren gehörte offenbar auch der genannte Hofgoldschmied Kolmart, zu dem es in den Steuerbüchern heißt: „ist schulden halber von hier weckh“. 
 Die dominierende Rolle, die Augsburger Juwelieren und Silberhändlern bei der Lieferung von Kleinodien und Tafelsilber an den Wiener Hof vom späten 16. bis in das frühe 18. Jahrhundert zukam, wurde erst unter Maria Theresia beendet. Der Vorzug wurde nun den in Wien ansässigen Goldschmieden gegeben. 1748 bezog der Hof ein Tafelservice bei Franz Caspar Würth, der dabei mit weiteren Meistern zusammenarbeitete. 1759/60 fertigte er ein vielteiliges Goldservice aus Anlass der Vermählung des Thronfolgers und späteren Kaisers Josephs II., das 1764 auch beim Festmahl bei dessen Krönung in Frankfurt am Main zum Einsatz kam (Abb. 8). In der Zeit der Napoleonischen Kriege wurde dieses - wie viele weitere Arbeiten aus Gold und Silber im Herrschaftsgebiet der Habsburger - zur Finanzierung von Kriegskosten jedoch bereits wieder eingeschmolzen und vermünzt. Anton Matthias Domanöck schuf um 1750 das glücklicherweise erhalten gebliebene goldene Frühstücks- und Toiletteservice für Maria Theresia als Geschenk an ihren Mann Kaiser Franz I. Stephan (Abb. 7). Zahlreiche kirchliche Werke wurden vom Hof bei Joseph Moser in Auftrag gegeben (Abb. 3), der schon als Geselle bei Johann Joseph Würth, dem Bruder von 11 Brosche aus dem Besitz Kaiserin Elisabeths, Alexander Emanuel Köchert, Wien, 1867/72. Kunsthistorisches Museum Wien, Weltliche Schatzkammer

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Weiterführende Literatur: I. Haslinger, Kunde – Kaiser. Die Geschichte der ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten, Wien 1996 Franz Caspar Würth, gearbeitet hatte. Gemeinsam arbeiteten sie im Auftrag Kaiser Karls VI. an dem monumentalen silbernen Grabmal für den hl. Johannes Nepomuk für den Prager Dom, für das 16,5 Tonnen Silber verarbeitet wurden, sowie später an einem silbernen Gitter für die Gnadenkapelle in der Wallfahrtskirche von Mariazell. Mit der nächsten Generation der Familie Würth erlangte die Wiener Goldschmiedekunst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Rang, der auch mit den international dominierenden französischen Meistern dieser Zeit konkurrieren konnte. Ignaz Joseph Würth schuf für Albert von Sachsen-Teschen und seine Frau Erzherzogin Marie Christine 1779/82 ein Silberservice, das zu den schönsten Leistungen seiner Art zählt und erst in jüngster Zeit wieder in einer Ausstellung gezeigt werden konnte. Der am Ende seines Lebens für seine Verdienste geadelte Ignaz Sebastian Würth fertigte zahlreiche Silber- und Bronzearbeiten für den Hof. Sein internationales Renommee zeigt sich an der um 1775 an ihn ergangenen Einladung, ein Silberservice für den König von England, Georg III. von Hannover, zu entwerfen. Gesellschaftlichen Aufstieg und Reichtum brachte den Kammerjuwelieren Joseph Schwab und Franz Mack (Abb. 10) ihre Arbeit für den Wiener Hof. 1837 erhielt die Firma Mayerhofer & Klinkosch den Hoftitel als Lieferant für die Hofsilber- und Tafelkammer. Als k.u.k. Hof- und Kammerjuwelieren kam ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der Firma Köchert eine wichtige Aufgabe am Wiener Hof zu. Ab 1849 war das Unternehmen mit der Kontrolle und Pflege der Insignien und Juwelen in der k.u.k. Schatzkammer betraut. Sie fertigten und adaptierten Schmuck (Abb. 11) und Kronen unter anderem auch für die Krönung Karls I. zum König von Ungarn (1916), mit dem 1918 die Herrschaft des Hauses Habsburg in Österreich und damit ebenso die lange Verbindung zwischen den Goldschmieden in Wien und deren Hof als dem einer regierenden Dynastie zu Ende gehen sollte.

» © alle Abbildungen dieses Beitrags: KHM-Museumsverband. 49

H. Haupt, Kammergoldschmiede am Wiener Kaiserhof zur Zeit Kaiser Ferdinands III. (1637-1657), in: Weltkunst, 49. Jg. (1979), H. 18, S. 2104-2106 H. Haupt, Das Hof- und hofbefreite Handwerk im barocken Wien 1620 bis 1770. Ein Handbuch (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 46), Innsbruck 2007 M. Huey (Hg.), Ausstellungskatalog, Wiener Silber – Modernes Design, 1780-1918, Ostfildern-Ruit 2003 H. Jäger-Sunstenau, Geschichte der Wiener Goldschmiede-Innung, Prüfungsarbeit für das Institut für österreichische Geschichtsforschung, Wien 1953 H. Jäger-Sunstenau, 600 Jahre Wiener Gold- und Silberschmiede, in: Uhren/Juwelen. Offizielle Fachzeitschrift der österreichischen Uhren- und Schmuckwirtschaft, Jg. 35, Mai 1967), S. 17-42 F. Kirchweger, Goldsmiths in Medieval Vienna, in: Susanne Zapke, Elisabeth Gruber (Hrsg.), A Companion to Medieval and Early Modern Vienna, 1250-1529, Leiden (im Druck) J. Kräftner (Hg.), Ausstellungskatalog, Das Prunkservice des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen. Ein Triumph europäischer Silberschmiedekunst, Wien 2010 J. Kronbichler und W. Seipel (Hgg.), Ausstellungskatalog Glanz des Ewigen. Der Wiener Goldschmied Joseph Moser 1715-1801, Wien – Mailand 2003 A. Lhotsky, Die Geschichte der Sammlungen (Festschrift des Kunsthistorischen Museums zur Feier des fünfzigjährigen Bestandes, 2. Teil), 2 Bände, Wien 1941-1945 W. Neuwirth, Wiener Silber. Punzierung 1524-1780, Wien 2004 M. Poch-Kalous, Das Wiener Kunsthandwerk seit dem Zeitalter der Renaissance, in: Geschichte der bildenden Kunst in Wien (Geschichte der Stadt Wien, Neue Reihe 7, 2), Wien 1955, S. 227-271 E. Schmuttermeier, Wiener Gold- und Silberschmiede von 1781 bis 1921 und ihre Punzen. CD-Rom (MAK), Wien 2005 H. C. Winkler, Ehemalige Hofsilber & Tafelkammer (Sammlungskatalog der Museen des Mobiliendepots 1), Wien – Köln – Weimar 1996


Schmuck

Symbol und Identität LENA ZACH, BA

Die Anfänge des Schmückens Das Schmücken begann mit der Körperbemalung, bis erste Schmuckstücke aus einfachen Materialien gefertigt wurden. Hinter dem Schmuck standen spezielle Bedeutungen und das Tragen hatte immer einen Grund bzw. eine Funktion. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass sich aus den ersten Schmuckstücken Schmucktypen entwickelt haben, welche über die Jahrtausende inhaltlich stark geprägt wurden.

Foto: Design: Lena Zach, Archetyp Schmuck – Schmuck als Statussymbol, 2015

Der Schmuckbegriff Dass sich das Schmücken über die Jahrtausende gehalten hat, zeigt, welch wichtiges zwischenmenschliches, non-verbales Kommunikationsmittel es darstellt. Es ist stark in das soziokulturelle Umfeld der Zivilisation eingebunden, weshalb der Schmuckbegriff bis heute mit Konventionen wie Prestige, Status, Materialwert und Dekor geladen ist.

Der Drang des Sich-Schmückens selbst stammt vom Schmuckbedürfnis, von Desireè Schellerer im Buch Turnig-Point (1999), als „Schmucktrieb“ bezeichnet, welcher auf zwei Wirkungsabsichten basiert. Auf jener der narzisstischen Selbstbefriedigung und der Zurschaustellung von Macht und Status.

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Bedeutung von Schmuckarten Schmuck kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Er kann ein symbolhaftes Geschenk sein, eine verpflichtenden Gabe oder auch eine Zurschaustellung der Zugehörigkeit von Stand oder Religion. Ebenfalls in Turnig-Point (1999) spricht Schellerer von der “Gewöhnung an Schmuck”. Als Kleinkinder bekommt man Schmuck als Talisman geschenkt (Religion, Kultus, Abwehrzauber, Magie, Ritual). Später schenkt man selber Schmuck aus Liebe und Freundschaft. Um sich sozialen Anlässen anzupassen, leiht man sich Schmuck aus. Das Erben von Schmuckstücken ist die letzte Instanz, hier gilt es als Zeichen der Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Rang oder dient als Erinnerung. Schmuck kauft man zu besonderen Anlässen von der Taufe bis zur Eheschließung. In diesem Fall sind es Symbolträger der Zugehörigkeit und des Bekenntnisses. Wenn man für sich selbst Schmuck kauft, wird auf die narzisstische Befriedung eingegangen. Er dient der Identifikation und der sozialen Positionierung. Schmuck als Symbol der Zugehörigkeit Schmuck kann in unterschiedlichen Formaten Zugehörigkeit symbolisieren. Ganz eindeutig zu nennen sind die Ordenskette und der Siegel- bzw. Wappenring. Durch den steigenden Handel entwickelten sich bei Gilden und Zünften die Kaufmannszeichen mit Besitzerinitialen zur Darstellung ihres Standes. Diese Ringgattung wurde dann zu einem guten Teil von der Petschaft abgelöst. Im religiösen Bereich gibt es mehrere Schmuckformen,

die die Zugehörigkeit symbolisieren. Darunter der symbolische Verlobungsring der Nonnen, mit welchem sie die Treue zu Gott darstellen und in den Orden aufgenommen werden. Im England des 15. und 16. Jahrhunderts war die Ehrenkette beliebt. Der Identitätsträger Man kann sagen, dass der Identitätsträger die Identität einer Person visualisierend nach außen trägt. Je nach persönlichem Empfinden und der Identifizierung mit bestimmten Objekten kann etwas als Identitätsträger verstanden werden. Es geht hier nicht um die Positionierung des gesellschaftlichen Ranges, wie beim Statussymbol, sondern viel mehr um persönliche Daten und Zugehörigkeit. Für Objekte, die die Identität des Besitzers für andere nach außen hin erkennbar machen, gab es früher klare Schmuckformen, welche eine Person und ihre Zugehörigkeit ausgewiesen haben. Dazu zählen zum Beispiel der Wappenring und die Ordenskette. Heute wird anstelle der Identität eher der Status präsentiert. Durch diese Statussymbole werden aber keine Anhaltspunkte geliefert, wer die betreffende Person ist. Es gibt nur mehr wenige identitätstragende Formen wie das Namensschild oder auch die Erkennungsmarken beim Militär. Amts- und Ordensketten, sowie Siegel- und Wappenringe gibt es noch heute. Auch die Funktion der Amtskette ist zum Teil bis heute erhalten geblieben. Sie sind jedoch nicht mehr Teil der täglichen Mode, sondern nur Amtstracht zu besonderen Anlässen.

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Auszüge der Bachelorarbeit „Der Siegelring – Identitätsträger im 21. Jahrhundert“, 2016, Lena Zach

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Antikschmuck atmet Geschichte.

A Antiker Schmuck und dessen Stellenwert im 21. Jahrhundert G A B R I E L A B R E I S A C H , G WA , G G GOLD- UND SILBERSCHMIEDEMEISTERIN

llein schon das Bewußtsein, Schmuck in den Händen zu halten, der Jahrzehnte oder Jahrhunderte alt ist, erzeugt Neugier, Respekt und eine gewisse Ehrfurcht. Was würde uns wohl so ein Ring erzählen, wenn er sprechen könnte? Vom Goldschmied, der ihn vor vielen Jahren mit Sorgfalt angefertigt hat. Vom Erstkäufer, der ihn für sich selbst oder als Geschenk erworben hat. Von den Generationen, die ihn bis heute getragen haben und sich daran erfreuten. Und von der Hoffnung, ebenso interessierte Besitzer zu finden, falls er zum Verkauf angeboten wird. Schmuck, Juwelen, Pretiosen, Kleinodien, Geschmeide, diese gar nicht lebenswichtigen, nebensächlichen und doch so wertvollen Dinge, haben eines gemeinsam: Sie befriedigen den Wunsch ihres Trägers, sich aus der Masse heraus zu heben, die Blicke der Umwelt auf sich zu lenken und die eigene Persönlichkeit zu akzentuieren. Antiker Schmuck ist aber mehr als das Unterstreichen der Persönlichkeit seiner Trägerin. Er ist immer ein Zeitdokument und ein Spiegelbild der Kultur der jeweiligen Epoche. Jeder Kunststil brachte auch im Schmuckschaffen viele interessante Objekte hervor, die nicht nur von Sammlern geschätzt werden. Die Verbindung von Kunst und Handwerk mit Edelmetallen und Edelsteinen ist bis heute das Maß aller Dinge. Das Verarbeiten wertvoller Materialien wie Gold, Silber, Platin, Diamanten, Farbsteine oder Perlen, sicherte den Goldschmiedekünstlern seit 650 Jahren eine besondere Vertrauensstellung in der Gesellschaft ihrer Zeit. Durch die vielfältigen Aspekte ihrer Kunst – vom Entwerfen über das Mon-

Fuchsia-Brosche aus dem Besitz von Katharina Schratt 52 (Fa. Köchert) Foto: © Dorotheum Wien


tieren bis hin zur Kenntnis der edlen Steine errangen sie auch eine große Bedeutung in der Gilde der bildenden und gestaltenden Künstler. Jahrhunderte lange Erfahrungen paaren sich in der Goldschmiedekunst mit dem Wissen um die Bedeutung des Schmucks für die Menschheit. Die Wechselwirkung zwischen Kunst und Handwerk ist bis zum heutigen Tag fruchtbar. Das Spiel dieser beiden Kräfte brachte in der Vergangenheit die so begehrten Statusobjekte, die Insignien der Macht und die Symbole der Zuneigung und Liebe hervor. Als Pretiosen-Sachverständige hat man häufig mit antiken Schmuckobjekten zu tun. Nicht immer ist alles wertvoll, was man in die Hände bekommt. Aber allein schon die Tatsache, dass die meisten Stücke in Handarbeit hergestellt wurden, macht sie zu etwas Besonderem, das seinen Preis und Wert hat. Die Schätzung antiker Schmuckstücke ist eine Herausforderung. Je nach Schätzzweck müssen der Herstellungsprozess und die Kosten der edlen Materialien nachvollzogen werden. Punzierungsstempel und Meisterzeichen sind dabei ein wertvoller Hinweis auf den Erzeugungszeitraum und den Ort der Entstehung. Hierbei taucht man bereits tief in die Handwerksgeschichte der jeweiligen Stilepoche ein, die meistens mit historischen Begebenheiten, religiösen und gesellschaftlichen Strömungen verbunden ist. Nicht zu vergessen die Mode, ohne die der Schmuck nur halb so gut zur Geltung kommen würde. „Eine Elegante trug um 1820 zu gleicher Zeit im Haar neben dem Diadem noch einen Kamm und Nadeln, um den Hals ein Collier und eine lange, dünne Goldkette, Armbänder über den Ärmeln, Ringe über den Handschuhen, lange Ohrringe, Brosche am Kleid und ein Schloss am Gürtel; wenn sie dazu noch einen Buketthalter von Silber oder Gold und einen Fächer von echtem Material besaß, so hatte sie nicht mehr Schmuck bei sich, als es

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Katharina Schratt

FUCHSIA-BROSCHE A. E. Köchert Diamanten, ca. 20,78 ct, unbehandelte fuchsiafarbige Rubine, ca. 8,50 ct, Arbeit verzeichnet zwischen 1890-95. Als „liebe, gute Freundin“ Franz Josephs ging sie in die heimische Societygeschichte ein. Zwischen dem Kaiser und der berühmten Burgschauspielerin Katharina Schratt entwickelte sich eine innige Freundschaft, die mit dem Tod des Thronfolgers im Jahre 1890 noch intensiver wurde und bis zum Tod des Kaisers im Jahre 1916 nahezu ungebrochen anhielt. Neben zahlreichen Geschenken, die der Kaiser ihr zukommen ließ, befanden sich unzählige Juwelen und Schmuckstücke. Frau Schratt pflegte einen aufwändigen Lebensstil und liebte gesellschaftliche Ereignisse. Legendär war Katharina Schratt aber auch für ihren überzogenen Lebensstil und die unbändige Roulettesucht. Mehrmals musste der Kaiser über finanzielle Zuwendungen ihre Schulden in siebenstelliger Höhe begleichen. Zwischendurch verpfändete die Schratt aber auch Schmuckstücke, darunter nachweislich eine beim Hofjuwelier Köchert um 1890/95 aus Altschliffdiamanten und fuchsiafarbenen Rubinen gefertigte Brosche. Der k. und k. Hof - und Kammerjuwelier A. E. Köchert war zu dieser Zeit nicht nur mit der Pflege der Kronjuwelen betraut, sondern erhielt auch zahlreiche Aufträge seitens des Kaiserhauses. Vielfach wurden die beauftragten Juwelen auf Wunsch des Kaisers, wie auch bei der vorliegenden Brosche, nicht punziert. Die so genannte „Fuchsia-Brosche“ wurde für die Juwelen-Auktion im Dorotheum am 21. November 2011 auf einen Wert von 30.000 bis 50.00 Euro geschätzt, erzielte dann aber einen Preis von € 202.800,-.


Fotos: © Fischmeister

die Mode für unerlässlich hielt.“ (Aus einem zeitgenössischen Modejournal) In Zeiten, in denen der Begriff „elegant“ aus dem Wortschatz der Menschen gestrichen zu sein scheint, kann jeder Goldschmied nur mehr davon träumen, solche Kundinnen zu haben. Viele der heute noch verwendeten Fachausdrücke haben ihren Ursprung in der Kunstgeschichte des Goldschmiedehandwerks. So stammt der in den letzten Jahren häufig verwendete Ausdruck „Girandolen-Ohrgehänge“ ursprünglich aus dem Bereich des antiken Silbers. Damit bezeichnete man ab dem 18. Jh. einen mehrarmigen Tischleuchter. Im Zeitalter des Rokoko übernahm man den Begriff für Ohrgänge, bei denen an ein Hauptmotiv unter dem Ohr (meist ein großer Stein, ein Schleifen- oder Blütenmotiv) drei kleinere Steine in Tropfenform gehängt wurden. Ein weiteres Beispiel ist das als „Tennis-Armband“ bezeichnete und seit dem 18. Jh. bekannte „Rivière-Band“ oder „Rivière-Collier“, bestehend aus einer Reihe gleich großer Edelsteine, meist Diamanten, Rubine oder Smaragde. Ein solches Collier war Gegenstand der berühmten „Halsbandaffäre“, in die Königin Marie-Antoinette verwickelt war. Antike Schmuckstücke weisen naturgemäß im Lauf der Zeit Gebrauchspuren auf. Das Beherrschen der alten Handwerkstechniken und die Liebe zum Detail sind die Voraussetzung für eine fachgemä-

ße Reparatur. So manches Stück wurde durch Unkenntnis zerstört und ist daher für ewige Zeiten verloren. Im 21. Jahrhundert hat der antike Schmuck seinen Platz in der Juwelen- und Antiquitätenbranche gefunden. Wenn auch nur wenige hochwertige Stücke der Vergangenheit auf dem Markt zu finden sind, ist das Interesse daran groß. Zahllose Sammler und Liebhaber des Besonderen sind weltweit auf der Jagd nach historischen Einzelstücken und Schmuck von berühmten Persönlichkeiten der Geschichte, Theater- oder Filmwelt. Sie sind auch bereit, hohe Summen dafür zu bezahlen, um an der Bedeutung dieser Personen teilhaben zu können. Allen anderen sei empfohlen, sich mit dem bescheideneren Tagesschmuck der Bürger zu zieren, oder sich an den wunderbaren Schmucksammlungen in Kunstkammern und Museen zu erfreuen. Auf diese Weise kann man einen Eindruck davon bekommen, was Goldschmiede in allen Jahrhunderten zu leisten vermochten, und das ohne den Einsatz der heutigen technischen Möglichkeiten. Ein Weiterleben der antiken Vorbilder ist auch durch das Kopieren von Entwürfen garantiert. Unglaubliche Mengen an Schmuckstücken unserer Tage, aus Edelmetall gefertigt oder als Modeschmuck, deren Wurzeln in Vorlagen vergangener Epochen liegen, blicken uns aus dem WorldWideWeb und den Sozialen Medien entgegen. Der wahre Kenner wird sich allerdings davon nicht täuschen lassen und sich auf die Suche nach dem Original begeben. Eines, das von einem Goldschmied in den vergangenen 650 Jahren mit Liebe, Hingabe und Kunst angefertigt wurde.

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Schmetterlinge anlässlich der Jugendstilausstellung wurden sie im Leopoldmuseum gezeigt. Entwurf: Gustav Fischmeister.

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A.E.Köchert K.u.K. Hof- und Kammerjuweliere, seit 1814 W W W. K O E C H E R T. C O M

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as Schöne liegt so nah. Die Freude am Schönen. Mit diesen Worten lässt sich das Motto und die mehr als 200-jährige Tradition des Hauses A.E.Köchert perfekt beschreiben. Die Juweliere am Neuen Markt schaffen es seit je her auf beeindruckende Weise, Klassik und Moderne meisterhaft zu verbinden. 1814 vom Franzosen Emanuel Pioté als Goldschmiedewerkstatt in Wien gegründet, ist es schon fünf Jahre später Jacob Heinrich Köchert, der mit seinem Einstieg in den Betrieb den Grundstein „der“ Wiener Juweliersdynastie – dem Hause Köchert - legt. Der aus Riga stammende Goldschmied hatte sein Handwerk in St. Petersburg zur Meisterschaft gebracht - vor allem durch das Anfertigen von großem Diamantschmuck. Das kongeniale Paar „Pioté et Köchert“ sorgte in ihrer einzigartigen Kombination von französischer Raffinesse und russischer Eleganz für Aufsehen in ganz Wien. Schon bald stellte sich allerhöchste Kundschaft ein: das Kaiserhaus gab den Auftrag zur Anfertigung des Krönungsschmuckes für Kaiser Ferdinand zum König von Lombardo-Venetien. Seit damals gehört es zur Köchert´schen Familien- und Firmentradition, dass am Haus am Neuen Markt bekannte Künstler ein- und ausgehen und in fruchtbarer Zusammenarbeit mit den Meistern der Goldschmiedekunst des hauseigenen Ateliers unverwechselbaren Pretiosen kreieren. Dieser Goldschmiedekunst von Weltruf verdankte es Jacob Heinrich Köchert, dass er nicht nur seit 1837 den Ehrentitel eines „Hofjuweliers“ tragen durfte, sondern einige Jahre später (1849) auch zum „Kammerjuwelier“ geadelt wurde. Damit oblagen ihm und später seinem Sohn und seinen Enkeln die alleinige Betreuung der Schatz-

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kammer sowie des gesamten Schmuckes des Kaiserhauses Habsburg-Lothringen. Für internationales Ansehen sorgten in der Zeit als K. u. K. - Hof- und Kammerjuwelier unter anderem die berühmten Sterne der Kaiserin Elisabeth, die auch jetzt noch nach den Originalentwürfen angefertigt werden und sich größter Beliebtheit erfreuen. Heute sind es Christoph, Wolfgang und Florian Köchert, die die Tradition des Hauses A. E. Köchert form- und stilvollendet weiterführen. Wolfgang und Christoph führen das Geschäft am Neuen Markt 15 in Wien, Florian jenes in Salzburg, am Alten Markt 15. Die treibende Kraft des Hauses Köchert ist die nun schon seit Jahrhunderten währende Leidenschaft einer Familie für außergewöhnlichen Schmuck, für höchste Qualität von Handwerk und Edelsteinen und für die besonderen Menschen, die solchen Schmuck besitzen wollen. Schmuck von Köchert ist Ausdruck von Lebensfreude, Individualität und Authentizität auf höchstem Niveau.

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Sisi-sterne GABRIELA BREISACH

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m Jahre 1874 erhielt der k.u.k. Hof- und Kammerjuwelier Alexander Emanuel Köchert eine Depesche aus Budapest: „Bitte persönlich nach Budapest kommen. Königin von England sucht Juwelen. Bringen sie Medallione und Diamantschmuck.“ Doch die Absenderin war nicht die Königin Viktoria, sondern wie sich bald herausstellte, die scheue Kaiserin Elisabeth. Alexander Emanuel machte sich sogleich auf den Weg mit seinen kostbarsten Schmuckstücken. Ob die Kaiserin ihren Hofjuwelier eigens nach Budapest bestellte, um ihre Sammlung von Diamantsternen zu vergrößern, ist in den Akten der Firma nicht erwähnt, fest steht jedenfalls, dass sie 27 von diesen prächtigen Sternen besaß und bei Köchert fertigen ließ. Im Archiv der Firma sind die Originalentwürfe dazu sorgsam verwahrt. Die Idee zu diesen Schmuckstücken stammt, wie man sagt, von Mozart’s berühmter Zauberflöte, in der die Königin der Nacht ein mit Sternen übersätes Kleid trug. Sisi hätte derart vom Sternenschmuck der Königin der Nacht geschwärmt, dass der sonst so sparsame Franz Josef bei Köchert eine nicht kleine Anzahl großer und kleiner Diamantsterne in Auftrag gab, die er seiner bezaubernden Frau zum ersten Hochzeitstag überreichte. Durch die Kaiserin wurde diese Art von Schmuck in ganz Europa en vogue, insbesondere durch ihre extravagante Art, die kostbaren Diamantsterne in ihr Haar zu flechten. Mit Franz Xaver Winterhalters Ölgemälde der Kaiserin avancierten Sisis Diamantsterne schließlich zu den wohl berühm-

testen Österreichischen Schmuckstücken schlechthin. Nach dem Tod ihres Sohnes Rudolf trug Elisabeth keinen Schmuck mehr, sie verschenkte die Sterne zum Großteil an ihre Hofdamen. Doch vom Bild, das sich die Welt von der jungen Kaiserin machte, sind die Diamantsterne nicht mehr wegzudenken. Heute fertigt die seit über 200 Jahren bestehende Firma Köchert wieder eine limitierte Auflage von Sternen, getreu nach den Originalentwürfen. Klassiker im besten Sinn, denn trotz ihrer Geschichte entsprechen die Diamantsterne von A. E. Köchert dem Geschmack der Zeit. Diese können, wie die Originale, variabel als Broschen, Anhänger und Haarnadeln getragen werden und sind wieder in jenen rot-ledernen Etuis mit goldenem Aufdruck aufbewahrt wie damals. Dazu wird in Anlehnung an das Thema eine Serie von kleinen Sternen aufgelegt: Anhänger, Ohrstecker, Broschen und Ringe aus Weiß- und Gelbgold mit Diamanten, Rubinen, Saphiren und Smaragden. Die heutigen Sisi-Sterne von Köchert zeigen einen zehnzackigen Stern mit einem größeren Diamanten in der Mitte und kleineren Brillanten als Entourage-Steine. In früheren Zeiten soll es auch eine Köchert-Version mit einer Perle in der Mitte gegeben haben. Eine weitere Variante der Sterne wurde Ende des 19. Jh. auch vom K. K. Kammerjuwelier und Goldschmied Rozet & Fischmeister hergestellt, die nach historischen Bildern entweder acht- oder zehnzackig und voll mit gleichgroßen Altschliff-Diamanten besetzt war.

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Rozet & Fischmeister W W W. R O Z E T U N D F I S C H M E I S T E R . AT

Rozet & Fischmeister, das Traditionshaus am Wiener Kohlmarkt und ehemaliger k.u.k. Hoflieferant, gilt als eine der ersten Adressen für feinstes Tafelsilber, historischen Schmuck und moderne Kreationen. Mit der goldenen Regel „Der Kunde ist Kaiser“ überlebten viele der ehemaligen kaiserlichen und königlichen Hoflieferanten mehr als 200 Jahre. Bis heute ist Rozet & Fischmeister diesem Motto treu. Mit Sohn Franz ist nun die sechste Generation im Familienunternehmen tätig. „Rozet & Fischmeister steht für Qualität und Tradition. Es ist ein großer und spannender Schritt für mich - als Teil der jüngsten Generation – das Familienerbe fortzuführen.“, so Franz Fischmeister. Seit Anfang des Jahres hat Franz Fischmeister das Unternehmen übernommen, während sich sein Vater zur Ruhe gesetzt hat,

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aber nach wie vor dem Unternehmen zur Seite steht. „Die Verantwortung, die mit der Führung des Geschäfts einhergeht, ist schon etwas herausfordernd.“ so Franz Fischmeister. „Aber wie heißt es nicht so schön: Herausforderungen von heute sind die Erfolge von morgen!“ Mit seinen exquisiten, sehr zeitgemäßen Edelsteinkreationen knüpft Franz Fischmeister an die große Schmuckhandwerkstradition seiner Familie an. „Durch meine Erfahrungen in Traditionshäusern wie Cartier und Asprey, weiß ich, wie wichtig der Erhalt der Tradition in meinem Beruf ist.“, so Franz Fischmeister. Mit seiner individuellen Formensprache hat der Gold- und Silberschmied bereits mehrere Preise gewonnen. Besonders seine Ringe erfreuen sich stetig wachsender Beliebtheit, seine besondere Leidenschaft gilt seltenen und wertvollen Farbsteinen.

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D R . I L S E B I L L B A R TA , W I S S E N S C H A F T L I C H E L E I T E R I N D E R SILBERKAMMER IN DER WIENER HOFBURG

Das Mundzeug der Kaiserin Maria Theresia

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as Mundzeug aus der ehemaligen Kaiserlichen Hofsilber- und Tafelkammer und heutigen Silberkammer in der Wiener Hofburg diente ausschließlich dem persönlichen Gebrauch der Kaiserin Maria Theresia. Zur Garnitur gehört auch eine schwarze, mit versilberten Messingbeschlägen versehene Lederkassette als Behälter, der innen mit schwarzem Samt ausgeschlagen ist. Das Besteck besteht aus einer zweizinkigen Gabel und einem Stahlmesser für die Hauptspeisen, Löffel und vierzinkige Gabel für Suppe und Nachspeise; der kleine Löffel hat am Stiel eine Rinne, mit der man das schmackhafte Mark aus dem Knochen ziehen konnte. Den Eierbecher konnte man in zwei Positionen gebrauchen: der Gebrauch mit dem aufgestellten Ei war der italienische,

das liegende Ei die deutsche Art, Eier zu essen. Für die Aufbewahrung des Mundzeugs wurde ein eigens dafür verantwortlicher Silberkämmerer bestellt, da die Herrscher Angst hatten, durch heimlich aufgetragene Substanzen vergiftet zu werden. Ähnlich wie dem Porträt des Herrschers musste nach den Zeremonialrichtlinien dieser Garnitur die gleiche Ehrerbietung wie der Person Maria Theresias selbst gezollt werden, wenn das Besteck im Mundkorb vorüber getragen wurde. Zur Zeit Maria Theresias wurden das kaiserliche Mundzeug und der kaiserliche Mundkorb zu jeder Mahlzeit von den Silberdienern aus der Silberkammer in das Tafelzimmer und wieder zurück getragen. Dabei wurden sie von den Leibtrabanten begleitet, die das Mundzeug nachts beleuch-

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© Bundesmobilienverwaltung, Silberkammer-Hofburg Wien, Fotos: Marianne Haller.

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teten. Auf die Beschwerde der Leibtrabanten, das Mundzeug auch dann begleiten und beleuchten zu müssen, wenn der Silberdiener nicht dabei sei, erhielten sie den Bescheid, dass ihre Begleitung und Leuchtung aus gebührendem Respekt dem kaiserlichen Mundzeug und dem Mundkorb gegenüber geschehe und nicht demjenigen gegenüber, der es trage. Dieses von der Kaiserin oft verwendete Tischbesteck - das Gewürzdöschen ist z.B. sehr stark abgenützt - ist aus reinem Gold gearbeitet, ein besonderes Privileg der kaiserlichen Familie.

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Matthias Domanek (1713-1779 in Wien), 1.Hälfte 18. Jhdt. Hofsilberkammer MD 180.552 Das Mundzeug Maria Theresias wird von 15.3.-29.11.2017 im Rahmen der Ausstellung „300 Jahre Maria Theresia: Strategin – Mutter – Reformerin“ im Hofmobiliendepot, Möbel Museum Wien zu sehen sein. 1 Stahlmesser und 1 zweizinkige Stahlgabel mit Goldheften (L 22 cm und L 18,5 cm) 1 Löffel (L 18,5 cm) 1 vierzinkige Gabel (L 16,5 cm) 1 Markzieher (L 16,5 cm) 1 Eierdoppelbecher (H 5,5 cm, L 6m, B 4 cm) 1 doppelte Salzbüchse (H 2,5 cm, L 8 cm, B 6 cm) 1 Kassette, gefüttert mit schwarzem Samt (L 28 cm, B 13 cm, H 5,5 cm) Literatur: Katalog Ehemalige Hofsilberund Tafelkammer, Silber, Bronzen, Porzellan, Glas, Wien 1996, S. 30 ff.


MARIA THERESIAS TALER Eine Silbermünze geht um die Welt

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ie Vorderseite schmückt ein Porträt der Kaiserin in reiferen Jahren. Sie trägt einen Witwenschleier und eine Brosche mit neun Perlen. Die Inschrift bedeutet: „Maria Theresia, durch Gottes Gnaden römische Kaiserin, Königin von Ungarn und Böhmen“. Unterhalb der Büste befinden sich die Initialen der beiden Münzbeamten S für Tobias Schlögl und F für Joseph Faby aus Günzburg. Der Maria-Theresien-Taler aus dem Jahr 1780 ist wahrscheinlich die bekannteste Silbermünze der Welt. 1741, ein Jahr nach ihrem Regierungsantritt, erschienen bereits die ersten Silbertaler mit dem Porträt der jungen Herrscherin und ihren Titeln als Königin von Ungarn und Böhmen und als Erzherzogin von Österreich. 1746 kam der Titel einer Römischen Kaiserin dazu, obwohl es ihr Mann Franz Stephan von Lothringen war, der zum Römischen Kaiser gekrönt wurde. Ab 1753, als Österreich eine Münzkonvention mit Bayern einging, nannte man Silbermünzen, die nach einheitlichen Kriterien geprägt wurden „Konventionsmünzen“. Der „Konventionstaler“ war für beide Staaten als gültiges Zahlungsmittel bestimmt. Die Münzen waren im Handel dank ihrer ho-

GABRIELA BREISACH

hen Qualität und Verlässlichkeit sehr angesehen. Der Grund war die erstmals auftretende Randprägung, die eine Fälschungssicherheit darstellte. Die Silbertaler waren auch beim Handel mit dem Osten gefragt. So flossen große Mengen über Triest in den Kaffeehandel. Im arabischen Raum wurden die Taler wiederum beim Handel mit Indien und China eingesetzt. Mit dem Ableben der Kaiserin 1780 hätten alle weiteren Prägungen eingestellt werden müssen. Doch die Augsburger Silber- und Talerhändler bedrängten Kaiser Joseph II. so lange, bis sie die Erlaubnis zur weiteren Prägung des 1780er Talers erhielten. Das Münzbild Maria Theresias war auch im Osten zum Merkmal für Echtheit und Vertrauenswürdigkeit geworden. So durfte der Taler mit Genehmigung des Kaisers für den Handel in der Levante weiter geprägt werden, „solange Bedarf besteht“. Innerhalb eines Jahres wurde die Version des 1780er Talers aus Günzburg auch in Wien nachgeprägt und bald darauf in anderen Münzämtern der Monarchie, wie Karlsburg, Prag, Kremnitz, Mailand und Venedig. Die Wiener Prägung ließ die Initialen S. F. weg und wies dafür die Initialen I.C.-F.A. der

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Wiener Münzmeister Johann von Cronberg und Franz Aicherau unter den Krallen des Adlers auf. Die Münzstätte Wien prägt den Taler bis zum heutigen Tag. Als 1935 Italien Abessinien angriff, benötigte Mussolini große Mengen von Maria-Theresien-Talern, weil die österreichische Münze dort so gut wie Landeswährung war. Kanzler Schuschnigg brauchte den Schutz Mussolinis gegen die wachsende Macht Hitlers und stimmte der Prägung des Talers in Rom zu. Sowohl England als auch Frankreich hatten Bedarf an Maria-Theresien-Talern für ihren Handel im arabisch-afrikanischen Raum. Da aus Italien keine Taler zu bekommen waren, mussten die beiden Staaten nach der Vorlage eines bereits geprägten Talers eigene Stempel anfertigen, wodurch kleine Abweichungen zur originalen Wiener Nachprägung entstanden. 1936 bis 1939 wurden Fälschungen des Maria-Theresien-Talers in London, Paris und Brüssel hergestellt. Ab 1940 zwang die deutsche Blockade Großbritannien, die Produktion von London nach Bombay zu verlegen. Aus Indien konnten man die Taler nämlich leichter in die Märkte Afrikas und des Mittle-

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ren Ostens liefern. Obwohl Wien die Erzeugung 1946 wieder aufnahm, prägten Brüssel und London noch bis in die 1950er Jahre, Paris sogar bis 1966 weiter. Heute ist die „Münze Österreich“ alleiniger Prägeort für den Taler in der Version von 1780. Als „Levantiner Taler“ ermöglichte er den Aufbau des Handels mit dem Mittleren Osten, der Levante, und später mit Afrika. 200 Jahre lang behauptete er sich als der primäre Handelstaler. In den Basaren der arabischen Welt ist er noch immer ein vertrautes Stück, das nicht nur zum Zahlen verwendet sondern auch in Schmuck verarbeitet wurde. Arabische Frauen tragen ihren Taler-Schmuck nicht aus Modegründen sondern als Ausdruck ihres Wertes. In unserem Land findet er sich häufig im Trachtenschmuck oder als Geschenk zu besonderen Anlässen. Keine andere Münze der Welt kann annähernd auf eine solch fantastische Geschichte zurückblicken wie der Maria-Theresien-Taler aus Günzburg. Er ist und bleibt ein Aushängeschild Österreichs, der silberne Taler mit dem Bildnis der Kaiserin, unserer „Reserl“.

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Die Gold und Silber Bijouterien Fabrik von G.A. Scheid in Wien: Maschinen und Apparate

D Die Welt der Edelmetalle Traditioneller Partner der österreichischen Goldschmiede K O M M R M A G . M A R C U S FA S C H I N G GESCHÄFTSFÜHRER ÖGUSSA

ie Ögussa, die Österreichische Goldund Silberscheideanstalt, ist ein international agierendes Edelmetallunternehmen mit einem den gesamten Edelmetallkreislauf umspannenden Wissen in Chemie, Metallurgie und Materialtechnologie. Mit rund 140 Mitarbeitern ist die Ögussa in Edelmetallverarbeitung und Edelmetallrecycling führend in Österreich und weltweit in den verschiedensten Industrien in spezialisierten Nischenanwendungen erfolgreich. Die Ögussa ist Teil der internationalen Unternehmensgruppe Umicore, die den Großteil ihrer Einnahmen aus sauberen Technogien erwirtschaftet (wie z.B. Autoabgaskatalysa-

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Georg Adam Scheid, Michael Markowitsch (v.l.n.r.)

toren, Werkstoffen für Li-Ionen-Akkus, Brennstoffzellen etc.) und weltweit führend im Recycling von Elektronikschrott und anderen komplexen Edelmetallabfällen ist. Wenn auch nicht ganz seit 650 Jahren, so können die österreichischen Goldschmiede und die Branchenvertreter sich doch zumindest seit über 150 Jahren auf ihren langjährigen Partner Ögussa verlassen. Die Ögussa ist stolz darauf, bisher zu fast einem Viertel Teil der bisherigen Geschichte der österreichischen Goldschmiede zu sein und wird sich – ihrer Wurzeln bewusst – stets bemühen, auch für viele weitere Jahre wichtiger Lieferant und Ansprechpartner der Branche zu bleiben. Ein Grund mehr, einen kurzen Blick auf die Geschichte zu werfen. Innovativ seit 1862 - Markowitsch, Scheid & Roessler und die Ögussa Die Geschichte der Ögussa beginnt 1862 mit der Gründung der Firma „Markowitsch & Scheid, Schmuckwarenerzeugung“ in Wien. „Der Scheid“ war bald auch als Edelmetall-Einlösestelle ein Betriff für alle Österreicher, ja der Name wird sogar noch heute von manchen Goldschmieden verwendet. Erst 100 Jahre später wurde anlässlich des Zusammenschlusses mit der Firma „Louis Roessler“ die heutige Marke „Ögussa“ begründet. Im Gegensatz zur staatlichen „Münze Österreich“ oder zum „Dorotheum“ war und ist die Ögussa immer ein reines Privatunternehmen. Michael Markowitsch führte in Wien seit 1849 eine technisch noch eher handwerklich betriebene Gold- und Silberwarenfabrik, mit der er 1861 auf einen größeren Standort, nämlich nach Gumpendorf in die Sandwirtgasse 8 übersiedelte, wo auch das Punzierungsamt war. Österreich ist nach 1848 erst relativ spät von der industriellen Revolution erfasst worden, die Georg Adam Scheid aus der Pforzheimer Schmuckbranche kommend nach Wien lockte, wo er die anfangs noch kleine Firma Scheid gründete.

u Firma Scheid (v.o.n.u.) Fabriksgebäude, Bijouterie, Direktionsgebäude 63


G. A. Scheid war – ganz eine schillernde gründerzeitliche Unternehmerpersönlichkeit – auf schnelles industrielles Wachstum ausgerichtet. Daher einigte er sich mit M. Markowitsch 1862 auf einen Zusammenschluss ihrer beider Firmen, heiratete gleich auch Hermine, die Tochter seines Kompagnons und wurde österreichischer Staatsbürger. Er expandierte rasch und erweiterte das Firmengelände um das angrenzende Grundstück in der Gumpendorfer Straße 83, wo die Ögussa nach wie vor ihre traditionelle Verkaufsstelle betreibt (die derzeitige Produktion wurde vor über 20 Jahren am derzeitigen Standort im Industriegebiet Liesing auf der grünen Wiese komplett neu aufgebaut). Als Louis Roessler das andere Vorgängerunternehmen der Ögussa gründete, erfolgte das bereits in einem völlig anderen Umfeld bedingt durch die Kriege von 1859 und 1866 hatte Österreich seine politische Machtstellung in Italien und im Deutschen Bund verloren. Die Ursprünge der ehemaligen deutschen Degussa waren mit eben diesen politischen Ereignissen der Zeit eng verknüpft. Als 1866 Hessen auf Seite Österreichs gegen die Preußen den Krieg verlor und Frankfurt ihren Status als Freie Reichsstadt - und damit auch das Münzprägerecht - verlor, hat man dem damaligen Münzwardein Friedrich Ernst Roessler erlaubt, zumindest die Scheiderei als Privatunternehmer weiterzuführen. Diese ergriff die Gelegenheit beim Schopf. 1877 gründete das Familienmitglied Louis Roessler in Wien das gleichnamige Unternehmen „Handel mit Edelmetallen und Ankauf

von Edelmetallgekrätz und Altmaterialien“, das zu Markowitsch & Scheid im direkten Wettbewerb stand. Wettbewerb beflügelt, „der Scheid“ exportierte den Großteil seiner Produkte über das Gebiet Österreich-Ungarns hinaus. In der k.u.k. Monarchie wurden Produktionsstandorte in Budapest, Prag und Bukarest begründet, die Ende des zweiten Weltkriegs 1945 verloren gingen und verstaatlicht wurden – die „Scheidova Praha“ wurde zur staatlichen (mittlerweile privatisierten) „Safina. In Deutschland schrieb die Degussa weltweit erfolgreiche Unternehmensgeschichte, die österreichische Firma „Louis Roessler“ war Teil davon. 1962 erfolgte der Zusammenschluss mit „Markowitsch & Scheid“ zum 50:50-Joint Venture „Ögussa Scheid & Roessler“. Im Jahr 1990 hat die ehemalige Degussa die restlichen 50% der Anteile der Ögussa erworben, Anfang des neuen Jahrtausends sich dann von ihren gesamten Edelmetallaktivitäten getrennt und in Evonik umbenannt. Seit 2003 ist die Ögussa Bestandteil des börsennotierten und im Streubesitz befindlichen Umicore-Konzerns mit Sitz in Brüssel, der führend in Österreich und weltweit erfolgreich bei technisch anspruchsvollsten Nischenanwendungen ist. Die Ögussa bietet in Bezug auf Vormaterial aus hochreinen Gold- Silber und Platinlegierungen alles, was der Goldschmied braucht: Präzise gefertigte Bleche, Drähte, Profile, Rohre und Lote, dazu die passenden Schmuckkleinteile, wie Federringe, Verschlüsse, Clips

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und Mechaniken etc. Damit verbunden leistet die Ögussa kundenspezifische Services wie Rohguss, Laserschweißen und Galvanisieren von Schmuckstücken und technischen Teilen und gibt fundierte anwendungstechnische Unterstützung. Und schlussendlich recycelt die Ögussa alle Arten von Edelmetallabfällen und schließt damit den Edelmetallkreislauf. Daher kennt man die Ögussa üblicherweise auch als Privatperson. Jeder, der zuhause Münzen, alten Schmuck, Zahngold oder andere Edelmetallreste hat, weiß, dass er diese – direkt beim Aufarbeiter - zu Geld machen kann. Über die Filialen wird Bruchgold und Bruchsilber auch in kleinsten Mengen bar zum Tageskurs angekauft. Auf der anderen Seite wissen Privatinvestoren zu schätzen, dass die Ögussa der einzige in Österreich produzierender Hersteller von Gold- und Silberbarrenhersteller ist. Diese kann man ab Lager oder mit kurzen Lieferzeiten direkt in den Filialen erwerben, umsatzsteuerfrei und bis zu 15.000 Euro auch anonym. Mit der Halbzeugfertigung und der Scheiderei - in Ergänzung wäre auch noch das Edelmetallmanagement mit Preissicherung und internationalen Edelmetalltransfers zu nennen - hat der Goldschmied in der Ögussa einen Partner, der alle erforderlichen Produkte und Dienstleistungen aus einer Hand bietet, und das verbunden mit dem Alleinstellungsmerkmal des österreichischen Filialnetzes mit persönlichem Services und Lager vor Ort. Gerade die Filialen erfüllen wichtige Funktionen für die Gold- und Silberschmiede:

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Neben qualifizierter Beratung bieten sie auch eine sofortige Verfügbarkeit von Produkten ohne Mindestmengenzuschläge bzw. kurze Transportwege und Versandzeiten und hohe Liefertreue. Diese Just-in-time Belieferung mit Produkten und die schnelle Abrechnung von Scheidgutposten verringert die Kapitalbindung der Goldschmiede.

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Die Ögussa beliefert aber nicht nur Gold- und Silberschmiede, sondern – mit einem hohen Exportanteil – auch Kunden in der Automobilzuliefer- und Medizinprodukteindustrie, in der Messtechnik, Universitäten und Labors etc. und ist daher zertifiziert nach: ISO 9001 (Qualität) ISO 14.001 (Umweltschutz) ISO 13.485 (Medizinprodukte) TS 16.949 (Automobilindustrie) Responsible Care (Selbstverpflichtung der Chemischen Industrie) Die Qualität und Reinheit der Schmuckmetalle für die von Gold- und Silberschmieden eingesetzten Materialien profitiert dadurch, dass die Ögussa zur Verringerung der internen Komplexität nach einem, einheitlich hohen Standards verpflichtetem, integrierten Managementsystem vorgeht, das mittlerweile auch ethische Aspekte abdeckt.


Es geht um eine saubere Zukunft: verantwortungsvoller Schmuck aus 100 % Recycling-Gold. Die in den Produkten der Ögussa enthaltenen Edelmetalle stammen zum größten Teil aus dem eigenen Recycling von in Europa gesammeltem Altmaterial. Solcherart am Standort Wien ressourcenschonend wiedergewonnene Edelmetalle sind jeder Art von Minenmaterial in Bezug auf Sozialstandards und Umweltauswirkungen weit überlegen. Minenmaterial akzeptiert die Ögussa aus sozialen Gründen daher ausnahmsweise nur dann, wenn es aus zertifizierten Fairtradeoder Fairmined-Quellen stammt. Um den österreichischen Gold- und Silberschmieden bezüglich ihrer Lieferkette gegenüber Schmuckkäufern eine nachvollziehbare Argumentationshilfe an die Hand zu geben, ist die Ögussa 2011 Mitglied des RJC geworden, das ist eine internationale, standardsetzende und zertifizierende Non-Profit-Organisation mit Sitz in London. Sie hat über 800 Mitglieder, die die gesamte Schmuck-Lieferkette umfassen. Alle Mitglieder des RJC sind auf den RJC Code of Practices verpflichtet und werden nach diesem unabhängig auditiert. Der Code of Practices ist ein Standard für verantwortungsvolle Geschäftspraktiken von Unternehmen in der konfliktfreien Lieferkette von Gold und Platingruppenmetallen. Er beinhaltet Menschenrechte, Mitarbeiterrechte, Umweltauswirkungen, Bergbaupraktiken, Produktinformationen und viele andere wichtige Themen mehr. Die RJC Chain-of-Custody-Zertifizierung (CoC) ist eine weiterführende Initiative, um die Lieferkette einzelner Edelmetallprodukte umfassend zu dokumentieren. Die Ögussa ist stolz darauf, seit 2015 eine von weltweit 31 Scheideanstalten zu sein, die zusätzlich auch diesen strikten Standard nachweislich erfüllen kann.

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Goldschmiede, die Kunden der Ögussa sind, erhalten somit die Gewissheit, den Schmuckkonsumenten unbedenklich ein nach fairen und verantwortungsvollen Gesichtspunkten gefertigtes Schmuckstück anzubieten- denn sie können den konfliktfreien Ursprung des bezogenen Vormaterials mit dem RJC-Zertifikat der Ögussa belegen. Sollten Schmuckkäufer aus sozialen Gründen dennoch Wert darauf legen, auch auf dem Gebiet des Kleinbergbaus durch garantierte Mindestpreise und Prämien einen positiven Wandel herbeizuführen, kann die Ögussa seit kurzem auch diesem Wunsch gerecht werden: Die Ögussa ist seit 2016 auch ein von der Alliance for Responsible Mining autorisierter Anbieter von Fairmined-Gold. Neben allen Zertifikaten ist es schlussendlich aber nur eines, das zählt. Genauso wie beim Gold- und Silberschmied, dem seine Kunden hohes Vertrauen entgegenbringen, verbindet eine Stufe davor aber auch die Kunden und die Mitarbeiter der Ögussa – über eine von Professionalität getragene Kundenbeziehung hinaus – oft ein jahrelang aufgebautes, persönliches Vertrauensverhältnis. Und wenn eine Aussage im Edelmetallbereich auch in den nächsten Jahrzehnten weitere Gültigkeit haben wird, dann diese: Gegenseitiges Vertrauen und Nachhaltigkeit stehen im Edelmetallgeschäft an erster Stelle.

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Fairmined Gold Gold auf das man stolz sein kann

ALLIANCE FOR RESPONSIBLE MINING W W W. FA I R M I N E D . O R G

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as Goldschmiedehandwerk zeichnet sich durch die Verwendung edelster Materialien aus. Aber wissen Sie auch woher diese Materialien kommen? Wäre es nicht ideal zu wissen, dass man mit seinem Goldkauf soziale Entwicklung und Umweltschutz fördert? Dass man zur Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen anderer beiträgt? Dass das Gold aus verantwortungsvollen Quellen kommt? Mit Fairmined Gold - das ist zertifiziertes, verantwortungsvoll abgebautes Gold, das bis zum Ursprung zurückverfolgt werden kann – kann man sich all dessen sicher sein. Der handwerkliche Kleinbergbau – ein Entwicklungsmotor Gold wird auf der ganzen Welt abgebaut, entweder in mechanisierten Großminen oder

Foto: © VK Designs

durch handwerklichen Kleinbergbau. Weltweit wird der Abbau von Gold oft mit sozialen und ökologischen Problemen assoziiert und speziell der Kleinbergbau hat in vielen Produzentenländern kein gutes Image. Aber wussten Sie, dass weltweit geschätzte 100 Millionen Menschen vom Goldkleinbergbau abhängig sind? Und dass für diese der Kleinbergbau die beste Chance ist, ihre Lebensbedingungen zu verbessern? Verantwortungsvoller Kleinbergbau hat das Potenzial positive Entwicklung zu schaffen, die nicht nur den in diesem Bereich tätigen Personen zugutekommen, sondern auch deren Familien und Gemeinden und außerdem oft einen regionalen, wenn nicht nationalen Wirkungskreis haben. Gold verarbeitende Betriebe können diese positive Entwicklung nun unterstützen.

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Fairmined Gold – Gold aus dem verantwortungsvollen Kleinbergbau 2004 wurde die Alliance for Responsible Mining gegründet, um Prinzipien für verantwortungsvollen Goldkleinbergbau zu erarbeiten und so Kleinbergleute zu unterstützen, soziale und umweltfreundliche Praktiken anzuwenden. Auf diesen Prinzipien aufbauend wurde ein Standard – ein Zertifizierungssystem und ein Marktmodell entwickelt – die Fairmined Initiative. Der Fairmined Standard ist ein Leitfaden für Kleinbergbauorganisationen und zielt auf deren Organisationsentwicklung, soziale Verantwortung, Arbeitsbedingungen, sowie Umweltmanagement ab. Kleinbergbauorganisationen, die den Weg des verantwortungsvollen Kleinbergbaus gehen, arbeiten - durch Einhaltung der Kriterien des Fairmined Standards - auf die Fairmined Zertifizierung hin. Einmal zertifiziert, kann die Kleinbergbauorganisation Fairmined Gold verkaufen. Für dieses Gold erhält sie eine Prämie von 4 USD pro Gramm. Die Fairmined Prämie kompensiert die Kleinbergbauorganisationen für deren Bemühungen, die Fairmined Zertifizierung zu erreichen und zu erhalten. Sie ist außerdem der Hauptanreiz, um auf die Zertifizierung hinzuarbeiten, da sie Fonds für Langzeitprojekte in sozialer, ökonomischer und umweltfreundlicher Entwicklung bereitstellt. Innerhalb der letzten 2 Jahre wurden über 250kg Fairmined Gold verkauft und mehr als 1 Million US Dollar an Fairmined Prämie generiert, welche die zertifizierten Kleinbergbauorganisationen in Projekte investieren konnten. Fairmined Gold im Aufschwung Der Friedensnobelpreis, die Goldene Palme und der Olympic Laurel wurden aus Fairmined Gold gefertigt, um den verantwortungsvollen Kleinbergbau zu unterstützen. Auch mehr als 120 Goldschmiede arbeiten aus diesem Grund mit Fairmined Gold.

Fotos: © Alejandro Cock

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Egal ob kleiner oder großer goldverarbeitender Betrieb, alle können der Fairmined Initiative beitreten und so den positiven Zusatznutzen ihrer Produkte hervorheben und Geschichten zu ihrem Schmuck erzählen. Indem Fairmined zertifiziertes Gold verwendet wird, tragen Unternehmen zu einer verantwortungsvolleren und nachhaltigeren Welt bei. Dies spiegelt den globalen Trend der steigenden Nachfrage für verantwortungsvoll abgebaute Mineralien und ethische Goldprodukte wider. Wer die edelsten Materialien für seine Produkte verwenden und seinen KundInnen nur das Beste anbieten möchte, arbeitet mit Fairmined Gold – Gold auf das man stolz sein kann!

