Weinfeder 51

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KOSTENFREI IM ABO

EDITION #52

DEZEMBER 2017

DIE THEMEN DER 52. AUSGABE

// Preis der Deutschen Gitta, Marie und die Mont-Blanc-Cuvée Weinkritik // Weinper// Rückkehr der Liebfrauenmilch // Ein sönlichkeit des Jahres // Württemberger in Rumänien // Ein Weinversteigerung mit Weinversteck in der Provence // Cru Rasteau // Blaufränkisch im Fokus // Benefiz-Rekord // Ein Breitengrad 51, Bergstern und GG // Plädoyer für einen gepflegten Rausch Scharfsinninger für Genuss und Wein // Gänsehaut am Stein // Gunderloch und die * * * * * * * * * * * Zukunft // Zittern bis zum Schnellherbst // Qaulität, Menge und Durchschnitt // Rosé oder nicht Rosé? // 25 Jahre Selection Rheinhessen // Madeiras Weinkultur // Die Gascogne und der Tannat // Der Pakt der Weinelf // Genom-Messer ohne Kater // Weinfeders Weinlieblinge // Rot, Weiß oder was? // Weinfedern in Iphofen // Feiern mit Rebensaft C O P Y R I G H T © W E I N F E D E R E . V. V E R B A N D D E U T S C H S P R AC H I G E R W E I N P U B L I Z I S T E N


EDITORIAL/IMPRESSUM LIEBE LESERINNEN UND LESER,

im Herbst hat sich der Markt der Weinguides neu sortiert: Der über lange Jahre die Szene dominierende Gault&Millau erscheint jetzt beim ZS Verlag mit neuer Chefredakteurin und komplett neuer Verkostungscrew. Die Anzahl der Winzer mit 5 und 4 Trauben hat sich deutlich erhöht.

Die alten Guidemacher um Joel Payne sind beim Vinum Weinguide untergekommen – Eichelmann und Falstaff komplettieren das Quartett. Nimmt man noch den DLG WeinGuide dazu, hat sich die Anzahl der Auszeichnungen für Weingüter, Winzer und Weine enorm erhöht: Beim Schwergewichtsboxen gibt es mehrere Weltmeister – in der Weinbranche gibt es nun mehrere Winzer des Jahres. Die Inflation der Ehrungen entwertet die einzelnen Titel.

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Nun heißt es ja, Konkurrenz belebt das Geschäft – ich habe meine Zweifel, ob dies für die Weinführer auch zutrifft. Die Winzer freuen sich natürlich über Schlagzeilen bei hohen Bewertungen – selbst wenn man für die Teilnahme einen Beitrag zahlen muss, ist es immer noch ein relativ günstiger Betrag für eine bundesweite Werbung. Ob das Geschäftsmodell Weinguide in der Zukunft Bestand haben wird, kann niemand mit Bestimmtheit sagen: Internetbewertungen könnten der gedruckten Variante den Rang streitig machen. Wie sagte Weinfeder-Mitglied Werner Eckert doch gleich in einem HörfunkBeitrag: Die Weinguides werden vor allem von Winzern gekauft.

DANKE!

Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr! Ihr

Wolfgang Junglas 1. Vorsitzender Weinfeder e.V. (Verband deutschsprachiger Weinpublizisten)

AN DIE AUTOREN UND DAS LEKTORAT DIESER AUSGABE: HERMANN-JOSEF BERG // BRITTA BINZER // HEIDI DIEHL // MARCEL FRIEDERICH // HARRY GEORGE // CHRISTA HANTEN // CHRISTIN JORDAN // WOLFGANG JUNGLAS // RUDOLF KNOLL // STEFAN KRIMM // NORBERT KRUPP // HERBERT LATZ-WEBER // MATTHIAS F. MANGOLD // MARTIN SACHSE-WEINERT // ARTHUR WIRTZFELD