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Der Goldschmied erkennt Gold, auch wenn es unter Messing liegt. Altes Sprichwort WA LT E R H E L L - H Ö F L I N G E R

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on alters her war der Goldschmied ein angesehener Mann. Er war für das Prüfen des gelben Metalls zuständig, das Mächtige mächtig machte und mächtig hielt. Er war nicht nur der, der das Metall zu wertvollem Schmuck schmieden konnte, er war auch der, der die schwersten und sichersten Truhen hatte, sodass man ihm sein Gold zur sicheren Aufbewahrung überließ. Er war auch der, der die kalte Wehr zur Verteidigung zu aller Zeit führen durfte. Der Goldschmied war untrennbar verbunden mit der Geschichte von Gold – und – unbewusst auch mit der Entstehung von Geld. Jedem, der ihm Gold zur Verwahrung brachte, stellte er einen Empfangsschein aus, mit dem der Besitzer das Gold

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jederzeit wieder holen konnte, wenn es vonnöten war. Nachdem es umständlich war, das Gold immer zu holen, begann man, mit Empfangsscheinen zu handeln. So wurde die Quittung zu einem Forderungspapier gegenüber dem Goldschmied, und der Goldschmied fungierte vom Prinzip her als Bank. So florierte bereits im 17. Jahrhundert ein sogenannter „Goldhinterlegungs-Standard“. Ein bewährtes Prinzip – es gab nicht mehr Quittungen als Gold oder Silber hinterlegt war – ein 1:1 Prinzip also. Der in den heutigen alternativen Medien und den sogenannten „Gold-Bugs“ (GoldFans) immer wieder erwähnte „Gold-Standard“ nahm seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Als andere Form von Gold wurde Geld verwendet, das jederzeit zu einem bestimmten festgesetzten Kurs wieder in Gold zurück getauscht werden konnte. Der Staat konnte Geld nur vermehren, wenn er mehr Gold hatte – es war die „goldene Bremse“. 1802 musste die Bank of England im Zuge des Krieges mit Frankreich die Umwechslung von Banknoten in Gold aussetzen. Nach dem Krieg kehrte sie allerdings wieder zum Goldstandard zurück. 1865 beschlossen Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz, deren Währungen gegeneinander zu stabilisieren und gründeten den Vorläufer der heutigen Gemeinschaftswährung – die Lateinische Münzunion. Durch die Nähe des Hauses Rothschild, das zu dieser Zeit weltgrößter Goldhändler war, zum damaligen englischen Premierminister wurde London zum Goldhandelszentrum der Welt. Bei dieser Währungsunion wurden, auf Basis des Franken, Gold- und Silbermünzen gleicher Werte, mit dem Ziel, eine gemeinsame Währung zu schaffen, geprägt. Auch andere Länder, unter ihnen Österreich-Ungarn (4 und 8 Gulden/Florin), Griechenland, Italien, wie auch Russland schafften ähnlich Münzen, ohne aber offiziell dem Bund beizutreten. Die österreichische Ökonomin Univ. Prof. Theresia Theurl stellte fest, dass zwischenstaatliche Währungsunionen prinzipiell instabil sein wür-

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den, solange die Souveränität der Einzelstaaten die Einhaltung der Regeln infrage stellt. Ein Grund für die Auflösung der Lateinischen Münzunion war der erhebliche Unterschied in der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedsländer. Ironischerweise brachte gerade die hohe Inflation in Griechenland und Italien das Projekt in Schieflage. Gold in Wirtschaft, Politik und Krieg Der Bund bestand faktisch bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges , der nicht nur blutig war und jegliches Machtgefüge am alten Kontinent verschob – wieder einmal wurde die zulässige Geldmenge von der vorhandenen Goldmenge abgekoppelt, um die enormen Kriegsausgaben bestreiten zu können. Tonnenweise floss Gold im Tausch gegen Kriegsmaterial und benötigte Nahrung aus dem Land. Gold ersetzte das Geld, das nicht mehr wert war als das Papier auf dem es gedruckt war. Das ist auch das, was sich über Jahrtausende immer wieder aufs Neue bewies – Gold ist nicht nur ein Metall – es ist politisch, mächtig und zutiefst emotional – und es hat sich als sicher erwiesen. Wenn manch einer der Geschichte nichts abgewinnen kann, sollte man sich vor allem eines merken: Zu jeder Zeit in der Geschichte geschah es, dass Menschen, die Goldquittungen besaßen, über Nacht verarmten, aber die, die das Gold hatten, hatten vielleicht verloren, waren aber niemals mittellos. Goldpreisexplosion 1802 musste die Bank of England im Zuge des Krieges mit Frankreich die Umwechslung von Banknoten in Gold aussetzen. Der Goldpreis explodierte daraufhin. Doch explodierte er tatsächlich? Nein, man musste nur mehr von dem ungedeckt gedruckten Geld den echten Wert bezahlen. Beinahe täglich wird uns die Frage gestellt: „Ist Gold jetzt nicht zu teuer, um zu kaufen…“. Die Antwort kommt zumeist schon reflexartig. „Gold wurde noch nie teurer, nur das Geld

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mit dem man es kauft ist weniger wert.“ Zugegeben, ganz so einfach ist es nicht. Die Finanzmärkte sind tausendfach komplexer als damals, es gibt zuhauf zusätzliche Faktoren, die den Preis beeinflussen – aber auch diese behalten nur in guten Zeiten ihre Macht. Erscheinen Gewitterwolken am Horizont, sind die Aktien- und Börsenapostel die Ersten, die gelaufen kommen, um ins Gold zu flüchten. Goldpreis – 20.000 Dollar die Unze! Rund 650.000 Euro pro Kilogramm – diese unvorstellbare Summe entspricht dem sogenannten „Shadow-Goldpreis“, bei dem man von dem Verhältnis der heutigen USGeldmenge zur Goldmenge ausgeht und sie dem Verhältnis jener Geldmenge zu dem damals verfügbarem Gold gegenüberstellt, wie es zum Zeitpunkt der Beendigung des Goldstandards war. Eine Kennzahl, die Goldbugs immer wieder als Warnsignal für den Zustand der Volkswirtschaft aufzeigen. Doch ich muss enttäuschen – der Kurs liegt immer noch knapp unter 40.000 Euro pro Kilo-

gramm oder 1.330 USD pro Unze. Experten erwarten bald 1.700 USD pro Unze oder mittelfristig sogar 2.500 USD, was 750 USD über dem Allzeithoch liegen würde. Doch der Weg dahin ist steinig und weit, und die Begleitumstände wären alles andere als angenehm. In den letzten zehn Jahren ist der Goldpreis extrem volatil und unprognostizierbar geworden. Konnte früher der Schmuck-Großhändler bei den Jänner-Messen die nächste Weihnachtsware ordern, weil sich der Goldpreis pro Jahr vielleicht um 250-300 Euro pro Kilogramm bewegte, könnte dies bei heutigen Kursschwankungen ohne Absicherung an der Börse schnell zur Existenzfrage werden. In den letzten Jahren schwankte der Kurs innerhalb von nur zwei Stunden um teilweise bis zu 1.500 Euro pro Kilogramm! Wie entsteht der Goldpreis heute? Banken haben ihren Nimbus als immer seriöse, wissende, finanztragende Allmacht aufgrund von Pleiten, Insiderhandel, Derivatengeschäften und kriminellen Machenschaften

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bei Manipulationen von Zinssätzen und Goldund Silberfixing stark eingebüßt. Das ehrwürdige Goldfixing, wo der Goldpreis zweimal täglich von sechs ausgewählten Banken per Telefonkonferenz festgesetzt wurde, gibt es seit nachgewiesenem Insiderhandel und Preismanipulationen in dieser Form nicht mehr. Unter der strengen Aufsicht der LBMA, der Londoner Goldhandels Organisation, wird der Kurs elektronisch überwacht und von sechs Goldhändlern durchgeführt. Dabei wird Angebot und Nachfrage in physischer Form wie auch der Derivatenhandel berücksichtigt. Gut zu wissen ist dabei, dass das Verhältnis von physischem Gold zu Goldderivaten („Papiergold“) etwa 1:220 beträgt. Der kritische Leser wird daran erkennen, wie wenig in Wahrheit der Preis vom physischem Handel bestimmt wird. Immer wieder tauchen nach Goldpreis-Crashs Meldungen von massiven Papiergoldverkäufen oder Wetten auf fallende Kurse durch US-Großbanken auf. Solche Verkäufe, nehmen in entsprechender Größenordnung natürlich in massivem Ausmaß – gewollt oder ungewollt – Einfluss auf die Preisbildung. Somit beobachten erfahrene Goldexperten neuerdings auch genau das Handelsverhalten der sogenannten „Big 6“, das sind die US-Großbanken, die mit Gold handeln. Bis jetzt reagierten diese zumeist immer vor erwarteten Kursanstiegen mit preisdrückendem Handelsverhalten. Goldfans vermuten dahinter die Absicht, den Kurs zu drücken. Banken und Börsenexperten weisen diese Ansichten dem Lager der Verschwörungstheoretiker zu. Gold ist tot - Totgesagte leben länger! 1980 titelte die altehrwürdige London Times „Gold ist tot“. Heute, fast vierzig Jahre später, erscheint das Allzeithoch mit 1.800 USD für Chart-Techniker wie Goldbugs bereits wieder als erneut erreichbare Größe. Gold ist politisch wie monetär wichtiger denn je. Nationalbanken kaufen jährlich knapp 600 Tonnen

zu. Auch der europäische Bürger entsinnt sich wieder an Großmutters Ratschläge zum „antiquierten Investment“ in Gold und kauft ein – pro Quartal rund 60 Tonnen. Faktum ist – Gold ist nicht nur ein Metall, aus dem man hübschen Schmuck herstellen kann. Es ist auch ein Vertrauensbarometer, denn wenn das Vertrauen in den Staat, die Politiker oder die Währung sinkt, beginnt es eine unkontrollierte Eigendynamik zu entwickeln. Dass das Ende der Geschichte in keinen Goldpreis-Fahrplan gipfeln wird, wird keinen Realisten enttäuschen. Jedoch wage ich angesichts von Erfahrung aus der Geschichte eine Prognose: Vor der Zeit, in welcher der Goldpreis nicht mehr von Papiergold sondern nur mehr von der physischen Nachfrage bestimmt wird, wird eine Zeit kommen, in der es zwei Goldpreise geben wird. Einen Preis für das „Papiergold“ und einen Preis für das physische Gold, den jemand zu zahlen bereit sein wird, um es von jemanden zu kaufen, der das begehrte Metall in Form einer Münze oder eines Schmuckstückes besitzt. Für uns, die wir mit Goldenem handeln, gilt vor allem eines: Wichtig ist nicht, ob der Preis hoch oder tief ist, wichtig ist, dass sich der Preis bewegt, denn das bewegt den Markt.

Fotos: © Gold und Co

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Cellini

ALLES FÜR DAS WERK, ALLES FÜR DIE KUNST

GABRIELA BREISACH

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iesen Wahlspruch der großen Renaissancekünstler beherzte Benvenuto Cellini, der wohl berühmteste Goldschmied aller Zeiten, wie kein anderer. Geboren am 3.11.1500 in Florenz, ließ er in seinem abenteuerlichen Leben nichts aus: Frauengeschichten, Diebstahl, Morde, Kerker, Ruhm, Anerkennung und eine interessante Autobiografie. Von seinen Werken sind nur wenige erhalten. Die einzige noch existierende Goldschmiedearbeit Cellinis, die „Saliera“ (Salzfass), kam als Geschenk des französischen Königs Karl IX. an Erzherzog Ferdinand II. von Tirol in den Besitz der Habsburger. Cellini arbeitete u. a. für die Päpste in Rom, die Familie der Medici in Florenz sowie für König Franz I. im Schloss von Fontainebleau bei Paris. Neben seinem erlernten Beruf als Goldschmied war er auch als Münzstempelschneider, Medailleur, Graveur, Bildhauer und Schriftsteller tätig. Sein Charakter ist umstritten. Für die Einen ist er das Kunstgenie der Renaissance und

des Manierismus, der zu wahren Heldentaten fähig war, für die Anderen ein Raufbold, der überall Streit suchte und sofort zum Degen griff. Mehrmals wurde er verbannt, musste flüchten, wurde begnadigt, veruntreute Geld und Wertsachen, stand vor Gericht, wurde zum Tode verurteilt und verbrachte zwei Jahre in den Verliesen der Engelsburg in Rom. 1558 wechselte er in den geistlichen Stand, ließ sich aber bereits 1560 von seinen Gelübden entbinden und heiratet 1563 seine Haushälterin, mit der er 3 Kinder hatte. Seine letzten Jahre verbrachte er mit dem Schreiben von Bittbriefen und starb 1571. Sein Zeitgenosse, der Architekt, Maler und Kunsthistoriker Georg Vasari schrieb über ihn: „Cellini war unerreichbar als Goldschmied und in der Herstellung kleiner Figuren. Sein Einfluss war groß, Franzosen und Deutsche lernten bei ihm, und sein Stil breitete sich aus.“

Die heutigen Goldschmiede sind wohl anders.

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mythos Gold GABRIELA BREISACH

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s gibt wertvollere Materialien als Gold, Rohstoffe, die viel seltener und schwerer zu finden sind. Trotzdem ist die Menschheit von keinem anderen Metall so fasziniert wie vom gelb schimmernden Werkstoff, der seit über 6000 Jahren Teil der Geschichte, Kunstgeschichte und Wirtschaft ist. Es glänzt im Licht wie ein göttlicher Funke, es rostet nicht, es fühlt sich weich an, ist kaum zu zerstören und kann fast vollständig recycelt werden. Die mit ihm verbundene Symbolik gleicht sich in allen Kulturen und Epochen: Gold steht für das Göttliche, Königliche, Herrschaftliche, für Sonne, Licht und Reinheit. Sein Mythos ist bis heute ungebrochen. Durch die überlieferte Geschichte ist uns bekannt, dass der Spruch „Gold ist Macht“ immer seine Wahrheit hatte. Schon unsere Ureinwohner in Pfahlbauten hatten den Wunsch, sich mit Gold zu schmücken. Auch Griechen und Römer erkannten, welche Machtbedeutung Gold erreichte. Der Goldrausch der Entdecker Amerikas, der Schürfer in Kalifornien,

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Colorado und Australien artete in Kriege und Kämpfe um Recht und Boden aus. Alchimisten bemühten sich Jahrhunderte lang Gold herzustellen und scheiterten. Bald wurde Gold ein internationales Zahlungsmittel, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und ein Spekulationsobjekt. Es steht auch für Sicherheit und Wertbeständigkeit, gerade in unruhigen Zeiten wie den aktuellen. Im Lauf der Zeit ist Gold ein Synonym für Glück und Erfolg geworden und ein gesellschaftliches Statussymbol. Daneben aber war es immer der goldene Faden, der sich durch die Geschichte des Schmucks zieht und es wie kein anderes Edelmetall schafft, die Schönheit einer Frau zu unterstreichen. Und so lange es einen Goldschmied gibt, der weiß, wie man es zu kunstvollen Objekten verarbeitet, wird es einen Menschen geben, der dieses edle Produkt zu schätzen weiß und es auch kauft.

Dann hat das Handwerk wirklich einen goldenen Boden.

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Hl. Eligius auch St. Eloi, Loy Geboren um 588 in Limoges gestorben am 1. Dezember 660 in Noyon Frankreich GABRIELA BREISACH

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ie alte Zunftfahne der Gold- und Silberschmiede aus dem Jahr 1781 ist aus rotem Brokat gefertigt und trägt auf der Aversseite eine Darstellung ihres Schutzpatrons, des Heiligen Eligius, als Almosen spendenden Bischof. Die Fahne befindet sich heute im Wien-Museum am Karlsplatz und wird aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr verwendet. Die Verbundenheit des Goldschmiedehandwerks mit ihrem Heiligen ist vielfach dokumentiert, nicht nur in Österreich. Zahlreiche Kirchenrequisiten, Messbücher, Reliquiare und Dokumente bezeugen dies, darunter ein im Wien-Archiv aufbewahrtes Arbeitszeugnis, ausgestellt in Prag im Jahr 1822, in dem sich die Berufsorganisation der Gold-, Silber- und Galanteriearbeiter ausdrücklich als „Confraternität S. ELIGII“ bezeichnet. Europaweit gibt es derzeit 35 Eligius-Bruderschaften oder Gilden, die sich der Verehrung des Heiligen und der Reflexion seiner Tugenden, wie Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Aufrichtigkeit, Großmut widmen. Eligius erlernte das Goldschmiedehandwerk beim Goldschmied „Abbo von Limoges”,

der um 600 n. Chr. in Frankreich als Goldschmied und Münzmeister tätig war. Bald fiel er durch Fleiß und Können dem Schatzmeister des französischen Königs auf, so dass er in weiterer Folge an den Hof berufen wurde. Er wurde dort eine der wichtigsten Persönlichkeiten mit Einfluss auf das Münzwesen im ganzen Land. Diese Stellung brachte ihm Ansehen und Reichtum, den er zum großen Teil einsetzte, um Sklaven freizukaufen und Kirchen und Klöster zu stiften. Die Überlieferung berichtet eine Wundertat, wonach er aus dem für einen Thronsessel bestimmten Gold die doppelte Menge machte und zwei Sessel fertigte, um den Erlös den Armen zu geben. Sein kunstfertiger Umgang mit dem Goldschmiedehammer blieb in lebendiger Erinnerung, obwohl keine Arbeiten von ihm erhalten geblieben sind. Das Bildnis des Hl. Eligius ist auch auf dem gotischen Rundsiegel zu finden, das als Siegel an der alten Handwerksordnung von 1366 diente. Die Eligiusmedaille, geschaffen als Auszeichnung von der Landesinnung Wien der Gold- und Silberschmiede und Juweliere, wird für langjährige Mitgliedschaft und besondere Verdienste verliehen.

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T O N I FA B E R - D O M P FA R R E S T. S T E P H A N

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ie etwas verborgene Eligiuskapelle gehört zu den meistbesuchten Orten im Stephansdom. Ein kleines Idyll, das viele der jährlich rund 5,6 Millionen Besucher übersehen – oder bewusst nicht besuchen, denn es wird darauf hingewiesen, dass dieser Raum ausschließlich dem stillen Gebet dient. Hunderte Menschen sind es täglich, die in dieser Intention die Eligiuskapelle aufsuchen: Um vor dem im ausgesetzten Allerheiligsten sichtbar gegenwärtigen Herrn ihr Herz auszuschütten und Kraft im ehrfürchtigen Verweilen zu suchen. Bei der Patroziniumsmesse (Patronatsfest) am 1. Dezember danken die Mitglieder der Goldschmiedezunft für das viele Gelungene und bitten für ihre lieben Verstorbenen; Anliegen in bedrängter Gesundheit und mancher Not werden meist in Stille vor Gott gebracht. Den Gold- und Silberschmieden unserer Stadt ist die Geschichte des Namenspatrons dieser Kapelle seit 650 Jahren vertraut: Eligius verstand sich bestens auf die Geschicke der Gold- und Silberschmiedekunst. Mit jedem seiner Werke verbreitete sich sein Ruf; so wurde auch der kaiserliche Hof auf ihn aufmerksam. Im Auftrag zweier Könige gestaltete er zahlreiche Kirchenschätze, zu den wich-

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tigsten zählen die Reliquiare zur Verehrung der Heiligen. Erinnerungsstücke von heiligen Frauen und Männern wurden in der jungen Kirche als besondere Schätze gehütet: Reliquien und deren besonders kunstvoll ausgestattete Behältnisse machten – neben der Architektur – den Ruhm und das Ansehen eines Kirchengebäudes aus. Außergewöhnliche Kunstfertigkeit und edle Materialien zeugten von einer Liebe und Hochschätzung gegenüber Gott und auch gegenüber dem Auftraggeber – war es nun der König, ein Edelmann oder ein kirchlicher Würdenträger. Natürlich erfreuten diese Kunstwerke auch das Auge der frommen Seelen, die diese Pracht und Schönheit bestaunen durften. Eligius wurde 639 zum Priester und Bischof geweiht. Fortan war ihm also nicht mehr die Sorge um die kunstvolle Ausgestaltung der Kirchenräume anvertraut, vielmehr konnte er durch den Dienst der Herzensbildung viele Herzens-Versteinerungen aufbrechen, und so den Blick auf das Wesentliche ermöglichen. Gott zur Ehre und gleichzeitig den Menschen zur Freude arbeiten zu dürfen ist sicherlich eine der sinnvollsten Tätigkeiten des Menschen.

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Ring, ungeschliffener Spinell angefertigt für Schullin Wien

S Kleine Werkstätten große Marken Weggefährten auf Augenhöhe? ROLAND AUER GOLDSCHMIED W W W. R O L A N D - A U E R . C O M

ieht man sich die Veränderungen unserer Gesellschaft während der letzten Jahrzehnte an, verwundert es nicht, dass sich auch die Schmuckbranche einem bisher beispiellosen Wandel unterzogen hat. Entwicklungen, die viele heimische Produzenten in Schrecken versetzten und einige Betriebe zum Abbau oder Aufgeben zwangen, haben die Branche durchgeackert und dabei – wie es fast kommen musste – auch sehr viele interessante Aspekte zutage gebracht. Bis in die 80er oder 90er Jahre waren die Verhältnisse in unserer Branche noch recht stabil. Man wusste wer produziert, wo gehandelt wird und wie „ordentlicher Schmuck“ auszusehen hatte. Aufgemischt wurden unsere Strukturen zuerst durch ein immer stärker werdendes Angebot aus Produktionsländern mit niedrigem Lohnniveau, das höchstens durch mangelnde Vernetzungen, komplizierte Logistik und schwache Ausbildung in fernen Produktionsstätten – und

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natürlich durch die Sicherheitsrisiken für Auftraggeber - gebremst wurde. Trotz viel Sorge hierzulande war die Entwicklung vor Internet und sozialen Netzwerken doch relativ überschaubar. Die wirklich großen Veränderungen kamen mit dem weltweiten Austausch von Ideen, Entwürfen und Produkten einer sich global vernetzenden Gesellschaft – geschäftlich und privat. Für „internet natives“ ist es selbstverständlich, dass jeder Inputs, Bilder oder Gedanken in die Öffentlichkeit senden und damit - wenn er auf entsprechendes Interesse stößt - eine unbegrenzte Zielgruppe erreichen kann. Die Folgen daraus haben unsere Welt in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen auf den Kopf gestellt. Seit einiger Zeit kann man zwei entgegengesetzte Kräfte beobachten, die parallel wirken und großen Einfluss auf das Schmuckangebot in unseren Auslagen haben – sie führen zu „Blockbuster“- und Nischenprodukten. Firmen werden größer und agieren weltweit,

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gleichzeitig gibt es den Trend hin zu kleinen Betrieben, die eher lokal agieren aber oft großen Einfluss entwickeln. Große Unternehmen sind daran interessiert, möglichst vielen Menschen ihre aufwändig entwickelten und beworbenen Produkte zu verkaufen, und das führt zwangsläufig in Richtung verein­ heitlichtem Angebot. Man sollte meinen, dass diese vielerorts präsenten Produkte unseren Markt nach und nach im Gleichschritt marschieren lassen würden – und das wäre vielleicht auch so, wäre nicht parallel dazu eine zweite Kraft am Wirken, die seit Erscheinung der sozialen Netzwerke enorm an Einfluss gewann. Kleine Goldschmieden und einzelne Designer präsentieren ihre Produkte heute auf sehr unterschiedliche Weisen. Die Durchsetzungskraft von Produkten im Internet wird durch eine aktivere Audienz mehr von ihrer Relevanz und Qualität bestimmt als vom Werbebudget der Anbieter und so sind Nischenprodukte sichtbarer denn je und befruchten

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das Angebot. Kleine Anbieter können sehr wendig agieren. Sie können direkt einen Dialog mit ihren Kunden halten und Inputs sofort in ihr Angebot einfließen lassen. Dadurch werden sie zu den Ersten, die auf neue Trends reagieren können und so in vielen Bereichen zu Themenführern. Natürlich werden sie von Markenprodukten beeinflusst und beeinflussen diese wieder zurück – am Ende wird auf die Art das Gesamtangebot bereichert. Technologisch hat sich sowohl die Massen-, als auch die Individual- Produktion weiterentwickelt. Vieles wurde computergesteuert, neue Fertigungstechniken erlauben Materialkombinationen und technische Details, die bis vor kurzem noch nicht realisierbar waren. In jüngerer Zeit hat sich vor allem der Nutzen, den kleine Produzenten aus dieser Technologisierung ziehen können, deutlich erhöht. Hightechproduktion wurde immer leistbarer und kam in den letzten 15 Jahren auch in der Einzelanfertigung immer breiter zum Einsatz. Denn auch die kleinsten Betriebe unseres Handwerks mussten in den vergangenen Jahrzehnten lernen, über ihr traditionelles Handwerk hinaus zu denken und in der Formgebung ihrer Pretiosen auf einen

gestalterisch immer hochwertiger entwickelten Markt zu reagieren. Wollten sie sich nicht zu Reparatur – und Umarbeitungswerkstätten reduzieren lassen, mussten sie Schmuckstücke liefern, mit denen sie in Entwurf und Ausarbeitung den Produkten der Industrie die Stirn bieten konnten. Es ist schön, dass diese Aufgabe von vielen Betrieben gemeistert wurde. Große Aufgaben bringen auch große Entwicklungen zutage und heute kann man sehen, dass sich die Präsenz kleiner Werkstätten in Entwurf, angewandter Technologie, feiner Ausarbeitung und professioneller Präsentation mit den Großen unserer Branche absolut messen kann. Viele Goldschmiede haben ihre anfängliche Scheu vor neuen Technologien bereits abgelegt und erkannt, dass diese gar nicht so andersartig zu herkömmlichen Goldschmiedewerkzeugen sind, wie sie anfangs meinten. Feine Juwelen können auch heute nicht ohne das nötige Handwerkszeug per Knopfdruck hergestellt werden. Meiner Überzeugung nach liegt die Zukunft unserer heimischen Produktion – wie könnte es anders sein – in einer guten Kombination aus solider Ausbildung in Entwurf und Technik, hohem Innovationsgrad, technologisch zukunftsorientierten Weichenstellungen für unsere Produktion und hoher Wendigkeit in der Vermarktung unserer heimisch produzierten Schätze. Wie haben mehr Konkurrenz denn je, aber wir haben auch mehr Möglichkeiten als wir jemals hatten. Die große Unbekannte bleibt allerdings, wie wir unseren heimischen Marktanteil in die nächste Generation bringen können. Die meisten österreichischen Produktionsbetriebe sind heute so klein, dass sie keinen Lehrling mehr ausbilden. Wollen wir, dass auch in zukünftigen Jahrzehnten feine Juwelen in Österreich hergestellt werden, müssen wir uns der Frage stellen, wie wir unser Fachwissen an zukünftige Goldschmiedegenerationen weitergeben wollen. Dieser Verantwortung müssen wir uns gemeinsam stellen.

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Schmuck ist meine Leidenschaft

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WOLFGANG HUFNAGL W W W. W H . C O . AT

oldschmied mein Beruf. Es beginnt 1963. Karl und Eveline Hufnagl eröffnen eine Werkstätte für kunsthandwerkliche Metallarbeiten und ich erblicke das Licht der Welt. Meine ersten Eindrücke in der Werkstatt meines Vaters waren prägend, das Arbeiten mit Metallen fasziniert mich und lässt mich nicht mehr los. Meine zweite Leidenschaft, die Musik, wird mich mein weiteres Leben begleiten, ich entscheide mich nach meiner Matura für die Lehre als Metalldrücker und Gürtler im elterlichen Betrieb und danach lerne ich bei Jarosinski & Vaugoin den Beruf des Goldund Silberschmieds. Meine Selbständigkeit beginnt im Jahr 1989 mit einer Goldschmiede in Mödling, nebenbei erlerne ich in Linz bei Prof. Leopold Rössler und Gabriela Breisach Gemmologie und Stilkunde. Die Verantwortung Wissen und Können weiterzugeben macht mir große Freude, bis zum heutigen Tag unterrichte ich in unterschiedlichsten Kursen und Seminaren. Vier Jahre verbrachte ich unterrichtender Weise an der Universität für angewandte Kunst in den Bereichen Metallgestaltung, Restaurierung und Konservierung. Mit dem Forum Goldschmiede ist ein Traum von mir in Erfüllung gegangen. Mit dem Entwurf und der Ausführung der Messgarnitur anlässlich der 900 Jahr Feier des Stifts Klosterneuburg habe ich die Tradition im Hause Hufnagl fortgeführt. Schmuckstücke mit Bedeutung und Inhalt sind mir nach wie vor ein Anliegen. Schmuck in allen Ausdrucksformen vom Geschmeide bis zum Gerät ist mir wichtig und verdient meinen vollen Einsatz, inhaltlich und körperlich, von der Idee bis zur Übergabe, Schmuck ist meine Leidenschaft – Goldschmied mein Beruf!

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G Die Wiener Silberschmiede im 18. Jahrhundert BARBARA KAMLER-WILD

enau vor 333 Jahren – nach dem Entsatz der Stadt und dem endgültigen Ende der Bedrohung durch die osmanischen Eroberungszüge – begann 1683 für Wien eine neue Ära. Die ungeheuren Mittel, die für die jahrzehntelangen militärischen Einsätze notwendig waren, entfielen und konnten für den Aufbau eingesetzt werden. Die Haupt- und Residenzstadt der Habsburger blühte auf und bekam das barocke Antlitz, das es noch heute prägt. Die Habsburger erachteten sich als siegreiche Verteidiger des wahren Glaubens, was dankbar gefeiert und mit unzähligen kirchlichen Bauprojekten dokumentiert wurde. Die Silberschmiedekunst spielte dabei keine unwesentliche Rolle, war sie doch besonders dafür geeignet, den Glanz und die Pracht der neuen Epoche widerzuspiegeln. Die Volksfrömmigkeit wurde allerorts anregt und gefördert. Liturgische Feiern wurden zu theatralischen, alle Sinne berührenden Schauspielen, in denen der warme Glanz des Goldes und das weiße Strahlen des Sil-

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bers überirdisches Licht verkörperten. Auf den Altären und in den Schatzkammern der Kathedralen, Wallfahrtskirchen und Klöster prangten prachtvolle silberne und goldene liturgische Gegenstände, Votivgaben und Reliquienschreine. Dem Wunsch, auch außerhalb der Messfeier in den Genuss des Heil spendenen Sanctissimum zu kommen, entsprach eine wachsende Zahl von eucharistischen Handlungen, wie Palmsonntags- und Fronleichnams-, Flur- und Wetter-, Bitt- und Buß-, Marien- und Kirchweihprozessionen. Den Großteil des Silberbedarfs deckten allerdings zunächst nicht Wiener Silberschmiede, sondern Augsburger Produzenten. Der freien Reichsstadt Augsburg war es gelungen, mit einem weitverzweigten Handelssystem eine unangefochtene Monopolstellung für Gold und Silber im deutsch-römischen Kaiserreich aufzubauen. Die Augsburger Produkte wurden auf den Frühlings- und Herbstmessen in Frankfurt und Leipzig angeboten und von Silberhändlern vertrieben. Ein Schwarm von Agenten, die meist als Goldschmiede ausgebildet waren, schwirrte mit Auftragsbüchern aus und nahm Bestellungen auf; die Vorfinanzierung der teilweise immensen Herstellungskosten übernahmen Augsburger Bankhäuser, die Silberminen betrieben. Mit dieser komplexen Unternehmerstruktur konnten die Wiener Silberschmiede vorerst weder ökonomisch noch künstlerisch mithalten. Die Wende brachte allerdings bald das befruchtende Wirken des späteren Kammergoldschmieds Johann Baptist Känischbauer (1668-1739), der mit den führenden Künstlern jener Zeit, wie Johann Bernhard Fischer von Erlach, Matthias Steinl und Lorenzo Mattielli, monumentale Projekte realisierte und Begründer einer Wiener Silbertradition war. Am Beispiel Mariazell wird dieser Wechsel sichtbar. Noch 1703 lieferte der namhafte Augsburger Meister Jacob Philipp Drentwett zwei große Silberengel und den Tabernakel in

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Form einer monumentalen silbernen Erdkugel. Später erhielt Drentwett noch den Auftrag für den Gnadenaltar in Form eines Säulentempels. 1719 wurde der silberne Hochaltar der Basilika allerdings schon bei Känischbauer bestellt. In der Mariazeller Schatzkammer lag auch das „Goldene Kindl“, das Kaiser Karl VI. und Kaiserin Elisabeth Christine nach dem Tod ihres einzigen Sohnes (1716) bei Känischbauer in Auftrag gaben. Es hatte die Größe des Kleinkindes und war ganz aus massivem Feingold. Der 7-monatige Knabe saß auf einem Polster und hielt ein flammendes Herz in der Hand. Die Loreto-Monstranz ist wohl Känischbauers berühmtestes und spektakulärstes Werk. Sie entstand 1699 für das Kloster Maria Loreto auf dem Prager Hradschin, vermutlich nach einem Entwurf von Fischer von Erlach. Im Zentrum der Komposition steht Maria Immakulata auf einer Weltkugel, auf der sich der Drache windet. Darüber erstrahlt eine Sonne aus über 4000 Diamanten. 1710 verpflichtete das Stift Klosterneuburg Känischbauer, eine Monstranz nach einem Modell von Matthias Steinl zu schaffen. Die 1714 vollendete Schleiermonstranz hat die Form eines Holunderbaumes, vor dem der Hl. Leopold kniet. Das Wirken Känischbauers befruchtete die Wiener Silberbranche und führte sie auf ein neues künstlerisches Niveau. Wien wurde wieder zu einem Zentrum der Silberschmiedekunst. Die Dominanz des Augsburger Silbers war gebrochen und der Strom an Augsburger Waren versiegte. Einer der bedeutendsten Nachfolger Känischbauers war Joseph Moser. Seine freiplastischen Goldschmiedearbeiten, wie das berühmte Kolomani-Reliquiar im Stift Melk oder die Bundesladenmonstranz im Wien Museum, verdanken ihre kühne Gestaltung der Tradition, die Känischbauer initiierte. Mosers Wirken deckte sich mit der Regierungszeit Kaiserin Maria Theresias. Für sie schuf er viele Kostbarkeiten, die oft einen

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privaten Anlass hatten, zum Beispiel kleine Votivgeschenke zum Dank für die Genesung ihrer Kinder. Das Kapuzinerkloster, das im Eigentum der Kaiserfamilie stand, beherbergt noch heute viele seiner Arbeiten. Große Projekte, wie die Mitwirkung an den Hochaltären der Wiener Michaelerkirche und Stift Klosterneuburg, verweisen auf seine hervorragende Stellung, die er auch als Vorsteher der Silberschmiedezunft hatte. Neben dem Kaiserhaus und den Ordensgemeinschaften förderten auch die Jesuiten mit bedeutenden Aufträgen die Entwicklung der österreichischen Barockkunst. Als Papst Clemens XIV die Societas Jesu 1773 auflöste, bedeutete das einen schmerzlichen Einschnitt für die Kunstschaffenden, auch für die Silberschmiede. Nach den siegreichen Schlachten gegen die Osmanen wurden viele Anstrengungen unternommen, die befreiten Territorien wieder unter die Fittiche der Pietas Austriaca zu holen. Kaiser Karl VI und seine Tochter Maria Theresia ließen zahlreiche Kirchen und Klös-

ter errichten, zum Beispiel die katholische Kathedrale des 1716 rückeroberten Temeswar, die in kaiserlichem Auftrag von erstrangigen Wiener Künstlern und Kunsthandwerkern ausgestattet wurde. Die Goldschmiedekunst erfreute sich an dem großen Bedarf an Kirchensilber, der sich in den neu gewonnenen Gebieten des Habsburgerreiches ergab. Die von Wiener Meistern gelieferten Arbeiten in Ungarn, Kroatien, dem Banat und heutigen Slowenien sind ausnahmslos von hoher Qualität und exzellente Beispiele für den Rang des Wiener Barocksilbers. Die Silberschmiedezunft entwickelte sich prächtig und hatte regen Zulauf. Sie war die vornehmste aller Bruderschaften und durfte sich bei der Fronleichnamsprozession als letzte einreihen, direkt vor dem Allerheiligsten. Die scharfen Regeln und deren strenge Kontrolle und Sanktionierung verliehen ihr ein außerordentlich hohes Ansehen. Die Tätigkeit der Störer und Silbertandler war der Innung deshalb ein Dorn im Auge. Störer waren Ge-

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sellen, die ihre Ausbildung nicht beendet hatten und ihr Gewerbe ohne das Meisterrecht ausübten. Die Zusammenarbeit mit ihnen war den Zechbrüdern strengstens untersagt. Wie schon der Begriff „Bruderschaft“ ausdrückt, hatte die Zunft wichtige soziale Aufgaben. Die Zeche übernahm auch die Versorgung der Witwen und Waisen, kümmerte sich um die kranken und notleidenden Mitbrüder und haftete ausnahmsweise auch für ihr Vergehen. Im Gegenzug nahm sie sich das Recht heraus, private Belange ihrer Mitglieder mitzubestimmen. Eine Bedingung für die Aufnahme ins Gremium war neben der ehelichen Geburt auch die Zugehörigkeit zur katholischen Religion. Der Geselle hatte ledig zu sein; der Meister allerdings musste bald heiraten: Spätestens ein Jahr nach der Eröffnung eines Meisterbetriebes hatte eine Ehefrau zu gewährleisten, dass die Gesellen und Lehrlinge, die mit unter seinem Dach lebten, versorgt waren. Die Bruderschaft investierte mehr und mehr in die Ausbildung ihrer Lehrlinge, die mindestens 10 Jahre dauerte, und suchte die Nähe zur akademischen Kunst. So wurde es für die Meisterrechtsanwärter ab 1773 sogar zur Pflicht, Zeichenunterricht zu nehmen. Schon vorher bot die 1767 vom Akademieprofessor Jacob Schmutzer gegründete und vom Silberschmied Anton Domanöck geleitete Manufactur- und Erzverschneiderschule den Gesellen die Möglichkeit, sich im Zeichnen und Modellieren zu vervollkommnen. Wichtige Voraussetzung für die Arbeit des Silber- und Goldschmieds waren die Musterblätter, die sowohl für die Gesamtkomposition als auch für die ornamentalen Details als Vorlage dienten. Die vielfältigen Schmuckmotive waren keine Erfindung der Goldschmiede, sondern wurden gestochenen Musterbüchern entnommen. Die Stecher waren oft als Goldschmiede ausgebildet und brachten somit beste Voraussetzungen für werkgerechte Vorlagen mit. In Wien hatte sich kein

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Musterstechergewerbe etabliert, sodass vor allem aus Süddeutschland importierte Blätter verwendet wurden. Naturgemäß beherrschte zunächst Augsburg auch diese ergänzende Nebensparte der Goldschmiedekunst. In großer Zahl wurden Stichfolgen dort publiziert und weit verbreitet. Es war eine Folge der Habsburgischen Ablehnung der französischen Kultur, dass das richtungsweisende Paris lange Zeit keine Rolle bei der stilistischen Entwicklung des Wiener Silbers spielte. Um die Jahrhundertmitte wandte sich Maria Theresia jedoch unter dem Einfluss des frankophilen Staatskanzlers Wenzel Graf Kaunitz-Rietberg immer stärker Frankreich zu. Die zögernde Aufnahme französischer Rokoko-Elemente erfolgte in Wien jedoch zu einer Zeit, als in Paris bereits der Klassizismus herrschte. Durch den Import moderner Lehrmittel aus Paris gelang es aber, dass sich die neue Mode auch in Wien rasch etablierte, wenn auch in der Wiener Spielart des Zopfstils oder Josephinismus. Der von der Antike geprägte Klassizismus bedeutete die Abkehr vom Überschwang des Barocks und Rokokos. Die neue Einfachheit forderte von der Goldschmiedekunst

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die Rückkehr zu mehr Funktionalität und die Selbstbeschränkung im Schmuck. Das 18. Jahrhundert schließt mit einer verheerenden Phase für den Silberbestand. Von dem Reichtum an profanem und sakralem Silber ist kaum mehr als ein Bruchteil erhalten. Schon die Aufhebungen der Klöster unter Joseph II. und die damit verbundenen Zerstörungen und Versteigerungen waren eine unermessliche Einbuße des Kirchenschatzes. Aber die größten Verluste verursachten die Einschmelzungen, die notwendig wurden, um die Kriege gegen Napoleon zu finanzieren. Bereits Kaiser Leopold I. hatte 1704 eine Silberablieferung angeordnet, um die Staatsschulden in den Türkenkriegen zu konsolidieren; sie betraf0 jedoch nur das profane Silber. Die drei Abgabephasen unter Kaiser Franz II. vernichteten aber nahezu vollkommen die Ergebnisse der außerordentlich fruchtbaren Silberproduktion des 18. Jahrhunderts. Der erste Aufruf 1792 richtete sich zunächst nur an die Klöster, die durch Abgabe ihres Silbers die Finanzierung des 1. Koalitionskrieges gegen Napoleon unterstützen mussten. Als die Lage des Staatshaushalts immer prekärer wurde, forderte der Kaiser 1806 von allen Untertanen einen Beitrag. In einer mehrmonatigen Ablieferungsphase mussten sämtliche Gold- und Silberwaren - profane und sakrale - dem k. k.

Münzamt zum Einschmelzen abgeliefert werden. Nur eine Abgabe – 12 Kreuzer pro Lot Silber, 20 Kreuzer pro Dukatenschwere Gold – konnte ein Stück vor dem Schmelztiegel bewahren, was durch das Einschlagen der Repunze dokumentiert wurde. Der nächste Schlag kam 1809. Da in den Kriegsjahren kaum neues Silber produziert worden war, betraf es wieder jene Preziosen, die bereits einmal rückgekauft worden waren. Neben der Repunze wurde nun der Befreiungsstempel eingeschlagen. Der Betrag, der nun für den Befreiungs- oder Freistempel gezahlt werden musste, war gegenüber der ersten Taxe stark erhöht worden. Die Vermünzungen der Napoleonischen Kriegen haben den alten Silberbestand so stark dezimiert, dass das heutige Bild bei weitem nicht mehr der ehemaligen Produktion entspricht. Das profane Tafelsilber ist nur mehr rudimentär vorhanden. Die erhaltenen Kirchenschätze blieben aus Pietät, aus Respekt vor dem Alter eines Kunstwerks oder der Leistung eines Künstlers verschont. Wir haben es ihren Eigentümern zu danken, dass sie durch ihr Geldopfer die bemerkenswerten Leistungen der Wiener Goldschmiede retteten und auf diese Weise der Nachwelt einen Teil unseres kulturellen Erbes überlieferten.

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Gold & Co. Ein verlässlicher Partner in Sachen Gold W W W. G O L D U N D C O . AT

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old & Co. ist ein österreichisches Familienunternehmen und Experte für den An- und Verkauf von Gold. Gold&Co. schließt im Edelmetallbereich die Lücke zwischen dem Geschäftsfeld einer Bank, einem Gold- und Edelsteinhändler und einem Antikschmuck-Geschäft. Im Verkauf können Kunden aus einer großen Auswahl an Edelmetall-Anlageprodukten namhaftester Hersteller, wie Münze Österreich oder Argor Heraeus wählen. Schmuckwaren werden nicht angeboten. Der Firmengründer, Mag. Walter Hell-Höflinger stammt aus Kärnten und ist seit mehreren Jahrzehnten in der Edelmetall-Branche tätig. Er blickt auf eine über 120-jährige Familientradition in der Branche zurück, die bereits 1892 mit seinem Urgroßvater begann. Im elterlichen Betrieb Tauerngold KG konnte er sich zu seiner Berufsausbildung auch alle Facetten der Schmuckerzeugung bis hin zum Recycling von Edelmetallen aneignen. 2009 erfolgte der Schritt in die Selbstständigkeit zusammen mit seiner Frau. Mag. Maria Hell-Höflinger, die ebenso bereits während ihres Studiums der Betriebswirtschaftslehre vielfältige Erfahrungen

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im Marketing von Unternehmen sammelte. Bei Gold&Co. ist Transparenz oberste Prämisse. Kunden werden auf transparente und nachvollziehbare Weise über den über sie optimalen Verkauf von jeglichem Edelmetall beraten. Bei Gold&Co. können Kunden nicht nur jede Art von Bruchgold oder Anlagegold verkaufen, sondern erhalten auch eine individuelle, maßgeschneiderte und praxisnahe Beratung zum Edelmetall-Investment. Das gesamte Team wird regelmäßig und profund geschult, wodurch ein hohes Beratungs- und Prüfniveau erreicht wird. Zudem vertieft jeder einzelne Mitarbeiter, je nach persönlichem Interesse, Spezialgebiete wie Edelmetall-Investment, Edelsteine, Numismatik oder antiken Schmuck. Aufgrund von immer häufiger auftretenden Fälschungen hat sich das Unternehmen zudem auf die Echtheitsprüfung von Edelmetallbarren und Anlagegoldmünzen mittels modernster Untersuchungsmethoden spezialisiert. Das Unternehmen betreibt aktuell zwei Filialen – eine am Alsergrund und eine weitere am Kagranerplatz.

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Die Wiener Silber Manufactur BARBARA KAMLER-WILD W I E N E R S I L B E R M A N U FA C T U R . C O M

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as 650 Jahre Jubiläum ist für die Wiener Silberschmiedekunst, die einen immensen Schatz an Altar- und Tafelschmuck hervorgebracht hat, wahrlich ein Grund zum Feiern. Ist es doch fast ein Wunder, dass in Wien – zum Unterschied von den meisten Städten in Europa – noch zwei Betriebe existieren, die die Silberproduktion beherrschen und mit neuen Kreationen bereichern. Es ist die Wiener Silber Manufactur, wie auch Jarosinski & Vaugoin, welche die Geschichte des Wiener Silbers lebendig halten und in die Welt hinaus tragen. Die Wiener Silber Manufactur wurzelt in der Firma Alexander Sturm, die 1882 gegründet wurde, in einer Zeit, in der es in Wien hunderte von Silberateliers gab. Sturm versorgte seine Klientel mit Silberwaren in historistischem Stil aber er war auch mutig genug, um zusammen mit Josef Hoffmann und Kolo Moser, den progressiven Leitfiguren der Wiener Secession, völlig Neues zu wagen. Hoffmann entwarf das Modell Nr. 135, einen Meilenstein in der Ent-

wicklung des Bestecks. 1902, noch vor der Gründung der Wiener Werkstätte von Sturm realisiert, hat es bis heute nichts von seiner Radikalität verloren. Auch Otto Prutscher und Oswald Haerdtl lieferten innovative Beiträge für Sturm. Sie sind Musterbeispiele des formschönen Wiener Designs und tragen dazu bei, dass das Wiener Silber weltweit ein ausgezeichnetes Image genießt. Die Firma Alexander Sturm hatte genau 100 Jahre Bestand, was angesichts des europaweiten Silberschmiedesterbens eine bemerkenswerte Leistung war. Sie hinterließ ein reiches Erbe, das von der Wiener Silber Manufactur weitergeführt wird. Nach einer schwierigen Zeit kam 2009 der Neuanfang. Aus Leidenschaft für das alte Handwerk übernahm der Unternehmer Georg Stradiot die vom endgültigen Aus bedrohte, hochqualifizierte Mannschaft. Er erwarb das Archiv, die Stanzen und Werkzeuge und sicherte so das Weiterleben der Werkstatt. Unter neuem Namen und mit der Vision, dem Wiener Silber in der Welt Erfolg zu verschaffen, startete die Produktion. Im Fokus steht erneut die Kooperation mit Künstlern und Designern von Rang, wie Zaha Hadid, Erwin Wurm, Wolfgang Joop, Tomás Alonso und vielen anderen. Die spektakuläre Kollektion von zeitgenössischen, handgeschmiedeten Designobjekten der Wiener Silber Manufactur ist mittlerweile international anerkannt und richtungsweisend für die Zukunft.

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Jarosinski & Vaugoin

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ie Geschichte der Silberschmiede Jarosinski & Vaugoin, beginnt im Jahr 1847: Wien, Herzstück der österreichisch-ungarischen Monarchie, ist führend in Europa auf dem Gebiet der Herstellung von Gold- und Silberwaren. Carl Vaugoin spezialisiert sich früh auf schwere handgeschlagene Tafelbestecke und legt damit den Grundstein für die heute erfolgreiche Silberproduktion auf höchstem Niveau. Die Kriterien Qualität, Eleganz und Verwendbarkeit haben sich von Beginn an tief in die Firmenphilosophie eingeprägt und spiegeln sich heute noch in der Verarbeitung jedes einzelnen Stücks wider. Das Bewusstsein, wertvolle und dauerhafte Objekte oberster Güte aus einem wundervollen Edelmetall herzustellen, wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Stets ging man jedoch auch mit der Zeit und verstand es meisterhaft, Tradition und Fortschritt zu vereinen. Die unzähligen Entwürfe, Modelle und Formen, darunter Werke von Josef Hoffmann, zeugen auch heute davon. Zwei ehrenvolle Staatsaufträge durfte das Unternehmen ausführen: Der „Donnerbrunnen“ am Neuen Markt wurde in Silber nachgefertigt und 1955 zur Unterzeichnung des Staatsvertrags dem damaligen sowjetischen Außenminister Mo-

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lotow als Geschenk überreicht. Ein weiterer wichtiger Auftrag war die Nachbildung der „Saliera“ von Benvenuto Cellini, die 1966 Königin Elisabeth II. von Großbritannien bei ihrem Staatsbesuch überreicht wurde. Jarosinski & Vaugoin fertigt nach wie vor Repliken des wohl berühmtesten Salzfasses. Seit 2003 leitet Mag. Jean-Paul Vaugoin die Geschicke des Hauses. Durch intensive Kontakte mit internationalen Partnern konnten in den vergangenen Jahren große Aufträge weltweit erfolgreich realisiert werden. Weiters rücken auch wieder Kooperationen mit erfolgreichen Designern in den Fokus, wodurch immer wieder neue, spannende Produkte entstehen. Die Silberschmiede ist Wiens traditionsreichste und älteste Silbermanufaktur. Seit annähernd 170 Jahren erzeugt Jarosinski & Vaugoin kostbare Bestecke, Schalen, Leuchter, Taufgeschenke sowie Schmuck und Kunstgegenstände aus qualitativ hochwertigem Silber. Die Formenvielfalt der mehr als 200 verschiedenen Besteckmuster reicht vom Rokoko bis in die Moderne. Sonderanfertigungen und Gravuren können genau nach Kundenwunsch realisiert werden. Der Name Jarosinski & Vaugoin steht weltweit für erstklassige Handwerkskunst und exquisites Silberdesign.