IMPRESSUM

● HERAUSGEBER Weinfeder e.V. Verband deutschsprachiger Weinpublizisten, 1. Vorsitzender: Wolfgang Junglas, Weinfeder e.V., Bienenbergweg 4 - 65375 Oestrich-Winkel, Telefon: 06723 - 601902, Fax: 885546, E-Mail: info@weinfeder.de, Internet: www.weinfeder.de, Facebook: www.facebook.com/weinfeder ● AUTOREN DIESER AUSGABE Hermann-Josef Berg, Britta Binzer, Heidi Diehl, Harry George, Christin Jordan, Wolfgang Junglas, Rudolf Knoll, Dr. Stefan Krimm, Norbert Krupp, Herbert Latz-Weber, Matthias Mangold, Dr. Martin Sachse-Weinert, Arthur Wirtzfeld ● LEKTORAT Dr. Christa Hanten ● LAYOUT & SATZ Arthur Wirtzfeld, Telefon: 0931 - 322460, redaktion@weinfeder.de ● SCHLUSSREDAKTION Arthur Wirtzfeld ● ViSdPG Weinfeder e.V. ● TITELfOTO Ewald Fröch ● COPYRIGHT-HINWEIS Alle redaktionellen Beiträge im Weinfeder Journal werden in der Originalversion veröffentlicht. Für den Inhalt und die Ausformulierung der Texte sind allein die Autoren verantwortlich, die das alleinige Copyright für ihre Texte innehaben. Ein Nachdruck oder eine Veröffentlichung von Beiträgen im Internet, in sonstigen digitalen oder in Printmedien, auch auszugsweise, kann nur in Absprache mit den jeweiligen Autoren erfolgen. Gegen Honorar, das mit dem Autor zu vereinbaren ist, kann jeder Beitrag unter Angabe der Quelle (Weinfeder) und Namensnennung der Autorin/des Autors übernommen und veröffentlicht werden.

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Redaktionsschluss für die Ausgabe Edition #53 ist der 15. februar 2018. Einsendungen von Beiträgen bitte an redaktion@weinfeder.de – Ansprechpartner Arthur Wirtzfeld (gleiche Mailadresse) Telefon: 0931-322460. C O P Y R I G H T © W E I N F E D E R E . V. V E R B A N D D E U T S C H S P R AC H I G E R W E I N P U B L I Z I S T E N

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INHALT

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GIPFELSTÜRMERINNEN UND IHRE MONT-BLANC-CUVÉE

DIE RÜCKKEHR DER LIEBFRAUENMILCH

EIN WÜRTTEMBERGER IN RUMÄNIEN

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CRU RASTEAU GROSSES POTENZIAL

WEINVERSTECK IN DER TIEFE DER PROVENCE

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DEM BLAUFRÄNKISCH MIT HAUT UND HAAR VERSCHRIEBEN

BREITENGRAD 51, BERGSTERN UND GROSSES GEWÄCHS

SCHARFSINNIGER FÜR GENUSS UND WEIN

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INHALT

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GÄNSEHAUT AM STEIN

GLÜCK UND SEGNUNG ZUGLEICH

JAHRGANG 2017

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QUALITÄT GUT, ERNTEMENGE UNTER DURCHSCHNITT

ROSÉ ODER NICHT ROSÉ?

25 JAHRE „SELECTION RHEINHESSEN“

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WIEGE DER WEINKULTUR MADEIRAS

DIE GASCOGNE UND DER TANNAT

PAKT DER WEINELF

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INHALT

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GENOM-MESSER WEINGENUSS OHNE KATER

WEINEMPFEHLUNGEN DER WEINFEDER

FARBPALETTE BEIM WEIN EINE POLEMIK

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WEINFEDERN IN IPHOFEN

KIRSCHWEI(H)N FEIER UND REBENSAFT

TWIN WINERIES AUSGEZEICHNET

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GROSSES GELEISTET FÜR DEN DEUTSCHEN WEIN

WEINVERSTEIGERUNG MIT SPENDENREKORD

ÜBER DIE KUNST DER TRUNKENHEIT

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ZWEI SPORTLICHE FRAUEN, EIN WEIN UND DER MONT BLANC ALS UNTERTAN VON RUDOLF KNOLL

An einem Abend im November 2017 erinnerte eine lange Schlange am Eingang der Uhlbacher Kelter fast an das typische Anstehen vor dem Lenin-Mausoleum in Moskau.

Die gastgebende Genossenschaft Collegium Wirtemberg Stuttgart hatte allerdings auch etwas Besonderes zu bieten, zwar keinen einbalsamierten Revoluzzer, der vor 100 Jahren die Weltordnung veränderte, dafür aber zwei sportliche Frauen, die am 8. Juli 2017 etwas Revolutionäres vollbracht hatten.