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Am Golde hängt doch Alles! Gold- und Silberschmiede in Literatur und Musik G A B R I E L A B R E I S A C H | M AT T H I A S M I C H A E L

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er kennt es nicht, das berühmte Zitat des Gretchens aus Goethes „Faust“? Dennoch erscheint der Goldschmied in der deutschsprachigen Literatur nicht allzu oft. Es sind eher die literarischen Perlen, die sich mit dem Goldschmiedehandwerk befassen, und gelegentlich auch vertont wurden. Benvenuto Cellini. Aber bleiben wir beim Geheimen Rat J. W. von Goethe. Seine 1796 erstellte Übersetzung der Autobiografie des wohl berühmtesten Goldschmieds aller Zeiten, Benvenuto Cellini, ist bis heute die einzig brauchbare Informationsquelle über das Leben des Florentiner Künstlers. Cellini begann 1557, im Alter von 57 Jahren, seine Lebenserinnerungen niederzuschreiben, welche in der Originalfassung erst 1728 und in einer englischen Übersetzung erst 1771 erschienen. Seine Lebensbeschreibung liest sich wie ein Abenteuerroman von literarischem Rang. Goethe hat die Übersetzung mit einem Anhang versehen, der auch aufschlussreiche Ausführungen über Edelsteine, Niello, Filigran, Email und getriebene Arbeiten enthält. Auf Basis dieses Buches schrieb Hector

Berlioz 1838 seine Komische Oper „Benvenuto Cellini“, die sich aber trotz schöner Melodien und der berühmten Ouvertüre nicht durchgesetzt hat. Goethe schrieb darüber hinaus 1808 den Text zu einem Lied mit dem Titel „Der Goldschmiedsgesell“ sowie die Verse „Zu Ephesus ein Goldschmied saß - In seiner Werkstatt, pochte, - So gut er konnt, ohn Unterlaß, - So zierlich ers vermochte.“ Diesen namentlich genannten Goldschmied finden wir im Neuen Testament, nämlich in der Apostelgeschichte Kap. 19, Verse 24 ff. Hier tritt der Goldschmied Demetrius als Standesvertreter der Goldschmiede von Ephesus auf, die mit der Anfertigung von silbernen Dianatempeln als Devotionalien große Gewinne erzielten. Mademoiselle de Scuderi. Unter den Romanen und Erzählungen über Goldschmiede ist wohl die Kriminalgeschichte „Das Fräulein von Scuderi“, die E.T.A. HOFFMANN 1819 veröffentlicht hatte, am bekanntesten. Sie gilt als der Goldschmiedekrimi schlechthin. Mittelpunkt der in Paris spielenden Geschichte ist der Goldschmied René Cardillac, dessen Geselle, die greise Dichterin

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Madeleine de Scuderi sowie eine Reihe von Raubmorden und Dämonen. Dieser Kriminalgeschichte liegt eine Anekdote aus der Zeit Ludwigs XIV. zugrunde. Die von E.T.A. Hoffmann verfasste Erzählung regte mehrere Dichter und Komponisten zu Umsetzungen an: A. Lewald schrieb 1824 das Drama „Der Diamantenraub von Paris“, C. von Leonhard schrieb 1848 das Schauspiel „Das Fräulein von Scuderi“ und Otto Ludwig im gleichen Jahr ebenfalls ein Schauspiel „Das Fräulein von Scuderi“. Paul HINDEMITH komponierte die Oper „Cardillac“ (1926 mit Neubearbeitung 1952), zu der Ferdinand Lion den Handlungstext schrieb. Auch hier wird der Goldschmied in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Nach der Verfemung Hindemiths durch die Nazis wurde seine Oper von Fried Walter als „Andreas Wolfius“ an den Hof Augusts des Starken verlagert und 1940 in der Berliner Staatsoper erfolgreich aufgeführt. Die Oper „Cardillac“ von Hindemith wurde 1965 in der Staatsoper München mit Dietrich Fischer-Dieskau als dem überragenden Titelhelden auf die Bühne gebracht. Mit Musik aus den Werken von Jacques OFFENBACH wurde der Erzählstoff E.T.A. Hoffmanns, diesmal als romantische Oper in drei Akten, unter dem Titel „Der Goldschmied von Toledo“ 1919 in Mannheim uraufgeführt. Räuber im Spessart. Ganz anders als bei E.T.A. Hoffmann erscheint der Goldschmied bei Wilhelm HAUFF in der Erzählung „Das Wirtshaus im Spessart“ (1828). Hier geht es um einen jungen Goldschmied, der als Gesellenstück einen kostbaren Goldschmuck angefertigt hat. Eine Räuberbande, eine Gräfin als Geisel, Lösegeld und ein ehrbarer Räuberhauptmann sind die Schwerpunkte der Geschichte, die 1958 mit Liselotte Pulver verfilmt wurde und den Deutschen Filmpreis erhielt. Unnötiges Gewerbe. Aber nicht alle Autoren schätzten den Goldschmied und seine

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Stellung in der Gesellschaft so hoch ein. Der Humanist Thomas MORUS (1478–1535) entwarf in seiner „Utopia“ einen gesellschaftstheoretischen Idealstaat. Darin will er nur wirtschaftlich notwendige Handwerkstätigkeiten zulassen. Er spricht von „vielerlei ganz unnützen und überflüssigen Gewerben“. Den Wert des Goldes und des Silbers schätzen seine Utopier so gering, dass sie daraus „Nachtgeschirre und lauter für niedrigste Zwecke bestimmte Gefäße“ fertigen. Immerhin schmückten die Utopier ihre kleinen Kinder mit Perlen, Diamant und Karfunkel, „die solchen Tand aber ablegen, wenn sie größer geworden sind“. Märchenhaft und poetisch. Von Winfried KERKHOFF stammt „Die goldene Rose“, ein Märchen, in dem zwei Goldschmiede im Auftrage von Königssöhnen, die um die Hand einer Königstochter anhalten wollen, sich durch die Anfertigung einer goldenen, mit Edelsteinen besetzten Rose gegenseitig übertreffen wollen. Ludwig BECHSTEIN schrieb das Märchen „Die dankbaren Tiere“, in welchem der Goldschmied des Königs von einem Pilger aus Todesnot gerettet wird. In dem Märchen „Die Geschenke des kleinen Volkes“ der BRÜDER GRIMM wird ein buckliger Goldschmied auf der Wanderschaft für seine Habgier bestraft. Im Märchen „Die zwei Brüder“, ebenfalls von Grimm, hat ein reicher Goldschmied einen armen Bruder. Der Reiche war böse und listig. Auf wunderbare Weise werden aber die Söhne des Armen wohlhabend, und einer wird sogar König. In zwei weiteren Grimmschen Märchen spielt der Goldschmied nur eine Nebenrolle: Im Märchen „Von dem Machandelboom“ schenkt der Goldschmied einem verzauberten Vogel bereitwillig eine goldene Kette, damit dieser sein seltsames Lied nochmals singt. Im „Geist in der Flasche“ nimmt der Goldschmied eine beschädigte silberne Axt in Zahlung. Rainer Maria RILKE widmet zwei Gedichte dem Goldschmied. Unter dem Titel „Der

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Goldschmied“ drückt er die Empfindungen des Goldschmieds bei der Anfertigung eines Schmuckstücks aus. Unter der Überschrift „Der Reliquienschrein“ wirft sich der Goldschmied, als das Weihgeschenk fertig vor ihm steht, weinend vor Rührung auf die Knie. Der Bruch eines vermeintlich ewigen Bundes, der Ehe, ist Thema in Joseph EICHENDORFFs Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“. Ludwig UHLAND schuf die Ballade „Des Goldschmieds Töchterlein“. In 13 Strophen wird erzählt, wie ein schmucker Ritter bei einem Goldschmied ein Kränzlein und ein Ringlein mit einem teuren Diamanten für seine süße Braut bestellt. Carl Loewe hat dieses Lied für Singstimme und Klavier vertont. Nathan und die Ringe. In Gotthold Ephraim LESSINGs Drama „Nathan der Weise“, das 1779 veröffentlicht und 1783 in Berlin uraufgeführt wurde, spielen drei Ringe eine zentrale Rolle. Die darin enthalten „Ringparabel“ gilt als ein Schlüsseltext des Humanismus und des Toleranzgedankens der Aufklärung des 18. Jh. Sie geht u. a. auf eine Erzählung aus Giovanni Boccaccio’s „Decamerone“, entstanden um 1350, zurück. Bei Lessing lässt Sultan Saladin Nathan zu sich rufen und legt ihm die Frage vor, welche der drei monotheistischen Religionen (Christentum, Judentum, Islam) er für die wahre halte. Um einer klaren Antwort auszuweichen antwortet er mit einem Gleichnis: Ein Mann besitzt ein wertvolles Familienerbstück, einen Ring, der die Eigenschaft hat, seinen Träger „vor Gott und den Menschen angenehm“ zu machen. Dieser Ring wurde über viele Generationen vom Vater an jenen Sohn vererbt, den er am meisten liebte. Doch eines Tages tritt der Fall ein, dass ein Vater drei Söhne hat und keinen von ihnen bevorzugen will. Deshalb lässt er sich von einem Goldschmied exakte Duplikate des Ringes herstellen, vererbt jedem seiner Söhne einen der Ringe und versichert jedem, sein Ring sei der echte. Nach dem

Tode des Vaters ziehen die Söhne vor Gericht, um klären zu lassen, welcher von den drei Ringen der echte sei. Der Richter aber ist außerstande, dies zu ermitteln. Er erinnert die drei Männer daran, dass der echte Ring die Eigenschaft habe, den Träger bei allen anderen Menschen beliebt zu machen; wenn aber dieser Effekt bei keinem der drei eingetreten sei, dann könne das wohl nur heißen, dass der echte Ring verloren gegangen sei. Er gibt den Söhnen den Rat, jeder von ihnen solle daran glauben, dass sein Ring der echte sei. Ihr Vater habe alle drei gleich gern gehabt und es deshalb nicht ertragen können, einen von ihnen zu begünstigen und die beiden anderen zu kränken. Wenn einer der Ringe der echte sei, dann werde sich dies in der Zukunft an der ihm nachgesagten Wirkung zeigen. Auch Hans SACHS (1494–1576), ein Nürnberger „Meistersinger“ und Dramatiker, dichtete bereits Anfang im 16. Jh. über den Juden mit den drei Ringen: „Er fand ein sin in diesen sachen, ließ heimlich ein goldschmid zwen ring noch machen“, womit wir eine frühe Fassung der Ringparabel vor uns haben. Germanische Tragödien. Der Komponist Richard WAGNER machte nicht nur Hans Sachs in seiner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ zu einer der Hauptfiguren, er widmete sich dem Thema Schmuck und Goldschmiede auch in seinem Werk „Rheingold“ aus der Trilogie „Der Ring des Nibelungen“. Elfriede JELINEK, Literaturnobelpreisträgerin von 2004, publizierte 2013 ein Prosawerk mit dem Titel „rein GOLD. ein Bühnenessay“, in dem es um den Stellenwert und die Wirkungsmacht von Gold und Geld im Kapitalismus geht. rein GOLD entstand auf Anregung der Bayerischen Staatsoper München und basiert nach Angaben der Autorin an erster Stelle auf dem Libretto und dem Prosaentwurf von Richard Wagners Ring des Nibelungen. Neue Literatur und Belletristik. Tonke DRAGT, eine niederländische Kinder- und Jugendbuchschriftstellerin hat im Jahre 1961

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Geschichten von ungleichen Zwillingsbrüdern unter dem Titel „Der Goldschmied und der Dieb“ geschrieben. Der deutsche Autor Roland MUELLER debütierte 1998 erfolgreich mit dem im Mittelalter spielenden historischen Roman „Der Goldschmied“ und dessen Fortsetzung „Das Schwert des Goldschmieds“. Im Jahre 2002 ist der Roman „Die Wunder des Himmels“ von Alexandra JONES in deutscher Übersetzung erschienen. Er spielt in der Zeit von 1910 bis 1920 und handelt von einem englischen Mädchen, das davon träumt, Goldschmiedin zu werden und bei dem berühmtesten Goldschmied seiner Zeit, Peter Carl Fabergé, in die Lehre zu gehen. Aus dem Spanischen übersetzt erschien 2005 ein kleiner Roman „Das Geheimnis des Goldschmieds“ von Elia BARCELÓ. Ein erfolgreicher Schmuckdesigner widmet die schönsten Stücke seiner Kollektion einer Frau, die er nicht vergessen kann. Die spanische Kriminalgeschichte „Von der Hand des Künstlers“ von Andrea CAMILLERI ist 2006 in deutscher Sprache erschienen. Sie handelt von einem exzentrischen Büchersammler und Goldschmied, der in einem zum elektrischen Stuhl umgebauten Rollstuhl tot aufgefunden wird. War es Selbstmord? Der 2007 erschienene Roman „Die Goldschmiedin“ von Sina BEERWALD spielt im Augsburg im Jahre 1742: Zur Krönung Kaiser Karls VII. soll der berühmte Goldschmied Drentwett binnen kürzester Frist die Hauskrone erschaffen. Doch eine heimtückische Krankheit raubt ihm sein Augenlicht. Die junge Magd Juliane ist seine einzige Rettung. Im Verborgenen lehrt er sie die Kunst des Goldschmiedens. Ebenfalls 2007 erschienen sechs Audio-CDs von Jörg KASTNER mit dem Titel „Engelspapst“. Die Geschichte geht von dem zu Beginn dieses Jahrtausends im Vatikan erfolgten mysteriösen Mord an dem Kommandanten der Schweizergarde aus. Der Neffe des Ermordeten, Alexander Rosin, ein

Adjutant der Garde, versucht, den Fall aufzuklären und gerät tief in die Machtstrukturen des Vatikans. Dabei stößt er auf ein Manuskript, in welchem ein Schweizergardist der Renaissancezeit von seinen Abenteuern mit dem berühmten Goldschmied Benvenuto Cellini berichtet und von einem geheimnisumwitterten Smaragd, der „Die wahre Ähnlichkeit Christi“ genannt wird. In der vorliegenden Aufstellung darf auch Karol WOJTYLA, der spätere Papst Johannes Paul II. nicht fehlen, der 1960 ein dreiteiliges Wortdrama „Der Laden des Goldschmieds – szenische Meditationen über Liebe und Ehe“ in polnischer Sprache geschrieben hat. Wien, Wien, nur du allein. Die Geschichte des Goldschmieds Josef STRASSER, dem es gelang, diamantähnliche Steine herzustellen, ist weltweit bekannt. Er lebte Mitte des 18. Jh. in Wien-Josefstadt und errang durch seine Kunstfertigkeit die Aufmerksamkeit der Kaiserin Maria-Theresia. Eine andere Version siedelt die Erfindung der „Strass-Steine“ fast gleichzeitig in Paris und Straßburg an. Welche mag wohl die richtige sein? Der österreichische Komponist Alexander STEINBRECHER schrieb jedenfalls über den Wiener Strasser seine Operette „Brillanten aus Wien“, die 1940 uraufgeführt wurde. In der Josefstadt wohnten und arbeiteten auch als „Bürgerliche Goldarbeiter“ die Vorfahren von Henriette Treffz, der ersten Gattin des Walzerkönigs Johann Strauß. Ein wiener Goldschmied dichtete zur Musik des „Fiakerliedes“ einen neuen Text: „I bin a alter Goldschmied...“ Nicht zu vergessen den großen Meister der Silbernen Operettenära, den Josefstädter Edmund EYSLER, der den Goldschmieden in seiner Operette „Die Gold’ne Meisterin“ ein unverwechselbares Denkmal setzte. „Es ist eine Ehre ein Goldschmied zu sein...“ textete sein Schüler, Prof. Ludwig BREISACH, im Jahr 2000 in seinem Lied „Der Goldschmied“.

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Und so soll es auch bleiben. 93


Mitten im 7. Im Bezirk alteingesessener Wiener Goldschmiede und Schmuckhändler, wurde 1906 die Firma „Baier´s Enkel“ eröffnet. W W W. B A I ERS .AT

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n den Gründungsjahren lag der Schwerpunkt noch in der Erzeugung und im Handel von Bedarfsartikeln für Galvanotechnik und Metallschleifer. Später, in den 50er und 70er Jahren wurde das Angebot wesentlich erweitert und neue Kundengruppen angesprochen. Aus Begeisterung der Geschäftsinhaber für die Gold- und Silberschmiedekunst sowie aus Liebe zum Edelstein- und Mineralienschleifen wurde das Angebot für diese Handwerkskünste immer mehr und mehr zum Mittelpunkt des Produktangebotes. „So wie ein Häuslbauer im Baumarkt bekommt, was er braucht, findet unsereins bei „Baier´s Enkel“ sein Spezialwerkzeug für´s präzise Arbeiten.“ So eine anerkannte Goldschmiedin und Edelsteinschleiferin. Tatsächlich hat sich der Laden zum „Marktplatz“ der Gold-, Silberschmiede, Mineralienund Edelsteinschleifer gemausert. Hier plaudern Gemmologen über einen besonderen „Einschluss“, Geologen über einen neu entdeckten Fundort, Edelsteinschleifer über einen besonders funkelnden Schliff oder Goldschmiede über einen „tollen“ Ringriegel. In den Regalen stöbert der Kunde gerne in den verschiedenen Zangen, Hämmern, Sägen oder Polierscheiben. Auch in Fachbüchern wird über Oberflächengestaltung, Schmuckdesign oder Schmieden geschmökert. Neben dem Angebot von neuem, modernem Werkzeug erzeugt die Präsentation

von „Second Hand“ Werkzeug und Maschinen aus altgedienten Werkstätten eine stimmungsvolle Atmosphäre. Die Geschäftsinhaberin, Michaela Matzl, freut es besonders, auch Kurse für das Edelsteinschleifen anbieten zu können. So haben schon einige Goldschmiede gelernt, den Stein für Ihr Schmuckstück selbst in Form und Glanz zu bringen. Die eigene Erzeugung von Polierscheiben und Pasten ermöglicht eine kundenspezifische individuelle Anfertigung je nach Bedarf. Dies steht im Einklang mit der Philosophie von „Baier´s Enkel“, dem Kunden eine gute und nette Beratung, aber auch branchenübergreifende Erfahrung anzubieten.

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3 Generationen begeistern die Welt S E I T N E R S C H M U C K W E R K S TAT T W W W. S E I T N E R . C O . AT

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eit 3 Generationen begeistert die Welt des Goldschmiedens, des Designs, der Edelmetalle und Edelsteine den Familienbetrieb bzw. die Schmuckwerkstatt Seitner. Alfred Seitner, der Großvater von Katja Seitner übernahm 1950 die Werkstättenleitung des Wiener Juweliers Anton Heldwein. Nach seiner Meisterprüfung im Jahr 1959 machte er sich selbständig und gründete eine Goldschmiedewerkstatt in der Frankenberggasse in Wien. Seine Tochter Helga Dworzak-Seitner absolvierte 1975 die Meisterprüfung. Manfred Seitner, der Sohn von Alfred, trat nach 10-jähriger Tätigkeit als Maschinenbautechniker ebenfalls in die Fußstapfen seines Vaters. Helga und Manfred übernahmen 1985 die Firma ihres Vaters. Fünf Jahre später gründeten sie eine gemeinsame Firma mit Juwelier Schullin. Die Firma Schullin + Seitner bestand erfolgreiche 10 Jahre lang.

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Manfred Seitners Sohn Rainer und seine Töchter Katja und Miriam legten alle erfolgreich die Gesellenprüfung für Gold und Silberschmiede ab (1994, 1997 und 2011). Katja Haschka-Seitner absolvierte von 1999 - 2001 ihren Master (Gold- Silversmithing, Metalwork and Jewellery ) am Royal College of Art in London und trat anschließend wieder in die Firma ein. Seit 2011 ist sie Geschäftsführerin der Seitner Schmuckwerkstatt. Tatkräftig unterstützt wird der Familienbetrieb seit 25 Jahren von Uhrmachermeister und Goldschmiedegeselle Christian Zunzer. Seit der Gründung der Firma Seitner Schmuckwerkstatt im Jahr 2000 befindet sich das Atelier im Herzen Wiens. Im Mezzanin, direkt über dem Wiener Cafè Hawelka, werden alle Schmuckstücke entworfen und produziert. Vorwiegend wird Unikatschmuck, aber auch Kleinserien hergestellt. Hauptsächlich finden Materialien wie 18-karätiges Gold und Edelsteinen wie Diamanten, Saphire, Turmaline, Berylle, Citrine und Aquamarine Verwendung. Aber auch Edelstahlkollektionen mit selbst kreierten Steinschliffen erweitern die umfangreiche Produktpalette. Zudem begeistert Miriam Seitners Pferdekollektion mit abgeformten Pferdehaaren nicht nur Pferdeliebhaber. Design und dessen Weiterentwicklung stehen für die Seitner Schmuckwerkstatt im Vordergrund.

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A Die Wiener Werkstätte Schmuck und Tafelgerät DR. ELISABETH SCHMUTTERMEIER S A M M L U N G M E TA L L U N D W I E N E R - W E R K S TÄT T E - A R C H I V, M A K

m 19. Mai 1903 wird die „Wiener Werkstätte Productivgenossenschaft von Kunsthandwerkern in Wien” in das Genossenschaftsregister des Handelsgerichts Wien eingetragen. Als Direktoren fungieren der Architekt Josef Hoffmann und der Maler Koloman Moser, als Kassier der Textilindustrielle Fritz Waerndorfer. Am 7. August erhält die Wiener Werkstätte die Gewerbeberechtigung für das Gold-, Silber und Juwelenarbeitergewerbe, sowie für die Gürtler- und Bronzewarenerzeugung. Als Betriebsort wird in den Gewerbescheinen jeweils die Heumühlgasse 6 angegeben. Diese erste Niederlassung im 4. Bezirk besteht aus einer Wohnung, die in zwei größere und ein kleineres Zimmer unterteilt war. Die beiden größeren Räume dienen als Metall- und Silberwerkstätten, der kleinere Raum wird als Büro genutzt. In den Räumlichkeiten arbeiten zu Beginn drei Handwerker, nämlich der Gürtler Konrad Koch, sein Gehilfe Konrad Schindel sowie der Silberschmiedemeister Karl Kallert. Koch und Kallert fungieren auch als verantwortliche Geschäftsführer, da die ‚Direktoren‘ in Ermangelung einer handwerklichen Ausbildung keine Gewerbeerlaubnis bekommen hätten. Das Fehlen von Arbeitsräumen für andere handwerkliche Berufe unterstreicht das ursprüngliche Vorhaben, nur eine Metallwerkstätte gründen zu wollen. Trotzdem scheint die Wohnung auch für eine eingeschränkte Produktion zu klein gewesen zu sein. Eine größere Betriebsfläche wird gesucht und in der Nähe auch gefunden, nämlich in einem für diese Zwecke adaptierten Neubau in der Neustiftgasse 32-34. Ende 1903/Anfang 1904 scheint die Übersiedlung stattgefunden zu haben. In dem neuen Gebäude werden nun, in drei Geschoßen verteilt, mit den bestehenden Metallwerkstätten, eine Buchbinderei, eine Lederwerkstätte sowie eine Lackiererei und eine Tischlerei vereinigt. Die Silber- und Goldschmiedewerkstätte wird durch Josef Hossfeld als Werkmeister und Eugen Pflaumer erweitert.

1 Deckelpokal, Entwurf: Josef Hoffmann Ausführung: Fa.Würbel & Czokally und Fa. Vinzenz,Mayer‘s Söhne, Wien 1902 Silber, Lapislazuli – MAK

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Mosers und Hoffmanns erste Entwürfe für die Wiener Werkstätte schließen nahtlos an die kleine Zahl von Metallgegenständen an, welche die Wiener Silberschmiedefirmen Alexander Sturm und Würbel & Czokally um 1902 nach Ideen der beiden Künstler, formal von England beeinflusst, ausgeführt haben. (Abb.1) Hoffmann und Moser lösen sich jedoch nach Eintritt in die Werkstätten Gemeinschaft von dem englischen Vorbild und zeichnen eigenständige Formen mit äußerst sparsamen bis nicht vorhandenem Dekor. Ähnliche Formen finden sich auch in der eigenen österreichischen Vergangenheit, nämlich in den kunsthandwerklichen Gegenständen des 1. Drittels des 19. Jahrhunderts, wieder. Die Schlichtheit der biedermeierlichen Möbel und eines Teils des Silbers wurde aufgrund ihrer Funktionalität und Materialgerechtigkeit von den zeitgenössischen Publizisten immer wieder mit Hoffmann‘schen Entwürfen verglichen. Gemeinsam ist diesen Gegenständen ein geometrischer oder symmetrischer Aufbau mit glatter Oberfläche. Zuweilen wird diese in der Wiener Werkstätte durch den Hammerschlag des Handwerkers aufgeraut, gelegentlich durch gefasste Schmucksteine als Farbakzente belebt.(Abb.2) Die Vorliebe für die Verwendung gemugelter und nicht geschliffener Steine kam ebenfalls aus England. Die Künstler der ‚Arts and Crafts‘ Bewegung, die für die Wiener Vorbild waren, beriefen

„Wir lieben das Silber des Silber- das Gold des Goldglanzes wegen; uns ist das Kupfer in künstlerischer Beziehung ebenso wertvoll wie die edlen Metalle. Wir müssen gestehen, dass ein Schmuck aus Silber an sich ebenso wertvoll sein kann wie ein solcher aus Gold oder Edelsteinen.“ (Programm der Wiener Werkstätte 1905)

sich zum einen auf das mittelalterliche Goldschmiedehandwerk, und somit auf eine Zeit, in der das Schneiden der Steine noch nicht betrieben wurde. Zum anderen geht diese Tendenz auf eine, aus der Kronkolonie Indien nach England gelangte Schmucktradition zurück, Edelsteine ungeschliffen zu fassen. In den Metallwerkstätten werden Beleuchtungskörper jedes Typs, Blumentöpfe, Dosen, Jardinieren, Kassetten, Kerzenleuchter, Körbe mit und ohne Henkel, Rauch- und Schreibgarnituren, Tafelgerät wie Aufsätze, Becher, Flaschenuntersätze, Pokale, Schalen, Speise, - Kaffee- und Teeservice, Besteck, Toilettengarnituren, Spiegel, Uhren und Vasen ausgeführt.(Abb.3) Ausgenommen die Beleuchtungskörper werden alle aufgezählten Gegenstände in Silber oder in unedlem Metall wie Alpaka, Eisenblech, Kupfer, Messing oder Zink erzeugt. Luster werden vorwiegend in Messing, das teilweise vergoldet wurde, gearbeitet. All die perforierten Gefäße wie Aufsätze, Blumenübertöpfe, Körbe oder Vasen, um nur einige zu nennen, werden in Zink- oder Eisenblech weiß lackiert aber auch in Silber und Alpaka produziert. Auch Schmuck gehört zu den ersten Objektgruppen, die bereits im August 1903 in der Wiener Werkstätte ausgeführt werden. Für den Zeitraum von 1903 bis 1929 sind ungefähr 2900 einzelne Modelle nachweisbar. Die Modellbücher, Karteikarten

2 Serviertasse, Entwurf: Koloman Moser Ausführung: Wiener Werkstätte (Alfred Mayer) Wien1904 Silber, Elfenbein, Lapislazuli 97

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3 Tafelaufsatz, Entwurf: Josef Hoffmann Ausführung: Wiener Werkstätte (Josef Wagner) Wien, 1905, Silber, Achat

und schwarz/weiß Fotos aus dem im MAK verwahrten Archiv der Wiener Werkstätte erlauben diese Feststellung. Die Stücke werden jeweils als Unikate oder in Kleinserien von zwei bis sechs Exemplaren gefertigt. Wie die übrigen Erzeugnisse der Wiener Werkstätte sind auch die Schmuckentwürfe von einer eigenständigen, unverwechselbaren Formensprache geprägt. Dominieren bei den ersten Arbeiten von Koloman Moser und Josef Hoffmann noch die geschwungene Linie und mehr oder weniger stark stilisierte gegenständliche Motive wie Fische, Vögel, Blüten oder Blätter, so ändert sich dies 1904/5. Analog zu den frühen Dekorations- und Gebrauchsgegenständen sowie Möbeln wird auch der Schmuck in der Wiener Werkstätte geometrischen Kriterien unterworfen. Hoffmanns Entwürfe sind zudem noch durch einen symmetrischen Aufbau charakterisiert. Auffällig ist bei beinahe allen Schmuckstücken der die Binnenmotive einschließende Rahmen, der zunächst durch eine einfache Linie - später bisweilen durch einen Perlstab oder durch eine gedrehte Schnur - ersetzt wird. Diese Einschließung der additiven inneren Elemente betont noch zusätzlich den zweidimensionalen Charakter der Anhänger, Broschen und Gürtelschließen, die den Hauptanteil der Schmuckerzeugung bilden. Eine aufregende Wirkung wird durch die Mischung der Materialien wie flächig herausgearbeitete vegetabile oder ornamentlose Metallteile in Silber oder Gold

zusammen mit plastisch hervortretenden bunten Schmucksteinen erreicht.(Abb.4) Als zusätzliche Materialien zieht man organische Stoffe wie Horn oder Muschelschalen und mit Email verziertes Kupfer heran. Der Emailschmuck, zumeist Broschen, Gürtelschließen, Manschettenknöpfe oder Krawattennadeln wird im Auftrag der Wiener Werkstätte ab 1910 vorwiegend von Fremdfirmen in einer Auflage bis zu 1.000 Stück produziert, zunächst im Betrieb von Johann Souval, ab 1917 von Georg Stöger. Ab Mitte 1905 ändern sich die als Binnenformen und als herausgetriebenem Dekor verwendeten Motive. Rechtecke, Quadrate und Ellipsoide werden zunehmend von ovalen oder herzförmigen Blättern, Glockenblumen und Ranken abgelöst. Die Gittergefäße werden, beginnend 1906, nicht mehr ausschließlich durch Quadrate sondern vom „Efeu-, Kleeblatt- oder Blumenmuster“ jeweils „glatt oder gebuckelt“ oder vom „Weintraubenblatt“ durchbrochen. Das an das Biedermeier erinnernde Rosenmuster ist eine weitere Option für Verzierungen. Die geometrische Umrisslinie bei Gebrauchsgegenständen und beim Schmuck beginnt zunehmend auszuschwingen und einen „barocken“ Charakter anzunehmen. Die bunte Farbskala im Schmuckbereich reduziert sich. Bisweilen wird nur mit verschiedenfärbigem Gold oder 4 Anhänger, Entwurf: Josef Hoffmann Ausführung: Wiener Werkstätte, Wien 1907 Silber, Schmucksteine

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5 Aufsatz mit Glaseinsatz Entwurf: Carl Otto Czeschka, Ausführung: Wiener Werkstätte (Adolf Erbrich) Wien 1906, Silber, Glas, Lapislazuli mit Gelbgold und Perlen oder Opalen, ab den späten 10-er Jahren auch mit Diamanten gearbeitet. Stilistische Veränderungen erlebt die Wiener Werkstätte zudem durch neu eintretende Künstler. So tendiert der Graphiker und Maler Carl Otto Czeschka, der 1905 als dritter Entwerfer in die Werkstätten Gemeinschaft aufgenommen wird, zu einem verspielteren, schmückenderen Stil, der vermehrt Schmuckstücke und Tafelgerät mit stilisierten, dicht nebeneinandergesetzten Pflanzen-, Frucht- oder Tiermotiven überzieht.(Abb.5) Während seiner Tätigkeit für die Wiener Werkstätte gibt Czeschka die Stilisierung zu Gunsten eines stärkeren Naturalismus auf. Er bleibt der Wiener Werkstätte übrigens auch nach seinem Ausscheiden – er wird 1907 als Professor an die Kunstgewerbeschule in Hamburg berufen - treu und beliefert die Wiener Institution weiterhin mit Entwürfen. Die Begabung seines Nachfolgers, des Architekten Eduard Josef Wimmer-Wisgrill, der ab 1910 als Leiter der Modeabteilung der Wiener Werkstätte fungiert, liegt eindeutig im Modisch-Dekorativen, einem Gestaltungsprinzip, das sich im Ausdruck der Erzeugnisse der Wiener Werkstätte in allen Materialien niederschlägt. Der Volkskunst entliehene Motive und das von ihm kreierte Rosenmuster finden auf seine Anregung hin vermehrt Aufnahme in das dekorative Programm der Wiener Werkstätte. Wimmers Entwürfe für Gebrauchsgegenstände und Schmuck sind formal und stilistisch den Arbeiten seines Lehrers Hoffmann verwandt. Die von Czeschka initiierte verstärkte Präsens vegetabiler und zoomorpher Dekore im Ornamentrepertoire der Wiener Werkstätte findet ihren künstlerischen Höhepunkt im phantasievollen Werk von Dagobert Peche, der 1915 aufgenommen wird. Durch Vermittlung von Anregungen aus dem Ausland und durch seine Kenntnisse und Verständnis für vergangene Stilepochen ist er für den Anfang einer neuen Stilphase in der Wiener WerkstätFotos: © MAK/Katrin Wißkirchen und Georg Mayer

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te verantwortlich zu machen. Peche entwirft wieder gegenständliche, zumeist stilisierte pflanzliche Motive wie lanzettförmige oder schmale, langgezogene Blätter, die er mit Trauben, Aststümpfen, Blumenbuketts oder geometrischen Gebilden kombiniert auf preziösen Gegenständen platziert. (Abb.6) Sie finden sich als Griffe, Knäufe oder Füße auf Objekten ebenso wieder wie als Teile einer Schmuckkomposition. Obwohl die Wiener Werkstätte formal und stilistisch in den 10-er und 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts eine große Vielfalt bietet, ist das Ende 1932 nicht aufzuhalten. Die heutige Wahrnehmung und internationale Nachfrage definieren sie als wesentlichen Beitrag Österreichs in der Designentwicklung der Moderne.

6 Brosche, Entwurf: Dagobert Peche Ausführung: Wiener Werkstätte, Zürich 1919 Gold, Perlmutt

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Die Werkstätte für Gold- und Silberschmiedekunst Schneider-Rappel in Schwaz Tirol

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ARNO SCHNEIDER | SCHNEIDER-RAPPEL@A1.NET

iese Familiengeschichte beginnt 1875, als Jakob Philipp Rappel aus München kommend eine Werkstätte für Gold- und Silberschmiedekunst in Schwaz/ Tirol gründete. In kurzer Zeit erwarb er sich weit über die Grenzen des Landes hinaus einen hervorragenden Namen auf dem Gebiet sakraler Kunst. Aufträge erhält er nicht nur von der Kirche sondern auch vom habsburgischen Kaiserhaus. 1900 wird er anläßlich der Renovierung und Feuervergoldung des „Goldenen Dachls“ in Innsbruck mit dem Titel eines k. und k. Hofgoldschmiedes ausgezeichnet. 1916 übernimmt Sohn Jakob eine Werkstätte mit 30 Mitarbeitern und baut die Beziehungen ins Ausland, vor allem nach Übersee, den Vereinigten Staaten weiter aus. Bemerkenswert ist, dass sich anhand der Arbeiten der verschiedenen Generationen auch der Wandel im Bereich des Gestaltens ablesen lässt: während vor der Jahrhundertwende noch historisierende Stile wie das Neugotische, der

Klassizismus, das Neubarock den Formenkanon beherrschten, folgten um 1900 Jugendstil, Sezession, Bauhaus. 1942 folgt die dritte Generation: Anna Rappel und Herbert Schneider. Beide erlernten bei dessen Vater Prof. Julius Schneider an der Goldschmiedeschule in München das Handwerk, heirateten und übernahmen gemeinsam Werkstätte und Geschäft in Schwaz. Julius Schneider war bekannt als Lehrer, vielseitiger Meister goldschmiedischer Kabinettstücke in den verschiedensten Techniken und Autor von Fachliteratur. Er restaurierte kleine Kostbarkeiten der Münchner Residenz und mit Sohn Herbert auch das Standbild des St. Georg auf dem Hradschin in Prag. Herbert J. Schneider entwickelte einen ganz persönlichen, unverkennbaren Stil vor allem in seinen sakralen Werken – liturgischen Geräten, welche in die ganze Welt exportiert wurden. Künstlerischer Schwerpunkt seiner Arbeit lag in der Gestaltung von Tabernakeln: fein ziselierte Oberflächen unter der Einbeziehung von Steinen und

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farbigen Emails, später auch plastisch modellierte Strukturen in Bronze. Immer waren seine Werke von tiefer Symbolik geprägt. Er stellte seine gestalterische Kraft also vornehmlich in den Dienst der Kirche. Darüber hinaus enthält sein Oeuvre aber auch Arbeiten für öffentliche Auftraggeber und Privatpersonen - von der Bürgermeisterkette bis zum Familienschmuck. Die vierte Generation Evi, Anke und Arno fühlte sich in der väterlichen Werkstätte von Anfang an zu Hause. Während sich die beiden Mädchen fleißig auf die Meisterprüfung vorbereiteten, machte sich Bruder Arno auf nach Pforzheim und München. Arno Schneider, Goldschmied und Bildhauer, setzte die Tradition dieses Familienunternehmens fort. Nach der Ausbildung bei seinem Vater und bei Prof. Reiling in Pforzheim schließt er das Studium der Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in München als Meisterschüler ab und übernahm 1985 mit seiner Schwester Anke die Werkstätte. Er wird 1990 ausgezeichnet beim Staatspreiswettbewerb für Schmuck aus Edelmetall,

Fotos: © Rens Veltman

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findet Anerkennung auf der Weltausstellung in Sevilla, zeigt seine Arbeiten in Galerien von New York über Wien bis Tokyo, wo eine besonders intensive und erfolgreiche Beziehung zu Japan begann. Für Arno Schneider bedeutet seine Arbeit auch eine Gratwanderung zwischen Handwerk und Kunst – wo berühren sich Skulptur, Bild, Objekt, Schmuck? Unterschiedlichste Materialien, ob kostbar, traditionell oder unkonventionell, werden auf ihr Wesen hin untersucht. Als einen bedeutenden Teil des Gestaltens sieht Arno Schneider auch das Zeichnen, das erstmalige Festhalten flüchtiger Ideen – das Entwerfen, das Verwerfen, das Scheitern, das Variieren, manchmal ein Spiel, manchmal ein Kampf , Grenzen ausloten - in ungezählten Zeichnungen reifen die Ideen, ganz wörtlich genommen - verwirklicht durch Meisterhand. Jede Generation hat über die vielen Jahrzehnte hinweg ihren ganz persönlichen Beitrag geleistet – sie hat unter Tradition nicht nur Überliefern durch Bewahren verstanden, sondern eigene, neue Wege zu gehen.

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Ars sacra Goldschmiede und Religion – das gehört von jeher zusammen wie Salz und Pfeffer, Tag und Nacht, Sonne und Mond, Gold und Silber.

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ür Menschen war Körperschmuck als gesellschaftlicher und individueller Ausdruck immer bedeutungsvoll, aber noch mehr und zuallererst stand die Bedeutung von Schmuck und besonderen Gerätschaften für den Kult im Vordergrund – „Kultschmuck“, „Kirchenschmuck“. Der Begriff der abendländischen sakralen Kunst bezieht sich in einem engeren Sinn auf die Ausstattung des Kirchenraums, und dabei spielen Goldschmiede und die Gold- und Silberschmiedekunst eine unabdingbare und

M A G . A T H E O L . M I C H A E L A S TA R Y

unverzichtbare Rolle: Goldschmiede sind verantwortlich für die Herstellung liturgischer Geräte wie Kelche, Kerzenleuchter, Tabernakel, Vortragekreuze, ... ja in besonderen Fällen ganzer Altäre - alles, was in und um den Kirchenraum und für die liturgische Praxis und in weiterer Folge die religiöse Alltagspraxis der Menschen aus Metall und im speziellen aus edlen Metallen und Steinen gemacht wurde und wird. Zwei hohe Ansprüche werden an die Qualität von sakralen Kunstgegenständen ge-

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Wolfgang Hufnagl Stift Klosterneuburg Messgarnitur 2013 Vordergründig erinnert das schleierförmig geformte Metall an die Geschichte der Stiftsgründung. Der Schleier, Zeichen der menschlichen Liebe und als solches auch Abbild der göttlichen Liebe – der Windhauch, Zeichen des heiligen Geistes, der weht, wo er will.

stellt: Praktisch und schön sollen die Dinge sein. Und so waren Goldschmiede und goldschmiedisches Tun immer ein Bindeglied zwischen der angewandten und der bildenden Kunst: Goldschmiede sind Handwerker, ohne deren Werke Liturgie und Ritus undenkbar sind, und Goldschmiede sind Künstler, die etwas schaffen, das – theologisch gesprochen - dem Heiligen gewidmet ist, durch seinen Ausdruck und seine Schönheit die Schönheit der Schöpfung und den Inhalt der Heilsgeschichte vermittelt, ein Spiegel der Glaubenswahrheiten ist, wahrhaftig. Sakrale christliche Kultgegenstände sind nicht nur dem Heiligen gewidmet, sondern eröffnen vielmehr einen Zugang zum Heiligen. Zentral im christlichen Glauben ist die Eucharistie, die Mahlgemeinschaft und Gegenwart Jesu Christi – und so ist auch wohl das zentrale goldschmiedi-

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sche Kirchenkunstprodukt der Kelch. Sakrale Kunst stellt einen Bezug zur Vergangenheit her, zum historischen Jesus, wird lebendig in der Gegenwart im gemeinsamen Feiern gebraucht, und verweist Christinnen und Christen auch immer auf ihre Verantwortung für Schöpfung und Reich Gottes in Gegenwart und Zukunft. So steht sakrale Kunst grundlegend in offener Beziehung zu Gott, zum Göttlichen – immer neu, immer anders, ist ein stetiges Mit-Wirken an der göttlichen Schöpfung, und Goldschmiede werden durch die von ihnen geschaffenen sakralen Kunstwerke zu Mitwirkenden und zu Glaubensvermittlern. Umgekehrt üben materieller Wert, handwerkliche Ausführung und die Schönheit dieser Kultobjekte eine große Anziehung auf die Menschen aus. Mehr noch mag aber diese Anziehungskraft in der Sehnsucht der und des Einzelnen nach Gottesbeziehung und Sinn begründet sein. So stehen dann die Kirchenschätze auch symbolisch für den Schatz von Glaube und Liebe. Fazit ist jedenfalls nicht nur für die Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch die Zukunft: Religion und Kirche braucht Kunst und Goldschmiede!

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MAG. MORAN GADNER KUNSTHISTORIKERIN UND GESCHÄFTSFÜHRERIN V O N G A D N E R A N T I Q U I TÄT E N

Judaica

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ie ältesten Belege einer jüdischen Vergangenheit in Wien stammen aus der Zeit der Babenberger (976-1246). In der so genannten „Raffelstätter Zollordnung“ werden jüdische Kaufleute als „rechtmäßige Händler“ bezeichnet, die am historischen Verkehrsweg der Donau die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Nachbarvölkern des Nordens und Ostens bewahrten. Darüber hinaus spielten sie unter den Babenberger Landesfürsten eine wichtige Rolle im Fernhandel und als Münzmeister. Herzog Leopold V. (1177-1194) berief Juden nach Wien. Maßgebend dafür dürften handelspolitische Überlegungen gewesen sein.

Der erste von ihnen in Urkunden namentlich erwähnte Wiener Jude war Schlom, der Münzmeister des Herzogs. 1190 wurde eine Münzstätte unter den Babenbergern errichtet. Münzmeister Schloms Aufgabe war es, das Silber zu verwalten, welches als Lösegeld für den in Erdberg gefangen genommenen englischen König Richard Löwenherz ausgehändigt werden musste. Als es 1196 zu antisemitischen Ausschreitungen in Wien kam, wurde neben unzähligen anderen Juden auch Schlom umgebracht. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts konnte sich das jüdische Wien trotz kontinuierlicher Bedrohungen erholen. So stell-

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t Tora-Schild / Tas, Silber, vergoldet, gefasste Glassteine

1845 Wien, Sammlung IKG, Foto: Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 13157, Slg. IKG, Foto: Sebastian Gansrigler

te Wien damals eines der großen jüdischen Kulturzentren Europas dar, dessen vielfältige Facetten wenig später durch den Nationalsozialismus zerstört wurden. Die jüdische Bevölkerung Wiens wurde beinahe gänzlich vertrieben oder im Holocaust ermordet. Nach 1945 kam es zu einem sehr zarten Wiederaufleben des jüdischen Kulturlebens in Wien. In diesem Beitrag richte ich meinen Fokus auf eine Auswahl religiös-jüdischer Kunstobjekte, die sowohl in jedem traditionellen Haushalt als auch in Synagogen Gebrauch finden. Anhand des wichtigsten jüdischen Wochentags - des Schabbat - werden einige an diesem Tag gebräuchliche Kultgegenstände umrissen. Diese liturgischen Gerätschaften werden gemeinhin als „Judaica“ bezeichnet. Der Sammelbegriff „Judaica“ wird für jüdisches Kunsthandwerk sowie rituelle und sakrale Objekte, Manuskripte und antiquarische Schriftstücke verwendet, die sich unabhängig von der hebräischen Sprache mit dem Judentum beschäftigen. Die einzelnen liturgischen Gegenstände des Judentums und deren Funktionen sind am einfachsten anhand der jüdischen Festtage zu erklären. Sowohl jüdische als auch nichtjüdische Goldschmiede fertigten diese Kultgegenstände für das Wiener Judentum an. Sie besitzen hohen künstlerischen Wert und legen Zeugnis vom Leben und Wirken der Juden in Wien ab. Anders als im katholischen Glauben ist im Judentum der Schabbat, also der Samstag, der siebente und damit der letzte Tag der Woche. An diesem Ruhetag soll nicht gearbeitet werden. Da sich Gott am siebenten Tag der Schöpfungsgeschichte von all seinen Werken erholte, soll auch der Mensch seine Arbeit niederlegen. Dieser Tag ist dem Familienleben, der körperlichen Erholung und der geistigen Erneuerung gewidmet. Er beginnt am Freitagabend, sobald die Sterne am Himmel aufgegangen sind, und währt Tora-Krone / Keter, Silber, tlw. Vergoldet, gefasste Glassteine, Jakob Engel, 1872 Wien, Sammlung IKG, Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 13162, Slg. IKG, Foto: Sebastian Gansrigler 105

bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag. Da auch die häusliche Arbeit ruhen soll, wird der ganze Freitag den Vorbereitungen für den Schabbat gewidmet. Im traditionellen Judentum werden auch die Mahlzeiten bereits am Vortag vorbereitet. Für den Schabbat wird köstliches, striezelähnliches Brot gebacken, die sogenannte Challa. Zwei Stück werden als Symbol für die doppelte Mannamenge des Feiertages auf den festlich gedeckten Tisch gelegt und mit einem Tuch bedeckt. Der Höhepunkt des Schabbat ist die im engsten Familienkreis zu Hause abgehaltene Abendfeier am Freitag. Sie ist eine Erinnerung an den siebenten Tag der Weltschöpfung und

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Tora-Schild / Tas, Silber, tlw. Feuervergoldet, Glassteine, Halbedelsteine, Alois Johann Nepomuk Würth 1826 Wien Sammlung IKG, Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 186, Slg. IKG Foto: Peter Weiss

dient zur Besinnung auf die Gaben der täglichen Nahrung. Die Frau zündet zu Beginn zwei Kerzen an, die zumeist in einem einpaarigen Schabbat-Leuchter stehen. Mit dem Kiddusch, einem Segenspruch über den Wein und das Brot, der kurz vor dem Speisen gesprochen wird, heiligt der Hausvater den Schabbat. Die zu diesem Zweck verwendeten Kidduschbecher oder auch pokalartigen Kidduschkelche sind von äußerst hoher künstlerischer Qualität. Das Trinkgefäß wird randvoll mit Rotwein befüllt und sollte vor allem an der Lippe keine Beschädigungen aufweisen. Vorwiegend sind die Kidduschbecher Treibarbeiten aus Silber, die stellenweise vergoldet sein können. Zum Teil sind die Becher mit zarter Ornamentik geschmückt, an der eine kurze hebräische Inschrift auf den Zweck ihrer Verwendung deuten kann. Bei den religiösen Juden ist der Schabbat vom Gottesdienst und dem Studium der Tora geprägt. Im Zentrum des Gottesdienstes in der Synagoge steht die Tora-Lesung. Die Torarolle ist der heiligste aller jüdischen Kult-

Tora-Aufsätze / Rimmonim, Silber, Josef Reiner, 1864 Wien, Sammlung Berger, Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 7630, Slg. Berger, Foto: Peter Weiss

gegenstände und wird auf Pergament geschrieben. Sie umfasst die fünf Bücher Moses und bildet das Fundament und Zentrum der jüdischen Religion. Die Herstellung von Torarollen, die für die Synagoge bestimmt sind, ist strengsten Vorschriften unterzogen. In Anbetracht ihrer besonderen Bedeutung wird ein hoher Wert auf die Ausschmückung und Aufbewahrung der Torarolle gelegt. Der heute gebräuchliche Toraschmuck formte sich seit Beginn der Neuzeit. Die handgeschriebene Torarolle wird von beiden Seiten um Rundstäbe gewickelt, die den Namen „Baum des Lebens“ oder „Hölzer des Lebens“ tragen. Zusammen mit diesen wird sie in wertvolle Stoffe eingehüllt und mit einem dekorreichen Toraschild behängt. Die handgeschriebenen Buchstaben der Tora sind heilig und dürfen daher nicht mit bloßer Hand berührt werden. Aus diesem Grund bedient sich der Vorleser in der Synagoge eines Torazeigers, der ebenfalls an der Rolle angebracht ist. Dieser ist an einem Ende mit einer kleinen Hand mit ausgestrecktem

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Tora-Schild / Tas, Franz Zeidler, Silber, tlw. Vergoldet, Glassteine, 1858 Wien, Sammlung IKG Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 185, Slg. IKG, Foto: Peter Weiss

Zeigefinger geschmückt, um das Folgen der Zeilen zu erleichtern. Auch auf seine Ausführung wird besonders hohen Wert gelegt. In ihm sind kostbare Materialien verarbeitet. Meistens ist er mit einzigartigen Ornamenten, Blumen- und Blattwerk reliefiert. Auch kann er teilweise mit Farbsteinen besetzt sein. Toraaufsätze, die aus einem Paar bestehen, oder eine Torakrone dienen als Schmuckwerk der heiligen Schriftrollen und werden an den Enden der Stäbe appliziert. Die Toraaufsätze heißen Rimmonim, wörtlich übersetzt Granatäpfel. Meistens sind sie reich dekoriert und mit Glöckchen versehen. Diese erklingen beim Ausheben der Tora. Die Rimmonim bestehen aus edlem Material wie Silber und können stellenweise vergoldet sein. Ihre künstlerische Ausarbeitung ist überaus kompliziert und wertvoll. Über das Ende der Stäbe kann auch eine Torakrone gesteckt sein, die aus meist großartigen, sehr zarten und kleinteiligen Silberschmiedearbeiten besteht. Der Schmuck all dieser prachtvollen Kultgeräte, die am Schabbat

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Kiddusch-Becher Silber, vergoldet 2. Hälfte 19. Jahrhundert, Dresden. Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 8460, Slg. Berger, Foto: Peter Weiss

ihre Verwendung finden, wurde im Laufe der Geschichte erstaunlich phantasievoll und reich gestaltet. Man kann an ihnen die einzelnen Strömungen der Kunstgeschichte erkennen. Im 18. und 19. Jahrhundert waren Kombinationen aus Tierreliefs und feinen filigranen Ajourarbeiten beliebt. In der Zeit des Biedermeiers wurden jüdische Kultgeräte in Wien vor allem mit prachtvollen Silbertreib‑ arbeiten geziert. Sie stellen hochplastisches Rosendekor und einzigartiges Blüten- und Blattwerk dar. Anfang des 20. Jahrhunderts kann man unter anderem wundervolles Jugendstilblattwerk, sorgfältig ziselierte Blütenornamentik und stilisierte Akantusranken sowie Rocaillen-Dekor finden. Ähnlich wie die Besinnung zurück zur Weltschöpfung, die religiöse Juden am Schabbat unternehmen, führen einen diese Kultgegenstände durch die jüdische Kunstgeschichte. Wäre die jüdische Geschichte nicht von so vielen Verfolgungen und Bedrohungen geprägt, könnte die Zeitreise in viel detailgetreuerem Ausmaß gestaltet werden.

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Der Leib Christi Der Glaube Mittelpunkt und Herzstück des christlichen Gottesdienstes ist die Eucharistie, die „Danksagung“, die Vergegenwärtigung des oder Erinnerung an das Abendmahl am Gründonnerstag, am Vorabend der Ermordung am Kreuz, zu der der jüdische Wanderprediger Jeschua aus Nazaret in Jerusalem im Jahr 29, 30 oder 31 u. Z. als Schwerverbrecher von den römischen Besatzern verurteilt wurde. Bei diesem Festmahl, das der Jude Jeschua, wie Jesus’ aramäischer Geburtsname lautete, mit seinen Jüngern und wahrscheinlich auch Jüngerinnen als Pessachmahl oder Paschamahl feierte, segnete er Brot, brach es und teilte es mit ihnen, ebenso segnete er ei-

M A G . A T H E O L . M I C H A E L A S TA R Y

nen Kelch mit Wein und alle tranken daraus. Das Bemerkenswerte daran war nicht die Feier, sondern Jesu Worte, wie sie im Korintherbrief und den vier Evangelien des Neuen oder Zweiten Testaments der Bibel, der christlichen heiligen Schrift, überliefert sind: „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! ... Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut.“ (1. Korinther 11,24f.) „Nehmt und esst, das ist mein Leib. ...Trinkt alle daraus, das ist mein Blut.“ (Matthäus 26, 26f., vgl. Markus 14,22ff., Lukas 22,17ff.) Mittelpunkt und Herzstück des christlichen Glaubens ist die Auferstehung. Jesu Jüngerinnen und Jünger berichten, dass sie unabhängig voneinander vom zweiten Tag nach

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t Teile des Verduner Altar, Stift Klosterneuburg, 1181

Foto: Prof. Walther K. Stoitzner, Wien

seinem Tod an die Erfahrung machten, dass Jesus lebt. So wurde es für sie zur Verpflichtung Jesu Botschaft der Gottes- und Menschenliebe zu leben und zu verbreiten, so wurde für sie Jesus der im Alten oder Ersten Testament, der hebräischen Bibel, vorhergesagte Retter, der „Messias“ (griechisch „Christos“, der Gesalbte), so wurde und wird Jesu Auferstehung und Gegenwart im gemeinsamen „Herrenmahl“ erlebt und gefeiert. Deshalb sind Tisch und Brot und Wein für Christen und Christinnen so wichtig. Deshalb sind Altar und Kelch und Patene als Kirchenausstattung und liturgisches Gerät zentral. Deshalb wurden und werden Goldschmiede beauftragt, passende Formen für zentrale Glaubensinhalte zu finden. Der Kelch Der urchristliche Glaube verbreitete sich auf Grund seiner bedingungslosen egalitären Prinzipien, als historisch begründeter Offenbarungsglaube, in Opposition zum römischen Sklavenwesen als essentiellem Wirtschaftsfaktor und begünstigt durch die Infrastruktur eines wohlorganisierten römischen Weltreichs - und weil radikal ausgerichtet auf begreifbare Liebe, Gemeinschaft und Erlösung - in kürzester Zeit von Palästina bis nach Nordwesteuropa und wieder zurück. Durch das Christentum fand in Europa nach dem Zerfall des Römischen Reichs ein Paradigmenwechsel von Werten, Kultur und Gesellschaft statt, der mit Karl dem Großen, seinen Ideen und seinem Reich im Großen und Ganzen vollzogen war. Nach gesellschaftlichen Umbrüchen vom Mittelalter zur Neuzeit und durch die Aufklärung und die damit einhergehende Entwicklung der modernen Demokratie und Ausformulierung der Menschenrechte blieben nichtsdestotrotz christliche Werte mindestens bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts für Europa und die westliche Welt bestimmend. Selbst heute in einer multikulturellen globalisierten Welt steht der globale

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Kelch, 1950 Bruder Berward Silber, innen vergoldet, mit Amethysten Foto: © Marcus Auer

Konsens über moderne Demokratie und Menschenrechte in einem ursächlichen Zusammenhang mit den im Westen gelebten und tradierten christlichen Werten. Analog zu dieser Entwicklung sind Kelch und Kelchkunst dem zeitlichen Wandel unterworfen. Der Kelch in den christlichen Gottesdienstfeiern, der katholischen Heiligen Messe, der orthodoxen Göttlichen Liturgie und der evangelischen Mahlfeier, dient zuallererst als Trinkgefäß für den Messwein, im katholischen und orthodoxen Gottesdienst des weiteren als Ziborium oder Speisekelch zum Aufbewah-

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Tassilokelch, um 780 Stift Kremsmünster Kunstsammlungen Foto: © Josef Leithner, The Best Kunstverlag

ren des heiligen Brotes. Anfänglich wurden neben Holz- und Bronze- meist gläserne, kaum geschmückte Becher verwendet, sehr selten auch schon solche aus Gold und Silber. Ab dem 9. Jahrhundert werden Kelche, häufig kunstvoll mit Ornamenten und christlichen Symbolen verziert, fast ausschließlich aus Silber, Messing oder Kupfer angefertigt, in weiterer Folge hauptsächlich seit dem Barock (feuer)vergoldet. Zu einer Kelchgarnitur gehören des weiteren Patene und Weinkanne oder Wein- und Wasserkanne. Die Patene oder Hostienschale (Brotschale) wird passend zum Kelch gefertigt. Von ihrer Wertigkeit her wird sie ähnlich dem Kelch mit Ehrfurcht gebraucht und ebenso aus edlen Materialien gefertigt, meistens innen vergoldet. Beim evangelischen Abendmahlgottesdienst liegt das Brot beim Austeilen auf der Patene und wird von dort den Gläubigen gereicht. Dabei sagt der oder die Austeilende zum Beispiel „Christi Leib, für dich gegeben“ oder „Brot des Lebens“. Bei der katholischen Kommunion, bei der das heilige Brot entweder aus einer Hostienschale oder aus einem Speisekelch (Ziborium) verteilt wird, tut dies der Kommunionsspender oder die Kommunionsspenderin mit den Worten „Leib Christi“. In der orthodoxen Liturgie wird das Brot in den Wein getaucht und auch der Wein oft mit einem kleinen Löffelchen genommen. Zur Kelchgarnitur gehören in der katholischen Liturgie Wein- und Wasserkanne, in der evangelischen Liturgie eventuell eine Weinkanne. Mit der Weinkanne wird der Wein in den Abendmahlkelch gegossen. Wie der Kelch ist die Weinkanne oder sind Wein- und Wasserkanne meist kunstvoll gestaltet und kann oder können christliche Symbole, Ornamente oder Inschriften tragen. Da in der Antike Wein meist mit Wasser vermischt getrunken wurde, setzte sich diese Tradition seit dem frühen Christentum auch im Gottesdienst fort und wurde folgen-

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dermaßen symbolisch gedeutet: der Wein als Blut Christi wird mit dem Wasser als Zeichen für das Volk Christi verbunden. Diese Deutung wird durch den Hinweis auf Wasser und Blut, das bei der Kreuzigung durch einen Lanzenstich aus der Seite Jesu floss, ergänzt. Martin Luther wollte, getreu seinem sola-scriptura-Prinzip und somit nur von den neutestamentlichen Texten ausgehend zum Ursprünglichen zurückkehren und nur Wein bei der Abendmahlfeier als Zeichen für die Erlösung durch Jesus Christus allein ohne menschliches Zutun versinnbildlicht wissen. Beide Traditionen, die katholische und orthodoxe einerseits und die evangelische andererseits, spiegeln jedoch dieselbe Grundauffassung der Gemeinschaft mit Jesus und der Erlösung. In inhaltlichem und formalem Zusammenhang mit Kelch und Patene ist ein weiteres liturgisches Gerät, die Monstranz, zu nennen, die im 14. Jahrhundert nach der Einführung des Fronleichnamsfestes entstand und sich aus den Reliquien-Ostensorien (Schaugefäßen), die vereinzelt ab dem 9. Jahrhundert und dann verbreitet ab dem 13. Jahrhundert auftraten, entwickelte. Zentral befindet sich ein Fensterbereich, meistens umgeben von einem Strahlenkranz, der untere Teil ist wie ein Kelchfuß mit Nodus gestaltet. Mit einer Monstranz (abgeleitet vom lateinischen „monstrare“, zeigen) wird eine konsekrierte Hostie, das Stück Brot, das für Christen und Christinnen der Leib Christi ist, feierlich bei Umzügen durch die Straßen und über die Felder getragen und in Kirchen zur Verehrung aufgestellt. Da die Monstranz wie der Kelch und die Patene etwas für die Gläubigen sehr Kostbares birgt und zeigt, wird sie auch aus kostbaren Materialien wie Edelsteinen und Gold gestaltet. Bei den Umzügen sind die Menschen gemeinsam mit Gott unterwegs, dort wo sie zu Hause sind, und bei der „Anbetung“ geht es um Verehrung und Meditation, es geht darum, Jesus, sichtbar und gegenwärtig im

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Brot, in die Mitte des Lebens zu stellen, als Grundnahrungsmittel, das in der Fürsorge und Liebe zu den Mitmenschen bedingungslos weitergegeben werden soll. Neben diesen zentralen liturgischen Geräten sind aus goldschmiedischer Perspektive natürlich noch Tabernakel und Altar mit dem Altarschmuck wie Kerzen und Kreuz zu nennen. Der Altar selbst, der „Tisch des Herrn“, um den sich die christliche Gemeinde versammelt, besteht normalerweise aus Stein und Holz, bei modernen Altären werden auch Glas, Metall und andere Materialien verwendet. Ein ganz besonderes Beispiel für Goldschmiedekunst am Altar in Österreich ist der Verduner Altar im Stift Klosterneuburg, ein einmaliges Meisterwerk. Ursprünglich von Nicolas von Verdun zwischen 1171 und 1181 als Kanzelverkleidung geschaffen, wurden die 45 Emailtafeln (feuervergoldete Kupferplatten mit Grubenschmelz) im 14. Jahrhundert zu einem Altar zusammengesetzt. Die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament stellen für alle Gläubigen verständlich und begreifbar die Heilsgeschichte in drei Zeitaltern dar. Die technische und künstlerische Qualität der Tafeln ist beeindruckend: nicht nur hat das Email fast 850 Jahre unbeschadet überdauert und haben die Farben ihre ungebrochene Leuchtkraft bewahrt, sondern Nicolas von Verduns künstlerische Umsetzung der Glaubensinhalte - mit der Darstellung von bewegten, anatomisch richtigen, Emotionen zeigenden Figuren greift er bewusst auf die Antike zurück - ist richtungsweisend für das Hochmittelalter. So soll dieses beste Beispiel von in Österreich geschaffener sakraler Metallkunst für das Zusammenwirken von handwerklicher goldschmiedische Meisterleistung und zeitgemäßer sowie richtungsweisender künstlerischer Umsetzung stehen: Kirchenkunst verbindet Glaube und Leben, unterstützt Kult und Ritus als lebendiger Ausdruck von Gemeinschaft und stiftet Sinn.

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Meisterverein O T T O PA PA L E C C A OBMANN

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50 Jahre Goldschmiede Innung Wien, da können wir nicht mithalten. Aber es gibt den Österreichischen Meisterverein der Gold-, Silberschmiede und Juweliere immerhin auch schon seit 1882. Wir verstehen uns als Bewahrer eines der schönsten Kunsthandwerke, die es gibt. Traditionen ehren, neues Zulassen und Fördern, so sehen wir unsere Aufgabe als Meisterverein. Immer in enger Kooperation mit der Innung, weil sich nur durch Gemeinsamkeit in einer kleinen Branche Schlagkraft erzielen lässt. Veranstaltungen wie Bälle, Ausstellungen, Besuche bei Kollegen usw. fördern den Zusammenhalt. Da möchte ich vor allem unsere jetzt schon regelmäßigen Treffen mit den Goldschmiedekollegen in Leipzig, Dresden und Freiberg erwähnen. Diese gegenseitigen

Besuche beleben unser Vereinsleben derart, dass wir sie nicht mehr missen wollen und mit Sicherheit aufrecht erhalten. Innung da, Meisterverein dort, und doch eine Einheit, so stelle ich mir Vereinsleben vor. Widrigkeiten über Jahrzehnte wurden von beiden Institutionen gemeistert. Alleine das 20. Jahrhundert mit den beiden Weltkriegen, Wiederaufbau, Entbehrungen. All das wurde überwunden und in der Branche brach eine neue Zeit an. Der Wiederaufbau war vollendet und die Menschen wollten sich wieder „Schmücken“. Hoch und Tief, genau wie jeder es persönlich für sich erlebt, so erlebt es auch unsere Branche und die gesamte Wirtschaft. Deshalb ist es auch so wichtig gemeinsam zu denken und zu handeln. Die gegenseitige Unterstützung, das Eingehen auf den Kollegen, die Hilfe, wenn jemand sie braucht, das macht eine Gemeinschaft aus. Ich persönlich kann mir keinen schöneren Beruf denken, Leuten mit unserer Arbeit Freude zu bereiten ist das Beste, was wir tun können. Der Innung alles Gute zum Jubiläum.

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Wertheim Sicherheit seit 1852

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eit mehr als 160 Jahren ist ein Tresor des österreichischen Traditionsunternehmens Wertheim Synonym für besten Werteschutz. Franz Wertheim erkannte den Bedarf an sicheren Aufbewahrungsmitteln und gründete am 1. September 1852 in Wien eine Gesellschaft zur Erzeugung „feuerfester, gegen Einbruch sicherer Cassen“. Durch zahlreiche öffentliche Feuerproben konnte Franz Wertheim die hohe Feuersicherheit seiner Produkte unter Beweis stellen. Als „k.u.k. Hoflieferant“ wurde er mit seinen Qualitätsprodukten in ganz Europa und im Nahen Osten berühmt. Nach dem Tod des Firmengründers im Jahre 1883 wurde mit der Erzeugung von Aufzügen begonnen. Es folgten die Produktion von Bürostahlmöbeln und die Herstellung von Fahrtreppen. 1969 erwarb der Schweizer Konzern Schindler (Aufzugs- und Fahrtreppenhersteller) einen Großteil der Aktienanteile der Firma Wertheim. 1986 wurde der Bereich „Kassenbau“ vom Konzern ausgegliedert und es folgte die Gründung der Wertheim GmbH. Seither entwickelte sich das Unternehmen von ursprünglich 85 Mitarbeitern und einem Umsatz von EUR 6,4 Mio. am Standort Wien-Wienerberg, zu einer Firmengruppe mit einem Umsatz von EUR 78 Mio. mit Standorten in Guntramsdorf (Niederösterreich), Maria Enzersdorf (Niederösterreich), Uttendorf (Salzburg), Modra (Slowakei) und Dunajská Streda (Slowakei). Damals wie heute ist Wertheim mit der Produktion von Tresoren und banktechnischen Einrichtungen auf den europäischen Märkten sowie international erfolgreich. Vom Wandtresor bis hin zur tonnenschweren Wertschutz-

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raumtür reicht das Schwerbausortiment. Zur Absicherung der Marktposition und Erschließung neuer Geschäftsfelder wurde das Produktsortiment in den letzten Jahren laufend angepasst. Die Angebotspalette wurde erweitert, so dass der heutige Firmenverband Wertheim auch Holzeinrichtungen und Türen in Salzburg produziert und Lohnfertigungen (Blechbearbeitung, spanabhebende Fertigung, Hand- und Roboterschweißung, Montagebaugruppen, Pulverbeschichtung, Nasslackierung) von Halb- und Fertigfabrikaten für Dritte anbietet. 2015 errichtete Wertheim auf ca. 5.000 m² die neue Unternehmenszentrale in Guntramsdorf (20 km südlich von Wien). Diese beherbergt neben den Bürobereichen Schauräume, Schulungs- und Service-Einrichtungen sowie Produktions- und Logistikflächen. Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter erwartet ein modernes, mehrgeschoßiges Zentralgebäude.

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Der Reiz des Goldes W W W. O W D . AT

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ewerbe und Handwerk der Goldund Silberschmiede blicken in Österreich mit berechtigtem Stolz auf eine lange und höchst erfolgreiche Geschichte zurück. Die von ihnen geschaffenen bleibenden Werte und die Freude am Anblick funkelnder Pretiosen begeistern neben den einheimischen Kunden auch zahlreiche Touristen in unserem Land und sind damit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Leider sind es eben diese Werte, die oftmals auch kriminelle Elemente anlocken. Während dem Einbruchsdiebstahl

durch professionell geplante und ausgeführte bauliche und technische Maßnahmen solide vorgebeugt werden kann, müssen dynamische kriminelle Phänomene wie Raub oder Trickdiebstahl in den Fokus präventiver Überlegungen rücken. Gerade hochemotionale Produkte wie Schmuck oder Uhren erfordern natürlich den intensiven Kundenkontakt und die Gewährleistung einer Atmosphäre, die fachkundige Beratung und Anleitung der Kundschaft ermöglicht. Ein Verbunkern von Verkaufsräumlichkeiten wäre vielleicht vom

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präventiven Aspekt her praktisch, würde aber den Gedanken, Schönes und Wertvolles in einem entsprechenden Ambiente präsentieren zu können, konterkarieren. ÖWD als Österreichisches Familienunternehmen seit 110 Jahren ununterbrochen auf dem Gebiet des Wertschutzes tätig, entwickelt, gestützt auf Sicherheitstechnik aus eigenem Haus, personelle und technische Konzepte, um den hohen Anforderungen der Wirtschaftstreibenden zukunftsorientiert gerecht zu werden. Wesentliche Impulse zu dieser laufenden Optimierung werden uns durch die vom Vizepräsidenten der Wiener Polizei, General Karl Mahrer, ins Leben gerufene spezielle Fachgruppe, die gestützt auf die polizeiliche Datenlage in gemeinsamer Arbeit Konzepte zur umfassenden Sicherheitsoptimierung dieses exponierten Wirtschaftszweiges entwickelt, zuteil. Unabdingbar in diesem Zusammenhang ist der kombinierte Einsatz professioneller personeller Sicherheitsdienstleistung mit technischer Ausrüstung. Die Kette aus wahrnehmbarer Präsenz des Sicherheitsdienstes, allzeit aufmerksamer Analyse der örtlichen Umfeldsituation, rascher Reaktion im Anlassfall und verlässlicher Nachvollziehbarkeit allfälliger Tathandlungen muss lückenlos gewährleistet sein. Exekutivkräfte können gestützt auf Bilddatenmaterial und qualifizierte Information rasch und wirksam intervenieren beziehungsweise verfolgen und aufklären. Unsere Mitarbeiter sind beispielsweise geschult, über die präventive Wirkung ihrer Präsenz hinaus allfällige Vorbereitungshandlungen zu erkennen und so bereits frühzeitig gezielt Informationen an die Exekutivkräfte weiter zu geben. Wiewohl Dank der nachhaltigen polizeilichen Arbeit die Tathäufigkeit drastisch reduziert werden konnte, ist jeder einzelne Fall ein Fall zu viel – die abschreckende Wirkung der angesprochenen Maßnahmenkombination ist dazu angetan, einen starken Effekt auf potenzielle Täter zu erzielen. Der Standardisierung

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der Maßnahmenpakete kommt nicht zuletzt im technischen Bereich größte Bedeutung zu. Standardisierte und integrierte Konzepte auf dem Feld der Videoüberwachung und Biometrie gewährleisten sichere Nachvollziehbarkeit und die rasche Auswertung nicht irgendwelcher, sondern eben genau der notwendigen Daten. Videoanalyse, gerade auf dem Feld des Trickdiebstahls, schafft Raum für rasche Verfolgung und Beweisführung. Der Erfolg hängt hier zum größten Teil von der Wahl des richtigen Equipments und der Erfahrung des Planers der Anlage ab. Es ist natürlich notwendig, dass jeweils eine maßgeschneiderte Installation unter Berücksichtigung der aus Analysesicht richtigen Einstellungen, Winkel und Aufzeichnungskapazitäten verbaut wird. Es wäre naiv anzunehmen, dass sich der Einsatz derartiger technischer und operativer Verbesserungen nicht im Milieu potenzieller Täter herumsprechen würde. Die gezielte Anwendung des Systems aus sichtbarer Abschreckung und modernster, zum Teil nicht unmittelbar sichtbarer Technik wird genau den erwünschten Abschreckungseffekt erzielen, zumal das Risiko des kriminellen Übergriffes damit selbst durch das Auskundschaften von aus Tätersicht attraktiven Zielen unabwägbar wird.

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d Die Entwicklung der Gemmologie in Österreich EINE KURZE ZUSAMMENSTELLUNG V O N P R O F. L E O P O L D R Ö S S L E R UND GABRIELA. BREISACH

ie Gemmologie ist die Lehre bzw. Wissenschaft über geschliffene Edelsteine. Entstanden ist die Gemmologie als Teilgebiet der Mineralogie. Die Untersuchungsmethoden, die zur Identifizierung von Edel- und Schmucksteinen, synthetischen Steinen und organischen Materialien sowie zur Unterscheidung von Imitationen herangezogen werden, stammen überwiegend aus der Mineralogie, aber auch aus Chemie und Physik. Ohne diese Grundlagen würde es auch keine Gemmologie geben. Trotzdem ist die Gemmologie nicht mit der Mineralogie zu vergleichen – obwohl sie sich seit dem Ende des 20. Jh. in eine praktische und

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in eine wissenschaftliche Richtung geteilt hat und sich dadurch wieder der Mineralogie nähert. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass sich die Gemmologie nicht nur mit der Identifizierung von Mineralen und Gesteinen beschäftigt sondern auch mit deren Bedeutung für den Schmuckhandel. Die Schönheit der Edel- und Schmucksteine, die Seltenheit des Vorkommens – und somit auch der Raritätsfaktor – sowie Handelsnamen, Qualitätsmerkmale, Schliff und Behandlungsarten sind ebenso maßgebend wie andere empirische Kriterien. Die Gemmologie lebt weltweit von einer intensiven Zusammenarbeit mit Personen, die Edelsteine kaufen und verkaufen. Sie steht daher mit der Wirtschaft, dem Handel und Gewerbe, in enger Beziehung. Die Kultur- und Zeitgeschichte ist ein weiterer Punkt, der ebenfalls zur Gemmologie zählt, denn zu all den vergangenen Zeiten wurden unterschiedliche Edelsteine, organische Schmuckmaterialien, synthetische Steine sowie unzählige Imitationen verwendet. Erst im 19. Jahrhundert bekam die Gemmologie als Ausbildung eine bescheidene Bedeutung, allerdings gab es damals noch keine Standards. Das änderte sich 1908, als die Britische Goldschmiedevereinigung NAG (National Association of Goldsmiths of Great Britain) den Zweigbereich „Gem-A“ (Gemmological Association of Great Britain) gründete, welcher Edelsteinlehrgänge anbot, die zum Titel eines „Gemmologen“ führten. 1931 folgte das neu gegründete „Gemological Institute of America“ mit Fernkursen und dem Abschluss „Certified Gemologist“. In Österreich liegen die Wurzeln der Gemmologie im Naturhistorischen Museum Wien, das aus der Sammlerleidenschaft von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (Ambraser Sammlung) und Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, dem Gemahl Maria Theresias, hervorging. Nach dem frühen Tod des Kaisers übergab Maria Theresia die naturwissenschaftliche Sammlung ins Eigentum des

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Das Wort „Gemmologie“ ist vom griechischen Wort „gemma“ = vertieft gravierter Stein oder Siegelstein abgeleitet. Die Bezeichnung „Gemmologie“ ist für österreichische Verhältnisse noch relativ jung. Bis gegen Ende der 60er Jahre sprach man generell von der „Edelsteinkunde“, auch im Lehrbereich. Erst danach setzte sich das Wort „Gemmologie“, das vom englischen Begriff „Gemmology“ (amerik. „Gemology“) übernommen wurde, auch bei uns durch.

Staates und machte sie öffentlich zugänglich. Auf ihren Wunsch kam der berühmte Mineraloge und Freimaurer Ignaz von BORN nach Wien. Born, der ein neues Verfahren zur Gewinnung von Edelmetallen entwickelt hatte, erhielt den Auftrag, die Sammlungen zu ordnen und zu erweitern. Zu diesem Zweck ließ er sich aus allen Gebieten die dort vorkommenden Mineralien zusenden und gliederte sie in die Sammlung ein. Im Laufe der Geschichte waren die Sammlungen so umfangreich geworden, dass die Räumlichkeiten in der Hofburg nicht mehr ausreichten. Als Kaiser Franz Joseph 1857 die Schleifung der nicht mehr zeitgemäßen Basteien für den Bau der Ringstraße anordnete, wurde daher auch der Neubau von zwei Museen geplant. 1889 wurde das von Gottfried Semper und Carl Hasenauer gebaute Museum von Kaiser Franz Joseph I. feierlich eröffnet. Zahlreiche Naturwissenschaftler waren als Kustoden, Abteilungsleiter, Direktoren oder Lehrbeauftragte mit diesem Haus verbunden oder betreuten die umfangreichen Sammlungen. Unter Ihnen Karl HAIDINGER, der die erste Übersicht über die Neuaufstellung der Naturaliensammlung veröffentlichte, dessen Sohn Wilhelm Ritter von HAIDINGER, Mineraloge und Erfinder des Dichroskops (der so genannten Haidinger-Lupe), und dessen Lehrer Friedrich MOHS, der um 1815 seine Ritzhärte-Skala am Joanneum in Graz und 1822 ein Konzept der Kristallsysteme entwickelte. Ein weiterer Mineraloge war der weltweit bekannte Edelsteinspezialist Univ.-Prof. Dr. Hermann MICHEL, der die Geschicke des Naturhistorischen Museums als Direktor (1933-1938 und 1947-1951) und als Direktor der Mineralogisch-Petrographischen Abteilung (1923-1952) entscheidend mitgestaltete.

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Er war einer der ersten, der sich mit der „Praktischen Gemmologie“ und ihrer Verbreitung im Goldschmiedgewerbe und Juwelenhandel befasste. Michel hat ein umfangreiches, wissenschaftlich bedeutendes Werk, insbesondere auf dem Gebiet der Edelstein- und Perlenkunde, hinterlassen. Frühzeitig wandte sich Prof. Michel der Edelstein- und Perlenkunde zu. Anlass war die 1912 durch Kommerzialrat C. BRUNNER angeregte Gründung einer Untersuchungsanstalt für Edelsteine in Wien, zu deren Leiter Michel bestellt wurde. Da um diese Zeit Victor Louis Verneuil die Synthese von Rubin, Saphir und Spinell in kommerziell verwendbarer Größe gelungen war, bedrohten diese Produkte den Edelsteinmarkt. Dies veranlasste Prof. Michel Methoden und Geräte zu entwickeln, die eine einwandfreie Unterscheidung natürlicher und künstlicher Edelsteine ermöglichte. Ähnliche wirtschaftliche Bedeutung hatten auch

die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur Unterscheidung von Naturperlen und den um das Jahr 1920 auf den Markt gekommenen Zuchtperlen. Fachzeitschriften und eigene Bücher machten Teilergebnisse seiner Untersuchungen rasch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Durch Vorträge und Kurse im In- und Ausland wurden Michels Methoden bekannt und fanden weite Verbreitung. Während Europa und besonders Österreich zwei Nachkriegszeiten und viele Probleme bewältigen musste, die nichts mit Gemmologie zu tun hatten, entwickelte sich im fernen Amerika das erste Gemmologische Institut von Weltruf, mit Untersuchungslabor und Ausbildungszentrum. Aber auch bei uns wurden erste Schritte gesetzt: In der Fachzeitschrift „Technisches Versuchswesen“ ist zu lesen: …„Unter den Instituten an deren Errichtung ich persönlich beteiligt war, ist die Untersuchungsanstalt für Edelsteine in Wien hervorzuheben, die von einer Reihe führender Juweliere begründet wurde. Eine Vereinigung, an deren Spitze Karl Brunner steht, gewann hie für einen prominenten Fachmann auf dem Gebiete der Edelstein -und Perlenkunde in der Person des Direktors der petrographischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, den Universitätsprofessor Dr. Hermann Michel. Das Arbeitsgebiet dieser Untersuchungsanstalt ist ein sehr umfangreiches und der Wert einer solchen Anstalt liegt nicht allein in der Zuverlässigkeit ihrer einzelnen Untersuchungen, sondern gleichsam schon in ihrer „Idee“. Schon ihr Bestehen hat eine reinigende Wirkung auf dem Markt zur Folge und alle Staaten und Städte, die die Juwelierkunst und den Juwelenhandel betreiben, beneiden uns um diese Anstalt … Eine weitere Persönlichkeit, die den österreichischen Goldschmieden die Gemmologie näher brachte, war Prof. Dr. Hubert SCHOLLER, Direktor der Mineralogisch-petrographischen Abteilung des Naturhistorischen

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Museums in Wien und Leiter des 1954 gegründeten Staatlichen Edelsteininstitutes. Neben dieser Tätigkeit war Scholler Lehrbeauftragter für Edelsteinkunde an der Akademie für angewandte Kunst und ständiger Vertreter Österreichs in der Internationalen Gemmologen-Konferenz. Unzählige edelsteinkundliche Vorträge, Kurse und Publikationen machten ihn nicht nur in Fachkreisen sondern auch in der an edlen Steinen beruflich oder nur aus reiner Freude interessierten Öffentlichkeit bestens bekannt. Die ersten professionellen Schritte außerhalb des Museums setzte jedoch Prof. Karl SIESS. Gegen Ende der 30er Jahre gründete Karl Brunner die bereits erwähnte Untersuchungsanstalt für Edelsteine und Perlen in Wien 1, Eschenbachgasse 11, deren erster Mitarbeiter und späterer Leiter Karl Siess wurde. Prof. Karl Siess wurde vor allem in den 1950er und 1960er bis hineingehend in die beginnenden 1980er Jahre einer der bedeutendsten österreichischen Vorläufer für die Gemmologie. Er setzte damals mit Prof. Scholler aus dem NHM–Wien die Theorie in die Praxis um. Seine damaligen Perlenuntersuchungen waren weltbekannt. Er besaß eine Röntgenanlage, baute das erste horizontale Edelstein-Mikroskop (Original ist im Besitz von Prof. L. Rössler), das später dann als „Schlossmacher Mikroskop“ in die deutsche Gemmologie-Geschichte einging. Seine „Siess-Küvetten“ (Mikroskop-Halterungen für Edelsteine) hatten ebenfalls große Anerkennung gefunden. Nur in Österreich interessierte sich kaum jemand dafür. Leute wie er wurden eher als „Spinner“ bezeichnet, denn wer brauchte das schon. Karl Siess war bereits mit 22 Jahren Gold– und Silberschmiedemeister, legte die Matura ab und besuchte die Kunstgewerbeschulen (Vorläufer d. Berufsschule) in Wien und Pforzheim. Er betrieb zuerst im 5. Wiener Bezirk seine Goldschmiedewerkstätte samt Edelstein-Untersuchungsstelle, später im 1. Bezirk am Schwarzenbergplatz

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und im 6. Bezirk in der Luftbadgasse. Er war Lehrer und Mentor von Prof. Leopold Rössler. Nach dem Tod von Prof. Karl Siess klaffte eine große Lücke. Die Zeit ging rasch weiter, immer mehr neues Material von Edel– Schmucksteinen, Synthesen und organischen Substanzen überschwemmte Europa. Das Ausland arbeitete intensiver an der Gründung von Gemmologischen Aus- und Weiterbildungen. Neben den Zentren London und Antwerpen gewann das Edelsteinkundliche Institut im deutschen Idar-Oberstein zunehmend an Bedeutung und bot, unterstützt durch einheimische Edelsteinhändler, die ersten Diplomlehrgänge in Gemmologie und Diamantenkunde an. In Österreich gelang es dem damaligen Berufsschullehrer und späteren Direktor der Berufsschule für Goldschmiede Dipl. Ing. OSR BD. Alfred BAUER, unter einfachsten Bedingungen eine Edel- und Schmucksteininformation für Handel und Gewerbe zu etablieren. Unter Einsatz seiner eigenen, bescheidenen Edelsteinsammlung bot er über die Wirtschaftskammern Österreichs Kurse zur Er-

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kennung gängiger Edel- und Schmucksteine sowie deren damals bekannten Synthesen und Imitationen an. Viele Goldschmiede und Lehrlinge nahmen das Angebot an und fanden durch den sympathischen, väterlich wirkenden Vortragenden ihren ersten Einstieg in die Welt der schönen Steine. Diejenigen, die mehr wissen wollten und es sich finanziell auch leisten konnten, fuhren nach Idar-Oberstein und schlossen dort mit verschiedenen gemmologischen Fachprüfungen ihre Ausbildung ab, da es eine solche in Österreich noch nicht gab. In den 60er Jahren eröffnete Prof. Walter MICAN sein Edelsteinlabor, nachdem auch er in Idar-Oberstein seine Prüfungen abgelegt hatte. Es war ein privates Untersuchungslabor, das er neben seiner Tätigkeit als Schätzmeister im Auktionshaus/Pfandleihanstalt Dorotheum und als Goldschmiedemeister mit seiner Frau führte. Sein Schwerpunkt lag nicht nur auf dem Gebiet der Gemmologie sondern vor allem auf der Erstellung von Schätzgutachten. Seine private Edelsteinsammlung war von Bedeutung, da es außerhalb des Staatlichen Edelsteininstitutes zu dieser Zeit nichts Vergleichbares in Wien gab. Er versuchte damals schon, sich als wissenschaftlicher Gemmologe zu positionieren, was aber nicht gelang. Dennoch erreichte er, dass der Begriff „Gemmologie“ in die österreichische Juwelenbranche eingeführt und vielen bewusst wurde, dass die Basis eines jeden Schätzgutachtens eine gemmologische Untersuchung war. 1971 war es dann endlich soweit: Die „Erste Österreichische Gemmologische Gesellschaft“ (E.Ö.G.G.) wurde von Hofrat DI DDr. tech. Johann PONAHLO und Juwelier Anton HABAN am Graben in der Wiener City gegründet. In Zeiten eines weltweiten Diamanten-Booms arbeiteten das Vorstandsmitglieder OSR BD Engelbert HAAS und Diamanthändler Michael BARTH vorrangig auf dem

Gebiet der Diamantgraduierung, während sich Dr. Ponahlo um die wissenschaftlichen Belange kümmerte und die ersten Gemmologischen Kurse auf wissenschaftliche Art durchführte. Die Lehre und Forschung in Österreich fand somit in Wien mit allen Höhen und Tiefen statt. Handel und Gewerbe förderten den Verein und dessen Tätigkeiten so gut es ging. Vom Sinn und Zweck dieser Gesellschaft war man aber nicht ganz überzeugt, war doch der Begriff „Gemmologie“ noch immer etwas, das man nicht ganz durchschaute. Dr. Ponahlo, Absolvent der Technischen Universität Wien in technischer Chemie, war am Institut für Physikalische Chemie tätig und wechselte 1958 in die Industrie. Fasziniert von der Arbeit anerkannter Gemmologen in London, legte er 1965 seinen FGA mit Auszeichnung ab und verschrieb sich ganz dem Studium gemmologischer und technisch-mineralogischer Probleme, vor allem nach seinem Eintritt in das Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal in Wien. Die E.Ö.G.G. Wien, die alsbald eines der kooperativen Forschungsinstitute der gewerblichen Wirtschaft Österreichs wurde, machte sich über die Grenzen des Landes hinweg einen Namen. Dr. Ponahlo ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, vornehmlich auf dem Gebiet der Kathodolumineszenz von Edel- und Schmucksteinen, mit richtungsweisenden Entwicklungsarbeiten. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand wurde diese Institution 1990 in die heutige Österreichische Gemmologische Gesellschaft (Ö.GEM.G.) umgewandelt. Aus finanziellen Gründen konnten die aufwändigen Forschungsprojekte nicht mehr durchgeführt werden. Der neue Mann an der Spitze war nunmehr Prof. Leopold RÖSSLER, der gemeinsam mit dem Leiter des Staatlichen Edelsteininstitutes im NHM Dr. Gerhard NIEDERMAYER und der Goldschmiedemeisterin und Gemmologin Gabriela BREISACH den Verein leitete. Prof.

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Prof. Leopold Rössler ist bis heute der „Vater der österreichischenGemmologie“, weit über die Landesgrenzen hinausbekannt. Ein Lehrer mit Charisma und Humor, ein Gemmologe mit langjähriger Erfahrung und großen Kenntnissen über praktische Erkennungsmöglichkeiten von Edel- und Schmucksteinen. Generationen von Goldschmieden, Juwelenhändlern und Schmuck-Sachverständigen gingen durch seine unverwechselbaren Schulungen und profitierten von seinem umfangreichen Wissen, das er als Autor zahlreicher Fachartikel, Studienreihen und in den „Gem-News“ dokumentiert hat.

Rössler war Schüler von Prof. Siess (Wien) und Prof. Schlossmacher (Idar-Oberstein und Königstein). Er begann seine Karriere als Gold- und Silberschmiedemeister, Werkstättenleiter der Fa. Karl Fiedler und Lehrer an der Berufsschule der Goldschmiede in der legendären Sonnenuhrgasse, deren Direktor er später wurde. Seit 1975 war er Mitarbeiter und danach Vorstandsmitglied der E.Ö.G.G. und betreute von 1969-1975 mit Ing. Bauer die Edelsteinkurse an den WIFI’s in Österreich, von 1975-1985 allein und ab 1985 gemeinsam mit Gabriela Breisach. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Gemmologie in Österreich wirklich Fuß fasste und die edelsteinkundliche Ausbildung strukturiert und auf ein internationales Niveau gebracht wurde. Gemeinsam mit dem damaligen Bundesinnungsmeister der Goldschmiede, Mag. Bruno Schiller gelang es Prof. Rössler 1986, eine abgeschlossene Kursreihe mit Diplom zum „Geprüften Edelsteinberater“ gegen den Widerstand etlicher Branchenvertreter durchzusetzen. In weiterer Folge wurde am Wirtschaftsförderungsinstitut Oberösterreich (WIFI), das im Lauf der Jahre große Investiti-

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onen an Laborausrüstung getätigt hatte, die „GEMMOLOGISCHE AKADEMIE LINZ“ mit Ausbildung zum „Gemmologen“ gegründet. Im Jahr 1999 wurde diese nationale Ausbildung für würdig befunden, in die europäische Dachorganisation FEEG (Federation for European Education in Gemmology) aufgenommen zu werden. Absolventen dieser Akademie können seither auch das international anerkannte Diplom „European Gemmologist“ erwerben. Die überaus fruchtbare Partnerschaft zwischen Österreichischer Gemmologischer Gesellschaft und Österreichischem Gutachterverband für Pretiosen und Uhren mit dem WIFI Linz wurde in den letzten Jahren durch Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen ergänzt, wie z. B. mit den Leitern des Staatlichen Edelsteininstitutes Hofrat Dr. Gerhard NIEDERMAYR und später Dr. Vera HAMMER, den Mineralogen der Universität Wien, Univ. Prof. Dr. Anton BERAN und Univ. Prof. Dr. Gerald GIESTER, des Atominstitutes der Universität Wien, Dr. Max PICHLER sowie der Johannes-Kepler-Universität Linz, Ass. Prof. DI Dr. Clemens SCHWARZINGER.

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Vlnr: Vize-Präsident Mag. (FH) Stefan Nikl, Vize-Präsident Herbert Jaros, Präsident KR Georg Fischmeister, Ehrenpräsident KR Wilfried Haas, Vize-Präsident Walter Swoboda

A Diamant Club Wien

Die Österreichische Diamantbörse W W W. D I A M A N T C L U B - W I E N . AT

uf dem langen Weg des Diamanten von der Fundstätte bis an das Verkaufspult des Juweliers und an die Hand der Trägerin ist das gegenseitige Vertrauen in jeder Stufe der Bearbeitung und des Handels die Grundvoraussetzung. So entstanden schon im 19. Jahrhundert die ersten Zusammenschlüsse der Diamantaire, die genaue Verhaltensregeln im Handel mit Diamanten festlegten. 1921 wurde der heute bestehende Diamant-Klub Wien als österreichische Diamantbörse ins Leben gerufen. Diese hatte in kürzester Zeit 460 Mitglieder. Mit seiner Vereinsarbeit lenkt der Diamant Club heute das Augenmerk der Konsumentinnen und Konsumenten auf die Fachkompetenz seiner Mitgliedsbetriebe.

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Mit dem Club-Logo zeigen Mitglieder, dass sie nach dem Kodex des internationalen Diamanthandels größte Sorgfalt im Diamantgeschäft walten lassen. Für Geschäftspartner ist es ein sichtbares Zeichen der Kompetenz und Verlässlichkeit im Diamantgeschäft. Seit seiner Gründung konnte der Diamant Club auch immer wieder sehr schwierige Zeiten überwinden. Nachdem es - durch das gemeinsame Vorgehen der internationalen Diamantbranche – in den letzten Jahren gelungen ist, den illegalen Handel mit Konfliktdiamanten fast gänzlich einzudämmen, sieht sich der Diamanthandel aktuell mit einer Reihe vielfältiger Herausforderungen konfrontiert. Der Konsument von heute ist zumeist sehr gut informiert und gibt sich oft nicht mehr mit der Konflikt-Freiheit der Diamanten zufrieden. Um das Vertrauen der Konsumenten zu erhalten wird es notwendig sein, nachvollziehbar über die Herkunft der Diamanten berichten zu können. Für die Mitglieder des Diamant Club Wien ist der faire Umgang mit Geschäftspartnern seit jeher das höchste Gut. Es steht außer Streit, dass diese Usancen für die gesamte

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Handelskette gelten. Besonders den kleingewerblichen Minenarbeitern muss jedwede Hilfe, die sie benötigen um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, zuteilwerden. Der Diamant Club wird in Kooperation mit der Diamond Development Initiative seinen Beitrag dazu leisten. Es ist aus heutiger Sicht nicht abzuschätzen, wie sich synthetischen Diamanten im Juwelenhandel etablieren werden. In Bezug auf diese Entwicklung sind ständige Weiterbildung und der Einsatz von modernen Untersuchungsmethoden unerlässlich. Der DCW stellt dafür seinen Mitgliedern zwei Geräte zur Verfügung: Das DiamondSure® und das Diamond Screen®, die zu einem hohen Prozentsatz natürliche Diamanten von synthetischen unterscheiden können. Die letzten Jahre haben einen Trend innerhalb des Kaufverhaltens vom stationären Handel hin zum Online-Kauf gebracht. Auch der Diamanthandel findet zunehmend über Online-Portale statt. So gewinnen transparente Information über Qualität und Herkunft und nicht zuletzt der Preis in Verkaufsgesprächen mehr und mehr an Bedeutung. Durch die weltweite Vernetzung des Diamant Club Wien ist es Mitgliedern möglich, Diamanten in den unterschiedlichsten Qualitäten rasch und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu beziehen. Der Diamant Club Wien wird – wie bisher – alles daran setzen, seinen Mitgliedern jene Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Kundinnen und Kunden auch in Zukunft bestmöglich beraten können.

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Mein Leben wird durch Diamanten bestimmt. MICHAEL BARTH GOLDSCHMIED UND DIAMANTHÄNDLER

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ls gelernter Goldschmied habe ich seit meiner Lehrzeit mit edlen Steinen zu tun. Der unglaubliche Glanz dieser Steine, insbesondere der Diamanten, hat mich seit frühester Jugend fasziniert. Nach meiner Gesellenprüfung als Goldund Silberschmied bei der Firma Olajos und den Diamantlehrgängen in Idar-Oberstein durfte ich in der Ersten Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft als Diamantgraduierer volontieren. Die EÖGG war damals in den Räumlichkeiten der Firma Haban untergebracht. Durch diese Tätigkeit lernte ich Anton Haban kennen, der mich vom Fleck weg engagierte. Von da an war ich verantwortlich für den Edelsteineinkauf, die Koordination der Werkstätten und die Produktion der Kollektionen und Schmuckstücke des Unternehmens. Diese Tätigkeit öffnete mir das Tor zur weiten Welt. 1986 begann meine Karriere als selbständiger Diamant-

händler. Somit bin ich Diamantgutachter und Händler in einer Person. Das hohe Qualitätsbewusstsein der Firma Haban hat mich damals nicht nur stark beeindruckt, sondern bis heute geprägt. Durch meine Ausbildung als Diamantgutachter ist es mir möglich, nicht einfach nur Diamanten einzukaufen und zu verkaufen, sondern auch auf die Feinheiten zu achten und Steine höchster Qualität auf den Markt zu bringen. Ganz besonders liegen mir meine ehemaligen Kollegen, die Goldschmiede, mit ihren speziellen Anforderungen am Herzen. Dem Individualismus der Kunsthandwerker kommen die vielfältigen Schliffe und Farben der heutigen Diamanten besonders entgegen. Die Verantwortung meiner Branche gegenüber bringe ich auch durch meine Tätigkeit in der Prüfungskommission der Diamantlehrgänge an der Gemmologischen Akademie Linz zum Ausdruck.

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Gemmologische Akademie Linz Ausbildung für eine edle Zukunft

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W W W. W I F I - O O E . AT W W W. G E M M O L O G I S C H E - A K A D E M I E . AT

m Österreichischen Gemmologischen Ausbildungszentrum im WIFI-Linz finden seit vielen Jahren alle Arten von Edelstein- und Diamantkursen statt. 1989 erreichten diese Lehrgänge die nationale Anerkennung durch die Standesvertretungen und durch die Wirtschaftskammer Österreich. Damals wurden die ersten Prüfungen zum „Geprüften Edelsteinberater“ eingeführt. Durch umfangreiche und gezielte Investitionen in Labor und Ausstattung sowie durch die Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft (ÖGEMG) und dem Österreichischen Gutachterverband für Pretiosen und Uhren (ÖGV) wurden die Lehrgänge dem modernsten europäischen Standard angeglichen. In Folge wurde die Möglichkeit geschaffen, die Ausbildung mit dem Diplom des „GEMMOLOGEN WIFI-AUSTRIA“ zu beenden. Die Ausbildung basiert auf international gebräuchlichen gemmologischen Richtlinien und Nomenklaturbestimmungen und kann im Zeitraum von ca. 18 Monaten abgeschlossen werden. Sie bietet allen Interessierten eine fundierte fachliche Basis für ihre weitere Zukunft in der Schmuckbranche. Die Kurse finden berufsbegleitend jeweils Freitag und Samstag statt. Unter der bewährten Leitung

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von Prof. Leopold Rössler und seinem Team, Gabriela Breisach, Mag. Dr. Waltraud Winkler und Isabella Rothbauer werden den Studenten aller Altersgruppen die Grundlagen der Gemmologie anhand einer in Europa einzigartigen, privaten Edelsteinsammlung nahe gebracht. Als Österreichisches Gemmologisches Ausbildungszentrum wurde die WIFI OÖ Gmbh -gemeinsam mit der ÖGEMG- im Jahr 2000 Mitglied der FEEG (Federation for European Education in Gemmology / Föderation Europäischer Ausbildung in Gemmologie). Exklusiv für Österreich wird daher auch die Prüfung und das international anerkannte Diplom zum „EUROPEAN GEMMOLOGIST“ im WIFI Linz angeboten. Zusätzlich zu den Edelstein- und Diamantlehrgängen bietet die Gemmologische Akademie Linz Aus- und Fortbildungskurse über Schmuck, Stilkunde für Gold- und Silberschmiede, Juweliere, Antiquitätenhändler und interessierte Privatpersonen an sowie thematische Sonderkurse und eine eigene Seminarreihe als Vorbereitung auf eine Tätigkeit als Gerichtssachverständige für Pretiosen. Wir laden Sie herzlich ein, einen Blick hinter die Kulissen der Schmuckbranche zu werfen und Ihr Wissen zu erweitern!

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Eine edle Gesellschaft

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nformation ist die Währung der Demokratie, meinte einst Thomas Jefferson, der 3. Präsident der USA. INFORMATION ist auch der Schwerpunkt der Tätigkeit der Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft, sei es für Mitglieder der Juwelen- und Edelsteinbranche oder für interessierte Amateure. Gegründet im Jahr 1971 als „Erste Österreichische Gemmologische Gesellschaft“ widmet sich der unpolitische Verein seit damals dem Zweck, die Lehre und den Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Edelsteinkunde (Gemmologie) zu fördern, Echtheitsuntersuchungen an Edelsteinen aller Art vorzunehmen und – seit 2016 auch Bewertungen durchzuführen. Die Welt der Edelsteine unterliegt einer ständigen Veränderung. Neue Fundorte, neue Behandlungsmethoden, neue Imitationen und Synthesen machen dem Gemmologen des 21. Jh. das

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Leben nicht gerade einfacher. Die Standardgemmologie muss zunehmend von der wissenschaftlichen Gemmologie ergänzt werden, so dass viel Fachwissen nötig ist, um Edel- und Schmucksteine sowie organische Schmuckmaterialien erkennen und einstufen zu können. Goldschmiede, Juweliere und Pretiosen-Sachverständige haben durch die ÖGEMG die Möglichkeit, ihr Wissen stets auf dem letzten Stand zu halten. Seit 1991 gibt es auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Gutachterverband für Pretiosen und Uhren. Information, Freude an den edlen Steinen, gesellige Abende und fachliches Know-how bilden die Schwerpunkte der Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft, die auch an der Ausbildung zukünftiger Gemmologen und Schmucksachverständiger an der Gemmologischen Akademie Linz maßgebend beteiligt ist und inzwischen europaweite Anerkennung genießt.

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Ein sachverständiger Verband

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er ÖGV ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verband von Sachverständigen auf den Fachgebieten Juwelen und Pretiosen, Gold- und Silberwaren, Uhren und Antiquitäten, sowie von Gemmologen, Diamantgutachtern, Juwelieren, Mineralienhändlern, Uhrmachern und Gold- und Silberschmieden. Der Verein wurde 1989 in Wien durch Gabriela Breisach, Prof. L. Rössler, J. M. Fink, M. Barth und W. Stasny gegründet und befasste sich hauptsächlich mit der Erstellung von Schätzgutachten. Mindestens zwei unabhängige Gutachter mussten das Gutachten erstellen. Ein weiterer Schwerpunkt des Verbandes war und ist die gemeinsame Marktbeobachtung im Hinblick auf internationale Preisentwicklungen und Bewertungen, die Information und der ständige Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Gutachtern auf allen fachbezogenen Gebieten.

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ÖGV-Gutachter wird man nur auf Einladung des Vorstandes und bei Einstimmigkeit der Vorstandsmitglieder über die Aufnahme sowie nach Vorlage eines dem Fachgebiet entsprechenden anerkannten Ausbildungsnachweises oder besonderer einschlägiger Kenntnisse auf einem Fachgebiet. Von 2007-2015 lag der Verein in den bewährten Händen von Prof. Leopold Rössler, der den ÖGV gemeinsam mit der ÖGEMG leitete. Der Verband pflegt auch eine enge Zusammenarbeit mit der Gemmologischen Akademie Linz im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung von Sachverständigen und Gerichtsgutachtern. 2016 übernahm wieder Gabriela Breisach das Ruder und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Verband in jeder Hinsicht den Gegebenheiten des 21. Jh. anzupassen, Nachwuchs zu fördern und die Kommunikation neuer Richtlinien für die Bestimmung und Bewertung von Pretiosen zu erweitern.

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1 Arm- und Lockenringe aus feinem Golddraht, Arikogel, Oberösterreich. Objekte: Prähistorische Abteilung, NHM; Foto: Alice Schumacher NHM.

österREICH der vielen Edel- und Schmuck(ge)steine V E R A M . F. H A M M E R N AT U R H I S T O R I S C H E S M U S E U M W I E N MINERALOGISCH-PETROGRAPHISCHE ABTEILUNG SAMMLUNGSLEITUNG MINERALIEN UND EDELSTEINE S TA AT L I C H E S E D E L S T E I N I N S T I T U T

Schmuck aus der Vergangenheit. Diverse Grabbeigaben geben Zeugnis von Wertschätzung, die dem Schmuck schon im Paläolithikum beigemessen wurde. Bei einer Grabungskampagne der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Kremser Wachtberg wurden 2005 zwei ca. 30.000 Jahre alte Säuglinge geborgen, als Grabbeigabe war eine Kette aus Mammut-Elfenbeinperlen beigelegt. Zu den ersten verwendeten Schmuckmaterialien zählen Molluskenschalen, Bernstein, Gagat, Knochen und Elfenbein, denn sie waren relativ einfach zu bearbeiten. Aus spezialisierten Goldschmiedewerkstätten stammen hingegen die aus Golddraht ge-

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fertigten, verzierten Armspiralen und Ringe, eines Schatzfundes am Arikogl bei Hallstatt. Solche Werkstätten haben sich bereits während der späten Bronzezeit in einigen Teilen Europas etabliert. 1 Bei einer Grabung der Stadtarchäologie Wien, zwischen Rochusmarkt und Rasumofskygasse, wurden 2015 Belege für eine handwerkliche Schmuckperlenproduktion in einem spätlatenezeitlichen Siedlungsraum nachgewiesen. Die Fülle von Bernsteinsplittern, aber auch einzelne Schmuckperlen und das geborgene Rohmaterial lassen darauf schließen, dass hier das fossile Harz aus Gablitz im Wienerwald Verwendung fand. 2 Im Jahr 2000 wurde bei Bauarbeiten unter der Albertina in Wien von der Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie ein großes römisches Gräberfeld aus dem 2.-4. Jh. n. Chr. entdeckt. Zu den attraktivsten Grabbeigaben einer sozial hoch stehenden Persönlichkeit und als Zeugnis der römischen Goldschmiedekunst zählt ein Paar goldene Ohrgehänge mit Smaragd und Granat. 3 Bei Ausgrabungen am Magdalensberg in Kärnten wurden Anfang der 1990er Jahre 50 Bergkristalle geborgen. Der größte der von den Römern in den Hohen Tauern gefundenen Kristalle wog immerhin ca. 50 kg. Schon Plinius d. Ä. berichtete 77 n. Chr. in seiner Historia naturalis von prunkvollen Gefäßen, Bechern und Kristallkugeln, die aus solchen Quarzen gefertigt wurden. Während der großen Völkerwanderungen kamen vermehrt Schmuckstücke mit Granatbesatz in unsere Breiten. Derartige Objekte finden sich auch im Raum des heutigen Österreich, wie jüngste archäologische Funde des Bundesdenkmalamtes aus dem Gräberfeld von Salzburg-Liefering belegen. Einige Scheibenfibeln sind mit ganz dünnen Granat-Plättchen überzogen. Trickreich wurden die dunkelroten Almandin-Granate mit geprägter Goldfolie unterlegt, um das Licht zu brechen und den Steinen hellere Farben zu

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2 Fossiles Harz „Bernstein“ aus Gablitz bei Wien Objekt: NHM N75 Foto: Vera M.F. Hammer, NHM. 3 Ohrgehänge aus Gold mit Smaragd und Granat römisch, 2.-4. Jh.n.Chr. Objekt: Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie Foto: Rudi Huber 4 Scheiben-, S- und Adlerfibeln mit Almandin- und Glasbesatz Fassungen Gold/Silberlegierungen; Völkerwanderungszeit. Objekte: Bundesdenkmalamt Foto: Alice Schumacher, NHM.


5 Smaragde aus dem Habachtal, Salzburg. Rohkristall mit 3 cm eines historischen Fundes von 1874 und facettierte Steine mit 22.6ct, 10.29ct und 3.0 ct. Objekte: NHM A.a.6913, L9341, L4753 und L4173 Foto: Vera M.F. Hammer, NHM 6 Smaragd-Anhänger Smaragdfund: Andreas Steiner, Bramberg Design: Sonja Martin, Frastanz . 7 Granatschmuck um 1840. Mittelstein Almandin aus dem Zillertal umgeben von böhmischem Pyrop. Objekt und Foto: Walter Ungerank, Aschau, Zillertal.

verleihen. Obwohl der Almandin eigentlich ein sehr häufiger Granat ist, können weite Transportwege aus dem asiatischen Raum nicht ausgeschlossen werden. 4 Diese Beispiele sollen zeigen, dass Edelund Schmucksteine selbst in der Vergangenheit nicht immer nur im unmittelbaren Umfeld gesammelt und verwendet wurden, sondern durchaus von sehr weit her stammten und bereits reger Warenaustausch mit Kristallen aus dem Alpenraum erfolgte. Smaragd, der grüne Edelstein aus dem Habachtal. Weltweit bekannt sind die Smaragde vom Salzburger Habachtal. 1669 berichtet Erzherzogin Anna de Medici ihrem Bruder Ferdinand II. in einem Brief, dass der Universalgelehrte Nicolaus Steno auf seiner Reise nach Italien auch Tirol und Salzburg besuchen wird und sie auf einen Bericht über die dortigen Smaragdgruben warte. Ende des 18. Jh. sandte der Salzburger Montanist Caspar Schroll einige Smaragdproben aus dem „Heubachthale im Pinzgau“ an diverse Museen, darunter an das damalige k.k. Naturalien-Cabinet in Wien. Die eigentliche Bergbautätigkeit wird um 1860 vom Wiener Juwelier Samuel Goldschmidt begonnen. Die wechselnde Abbaugeschichte dieses Vorkommens bis in die Jetztzeit wurde mehrfach in der einschlägigen Literatur beschrieben. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat nun die passionierte Strahler-Familie Alois und Andreas Steiner aus Bramberg das Bergwerk gepachtet. 5 + 6 Granat: Vom Feuerstein zum Trachtenschmuck. Mitte des 18. Jh. entstand im Tiroler Zillertal ein regelrechter Abbau der dort gefunden Almandin Granate. Im 19. Jh. entstand sogar eine einfache Ansiedlung für die Steinklauber mit einer wassergetriebenen Granatmühle zum Reinigen der Kristalle. Während die trüben und schlechten Qualitäten als Feuer- und Zündsteine Verwendung fanden, schickte man die farblich besseren und einschluss-

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8 Dose aus einem rissigen Almandin Kristall gefertigt, Pusygraben, 2. Hälfte 18.Jh.; Objekt: NHM A.y.928 Foto: Vera M.F. Hammer, NHM 9 Adular mit Mondsteineffekt, Mörchner Kar, Zillertal, Tirol; Objekte: NHM M1781 Rohkristall ca. 4 x 4 x 2 cm, Facettenschliff M2832 27.98ct, Cabochon M1610 56.87ct Foto: Vera M.F. Hammer, NHM. 10 N6003 Splitter eines ursprünglich 2.5 kg schweren Kristalls. N5875 Scheelit in Tropfenform, 169ct, N5876 Scheelit in 3-Kantschliff 21,7 ct Foto: Vera M.F. Hammer, NHM.

freien Steine in die böhmischen Schleifereien. Auch die Granate aus dem Stollenabbau bei Radenthein in Kärnten wurden in Böhmen facettiert. Da die typischen böhmischen Pyrop Granate nur wenige Millimeter Größe erreichen, verwendete man die aus Österreich stammenden, etwas dunkleren und größeren Almandin Granate bei Bedarf als große Mittelsteine. So gelangten in Folge Granate aus Österreich als berühmter „Böhmischer Granat“ in die ganze Welt. Lokal wurde Zillertalerund Radentheiner Granat hauptsächlich für Trachtenschmuck verwendet. Die Erlebniswelt „Granatium“ in Radenthein widmet sich in hervorragender Weise dem Thema Granat. 7 Bis zu faustgroße, mit Chlorit überzogene Almandin Kristalle können auch heute noch bei Lölling in Kärnten gefunden werden. Sie sind im Inneren sehr trüb und rissig. Dennoch wurden diese Granate im 18. Jh. kunstgewerblich verschliffen, so besitzt das Naturhistorische Museum Wien eine ovale Zierdose, die aus einem einzigen Kristall gefertigt wurde. 8

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Schöne Mineralfunde in Alpinen Klüften haben neben Quarz in den letzten Jahrzehnten noch andere schleifbare Kristalle geliefert, z.B. Sphen, Phenakit, Aquamarin, Epidot, Diopsid und Turmalin, um nur einige zu nennen. Erwähnenswert ist der „Mondstein“, ein Adular Feldspat aus dem Bereich vom Mörchner Kar im Zillertal. Mitte der 1990er Jahre wurden mehreren Kilogramm von Zentimeter großen Kristallen gefunden und meist Cabochons daraus gefertigt. 9 Ein ursprünglich 2.5 kg schwerer transparenter Scheelit-Kristall aus dem Scheelitbergbau Mittersill in Salzburg war bei der Bergung leider bereits zerbrochen, so konnten die meisten Bruchstücke nur noch verschliffen werden. 10

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11 Unterteil einer Tabakdose aus Amethyst, Eggenburg; 2. Hälfte 18. Jahrhundert, Objekt: NHM A.z.8. Foto: Vera M.F. Hammer, NHM. 12 Cabochons aus Dendritenopal von Kleinulrichschlag, NÖ Objekte und Foto: Mag. Christian Riedel, Edelsteinschleifer und Gemmologe, Hötzelsdorf. 13 Tabakdose aus Bleiberger Muschelmarmor, um 1800, Objekt: NHM M2771 Foto: Vera M.F. Hammer; NHM.

Vulkanischen Ursprungs sind die Olivine vom Kapfenstein in der Steiermark, die hier in Olivenbomben auftreten. Größere Körner gaben mitunter gutes Schleifmaterial. Um den Kapfenstein führt heute einen Geolehrpfad, der auch die Entstehung dieses Edelsteins erläutert. Das eigene Sammeln ist hingegen streng untersagt. Die Amethyst-Vorkommen von Eggenburg und Maissau zählen zweifellos zu den bedeutendsten Mineralfundstellen Niederösterreichs. Die Amethystgänge haben sich beim Abklingen der Variszischen Gebirgsbildung aus überschüssiger Kieselsäure abgesondert. Bereits im 18. Jh. wurden aus diesem

wechsellagernd weißfliederfarben bzw. violetten Quarz Zierdosen gefertigt. Heute befindet sich über dem freigelegten Amethystgang in Maissau ein Besucherzentrum mit einem eigenen Edelsteinmuseum. 11 Die diversen Opalvorkommen darunter auch der Dendritenopal von Dobersberg-Waldkirchen in Niederösterreich treten im Randbereich von Serpentinitstöcken auf. Engagierte Steinschleifer verarbeiten das Material und fertigen daraus aparte Schmuckstücke. 12 Eine wirkliche Rarität ist der „Bleiberger Muschelmarmor“ aus dem St. Oswaldi-Stollen des dortigen Bergbaus. Der Perlmutteffekt der Ammonitenschalen blieb trotz Fossilisation erhalten und besticht durch ein vorwiegend oranges und grünes Farbspiel in dunkelbrauner karbonatischer Matrix. Das

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Gestein wurde 1780 entdeckt und fand seinerzeit für zahlreiche Schmuckgegenstände Verwendung. Nur wenige daraus gefertigte Objekte blieben erhalten. 13 Das für Europa einzigartige Serpentinit-Chloritfels-Vorkommen in Bernstein im Burgenland war bereits zu Beginn des 19. Jh. bekannt. Die Verarbeitung für kunstgewerbliche Gegenstände dürfte um 1860 eingesetzt haben. Abbau in Steinbrüchen und Verarbeitung des im Handel als „Edelserpentin“ bezeichneten grünen Materials erfolgt bis zum heutigen Tag und kann im Felsenmuseum der Familie Potsch bewundert werden. 14 Schon im 15. Jahrhundert war in Gams bei Hieflau in der Steiermark Gagat – eine schneide- und polierfähige Glanzkohle – bekannt. Ab dem Mittelalter wurden daraus Rosenkränze, Kreuzanhänger und anderer Zierrat gearbeitet. Dieses schwarze Schmuckmaterial verlor durch die Entdeckung von Kunststoff an Bedeutung. In vielen mitteleuropäischen Flüssen, so auch im Mühl- und Waldviertel war die Fluss-​ perlmuschel beheimatet. Die Verschmutzung der Gewässer aufgrund zunehmender Industrialisierung führte beinahe zur Ausrottung dieser Spezies. Heute werden große Anstrengungen unternommen, um die Flussperlmuschel in Österreich wieder anzusiedeln. Kurzzeitig wurden im 20. Jahrhundert bei Schärding sogar Versuche der Perlenzucht unternommen. 15 In den letzten Jahrzehnten ist in Österreich der durchaus positive Trend zu beobachten, dass zunehmend regionale Mineralien und Gesteine verschliffen und historische Vorkommen wiederbelebt werden. Dies führt dazu, dass sich sowohl bei der handwerklichen Verarbeitung als auch bei den Kunden ein gewisser Regionalbezug manifestiert. Beispiele finden sich u.a. in den Arbeiten von Goldschmied Peter Kartusch aus Weitra, der heimische Granite für sein Schmuckdesign verwendet. 16

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14 Auswahl an kunstgewerblichen Gegenständen aus burgenländischem „Edelserpentin“ Objekte und Foto: Felsenmuseum Familie Potsch Bernstein Burgenland 15 „Passauer Perlen“, Objekt: NHM N9723 Foto: Vera M.F. Hammer, NHM 16 Verschiedene Granite aus lokalen Vorkommen zu Schmuckkreationen verarbeitet; Objekt und Bild: Peter Kartusch, Weitra.