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Der Wein, dessen Trauben auf den Fluren von Stuttgart Rotenberg von Geisenheim-Absolvent und Jungwinzer Mathieu Bubeck geerntet und im Keller des Collegium Wirtemberg ausgebaut wurde, ist eine Cuvée aus Riesling und Chardonnay. (Foto © berggefuehl.de)

ie waren mit Wein und noblen Gläsern bewaffnet gemeinsam auf den Mont Blanc geklettert, den höchsten Berg der Alpen, und hatten ihn sich für kurze Zeit untertan gemacht. Ein paar Monate später wollten sie unter dem Motto „Wein, Kultur, Unterhaltung“ über die Erlebnisse von „zwei Frauen im Höhenrausch“ Bericht erstatten. Das Thema lockte viel mehr Interessenten an als erwartet, sodass Gitta Grobert und ihre französische Freundin Marie Bernadette Cals mit dem Start ihres Vortrages warten mussten, bis alle Besucher Einlass gefunden hatten. Das Besondere: Die beiden Damen haben vor ihrer Altersangabe schon eine „5“ stehen, sind also keine jugendlichen Fohlen mehr. Und die Gipfelstürmerei ist eigentlich mehr eine Sache des männlichen Geschlechts. Außerdem war es spannend, zu erfahren, welche Rolle der Wein bei diesem Aufstieg auf den 4.810 Meter hohen Bergriesen spielte. Doch blicken wir zunächst mal in die Geschichte des zu Frankreich gehörenden Berges (obwohl die Italiener gern die Spitze für sich in Anspruch nehmen). Er wurde im 18. Jahrhundert noch als „verflucht“ bezeich-

net; in seinen Gletschern wurden Drachen und Geister vermutet. Als er nach vergeblichen Anläufen im August 1786 erstmals bezwungen wurde, galt das als „Geburtsstunde des modernen Alpinismus“ und die Angst vor bösen Geistern wurde von zunehmendem Ehrgeiz weiterer Bergsteiger abgelöst. Bald waren Frauen mit im Spiel. 1808 empfand eine Marie Paradis Gipfelglück, aber sie wurde auf dem Weg dorthin teilweise von Männern getragen, also eine nicht ganz regelgerechte Besteigung. Eine bereits professionelle, gut ausgerüstete Bergsteigerin war dagegen Henriette d’Angeville, die 1838 dünne Höhenluft atmete und mit Unterstützung eines größeren Teams ganz oben ankam. Begleitet wurde sie außerdem von 24 Hühnern, 2 Hammelkeulen, 2 Ochsenzungen, 6 Laib Brot zu je 3 bis 4 Pfund, 1 Fass Wein, 18 Flaschen Bordeaux-Wein, 1 Flasche Cognac, 1 Flasche süßem Sirup, 12 Zitronen, 3 Pfund Zucker, 3 Pfund Schokolade, 3 Pfund gedörrten Pflaumen, 13 Portionen Pudding, 13 Flaschen Limonade, 13 Flaschen Orangeade, 13 Portionen Hühnerbouillon. Ganz oben soll sie eine Flasche Champagner geöffnet haben. Als Gitta und Marie, zwei selbstständige Frauen, die im Marketing tätig, gern sportlich unterwegs und – so Gitta Grobert – „chronisch neugierig“ sind, erstmals im Jahr 2015

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Erschöpft von der Anstrengung, aber glücklich am Ziel: Gitta Grobert und ihre französische Freundin Marie Bernadette Cals. Im Gepäck haben die beiden die Cuvée Mont Blanc 4810, die auf dem Gipfel so völlig anders schmeckt als in den Kellern des Collegium Wirtemberg. (Foto © berggefuehl.de)

darüber sprachen, dass der Mont Blanc für sie die richtige Herausforderung sei, war Wein noch kein Thema. Dafür war reichlich Training angesagt, mit vielen Kletterübungen in den Bergen und in entsprechenden Übungsstätten. Bei solchen Aktivitäten hatten sich die beiden 2014 kennengelernt und Freundschaft geschlossen. In die Vorbereitungen für den Aufstieg auf den Alpengipfel wurde viel Zeit investiert. Die „liebevollen“ Kommentare aus dem Verwandten- und Freundeskreis mit dem Tenor „Ihr seid wohl verrückt“ wurden ignoriert. Trainiert wurde oft am Abend, weil untertags die normale Arbeit erledigt werden musste. Ein bergkundiger Führer wurde gefunden. Im September 2016 war der Aufstieg geplant. Aber er musste kurzfristig wegen eines Wetterumschwungs wieder abgesagt werden und konnte erst für 2017 erneut in Angriff genommen werden. Beim Training nutzte man im Frühjahr 2017 die Möglichkeiten in den steilen WeinArealen des Stuttgarter Stadtteils Rotenberg und lernte dabei einen jungen Weingärtner kennen, der zwar Weinbau in Geisenheim studiert hatte, aber trotzdem seinen Ertrag bei der örtlichen Genossenschaft Collegium Wirtemberg ablieferte, weil er sich hier mit seinen vier Hektar aufgrund der Qualitätspolitik der Kooperative gut aufgehoben fühlt. Im Gespräch mit Mathieu Bubeck, 27, entstand die Idee, einen Wein zu kreieren, der dem Mont Blanc nachempfunden ist. Jetzt musste nur noch der Chef der Genossenschaft überzeugt werden.