D Farbedelsteine im Schmuck Faszinierend, schön und selten G A B R I E L A B R E I S A C H , G WA , G G

as menschliche Empfinden für das Schöne ist ein uraltes Phänomen. Wo immer wir Schönheit erkennen können, sei es in der Schöpfung der Natur oder in einem Meisterwerk von Menschenhand, löst sie ein Gefühl des Wohlbehagens, manchmal sogar des Glücks in uns aus. Farbedelsteine sind die besondere Kombination dieser beiden Elemente, sie versetzen uns in Entzücken und rufen unsere Bewunderung hervor. Die Schönheit der Edelsteine kann sich auf verschiedene Weise zeigen. Durch die luxuriöse Farbenpracht der Rubine, Saphire und Smaragde, durch die attraktiven Pastellfarben der Berylle, den Glanz der vielfarbigen Granate, den Reiz der unzähligen Quarze oder das außergewöhnlichen Farbenspiel der Opale bis hin zu den rätselhaften Lichterscheinungen von Katzenaugen und Sternsteinen. Die Lebhaftigkeit der Farben kommt nicht nur dem

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allgemeinen Schönheitsempfinden entgegen, sie erfreut auch das menschliche Auge und gilt als Ausdruck von Dynamik und Energie. Besondere Edelsteine, wie der Alexandrit, der erstmals 1830 in Russland entdeckt wurde, zeigen bei Betrachtung mit unterschiedlichen Lichtquellen wechselnde Farben und werden nur von Kennern geschätzt und getragen. Andere Farbsteine, unter ihnen der Spinell, der Olivin oder die Gruppe der Granate haben weit mehr als 650 Jahre Geschichte hinter sich. Sie wurden sowohl im Volksschmuck als auch in Kronjuwelen verwendet und häufig mit anderen Mineralarten verwechselt. Die wohl größte Bandbreite an Farben zeigen die Mitglieder der Turmalingruppe. Die regenbogenfarbige Palette fasziniert seit Jahrtausenden und macht diese Steine zu den begehrtesten, die bis heute im Schmuck verarbeitet werden. Erst im 17. Jh. kam der grüne Turmalin von Brasilien nach Europa. Einen letzten Höhepunkt erlebte dieses Mineral, als man in den 1980er Jahren Turmaline in außergewöhnlichen Farben im Paraiba-Gebiet fand. Neben der Schönheit ist die Dauerhaftigkeit und vor allem die Seltenheit ein weiteres Wesensmerkmal der Edelsteine. Sie schafft ein Umfeld von Exklusivität und Wert, was unseren Wunsch nach Besitz noch verstärkt. Edelsteine können in mehrfacher Hinsicht selten sein. Oft sind es Varietäten von sonst weitverbreiteten Mineralen, die außergewöhnliche Farben oder Erscheinungen zeigen, wie z. B. der Padparadscha-Saphir, der Imperial-Topas oder der Labradorit-Feldspat. Nur wenige Quarze besitzen die herrliche, violette Farbe des Amethystes und davon nur ein Bruchteil eine makellose Transparenz. Nur wenige Edelopale zeigen das fröhliche Muster eines Harlekingewandes auf schwarzem Grund. Aber auch andere Steine rufen bestimmte Bilder oder Erinnerungen in uns hervor. So erinnert das Ultramarinblau des Lapis Lazuli an eine sternenreiche Sommernacht, die blau-grüne

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Farbe des Aquamarins an einen Urlaubstag am Meer oder die Skyline eines Landschafts-​ achates an eine Reise in ferne Länder. Im Mittelalter befasste sich Hildegard von Bingen, Mystikerin und Universalgelehrte, mit der Heilwirkung der Edelsteine. Als Träger himmlischer Schöpfungsenergie sollen sie heilende Schwingungen abstrahlen können. Auch Konrad von Megenberg, der um 13421348 Lektor an der Stephansschule in Wien (Vorläuferin der Universität) war, befasste sich in seinem „Buch der Natur“ mit den „ positiven wie negativen Auswirkungen von Edelsteinen auf den Menschen“. Ob Edelstein oder Schmuckstein, wertvoll oder preisgünstig, magisch, mystisch oder einfach nur schön: Jeder von ihnen ist ein Unikat der Schöpfung, das durch die Handwerkskunst des Steinschleifers seine Möglichkeiten aufzeigt, und vom Goldschmied in ebenso einzigartige Schmuckstücken verarbeitet wird. Die Bezeichnung „Halbedelstein“, vom weltbekannten Gemmologen Dr. Eduard Gübelin als „das grässliche Wort“ bezeichnet, ist daher eine sprachliche und edelsteinkundliche Missgeburt, die vermieden werden sollte. Die Preise von natürlichen, unbehandelten Edel- und Schmucksteinen sind Schwankungen unterworfen, abhängig von Angebot und Nachfrage auf den Weltmärkten. Der Wert hängt in erster Linie von der Intensität der Farbe, dann von der Reinheit und der Schliffqualität sowie von Größe und Gewicht ab. Aber auch Härte, Lichtbrechung oder andere chemische und physikalische Eigenschaften beeinflussen sein Erscheinungsbild, seine Tragbarkeit -und damit auch seinen Wert.

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diamanten Facetten, Feuer und Glanz G A B R I E L A B R E I S A C H , G WA , G G

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it dem Begriff Diamant verbindet sich seit jeher die Vorstellung von etwas besonders Edlem. Er ist der bekannteste unter den Edelsteinen, wird vielseitig verwendet und zeichnet sich durch seine hohe Härte aus. Frauen mögen ihn sehr, Männer sehen in ihm das Symbol des Mutes, der Kraft und der Macht. Der Diamant ist umgeben von Mythen und Geschichten. Für die alten Griechen waren Diamanten winzige Bruchstücke zur Erde gefallener Sterne und der Römer Plinius schrieb, dass „von allen Gütern der Erde dem Diamanten der höchste Wert zukomme“. Im Erdinneren, in Tiefen von bis zu 300 km, entsteht bei ca. 2000°C und unter gewaltigem Druck „die härteste Währung der Welt“. In blitzschneller Metamorphose verwandelt sich dort Graphit in Diamant. An die Erdoberfläche gelangt der Diamant während vulkanischer Eruptionen und kühlt dann ab. Nur wenige Steine überstehen diese gefahrvolle Reise, weshalb sie auch so selten sind. „Im Grunde ist ein Diamant auch nur ein Stück Kohle, das die nötige Ausdauer hatte“, sagt ein Sprichwort. Goldschmiede hatten schon immer ein besonderes Verhältnis zu den Diamanten, die sie verarbeiteten, war das Material doch

ebenso kostbar und wertvoll wie Gold. Es dauerte Jahrhunderte bis es Edelsteinschleifern gelang , seine einzigartigen Eigenschaften zur Geltung zu bringen. Währenddessen wurden Diamanten in allen Schliffarten und Formen von den Meistern des Handwerks in unvergleichliche Schmuckstücke gefasst, zur Freude der Schmuck liebenden Gesellschaft. Und heute? Diamanten und Brillanten in allen Farben sind fester Bestandteil der Goldschmiedebranche, trotz Synthesen und Imitationen. Das 20. Jh. brachte dem „Unbezwingbaren“ ein Highlight als Wertanlage und Investmentstein, so dass seine Bedeutung nun weit über die Juwelenbranche bis in die Banker- und Börsenszene reicht. Dort allerdings kann er nicht zeigen, was ihn so einzigartig macht: sein strahlendes Funkeln, das die Menschen fasziniert und ihn auch in Zukunft als etwas Erstrebenswertes ansehen lässt. „Ich habe keinen Mann so gehasst, dass ich ihm seine Diamanten zurückgegeben hätte“, meinte Hollywoodstar Zsa Zsa Gabor. Diamanten geschenkt zu bekommen und sich ein Leben lang daran zu erfreuen, ist sicherlich nicht der schlechteste Weg für eine Frau von Format, meine ich.

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Korallen und Perlen Aus den Tiefen der Meere G A B R I E L A B R E I S A C H , G WA , G G

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ie Farben der drei wichtigsten Staatssymbole, der österreichischen Fahne, des österreichischen Wappens und des Wiener Wappens, entsprechen auch den Farben der beliebtesten organischen Schmuckmaterialien in der Goldschmiedekunst: Korallen und Perlen. Das althochdeutsche Wort rôt bezeichnete die Farbgebung von Kupfer, Gold und anderen Metallen, während weiß die Summe aller Farben ist und als royale Farbe betrachtet wird. Perlen üben, nach neuesten Entdeckungen seit mehr als 7000 Jahren, eine ungebrochene Faszination auf den Menschen aus. Sie verkörpern das weibliche und geschmeidige Element im Schmuck, dessen sanfter Glanz verzaubert und sich harmonisch mit der Goldschmiedekunst verbindet. Die durch Zufall entstandenen Naturperlen inspirierten viele Künstler zu ungewöhnlichen Kreationen, wie beispielweise in der Zeit der Renaissance und des Barock. Kulturperlen des 20. Jh. verdienen aber ebenso Anerkennung und Würdigung, weil sie eine Errungenschaft des menschlichen Geistes und des Handwerks der Perlenzüchter sind. Ob sie aus dem Salzwasser oder Süßwasser stammen, sie sind im Goldschmiedegewerbe allgegenwärtig

und dürfen in keiner Schmuckschatulle fehlen. Die Perle ist weit mehr als ein Kulturobjekt. Sie ist in einem naturwissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zu sehen, sie folgt der Mode und dem Geschmack ihrer Zeit und erfreut uns nicht nur in repräsentativem Zusammenhang. Ihre rote Schwester aus dem Meer hat ebenfalls ein lange Geschichte, seit sie von den Ägyptern, Etruskern und Griechen zu Schmuck verarbeitet wurde. Magische Kräfte wurden ihr ebenso zugesprochen wie die Verwendbarkeit als Sexualsinnbild und als Abwehrmittel gegen den „Bösen Blick“. Die ursprüngliche Fundort der Korallen im Mittelmeer hat sich heutzutage in den Fernen Osten verlagert. Zahlreiche Gebiete liefern nun die wertvolle Ware in die Werkstätten der Goldschmiede. Von den über 7.500 verschiedenen Korallenarten sind nur wenige für Schmuckzwecke geeignet. Namen wie Corallium rubrum, elatius, secundum, Aka, Momo oder Midway geistern heute durch die Schmuckbranche und helfen, eine gewisse Klassifizierung zu erstellen. Die rote Farbe der Korallen ist aber noch immer ein Qualitätsmerkmal und hat nichts an Attraktivität eingebüßt.

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Schmuckwerkstatt Katja Dworak WWW.SCHMUCKWERKSTATT.CO.AT

Traditionelles Handwerk modernes Design seit über 70 Jahren Vor mehr als 70 Jahren von Friedrich Mace gegründet, befindet sich der derzeitige Firmensitz der MACE GmbH in der Hadikgasse 20/15 im 14. Wiener Gemeindebezirk. Unter der Führung von Angela Göschl hat sich die Firma MACE GmbH auf die Verbindung von traditionellem Goldschmiedehandwerk mit innovativen Techniken und kreativen Ideen spezialisiert. „Alten Schmuckstücken wird bei uns neues Leben eingehaucht, wir entwerfen aber auch zeitgemäße Kreationen nach den individuellen Wünschen und Vorstellungen unserer Kunden und übernehmen Reparaturen und Umarbeitungen“, erklärt die ausgebildete Gold- und Silberschmiedin Angela Göschl, die seit 1989 bei MACE tätig ist und das Unter-

Der Wunsch, mit meinen Händen Schönes zu schaffen und damit Freude zu bereiten, führte mich zu der traditionellen Handwerkskunst des Goldschmiedens. Nach Beendigung der dreieinhalbjährigen Lehrzeit und mehreren Jahren Praxis legte ich die Meisterprüfung ab und bin seit 2004 als Gold- & Silberschmiedemeisterin selbständig tätig. Seit März 2008 habe ich mein Geschäft, das zugleich meine Werkstatt ist, in 1160 Wien, Wattgasse 53. Neben Schmuck nach eigenem Design fertige ich exquisite Unikate sowie Eheringe nach Ihren individuellen Wünschen und Vorstellungen in Gold, Silber und Platin an. Darüber hinaus biete ich Ihnen Umarbeitung, Reparatur und Reinigung Ihrer Schmuckstücke und kompetente Beratung in allen Schmuckfragen. Gerne präsentiere ich auch eine unverbindliche Auswahl an Edelsteinen und Perlen.

GOLDSCHMIEDE MACE ANGELA GÖSCHL MACE@CHELLO.AT nehmen seit 2011 leitet. Für ein persönliches Beratungsgespräch stehen Angela Göschl und ihr Team in ihrem Atelier mit Blick auf die Gloriette von: Montag bis Donnerstag von 8:00 bis 17:00 Uhr sowie nach Vereinbarung unter der Telefonnummer + 43 18943987 oder per Email unter mace@chello.at zur Verfügung.

Anhänger in Gelbgold, mit Citrin, Blautopas und Brillanten, Eigenkreation von Goldschmiede MACE

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135 Jahre Goldschmiede Breisach W W W. S C H M U C K G U TA C H T E N . E U W W W. B R E I S A C H . C O . AT

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s begann alles 1881, als der „Bürgerliche Goldschmied“ Alois Schmidt die Erlaubnis erhält, das Gold- und Silberschmiedegewerbe als selbstständiger Gewerbetreibender auszuüben. Schwerpunkt seiner Erzeugung sind Ketten und Kettenbijouterie. Die Goldschmiedewerkstätten befinden sich in Wien 7, Burggasse 110 (1886-1887), in Wien 6, Bürgerspitalgasse 29 (1889-1897) und ab 1898 in Wien 6, Gumpendorferstr. 140. Nach dessen Tod im Jahr 1903 führt seine Frau Agnes Schmidt die Werkstätte als Witwenbetrieb an derselben Adresse weiter. Ihr Neffe Ignaz Gehart tritt in die Firma ein und übernimmt diese 1909. Er erweitert das Angebot von Ketten und Kettenbijouterie auf Armbänder, Broschen und Manschettenknöpfe. 1920 wird seine Enkelin Franziska Reif (später Breisach) geboren, die im Alter von 14 Jahren die Ausbildung als Goldschmiedelehrling beginnt. Nach Ablegung der Gesellenprüfung im Jahr 1938 übernimmt sie bereits etliche Aufgaben des Großvaters, insbesondere das Entwerfen und Zeichnen von Schmuckstücken sowie den Verkauf an Wiener Juweliere.

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Fünf Jahre nach ihrer Meisterprüfung (1942) übernimmt sie die Geschäftsführung bis zum Tod von Ignaz Gehart 1956. Als eine der wenigen Goldschmiedemeisterinnen ihrer Zeit wird sie oft in Zeitschriften gemeinsam mit Elfriede Berbalk erwähnt. Franziska Breisach beschäftigte sich mit der Anfertigung von Ketten, Armbändern, Broschen, Ringen, Anhängern, Ohrschmuck und Silberschmuck in reiner Handarbeit mit farbigen Edel- und Schmucksteinen und belieferte mit Ihren Produkten fast alle „Innenstadt-Juweliere“. Sie war eine der ersten ihrer Branche, die sich bereits in den 1950er und 1960erJahren mit Farbedelsteinen wie Turmalin, Mondstein, Granat, Topas, Chrysopras, Amethyst, Achat, Karneol, Türkis und Lapis Lazuli beschäftigte und diese auch schwerpunktmäßig in ihrem Unikatschmuck verarbeitete. Zu einer Zeit, in der die meisten Juweliere fast ausschließlich auf Diamantschmuck setzten, und die farbigen Produkte milde belächelten. 1969 eröffnete Franziska Breisach ein eigenes Verkaufsgeschäft in Wien 1, Weihburggasse 8. 1981 übernahm ihre Tochter Gabriela Breisach, nach Matura und Studium der Theaterwissenschaft sowie Ablegung der Meisterprüfung als Gold- und Silberschmiedin, die Werkstätte und 1985 das Einzelhandelsgeschäft. Als mehrfach diplomierte Gemmologin und Diamantgutachterin erweiterte sie 1989 den Betrieb um ein Edelsteinlabor und eine Pretiosenschätzstelle und ist heute hauptsächlich als Schmucksachverständige tätig.


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Der Reiz der angewandten Kunst einzigartiges MAK CHRISTOPH THUN-HOHENSTEIN DIREKTOR DES MAK

or dem Hintergrund von Massenproduktion und Massenkonsum sowie der Digitalisierung, die alle Lebens- und Produktionsbereiche revolutioniert, nimmt die handwerkliche Fertigung aktuell einen besonderen Stellenwert ein. Mehr denn je ist es wichtig, Handarbeit als eine der sinnlichsten Ausdrucksformen der materiellen Kultur zu fördern und in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Das 650-Jahr-Jubiläum der Goldund Silberschmiede in Österreich ist ein glanzvoller Beweis, dass die Aura handwerklich gefertigter Goldschmiedearbeiten unerreicht ist und die hohe Qualität des Kunsthandwerks trotz billigen Modeschmucks, Kreationen aus 3-D-Druckern oder Billig-Bestecken von Discountern weiterhin gefragt sein wird. Dem MAK, das 1863 als Museum für Kunst und Industrie gegründet wurde, ist es nicht nur aufgrund seiner Geschichte und seines Gründungsauftrags, eine vorbildhafte Mustersammlung für innovatives Kunstgewerbe zu etablieren, ein zentrales Anliegen, aktuelle Strömungen des Kunsthandwerks zu verfolgen, zu fördern und die Relevanz von Handar-

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„DIE AURA DES HANDWERKS BLEIBT UNERREICHT“ Christoph Thun-Hohenstein, Direktor MAK Foto: © Aleksandra Pawloff/MAK

beit als Teil kultureller Identitäten aufzuzeigen. Als Museum für Kunst und Alltag will das MAK möglichst breite Bevölkerungsschichten für herausragendes Design der verschiedensten Sparten begeistern, allerdings haben sich die Perspektiven in den vergangenen Jahren radikal verändert. Der vom MAK forcierte, geschärfte Blick auf die neue Digitale Moderne, die ähnlich weitreichende Auswirkungen auf alle Lebens- und Produktionsbereiche hat wie die Industrialisierung, hat eine neue Sichtweise in der Auseinandersetzung mit angewandter Kunst, Design und Architektur in Gang gesetzt. Diesem vom MAK intensiv verfolgten, zeitgemäßen Zugang zu Kreativität trägt auch die Ausstellung „handWERK“. Tradiertes Können in der digitalen Welt Rechnung, die vom 14. Dezember 2016 bis 9. April 2017 in der MAK-Ausstellungshalle einen umfassenden Einblick in europäische Perspektiven des Handwerks bietet. Sie präsentiert nicht nur meisterliche Werkstücke aus verschiedenen Sparten und beleuchtet das nachhaltige, ressourcenschonende Potenzial des Handwerks, sondern zeigt auch neue Entwicklun-

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gen und Möglichkeiten an der Schnittstelle zu digitalen Technologien auf. Wir freuen uns sehr, dass die Wiener Innung der Kunsthandwerke anlässlich des 650-Jahr-Jubiläums der Gold- und Silberschmiede parallel dazu einen Wettbewerb ausloben und herausragende Einreichungen im MAK FORUM zeigen wird. Die Edelmetalle Gold und Silber haben seit jeher eine faszinierende Wirkung auf die Menschen ausgeübt. Gold- und Silberschmiedearbeiten nehmen einen besonderen Stellenwert in der MAK-Sammlung Metall ein. Mit rund 20 000 Objekten spiegelt diese herausragende Sammlung des MAK, die Besteck, Tafelgerät, Renaissanceschmuck und zeitgenössische Schmuckarbeiten, Wiener Silber des 19. und 20. Jahrhunderts, Metallarbeiten der Wiener Werkstätte, Zinngefäße, aber auch sogenannte Galvanos – Duplikate edler Metallgegenstände – umfasst, die Ästhetik europäischen Kunsthandwerks vom 14. bis zum 21. Jahrhundert wider. Die hochkarätige Schmucksammlung des Museums beinhaltet unter anderem ein geschlossenes Ensemble von Renaissancegewandschmuck und legt seit einigen Jahren

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einen besonderen Schwerpunkt auf europäischen Schmuck aus dem 19. und Künstlerschmuck aus dem 20. und 21. Jahrhundert. In der Sammlung vertreten sind unter anderem die zeitgenössischen KünstlerInnen Gert Mosettig, Peter Skubic, Anna Heindl, Fritz Maierhofer, Manfred Nisslmüller, Florian Ladstätter, Andrea Maxa Halmschlager, Susanne Hammer, Gijs Bakker, Emmy van Leersum und Tomas Hoke. Ausstellungen zum Thema Schmuck in den vergangenen Jahren, darunter die höchst erfolgreiche Schau SCHMUCK 1970–2015: SAMMLUNG BOLLMANN. FRITZ MAIERHOFER – Retrospektive (2015), Florian Ladstätters Personale Les Fleurs du Mal (2007), CHAPEAU! Dieter Roth: Ringobjekte (2006) und die regelmäßige Präsentation des Eligius-Preises, die in Kooperation mit der

Individuell. Fair. Skrein*

Galerie im Traklhaus, Salzburg, vom 7. bis 25. September 2016 im MAK zu sehen sein wird, haben immer wieder gezeigt, wie groß das Interesse der BesucherInnen an handwerklich gefertigten Alltagsobjekten ist. Mit wissenschaftlichen Projekten, wie beispielsweise der herausragenden, digital publizierten Forschungsarbeit von Elisabeth Schmuttermeier und Diether Halama: Wiener Gold- und Silberschmiede von 1781 bis 1921 und ihre Punzen (2005), die heuer auf der MAK-Homepage digital zur Verfügung gestellt wird, sowie regelmäßigen Ausstellungen, die der Tradition und aktuellen Tendenzen der Gold- und Silberschmiedekunst nachspüren, wird das MAK auch weiterhin einen Beitrag zur Würdigung und zur breiten Wahrnehmung der österreichischen Goldund Silberschmiede leisten.

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SKREIN* D I E S C H M U C K W E R K S TAT T

„Wir sind eine Kreativ-Schmuckwerkstatt, kein Juwelier und keine Schmuckgalerie. Alles, was wir machen, muss authentisch sein. Deshalb sind bei uns nur Goldschmiede im Verkauf tätig“, sagt Alexander Skrein, Gründer und Inhaber über das Geheimnis seines Erfolgs. SKREIN* steht für emotionalen Schmuck, höchste Qualität, Werkstatt-Charakter und eine persönliche Handschrift. Seit Herbst 2013 hat SKREIN* seine gesamte Produktion auf Faires Gold umgestellt und ist damit Vorreiter im deutschsprachigen Raum. Für Alexander Skrein ist Schmuck nicht nur zum Schmücken da, sondern steht für besondere Momente. Jedes Schmuckstück ist eine individualisierte Liebeserklärung. Die Herzstücke sind aus diesem Grund individuell gefertigte Eheringe und Prinzessinnen-Solitäre.

Prinzessinnen-Solitär aus 18 Karat Fairem Gold mit 4,04 Carat Diamant

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an könnte meinen, es trennen sie Jahrhunderte. Und doch vereint die großen Maler der vergangenen 650 Jahre ein gemeinsames Merkmal: sie waren gelernte Goldschmiede oder hatten durch familiäre Beziehungen Kontakte mit der Goldschmiedekunst. Leonardo da Vinci, Domenico Ghirlandaio, Sandro Botticelli, Raffael, Albrecht Dürer und andere. Ihnen und ihren weltberühmten Kollegen der Malkunst aller Stilepochen verdanken wir unser heutiges Wissen darüber, wie sich die Menschen seinerzeit kleideten und womit sie sich schmückten. Als die österreichischen Goldschmiede 1366 ihre erste Zunftordnung bekamen, herrschte noch weitgehend die ritterliche Kultur, die hauptsächlich an den Höfen stattfand. Dort wurde ein raffinierter Lebensstil gepflegt, der seinen Ausdruck in Kleidung und Schmuck fand. Weite Kleider erforderten den Gebrauch von Broschen und Spangen, in ihr offen getragenes Haar banden die Damen Kränze oder Stirnbänder aus Perlen, während die verheirateten Edelfrauen auffällige, mit Edelsteinen besetzte Kopfbedeckungen trugen. Ein Jahrhundert später zeigen Frauen- und Männerbildnisse bereits eine Vielfalt an Körper- und Gewandschmuck, dargestellt auf den schönsten Gemälden der Renaissance. Die auf dem Bild von Lucas Cranach d. Ä. dargestellte „Judith“ mit dem Haupt des Holofernes (1530, KHM Wien, Abb.1) zeigt sich ganz in der deutschen Mode der Zeit, die auch in Nordeuropa üblich war: Eng anliegende Kleider mit Schleppe und gebauschten Ärmeln, am Hals und Rücken tief ausgeschnitten, so dass Platz für repräsentativen Halsschmuck war. Ketten wurden damals sowohl von Frauen als auch von Männern getragen und zeigten sich in Form von prunkvollen, mehrfach emaillierten Gliedern, dargestellt von Hans Holbein d. J. in seinem Porträt von Jane Seymour (1536/37, KHM Wien, Abb. 4) oder als

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Schmuck in der Malerei Goldschmiedekunst im Bild der Mode GABRIELA BREISACH

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massive Goldketten, wie auf dem Portrait einer Frau des Augsburger Malers Christoph Amberger (1525, KHM Wien, Abb. 5), sowie als deutsche „Hobelspanketten“ mit großen, goldenen Ösen (Abb.1). Nur die Perlenkette blieb den Damen vorbehalten. Zwei besonders schöne Darstellungen dieses Klassikers der Schmuckkunst finden sich auf dem Gemälde von Bartholomäus Spranger „Odysseus und Kirke“ (1580/85, KHM Wien, Abb.2) und auf dem „Bildnis einer jungen Dame“ eines unbekannten Malers aus Brescia (1540, KHM Wien, Abb. 3). Die Perle, Symbol der Keuschheit, Reinheit und aristokratische Vollkommenheit, findet sich in fast allen kulturgeschichtlichen Epochen und erfreut sich bis heute, wenn auch als Zuchtperle, großer Beliebtheit. Colliers und Halsbänder, dargestellt auf unzähligen Gemälden, geben Auskunft über den Status ihrer Trägerinnen und die jeweilige Mode der Zeit. Das wohl berühmteste Halsband der Neuzeit schmückte den Hals von Adele Bloch-Bauer und wurde von Gustav Klimt 1907 in seinem weltberühmten Bild festgehalten. Es zeigt ein sehr breites „Collier de chien“, ein mehrreihiges, eng anliegendes Perlencollier, dessen Mittelteil reich mit Dia-

manten, Rubinen und Saphiren bestückt ist, vor einem üppigen goldenen Hintergrund. Das Collier wurde von Adele Bloch-Bauer an ihre Nichte Maria Altmann vererbt und befand sich zum Zeitpunkt, als Nazi-Schergen den Besitz der jüdischen Familie beschlagnahmten, zur Reparatur beim ehem. Kammerjuwelier Rozet & Fischmeister in Wien. Von dort aus gelangte es in den Besitz der Frau des Reichsmarschalls Göring. Anhänger waren in der Antike weniger als Schmuck denn als Amulett wegen ihrer magischen Wirkung beliebt und wurden häufig mit Edelsteinen verbunden. Die zunächst einfachen Anhänger aus einem oder mehreren farbigen Edelsteinen -häufig Rubin oder Smaragd- in ihrer Fassung mit einer daran hängenden tropfenförmigen Perle (Abb. 3) wurden später durch kleine Skulpturen oder aus Goldemail in Relieftechnik gearbeitete, virtuos ausgeführte Schmuckstücke ersetzt, an denen sich sogar Künstler wie Hans Holbein und Benvenuto Cellini versuchten. Wunderbare Edelsteinanhänger findet man im Zeitalter des Jugendstils auf den „Panneaux décoratifs“ im Zyklus „Edelsteine“ von Alfons Mucha. Fibeln und Broschen dienten ursprünglich dazu, Kleider zu schließen und zusammen-

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zuhalten. Später waren sie fast ausschließlich als dekorativer Gewandschmuck in Verwendung. Das Barockzeitalter brachte den Typus der „Sévigné-Brosche“ heraus, hervorgegangen aus den Entwürfen des Ornamentstechers Gilles Légarès. Sie bestanden aus einem großen schleifenartigen Hauptmotiv mit einem Anhängeteil darunter. Der Maler Claude Lefèbvre porträtierte Mme de Sévigné, adelige Literatin des 17.Jh., in einem tief ausgeschnittenen Kleid mit Broschen und Perlenkette. Aus dieser Brosche entwickelte sich später die so genannte „Girandole“, eine kleinere Schleife mit drei großen Edelsteinen oder Perlen als Gehänge, die für Broschen und Ohrgehänge verwendet wurde und sowohl im Rokoko als auch im Biedermeier sehr beliebt war. Eine weitere prunkvolle Brosche in spektakulärer Form findet sich auf dem Gemälde von Louis Toqué, die Gattin Ludwig XV. von Frankreich darstellend: „Devant le corsage“ ist ein Brustschmuck in dreieckiger Form, dem spitz zulaufenden Vordermieder der Kleider angepasst. Auch die „Enseigne“, eine Schmucknadel oder Brosche in Medaillonform, die von Männern am Hut bzw. Barett getragen wurde, ist ein in der Malerei oft dargestelltes Schmuckstück.

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Zahlreiche Gemälde schöner Frauen des Hofmalers König Ludwig I. von Bayern, Joseph Karl Stieler, zieren die Schönheitsgalerie im Schloss Nymphenburg bei München und geben uns Aufschluss über Kopf- und Körperschmuck passend zur Mode des 1. Hälfte des 19. Jh. Diademe, Zierkämme, Haarpfeile und Haarnadeln finden sich hier in den gelockten Biedermeierfrisuren der adeligen und bürgerlichen Frauen. Eine Besonderheit darunter ist eine dünne Kette mit einem Kleinod als Anhänger, die an der Stirn getragen und ins Haar geflochten wird, die „Ferronière“. Zurückgehend auf das Gemälde „La belle Ferronière“ Leonardo da Vinci‘s aus den Jahren 1490-1495 wurde dieser Haarschmuck auch von Raffael dargestellt und im Biedermeier zu neuer Blüte gebracht. In der Hippie-Zeit der 1960er Jahre fand er ein echtes Revival. Besonders ansprechend sind Diademe von Königinnen und Kaiserinnen dargestellt worden. Von der Antike bis ins 20. Jh. waren sie fester Bestandteil des Hofschmuckes und finden sich nicht nur auf der Darstellung der Krönung Napoleon I. von Jacques-Louis David sondern auch in der Klatschpresse von heute, wenn die Königlichen Hoheiten zu besonderen Anlässen ihre Familienjuwelen hervorholen.

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Gedanken über das Goldschmiedehandwerk in Bezug auf den Einsatz bewährter und neuer Technologien MAG. MARKUS WIESER W W W. J - F E L B E R . AT

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ank seiner verhältnismäßig leichten Gewinnung, Schmelzbarkeit und Dehnbarkeit war Gold bereits seit der jüngeren Steinzeit das früheste bearbeitete Metall, im Mittelmeerraum. Handwerker, die neben Werkzeugen und Geräten auch Gewandschließen, Nadeln und Armreifen herstellten, bekamen immer mehr Aufträge zur Anfertigung von Schmuck, so dass sich einige auf derartige Erzeugnisse aus Bronze, Silber und Gold spezialisierten. Die Verarbeitungstechnik von Gold bestand in der Antike aus Hämmern, Treiben, Pressen und Prägen, seltener durch Gießen. Weiters war bereits das Lötverfahren bekannt (Lot aus Gold, Silber und Kupfer). Ebenso sind Granulationstechnik und Vergoldung (Blattgold) nachweisbar.

Die handwerklichen Kernkompetenzen, die wie oben erwähnt, in der Antike ihren Ursprung haben, stellen heute ein wesentliches Asset für Goldschmiede dar, um sich im Zuge des härter werdenden Konkurrenzdrucks behaupten zu können Der Goldschmied muss sich heute mehr denn je kooperativ, flexibel, lernbereit und weitsichtig zeigen, um sich regelmäßig an die sich schnell ändernden Marktverhältnisse anpassen zu können. Der intensivere Wettbewerb lässt einheimische Betriebe näher zusammenrücken und ermöglicht vermehrt einen fruchtbaren Austausch sowie ein flexibleres Miteinander im Sinne von gelebten Kooperationen zwischen Betrieben, die sich auf verschiedene technologische Schwerpunkte wie Galvanisieren, Laserschweißen oder Edelmetallguss spezialisiert haben. Die traditionellen chemischen und mechanischen Verarbeitungstechniken können als die Kernkompetenz bezeichnet werden, auf die dieser Beruf nach wie vor zurückgreift. Edelmetall wird dabei leichter bearbeitbar, verformt, gewalzt, gesägt, gefeilt, gebohrt, geschliffen und poliert. Darüber hinaus kommt eine Vielzahl von Oberflächenbearbeitungstechniken zur Anwendung (z. B. das Mattieren, Gravieren,

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Emaillieren, Rhodinieren…), die das Schmuckstück zu einem einzigartigen Wertgegenstand machen. Diese Techniken erfordern den Einsatz verschiedener Stahlwerkzeuge, die sich in Form und Funktionalität über die letzten Jahrhunderte nur wenig verändert haben. Dieser Umstand zeigt, dass das Goldschmiedehandwerk in seinem Umfeld traditionell gewachsen ist und seine speziellen Arbeitstechniken sich über einen langen Zeitraum bewährt haben. Vor allem im Bereich der chemischen Prozesse haben Richtlinien und Verordnungen, wie die Nickel-/Cadmiumverordnung, sowie die Notwendigkeit regelmäßig aufzufrischender Giftbezugslizenzen deren Anwendungen auf ein notwendiges Mindestmaß zurückgedrängt. Gleichzeitig ist das Bewusstsein für ein effizientes und gesundes Arbeitsumfeld gestiegen. Arbeitsplatzergonomie (siehe: Sattelsitz mit Beckenbalance, höhenverstellbare Werktische), Beleuchtung (Tagesicht-LED-Lampenkombinationen mit perfekter Ausleuchtung, Kontur- und Strukturwiedergabe) und Sehhilfen (Kopfbandlupen und flexibel wegklappbare Mikroskope mit Ring-LED-Ausleuchtung) haben an Bedeutung gewonnen und sorgen zweifelsfrei für mehr Sicherheit und Effizienz in der Goldschmiedewerkstatt. Ähnlich wie in großen Industrien technische Meilensteine erreicht wurden, hat auch das Goldschmiedehandwerk von technologischen Innovationen regelmäßig profitiert. Waren es im Mittelalter Walzmaschinen, die die Verformung von Edelmetall wesentlich vereinfacht haben, so sind es in der Neuzeit Verbindungstechniken wie Feinschweißgeräte, luftdruckbetriebene und computergesteuerte Graviermaschinen. Mit der Digitalisierung hat schließlich auch der computergestützte Prototypenbau in die Schmuckproduktion Einzug gehalten. Immer mehr Aufgaben werden an Systeme delegiert, an technische

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Hilfen, an Maschinen. Die Fähigkeit des Menschen wird durch den gezielten Einsatz automatisierter Produktionstechnologien ergänzt. Der Goldschmied von heute sieht sich zunehmend mit einer digitalisierten, schnelllebigeren Welt konfrontiert, die entsprechend neue Herausforderungen, gleichzeitig aber auch Chancen mit sich bringt. Die computerunterstützte Modellerzeugung sowie subtraktive (spanabhebend) und additive (aufbauende) Produktionsverfahren sind drauf und dran, sowohl das Schmuckdesign als auch die Schmuckproduktion nachhaltig zu verändern. CAD (Computer Aided Design) und der darauffolgende Herstellungsvorgang CAM (Computer Aided Manufacturing) sind Verfahren, die Designern und Goldschmieden noch präziseres Arbeiten erlauben, aber auch für einen wirtschaftlichen Betrieb von Klein- und Kleinstunternehmen sorgen. Es geht nicht darum, Design und Herstellung einer Maschine anzuvertrauen, sondern die praktischen Vorteile zu nutzen. Die CAD/ CAM-Technologie ist als neues Werkzeug zu betrachten, welches die lokale Schmuckerzeugung stärken soll. Hier kristallisiert sich für das Goldschmiedehandwerk die Chance heraus, ein neues Technologiesegment zu besetzen und dadurch die traditionellen Kernkompetenzen in logischer Konsequenz zu erweitern. Folglich wird ein Gegentrend zur Globalisierung/ Auslagerung der Schmuckproduktion in Billiglohnländer in Gang gesetzt. CAD/CAM hat unbestritten das Potential, die Schmuckproduktion in verkleinerter und effizient gestalteter Struktur wieder vermehrt nach Europa ‚zurückzuholen‘. Der Goldschmied hat nun jedenfalls allen Grund dazu, mit Stolz auf das bisher Erreichte zurück- und unter Berücksichtigung der oben erwähnten Aspekte in eine erfolgreiche Zukunft zu blicken. In diesem Sinne: herzliche Gratulation zum 650-Jahr-Jubiläum!

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Geschichte PETER PFÖTSCHER LANDESINNUNGSMEISTER TIROL

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ährend meiner Lehrzeit (19721975) und anschließender Zeit als Angestellter lernte ich eine Vielzahl verschiedener Arbeitstechniken kennen und stellte Stücke in allen Preis- und Kundensegmenten her. Vom einfachen Jou-Jou bis zum Collier mit unzähligen Brillanten. Ich betätigte mich in Serienproduktion, in der Herstellung von Modellen, sowie in der Anfertigung komplizierter Einzelstücke. Damals waren die meisten Goldschmiede-Werkstätten auf Produktion und Kundenbedarf orientierte Gewerbebetriebe. Diese Art des Goldschmiedebetriebs pflegte ich auch in meinem eigenen Unternehmen, das ich nach meiner Meisterprüfung (1979) 1984 gründete. Anfang der 90er Jahre beschäftigte ich acht Mitarbeiter und bildete insgesamt sechs Lehrlinge aus. Mit der Internationalisierung der Wirtschaft wurde es aber unternehmerisch schwieriger, was zur Verkleinerung meines Betriebs führte. Ab 1999 waren wir nur mehr zu zweit.

Auch mein Leistungsangebot verkleinerte sich aufgrund der Wettberwerbssituation. Die Möglichkeiten erlerntes Wissen, Können und Erfahrung anzuwenden, beschränkten sich immer weiter. Nachfolgende Goldschmiede kamen nicht einmal mehr in Kontakt mit vielen Arbeiten, die für uns Ältere früher noch alltäglich waren. Das war wohl der Beginn meines Wegs zu den neuen Techniken. Obwohl sich die Technologiesierung abzeichnete, war ich frustriert, mich mit Computer und neuen Arbeitsweisen auseinander setzen zu müssen. Mit fast 50 war der Einstieg wirklich nicht einfach. Ich konnte aber diese Entwicklung zum „Bastelgoldschmied“ nicht ertragen. Mein Interesse war darauf gerichtet, anspruchsvolle und qualitativ hochwertige Aufträge zu bekommen und dabei konkurrenzfähig zu bleiben. Also war meine Aufmerksamkeit auf alles gerichtet, was mir eine befriedigende Arbeitswelt wieder bringen konnte.

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Meisterstück Matthias Pfötscher (2015) Anhänger aus 750 Gelbgold und 585 Weißgold mit gelben und weißen Brillanten und einem mexikanischen Feueropal. Mittels Drehechanismus kann eine Irisblende vor dem Feueropal geöffnet und geschlossen werden. So kann der Anhänger auf zwei verschiedene Varianten getragen und der empfindliche Feueropal geschützt werden. Der Anhänger inklusive der kompletten Mechanik wurde vollständig in CAD entworfen und selbst umgesetzt.

2001 begann ich mit dem ersten Computerprogramm für Schmuck zu arbeiten. Zur Umsetzung diente eine kleine Dreiachs-CNC-Fräse für Feilwachs. Einige Arbeiten wie Fassungen für Smaragde, Ringe, Wappen, etc. waren unglaublich genau und schnell zu erstellen. Die ersten Erfolge führten 2007 zur Anschaffung einer größeren Vierachs-CNC-Fräse, die natürlich mehr in einem Arbeitsgang erledigen konnte. Schnell war auch diese Maschine durch mich alleine vollkommen ausgelastet und ich suchte nach einem noch produktiveren Werkzeug. 2010 tätigte ich dann die große Investition in einen Stereolithographen (3D-Drucker mit UV-Laser und Flüssigharz). Die Engpässe in der Produktivität waren gelöst. Doch die Produktivitätssteigerung war nach kurzer Zeit nur mehr

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positiver Nebeneffekt. Diese Art der Modellerzeugung brachte mich endlich ans Ziel und darüber hinaus. Ich konnte wieder konkurrenzfähig die gesamte Palette des Goldschmieds für fast jede Kundenschicht anbieten. Darüber hinaus tat sich die Möglichkeit einer gestalterischen Tiefe auf, die mir noch nie zur Verfügung stand. Eine Herausforderung, die ich annahm, und die mich bis heute fasziniert. In den letzten Jahren haben sich auch die Softwareprogramme für die Schmuckgestaltung hervorragend entwickelt. Die Einstiegshürden wurden großteils beseitigt und die benötigte Lernzeit für Einsteiger hat sich sehr verringert. Der Markt für 3D-Drucker, die für den Schmuckbereich geeignet sind, ist schnell gewachsen, sodass heute für jeden erschwingliche Geräte zur Verfügung stehen. Die Arbeit des Goldschmieds im 21. Jahrhundert verlagert sich vom reinen Arbeit​stischgoldschmied zum kreativen Kundenbetreuer oder wirklichen Künstler, der fast alle Wünsche und Ideen umsetzen kann. Wie früher, nein noch viel besser. Der Kreativität sind heute keine Grenzen mehr gesetzt, außer die des eigenen Könnens. Das Berufsbild hat sich wieder einmal geändert, die neuen Arbeitstechniken wurden auch von offizieller Seite in dieses integriert. Zum 650 Jahr Jubiläum können die Goldschmiede in eine erfüllende Zukunft blicken.

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RINGE IN DER GESCHICHTE GABRIELA BREISACH UND LENA ZACH

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m Jahr 1796 verlobte sich der mittellose General Bonaparte mit der Salondame Joséphine de Beauharnais. Der Ring, den er ihr schenkte, war alles andere als mondän. Gerade ein Diamant und ein Saphir, beide in Birnenform, schmücken den glatten Reif. Die bessere Gesellschaft, in die er sich mit diesem Ring einbringen wollte, wird auf den ersten Blick gesehen haben, dass Geld nicht zu seinen hervorragenden Talenten gehörte. Dennoch hat sich für den jungen Napoleon die Investition gelohnt. Die glamouröse Witwe Joséphine akzeptierte das schlichte Stück als Verlobungsgabe. Nach einem Monat waren beide verheiratet, und zehn Jahre später bedankte er sich mit der Kaiserkrone. Welche Faszination noch heute von diesem Glamour-Paar der Revolution ausgeht, machte 2016 eine Versteigerung in einem Pariser Auktionshaus deutlich. Der Goldring wurde für 896.000 Euro zugeschlagen und übertraf damit sämtliche Erwartungen. Der Schätzpreis hatte zwischen 8.000 und 12.000 Euro gelegen. Ein anderer Verlobungsring schrieb Jahrhunderte zuvor Geschichte. Maximilian I. von Habsburg überreichte 1477 seiner Braut Maria von Burgund einen goldenen Ring mit dem Buchstaben M und kleinen Diamanten. Die Tradition des Verlobungsringes war geboren.

Shakespeare verwies in vielen Spielen auf Verlobungsringe aus Silber oder Gold. In dieser Zeit war es üblich, einen Text auf die Innenseite der beiden Ringe zu gravieren. Viktorianische Verlobungsringe haben oft romantische Motive wie Herzen, Schleifen, Blumen und sind auch mit Diamanten besetzt. Im 20. Jh. zeigt er sich vielfach als schlichter Diamant-Solitärring mit Krappenfassung, wie ihn der amerikanische Juwelier Tiffany bereits 1866 präsentiert hatte. Oder auch als carmoisierter Ring mit einem großen Farbedelstein in der Mitte, umrahmt von Brillanten, wie ihn Lady Diana Spencer zu ihrer Verlobung mit Prinz Charles erhielt. Der Trauring als Symbol unzertrennlicher Liebe und ewiger Treue war das äußere Kennzeichen für das Verheiratetsein. Die Ringe für Frau und Mann waren lange nicht gleichartig. Erst im 17. Jh. hat der Ehering eine allgemein gültige Form als glatter, goldener Reifen mit eingravierten Namen und Hochzeitsdatum erhalten. Dem Ring an sich haftet seit jeher ein hoher Symbolwert an. In nahezu allen Kulturen finden sich Berichte über Ringe, die man mit besonderen Eigenschaften ausgestattet glaubte. Ringe heilten Krankheiten, erweckten Tote zum Leben und verzauberte Prinzen

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aus dem Schlaf, wurden als Schutzringe im Kampf eingesetzt. In Märchen und Sagen besitzen Ringe Zauberkräfte und erfüllen ihrem Träger jeden Wunsch. Der Ursprung all dieser Vorstellungen basiert auf der Form des Kreises, der keinen Anfang und kein Ende hat, einund ausschließt, der die Ewigkeit symbolisiert und das Unauflösliche. Der Fingerring ist in seiner vielfältigen Bedeutung enger mit der Persönlichkeit des Trägers verbunden als andere Schmuckstücke. Über die Jahrhunderte unterlag der Ring dem Wandel im sozialen Gefüge, der Mode, dem Geschmack und der gängigen Goldschmiedetechnik. Neben dem schmückenden Charakter hat der Ring noch weitere nennenswerte Aspekte inne, wie den praktischen Funktionswert, kultischen oder abergläubischen Sinngehalt oder auch die hierarchische Kennzeichnung. Funktionsbezogene Ringtypen gibt es seit jeher. Jäger und Bogenschützen der griechischen Antike verwendeten von 500 v. Chr. bis 1500 n. Chr. den Bogenspannring. Giftringe werden wohl seit den Römern bis heute getragen. Sie dienen als Behälter für Kapseln oder an ihnen befindet sich ein vergifteter Dorn, welcher zur Handfläche hin zeigt. Durch den Kult des Pfeifenrauchens entstand der

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Tabakstopfring im 15. Jahrhundert. Die Reliquien-, Rosenkranz- und Dekadenringe des 15. - 19. Jahrhunderts dienten der Erfüllung religiöser Pflichten, während die astrologischen Bemühungen des 16. und 17. Jahrhunderts zur Entwicklung von technisch bedeutsamen Ringen führten. Diese Ringe waren ausgestattet mit Zeit- und Sonnenuhren oder auch mit Kompassen, welche besonders wichtig für über Land und Wasser Reisende waren. Der Siegelring wurde ursprünglich zum Versiegeln von Dokumenten und Briefen verwendet. Die ersten Siegelringe waren bereits um 3000 v. Chr. bekannt, damals meist Rollsiegelringe. Auch im alten Ägypten gab es Ringe mit Siegelfunktion. Das Siegel war ein aus einem Schmuckstein gefertigter Skarabäuskäfer. Zu Zeiten von Tut-Ench-Amun entstanden die ersten Siegelringe in moderner Bauweise. Hierbei ist der Name des Ringträgers auf eine dekorative Frontplatte graviert. Das Siegel als Abdruck eines vertieft gravierten Stempels aus Metall oder Edelstein bildete einen wesentlichen Bestandteil des Rechtswesens. Hatten ursprünglich nur die Päpste, geistliche und weltliche Fürsten das Siegelrecht, so dehnte sich die Berechtigung allmählich auch auf den Bürger- und Bauernstand aus. Bis zum Beginn des 20. Jh. dienten Siegelringe

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den Bauern und Handwerkern noch zum Beglaubigen von Dokumenten und Verträgen. Der ursprünglich funktionsbehaftete Ring hat sich über die Zeit in seiner Anwendung und Symbolik verändert. Heute darf jeder einen Siegelring tragen. Die Gravur kann frei gewählt werden. Bei den Wappenringen muss allerdings geklärt werden, ob diese getragen werden dürfen, weil hier das Namensrecht geltend wird. Auch wenn die Funktion nicht mehr aktiv Anwendung findet, hat der Ring bis heute seine Bedeutung behalten und ist vor allem ein beliebtes Accessoire in den Vorstandsetagen der Banken und Industrie. Ein weiterer Ringtyp hat sich quer durch die Jahrhunderte behauptet: Der Freundschaftsring als Symbol für Vertrauen, Treue und Zusammengehörigkeit. Typische Dekorelemente sind das Symbol der verschlungenen Hände (Freundschaft), ein Herz (Liebe) und die Krone (Treue). Trauerringe hingegen waren nur zu bestimmten Epochen präsent, wie dem 18. und 19. Jh., als man Bildnisse oder Haare der geliebten Verstorbenen in den Ringkopf integrierte. Sehr beliebte Motive dieser „Memento-mori“ Ringe waren auch Darstellungen von Urnen, Grabsäulen oder trauernden Gestalten.

Eine Besonderheit unter den Ringtypen sind Ringe aus Eisen oder Stahl. Eisenschmuck wurde schon Ende des 18.Jh. in Frankreich als Folge der wirtschaftlichen Not der Revolutionsjahre hergestellt. Der Patriot opferte dem Vaterland seinen Goldschmuck und bekam dafür den billigen, gegossenen Eisenschmuck („Gold gab ich für Eisen“). Ab 1800 wurde dieser Eisenschmuck auch in Österreich eingeführt und gelangte in den Jahren des 1. Weltkriegs zu neuer Blüte. Zu dieser Zeit wurden auch die so genannten „Hufnagelringe“ - aus Hufnägeln gefertigte Fingerringe - erstmals als Massenware hergestellt. Seit dem 17. Jh. gelten sie als Amulett und Glücksbringer. Die Arbeiterzeitung vom 10.11.1914 brachte dazu unter der Überschrift „Notstandsarbeit in der Wiener Edelmetallindustrie“ eine aufschlussreiche Mitteilung der Gold- und Silberschmiede: „Unsere Branche ist, nachdem sie ausschließlich den Bedürfnissen des Luxus dient, vollständig brachgelegt. Die Vertreter der Arbeiterorganisation sind daher mit der Genossenschaftsleitung (Innung, Anm.) in Fühlung getreten, um die drückende Not der Kollegenschaft etwas zu steuern. Es wurde als Notstandsarbeit der heute schon sehr verbreitete und in allen Juwelengeschäften erhältliche Hufnagelring, der durch die Fürsorgestelle des Kriegsministeriums in Verkauf gebracht und auch gesetzlich geschützt wurde, als Massenartikel angefertigt. Die Einteilung und Ausgabe der Ringe geschieht ausschließlich durch die Genossenschaft, und die Arbeiterorganisation hat sich nur dahin einen Einfluß gesichert, daß die einzelnen Meister, die diese Ringe erhalten, auch veranlaßt werden, einige Arbeiter aufzunehmen. Ebenso wurde auf unser Ersuchen für den einzelnen Ring ein Mindestlohn festgesetzt.“ Ende der 1970er Jahre wurde dieser Ringtypus wieder von den Wiener Silberschmieden aufgegriffen und in Silber gefertigt als „Reiterschmuck“ verkauft.

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Der Schmuckring als Überbegriff für dekorative Ringe aller Art richtet sich hauptsächlich nach der Mode der Zeit. Je nach Geschmack, Geldbörse und Anlass kann er mit Edelsteinen besetzt sein oder nicht. Zum Dekor der Ringe wurde eine Reihe von Handwerkstechniken angewendet, die heute weitgehend verschwunden sind: Treibarbeiten, Granulation, Niello, Filigran, Tauschierung oder auch die schwierige Églomisé-Technik. Email war und ist ein wichtiges Dekorelement. Im 20. Jh. begann man statt der bekannten Edelmetalle auch alternative Materialien zu verwenden, die dem Ring ein neues Aussehen gaben. Design, Größe und Farben wurden immer den jeweiligen Modetrends angepasst, vom Platin der 1930er über das Gelbgold der 1940er, das Weißgold der 1960er, das Silber der 1970er bis zum Roségold der 2000er Jahre.

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ass Ringe schon sehr lange einen wichtigen Platz in der Schmuck- und Menschheitsgeschichte haben, muss nicht weiter erläutert werden, aber einige Ringtypen haben mittlerweile viel an Bedeutungsgehalt bzw. Nutzen verloren. In meinem praktischen Bachelorprojekt 2015/16 lasse ich am Beispiel des Siegelringes den Funktionsgehalt des Ringes angepasst ans 21.Jahrhundert wieder neu aufleben. Der Siegelring war und ist ein Identitätsträger, also transportiert er den Besitzer verifizierende Informationen nach außen. Wie das Familienwappen – Wappenring – oder Initialen. Zudem besitzt der Siegelring auch eine konkrete Anwendung, und zwar die des Versiegelns von Dokumenten und Briefen, also ist er auch - Gebrauchsgegenstand. Die Anwendungsvielfalt hat sich in einigen Punkten zwar verloren, dennoch ist er durch seinen Ursprung, seine Geschichte und seinen

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Der Ring an sich bleibt aber, was er war: Ein sehr persönliches Schmuckstück mit Symbolwert, das eine intime Beziehung mit seinem Träger eingeht und ihn ein Leben lang begleitet. Ob als Ehering, Cocktailring, Diamantring oder als Erinnerung an einen geliebten Menschen.

Bedeutungsgehalt ein starkes Schmuckstück und Statussymbol geblieben. Ich habe anhand von drei Prototypen, mit unterschiedlichen Gestaltungsansätzen, den Siegelring als Identitätsträger von heute gestaltet. Er übernimmt durch die Neuinterpretation der Visitenkartenanwendung wieder eine funktionale Rolle in der Gesellschaft. Der von mir entworfene Rollsiegelring greift den Gedanken des Rollsiegels wieder auf. Das Rollsiegel gibt es seit den Alten Ägyptern und diente dem Eigentumsvermerk. Die Motive der Rollsiegel waren unterschiedlich gestaltet und konnten so dem Besitzer leicht zugeordnet werden. Mein Rollsiegelring des 21.Jahrhunderts gibt persönliche Informationen wie die der Internetadresse weiter. Das Ritual der Informationsübergabe ist eine besondere Geste für das Gegenüber. Die weitergegebenen Informationen haben einen Autogrammcharakter, da sie nur für das Gegenüber, mittels Durchschlagpapier, auf die gewünschte Unterlage abgedrückt werden. Hierbei ist es irrelevant, ob auf leere

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Visitenkarten oder in einen Notizblock. Im Set kann der Ringbesitzer ein Hardcoveretui mit Durchschlagpapier mit sich führen, wodurch vor allem das Abdrücken im Stehen und unterwegs erleichtert wird. Der QR-Code Ring ist ein weiterer Siegelring, der aus dem Gedanken des neuen Identitätsträgers heraus von mir entworfen wurde. Er ist in seiner Formensprache dem klassischen Siegelring am nächsten. Die Deckplatte des Ringes besteht aus einem personalisierten, funktions- und lesefähigen QR-Code. Dieser Code ist mit Siegelwachs auch zum Siegeln geeignet, allerdings ist der abgedrückte Code durch den fehlenden Kontrast nicht mehr lesefähig. Eine besondere Stärke erhält der Ring durch die Symbiose des klassischen Statussymbols und der technisch codierten Computerwelt. Hierdurch kann er zu einem neuen Instrument der zwischenmenschlichen Verknüpfung gemacht werden und, wenn Internet vorhanden ist, die Visitenkarte zu Gänze ersetzen. Mit dem Vorteil, dass Kontaktdaten nicht mehr eingetippt werden müssen, daher wird man nie wieder zu wenige Visitenkarten mit sich führen. Die letzte Variante des neuen Siegelrings des 21. Jahrhunderts als Identitätsträger habe ich mit Hilfe der NFC-Technologie umgesetzt. Wie auch schon der QR-Code, kann er die Visitenkarte ersetzen, mit einem weiteren Vorteil, dass kein Internet benötigt wird. Im Bereich des NFC-Chips sind der Gestaltung des Ringes keine Grenzen gesetzt. So steht der Ring als Statussymbol, wie der Siegelring, als Objekt für sich im Raum. Und die Anwendung bleibt bis zu dem Moment des Bedarfs unerkannt. Denn auch zum Datenschutz ist der Chip verdeckt und in diesem Zustand ist er nicht lesefähig. Der versteckte NFC-Chip enthält alle Kontaktdaten oder beliebige Informationen, die der Besitzer seinem Gegenüber weitergeben möchte. Kein Eintippen, kein Internet und ein eindrucksvolles ersten Kennenlernen.

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Goldschmiede Nikl In Tradition dem Handwerk verbunden S T E FA N N I K L W W W. N I K L . AT

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or 50 Jahren fanden die Feierlichkeiten zum 600 Jahre Jubiläum der Gold- und Silberschmiede Wien unter der Leitung von Innungsmeister Karl Nikl statt. Uns ist es eine grofle Freude, auch fünf Jahrzehnte später am 650 jährigen Jubiläum mitwirken zu dürfen. Seit vielen Jahrzehnten stehen die Goldschmiedemeister unseres Familienbetriebes auch im Dienst der Wiener Goldschmiedeinnung. Nachdem Karl Nikl der Innung in den 1960er Jahren als Innungsmeister vorstand und Walter Nikl viele Jahre in der Meisterprüfungskommission tätig war, ist unser Unternehmen nun in dritter Generation durch Stefan Nikl im Innungsausschuss vertreten. Von Beginn an stand unsere Werkstätte in der Tradition des profunden Handwerks, welches in Wien seit Jahrhunderten auf der Arbeit unzähliger Goldschmiedegenerationen fußt. Mittlerweile sind wir auf die Anfertigung individueller Juwelen

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spezialisiert. In unserer Kollektion finden sich zahlreiche Unikate in den unterschiedlichsten Stilrichtungen. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Erzeugung von edlen Verlobungs- und Eheringen. Mit dem von Siegfried Baumgartner entworfenen Wiener Ring fertigt unsere Werkstätte ein ganz besonderes Schmuckstück. Der Wiener Ring ist in Form der Wiener Ringstrafle gestaltet und stellt so wie kaum ein zweites Schmuckstück – einen sehr starken Bezug zur Stadt Wien her. Wir sind stolz, Teil einer nunmehr 650-jährigen Geschichte zu sein und wollen weiterhin Bewährtes bewahren und durch technische und gestalterische Innovation zu einer positiven Entwicklung unseres schönen Handwerks beitragen. Sehr wichtig ist uns dabei die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen, damit unser Familienbetrieb auch weiterhin mit der Wiener Goldschmiedegeschichte verbunden bleibt.

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Geschichte der WIENER GOLDSCHMIEDE Von den Anfängen bis ins 19. Jh. GABRIELA BREISACH

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olange Wien noch eine kleine, wenige Gassen umfassende Grenzstadt war, konnte es seinen Bedarf an Goldarbeiten nur beim reisenden Händler decken. Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede sind in Wien erstmals 1288 erwähnt, die Zunft dürfte aber schon zur Zeit der römischen Besatzung bestanden haben. Ein Anziehungspunkt erster Ordnung für die Goldschmiede wurde Wien jedoch, als es ständige Residenz der Babenberger und innerhalb kurzer Zeit die bedeutendste Stadt Österreichs geworden war. Nun fanden die Goldschmiede bei Hof und Adel, in den aufstrebenden Klöstern sowie unter den mächtigen Bürgergeschlechtern der Stadt zahlungskräftige Abnehmer und neben dem vorwiegend für die Landesfürsten tätigen hofbefreiten Goldschmied traten immer mehr die bürgerlichen Goldschmiede hervor. Der älteste namentlich bekannte Goldschmied in Wien war der um 1170 nachweisbare Meister Bruno „aurifex“. 1226 wurde ein gewisser Sintram sowie die Goldschmiede Engelbert, Friedrich, Heinrich, Philipp genannt, 1262-1264 ein Waltherus und ein Wernhardt,

die in Wien und Klosterneuburg arbeiteten. 1282 findet sich in den Quellen ein Sidlinus, 1295 und 1296 die Goldschmiede Friedrich und Michael, 1297 Friedrich der Guster. Zu Ende des 13. Jh. muss die Zahl der Wiener Goldschmiede schon ziemlich groß gewesen sein, da das zwischen den Jahren 1295 und 1304 angelegte Dienstbuch des Wiener Bürgerspitals 1302 eine Örtlichkeit „Goltsmitte“ in der Gegend des Salzgries erwähnt und 1303 das „Streslein unter den Goltsmiden“, die heutige Goldschmiedgasse vis à vis des Stephansdoms. Von da aus versorgten sie nicht nur das damalige Wien, sondern auch den Probst von Klosterneuburg, den Prior von Mauerbach, den Abt von Göttweig oder den Bischof von Freising mit ihren Arbeiten. Wiener Erzeugnisse gingen erwiesenermaßen bis Basel oder Aachen, und schließlich hatte das hiesige Goldschmiedgewerbe einen so guten Ruf erlangt, dass es aus allen Teilen des Reiches ständigen Zuzug erhielt. Das 14. Jahrhundert mag die große Zeit der Wiener Goldschmiedekunst gewesen sein. Der Anfang war sie nicht, denn was in dem

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im Archiv der Stadt Wien erliegenden Eisenbuch über die Goldschmiedeordnung vom 13. Oktober 1366 ausgesprochen wird, sind alte Verfügungen, die neu sanktioniert, alte Bräuche, die nun schriftlich festgehalten werden. „....vernewet ir alt gut gewonhait...“ heißt es dort und „von alter herbracht“ findet sich in dem der Innung gehörigen Bruderschaftsbuch der Goldschmiede vom 15. Dezember 1367 vermerkt. Vernewet -ist erneuert, alt -ist die Zeit vor 1366/67. Als 1396 durch das Ratswahlprivileg den Handwerkern der Einzug in den Inneren Rat ermöglicht wurde, befand sich unter den ersten Handwerkern der Goldschmied Oswald Pauch. Die älteste Nennung eines Gesellen fällt ins Jahr 1407 (Hanns Siebenbürger bei Niklas Kröpf). 1365, nach dem Tode des Pracht liebenden Herzogs Rudolf IV., begann es mit den Wiener Goldschmieden allerdings langsam bergab zu gehen. Die durch Geldnot, Pest, Teuerung und Steuerdruck bewirkten bösen Jahre des ausgehenden Jahrhunderts wurden zwar rasch überwunden, aber schon um die Mitte des 15. Jh. führten Münzverschlechterun-

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gen, Parteiungen in der Bürgerschaft und den Handel schädigende Umtriebe eine allgemeine Verschuldung und den Niedergang des gesamten Wiener Handwerks herbei. Wohl behaupteten die Goldschmiede auch weiter noch den Vorrang vor allen anderen Wiener Gewerben, doch darf aus dieser Spitzenstellung in der Reihe darniederliegender Gewerbe auf ein Blühen der Goldschmiedekunst nicht mehr geschlossen werden. Bei aller Dürftigkeit der Mitteilungen, die aus weit verstreuten Urkunden und Handschriften zu gewinnen waren, wird die bis Ende des 15. Jh. hier aufgezeigte Entwicklungskurve im Großen und Ganzen sicherlich stimmen. Für die folgende Zeit schwillt das Quellenmaterial zur Geschichte der Wiener Goldschmiede mächtig an. Aus vielen zehntausenden, fürs erste oft recht belanglos erscheinenden Teilnachrichten, erschließt sich so ein anschauliches Bild über den einzelnen Goldschmied, über ganze Goldschmiedfamilien und letztlich über das gesamte Goldschmiedegewerbe. Zu den ursprünglich im Innungsarchiv der Goldschmiede liegenden Urkunden, Meister-,

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Gesellen- und Lehrlingsbüchern, die über die Verhältnisse im Gewerbe seit 1494 Aufschluss geben, fügen sich ergänzend die im Archiv der Stadt Wien verwahrten Akten, Bürgereidprotokolle, Steuerbücher, Stadtrechnungen, Gründbücher, Totenbeschauprotokolle, Testamente und Abhandlungen. Die Zeit Friedrichs III. brachte den Wiener Meistern kaum Aufträge, weil der Kaiser hauptsächlich Nürnberger Meister beschäftigt haben dürfte. Die Bruderschaft der Goldschmiede, deren Schutzpatron der Heilige Eligius war, ist 1520 als Verwalter einer Messstiftung des Goldschmieds Thomas Gerhard, genannt Siebenbürger († 1472) in der Eligiuskapelle des Stephansdoms nachweisbar. 1522 wird in den Chroniken ein berühmter Goldschmied namens Hans Aichberger erwähnt und 1528 ein Meister Fabian. Mit der Zunahme der Gewinnung von Gold in Österreich erfuhr die Goldschmiedekunst einen besonderen Aufschwung. Die Herkunftsorte der Wiener Goldschmiede zeigen, dass diese aus weiten Teilen Mitteleuropas nach Wien gekommen sind. Durch die Handwerksordnung vom 26. Jänner 1612 und jene vom 13. März 1666 kam es zu verschiedenen Änderungen: seit damals ist es den Goldschmieden gestattet, statt 20-karätigem auch 18-karätiges Gold zu verarbeiten. Die Zeit der Osmanenkriege brachte schwere Verluste, weil ein Großteil der Edelmetallobjekte eingeschmolzen werden musste. Seit der Mitte des 17. Jh. ist für jeden Meister feststellbar,, wann und bei wem er in die Lehre getreten war, wie lange er lernte, wann er das Meister- und Bürgerrecht erlangte, wo und mit welchem Erfolg er sein Gewerbe ausübte, wie viele Gesellen und Lehrlinge er beschäftigte, woran er starb, was er hinterließ, und vielfach auch, woher er stammte und für wen er arbeitete. Erwähnt wird auch ein gewisser Jacob Jäger, „berühmter Goldschmied in getriebener Arbeit von Augsburg, blühte um 1658 in Wien, wo er auch gestorben sein soll“.

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Die Erlangung des Meisterrechtes und des Bürgerrechtes erfolgte normalerweise gleichzeitig. Wo die Goldschmiede das Gewerbe ausübten, ist bis zur Mitte des 18. Jh. aus den Steuerbüchern und seit 1801 aus den Meisterverzeichnissen zu ersehen. Die Höhe der Steuerleistung eines Betriebes und die Zahl der in einem Betrieb tätigen Gesellen und Lehrlinge zeigen die Bedeutung der einzelnen Werkstätten auf. Dagegen dürfen aus den in der Innung innegehabten Funktionen keine voreiligen Schlüsse auf die Bedeutung der einzelnen Meister gezogen werden, da es Zechmeister und Beschaumeister ersten und zweiten Ranges gab. Der alte Zechmeister und der alte Beschaumeister, später alter Vorsteher oder Obervorsteher, beziehungsweise alter Schätzmeister genannt, waren wohl angesehene Innungsmitglieder, doch wurden viele Ämter meist als Last empfunden, der man sich mitunter ganz gern entzog. Die Hauptarbeit hatten der junge Zechmeister und der junge Beschaumeister zu leiten. Das waren ausnahmslos erst vor kurzem Meister gewordene Innungsmitglieder. Etwas anderes war das Amt eines Regierungsschätzmeisters, eines magistratischen Schätzmeisters oder eines Versatzamtschätzmeisters. Im Lauf der Jahrhunderte saß eine ganze Reihe von Goldschmieden im Stadtrat, beispielsweise Johann Seitenreich (1683-1695), Hans Andreas Enzenberger (1687-1729), Johann Baptist Enneberger (1697-1721) und Johann Adam Achtsnit (17141733). Von diesen waren Achtsnit zwischendurch und Johann Seitenreich bis 1721 auch Stadt- und Landgerichtsbeisitzer. In früheren Jahrhunderten stellten die Goldschmiede auch etliche Münzmeister. Ein brauchbares Mittel, Einblick in die besonderen Verhältnisse der Wiener Meister zu gewinnen, bieten die Heiraten der Goldschmiede und ihrer Kinder. Über diese Verhältnisse unterrichten uns die Testamente und Abhandlungsakten. In ihnen ist fein säu-

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berlich aufgezählt, was an liegender und fahrender Habe vorhanden war. Was uns in den Abhandlungsakten aber besonders interessiert, sind die dort versteckten Mitteilungen über Arbeitsaufträge. Als Auftraggeber, bzw. Schuldner für bereits gelieferte Bestellungen werden fast ausschließlich Angehörige des Adels oder Kirchen und Klöster genannt. Die in den Testamenten und Anhandlungen der übrigen Wiener Bürgerschaft immer wieder angeführten Schmuckgegenstände werden zum guten Teil wohl ebenfalls von Wiener Goldschmiede gearbeitet worden sein, doch ist aus den Akten nicht zu entnehmen, von welcher Hand sie verfertigt wurden. Manches davon wird sich da und dort noch heute finden lassen, vieles aber ist verlorengegangen, als die Wiener zur Zeit des ersten großen deutschen Freiheitskampfes ihr Gold für Eisen gaben. Ähnliches ereignete sich schon zur Zeit der ersten großen Türkenbelagerung. Damals wurden fast alle Edelmetallschätze eingezogen, Gold und Silber eingeschmolzen und die Edelsteine verkauft. Die Rechnungen des Oberkammeramtes aus dem 15. Jh. enthalten zahlreiche Einträge über „Verehrungen“, die die Stadt den Landesfürsten machte, die Einträge sind erhalten, die Verehrungen selbst verschollen. Die Barockzeit mit ihrem großen Repräsentationsbedürfnis führte im 18. Jahrhundert zu einer neuen Blüte der Goldschmiedekunst, deren Vertreter weiterhin zu den vornehmsten Handwerkern zählten. Als Hauptmeister der Barockzeit wird der 1712 zum kaiserlichen Kammergoldschmied ernannte Johann Känischbauer, „Edler von Hohenried“ (1668-1739) bezeichnet. Känischbauer befand sich ab 1683 für sechs Jahre in der Lehre bei Hans Christoph Muhrbeck, war ab 1696 Meister, ab 1703 Vorsteher der Goldschmiedezunft und ab 1712 kaiserlicher Kammergoldschmied. Seine Arbeiten entstanden meist nach Entwürfen der Hauptvertreter der

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Barockkunst in Wien. Zu seinen wichtigsten Werken zählt das Kreuzpartikel-Pacifikale für Kaiser Karl VI. sowie die „Schleiermonstranz“, die 1710-15 für das Stift Klosterneuburg angefertigt wurde. Das Honorar für diese Monstranz wurde mit 750 Gulden festgesetzt. Als Material durfte nur hochwertiges, 13-lötiges Silber verarbeitet werden. Die Edelsteine im Gesamtwert von 2448 Gulden lieferte der kaiserliche „Sigill-, Stein- und Münzeisenschneider“ Johann Michael Hoffmann. In den vier Jahren Arbeit kam es offensichtlich zu einer beträchtlichen Ausweitung des ursprünglichen Konzepts. Jedenfalls verbrauchte Känischbauer fast doppelt so viel Silber und Edelsteine als vereinbart, so dass der Probst des Stiftes einen Teil des Geldes aus seiner Privatschatulle beisteuern musste. Das Erbe Känischbauers übernahm im Rokoko der aus Brünn stammende Joseph Moser (1715-1801). Um 1750 schuf Anton Matthias Domanek (1713-1779) ein Frühstücksservice für Kaise-

rin Maria Theresia und eine Toilette-Garnitur für Kaiser Franz I. Diese Doppelgarnitur, etwa 70 Gegenstände umfassend, ist in ihrer eleganten Formensprache und der perfekten Ausführung als eine der bedeutendsten ihrer Art zu verstehen und darf zugleich als eine der hervorragendsten Leistungen der Wiener Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts angesehen werden. Der Rang einzelner Goldschmiede zeigt sich seit damals auch in diversen Nobilitierungen, so etwa 1791 Juwelier Franz Kaspar Mack, 1827 der Hofjuwelier Ignaz Würth, 1880 der Silberschmied Joseph Carl Klinkosch. Auch Anfang des 19. Jahrhunderts mussten zur Finanzierung der Napoleonischen Kriege zahlreiche Kunstgegenstände eingeschmolzen werden. Das kunstgewerbliche Können der Goldund Silberschmiede, das im In- und Ausland Anerkennung fand, erwies sich auch bei der Gewerbeproduktenausstellung 1835. In der Biedermeierzeit nahm die Zahl der Gold-

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schmiedemeister rasch zu. Um 1830/1850 gab es 342 bürgerliche Goldschmiede, deren Punze überliefert ist. Hervorzuheben sind im 19. Jh. Gustav Fischmeister, der beim französischen Künstler René Lalique arbeitete und die Technik der Kristallknopfherstellung nach Wien mitbrachte, sowie Franz Ignaz Fischmeister, der für seine Verdienste vom Kaiser zum kaiserlichen Rat ernannt wurde. Rozet & Fischmeister (gegründet 1770) wurde dann k.u.k. Hof-Gold-, Silber- und Juwelenwaren-Fabrikant, persönlicher Lieferant der Erzherzöge Eugen und Peter Ferdinand sowie ab 1913 Kammerlieferant des Kaisers. Neben der ältesten Wiener Goldschmiedefirma waren es auch die jeweiligen Inhaber der Werkstätte A. E. Köchert, die von sich reden machten. Jakob Heinrich Köchert (17951869) begann 1819 als Geselle bei Emanuel Pioté, der während der Napoleonischen Kriege nach Wien gekommen war. Pioté stellte Juwelen in der französischen Art her, die beim Adel und dem Hof großen Anklang fanden. Köchert heiratete später die Schwester von Piotés Frau. 1831 bewarben sich Pioté und Köchert um den Hoflieferantentitel, den zunächst Pioté erhielt und nach erneutem Ansuchen auch sein Partner Köchert. Seitdem waren sie bis 1918 als k.u.k. Hof- und Kammerjuwelier und Goldschmied persönlicher Juwelier des österreichischen Kaisers und seines Hofes. Köchert wurde dadurch auch mit der Pflege der Kronjuwelen betraut. Nach Jakob Heinrich Köchert übernahm sein Sohn Alexander Köchert (1824–1879) das Geschäft. Bei der Wiener Weltausstellung 1873 erhielt er die Goldene Medaille zusammen mit dem Architekten Theophil von Hansen. Zu dem Zeitpunkt gehörte er zu den führenden europäischen Goldschmieden und Juwelieren des 19. Jahrhunderts. Nach 1840 begannen bei den Wiener Goldschmieden maschinell hergestellte Arbeiten zu überwiegen; gleichzeitig verbreiteten sich

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feuervergoldete Silberarbeiten (Vermeil). In der Ringstraßenära verschafften die großen Architekten den Goldschmieden einen neuen Aufgabenbereich, ebenso trug das neu gegründete Österreichische Museum für Kunst und Industrie viel zur Neubelebung des Kunsthandwerks bei. Dieses trat unter anderem bei der Weltausstellung 1873 mit hervorragenden Erzeugnissen an die internationale Öffentlichkeit. Um die Jahrhundertwende gaben die Künstler der Secession und der Wiener Werkstätte der Goldschmiedekunst neue Impulse, auch wenn die ausführenden Goldschmiede meist nicht genannt werden.

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BRIEF DES KAMMERJUWELIERS FRANZ MACK an Kaiserin Maria Theresia datiert an einem 12. November vor 1780

Franz Mack bittet, in Zukunft seine Privilegien als Kammerjuwelier an seine vier Söhne abtreten zu dürfen.

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ure Römisch kaiserlich königliche Majestät geruhten mich den 17ten Octob. anno 1759 als Hofgoldarbeiter allergnädigst an- und aufzunehmen, und mir das dießfällige allerhöchste Hofpatent ertheilen zu lassen. Um mich dieser allerhöchsten Gnade würdig zu machen, gieng für mich seit diesem so glücklichen Zeitpunkt mein eifrigstes Bestreben nur dahin, Euer Majestät und den gesamten Hof aus allen meinen Kräften auf das schleunigste und beste jederzeit zu bedienen, und mir die allerhöchste Zufriedenheit zu erwerben. Durch dieses mein unermüdliches Bestreben hat es mir auch geglücket, von Euer Majestät die zweyte allerhöchste Gnade zu erhalten, da allerhöchst dieselbe mich untern 25ten Januar 1778 als wirklichen geheimen Hofkammerjubelier zu ernennen, und mir das Decret darüber allergnädigst ausfertigen zu lassen geruhten. Dieses allergnädigste Zeichen Eurer Majestät Zufriedenheit mit meinen geringen Diensten erfüllte ganz meine Sele mit der größten Dankbarkeit, die ich nur dadurch bezeigen zu können erachte, wenn ich nicht nur allein in der angewohnten schleunigen und pünktlichsten Bedienung des ge-

samten allerhöchsten Hofes schuldigt fortführe, sondern auch dahin trachte, womit auch fernershin, wenn mich altershalber meine Kräfte verlassen sollten, Euer Majestät durch meine Familie ebenso getreulich und emsig als von mir bedienet werden möchten. Ich habe auch bereits zu diesem Ende meinen ältesten Sohn Joseph zur Erlernung der Goldarbeiterey, und meinen zweyten Sohn Valentin zur Handschaft im Großen angehalten, und bin ein gleiches mit den übrigen zweyen zu thun gesonnen. Da aber zur sicheren Erreichung meines Endzweckes und ihren besseren Fortkommen und Aufmunterung Eurer Majestät allergnädigster Schutz das gewünschteste Mittel wäre. So lege ich mich mit gegenwärtiger allerunterthänigster Bittschrift Euer Majestät zu Füssen, mit der allergehorsamsten Bitte, Euer Majestät geruhen in Rücksicht meiner so treu als eifrig geleisteten Diensten allergnädigst zu erlauben, daß ich, wenn mich meine Kräfte ausser Tätigkeit setzen, und meine Kinder sich zu allerhöchsten Bedienung die gehörige Fähigkeit erworben haben werden, denen selben jene Vorrechte, die ich als allerhöchsten Gnaden geniesse, abtreten dörfe, indessen aber die allergnädigste Versicherung dessen mittels eines Hofdecrets allerhuldreichst zu ertheilen…

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Foto: © KHM-Museumsverband

GABRIELA BREISACH

FRANZ CASPAR EDLER VON MACK Hofgoldarbeiter und Kammerjuwelier von weltbekannter Redlichkeit

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s war einmal ein Juwelier in Wien, zu Zeiten Kaiserin Maria Theresias und Kaiser Joseph II., dem ganze Teile des heutigen 23. Wiener Gemeindebezirks gehörten. Franz Mack war Besitzer von Mauer, Speising und Atzgersdorf, 1791 erwarb er auchdas gesamte Gebiet von Kalksburg. Eines der ältesten Häuser war das Schloss „Mon Perou“, das derzeitige Kollegium Kalksburg, in dem die Familie Mack wohnte. Ursprünglich war es der Landsitz von Fürstin Carolina von Trautson, einer Hofdame Maria Theresias. Franz von Mack ließ den noch heute bestehenden Landschaftsgarten um das Schloss anlegen. Die Jesuiten erwarben das Schloss 1856 von August Godeffroy, dem Ehemann einer Enkelin Macks. Die Transak-

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tion wurde sogar von Kaiser Franz Joseph finanziell unterstützt. Franz Mack (Mackh) kam am 1. Jänner 1730 als Sohn des Hoftafeldeckers und Bürgers Johann Georg Mackh in Wien zur Welt. Über seine Lehr- und Jugendzeit weiß man nichts. Dass er sich in hartem, mühsamem Ringen emporgearbeitet und noch bei seiner ersten Heirat 1760 in den knappsten Verhältnissen befunden hat, geht aus einem Zettel hervor, der in einem gestrickten Geldbeutel aus seinem Besitz gefunden wurde: „Der in inliegenden Schloßbeutel befindliche Dukaten wurde meiner Ehegattin Helene [...] nach unserer Hochzeit in eben diesen Beutel gelegt. Dieser Dukaten war dazumal mein letztes Geld und ich

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war daher bemüssiget, mir durch Fleiß und Thätigkeit mein weiteres Fortkommen zu verschaffen und es dahin zu bringen, wohin mich Gottes Segen und meine Arbeitsamkeit gebracht haben. Nach dem Tod meiner Ehegattin fand ich diesen Dukaten noch in obigen Beutel aufbewahret.“ Macks Aufstieg erfolgte erst in den zwei letzten Jahrzehnten der Regierung Maria Theresias. 1759 erhielt der Goldschmied und Juwelier-Gesell im Alter von 29 Jahren die „Hoffreyheit“ als k. k. Hofgoldarbeiter“, ohne vorher „bürgerlicher Meister“ mit eigener Punze gewesen zu sein. Als Hofbefreiter, der vier Kaisern diente, führte er keine Namenspunze sondern signierte seine Arbeiten mit „Mackh Wienn“. 1778 wurde er Geheimer Hof- und Kammerjuwelier der Kaiserin, was bedeutete, dass er auch Juwelenhändler war und sich wohl gerade dadurch viel Geld erworben hatte. Als Ratgeber und Schätzmeister bei all jenen zahlreichen Anlässen, welche den Kaiserlichen Hof in die Lage versetzten, reiche Geschenke zu geben, alten Schmuck umändern, Juwelen umtauschen oder verkaufen zu lassen, hat Mack, dessen Sachkenntnis und Redlichkeit geschätzt wurde, eine große Rolle gespielt.

Die kaiserliche Familie war auch mehrmals bei ihm zu Gast auf Schloss Mon Perou, insbesondere Maria Theresias Lieblingstochter Maria-Christina samt Ehemann Albert von Sachsen-Teschen. Zwei Handbillette, die gelegentlich einer Juwelenbestellung geschrieben worden sind, zeugen vom Vertrauen, das ihm die Kaiserin entgegenbrachte. Das eine davon, von Maria Theresia selbst geschrieben, lautet: „Dieses Paket ist von mir dem Mack übergeben worden, meiner Tochter Maria zu übergeben“. Das zweite Schreiben enthält folgendes: „Ich habe den Geschmuck und Juwelen, so mir der Hof- und Kammerjuwelier Mack überbrachte, empfangen und sende ihme hier wiederum zurück. Ich bin vollkommen damit zufrieden und danke ihme davor, sowohl für seine Arbeit als für seine weltbekannte Redlichkeit. Maria Christina.“ Auf der Rückseite dieses letzteren Handbillettes schrieb Franz von Mack folgende bemerkenswerte Anmerkung: „Diese Zwey Billieten habe ich F. Mack, kk. Hoff- und kamer Jubellier vom darumben erhalten, beulen ich Seyne

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Meyestedt mit Zwey Garneduren von Brilla (Brillanten) belch auf 80.000 Fl. zu stehen gekommen, und ich auf selbe, andre Jubellen angenohmen, belche ich umb 20.000 Fl. Höcher als alle andere Jubellir angenohmen habe, so geschehen den 21. Mey 1779. Franz Mack keyl. königl. Hoff- und Geheimer kamer Jubellir eigenhentig geschriben.“ Von jenem Schmuck, den die Kaiserin noch bei ihren Lebzeiten ihrem Hofjuwelier von Mack zur Reinigung und Fassonierung übergeben hat, ging nach ihrem Tod ein Teil davon durch Kauf in dessen Besitz über: [...] fünf Ringe, ein Medaillon und einen wertvollen Rosenkranz« gab Mack nach zwanzigjährigem Besitz im Jahre 1801 mit folgendem Begleitschreiben dem kaiserlichen Hof wieder zurück: „Da ich Unterzeichneter vorstehende Stücke unter weiland Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Theresia öfters zum Putzen in meine Hände bekam und alles was ich oben beschrieb, aus Allerhöchst- ihrem Munde gehört habe, so bezeuge ich solches hiermit, so wahr mir Gott helfe; ich habe obige Stücke mit mehreren Juwelen von weiland Sr. Majestät Joseph dem Zweiten eingehandelt, solche seit zwanzig Jahren aufbewahrt und unterfange mich, diese Altertümer Euer Majestät in tiefster Ehrfurcht zu Füßen zu legen.“ Diese sieben Gegenstände gelangten nach der Rückgabe durch Mack in die Franzensburg zu Laxenburg und in die Ambraser Sammlung. Seit 1891 sollen sie sich im Kunsthistorischen Museum befinden. Dass Franz Mack wiederholt in die Lage kam, Schmuck und Juwelen vom kaiserlichen Hof zu erwerben, geht auch aus anderen Aufzeichnungen hervor. Kaiser Joseph II. war Franz Mack besonders gewogen und nahm ihn auf mehrere seiner Hofreisen mit. Auch der kaiserliche Bru-

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der Leopold II. nahm ihn und seinen jüngeren Sohn 1790 zur Krönung nach Frankfurt mit. Für diese Reise wurden Mack die Reisekosten mit 498 fl. 30 kr. und „Beköstigungs-Unkösten“ mit 470 fl. 14 kr. vergütet. Franz Mack war unter anderem verantwortlich für die vielen Ehrengeschenke, welche der Kaiser während der Krönungsfeierlichkeiten verteilte, darunter zahlreiche, mit Email und Steinen, vielfach auch mit dem Bildnis des Kaisers geschmückte Dosen („Portrait-Bichsen“), Ringe, Ketten, Armbänder und Uhren. Auch Kaiser Franz II. (I.) gab bei besonderen Anlässen große Geschenke und bediente sich hierbei gleichfalls des alterprobten Hofjuweliers, wie Quittungen belegen. In seinem Gesuch um Verleihung des erbländischen Ritterstandes, das Franz Mack unmittelbar nach der Krönung Kaiser Leopolds einreichte, hob er ausdrücklich hervor, dass er nicht verdienstlos um den Staat sei, weil „er durch seine Speculation in dem Juwelenhandel die Sache dahin zu leiten gewußt hat, dass er einen guten Absatz sowohl nach Italien und besonders nach Russland und in die Türkei bewirkte, wodurch viel fremdes Geld zur Bereicherung der Staatsgeldmassa von da an in die k. k. Erbstaaten floß...“. Schon drei Wochen später wird der Adelsbrief an ihn erlassen und darin heißt es: „...Wann Wir dann gnädiglich angesehen, wahrgenommen und betrachtet die adelichen guten Sitten, Vernunft, Tugenden, Geschicklichkeit und andere rümliche Eigenschaften, mit welchen Uns unser Hofkammerjuwelier und lieber getreuer Franz Mack begabet zu seyn besonders angerühmet worden und hiernächst zu Gemüthe geführet haben, wasmaßen derselbe durch seine Speculation in den Juwelenhandel sich um den Staat mehrere Verdienste erworben...“

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Franz Mack fiel auch durch seinen ausgeprägten Sinn für Wohltätigkeit auf, der sich aber nicht nur auf seine ihm untergebene Bevölkerung von Kalksburg und Mauer, sondern auch auf ihm nicht untertänige Ortschaften erstreckte. 1793 ließ Mack auf dem von ihm angelegten Kalksburger Friedhof eine Familiengruft errichten, in der er auch begraben ist. In den Jahren danach ließ er die Kalksburger Pfarrkirche erbauen, die von Ihm gestiftet wurde. „Für seine Standesvertretung hatte er stets ein offenes Ohr und eine offene Hand. Den 14. März (1804) wurde auf Ansuchen des Herrn Martin Kern, derzeit Obervorsteher, und Gutbefinden der Direktion für die jüngst verstorbene Frau Helena Edle von Mack, k. k. Hof- Jubeliers Ehegattin eine heil. Meß von dem Gremium und eine desgleichen von der Wittwenaushülfskassa bey St. Stephan gelesen. Hievon wurde dem Herrn Franz Edlen von Mack durch seinen Herrn Sohn Nachricht gegeben, worauf derselbe dem Gremium nachstehenden Brief zuschickte.“

„Löbliches Gremium! Hochgeschätzte Herren! Innigst gerührt über den Anteil, welchen Sie (nach dem Schreiben meines Sohnes) bey dem betrübten Verlust meiner schätzbarsten Ehegattin genommen, danke ich Ihnen mit wehmütigem Herzen. Ich werde die Achtung, welche Sie für mein Haus hegen, nie vergessen und erwarte nur die Zeit, bis mein Herz ruhiger und die Witterung günstiger seyn wird; wo ich sonach hoffe und mir auch schmeichle die beiden Herren Directores mit die Herren Vorsteher und Ausschuß bey mir auf Mittag zu sehen, damit ich Ihnen das, was ich der Wittwenkasse nach meinem Tod zugedacht habe, noch bey Lebzeiten übergeben kann. Die Zeit, wann ich mir die Ehre Ihres Besuches ausbitte, wird Ihnen mein Sohn namhaft machen. Womit ich mit aller Hochachtung verharre Einem löblichen Gremium bereit. Franz Edler von Mack senior. Kalchsburg, am 15. März 1804.

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Im Genossenschaftsprotokoll findet sich folgende Eintragung: „Den 15. July ließ Herr Franz Edler von Mack die Herren Direktores, Administratores und Aßeßores der Wittwenkassa auf ein Mittagmahl zu sich nach Kalchspurg invitieren. Hiebey sind erschienen: Herr Georg Dobitsch, Herr Michael Johann Krothmar, Herr Joseph Ignaz Fautz, Herr Joseph Wall, Herr Ignaz Würth, Herr Johann Georg Aigner, Herr Johann Georg Hann, Herr Martin Kern, Herr Andreas Wagner, Herr Anton Karl Wipf, Herr Leopold Fux und Herr Franz Fux, welche von den besagten Edlen Herrn von Mack auf das beste bewürthet wurden. Bey dieser Gelegenheit verehrte derselbe der Wittwenkassa zur Vergrösserung des Fondes eine kk. Hofkammer- Obligation pr. 1800 fl. wofür alle insgesammt ihme auf das Verbindlichste dankten. Nachdem diese den ganzen Rest des Tages äußerst vergnügt allda zugebracht hatten, erbatt sich Herr Dobitsch am Ende von dem Edlen Herrn von Mack die Gnade, daß selber geruhen wolle, die obige reichliche Gabe mit seinem Portrait zu verewigen, um es bey dem Gremium zum Andenken seiner Wohlthat aufmachen zu können, welches er auch bewilligte und der Gesellschaft sogleich eines von jenen überreichte, wie er in ländlicher Kleidung abgebildet und in Kupfer gestochen war.“ Am 21. July 1804 ließen die Herren Direktores für die edle Handlung einen öffentlichen Dank in die Wiener Zeitung einschalten. Als Kunsthandwerker, Kaufmann und Hoflieferant zählte Franz Edler von Mack zweifellos zu den Großunternehmern seiner Zeit, der auch als Wohltäter weit über Wien hinaus bekannt war. 1785 wurde er überdies Meister der Freimaurerloge „Zum heiligen Joseph“ in Wien. Vgl. D. S. Mayer von Rosenau (1904) „Franz Edler von Mack“. Atzgersdorf: Selbstverlag

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Trotz seines späteren Reichtums war er aber lt. zeitgenössischen Quellen zeitlebens ein schlichter, einfacher Bürgersmann geblieben, „der sich nie auf den Grand-Seigneur hinausgespielt hat“. Die gediegene Wohlhabenheit war auch in seinem Haus am Graben Nr. 1094, das er 1772 gekauft und umgebaut hatte, zu entdecken. Das so genannte „Macksche Haus“, heute Graben 8 / Spiegelgasse 1), Wohnung und Firmensitz, wurde 1887 neu gebaut. 1916 starb darin die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach.

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FAMILIE WÜRTH Goldschmiede im Dienste der Kaiser GABRIELA BREISACH

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itte April 2002 sorgte in New York ein Paar Champagnerkühler des Wiener Hofgoldschmiedes Joseph Ignaz Würth von 1781 für einen Rekordzuschlag bei Sotheby‘s. Die auf 150.000 bis 200.000 US-Dollar taxierten Kühler waren ursprünglich Teil des 350 Teile umfassenden Tafelsilbers von Herzog Albert von Sachsen-Teschen, dem Kunstsammler und Namensgeber der Albertina. Schon in den 1990er Jahren zeichnete sich ein Trend bezüglich des Preisniveaus einzelner Serviceteile ab: Im April 1995 versteigerte Christie‘s New York zwei schlichte

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t Silber, rund, Wandung und Halszone mit gepunzten

floralen Bändern, Schnabelausguss mit Scharnierdeckel, hochgezogener Henkel Foto: © Dorotheum Wien Kerzenleuchter von Würth für umgerechnet knapp 45.200 Euro. Ein Monat später toppte Konkurrent Sotheby‘s sowohl hinsichtlich Angebot als auch Preis: In Genf wechselten eine kleine Suppenterrine für 70.000 Franken, sowie zwei große zu 260.000 bzw. unglaublichen 400.000 Franken, damals rund 270.000 Euro, den Besitzer. Und im Jahr 2011 wurde im Pariser Auktionshaus Drouot eine Terrine des so genannten 2. Tafelsilbers von Herzog Albert von Sachsen-Teschen für 362.500 Euro verkauft. Die hohen Zuschläge sind hier nicht allein an der künstlerischen Qualität bemessen - die Würth-Dynastie zählte in ihrer Zeit zu einer der renommiertesten Europas - sondern vor allem am Seltenheitswert. Gut 17 Meisternamen zählt das Goldschmiedegeschlecht der Würth, die teilweise auch als Medailleure tätig waren. Angefangen bei Friedrich Würth, der 1697-1728 tätig war bis zu Eduard, Edler von Würth, der 1836 die Firma trotz zahlreicher Hofbestellungen in den Konkurs führte, gab es eine Reihe von Familienmitgliedern, die mit großen Aufgaben, Titeln und Ämtern betraut wurde. Bereits Friedrichs Sohn, Johann Joseph Würth (1706-1767), war Obervorsteher der Zeche, Lehrer von Joseph Moser und arbeitete mit Raphael Donner in Prag. Dessen Bruder, Franz Xaver Caspar Würth (1715-1769), von 1734 bis 1769 als Bürgerlicher Gold- und Silberarbeiter tätig, schuf ein Tafelservice für Kaiserin Maria Theresia, gemeinsam mit den Goldschmieden Johann Philipp Föbell/Föllbel und Georg Matthias Hochlehner. Einer der hervorragendsten war Christian Würth, der als junger Goldschmied um 1760 gemeinsam mit Johann Schmalecker den lothringischen Prunktafelaufsatz für Kaiser Franz I. schuf. Ein noch berühmterer Meister war Ignaz Sebastian Joseph Würth, Kammer-Silberarbeiter, k.k. Hofsilberschmied und Ratsherr, der von 1770 bis 1815 wirkte. Er lernte von 17581763 bei seinem Vater Franz Xaver Caspar

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in Wien/Stadt. Am 30.5.1769 wurde ihm das Gewerbe eines Bürgerlichen Silberarbeiters verliehen, nachdem er als Meisterstück einen „von Silber getriebenen Cherubin“ angefertigt hatte. Am 10.6.1769 erhielt er auch das Bürgerrecht der Stadt Wien. 1809 stellte er, inzwischen k.k. Hofsilberarbeiter geworden, seine Tätigkeit ein und übergab den Betrieb seinem Sohn Franz Joseph Seraphin, doch legte er erst 1815 sein Gewerbe zurück. Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen eine Prunkampel, die für Königin Marie-Antoinette angefertigt wurde und die Familie Maria-Theresias darstellte (heute im Münster von Freiburg im Breisgau) sowie das Majoratssilber der Fürsten Esterházy von 1791/92. In der Witwenkasse wirkte er von 17931805 als Administrator und danach, bis zu seinem Tod, als Vize-Direktor. Neben seiner Tätigkeit als Silberarbeiter erwarb sich Ignaz Sebastian Joseph vor allem im öffentlichen Leben zahlreiche Verdienste. Von 1769-1833 gehörte er dem ritterlich-bürgerlichen Scharfschützencorps der Bürgergarde an, zuletzt als Oberwachtmeister und Kommandant. 1785 war er einer der Mitbegründer des Armeninstitutes bei St. Stephan und -über 49 Jahre lang bis zu seinem Tod- dessen erster Direktor. Als langjähriges Mitglied des Äußeren Rats und später auch des Inneren Rats der Stadt Wien war er von 1800-1833 einer der Beisitzer des Bürgerspitalsfonds, aus dem die Wiener Armen unterstützt wurden. Für alle Verdienste wurde der „Patriot“ Ignaz Sebastian Joseph Würth am 19.5.1827 von Kaiser Franz II (I.) mit dem Prädikat „Edler von“ in den erblichen Adelsstand erhoben. Ignaz Sebastian Würth erhielt im Laufe seiner Schaffenszeit von den Herrscherhöfen Europas zahlreiche Aufträge für große Tafelservices. Seine Namenspunze war bekannt, beliebt und wurde häufig gefälscht. Nach seinem Tod führten seine Söhne Franz Joseph Seraphin (1773-1831) und Aloys Johann Nepomuk (1778-1833) den

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Betrieb fort. Franz Joseph Seraphin, Edler von Würth, lernte von 1783-1788 bei seinem Vater, danach studierte er drei Jahre in Rom. 1809 übernahm er den Betrieb und wurde zum k.k. Hofsilberarbeiter ernannt. Er belieferte den Hof bis zu seinem Tod 1831. Ab 1824 arbeitete sein Sohn Eduard mit, der die Werkstatt dann auch nach des Vaters Tod gemeinsam mit seinem Onkel Alois Johann Nepomuk Würth übernahm und bis 1836 weiterführte. Aloys Johann Nepomuk, von 1804 bis 1832 tätig, erhielt 1824 ein Patent auf die Erfindung, Gegenstände aus 13-löthigem Silber, wie Kaffee-, Punsch und Teemaschinen, auf schnellere Art zu erzeugen. Am 12.1.1832 legte er sein Gewerbe zurück, verließ Wien und ging nach Graz, wo er auch starb. In der Innung war Aloys Würth von 1830 bis 1831 Mitglied des Ausschusses. Seine Witwe Anna erhielt von der Witwenkasse, deren Mitglied ihr Mann ab 1804 gewesen war, bis zu ihrem Tod eine Unterstützung. Der Sohn von Franz Joseph Seraphin, Eduard Edler von Würth, wurde als letzter in der Familie 1831 mit dem Hoftitel ausgezeichnet und besorgte bis zu seinem Konkurs im Jahr 1836 die Hofbestellungen. Ignaz Sebastian, Edler von Würth, war zu seiner Zeit wohl das Aushängeschild der Familie. Er wurde aber noch übertroffen von seinem Cousin Ignaz Franz Josef Würth (17421792), Bürgerlicher Silberarbeiter, Bürger von Wien und Hofsilberjuwelier, tätig 1769 bis 1798. Er schuf das Tafelsilber des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen in den Jahren 17791782, das einzige aus dieser Zeit erhalten gebliebene Service, das im Louis-Seize-Stil hergestellt wurde. Dieses Service, das aus mehr als 350 Teilen bestand, darunter Weinkühler, Terrinen, Saucenschüsseln, Kandelaber und Leuchter sowie 24 Dutzend Silberteller und Besteck, wurde für den Herzog und seine Gemahlin Erzherzogin Marie Christine von Österreich, die Lieblingstochter von Maria Theresia, bestellt. Es sollte der Rolle des künftig in Brüssel

residierenden Herzogs und seiner Gattin als Generalgouverneure der Österreichischen Niederlande entsprechen. An die 534 Teile soll es ursprünglich umfasst und mehr als 680 kg gewogen haben. 1792 musste das Statthalterpaar vor den französischen Truppen aus Brüssel flüchten. Eines der drei mit deren Hab und Gut beladenen Schiffe sank in der stürmischen Nordsee, der Rest der kostbaren Fracht wurde von Hamburg nach Wien transportiert. Das spektakuläre Service überdauerte sowohl diese Katastrophe als auch die Verordnungen Kaiser Franz II., über die er die leeren Staatskassen wieder befüllte. Herzog Alberts Silber blieb das Schicksal des Einschmelzens und der anschließenden Verarbeitung zu Münzen erspart. Nach dem Ende der Monarchie befand sich das Service noch in habsburgischem Familienbesitz. 1947 wurde das Gros über die Galerie Fischer in Luzern versteigert, dann verlor sich die Spur, nur sporadisch kamen Teile auf den Markt. In seiner herausragenden Qualität stellt es noch heute den Inbegriff des Wiener Klassizismus dar und konnte im Dezember 2010, erstmals nach 100 Jahren, sowohl im New Yorker Metropolitan Museum of Art als auch im Liechtensteinmuseum in Wien präsentiert werden, nachdem man wertvolle Teile davon in einem Pariser Privatbesitz entdeckt hatte. Ignaz Franz Joseph Würth musste dennoch 1789 den Konkurs anmelden, arbeitete aber vermutlich weiter. Nach seinem Tod 1792 wurde die Werkstatt von seiner Witwe Theresia weitergeführt und 1804 an ihren Sohn Aloys Andreas Matthias Würth (1771-1831) übergeben. „Was die Germains für Paris, waren die Würths für Österreich“, bemerkte der deutsche Kunsthistoriker Edmund Braun, der 1909 eine Abhandlung über „Der Freiburger Münsterschatz“ und „Das Tafelsilber des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen“ schrieb. In der 650jährigen Geschichte der Wiener Goldschmiede haben sie auf jeden Fall einen bedeutenden Platz.

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Im Wandel der Zeit: 135 Jahre Brüder Nowotny W W W. C O L L E C T I O N - R U E S C H . AT

Kreativität in der 5.Generation Es begann im wahrsten Sinne des Wortes ganz klein – mit Kinderohrgehängen. Als Johann Nowotny im Jahre 1881 im 7. Wiener Gemeindebezirk seine kleine Bijouterie Fabrik gründete, legte er den Grundstein für ein Familienunternehmen, das in fünf Generationen zu einem im In- und Ausland anerkannten Goldschmuckproduzenten mit beachtlicher Fachkompetenz heranwachsen sollte. Heute zählt die Brüder Nowotny KG unter der Leitung der Geschäftsführer Friedrich Ruesch und Cornelia Gruber-Ruesch im In- und Ausland zu den erfolgreichsten Eheringproduzenten. Blick nach vorne Heute zeigt sich dieser dynamische „Nowotny-Charakter“ gemäß den modernen Ansprüchen auch in technologischer Hinsicht. Am Firmenstandort in Wien 23 produziert das Unternehmen unter dem Markennamen „COLLECTION RUESCH“ mit über 50 Mitarbeitern mehrere hundert Ringe am Tag. Für die Herstellung der umfangreichen Eheringkollektion werden alle richtungweisenden Technologien eingesetzt – CNC-Maschinen zum Drehen und Fräsen, Sintertechnik, maschinelles Fassen, Strangguss, moderne Härtetechniken und vieles mehr. Zugleich gibt das Unternehmen auch im Design den Ton an und überrascht regelmäßig mit kreativen Entwürfen, wie z.B. Eheringen, die das Unendlich- Zeichen als

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Designmotiv tragen sowie Memoireringen, die durch ihren harmonischen Schwung ideal zu Solitaireringen passen (siehe Bilder). Diese Entwürfe entstehen zur Gänze im eigenen Haus – durch eine Designgruppe, in deren Arbeit sich auch der Chef kreativ einbringt. Offen für Individualisierung Die Firma Brüder Nowotny KG beliefert über 2.000 Juweliere in Österreich, Deutschland und den übrigen EU-Ländern. Eine der größten Stärken des Unternehmens liegt neben dem schnellen Service in der Bereitschaft, kundenspezifische Sondermodelle zu fertigen. „Geht nicht“ gibt es nicht. Die Anzahl der kundenindividuell gefertigten Ringe nimmt stetig zu, und die Firmenleitung ist überzeugt, dass die Zukunft des Trauringgeschäftes in dieser Flexibilität liegt, möglichst individuelle Eheringe zu attraktiven Preisen anbieten zu können.

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Die Nachfolger des Eligius GABRIELA BREISACH | WOLFGANG HUFNAGL

Mayerhofer & Klinkosch Hofsilberschmiede 1802 gründete der von Prag nach Wien eingewanderte Joseph Carl Klinkosch (17651815) eine Silberschmiedewerkstätte, die sein Sohn Carl (1797-1860) im Jahr 1821 übernahm und in den folgenden Jahren zur angesehensten Wiens machte. 1831 nahm er Stephan Mayerhofer als Partner in seine Firma auf. Im selben Jahr wurde er K.K. Hofplattierer und 1837 Hofsilberarbeiter. Im Revolutionsjahr 1848 zum Hauptmann der Bürgergarde ernannt, zog er sich 1851 aus der Firma zurück. Sein Sohn Joseph Carl Ritter von Klinkosch (1822-1888) übernahm 1851 die technische Leitung der väterlichen Firma, deren kommerzielle Geschäfte Stephan Mayerhofer nun führte. Klinkosch begann mit der Erzeugung von „Chinasilberwaren“ (galvanisch versilbertes Neusilber), beschäftigte ausländische

Künstler mit Entwürfen und nahm verschidene Techniken der Silberbearbeitung, die in Vergessenheit geraten waren, wieder auf, wodurch die Firma auch außerhalb Österreichs zu hohem Ansehen gelangte. Zu den Kunden des Unternehmens zählten nicht nur das gehobene Bürgertum und Adelige, sondern ab 1855 auch der kaiserliche Hof, der ihm auf Grund seiner Verdienste und der hohen Qualität der Produkte der Titel „k.u.k. Hof- und Kammerlieferant“ verlieh. Das Unternehmen beteiligte sich auch an den Weltausstellungen 1873 in Wien und 1878 in Paris. 1861/1862 war Klinkosch Mitglied des Wiener Gemeinderates. Klinkosch -ab 1869 Alleininhaber und 1880 geadelt- war auch Kunstsammler und hinterließ eine große Anzahl wertvoller Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche und Antiquitäten, die 1889 versteigert wurden. Die Firma hatte er schon 1885 an seine Söhne Isidor Joseph

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Carl (1852-1914), der auch Direktor der Ersten Österreichischen Sparkasse war, und Arthur Carl (1854-1899) übergeben, unter welchen sie eine neuerliche Umgestaltung erfuhr. Durch die Aufnahme der Besteckerzeugung mittels Maschinenarbeit trug die Firma Klinkosch wesentlich zur Verminderung des Imports aus Deutschland, Frankreich und Belgien bei. 1918 wurde die Firma von Arthur Krupp erworben und unter dem Namen „J.C. Klinkosch A.G.“ weitergeführt. 1972 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht.

Wiener Biedermeier Deckelhumpen Silber, Innenvergoldung, rund, reich floral reliefiert bzw. graviert, Scharnierdeckel, Henkel mit plastischer Knabenfigur, Höhe 17,5 cm, Gewicht 466 g, Meisterzeichen M & K = Stephan Mayerhofer und Klinkosch, Alt Wiener Beschauzeichen 1840, Foto: © Dorotheum Wien

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EILFRIEDE BERBALK Die erste Gold- und SilberschmiedeMeisterin Österreichs Eilfriede Berbalk (auch Elfriede, Eifriede) legte 1924 als erste Frau Österreichs die Meisterprüfung im Silberschmiedegewerbe ab und betrat damit den Boden einer Männerdomäne. Was heute keine Überraschung mehr ist und es in ihrer Familie bereits Silberund Goldschmiedinnen in 3. Generation gibt, war damals eine kleine emanzipatorische Revolution. Geboren am 30.11.1900 in Wien, absolvierte sie fünf Jahre Volksschule und besuchte von 1914-1918 das Lyzeum in Wien sowie das Pensionat in Orth bei Gmunden am Traunsee. Dort legte sie auch 1918 die Matura ab. Danach trat Elfriede Berbalk in die „Wiener Frauenakademie“ (Wien 1, Stubenring 12) ein, wo sie neben dem Hauptkurs bei Prof. Otto Friedrich auch die Fachklasse für Metallarbeiten besuchte, welche damals unter der Leitung von Georg Klimt, eines Bruders von Gustav Klimt, stand. Dem Rat dieses Lehrers folgend („Fräulein, Sie haben ein so großes und unbeschreibliches Talent, lernen Sie das Handwerk...“) widmete sie sich bald gänzlich diesem Fach, trat 1920 als Lehrling bei den „Wiener Werkstätten“ ein. Nach zweieinhalb-jähriger Lehrzeit legte sie ihre Gesellenprüfung ab und beendete ihre Lehrzeit. Prof. Klimt übergab ihr bereits 1922 aufgrund ihres großen Könnens seinen mit Erfolg geführten Kurs an der Kunstschule, den sie 32 Jahre lang weiterführte. Bis 1924 war sie bei den „Wiener Werkstätten“ beschäftigt. In ihrem Arbeitszeugnis vom 14.04.1924 heißt es: „Fräulein Elfriede Berbalk, geboren am 30./XI.1900, zuständig nach Wien, war bei uns in der Zeit vom 1. Juli 1920 bis 20. Jänner 1923 als Gold- und Silberschmiedelehrling, und von da ab bis zum

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Elfriede Berbalk 1900 - 1987 Schülerin u.a. von Josef Hoffmann Mitarbeiterin der Wiener Werkstätte Besitz Auktioneum heutigen Tag als Gold- und Silberschmiedgehilfe beschäftigt. Fräulein Berbalk hat uns während dieser Zeit durch ihre Tüchtigkeit, ihren besonderen Fleiss, sowie ihr in jeder Weise tadelloses Benehmen voll und ganz zufriedengestellt. Genannte verlässt infolge des durch die allgemeine Krise hervorgerufenen Arbeitsmangels gesund und lohnbefriedigt unsere Dienste und können wir sie jedermann nur auf das Beste empfehlen.“ 1924 bestätigte sie auch ihre gewerbliche Reife mit der Ablegung der Meisterprüfung als erste Frau Österreichs im Gold- und Silberschmiedegewerbe. Dass dies damals überhaupt möglich war, verdankte sie keinem Geringeren als dem Handelskammerrat und Innungsmeister Hermann Kandl. Elfriede Berbalk eröffnete daraufhin am 1. Juli 1924 eine eigene Werkstätte. Ihre Arbeiten fielen sofort auf. Ihre Entwürfe wirken bis heute modern und zeitlos und zeigen sachliche Einfachheit, technische Perfektion und hohe Funktionalität. Zeit ihres Lebens war Elfriede

Berbalk nicht nur als Schmuckschaffende tätig sondern erlangte auch große Berühmtheit als Silberschmiedin. Sie schuf Teeservice, emaillierte Dosen, Schalen und andere Gebrauchsgegenstände. Ihr Spezialgebiet waren Treib- und Ziselierarbeiten mit Hammerschlagstruktur im Stil der „Wiener Schule“. Sie nahm seit frühester Jugend auch an nationalen und internationalen Kunst- und Kunstgewerbeausstellungen teil und erhielt für ihre Arbeiten viele Preise, so z. B. 1930 die Goldmedaille auf der „IV. Esposizione internazionale delle arti decorative e industriali moderne“ in Monza. Sie war auch Mitglied der Vereinigung Bildender Künstlerinnen Österreichs. 1938 kaufte auch Adolf Hitler einige Arbeiten von Elfriede Berbalk auf der 1. Deutschen Architektur- und Kunsthandwerkausstellung. Viele ihrer Entwurfzeichnungen und einige Arbeiten befinden sich heute im Archiv des Wiener Gold- und Silberschmiedemuseums. Aus Altersgründen schloss sie im Jahr 1980 ihre Werkstätte in Wien-Gersthof, in der sie im Lauf der Zeit ca. 40 Lehrlinge ausgebildet hatte. Sie starb nach langer Krankheit am 18. Februar 1987 kinderlos in ihrem Haus in Altau bei Krems/Donau. Die Handwerkskunst hat sie -wenn auch in völlig anderer Form- an ihre Nichte Anneliese Bibl und ihre Großnichte Gabriela Bibl weiter gegeben.

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Anhänger aus Silber mit Goldmontierung Foto: © Dorotheum Wien

Sepp Schmölzer Meister des Schmorrens Wenn man über Sepp Schmölzer (19191999) spricht, muss man etwas in die Schmuckgeschichte zurückgehen. Bereits vor dem 2. Weltkrieg gab es Goldschmiede, die neue Wege im Schmuck gingen. Doch erst in der Nachkriegszeit machten sie international mit Aufsehen erregenden Arbeiten auf sich aufmerksam. Mit der ersten großen internationalen Schmuckausstellung nach dem Krieg in der Goldsmiths‘ Hall in London und der Neugründung des Schmuckmuseums in Pforzheim, beides 1961, wurden dem Schmuck als Kunst zwei Podien geschaffen, die die neuen Strömungen zeigen konnten.