Martin Kurrle ist indes ein Mensch, der gern unkonventionelle Wege beschreitet. Es bedurfte keiner großen Überredungskunst, ihn von der eigenwilligen Idee zu überzeugen. Auch mit den gewünschten Kriterien für den Wein konnte er sich schnell abfinden. Gefunden wurde nach einigen Versuchen eine Kombination aus Riesling (dessen animierende Säure soll für die Herausforderung am Berg stehen) und Chardonnay (seine weiche, zugleich kräftige, wuchtige Art passt bestens zur mal schroffen, mal sanften Gipfelkuppe). Da zwei Marketingfrauen im Spiel waren, durfte der Wein kein gewöhnliches Etikett tragen. So steht „4810“ groß auf der Flasche, untermalt mit dunklem Felshintergrund, auf dem die Route eingezeichnet ist. Eine Medaille zeigt das Datum der Erstbesteigung. Rechtzeitig vor dem zweiten Anlauf im Juli 2017 war der Wein abgefüllt und konnte das weibliche Duo mit männlichem Bergführer auf dem schwierigen, teilweise eisigen Weg mit stürmischer „Begleitmusik“ im Finale zum Gipfel begleiten. Kurz davor musste Marie, geplagt von Schüttelfrösten, in einer Nothütte vor den letzten Metern passen. So konnten nur Gitta und „Scout“ Andreas Peisser aus Nobelgläsern des Herstellers Zalto (!) feststellen, dass der Wein ganz anders schmeckte als im Tal. „Die Säure war sehr dominant“, wurde registriert. Bald darauf bekam Marie ein kleines Stück weiter unten ihre Kostprobe und war schnell wieder fit für den Abstieg. Im Tal angekommen, waren alle froh, dass es ge-

klappt hatte. Schließlich gilt der Mont Blanc nach einer Unfallstatistik als der gefährlichste Berg der Alpen; wenige Wochen nach der Besteigung durch die unverwüstlichen Damen erfroren zwei badische Bergsteiger in dem Felsmassiv … Die sportlichen Frauen, nahe bei Stuttgart (Gitta) und in der Landeshauptstadt (Marie) zu Hause, wussten von dem Risiko. Deshalb hatten sie auch eine Route gewählt, die als weniger gefährlich gilt. Sie wollten sich mit ihrer Tour natürlich selbst beweisen, nach dem Motto: „Wir gehören noch längst nicht zum alten Eisen.“ Aber sie wollten auch weitergeben, dass es lohnend sein kann, die Bergwelt zu genießen, und dass Frauen davon nicht ausgeschlossen sein müssen. „Solche Höhen sind eigentlich eine Män nerdomäne“, weiß Gitta Grobert. „Doch Frauen können dafür ebenfalls geschaffen sein.“ Unter den Gästen bei ihrem unterhaltsamen Vortrag in Uhlbach waren jede Menge Frauen. Mal sehen, ob jemand den beiden Gipfelstürmerinnen nacheifern wird. Der 511 Meter hohe Birkenkopf in StuttgartWest könnte eine erste Etappe sein. Als Doping erlaubt ist ein Schluck der weißen Cuvée „4810“. Den Wein gibt es beim Collegium Wirtemberg allerdings nur im 4er-Pack für exakt 48,10 Euro, die der Qualität angemessen sind. Mehr Infos zu Gitta und Marie finden Sie unter www.berggefuehl.de ■

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DIE RÜCKKEHR DER LIEBFRAUENMILCH

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VON MATTHIAS F. MANGOLD

Man könnte es als ein großes Missverständnis bezeichnen. Als eine dumm gelaufene Entwicklung. Als ein Marketing-Desaster. Oder auch als eine Parabel darüber, wie man als Weinnation den Hals nicht voll genug kriegen kann. Wie dem auch immer sein mag: Wenn heute unter Menschen, die sich auch nur ein kleines bisschen für Wein interessieren, im Gespräch das Wort „Liebfrauenmilch“ fällt, gehen die Mundwinkel nach unten. Oh weh, bäh, verbrannte Erde, geht gar nicht, was ne Plörre! Hmm, was ging da schief?