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Das wurde von Goldschmieden europaweit aufgegriffen und damit traten einzelne Persönlichkeiten in Erscheinung, die sich von dem vorherrschenden Schmuckverständnis lösten, unter ihnen der Kärntner Sepp Schmölzer. Geboren in Feldkirchen, absolvierte Sepp Schmölzer eine Goldschmiedelehre in Klagenfurt und besuchte danach die Bundeslehrerakademie in Klagenfurt. 1941 dann Kriegsdienst und Einberufung nach Norwegen. Nach Krieg und Gefangenschaft wieder zurück in der Heimat, kamen Matura, Lehrbefähigungsprüfung und auch Gesellenprüfung. Von 1954-1955 studierte Sepp Schmölzer an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Boeckl und Dobrowsky und war ab 1962 als Gold- und Silberschmied tätig. Seit den frühen 1960er Jahren kann man von einer komplexen Erneuerung der Schmuckkunst sprechen, die trotz mancher grundlegender Verschiedenheiten in den einzelnen Ländern und trotz individueller Formensprachen der Goldschmiede letztlich auf einer gemeinsamen Basis stand. Es war die Technik des gesteuerten Zufalls. Mit dem heißen Hitzestrahl der Flamme werden partielle Teile des Metalls angeschmort, dadurch entstehen strukturierten Oberflächen von Gold und Silber in einer reliefartigen, Licht und Schatten erzeugenden Lebendigkeit. In der Technik des Schmorrens brachte es Sepp Schmölzer zu einer großen Meisterschaft. Er liebte es mit Gold zu arbeiten: “Für wen sollte denn das Gold existieren, wenn nicht für den Goldschmied“, meinte er dazu. In vielen Schmuckstücken waren auch Steine, Perlen oder interessante Fundstücke ein wichtiges Gestaltungsmittel für ihn. Doch auch Silber war ein Edelmetall mit dem er seine Kunst ausleben konnte, mit diesem Metall schuf er neben Schmuck auch sakrale Werke. Eine schwere Handoperation (in den 1970er Jahren), die misslang, und andere Krankheiten erschwerten ihm zusehends die Anhänger aus Silber 21,5 g Foto: © Dorotheum Wien

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GOTTFRIED STEPAN Meister der Dosen und Scharniere

Sepp Schmölzer, Anhänger, Gold 585, 2 Kulturperlen, 14,8 g Kunst, Antiquitäten und Schmuck Foto: © Dorotheum Wien sensible Feinmotorik für den Zugang zu seinen besonderen Schmucktechniken. Also wandte sich Sepp Schmölzer einer neuen Arbeitsweise zu. Er entdeckte die Gegenstände des Alltags und verwendete sie in einem völlig neuen Kontext. Aus Brillengestellen wurden Broschen, aus Uhrenteilen kleine Objekte oder Halsschmuck. Plastikteile, Elektronik, Glasröhren, Spiegelscherben, ein Teppichklopfer, Knochen und noch vieles mehr, Sepp Schmölzer erweckte sie als Schmuckstück oder Objekte zu neuem Leben. Für Sepp Schmölzer, der mit zu den Vorreitern der Avantgardeszene in Europa zählte, war Schmuck ein autonomes kleines Kunstwerk, das oft erst nachträglich eine Abnehmerin auszeichnet. Sein Argument war „ Schmuck zu machen das ist der künstlerische Anlass.“ Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen Preisen geehrt. Mehrere Male leitete er die Goldschmiedeklasse an der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst in Salzburg. Auch in der Fotografie, die er leidenschaftlich betrieb, wurde er mit zahlreichen Preisen bedacht. Daneben war er auch als Hochleistungssportler und vor allem in der Leichtathletik erfolgreich. Sepp Schmölzer ist als ein bedeutender Beitrag Kärntens zur modernen Schmuckkunst anzusehen und wohl auch Vorbild für so manchen Goldschmied in unserem südlichsten Bundesland gewesen.

„Einzelanfertigungen sind das Labsal jedes Goldschmieds. Serienarbeiten stumpfen den Menschen ab, machen keine Freude und beschädigen die Seele“, schrieb Gottfried Stepan in seiner Autobiografie im März 2002. Er wusste wovon er sprach. Geboren 1931 als Sohn eines Goldschmieds und gelernten Dosenmachers, erfuhr er schon in frühester Kindheit, was man als Goldschmied alles erleben kann oder was den Unterschied zwischen einer gewöhnlichen und einer verwischten Scharnier ausmacht. „Kaum konnte ich auf den Knien meines Vaters sitzen, wurden mir, die Proteste meiner Mutter ignorierend, Goldschmiedegeschichten erzählt. Wenn das nicht für ein ganzes Leben prägt, dann weiß ich nicht, was sonst.“ Seine Kinder- und Jugendjahre waren von den historisch-politischen Ereignissen der Zeit gekennzeichnet. Als Sohn eines Kaisertreuen, später bürgerlich eingestellten, gezwungenen Republikaners, der nach monatelangen Diskussionen mit seinem Schwiegersohn, einem SS-Mann, in die nationalsozialistische Partei eintrat, wurde er bei der Hitler-Jugend eingeschrieben, um ihm „das Schlampigsein auszutreiben“. Gehalten hat er davon wenig. Um seinem Eintritt in die Nationalsozialistische Politische Bildungsanstalt (Napola) zu entgehen, verweigerte er im Alter von 11 Jahren jegliche Nahrungsaufnahme, bis seine Eltern einsahen, dass „ich ein kleinkarierter Scheißer bleiben will und zu einem zukünftigen Gauleiter nicht tauge.“ Er wollte Goldschmied oder Büchsenmacher werden – und nicht Großhandelskaufmann, wie sein Vater vorschlug. „Goldschmied, weil ich dazu geboren und auch erzogen wurde, Büchsenmacher, weil Waffen auf mich eine magische Anziehungskraft

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Napoleon-Dose, nach dem Gemälde „Die Schlacht von Jena“ von Horace Vernet (1836), Ausführung: Gottfried Stepan, Graveur: Franz Antl, (Privatbesitz Prof. L. Rössler)

hatten.“ Jedenfalls hat ihn die Präzision, wie sie für die Herstellung von Waffen und gutem Schmuck Voraussetzung ist, schon immer fasziniert. Als er 1945, kurz nach Kriegsende, ins Berufsleben einstieg, war sowohl der Großhandelskaufmann mit Matura und jahrelangem Studium als auch der Büchsenmacher illusorisch, er wurde also Goldschmied. Die Liebe zu den Waffen hat ihn trotzdem ein Leben lang begleitet. In späteren Jahren trat er einem Schützenverein bei, besorgte sich eine Waffenbesitzkarte und eine Faustfeuerwaffe. „Das Sportschießen hat nicht das Geringste mit Cowboy-Romantik und schon gar nichts mit militärischer Traditionspflege zu tun,“ meinte er einmal. „Es ist ein sehr ernsthafter Sport, in dem man seine körperliche Fitness und mentale Selbstbeherrschung ausloten kann.“ Gottfried Stepan trug auch in der Werkstatt absichtlich einen gut sichtbaren Revolver im offenen, tief geschnallten Holster. „Ich dachte mir: Da gehst dreimal in der Woche schießen und dann lässt du dich wie ein dummer Bub ausrauben? Bei mir nicht. Ich war fest entschlossen, mein Eigentum zu schützen und zu verteidigen. Gott sei Dank wurde ich diesbezüglich nie gefordert. Die Abschreckung, mit der ich auch gerechnet hatte, genügte vollkommen.“ 1949 legte Stepan die Gesellenprüfung ab, im selben Jahr starb seine Mutter. Im Alter von 18 Jahren musste er sich von nun an neben Napoleon-Feuerzeughülle, passend zur Napoleon-Dose, Ausführung: Gottfried Stepan, Graveur: Franz Antl, (Privatbesitz Prof. L. Rössler) 177

der Arbeit um den Haushalt kümmern. „Gearbeitet wurde in unserem Betrieb an sechs Tagen von 8h bis 18.30h, meist sogar ein bisschen länger. An Sonntagen von 8h bis 13h. Wöchentlich also mehr als 60 Stunden, Überstundenzuschläge waren damals unbekannt. So haben wir fast alle in den ersten Jahren nach dem Krieg Österreich wieder zu dem gemacht, was es heute ist. Und keiner hat gemurrt. Allerdings schalteten wir schon 1947 etwas zurück, der Sonntag blieb frei und an Samstagen wurde nur mehr bis mittags gearbeitet.“

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„Disk-Brooch“ Anhänger / Brosche aus Gold und Silber (1973), 49g Foto: © Dorotheum Wien

1953 bestand Gottfried Stepan die Meisterprüfung und fertigte als Meisterstück eine große silberne Tischdose an, mit aufwändiger Treibarbeit und übertrieben vielen, sehr kleinen Scharniergliedern. Scharniere wurden von nun an Teil seines Lebens. Sowohl bei Dosen aller Arten als auch bei den späteren Anfertigungen von unvergleichlich präzisen Armreifen. Damit die Erfahrungen vieler Generationen von Dosenmachern nicht verloren gehen, schrieb er in den letzten beiden Jahren seiner Berufstätigkeit sein erstes Buch „Scharniere – Technik und Herstellung“, mit vielen Zeichnungen, Erklärungen und Tipps. Aufgrund dieser Publikation, die in seiner eigenen Handschrift veröffentlicht wurde, bekam er etliche Einladungen zu Vorträgen und Gesprächen. „Nach anfänglicher Nervosität merkte ich, dass die mündliche Weitergabe meiner Erfahrungen mehr Spaß macht als das Schreiben.“ Bei jedem dieser Vorträge wurde er gefragt, wie er denn seine Armreifen mache. Daraufhin schrieb er sein zweites Fachbuch „Armreifen“, auch dieses war erfolgreich. Gottfried Stepan war viele Jahre Ausschussmitglied in der Landes- und Bundesinnung, Mitglied des Meistervereins der Gold- und Silberschmiede sowie Kommissionsmitglied der Gesellen- und Meisterprüfungen. „Eingeführt in die Prüfungsvorgänge hat mich ein liebenswerter Kollege, der Alt-Bundesinnungsmeister Krakovsky. Von ihm übernahm ich die Güte und Menschenbehandlung im Umgang mit Prüfungskandidaten. Ich habe mir einen sehr moderaten Ruf erworben.“ Die Autorin dieser Zeilen kann dies nur unterstreichen, war Meister Stepan doch auch ihr Prüfer. In späteren Jahren hat sie ihn als außergewöhnlichen Goldschmied, stets höflichen und freundlichen Kollegen erleben dürfen, dessen feiner Humor und bescheidenes Wesen ihr für immer in respektvoller Erinnerung bleiben werden.

Sven Boltenstern Juwelen und Musik „6 Lehrjahre, 1 Studienjahr in Paris und 7 Jahre bei Juwelier Hügler liegen hinter mir und jetzt, im März 1964, stehe ich vor dem entscheidenden Schritt in meiner beruflichen Laufbahn: dem Einzug in das funkelnagelneue Atelier und die Gründung einer eigenen Firma.“ So beschreibt Sven Boltenstern seine Anfänge als einer der führenden Goldschmiede seiner Zeit in Europa. Seine Arbeit wurde in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Zu den internationalen Auszeichnungen, die Sven Boltenstern für sein Werk erhielt, zählt auch der begehrte „Diamond International Award“. Dass er die Kollektionen seiner kleinen, aber feinen Luxusmarke – oft handelte es sich um sehr auffällige Einzelstücke mit Edelsteinunikaten, also echte Haute Joaillerie – an Orten wie Sankt Moritz, Monte Carlo, Palm Springs und Salzburg in temporären Verkaufssalons präsentierte, bescherte ihm bald eine prominente Kundenliste: die Karajans, Silvia von Schweden, die Herzogin von Windsor, Sean Connery, Roger Moore, Curd Jürgens und viele andere sollen bei ihm eingekauft haben. „Mein Vater hatte für sein Architekturbüro ein eigenes Haus gebaut und darin eine maßgerechte Werkstatt für mich eingeplant. Dafür und auch für die finanzielle Hilfe,

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Sven Boltenstern Armspange Gold 750, 74,1 g Foto: © Dorotheum Wien

mit der er mich unterstützte, bin ich ihm zeitlebens dankbar.“ Der Vater, Architekt Eric Boltenstern, der für den Wiederaufbau der Wiener Staatsoper und der Wiener Börse verantwortlich war, die Österreichische Nationalbank restaurierte und den Ringturm erbaute, hatte wohl das Talent seines Sohnes erkannt und sein Geld nicht verschwendet. Sven absolvierte nach der Matura eine Lehre bei der traditionsreichen Goldschmiedefirma Godina, aus der seine Mutter, eine Opernsängerin, stammte, besuchte parallel dazu Vorlesungen an der Akademie für angewandte Kunst und legte 1956 die Meisterprüfung ab. „Wesentlich für mich ist, dass meine Arbeit heute noch ebenso spannend ist wie vor dreißig oder mehr Jahren“, meinte er anlässlich des 40jährigen Firmenjubiläums. „Der Grund dafür liegt in der permanent notwendigen Achtsamkeit auf das Detail - in allen Bereichen. Mein Wunsch ist es, in jedes noch so kleine Schmuckstück ein Maximum an Spannung einzubringen. Die Kunst liegt darin, den Schmuck genau an den Körper des Menschen anzupassen. Ich habe mich stets bemüht, in jedes Schmuckstück - und sei es noch so klein – ein skulpturales Element hinzuzufügen. Denn wenn sich Körper und Objekt vereinen, wird der Mensch selbst zur Skulptur.“ Die Pariser Eindrücke aus seiner Zeit an der Ecole des Arts Décoratifs führten ihn in den 1970er Jahren erneut in die Seine-Metropole, als er in der Rue St. Honoré die „Galerie Sven“ eröffnete. Diese Galerie für modernen Schmuck, in der auch die Arbeiten von Fritz Maierhofer gezeigt wurden, gestaltete bis zu ihrer Schließung 1977 zwölf Ausstellungen, darunter auch Arbeiten von Picasso, César und Niki de St. Phalle.

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„Sven Boltenstern hat die seltene Begabung Material so zu bearbeiten, dass beim Beschauer der Eindruck entsteht, dem Stoff wurde eine Seele eingehaucht. Seine Formgebung sagt immer etwas aus über das Edle und Schöne. Begriffe, die heute leider vielfach in Bezug auf Kunst vermieden werden“, sagt sein Freund, der Maler Arik Brauer, über ihn. Boltenstern ist auch ein international anerkannter Schmuckdesigner, dessen Objekte in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert wurden, unter anderem 1972 im Österreichischen Museum für angewandte Kunst. 1993 widmete ihm das Künstlerhaus eine Personale anlässlich des 30-jährigen Jubiläums seines Ateliers, ebenso 2004 unter dem Titel “40 Jahre Atelier Sven Boltenstern”. 2004 wurde Sven Boltenstern mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet, 2013 mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien. Aus diesem Anlass beschrieb ihn seine Nichte, Burgschauspielerin Elisabeth Augustin: „Sven Boltenstern ist ein Weltenbürger und ein großzügiger

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Mensch. Er verwöhnt seine Freunde mit Zuwendung, Zeit, kulinarisch und auch mit seiner Schmuckkunst. Er ist dabei mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben und schafft Schmuck, den man sich leisten kann. In seinen Ausstellungen von Salzburg über Dubai bis New York hat er immer seine Heimatstadt Wien vertreten.“ Neben seiner Liebe zur feinen Goldschmiedekunst pflegt Boltenstern eine lebenslange und intensive Beziehung zur Musik. „Die Musik hat mich mein Leben lang begleitet, ich hatte 37 Jahre lang Unterricht von den Wiener Philharmonikern bekommen. Auch meine Arbeit wurde immer durch die Musik inspiriert. Wenn ich musiziere, dann vergesse ich alles Andere, erst wenn ich aufhöre, dann komme ich wieder zurück in diese Welt. Oft habe ich Schmuckstücke zum Takt der Musik entworfen, dann kann ich die Klänge in meine Arbeit perfekt einfließen lassen.“ Das Ergebnis dieser Symbiose konnte man in seiner Schmuckkollektion „Jazz“ bewundern.

Räume bezogen, welche nicht nur zur Goldschmiede sondern primär zur Schmuckgalerie umgestaltet wurden. Drobny sah im Tragen von Schmuck die Freude am Schönen, sich unabhängig von Wert und Prestige zu schmücken. Seiner Definition nach sollte Schmuck in erster Linie schmücken - und das kann, seiner Meinung nach, ein Kieselstein in formvollendeter Gestalt ebenso wie ein großer und teurer Diamant. Sein Lieblingsthema: „Der Goldschmied als Schmuckmacher“, der aus Metall und Steinen einen Wertgegenstand herstellt, in dem er seine Persönlichkeit sowie seine gestalterischen Ideen und Fertigkeiten einfließen lässt. Viele heftige Diskussionen über den Stellenwert der Formgebung und der handwerklichen Machbarkeit im Vergleich zu Wert oder Unwert von Edelmetallen sind allen jenen, die „Atsch“ gekannt hatten, in lebhafter Erinnerung geblieben. Sein Fachwissen stellte er auch in den Dienst der gewerblichen Interessenvertretrungen, insbesondere ab 1980, als er zum Landesinnungsmeister von Oberösterreich gewählt wurde. Vom Anbeginn seiner Tätigkeit

Adolf Drobny Goldschmied und Künstler Der Linzer Goldschmied, Schmuckkünstler und langjährige Innungsmeister der Landesinnung Oberösterreich, Adolf Drobny, zählt wohl zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Schmuckszene der 1960er bis 1990er Jahre. Seine Ansichten, Entwürfe und Arbeiten prägten eine ganze Generation von Goldschmieden, und bis heute erkennt man seine „Handschrift“ in so manchem Schaufenster. Adolf Drobny (1938-1994) erhielt seine Ausbildung an der Kunst- und Werkschule in Pforzheim und legte 1962 seine Meisterprüfung ab. 1964 begann er in Linz als selbständiger Goldschmied und Designer zu wirken. Alsbald wurden in der Herrenstraße 20 neue Rubin-Bergkristallanhänger, Weißgold 585, Entwurf und Ausführung Fa. Drobny Linz, Meisterzeichen AD, 26,5 g, Foto: © Dorotheum Wien

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Außergewöhnlicher Drobny-Armreif Gold 585, Silber 800, ein Ammonit und 2 Opaltripletten, Namenspunze AD, 1970/80 Foto: © Dorotheum

als Funktionär war er besonders bemüht, das schöpferische Element im Schmuckschaffen hervorzuheben und bei den jungen Nachwuchskräften besonders zu fördern. Er wirkte daher sehr aktiv bei der Neugestaltung der Meisterprüfungsordnung der Gold- und Silberschmiede mit und versuchte, den kreativen Aspekt des Berufes auch dort zu verankern. 1982 erhielt er einen Lehrauftrag an der Linzer Kunsthochschule und leitete sieben Jahre lang die Meisterklasse für Metallgestaltung. In diese Zeit fiel auch die Gestaltung einer internationalen Ausstellung „SCHMUCK - Zeichen am Körper“, an der führende Schmuckgestalter aus der ganzen Welt teilnahmen. Ebenfalls auf seine Initiative ging das 1994 erstmals durchgeführte „Internationale Design Forum für Schmuck und Glas“ zurück. Daneben war es ihm ein besonderes Anliegen, jungen Talenten den Weg zum Goldschmied zu erleichtern und ihnen eine fachliche Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen. Gemeinsam mit seiner Frau Elsa, einer ebenfalls anerkannten Schmuckkünstlerin, gründete er 1988 das „Goldschmiedeinstitut Drob-

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ny“ und 1991 die Galerie „EL-Avantgarde“ in der Altstadt 2. Adolf Drobny hat sich in vielfältiger Weise für seine Heimatstadt eingesetzt. Als im Jahre 1968 die Debatten über die Priorität des Brucknerhauses oder einer Stadthalle hochgingen, fasste das Ehepaar Drobny den Entschluss, der Stadt Linz eine goldene Bürgermeisterkette zu stiften, wenn das Brucknerhaus als erster großer kultureller Bau errichtet werde. Es gelang Drobny, seine Mitarbeiter für den Gedanken zu begeistern und nicht weniger als 22 Meister und Gesellen zu veranlassen, in ca. 1000 freiwilligen und unbezahlten Arbeitsstunden das Werk anzufertigen. Die Kette wurde 1974 vom damaligen Bürgermeister Franz Hillinger zur Eröffnung des Brucknerhauses mit seiner international beispielhaften Konzertsaalarchitektur getragen. Im Privatleben war der dreifache Vater ein begeisterter Segler, der anlässlich seines 50. Geburtstags sogar den Atlantik überquerte. Mir persönlich ist Adolf Drobny als intelligenter, ideenreicher und origineller Kollege und Funktionär in Erinnerung, der mit viel Humor und Fachkenntnis die Probleme der Branche in Worte fasste. Trotz seiner „Hassliebe“ zu Edelsteinen hat er es ermöglicht, dass die heutige Gemmologische Akademie im WIFI-Linz Fuß fassen konnte. Neben der großartigen Unterstützung des damaligen Bundesinnungsmeisters Komm. Rat Mag Bruno Schiller, war es auch der Landesinnungsmeister von Oberösterreich, der dem Goldschmiedenachwuchs eine fundierte Edelsteinausbildung ermöglichte. Adolf Drobny hat österreichische Schmuckgeschichte geschrieben. Seine „Linzer Schule“ der Goldschmiedekunst lebt in vielen Gold- und Silberschmieden weiter und ist ein wichtiger Teil der Präsentation des Kunsthandwerks unseres Landes.

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Teeservice nach einen Entwurf von Oswald Haerdtl, ca 1925, Foto: © Jarosinski & Vaugoin

Hans Vaugoin Der Silberschmied

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ie Zigarette in der Hand und ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, bei dem man nie ganz genau wusste, was er wieder im Schilde führte, lehnte der stattliche Mann lässig am Schmelztiegel in der historischen Werkstätte des Wiener Gold- und Silberschmiedemuseums und erklärte einer interessierten Besuchergruppe das Handwerk. Wo immer er auftrat, war er präsent und dominierend. Freundlich, witzig, charmant und blitzgescheit, aber auch unberechenbar und polternd. Er hatte es einfach, das gewisse Etwas. Ing. Hans Vaugoin übernahm in vierter Generation 1967, nach dem Tod seines Vaters, die berühmte Silbermanufaktur in der Zieglergasse in Wien-Neubau und führte das Traditionsunternehmen ins 21. Jh. Gegründet wurde die Silberschmiede 1847 von Carl Vaugoin (1822-1904), dessen Vorfahren im 18. Jahrhundert aus Frankreich kamen. Die handgeschlagenen, schweren Tafelgeräte, sowie der Handel von Goldwa-

ren wurden das Markenzeichen des neuen Handwerksbetriebs. Adel und Großbürgertum zählten rasch zu den Kunden des aufstrebenden Handwerksbetriebs. Schon bei der Wiener Weltausstellung 1873 wurde er mit zahlreichen Verdienstmedaillen ausgezeichnet. Carls Sohn Jean Vaugoin (18601914) vereinigte im Jahr 1901 den väterlichen Betrieb mit jenem von Ladislaus Jarosinski, der es auf dem Gebiet hochwertiger Silberbestecke zu Meisterleistungen gebracht hatte. Zu jener Zeit erfolgte auch die Übersiedlung des Betriebs in die Zieglergasse 24, wo die Firma noch heute ihren Standort in einem liebevoll restaurierten Biedermeierhaus hat. Nicht lange danach dürfte Ladislaus Jarosinski aus dem Unternehmen ausgetreten sein und Unterlagen mitgenommen haben – denn es gibt im Hause Vaugoin nur mehr Musterbücher ab 1902. Als Karl Vaugoin 1919 in die Firma eintrat, war der Betrieb Hoflieferant für den rumänischen Hof und arbeitete mit den bedeutendsten Künstlern jener Zeit (u. A. den „Wiener Werkstätten“) zusammen. Er erweiterte die Produktpalette um kleinere Schalen, Gebrauchsgegenstände und Becher. Am 27.

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August 1926 erhielt das Unternehmen unwiderruflich die Staatliche Auszeichnung verliehen. Wie zahlreiche altösterreichische Silberschmiedebetriebe hatten auch Jarosinski & Vaugoin eine eigene Entwurfswerkstatt, in der neue (Tafel-) Geräte gezeichnet wurden, die leider überwiegend anonym geblieben sind. In der Zwischenkriegszeit war die Firma aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit nach wie vor auf Weltausstellungen vertreten und wurde auch entsprechend prämiert. Nach den Kriegswirren kamen Aufträge aus Ministerien bzw. für die Österreichischen Botschaften im Ausland der Firma entgegen. Ab 1946 gab es Bestellungen zur Ausstattung für fast alle österreichischen Botschaften und Konsulate mit edlem Tafelbesteck von Jarosinski & Vaugoin. Zahlreiche Aufträge kamen auch aus dem arabischen und asiatischen Raum. Hans Vaugoin erweiterte den Geschäftsbereich auch um einen Großhandel mit kleinen Silberwaren und Taschengebrauchsartikeln. 1985 gründete Hans Vaugoin gemeinsam mit Prof. Leopold Rössler das Gold- und Silberschmiedemuseum und stellte dafür einige Räume, seine Mitarbeiter, Ideen und Tatkraft zur Verfügung. Unser heutiger Innungsmeister, Wolfgang Hufnagl, war damals einer seiner Lehrlinge und wertvoller Mitgestalter des Museums. Die firmeneigene Werkstätte mit historischem Charakter, die sich bis heute erhalten hat, wurde bald eine Erweiterung des Museums, in dem zahlreiche Ausstellungen und Kulturabende stattfanden. Da auch die Österreichische Gemmologische Gesellschaft Sitz und Labor in den Räumen des Goldschmiedemuseums hatte, wurde das alte Haus in der Zieglergasse rasch zum Zentrum der Branchenaktivitäten. Hans Vaugoin wachte über all dem und lieferte unvergessliche Episoden.

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Elisabeth Defner Wiener Goldschmiede Elisabeth Defner zählt zu den profiliertesten Schmuckkünstlerinnen Österreichs. Seit ihrem Schmuckdesign- Studium an der Wiener Akademie für Angewandte Kunst Anfang der 1960iger Jahre arbeitet sie als selbständige Künstlerin in Wien, bis 1976 zusammen mit dem Schmuckkünstler Helfried Kodré, in einer Werkstattgemeinschaft. 1967 mit dem Bayrischen Staatspreis, München und 1970 mit dem Diamond- Award ausgezeichnet, sind ihre Arbeiten heute in Museen u. a. in Wien, Graz, Pforzheim, Köln, Prag und Edinburgh vertreten. Für Elisabeth Defner –seit 1990 trägt sie den ergänzenden Namen Jesus Guennaibim– ist Schmuck nicht allein eine ästhetische Angelegenheit, sondern im Sinne einer ganzheitlichen Vorstellung vor allem eine gesundheitsfördernde Ergänzung für Körper, Seele und Geist. Die Schönheit des Schmuckes, z. B. Ringe oder Broschen aus abgeformten Ginkoblättern, geht mit der magischen Wirkung der Pflanze eine idealtypische Verbindung ein und trägt zum Wohlbefinden des Trägers bzw. der Trägerin bei. Ihre neuen Arbeiten stellen eine Weiterentwicklung und Perfektionierung dar. Sie findet ihre Inspiration nach wie vor in der Natur, vor allem im Reich der Pflanzen, aber auch des Meeres, die sie mit Edelsteinen verbindet. Ihr zauberhaftes Collier aus Silber „Frutti di mare“ aus Pyritrose, Mondstein, Azurit, Kiesel, Perlmut und Glas vom Strand erinnert an einen Spaziergang am glitzernden Sandstrand. Schmuckstücke von E. Defner sind in der Sammlung „The Royal College of Art Visiting Artists Collection“, heute zu sehen im V&A Museum London.

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Br. Bernward in der Werkstatt, 1955 Foto: © Abtei Seckau

Br. Bernward Schmid OSB Mönch- KünstlerLehrmeister Br. Bernward Schmid, der 1920 in Riefensberg als Peter Paul Schmid geboren wurde, wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf und kam 1939 als Brüderoblate nach Seckau. Durch Kriegswirren in die Abtei Maria Laach versetzt, machte er bei Br. Notker Becker, einem rennomierten Künstler in der Tradition der Beuroner Kunstlinie, erste Erfahrungen mit Kunst. Dieser entdeckte auch seine außerordentliche Begabung. 1943 legte er die Ordensgelübde der Benediktiner ab und besuchte von 1946-1951 die Bundesgewerbeschule in Graz, wo er von Prof. A. Sieder und Prof. A. Silveri in Bildhauerei und Goldschmiede unterrichtet wurde. Als Meisterschüler von A. Sieder absolvierte er 1951 die Meisterprüfung. Danach wirkte er bis 1995 in der Abtei Seckau als Goldschmied und Ausbilder für 29 Lehrlinge und unterrichtete im Abteigymnasium Bildnerische Erziehung. Die Leitlinie der Benediktiner war und ist „Ora et Labora et Lege“- Bete, arbeite und lies, es gibt aber noch einen etwas ausführlicheren Begleiter, ebenfalls vom Hl. Benedikt

verfasst, nämlich die Regula Benedicti. Unter anderem schreibt er im Kapitel 57, dass jene Brüder, die Handwerker sind, ihre Tätigkeit in aller Demut ausüben sollen, und dabei nie vergessen dürfen, dass in ihren Werken nicht sie selbst sondern Gott verherrlicht wird. Das tat Br. Bernward, indem er im Laufe seines Wirkens in der Abtei Seckau über 700 sakrale Gegenstände herstellte. Darunter waren Kelche, Patenen, Monstranzen, Rauchfässer, Bischofsinsignien und andere liturgische Geräte. Der Benediktiner arbeitete kaum ohne Auftrag und belieferte mit diesen, von ihm entworfenen und gestalteten Stücken, zahlreiche geistliche Würdenträger. Seine letzte große Leistung auf dem Gebiet der bildlichen Darstellung war eine 1994 fertiggestellt Folge von vierzehn getriebenen Kupferplatten für das Portal der Seckauer Basilika. Symmetrisch auf die insgesamt 42 Felder der neuromanischen Türflügel verteilt, stellen sie, den Traditionen der christlichen Ikonographie folgend, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament in typologischer Entsprechung einander gegenüber. Die Stücke, die Bruder Bernward herstellte, waren von erstaunlicher Konstanz geprägt und wiesen keine radikalen Stilumschwünge auf. Er verwendete für seine schnörkellose Formsprache, die Moderne und Tradition ver-

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Monstranz „Geöffneter Kelch“, 1963 Silber, vergoldet, Email, Karneole Foto: © Marcus Auer

terschiedlichster handwerklicher Techniken widerspiegelt. In einem von Br. Bernward gestalteten Armband findet man die Technik Niello, die darin besteht, in eine helles Metall eine Zeichnung zu gravieren und in diese eine Legierung aus Blei, Kupfer, Borax, Schwefel und Silber einzuschmelzen. So zeigt sich auch in den Schmuckstücken aus der Seckauer Werkstatt, dass seine Kunst nicht nur von der Süßigkeit des Individuellen, sondern auch von der Majestät des Kategorialen geprägt ist. Ein Muster an Bescheidenheit und ein außergewöhnlich glaubhafter Zeuge für das Leben eines Ordensmannes, das war Prof. Bruder Bernward Schmid OSB.

bindet, vor allem Email, hier besonders das Zellenschmelzen. Bei dieser Technik werden auf eine Metallplatte, die meist aus Kupfer besteht, Stege aufgebracht, die in ihrer Gesamtheit die Zeichnung darstellen und Zellen bilden, welche die Farbglasmasse aufnehmen, die bei einer Temperatur von 750-900 Grad Celsius geschmolzen wird. Br. Bernward widmete sich gelegentlich aber auch der Produktion von Schmuck. Die zahlreichen Schmuckstücke, die von ihm gefertigt wurden, sind , dem Selbstverständnis einer Klosterwerkstätte ebenso wie dem der Käuferschicht entsprechend, weder avantgardistisch noch extravagant. Sie zeichnen sich aber durch eine filigrane Formgebung, sicheres Materialgefühl und beste Verarbeitung aus, die sich in der Beherrschung unBischofsschab, 1988, Silber, teilweise vergoldet, Brillanten, Rubine, Quarze Foto: © Marcus Auer 185

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Fritz Maierhofer MEINE SPRACHE SCHMUCKDOKUMENTE, EINE LEBENSGESCHICHTE Schmuck als freie Form und visuelle Ausstrahlung Noch immer kommt es heute durch ganz bestimmte kulturelle Einflüsse und Bewegungen und durch die Änderung unseres sozialen Lebens zu neuen Richtungen im Bereich des künstlerischen Schmuckschaffens. Schmuck ist ein Medium, das Botschaften vermitteln kann. So wie die Moderne in der Architektur, Literatur, Malerei, Bildhauerei, im Möbeldesign, so ändert sich zeit-entsprechend auch unser Schmuck. Die Suche nach immer neuen Mitteln und Möglichkeiten, Stilrichtungen von oder aus verschiedenen Ländern. Einflüsse von einem zum anderen Land. Ein Aufnehmen – Einatmen – der Ideen und Weiterentwickeln dieser. Das Eine zum Anderen. Möglichkeiten – materialbezogen. Schmuck hat sich in den letzten Jahrzehnten so sehr entwickelt wie kaum eine andere

Kunstsparte. – Auch ich konnte dazu meinen Beitrag leisten. Nachdem ich meine Lehrzeit sowie die Gesellen- und Meisterprüfung bei Juwelier Anton Heldwein absolviert hatte, war ich dort auch als Atelierleiter tätig. 1967 ging ich als Goldschmied zu Andrew Grima nach London. Daraus wurden drei Jahre in England. 1969 übernahm ich bei Andrew Grima die Betreuung der Schmuckuhrenkollektion für Omega. Danach fing für mich die Zeit an, mich mit zeitgenössischem Schmuck zu beschäftigen. Stella, Lichtenstein, Jim Dine, Trova prägten meine Arbeit. So auch das farbenprächtige London nach dem allzu grauen Alltag Wiens. Es gelang mir hier, mich von der herkömmlichen Auffassung über Schmuck zu distanzieren und allmählich meine eigenen Akzente zu setzen. Schmuck wurde für mich zum Medium – zum Mittel, über den Schmuckträger Aussagen und Zeichen weiterzugeben. Ein Umdenken durch den Schmucktragenden musste stattfinden. Schmuck als freie Form und visuelle Ausstrahlung. Meine ersten Acryl- und Edelmetallarbeiten entstanden. Bekanntschaft und Freundschaften mit Reinhold Reiling, Claus Bury, Gerd Rothmann, sowie David Watkins und Herman Jünger

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entstanden. 1971 wurde die Electrum Gallery in London eröffnet. 1975 konnte ich ein altes Bauernhaus am Land im südlichen Waldviertel erwerben. Am Lande zu arbeiten, heißt für mich auch in Ausgewogenheit zu arbeiten, sich auf Erlebtes zu konzentrieren und es in seiner Art wiederzugeben. Ich versuche, Schmuck nicht nur im Kleinen, sondern zur Formverdeutlichung auch in größeren Dimensionen zu zeigen. Unter anderem bekam ich 1986 den Auftrag für eine Brunnenskulptur in Wien-Kagran. Farbe in meiner Arbeit bedeutete mir in den 1970er Jahren sehr viel. Das bunte London, die leuchtende Farbenpracht des Kunststoffes der Reklameschilder in Soho, Leuchtstoffreklamen am Picadilly und meine Tätigkeit als Schmuckschaffender in London – eine Symbiose aus Farbe, Gold und Silber. Es entstanden meine ersten eigenständigen Schmuckstücke: billiges Gebrauchsmaterial (Acrylglas) dem kostbaren gegenüber gestellt. Von da an ist ein Aspekt in meiner Arbeit, dass ich kontrastreiche Materialien einander gegenüberstelle. Der innere, wirklich wahre Wert ist relevant. Der wahre Wert des Materials ist mir wichtig, es soll seine wahre Eigen-

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schaft zeigen. Ein klares und provokatives Statement ohne irgendwelche Kompromisse: Zinn ist beweglich, Plastik hat Farbe und Gold hat Stärke ähnlich wie Stahl. Arbeitete ich 1970 mit Kunststoff und Edelmetall, so drückte ich 1980 meine Gedanken in Zinn und Gold aus. Reines Zinn ist sehr weich und der sich Schmückende kann es in vielen verschiedenen Positionen tragen. Kleine Goldsegmente habe ich eingelassen, die die Funktion haben, das Schmuckstück in Position zu halten. 1988 zeigte das Victoria and Albert Museum Arbeiten der Eindrücke meines zweijährigen Aufenthalts in London, die sogenannten Traversen, in einer Personalausstellung. Als eigenständige Kleinskulpturen und als sich jeweils aufeinander beziehende Bilder oder Wandobjekte gestalte ich meine Arbeiten, um sie dem Publikum näher zu bringen. Schmuck soll nicht in Schatullen abgelegt werden, sondern bei Nichttragen sichtbar aufbewahrt werden. Es findet ein intensiver Bezug zwischen dem Schmuckstück und dem Träger statt. Dies bedeutet, der Schmuck wird auch bewusst mit Gefühl zum richtigen Augenblick getragen und gibt


somit seine Zeichen und Aussagen weiter. Es ist mir bewusst, dass ich auch ein gewisses Maß an Stärke von meinen Schmuckträgern verlange, die sich mit meinem Schmuck in Szene setzen. Es ist viel leichter zu erwähnen, einen Picasso zu Hause zu haben, als zu erklären, warum und wieso ich nun gerade diesen bestimmten Schmuck trage. Aus diesen Gründen ist es mir immer wichtig, auch größere Objekte und Skulpturen zu machen, die Formen aus meiner Schmuckwelt hervorheben. Schmuck wird hier zum künstlerischen Medium gleichberechtigt mit Malerei, Skulptur, Architektur – Inhalte zu vermitteln, die Umwelt in bestimmten Aspekten zu erfassen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die Qualität von Schmuck zu erfassen, ihn zu schätzen, seinen Sinn zu verstehen, verlangt nicht weniger Aufmerksamkeit als man braucht, um Gemälde oder jede andere Form von Kunst zu bewerten. Schmuck kann jedoch auch noch viel mehr sein. Er kann in andere Sparten wie Mode, Möbel, Theater integriert werden. Doch jeder Schmuckkünstler hat seine Eigenständigkeit und eigene Aussage, seine eigenen geistigen Bezüge zu Form, Material und Themen.

Zu meiner eigenen Arbeit möchte ich sagen: wie Buchstaben Symbole sind, die sich zu Lauten fügen und schließlich in ihrer Summe als Sprache eine Botschaft weiterleiten, so verstehe ich meine Schmuckobjekte als Zeichen einer von mir geschaffenen inneren Ordnung, die ich versuche, auch meinen Mitmenschen zu vermitteln. Um über den Versuch hinaus zum Ziel des Verstandenwerdens zu gelangen, bedarf es einer gewissen Sensibilität des Gegenübers. Meine Sprache ist nicht kodifiziert, sie wird von mir laufend neu geschaffen und entsteht aus den Eindrücken meiner Zeit – aus meiner ganz subjektiv empfundenen Gegenwart und meiner Vergangenheit. Sie bildet sich aus der Reflexion des unmittelbar Erlebten, aus den Erscheinungen, vielleicht auch Sehnsüchten in der heutigen Welt. Themen und Prioritäten können sich dabei ändern. Was mich „angeht“, soll von mir weitertransportiert werden, nicht in Worten, aber dingfest und greifbar gemacht in stabilen Zeichen – am Körper zu tragen. Die Person, die meine Schmuckobjekte anlegt, möge meine Botschaft verstehen und zum Sender meiner Gedanken in meiner künstlerischen Sprache werden.

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So auch in meinen Computerarbeiten „Der Ring“: diese Arbeiten sollen die Zweigeteiltheit und Verschiebbarkeit und damit eine Vielzahl an Einsichten hervorheben. Auch hier wieder: andere Mittel und Möglichkeiten bringen neue Aussagen. In diesem Fall ist das Mittel der Bildschirm des Computers. Der Goldschmied übt sein Handwerk nicht nur mit Feile und Hammer aus, es besteht auch die Möglichkeit, seiner künstlerischen Vorstellung am Computer–Zeichenbrett Ausdruck zu verleihen, sich einzuschauen und neue Vorstellungen zu gewinnen, sowie die praktischen und die theoretischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Computergrafik hilft mir, diesen Weg in meiner Vorstellung zu beschreiben. Ich habe die Möglichkeit, die Formen und Größenordnungen darzustellen und zu überprüfen – in einer für mich durchaus realen Form. (1998)

in den verschiedensten Variationen. Der Stein wird zerbrochen, zusammengefügt und „verschmückt“! (2005) In allerjüngster Zeit inspirieren mich Naturstudien, insbesondere Studien von Bergen. Die dramatischen, sich dauernd verändernden Stimmungen von Berglandschaften finden sich in dieser Werkgruppe wieder. Die ersten Broschen aus dem Jahr 2013 formte ich aus starkem Aquarellpapier und setzte Akzente mit Aquarellfarben. Seit 2015 arbeite ich in Eisen und Industrie-Email - es entstehen sowohl Broschen als auch größere Wandobjekte. (2016)

Broschen und Ringe und … – „alles Chaos“! Seit einiger Zeit fasziniert mich das Material CORIAN®, ein neuer „Kunststein“. Spontan, aus einem momentanen Gefühl heraus entstehen Schmuckstücke, die mein Chaos vollenden – gesägt, gebohrt und gefeilt

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Goldschmiede Wieser W W W. G O L D S C H M I E D E - W I E S E R . AT

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eprägt durch seine beruflichen Ausbildungen in der Abtei Seckau unter Professor Bruder Bernward Schmid OSB, dem Wiener Goldschmied Horst Musil und zahlreichen Fachkursen bei Prof. Leopold Rössler und Gabriela Breisach, eröffnete Michael W. Wieser seine Goldschmiede mit seiner Frau Irene 1988 in Leoben. Der Standortwechsel an die heutige Adresse Timmersdorfergasse 1 erfolgte 1997. Weit über die Grenzen der Steiermark bekannt ist das internationale Uhrensortiment sowie die Schmuck- und Perlenauswahl der Firma Wieser, deren Herzstück die Goldschmiedewerkstätte - das Atelier - ist. Hier wird die Leidenschaft und Kreativität mit Handwerkskunst tragbar zu Schmuck gemacht. Als Sachverständiger für Schmuck und Edelsteine richtete sich Michael Wieser auch ein Edelsteinlabor ein. War die Lehre bei Prof. Br. Bernward maßgeblich von sakraler Kunst-, Email und Restaurationen liturgischer Geräte geprägt, so waren es die Gesellenjahre bei Horst Musil, die das Wissen von Michael Wieser im Bereich der Anfertigung von Goldschmuck und der Herstellung profanen Schmuckes

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im Allgemeinen bereicherten. Unverkennbar ist die Liebe des Meisters zu besonderen Edelsteinen, die von ihm zu exklusivem Unikatschmuck geformt werden. Alte Handwerkstechniken kommen in der Goldschmiede Wieser genauso zum Einsatz wie modernste Technologien, ebenso verhält es sich bei den verwendeten Materialien. Michael Wieser entdeckte seine Leidenschaft zum Handwerk der Goldschmiede schon in seiner Jugendzeit, als ihn Br. Bernward in Bildnerischer Erziehung unterrichtete und zu ihm in seine Werkstatt einlud. Seitdem hat ihn diese Begeisterung für das Formen edler Stücke aus ebenso edlen Materialien stets begleitet, und das sieht man auch in den sorgfältig hergestellten Unikaten, die in seinen Kollektionen zu finden sind. Aber nicht nur er ist mit ganzem Herz bei seiner Arbeit, auch für seine hoch qualifizierten Mitarbeiter steht es an erster Stelle, die Kunden zufriedenzustellen und ihnen keinen Wunsch abzuschlagen. Die Energie für die meist langen Arbeitstage wird in der Natur getankt. Die Goldschmiede Wieser besteht nun bereits seit 28 Jahren und hat sich in dieser Zeitspanne auch dementsprechend entwickelt.

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World Skills Competition

1981 Atlanta USA, die Österreichischen Teilnehmer in 11 Berufen 3. Reihe ganz links der Goldschmied Peter Pichler Photo: courtesy of WorldSkills International

Eine Erfolgsgeschichte

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1981 Atlanta USA.: so sehen Sieger aus: Peter Pichler/ Austria gewinnt Gold Photo: courtesy of WorldSkills International

eit 1961 nehmen junge Österreichische Fachkräfte aus den Bereichen des Handwerks, der Industrie, der Touristik und der Informationstechnik an der Berufsweltmeisterschaft teil. Die Teilnehmer, die nicht älter als 22 Jahre sein dürfen, stellen sich der internationalen Konkurrenz, wobei auch die verschiedenen Ausbildungssysteme der jeweiligen Nationen einem Vergleich unterzogen werden. Gerade in den typischen Handwerklichen Lehrberufen mit der sogenannten Dualen Ausbildung erreichen die Österreicher immer beste Platzierungen. Österreichs Goldschmiede nehmen seit 1975 bei diesem internationalen Wettbewerb mit großem Erfolg teil. Von 1975 bis 1989 und später noch im Jahre 1993 erreichten die 10 jungen Goldschmiede aus Österreich 8 Medaillen, eine Erfolgsquote von 80%. Zum Vergleich: Seit 1961 waren 511 junge Fachkräfte aus Österreich in den verschiedensten Berufen am Start und errangen 194 Medaillen, das entspricht einer Quote von 38%! Der damalige Innungsmeisterstellvertreter Wilfried Haas betreute die Teilnehmer ab 1975 sowohl bei den vorgeschriebenen Auswahlwettbewerben im Land, um jeweils den besten des Landes entsenden zu können, als auch als Betreuer, Experte und Jurymitglied bei 8 internationalen Wettbewerben.

Peter Pichler bei der konzentrierten Arbeit in Atlanta 192 Photo: courtesy of WorldSkills International

WILFRIED HAAS


1983 Linz Österreich, zufriedener Blick auf das fast fertige Werkstück des Teilnehmers aus Frankreich Photo: courtesy of WorldSkills International

Die Erfahrungen, die Haas bei der Ausarbeitung der Regeln und der Formulierung der Kriterien, wo es natürlich besonders um größtmögliche Objektivität ging, in den internationalen Jurysitzungen sammeln konnte, flossen in unser österreichisches Prüfungssystem der Lehrabschluss- und Meisterprüfung ein. Die Experten der einzelnen teilnehmenden Nationen reisten schon Tage vor Beginn des Wettbewerbes an den jeweiligen Veranstaltungsort und präsentierten ihre Vorschläge für Wettbewerbsarbeiten. Aus diesen Entwürfen wurde in oft nächtelangen Diskussionen ein Vorschlag mit oder ohne Änderungen akzeptiert. Mit Beginn des Wettbewerbes waren die Teilnehmer das erst Mal mit der Art der Arbeit konfrontiert, übernahmen das vorbereitete Material und mussten nach den angegebenen Kriterien möglichst hohe Wertungspunkte erreichen.

1979 Irland/Cork: Erwin Vögerl mit 1. Goldmedaille für Österreichs Goldschmiede, links Betreuer W. Haas, Quelle: W. Haas

Subjektive Kriterien: Interpretation der Zeichnung (Gesamteindruck), Sägearbeit( A-Jouren, Steinöffnungen), Löten, Sauberkeit der Oberfläche. Objektive Kriterien: Material ( Abgang- Verlust, zusätzlich benötigtes Material),Maßgenauigkeit. Hier die Liste der Teilnehmer, auf die die Österreichischen Goldschmiede auch anlässlich der 650 Jahre Feier stolz sein können: 1975 Madrid , Spanien

Schleritzko Manfred Firma Wilfried Haas

Wien Bronze Medaille

1977 Utrecht, Niederlande

Glatz Manfred

Wien Bronze Medaille

Firma Bruckner

1978 Busan, Südkorea

Spanl Gerhard

Firma Jochs

Wien Bronze Medaille

1979 Cork, Irland

Vögerl Erwin

Firma Drahosch

Wien Gold Medaille

1981 Atlanta, USA

Pichler Peter

Firma Seitner

Wien Gold Medaille

1983 Linz, Österreich

Rasch Michael

Firma Klepetko

Wien Rang 6

1985 Osaka, Japan Seikot Franz Firma Drobny Linz

Bronze Medaille, Diplom Sehr gut

1988 Sydney, Australien

Gold Medaille

Firma Drobny

Linz

1989 Birmingham, England Hauser Thomas

Neundlinger Peter

Firma Sartori

Wien Silber Medaille

1993 Taipei, Taiwan

Firma Krakowsky-Auer

Wien Rang 9

Auer Roland

(Quelle WKO)

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A Tahiti

K O M M R P R O F. E L F R I E D E S C H WA R Z E R

lleine der Name bringt uns zum Träumen. Und für Einige unter uns bedeutet es nicht nur herrliche naturbelassene Strände etc., nein es bedeutet, dass wir von Tahiti ein Geschenk erhalten haben. Tahiti Kulturperlen. Gezüchtet wird nur in sauberen Gewässern und seit ich 1990 das erste Mal bei einer Auktion in Papeete eingeladen war, hat mich der Zauber dieser Vielfalt an Farben nie mehr losgelassen. Ich war zu dieser Zeit Präsidentin der Perlenkommission in der CIBJO und hatte das Glück, das Land kennen lernen zu dürfen und natürlich Herrn Martin Coeroli. Er war der

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Organisator für das Marketing und arbeitete unermüdlich daran, die Tahiti Kulturperle bekannt zu machen. Sein Konzept ging auf, in dem die Reichen und Schönen täglich in den Journalen zu sehen waren, mit den herrlichsten Ketten um den Hals. Auch die Männerwelt wurde da nicht ausgelassen. Etwas später begann man auch Schmuck zu zeigen und es dauerte nicht lange, bis die Idee geboren wurde, einen weltweiten Wettbewerb zu veranstalten. Ich war begeistert und habe die Idee mit nach Wien gebracht und dem Bundesgremium vorgestellt. Die Idee wurde angenommen und wir begannen an der Ersten Tahitian Pearl Trophy zu arbeiten. Unter dem Titel: „Eine göttlich schöne Kreation als Mittelpunkt eines neuen Schmucktrends“ wurden die Goldschmiede und der heimische Handel zu neuem kreativen Schaffen motiviert, im Zeichen der schwarzen „Tahiti Kulturperle“ Ausgewählte Kategorien: Set bestehend aus drei Stücke (Ring, Ohrschmuck, Hänger oder Mittelteil), Ring, Ohrschmuck, Hänger oder Mittelteil. Jurierung der Landespreisträger, Präsentation in Salzburg, Fachpublikum. Ich wurde als Botschafter der schwarzen Perle für Österreich eingesetzt und habe mit großer Freude festgestellt, dass ich meine Begeisterung weitergeben konnte. Unser erster Tahiti Perlen Wettbewerb 1999 hat alle Erwartungen übertroffen. Wir hatten 72 Anmeldungen aus allen Bundesländern. Wir erhielten die Bewertung aus Tahiti, dass Österreichische Goldschmiede hervorragende Stücke geschaffen haben, die Weltklasseniveau darstellen. Das Branchentreffen schlechthin war die Veranstaltung im Naturhistorischen Museum wo im Rahmen eines Gala-Abends die Österreichischen Sieger gekürt wurden. Tahiti hatte einmalige Preise zur Verfügung gestellt. Bundessieger Set: Reise nach Tahiti, alle Bundessieger waren eingeladen am internationalen Wettbewerb, der für Oktober 2000

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in Paris, vorgesehen war, teilzunehmen. Der Abend wurde mit einem gemütlichen Essen beendet und war ein großer Erfolg für alle Teilnehmer und Veranstalter. Alle Schmuckstücke konnten vom 23. bis 31. Oktober 99 im Museum bewundert werden. Jeder Teilnehmer erhielt eine Urkunde und nahm an der Wanderausstellung durch alle Bundesländer teil. Durch diese Maßnahme konnten viele Stücke verkauft werden. Im Jahr 2000 flogen alle Gewinner nach Paris. Die Einladung galt für einige Tage mit vollem Programm. Ein Buch mit dem Titel „Jewellers of 2000“ wurde weltweit präsentiert. Interneteintragungen. Am Galaabend waren alle Fernsehstationen dabei, so auch die „Seitenblicke“ für Österreich. Mit viel Geschick ist es mir gelungen, das Interesse auf die österreichischen Gewinner zu lenken und somit waren wir in Paris auf Sendung! Die prämierten Gewinnerstücke gingen auf eine Weltreise und wurden in Basel, Las Vegas, Hongkong, Paris und Tahiti gezeigt. Nach dem großen Erfolg war es eigentlich vorgegeben, dass Österreich auch weiter an der ausgeschriebenen 2. Tahitian Pearl Trophy teilnimmt. 2001 waren bereits 37 Länder nominiert. Das Interesse in Österreich war groß. Durch die Kammerreform war es der Bundeswirtschaftskammer nicht möglich, eine Durchführung anzubieten. Somit haben wir im Landesgremium Wien für den Einzelund Großhandel beschlossen, die Trophy für unsere Mitglieder bundesweit durchzuführen. Auch 2001-2002 war ein großer Erfolg. Wir konnten Frau Ingrid Wendel als Moderatorin gewinnen, sowie Prominente aus TV und Rundfunk für die Jury . Das Naturhistorische Museum hat uns die Vitrinen zur Verfügung gestellt und wir haben mit sehr geringen Kosten eine große Veranstaltung inszeniert. Neu war die sehr gelungene Einladung zum „Muschelessen“ mit dem das Fest ausklang. Die Schmuckstücke blieben wieder für einige Wochen im Museum. Die 10 vorgegebenen

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Kategorien ergaben bei der Verlautbarung in New York einen Österreichischen Sieger in der Kategorie Ringe! Das Interesse von Presse und TV war groß, daher haben wir folgende Information weitergegeben: „Im 18. Jahrhundert wurde der Pazifik und Tahiti von den Europäern entdeckt und damit kamen Schätze von unermesslichem Wert nach Europa. Unter den kostbarsten und seltensten Kleinodien waren große graue und schwarze Perlen, die bei Königen und Edelleuten höchste Begierden auslösten, weshalb Schiffe aller Nationen hiefür die Inselwelt Polynesiens durchkreuzten. In den Legenden der Insulaner heißt es, dass einst Gott Oro, der König des himmlischen Gewölbes, der Menschheit ein unbeschreiblich schönes, geradezu Göttinnen gleiches Geschenk machte, die Perle Tahitis. In den tiefen türkisen Gewässern der Polynesischen Lagunen entwickelten fortan die Königinnen der Perlen ihre perfekten Formen und Farben, königliche Schöpfungen für königliche Herrscher. Der Mensch aber folgte den Spuren der Göttlichen Gabe und begann, die Himmelsgeschenke zu kultivieren. Die kreativsten unter den Weltbewohnern verarbeiten die einzigartigen Kulturperlen zu einzigartigen

Schmuckstücken und erfreuen mit dem königlichen Erbe Oros fortan nicht mehr nur Edle und Herrscher.“ Dieser Text schmückte auch die Einladung zur 3. Tahitian Pearl Trophy 2003-2004, hier gab es wieder 10 Kategorien mit dem Thema „Wasser“ . Die Anforderungen an unsere Goldschmiede wurde, immer größer aber auch spannender. Wir hatten ja bereits einen sehr guten internationalen Start, und Österreich wurde als Schmuckland immer bekannter. Eigene Bücher über die Trophy wurden gedruckt und daher konnten alle Länder unsere Kreationen bewundern. Eine 4. Tahitian Pearl Trophy 2005-2006 mit dem Motto „Feuer unter dem Eis“ wurde bereits von den Goldschmieden erwartet, jeder freute sich, dass wir eine Chance hatten, international unser Können zu messen. Und tatsächlich es gelang wieder einem Teilnehmer, bei der Galanacht in Mailand 2006 einen Internationalen Platz zu erringen. Die 5. Tahitian Pearl Trophy 2007 – 2008 wurde unter dem Motto „The Song of the Stars“ ausgeschrieben, es gab 11 Kategorien. Die Durchführung war bereits Routine und trotzdem war es fantastisch zu sehen, welche Ideen hier zum Tragen kamen, mit wie viel Fantasie die Goldschmiede zu Werke gingen, um hervorragende Ergebnisse zu erzielen. Vielleicht ist es auch ganz interessant einmal eine Ziffer zu nennen, wie werbekräftig die Ausstellung im Naturhistorischen Museum für die Branche war. Die Besucherzahl: mehr als 51.000 Personen. Nach der Ausstellung wurden die Schmuckstücke nach Basel gebracht, um auch dort dem Fachpublikum gezeigt zu werden. Die Gala fand dann in Kobe statt. Und wieder gab es einen österreichischen Gewinner im internationalen Wettbewerb. Leider war das der letzte Wettbewerb und ich bedanke mich, dass ich 10 Jahre das Vertrauen hatte, diesen tollen Wettbewerb mitzugestalten. Einsendung Dr. Wolf Bialonczyk Foto: © Bialonczyk Werkstätte Robert Hittinger

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Schmuck

aus Österreich

und seine Vielfalt im Schmuckhandwerk

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om traditionellen Goldschmied zu 3D-gestützen Arbeiten. In Österreich sind alle Formen des Gold- und Silberschmiedehandwerks vertreten. Die Jahrhunderte des Handwerksberufs sind in der Formensprache der österreichischen Schmuckkunst erhalten geblieben und zeigen Formen, Stile und Umsetzungen der vergangenen und kommenden Jahre.