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un, wir müssen im Grunde erst mal klären, was Liebfrauenmilch überhaupt sein soll. Wer nach, sagen wir mal, 1980 das Licht der Welt erblickte, für den ist das ein zunächst komischer Begriff, mit dem wenig anzufangen ist. Wein als Milch oder andersherum? Was jetzt? Der Blick in die Geschichtsbücher klärt auf. Liebfrauenmilch geht zurück auf die Weinberge der Liebfrauenkirche in Worms, und das bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Damals war festgelegt, dass die Weine der „Lieben Frauen Milch“ nur von dort als solche vermarktet werden durften, wenn die Trauben aus einem Bereich stammten, so weit „der Turm der Liebfrauenkirche seinen Schatten werfe“.

Guckt ernst, hat aber viel Spaß: Winzer Christoph Hammel (Foto © Achim Dengler)

Was als regionales Erzeugnis startete, wurde bekannter, als das Weinhandelshaus Valckenberg sich zwischen 1808 und 1850 den Löwenanteil an diesen Weinbergen sicherte und damit offensiv in den Export ging. Und

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sehr erfolgreich damit war. Das britische Königshaus war verrückt nach diesem Wein, auch der Schriftsteller Charles Dickens war offenbar so angetan davon, dass er nicht nur den Valckenbergs in einem Brief von 1846 überschwänglich seine Begeisterung mitteilte, sondern dem Wein auch in einem seiner Stücke ein Denkmal setzte. Die Reputation der Liebfrauenmilch ging steil nach oben, sie galt bald als der Inbegriff deutschen Weins, kostete zeitweise mehr als trockene Bordeaux oder Burgunder. Dummerweise ließ man sich die Marke nicht schützen. Und wie immer, wenn das so ist, merkt das Umfeld extrem rasch, was da geht. Trittbrettfahrer springen auf. Irgendwann hieß es wohl, dass Liebfrauenmilch auch von Weinbergen stammen könne, von denen aus die Liebfrauenkirche zu sehen ist. Später die Erweiterung in der Umkehrung: Was auch immer man vom Turm der Kirche aus sehen kann, ist Liebfrauenmilchland. Und am Ende ist es so, dass Liebfrauenmilch aus ganz Rheinhessen, von der Nahe, aus dem Rheingau oder der Pfalz kommt. Damit war Ende Gelände in Sachen Ursprung, Original, Qualität. Valckenberg versuchte zwar ab 1909 gegenzusteuern durch die Einführung des „Wormser Liebfrauenstift Kirchenstück“ und die Marke „Liebfrauenmilch Madonna“, doch das Thema war durch. Vollends versaut wurde es in den 1970erund 1980er-Jahren, als die Liebfrauenmilch massiv in die aufkommenden Supermärkte gepresst wurde. In England, den USA oder auch in Russland war es ein Boom. Er läutete den Niedergang der Reputation des deutschen Weins ein, den Sauseschritt in den tiefsten Keller, den man sich vorstellen kann. Liebfrauenmilch galt fürderhin als süßliches Gesöff, als Nicht-Wein, als Ursünde, als seriös nicht trinkbar. Und dies genau zu einer Zeit, in der durch den britischen Autor Hugh Johnson weltweite Weinliteratur und Weinkritik überhaupt erst aufkam und viele Menschen sich damit befassten, was Qualität bei Wein ist. Not very clever. Heute ist das Image des deutschen Weins international wieder top. Rieslinge und Burgundersorten sind anerkannt, begehrt, geschätzt. Doch der Begriff Liebfrauenmilch ist tot. Zwar taucht der Wein als Billigplörre immer noch irgendwo auf, doch ernst nimmt das niemand mehr. Billig verkauft, immerhin verkauft – für einige Winzer oder Kellereien läuft da so mancher Rubel oder Dollar. Bis heute. Ansonsten pantalone morte. Und dann gibt es da einen Winzer namens Christoph Hammel im pfälzischen Örtchen Kirchheim. Im Gespräch mit einem Wein-

kommissionär 2015 regten sich beide auf, dass der Ankaufpreis für Müller-Thurgau bei 55 Cent pro Kilo Trauben lag, was zum Überleben für Winzer einfach nicht taugt. Das Deutsche Weininstitut (DWI) sei schuld, das Russland-Embargo tue das Übrige. In der Top-Zeit wurden knapp 200 Millionen Flaschen Liebfrauenmilch exportiert, heute seien es noch maximal 18 Millionen. Nicht schön. Nun ist Christoph Hammel ein Fuchs, ein vom Wein Besessener, ein Mann, der keinen Punkt und kein Komma kennt, wenn er über Wein spricht. Er bezeichnet sich selbst und seine Weine als Mainstream, er mag nur das produzieren, was ihm selbst schmeckt. Was, nebenbei gesagt, gar nicht so schlecht ist. Er machte sich schlau und googelte, was Liebfrauenmilch eigentlich ist. Gesetzlich: mindestens 18 Gramm Restzucker pro Liter. Zu 70 Prozent muss sie aus Riesling, Müller-Thurgau, Silvaner, Kerner oder Bacchus sein, wobei die Verteilung frei ist. Die restlichen 30 Prozent – who cares. Das spornte einen wie Hammel an. Kann man da nichts Ordentliches machen? Die Grundzutaten lassen doch Aromatik, Schmelz und Säure zu! Also tüftelte er und überlegte sich eine Strategie. Dem Verbraucher muss es schmecken, nicht immer nur dem Winzer. Und wer ist die Hauptzielgruppe? Frauen!! „Frauen zwischen 25 und 55 sind überall gleich, egal ob in Moskau, Los Angeles, Kapstadt oder Berlin“, sagt Hammel. „Sie tragen die gleichen Klamotten, essen das Gleiche, hören die gleiche Musik, haben die gleichen Erwartungen. Und beim Wein wollen sie das auch. Er soll leicht sein, viel Geschmack haben, weit entfernt von süß sein, dafür balanciert.“ Als Aperitif in der Frauenrunde mit Gemüsespießen, Polentaschnitten und Hühnerbrust, als „Opening Act des Abends einfach“. Also kreierte er eine moderne, neue Liebfrauenmilch. 800 Flaschen in einem ersten Anlauf, nur gedacht als kleines Exportversucherle. Kurze Rückfrage bei Valckenberg: „Vergiss es, es funktioniert nicht!“ Nur weiterer Ansporn. Die DWIChefin Monika Reule ließ

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ihn abblitzen, das sei ein Irrweg. Auf der ProWein in Düsseldorf 2016 allerdings wollte Reules Kollegin Nikki Frost aus London den Wein unbedingt probieren – und war aus dem Häuschen. Richtig gut! Es folgte Füllung auf Füllung. In diesem Jahr sind es bereits 100.000 Flaschen, die Hammel unter dem Label „Liebfraumilch“ abfüllt. In einer Basisversion und einer gehobenen Variante, bei der Trauben von MüllerThurgau und Riesling aus dem Pflanzjahr 1951 sowie 40 Jahre alte Scheureben verwendet werden, alles im Holz ausgebaut. Und weil es Hammel, wie er sagt, nicht darum geht, „sein eigenes Ding als Privatveranstaltung durchzuziehen“, hat er die „Liebfraumilch Wine Society“ gegründet, in der sich bereits mehrere Weingüter beteiligen. Die Regeln sind festgelegt als Qualitätskriterien: mindestens 18 Gramm Restzucker, maximal 25 Gramm, Endverbraucherpreis nicht unter € 5,95, um auch eine Wertigkeit nach außen zu tragen. Geprüft werden die Weine von Dirk Würtz, Winzer und erfolgreicher Weinblogger. Es wird künftig eine spezielle Flasche geben mit einem eigenen Emblem. Im kommenden Jahr soll dann der richtig große Aufschlag erfolgen. Man darf gespannt sein, ob da etwas Größeres auf uns zurollt. „Wichtig ist, wo wir damit in fünf Jahren sind“, so Hammel. ■

Bei der neuen Liebfraumilch geht nur der Stern ins Auge. (Foto ©Achim Dengler)

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Der gebürtige Fleiner Oliver Bauer, der in Rumänien eine neue Heimat fand, kann in seinem kleinen Weingut eine überschaubare Kollektion mit teilweise ungewöhnlichen Rebsorten vorweisen. (Foto © privat)

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WIE EIN WÜRTTEMBERGER IN RUMÄNIEN ZUM VIELSEITIGEN WINZER WURDE VON RUDOLF KNOLL