Wiener Ring W W W. W I E N E R R I N G . AT WIENER RING IN VERSCHIEDENEN AUSFÜHRUNGEN GEFERTIGT VON GOLDSCHMIEDE NIKL

Goldschmiede Nikl W W W. N I K L . AT BRILLANTRINGE IN UNTERSCHIEDLICHEN DESIGNS

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Stefan Graupe GOLD- UND SILBERSCHMIEDEMEISTER W W W. G R A U P E . AT R I N G A U S P L AT I N 9 5 0 / 0 0 0 M I T E I N E M S A P H I R V O N 1 , 8 2 C T.

Hans Holztrattner GOLDSCHMIED W W W. G O L D S C H M I E D . B I Z RING GEFERTIGT IN 18KT GELBGOLD GRÃœNER TURMALIN 1,63CT 10 DIAMANTEN 0,20CT EDELSTEINE SIND IN 1 8 K T W E I S S G O L D G E FA S S T

Wolfgang Hufnagl GOLD- UND SILBERSCHMIEDEMEISTER W W W. W H . C O . AT RING GEFERTIGT IN GELBGOLD 750/000 MIT KORALLE

Juwelier M W Fischer W W W. J U W E L I E R - M W- F I S C H E R . AT EIN BLUMENSTRAUSS AUS AMETHYST (3,81CT), M A N D A R I N G R A N AT ( 3 , 2 5 C T ) UND CHROMDIOPSID (1,69CT), GEBUNDEN MIT 18KT GELBGOLD UND DIAMANTEN

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Gabriela Breisach W W W. B R E I S A C H . C O . AT DAMENRING AUS GELBGOLD 585 FEIN, FA R B L O S E R U N D O R A N G E M O N D S T E I N , GRÜNE TURMALINE, AMETHYST

Goldschmiede Guggenberger W W W. G O L D S C H M I E D E . AT COLLIERSCHLIESSE, 750/000 GELBGOLD, SAPHIR, PRINCESS DIAMANTEN, ZUCHTPERLENKETTE, WECHSELBAR

Lena Zach W W W. Z A C H - D E S I G N . N E T MONTIERTER ANHÄNGER AUS SILBER 925, MIT HAMMERSCHLAG. IN DER MITTE EIN DREHBARER TURMALIN.

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Jarosinski & Vaugoin W W W. VA U G O I N . C O M KERZENLEUCHTER, ROSENMUSTER, SILBER 925/OOO, CA 1700 GRAMM, 33CM HOCH, HANDGESCHLAGEN, ZISELIERTER FUSS, 5-FLAMMIG,


Aigner Edelsteine und Perlen W W W. A I G N E R - E D E L S T E I N E . AT D I E K Ö N I G E D E R FA R B E D E L S T E I N E . E I N O VA L FA C E T T I E R T E R R U B I N 1 , 5 C T, Z W E I SMARAGDE, IM EMERALD-SCHLIFF 1,18 UND 1,83 CT UND EIN TROPFENFÖRMIGER SAPHIR IN BLAU MIT 1,51CT EDELSTEINE VON BLAU BIS ROSA. EIN IN TROPFENFORM GESCHLIFFENER T I E F WA S S E R B L A U E R A Q U A M A R I N M I T 2 , 5 C T, E I N V I O L L E T B L A U E R TA N S A N I T I N B A G U E T T E F O R M M I T EINEM SCHERENSCHLIFF MIT 2 CT UND EIN ROSA TURMLALIN IN O VA L E R F O R M M I T M E H R A L S 2 C T

Sieger bei der ersten Tahiti Pearl Trophy für NÖ Ring mit Tahitiperle, Brillanten, WNF 750/000

Feines Schmuckhandwerk EDWIN SURIN GOLDSCHMIEDEMEISTER FREISCHAFFEND BILDENDER KÜNSTLER – GEPRÜFTER E D E L S T E I N FA C H B E R AT E R 3 1 0 0 S T. P Ö LT E N W W W. S U R I N . AT

Der Goldschmiede SURIN ist es gelungen, zur ersten Adresse in Niederösterreich für erlesenen Schmuck zu werden. In angenehmer Atmosphäre werden handgefertigte Einzelstücke, die in Design und Qualität überzeugen, präsentiert. Seit mehr als fünzehn Jahren ist das Fachgeschäft für Schmuck aus der St. Pöltner Innenstadt nicht mehr wegzudenken. Kreativität, Qualität, Mut zu Neuem sowie die Pflege der klassischen Schmuckkunst haben den Charakter der Goldschmiede geprägt. Edwin Surin bemüht sich Tag für Tag, den unterschiedlichsten Kundenwünschen gerecht zu werden. Dies erfordert viel Einfühlungsvermögen. Gefertigt werden Kostbarkeiten aus Silber, Gold, Platin und anderen Materialien mit Edelsteinen jeder Art. Das Atelier mit loftartigem Charakter bietet einen integrierten Verkaufsraum, erlaubt Einblicke in die Werkstätte und Ausblicke auf das Gassenleben der St. Pöltner Innenstadt.

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Time & Style W W W. T I M E S T Y L E . AT

Der Meisterbetrieb Time & Style von Gerald Gröbner besteht seit 1992 und hat sich von jeher auf Sonderanfertigungen und Reparaturen für namhafte Juweliere in ganz Österreich sowie den Großhandel spezialisiert. Time & Style ist im Besitz eines 3-D-Plotters, der es mit Hilfe des 3D - CAD Zeichenprogramms „MATRIX“ ermöglicht, das Schmuckstück zu entwickeln und dann am Plotter ein präzises 3D - Wachsmodell in bester Oberflächenqualität zu erstellen. Durch die Nutzung der Modelle direkt im Wachsausschmelzverfahren ist es möglich, auf die Anforderungen des Marktes schnell zu

Juwelier Schullin ist ein Familienunternehmen im Schmuckbereich mit Sitz am Wiener Kohlmarkt. Der Schwerpunkt des Unternehmens liegt in Entwurf, Konzeption und Herstellung von feinen Juwelen. Gestalterisch wird die Firma von Herbert Schullin geleitet und von einem jungen, innovativen Designteam unterstützt, das ständig vor der Herausforderung steht, neue Entwürfe zu entwickeln. Unterdessen wird ein hoher Anspruch an die perfekte handwerkliche Erzeugung gelegt, die die Arbeit im Hause kennzeichnet. Firma Schullin ist weltweit tätig, um Rohkristalle sowie geschliffene Edelsteine zu verarbeiten und anbieten zu können. Das Juwelierhaus wurde mit dem Diamonds International Award, dem 1. Preis des Österreichischen Staatspreises für Schmuck und einem Honorable Mention des Red-dot Awards ausgezeichnet.

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reagieren. Die komplette Produktion erfolgt im Haus selbst, daher werden die Produktionszeiten relativ kurz gehalten und die Risiken des Postwegs, vor allem bei Reparaturen, minimiert. Gerald Gröbner selbst übernimmt gemeinsam mit dem Juwelier die Planung am Computer, bei dem das Endprodukt vorab bereits in Fotoqualität veranschaulicht und dann das Schmuckstück von ausgebildeten Goldschmieden gefertigt wird.

Schullin Wien W W W. S C H U L L I N . C O M


Trends ;-)

Jugendschmuck Schmuck und seine Bedeutung heute

I LENA ZACH, BA

Was bedeutet Schmuck für Dich? „Staus, Erbe, Erfolg.“ Patrik, 26 Schmuck ist ein „dehnbarer Begriff“, doch einige Schlagworte finden unter den Probanden häufiger Verwendung. Schmuck ist „Kommunikation“, er kann „die Beziehung zu einer bestimmten Person symbolisieren“, sei es ein „Erbstück“, „[...] ein Geschenk eines wichtigen Menschen“ oder auch „[...]ein Mitbringsel aus dem Urlaub“. „Schmuck schenkt man nicht jeden Tag und ist für mich ein Ausdruck der Zuneigung.“ Nina, 22 Schmuck sagt aber auch „in gewisser Weise etwas über die Persönlichkeit des Trägers aus“. „Stil, Mode, Selbstdarstellung“ Die „Bandbreite reicht von Statussymbol bis zum individuellem Styling“. Schmuck: „[…] trägt zum äußeren Erscheinungsbild bei und genauso wie, wenn ich gut gekleidet bin, fühle ich mich wohler in meiner

n den letzten Jahrhunderten ist viel passiert. Funktion und Wert von Schmuck haben sich verändert, das Angebot hat sich vergrößert. Vor allem in den jüngeren Generationen wird Schmuck am ganzen Körper getragen. Um ein Gefühl für das Schmuckverständnis der Jugend von heute zu bekommen, wurden Personen zwischen 18 und 30 zu diesem Thema befragt. Dies ist keine neue Schmuckdefinition, es ist viel mehr eine Darstellung des Schmuck- und Goldschmiedebegriffs 2016, in den Worten der Befragten.

Haut und es steigert mein Selbstbewusstsein“ Inka, 23 Was sagt Dir der Begriff Goldschmied? So manchem sagt der Begriff des Goldschmieds „Gar nichts.“ Andere schließen pragmatisch auf einen „Handwerksberuf“, doch manche haben einen vage Vorstellung von einem „handwerklich, künstlerischen Beruf“. „Ein Goldschmied verarbeitet Edelmetalle und Edelsteine“ und fertigt so „Schmuck und ähnlich feine Gegenstände“. „Ich weiß, dass es eine harte und wunderschöne Arbeit ist. Ich muss zugeben, wie viel man als Goldschmied verdient oder wie viel ein Schmuckstück eines Goldschmiedes kostet, weiß ich beispielsweise nicht. Aber ich habe zwei Mal einem Goldschmied beim Arbeiten zusehen dürfen und fand es sehr beeindruckend, wie geschickt und mit wieviel Konzentration und Liebe das Schmuckstück gefertigt wurde.“ Verena, 22

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Die befragten jungen Goldschmiede haben natürlich einen anderen Bezug zu diesem Begriff, […] mein Beruf und meine Leidenschaft“. Als Goldschmied arbeitet man mit „edlen und unedlen Metallen“, man muss „handwerklich sehr geschickt und begabt sein“. „Der Begriff Goldschmied bedeutet für mich ein sich in einem Jahrhunderte-alten Kunsthandwerk ständig weiterentwickelnder Künstler bzw. Handwerker, der sich mit den edelsten Materialien beschäftigt und immer versucht, das Beste daraus herzustellen.“ – Florian, 27 Welche Materialien bevorzugst Du im Schmuck? Bei dieser Frage hätten viele Ergebnisse ans Tageslicht gebracht werden können. Aber die befragten Probanden haben einen klare Tendenz zu Silber- und Goldschmuck. „Am liebsten trage ich antiken Silberschmuck, oft auch mit Edelsteinen versetzt.“ – Lena, 19 Viele betonten auch ihre Wertschätzung für Schmuckstücke mit „verarbeiteten Steinen“. Leder wird auch vermehrt genannt, hierbei auch in einer „Leder-Edelmetall Kombination“. Nur wenige Liebhaber nannten „Stoff“ als bevorzugtes Material. Kunststoff hingegen wurde nie genannt, aber zweimal konkret verneint. Wie lange tragst Du ein Schmuckstück? Tauscht Du den Schmuck mit der Kleidung? Gehst Du mit der Mode – Modeschmuck? Die Tragegewohnheiten von Schmuck gehen stark auseinander. Einige betonen „Ich trage keinen Schmuck.“, andere tragen Schmuck jeden Tag. Hier treffen Aussagen wie „Ich tausche meinen Schmuck mit meiner Kleidung“ und „Ich trage fast immer

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den selben Schmuck“ aufeinander. Modeschmuck spielt nur eine kleine Rolle, von einigen wenigen wird er getragen, aber die meisten betonen, selbst wenn sie einen besitzen, diesen nie zu tragen. „Modeschmuck ist wie gefälschte Markenkleidung, […] gewollt und nicht gekonnt.“ Lucas, 26 Diejenigen, die ihren Schmuck aktiv tauschen, tun dies entweder zu besonderen Anlässen oder täglich zur Mode. Oft werden die Schmuckstücke mit großer Sorgfalt gewählt „[...] mit ein bisschen Fantasie findet man in der eigenen Schmuckschatulle immer etwas Geeignetes.“. Hast Du ein Lieblingsschmuckstück , welches schon länger getragen wird? „Ich besitze mehrere Lieblingsschmuckstücke, die ich gerne bzw. länger trage.“ Pia-Maria, 20 Nicht alle Befragten können ein konkretes Lieblingsschmuckstück benennen. Einige besitzen gar keines, unter anderem, weil sie Schmuck als Accessoire ohne persönlichen Bezug tragen. Eines lässt sich aber klar herauszeichnen. Kann ein Lieblingsschmuckstück genannt werden, verbindet der Besitzer etwas damit. Es hängen Erinnerungen daran, oder es ist ein Erbstück, es besteht ein persönlicher Bezug, da es zum Beispiel „[...] ein Geburtstagsgeschenk von meinem Freund“ war. Auch andere Geschenke „von meiner Familie zur bestandenen Reifeprüfung“ werden von den Probanden täglich getragen. Das Lieblingsschmuckstück kann auch mit einem Glauben verbunden werden, ein Proband trägt „[...] einen Silberring als Glücksbringer“. „Die Kette meiner Großmutter. Sie ist aus Gelbgold, zart und sehr schlicht. Ich trage sie eigentlich ununterbrochen.“ Leonie, 21

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Halder´sche Werkstatt Jagd ist unsere Passion K AT H A R I N A U N D H U B E R TA S T U R Z E I S W W W. H A L D E R . AT

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chauen Sie doch zum Halder! heißt es in Wien seit mittlerweile über 120 Jahren immer dann, wenn es um Jagdund Trachtenschmuck geht. Denn bereits Franz Josef Halder, der 1895 ein Geschäft am Wiener Michaelerplatz eröffnete, machte sich schnell einen Namen als Spezialist für Goldund Silberarbeiten „rund um die Jagd“. Das berühmteste Stück aus der Halder´schen Werkstatt ist eine der Phantasie entsprungene, mythologische Jagdsau, die – ausgestattet mit Reh- und Hirschstange, Gamskrickerl und Blattschuss – den Jägerwunsch „Weidmannsheil!“ symbolisiert. Heute wie vor 120 Jahren ist Halder der Spezialist für den Jagdbereich, der das Knowhow für das Fassen auch außergewöhnlicher Trophäen besitzt. Doch wer der Tradition treu bleibt, muss der Mode und dem Chic keinesfalls abschwören. Deshalb stehen die neuen jagdlichen Schmuckstücke aus dem Hause Halder auch unter dem Motto des „sowohl als auch“.

Weil wir finden, dass sich die Bewahrung von Stil und Werten ganz fabelhaft mit neuem, frischem Schwung versteht und ergänzt. So begreifen wir uns als Zwei-Generationen-Team und auch unsere kreative Zusammenarbeit im Dienste unserer Kundschaft. Die Jagd ist so alt wie die Menschheit und dennoch immer neu mit jedem Morgen, den man mit der Freude beginnt, dem Weidwerk zu frönen. In diesem Sinn wünschen wir Ihnen viele schöne Entdeckungen auf der Jagd nach neuen Trophäen aus dem Hause Halder und freuen uns auf Ihren Besuch in der Reitschulgasse 4 oder auf www.halder.at.

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JAGDschmuck

K AT H A R I N A S T U R Z E I S

ist so alt wie die Menschheit

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eit Beginn der Menschheit wurden Felle und Knochen nicht nur zur Bekleidung, als Werkzeug und als Waffen genutzt, sondern auch als Schmuck verwendet und getragen. Der Schmuck selbst hat seinen eigentlichen Ursprung in der jagdlichen Trophäe. Er war entweder ein Statussymbol oder wurde auch aus magisch- religiösen Gründen genutzt. Die ältesten Fundstücke sind mit 115.000 v. Chr. datiert. Weltweit hat man entsprechende Artefakte in Niederösterreich, in Baden- Württemberg und auch bei Moskau gefunden. Sie alle zeigen uns heute die historische Bedeutung von Trophäen als Jagdschmuck auf. Der magisch- religiöse Hintergrund findet seine Erklärung in der Kraftübertragung vom erleg-

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ten Wild auf den Jäger und in der Versöhnung der Beute mit dem Erleger. Aus den Trophäen wurde der Schmuck sorgfältig herausgearbeitet und in der Folge als Kette oder als Amulett getragen, um die Fähigkeiten des erlegten Tieres auf den Träger zu übertragen und diesen vor Krankheiten zu schützen oder von Krankheiten zu heilen. Die erste künstlerische und handwerkliche Hochblüte des Jagdschmucks hat sich im Mittelalter entwickelt. Die prunkvollen Hofjagden - wie wir sie von Beschreibungen, Gemälden und Stichen kennen – haben entsprechende Kleidung, Schmuck, Tafelsilber und Geschirr erfordert. Dieser heute als traditionell geltende Jagdschmuck kann anhand seiner Machart und der verarbeiteten Trophäen sehr

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genau regional zugeordnet werden. Mitte des 19.Jahrhunderts ist es zu einer Renaissance der Hof- und Gesellschaftsjagden und den damit verbundenen Attributen gekommen. Mit dem 1849 von Kaiser Franz Josef erlassenen Jagdgesetz wurde auch der Zugang des Bürgertums zur Jagd geregelt. Gesellschaftlich hat natürlich immer noch der Hof die jagdliche Mode und Etikette geprägt, vor allem der Kaiser selbst und sein Onkel Erzherzog Johann. In dieser Zeit ist es zu den Gründungen von Juwelierbetrieben gekommen, die sich in erster Linie mit der Herstellung von Jagdschmuck beschäftigten, und damit auch Berühmtheit erlangten. Um 1900 hat sich nicht nur die politische und gesellschaftspolitische Landschaft verändert. Die Einflüsse des Jugendstils und seiner Grundidee, die Kunst zu reproduzieren, haben gleichzeitig auch neue und interessante Kollektionen im Bereich des Jagdschmucks möglich gemacht. Kaum einer der traditionsreichen Betriebe überlebte den zweiten Weltkrieg. Erst in den

1950er Jahren hat man sich wieder an die alten Traditionen und ihrer Schönheit erinnert. Eine leise Renaissance des Jagdschmucks hat damit begonnen - hier und dort hat man noch einen Meister, der über entsprechendes, handwerkliches Können verfügte, gefunden. Allerdings war viel von künstlerischen Entwürfen und dem entsprechenden Wissen um die Trophäenbehandlung verloren gegangen Modern und sportlich zugleich kann der Jagdschmuck den Anforderungen unseres heutigen Lebens entsprechen. Er ist hervorragend für die verschiedensten Gelegenheiten geeignet. Die uns aus der Natur so reichhaltig gegebenen Schönheiten der Trophäen zu nutzen, ist den Herstellern - im Sinne einer nachhaltigen Verwendung - ein besonderes Anliegen. Und was gibt es Schöneres, als sich beim Betrachten seines Hutes, seiner Manschettenknöpfe oder des angelegten Schmucks an eine reizvolle Pirsch oder ein besonderes Weidmannsheil zu erinnern?

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Der Spirit der Meistergoldschmiede Die beiden Spezialistinnen für das Schöne! W W W. G O L D S C H M I E D E - S C H E R Z E R . AT

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eit 8 Jahren arbeiten in dem 1997 gegründeten Unternehmen zwei Generationen Hand in Hand und ziehen erfolgreich an einem Strang. Petra und Regina Scherzer sind Tochter und Mutter, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Ihre Leidenschaft für individuelle Schmuckstücke und glückliche Kunden zu leben. Den Umarbeitungen und Anfertigungen wird sehr viel Raum gegeben, die Kunden schätzen nicht nur die Meisterschmiede sondern auch den Zugriff auf eine große Edelsteinsammlung, die in vielen Jahren auf vielen Messen in der ganzen Welt zusammengetragen wurde, in der auch viele Raritäten und Sonderschliffe beinhaltet sind. Außergewöhnliche Schmuckwünsche der Kunden können so mit ausgefallenen Edelsteinen und Schliffen zur Einzigartigkeit entstehen. Wenn man im traditionsreichen Weinort Perchtoldsdorf die Goldschmiede im Zentrum betritt, spürt man sogleich, welcher Geist hier weht, Obwohl das Geschäft schon 20 Jahre alt ist strahlt es eine Klarheit aus, als ob es gestern

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erst eröffnet wurde, zeitlos wirken Edelstahl und Glas und geben den bunten Farben der Edelsteine in den ausgestellten Schmuckunikaten den geeigneten Rahmen. Neben der Leidenschaft für modernen Schmuck widmen sich die Beiden auch traditionellem Brauchtumsschmuck. Mit der Serie „Spirit of Perchtoldsdorf“ wurde eigens auf und für den Ort eine eigene Schmucklinie entwickelt und sorgt seit 5 Jahren für reges Interesse an der stetig wachsenden Kollektion. Und weil doch aller guten Dinge drei sind, gibt es noch den Bereich Jagdschmuck. Die Idee und daraus folgend das Konzept für Jagdschmuck ist und war, einzigartige Jagdschmuck Unikate zu schaffen, welche fernab von althergebrachten Mustern und Motiven einem Jäger die Möglichkeit geben, seine Trophäen zu verarbeiten und gleichzeitig ein Schmuckstück zu besitzen, welches modern, zeitlos, noch nie da gewesen und ebenfalls von Nichtjägern oder Trachtenliebhabern bewundert wird.

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Das WIENER GOLDSCHMIEDELIED von Meister Johann SADLER, Wien 6, Dürergasse (Jahr der Entstehung unbekannt) Melodie: nach dem „Fiakerlied“ von Gustav Pick.

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bin a alter Goldschmied, fast 67 Jahr sitz i auf meinem Stockerl und s‘is no lang net gar. Tuat a mei Alte brummen, sagt g‘arbeit hast schon gnua. sitz trotzdem i am andern Tag beim Brett in aller Fruah. Da wird dann bohrt und g‘hämmert, geschmiedet, g‘löt und g‘feilt, denn wenn man net recht fleißig ist, auf d‘Arbeit vielleicht ganz vergißt, wird aus dem was wir machen nichts Ordentliches draus und die Kundschaft sagert dann mit Recht a so a Arbeit ist a Graus. Das aber laß i mir net sagn, und tua mi lieber plagn. Denn i bin hat a Goldschmied und an echtes Weaner Kind, a Master, so wia man net viele mehr findt, i mach aus an alten Schmuck an schön‘ neuen draus, denn in der Arbeit da kenn‘ i mi aus.

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rad so wia der Cellini mach i alls mit der Hand, bei mir gibts nix Gepreßtes, das wär für mi a Schand; ob Blatterln, Kugerln, Schienen, wird alls bei mir montiert, wann i dazua a länger brauch, das hat mi no nie geniert. Und so wia i‘s hab g‘halten, die ganze lange Zeit, so wia dabei i weiter bleibn, mit der Arbeit mir die Zeit vertreibn, bis daß amal der Herrgott zu mir sagt: mach an End und laß amal die Arbeit ruhn, laß ausruhn Augn und Händ. Und wanns mi amal aussitragn will i daß alle Leut von mir sagn: Er war halt Goldschmied und an echtes Weaner Kind, a Master, so wia man net viele mehr findt, er hat in seinem Leben gearbeit gwiß gnua, Gott schenk ihm jetzt die ewige Ruah.

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Innung der Wiener Rauchfangkehrer KOMMR. JOSEF REJMAR

Wir gratulieren zum glänzenden Jubiläum! In 650 Jahren haben die Wiener Gold- und Silberschmiede bewiesen, dass feines Kunsthandwerk immer einen Platz in den Herzen der Wiener haben wird. Sie haben gezeigt, wie man seinem Handwerk treu bleibt, indem man offen auf moderne Entwicklungen zugeht. Währenddessen haben sich die Rauchfangkehrer zu Experten für Sicherheits- und Umweltfragen entwickelt. Das verbindet die beiden Gewerbe: Die Überzeugung, dass Tradition nur dann erhalten bleiben kann, wenn man keine Angst vor Veränderung hat. Der feste Glaube an Werte und der Stolz, dass diese in jeder Zeit Bestand haben. Die Sicherheit, dass wir unser Wissen an jene weitergeben, deren Herz genauso stark für unser Handwerk schlägt wie unser eigenes. Wir wünschen Euch für die Zukunft das Allerbeste!

Fachgruppe Wien der gewerblichen und persönlichen Dienstleister Herzliche Gratulation zum Jubiläum! Seit 650 Jahre zeigen die Wiener Gold- und Silberschmiede, dass echtes (Kunst-)Handwerk ein fixer Bestandteil des Wiener Gewerbes ist. Die Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister freut sich ganz besonders zum Jubiläum gratulieren zu dürfen, da uns eine gemeinsame Vergangenheit in der ehemaligen allgemeinen Gruppe des Gewerbes verbindet. Wie auch die gewerblichen Dienstleister haben die Gold- und Silberschmiede bewiesen, dass Veränderungen und ein Mitgehen mit der Zeit nicht im Widerspruch dazu stehen, Traditionen zu leben und zu bewahren. Die gewerblichen Dienstleister wünschen alles Gute für die weitere Zukunft und freuen sich bereits auf eines der nächsten Jubiläen!

Landesinnung Bau Wien

Ein Handwerk mit goldenem Boden – im wahrsten Sinn des Wortes – mit Geschichte und Kreativität, dies alles ist im traditionsreichen Beruf Gold- und Silberschmied vereint. So wie der Mensch seit Jahrtausenden das Bedürfnis hat sich ein „Haus“ zu bauen zum Schutz gegen Feinde, Wind und Wetter, aber auch um Macht und Reichtum zu demonstrieren, so liegt es ebenfalls in der Natur des Menschen sich zu schmücken. Das Kunsthandwerk der Gold- und Silberschmiede kann auf eine glorreiche Vergangenheit von 650 Jahren als Zunft, Gilde und nunmehr als Innung zurückblicken und be-

müht sich tatkräftig um den Fortbestand und die Vermittlung des jahrhundertalte Wissens, verknüpft mit der Technik von heute für die Anforderungen von morgen. So wie der Baumeister prachtvolle Kulturgüter errichtet, so fertigt der Gold- und Silberschmied Schmuckund Kunstgegenstände von zeitlosem und unvergänglichem Wert. Beides Handwerke, die seit Jahrtausenden bestehen und hoffentlich noch lange unsere Kultur und Werte an die nächsten Generationen weitergeben und dabei Kreativität und Innovation fördern. Die Landesinnung Bau Wien gratuliert herzlich zu diesem besonderen Jubiläum.

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Metalldesigner KUNSTGIESSEREI SCHLÄGL

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er Begriff Metalldesigner bezeichnet eine Gruppe von Berufen, die früher unter den Innungen der Gießer, Metalldrücker, Gürtler, Graveure und Flexografen bekannt waren. Unsere Berufe ähneln in vielen Dingen dem der Gold-und Silberschmiede. Was uns in jedem Falle verbindet ist die Freude an unseren Berufen, die Flexibilität im Umgang mit unseren Kunden und die Liebe zum Detail in unseren Werken. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass wir in den 80er Jahren dieselbe Schulbank gedrückt haben – die legendäre Sonnenuhrgasse im 6. Wiener Gemeindebezirk. Dieses gemeinsame Lernen und unterrichtet werden hat schon damals die Überschneidungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer differenzierten Ausbildung gezeigt. Es gab aber auch im schulischen Bereich überschneidende Projekte, die die Lehrerschaft um Professor Leopold Rössler stets gefördert hat. Allein die Bezeichnung der Klassen - gügogra - Gürtler-Goldschmied-Graveur ist mir noch immer in Erinnerung. Durch die Neuorganisation der Fachgruppen in der Wirtschaftsammer Österreichs endete auch unsere gemeinsame Innungsbürozeit, die Goldschmiede sind seither in der Gruppe der Kunsthandwerke und wir Metalldesigner kamen mit den Galvaniseuren und Schlossern zusammen und sind seither in der Gruppe der Metalltechniker. Das hat uns bislang aber nicht aufgehalten, trotzdem gemeinsam tätig zu sein.

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Landesinnung Wien der Tischler und Holzgestalter K O M M R J O H A N N B U R G S TA L L E R LANDESINNUNGSMEISTER MAG. GEORG LINTNER LANDESINNUNGSGESCHÄFTSFÜHRER

650 Jahre und kein bisschen leise! Solch ein Jubiläum muss man gebührend feiern. Tradition gehört gepflegt, aber immer auch erneuert. Auch wir Tischler durften im Jahr 2008 die 600-Jahr-Feier begehen. Wir sind zwar ein bisschen jünger, aber haben so wie Ihr, liebe Gold- und Silberschmiede, etwas Patina angesetzt. Doch diese Patina darf ruhig zum Glänzen gebracht werden. Das Handwerk wird in unserer schnelllebigen Zeit viel zu wenig wahrgenommen, auch wenn sich viele der grundsätzlichen Bedeutung unserer Tätigkeit bewusst sind. Wir Tischler Wien wünschen Ihren Wiener Kollegen von den Goldund Silberschmieden einen schönen Festakt am 21. Oktober und noch viel Öffentlichkeitswirkung!

Fachvertretung Wien der Kunststoffverarbeiter KOMMR HANS PRIHODA LANDESINNUNGSMEISTER MAG. GEORG LINTNER LANDESINNUNGSGESCHÄFTSFÜHRER

Ehre, wem Ehre gebührt! Ehre, wem Ehre gebührt! Wir als recht junge Branche, unser Werkstoff wurde in seinen Anfängen erst am Ende des 19. Jahrhunderts erfunden, schauen gerne auf zu Branchen auf, die schon viele Hoch und Tiefs erlebt haben und trotzdem in Wahrheit als Berufsstand noch immer hoch geachtet sind. Wir wünschen Euch in Zeiten des globalen Wettbewerbs viel Erfolg, glauben an Euch und euer nachhaltiges Konzept, dass sich Schmuck aus Österreich vermarkten lässt.

Landesinnung Wien der chemischen Gewerbe KOMMR DR. VEIT NITSCHE LANDESINNUNGSMEISTER

Wer viel arbeitet, soll auch viel feiern. Wer viel arbeitet, soll auch viel feiern. Das sehen auch wir vom Wiener chemischen Gewerbe so. Erst vor 4 Jahren, im Jahr 2012, haben wir 80 Jahre chemische Innung gefeiert. Es ist nicht lange her, dass sich unsere vielfältigen Branchen – insbesondere Arzneimittelherstellung, Erzeugung von Kosmetika, Schädlingsbekämpfung oder das chemische Laboratorium – entwickelt haben. Umso mehr freut es uns, dass Ihr so ein schönes altes Jubiläum feiert. Ohne Chemie gibt es kein Leben, aber ohne Gold und Silber keinen Schmuck. Und was wäre das Leben ohne Schmuck? Wir wünschen Euch ein schönes Feierjahr!

MAG. GEORG LINTNER LANDESINNUNGSGESCHÄFTSFÜHRER

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Landesinnung Wien der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger KOMMR GERHARD KOMAREK LANDESINNUNGSMEISTER MAG. GEORG LINTNER LANDESINNUNGSGESCHÄFTSFÜHRER

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icht alles, was Gold ist, glänzt! Auch unsere Oberflächen glänzen, wenn diese sachgemäß und professionell gereinigt wurden. So unterschiedlich unsere Branchen sind, eines eint uns doch: Das Unwissen, wer wir jeweilig sind! Bei uns ist es das Vorurteil „Putzen kann ja jeder“ , und dass es sich – im schlimmsten Fall – abwertend betrachtet – um eine hausfrauliche Leistung handelt, das den Blick auf unsere heute hochmoderne und technologisch noch immer auf der Überholspur befindliche Branche gehörig verstellt. So ist es bei Euch das Vorurteil, wer Gold verarbeitet, muss reich sein. Das ist aber nicht so. Gold ist zwar teuer und derzeit auf dem Weg zur Unerschwinglichkeit, aber Eure Arbeit ist es nicht, daher bleibt Euch oft auch nicht mehr übrig als vielen anderen Handwerkern. Was uns noch eint, ist der Wille, einer möglichst breiten Interessentenschicht die Aus- und Weiterbildung in unseren Berufen angedeihen zu lassen. Da haben sich im Dunstkreis unserer Innungen mit dem Forum Goldschmiede und unserer Gebäudereinigungsakademie zwei Institutionen entwickelt, die sich das Heben des Ausbildungsniveaus auf ihre Fahne geheftet haben. Wer ausbildet, wird die Branche erhalten – in diesem Sinne wünschen wir Euch alles Gute für die nächsten 650 Jahre!

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Punzierung einst und heute GABRIELA BREISACH

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ie Regelungen betreffend die Herstellung, den Vertrieb und die Punzierung von Gold- und Silberschmiedearbeiten erschienen in den meisten europäischen Ländern im 13. Jahrhundert, manchmal sogar schon früher. Die gesetzlichen Grundlagen über den Feingehalt der Edelmetall-Legierungen und die Kennzeichnung des Feingehalts auf dem Edelmetallobjekt beruhen auf den vom jeweiligen Regenten, einer Stadtverwaltung oder einer Innung erlassenen Zunftordnungen und Rechtsbriefen bzw. auf den staatlichen Punzierungsgesetzen der Neuzeit. Genossenschaftliche Beschauzeichen und staatliche Amtszeichen Beide sind eingeschlagene Stempel (Punzen), die bestätigen, dass das Stück „beschaut“ (untersucht) wurde und den vorgeschriebenen Feingehalt besitzt. Der Unterschied ist nur der, dass das Amtszeichen durch staatliche Organe (Mitarbeiter des Punzierungsamtes), welche die Beschau vorgenommen haben, eingeschlagen wurde, wohingegen die eingeschlagene Punze dann als Beschauzeichen bezeichnet wird, wenn die

Überprüfung und Stempelung durch städtische oder genossenschaftliche Funktionäre erfolgt ist. Die Beglaubigung, ob der Gegenstand den geltenden Feingehaltsbestimmungen entsprach, wurde bald nach dem Mittelalter vertrauenswürdigen und sachkundigen Männern aus der Zunft der Gold- und Silberschmiede übertragen. Die Vorschriften über den Anteil an Edelmetall in der Legierung sowie darüber, wer über die Einhaltung dieser Vorschriften zu wachen hatte, finden sich bereits in den ältesten Zunftordnungen, wie jener der Gold- und Silberschmiede von 1366. Punzen Bis zum Jahr 1744, als die Existenz eines Goldzeichenmeisters bzw. einer von diesem gebrauchten Goldpunze nachweisbar war, gab es keine offiziellen Punzen für Goldwaren. Die ersten staatlichen Goldpunzen gehen auf das Punzierungspatent von Kaiserin Maria Theresia 1774 zurück, während auf die ersten Silberpunzen als „Probpunzen“ bereits in einem Zechbuch von 1369 hingewiesen wurde. Das Wiener Kreuzschild mit dem darüber stehenden W ist als älteste Wiener Silberpunze aus dem Jahr 1524 auf einer Monstranz von Erhart Eferdinger überliefert. Die Form dieser Punze wurde mit Abänderungen bis ins 18. Jh. beibehalten und ist als 13löthige oder 15löthige „Radelpunze“ berühmt geworden. Andere sehr bekannte Punzenbilder zeigen den Kopf der Göttin Diana mit einer Mondsichel („Dianakopfpunze“), der auf Silberwaren des Jugendstils zu finden ist, oder den besonders häufig vorkommenden „Fuchskopf“ für 580/000 feines Gold, der von 1867 bis 1922 in Verwendung war.

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Meisterzeichen und Firmenpunzen Das Meisterzeichen wurde seit alters her mit unterschiedlichen Umrahmungen durch die Anfangsbuchstaben des Vor- und Nachnamens gebildet, wobei der erste Buchstabe immer der des Vornamens ist. Im 18. Jh. gab es eine Reihe von Meisterpunzen, die aus drei Buchstaben bestanden, die ersten beiden markierten die jeweiligen Vornamen. Andere Punzen mit drei Buchstaben gaben in der ersten Zeile den Anfangsbuchstaben des Herstellungsortes an, während die Initialen des Meisters in der zweiten Zeile zu finden waren. Firmenzeichen sind frei erfundene Darstellungen, die oft dem „Markenzeichen“ der Werkstätte entsprechen. Sonderpunzen Zu dieser Kategorie zählen vor allem die Edelmetallpunzen aus den Jahren 1806 bis 1824. Im Manifest von Kaiser Franz II. (I.) wird eine Taxe auf das „unter allen Klassen stark angehäufte Gold- und Silbergerät“ beschlossen. Aber nicht nur Gold- und Silberschmiede und Händler sondern auch Private mussten ihre Edelmetallgegenstände nachpunzieren lassen und in Konventionsgeld nachversteuern. Das so genannte „Repunzierungszeichen“ galt bis 1810 als Empfangsbestätigung für die entrichtete Steuer und wurde danach vom „Taxfrei-Stempel“ abgelöst. 1809 erhielt die Wiener Goldschmiedegenossenschaft einen positiven Bescheid auf ihr Gesuch, ihre Warenvorräte erst bei erfolgtem Verkauf repunzieren zu lassen. Die in den Verkaufsräumen ausgestellten Waren erhielten daraufhin unentgeltlich einen eigenen „Vorratsstempel“. Die durch die napoleonischen Kriege hervorgerufene Staatsverschuldung konnte aber auch durch diese Maßnahmen nicht behoben werden, daher wurden ab 1809 fast alle Silbergeräte eingezogen, es sei denn der Eigentümer konnte den ganzen Metallwert bezahlen. In diesem Fall wurde eine „Befreiungspunze“ eingeschlagen. Von 1867-1872 befand sich neben der Amtspunze auch das

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so genannte „Kontrollamtszeichen“ in Form eines Buchstabens zur Kennzeichnung der städtischen Punzierungsämter. 1872 wurde durch einen Finanz-Ministerial-Erlaß angeordnet, dass der Buchstabe innerhalb der Umrahmung gegenüber der Feingehaltsziffer angebracht werden musste. Punzierungsämter Die erste versuchsweise Errichtung eines Punzierungsamtes in Wien geht auf das Jahr 1783 zurück. 1784 wurde der Silberschmied Karl Lutzenberger mit der Leitung des k. k. Punzierungsamtes betraut und versuchte, die obligatorische Punzierung auch in den anderen Kronländern durchzusetzen. Abgesehen von den Jahren 1790-1806, in denen das Hauptmünzamt für die Kontrolle zuständig war, erfolgte die Feingehaltskontrolle bis 2001 durch die Punzierungssämter und Punzierungsstätten. In diesem Jahr wurden diese Ämter durch Finanzminister Karlheinz Grasser, der damit einem Wunsch vieler österreichischer Goldschmiede und Juweliere nach Selbstverantwortung und Aufhebung der staatlichen Punzierungskontrolle nachkam, aufgelöst. Anlässlich des 650jährigen Jubiläums der Goldschmiede kann man diese Entscheidung nur bedauern, da der seriöse Juwelenhandel seither durch unkontrollierte Importe von Edelmetallwaren unterminiert wird und zukünftige Sachverständige bei Schätzungen auf weitaus teurere Feingehalts-Analysen zurückgreifen müssen. Die Gold- und Silberschmiedemeister trifft es nicht wirklich. Sie haften wie in alten Zeiten mit ihrer Erzeugerpunze und ihrem Namen für den gesetzlich vorgeschriebenen Feingehalt ihrer Erzeugnisse und gewinnen dadurch das Vertrauen ihrer Kunden.

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650 Jahre

Goldschmiede, ein stolzes Jubiläum GEDANKEN DER INNUNGSMEISTER DER GOLD- UND SILBERSCHMIEDE ZU UNSEREM JUBILÄUM

Matthias Praeg, Innungsmeister Vorarlberg Unsere Zunft, 650 Jahre nach der ersten Nennung in Österreich, lässt auf eine markante Entwicklung zurückblicken. Früher waren die Gold- und Silberschmiede mehr den Adeligen und dem Klerus unterstellt, für die sie nach Anweisungen arbeiteten. Heute entwerfen und fertigen kreative Köpfe nach eigenen Ideen Schmuckstücke für alle, die Freude am Schmücken haben. Damals diente der Schmuck in erster Linie als Statussymbol. Heute ist er Ausdruck von Persönlichkeit, Individualität, Liebe und Dankbarkeit. Die Techniken zur Schmuckherstellung haben sich seit damals in großem Maße geändert. Mithilfe von CAD-Technik und 3D-Druckern ist heute fast jede Idee umsetzbar. Dennoch erlaubt es die hochwertige Ausbildung auch mittels alter Techniken, traditionelles Handwerk mit modernstem Schmuckdesign zu verbinden. Auch die Zukunft unseres schönen Handwerks ist gesichert, denn Schmuck wurde gefertigt und getragen seit Beginn der Menschheit, und solange es diese gibt, wird das Verlangen und die Lust Schmuck zu besitzen und zu tragen, bestehen bleiben. Georg Wiesauer Berufsgruppensprecher Steiermark Gold fasziniert die Menschen seit tausenden von Jahren. Bereits die alten Ägypter bauten Gold ab, da sie glaubten, dieses repräsentiere

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das Fleisch des Sonnengottes Ra und stünde damit für das ewige Leben. In den meisten Kulturen und Religionen wurden zur Verehrung der Gottheiten kultische Geräte und Gefäße aus Edelmetallen gefertigt. Mit dem Wunsch der Mächtigen, ihre besondere Stellung gegenüber anderen sichtbar zu machen, ließen sie Schmuck prunkvolle Gegenstände aus Gold und Silber fertigen. So wurden Kunsthandwerker benötigt, der Beruf des Gold- und Silberschmiedes war geboren. Mit der Zunahme des Volkswohlstandes öffnete sich dann für die Goldschmiede neben den Kirchen, Fürsten- und Königshäusern ein großer bürgerlicher Kundenkreis. In Wien haben sich die Herzogsbrüder Albrecht III. und Leopold III. im Jahre 1366 mit Zunftproblemen befasst und in einem Brief Meisterrecht und Zunftordnung vorgeschrieben. Wir möchten gerne allen Gold- und Silberschmieden zu diesem runden Geburtstag recht herzlich gratulieren. Christian Oucherif Landesinnungsmeister Oberösterreich Ein Jubiläum bietet immer die Gelegenheit zur Rückschau auf Vergangenes. Die heutigen Innungen entwickelten sich ca. ab 1.800 aus den seit dem Mittelalter existierenden Zünften. Bereits diese regelten in eigenen Zunftordnungen, Ausbildung, Umfang und Zulassung zum Handwerk, aber auch die soziale Absicherung. Im Jahr 1952 wurden die Innungen im Wirtschaftskammergesetz verankert und sind für die interessenspolitische Vertretung ihrer Mitglieder in Branchenfragen zuständig. Waren die Gold- und Silberschmiede bis 2010 eine eigenständige Fachorganisation, so bilden wir nun gemeinsam mit den Buchbindern, den Musikinstrumentenerzeugern

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und den Erzeugern kunstgewerblicher Gegenstände die Innung der Kunsthandwerke. In Oberösterreich haben wir derzeit einen aktiven Mitgliederstand von ca. 1.100, davon 94 Gold- und Silberschmiede. Mir persönlich gefällt der Innungsname „Kunsthandwerke“ speziell für den Goldschmiedebereich, sehr gut, denn es sind oft wirkliche Kunstwerke, die wir mit unseren Händen und unserer Kreativität erschaffen. Ganz egal was die Zukunft im Bereich der gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber auch der fortschreitenden Digitalisierung in Produktion und Vertrieb mit sich bringen mag, eines ist und bleibt unverändert. Wir Gold- und Silberschmiede entwerfen und kreieren hochwertige und individuelle Schmuckstücke, die von bleibendem Wert sind und oftmals über viele Generationen Freude bereiten. Dazu wünsche ich weiterhin alles Gute, viel Freude, Kreativität und Kunden, die unsere Handwerkskunst zu schätzen wissen. Peter Pfötscher Landesinnungsmeister Tirol Wer schon einmal in der Natur nach außergewöhnlichen Formen, Farben, Strukturen oder sonstigen Besonderheiten gesucht hat, versteht, was ein Schatz ist. Einmalig, besonders und aus diesem Grund schon seit jeher für den Menschen begehrenswert und kostbar. So ist es nicht verwunderlich, dass sich daraus verschiedene Berufe entwickelt haben. Schon in Ägypten waren die Goldschmiede höchst angesehene Handwerker mit großem Einfluss. Mit der Industrialisierung im 18. Jahrhundert wurde dann auch für den Bürger der Zugang zu edlen Materialien möglich. Seither ist der Goldschmied auch für den privaten Kunden Ansprechpartner Nummer eins. Die Abfolgen der verschiedenen Stile und Epochen sind eindrückliche Dokumente menschlicher Schaffenskraft und Kreativität. Damals wie heute


steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen, besonderen Ereignissen und Daten in seinem Leben mit kostbaren, ansonsten zweckfreien schönen Dingen, im Mittelpunkt. Wer einmal gesehen hat, mit welcher Freude Menschen auf etwas nur für sie Gemachtes, Schönes, Kostbares, Identität-Stiftendes reagieren, weiß, warum es den Goldschmied gibt. Viel Wissen und Können gilt es zu erwerben und viel Einfühlungsvermögen zu entwickeln. Ausgelernt ist der Goldschmied dennoch nie, denn kaum ist etwas erarbeitet, gibt es schon wieder eine neue Herausforderung in Form von neuen Ideen, Einsichten oder neuen Werkzeugen. Und so können wir den Goldund Silberschmieden zu ihrem 650 Jahre-Jubiläum nur gratulieren und ihnen voller Vertrauen eine glückliche Zukunft wünschen, denn es gibt immer Menschen mit Ideen und der Freude am Schönen und Schenken. Peter Werkovits Landesinnungsmeister Burgenland Zunft und Zeit. Unseren Beruf in kurzen Worten zu beschreiben ist nicht einfach, darum möchte ich ihnen nur einige Anregungen geben, um sich eigene Gedanken zu machen, denn alles hat seine Zeit. Die Ausbildung hat ihre Zeit. Der Beruf hat seine Zeit. Die Kreativität hat ihre Zeit. Das Handwerk hat seine Zeit. Die alte Technik hat ihre Zeit. Die neue Technologie hat ihre Zeit. Das Restaurieren hat seine Zeit. Das Verbinden von verschiedenen Materialien hat seine Zeit. Die Verantwortlichkeit hat ihre Zeit. Das Vertrauen hat seine Zeit. Der Erfolg hat seine Zeit. Die Niederlage hat ihre Zeit. Die Weiterbildung hat ihre Zeit. Das Handwerk hat immer seine Zeit.

Die Freundschaft mit Kollegen hat ihre Zeit. 650 Jahre feiern ist eine schöne Zeit. „Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ Prediger Salomo (Kohelet) 3, 13

Adolf Pobaschnig Landesinnungsmeister Kärnten Das Gold zu bearbeiten und zu schmieden, diese begehrte Kunst beherrscht die Menschheit seit Jahrtausenden. Die Historie dieses Kunsthandwerks ist eng verbunden mit Kaiser- Königs- und Fürstenhäusern und dem Prunk der Kirchen in aller Welt, denen Gold, Silber und Edelsteine vorbehalten waren. Die Goldschmiede waren damals höchst angesehene Persönlichkeiten, die mit Perfektion Schmuckstücke aber auch Kult und Tafelgerätschaften von edelster Gestalt herstellten. Seit 650 Jahren prägen die Gold- und Silberschmiedemeister in Österreich mit Gestaltungskraft, Formsinn und höchster Handwerkskunst die Herstellung von umfassenden Schmuckstücken. Von der Idee bis zur fantastischen Umsetzung und dem Trageerlebnis beim Kunden steht der Goldschmied stets beratend zur Seite. Echter Schmuck als Verkörperung individueller Goldschmiedekunst hatte aber nicht nur in der Vergangenheit Bestand, sondern gilt gerade heute und in Zukunft als Wert und Kunstanlage. Über 50 Gold- und Silberschmiedemeister Kärntens stellen in handwerklicher Tradition und mit dem Blick auf das Schöne und Wertvolle, Preziosen und Schmuck in Gold, Silber, Platin und unter Hinzufügung von Edelsteinen, Perlen und anderen kostbaren Materialien her. Umfassende Beratungen, perfekte Reparaturen sowie stilsichere Umarbeitungen sind ein Zeichen des Könnens und der Kompetenz und tragen zum Ansehen der Kärntner Gold-

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und Silberschmiede bei. In dieser Tradition gestalten sie seit fünf Jahren mit großem Erfolg im Zuge der Kunsthandwerksausstellung der Kärntner Kunstwerkstätten eine eigene Ausstellung der Gold- und Silberschmiede und blicken optimistisch und mit Zuversicht in eine goldene Zukunft. Wolfgang Stasny Berufsgruppensprecher für Niederösterreich Goldschmied ist die Berufsbezeichnung für den Handwerker der Schmuck und Gegenstände aus Edelmetall herstellt. Der Beruf des Goldschmieds gehört zu den ältesten Metallhandwerken. Am 13. Oktober 1366 wurde im Namen der herzöglichen Brüder Albrecht und Leopold den Goldschmieden in Wien ihre älteste Handwerksordnung gegeben. Am 15. Dezember 1367 wurde die Zechordnung niedergeschrieben. Aus diesem Grund feiern wir heuer das 650-jähriges Bestehen dieser angesehenen Zunft Goldschmiede waren und sind noch immer sehr kreativ. Heute verbinden sie traditionelles Handwerk mit moderner Technik um künstlerische Ideen umzusetzen. Individuelle Beratung, Einfühlungsvermögen, Vertrauen und perfekte Umsetzung eines Schmuckstückes zeichnen einen erstklassigen Goldschmied aus. In Niederösterreich haben wir derzeit cirka 50 Gold-und Silberschmiedemeisterbetriebe, die ihr handwerkliches Können den Kunden zur Verfügung stellen. Wir veranstalteten heuer zum dritten Mal die Kunstwerktage auf der Schallaburg. Im Zuge dessen präsentierten wir heuer eine Sonderausstellung der Gold-und Silberschmiede anlässlich unserer 650 Jahr Feier, wo wir dem Publikum den Beruf des Goldund Silberschmieds nähergebracht haben, um mehr Aufmerksamkeit auf das österreichische Handwerk zu legen. Ich wünsche unseren Gold-und Silberschmieden alles Gute zu diesem Jubiläum und weiterhin viel Freude und Kreativität in unserem Beruf.

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Martin Lerch Innungsmeister Stellvertreter Salzburg Kaum ein anderer Beruf bietet die Möglichkeit, ein Werk vom Entwurf bis zum fertigen Produkt zu realisieren. Um eigene Ideen oder Vorschläge von Kunden umzusetzen, ist Kreativität, ein hohes Maß an Handfertigkeit und technisches Wissen erforderlich. Neue Verfahren wie die CNC oder die LaserschweißTechnik erlauben bisher, kaum umsetzbare Entwürfe zu verwirklichen. Dennoch ist es unumgänglich, die erforderlichen Handwerkstechniken durch langjährige Übung zu erarbeiten. Ich appelliere an meine Goldschmiedemeister-Kollegen, Lehrlinge auszubilden, und an die verantwortlichen Stellen, die dafür entsprechen den Voraussetzungen zu schaffen. Weiters hoffe ich, dass den Auszubildenden der fachbezogenen Schulen die erforderlichen Praktikumsstellen zur Verfügung gestellt werden. Kreative, handwerklich und technisch versierte Goldschmiede haben auch in Zukunft gute Chancen erfolgreich zu sein. Das individuell vom Goldschmied gestaltete Schmuckstück wird auch weiterhin, neben den industriellen und in Massen erzeugten Markenprodukten aus dem fernen Osten, Bestand haben. Ich wünsche allen Kollegen vom Impuls des „650 Jahre Goldschmiede in Österreich“ Jubiläums zu profitieren.

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Wir danken

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as w채re eine Festschrift ohne Logos? Was w채re das Jubil채um ohne Ihre Firmen? Einen herzlichen Dank all jenen, die sich inhaltlich an der Festschrift zum 650 Jubil채um der Gold- und Silberschmiede beteiligt haben!

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I n h a lt Impressum 002 Handwerksordnung der Wiener Goldschmiede 004 Übersetzung der Handwerksordnung 1366 006 Prolog 008 Grußworte 010 Editorial 021 Das Eisenbuch 022 Die Handwerksordnung 022 Die Zechordnung 023 650 Jahre Zunft 024 Innungsgeschichte ab 1967 028 Die Kette des Wiener Innungsmeisters 029 Die Zunftobjekte 030 650 Jahre Ausbildung 034 Kunsthandwerk und Wifi 035 Vom Lehrling zum Meister 036 ...macht Meister 039 Das Handwerk der Goldschmiede in Wien und das Haus Habsburg 040 Schmuck Symbol und Identität 050 Antiker Schmuck 052 A.E. Köchert 055 Sisi-Sterne 056 Rozet & Fischmeister 057 Das Mundzeug 058 Maria Theresias Taler 060 Die Welt der Edelmetalle 062 Fairmined Gold 068 Der Goldschmied erkennt Gold auch wenn es unter Messing liegt. 070 Cellini 074 Mythos Gold 075 hl. Eligius 076 Kleine Werkstätten große Marken 078 Schmuck ist meine Leidenschaft 081 Die Wiener Silberschmiede im 18. Jahrhundert 082 Gold&Co. 087 Die Wiener Silber Manufactur 088 Jarosinski & Vaugoin 089 Am Golde hängt doch alles 090

Mitten im 7. 3 Generationen Die Wiener Werkstätte Die Werkstätte Ars Sacra

094 095 096 100 102

Judaica Der Leib Christi

Meisterverein 112 Wertheim 113 Der Reiz des Goldes 114 Die Entwicklung der Gemmologie in Österreich 116 Diamant Club Wien 122 Mein Leben wird durch Diamanten bestimmt 124 Gemmologische Akademie Linz 125 Eine edle Gesellschaft 126 Ein sachverständiger Verband 127 österREICH 128 Farbedelsteine im Schmuck 134 Diamanten 136 Korallen und Perlen 137 Schmuckwerkstatt Katja Dworak 138 Traditionelles Handwerk modernes Design seit über 70 Jahren 138 135 Jahre Goldschmiede Breisach 139 Reiz der angewandten Kunst 140 Individuell. Fair. Skrein* 142 Schmuck in der Malerei 143 Gedanken über das Goldschmiedehandwerk 146 CAD Geschichte 148 Ringe in der Geschichte 150 Siegelring 21 Goldschmiede Nikl 155 Geschichte der Wiener Goldschmiede 156 Brief des Kammerjuweliers 162 Franz Caspar Edler von Mack 163 Familie Würth 168 Im Wandel der Zeit: 135 Jahre Brüder Nowotny 171

Die Nachfolger des Eligius

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Mayerhofer&Klinkosch Elfriede Berbalk Sepp Schmölzer Gottfried Stepan Sven Boltenstern Adolf Drobny Hans Vaugoin Elisabeth Defner Br. Bernward Schmid OSB Fritz Mayerhofer

Goldschmiede Wieser 191 World Skills Competition 192 Tahiti 194 Schmuck aus Österreich 198 Goldschmiede Nikl Wiener Ring Hans Holztrattner Stefan Graupe Juwelier M.W. Fischer Wolfgang Hufnagl Gabriela Breisach Goldschmiede Guggenberger Lena Zach Jarosinski&Vaugoin Aigner Edelsteine

Feines Schmuckhandwerk 202 Time&Style 203 Schullin Wien 203 Trends ;) Jugendschmuck 204 Halder’sche Werkstatt 206 Jagdschmuck 207 Der Spirit der Meistergoldschmiede 209 Atelier Pejrimovsky & Co 210 Das Wiener Goldschmiedelied 211 Die Innungen Grüßen 212 Wiener Rauchfangkehrer gewerbliche und persönliche Dienstleister Bau Wien Metalldesigner Tischler und Holzgestalter Wien Kunststoffverarbeiter Wien Chemische Gewerbe Wien Denkmal-, Fassadenund Gebäudereiniger Wien

Punzierung 216 650 Jahre Goldschmiede ein stolzes Jubiläum 218 Wir danken! 222 Inhaltsverzeichnis 224

650 JAHRE GOLD- UND SILBERSCHMIEDE



Original BuchrĂźcken Zechordnung


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