Es war in den 1980er-Jahren in Württemberg, damals noch als „Land des Trollingers“ abgestempelt, und viele Wengerter und Weinbaufunktionäre sehnten im Herbst „ein reiches Regele“ herbei, damit durch das Wasser die Trauben noch etwas aufgeschwemmt wurden und besonders viel Saft aus der Kelter floss. So 200 und mehr Hektoliter auf dem Hektar konnten es schon mal sein.

icht alle waren mit einer solchen Massenproduktion einverstanden, auch nicht mit der oft gepflegten Verwendung von Süßreserve, um die Weine lieblicher zu machen. Einer, der am meisten dagegen wetterte, war der Fleiner Winzer Robert Bauer, in den Augen vieler ein „Rebell“. Denn er praktizierte bei seinen Weinen das Gegenteil: Niedrige Erträge sorgten für Komplexität sogar beim Trollinger. Der Einsatz von Süßmost war für ihn ein Frevel, ebenso wie Schönungsmaßnahmen. Für seine durchgegorenen Weine hatte er seine Fans, sodass er bei einem Besuch im Jahr 1987 die Bitte äußerte: „Schreiben Sie nicht über mich. Ich brauch das nicht.“ Der Wunsch wurde natürlich ignoriert, da man einen Weingärtner mit diesem Profil nicht in einem Württemberg-Report unterschlagen konnte.

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Der Besuch aus der deutschen Heimat war Bauer (rechts) sichtlich willkommen. Klar doch, dass dabei seine Weine verkostet wurden. Das Urteil: durchgängig sehr ansehnlich. (Foto © privat)

Doch irgendwann wurde es still um ihn. Er verkaufte sein Weingut. Nachfolger Martin Albrecht blieb der Bauer’schen Stilistik mit guten, knochentrockenen Weinen treu; das Weingut firmierte auch bis vor Kurzem noch unter „Robert Bauer“. Diesen zog es vor einigen Jahren nach Südfrankreich, wo er ein Weingut aufbaute. Einer, der eigentlich wissen müsste, wo er jetzt sein Domizil hat, ist zu dem Thema ein einziges Fragezeichen. „Ich habe zu meinem Vater leider seit 20 Jahren jeden Kontakt verloren“, sagt Oliver Bauer, der Sohn. Der 43-Jährige wäre eigentlich ein guter Nachfolger für das Fleiner Weingut gewesen. „Aber da wären zwei Dickköpfe aufeinandergeprallt“, weiß er. „Das hätte keine Zukunft gehabt.“ Eine klassische Weinausbildung machte er trotzdem. Dafür suchte er sich ausgerechnet zwei andere Dickköpfe aus, nämlich Franz Keller im badischen Oberbergen (genannt „der Rebell vom Kaiserstuhl“) und Fritz Becker in Schweigen in der Pfalz. Mit denen kam er gut zurecht. „Vom Franz Keller bekam ich sogar ein tolles Zeugnis“, schmunzelt er im Rückblick. Danach ging es zur Bundeswehr und schließlich zur Techniker-Ausbildung ins fränkische Veits-

höchheim. Die Weinbauschule Weinsberg wäre eine Alternative gewesen. „Aber in Württemberg war mein Vater zu sehr abgestempelt. Ich wäre vermutlich arg unter Beobachtung gestanden“, glaubt er. Jahre später, nach verschiedenen Jobs, kam es zu einem Kontakt, der sein Leben deutlich verändern sollte. Oliver Bauer traf sich mit dem Tiroler Jakob Kripp im Chiemgau, um über eine Zusammenarbeit auf dem Sektor Weinbau zu reden. Allerdings nicht in Österreich oder Südtirol, sondern in Rumänien. Denn Kripps Frau Ileana Kripp-Costinescu war es kurz vorher mit Hilfe ihres in Rechtsfragen erfahrenen Gatten gelungen, im tiefen rumänischen Süden, in Dragasani, einen alten Besitz ihrer Familie Stirbey zurückzubekommen. Es handelte sich um ein Weingut mit besten Lagen (das hatten Kripp weinerfahrene Verwandte aus Südtirol bestätigt), das sich der Staat nach der Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg unter den Nagel gerissen hatte. Man nutzte das Potenzial nicht, sondern ließ es verwahrlosen. Beim ersten Besuch waren Kripp und Gattin erschüttert. Bewacht wurden die im

schlimmen Zustand befindlichen Gebäude nur von einer alten Zigeunerin. Um daraus wieder ein funktionierendes Weingut zu machen, brauchte das Paar einen Profi. Oliver Bauer war bereit zu diesem Wagnis. Es gelang sogar relativ schnell, die Gebäude instand zu setzen und auch Mitarbeiter für die Weingartenpflege zu finden. Für Bauer war schon nach kurzer Zeit klar, dass die ursprünglich angedachte Rolle als Flying Winemaker nicht ausreichend war und er dauerhaft vor Ort präsent sein musste. Seine Ergebnisse fielen bald überregional positiv auf und begeisterten sogar einen anspruchsvollen Weinhändler in Deutschland so sehr, dass er das Weingut Prince Stirbey ins Sortiment aufnahm (Weinbastion Ulm). Einige Jahrgänge später, 2010, keimte in Bauer die Idee auf, nebenbei noch ein kleines Weingut unter eigenem Namen aufzubauen. Mit zu diesem Entschluss beigetragen hatte eine fesche junge Frau aus Rumänien, die ihm auf einer Weinmesse ins Auge fiel. Nachdem er Raluca 2007 ehelichte, wollte er richtig sesshaft werden. 2013

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war sein erster Jahrgang. Seitdem füllt er jährlich rund 30.000 Flaschen unter eigenem Namen (Crama Bauer) ab. Sein Arbeitgeber sieht das nicht als Konkurrenz an. Jakob Kripp und seine Frau Ileana wissen, dass ihnen damit ihr Kellermeister langfristig erhalten bleibt. Und Bauer ergänzt: „Ich lege Wert auf eine andere Stilistik als bei Stirbey.“ Und teilweise auf andere Sorten. Das Ehepaar Krupp setzt vorwiegend auf autochthone Sorten wie Feteasca Regala, Tamaioasa Romanesca und Negru de Dragasani. Beim Betrieb des Önologen gibt es aus zugekauften Trauben die rare Sorte Sauvignonasse (in Norditalien als Friulano bekannt), die sehr würzige Weine bringt, die geschmacklich einem Pinot Blanc Konkurrenz machen. Eine zweite Version lag 14 Monate auf der Hefe und lieferte einen cremigen Weißwein. Bei einer fruchtigen, verspielten Cramposie Selectionata (eine alte rumänische Sorte) hat er sich die Mosel zum Vorbild genommen, weil die gleiche Rebe im Weingut Stirbey trocken ausgebaut wird. Bei den Rotweinen mag er es betont saftig (Merlot), feurig und komplex (Cabernet Sauvignon), elegant und geschmeidig (Feteasca Neagra). Und dann hat er sich noch an einen eher zurückhaltenden Orange-Wein herangetraut, der aber geschmacklich im Sortiment nicht ganz oben zu Hause ist. Vom Jahrgang 2017 wird es noch einen Wein geben, mit dem er dem Weingut Stirbey ebenfalls keine Konkurrenz macht. Denn Bauer bekam tonnenweise Rieslingtrauben von einem verrückt anmutenden Weinprojekt aus deutscher Hand angeliefert. Die Vorgeschichte dazu beginnt mit der Enteignung von 200 Hektar Land im Besitz des Siebenbürger Sachsen Heinrich Gaber im Jahr 1946, der sich danach nur mühsam in Rumänien im Leben behaupten konnte. 1972 bekam er grünes Licht für die Ausreise nach Deutschland. Seine Familie wurde von der Bundesregierung freigekauft und durfte ihm folgen. Er fand einen Arbeitsplatz im Staatsweingut Kloster Eberbach im Rheingau. Vor zwölf Jahren reiste er mit seinem Sohn Helmut, 54, in die alte Heimat und meinte bei der Besichtigung der nicht mehr bewirtschafteten Felder von Bagaciu: „Ich will das wiederhaben, das gehört uns.“ Sein Sohn, ein erfolgreicher Unternehmer in Bremen, und dessen Bruder Heinrich hörten auf den Senior. Sie erwarben alte Weinberge und Ackerflächen, darunter 18 Hektar Rebfluren. Bei der Anlage der Weinberge half ein gebürtiger Siebenbürger Weinprofi, Dr. Karl Müller aus Franken. Ein junger Ingenieur aus dem Ort wurde 2010 als Betriebsleiter eingestellt. Nur eine Kellerei gab es noch nicht, die ist aktuell erst in Planung.

Eine Gastrolle in einem rumänischen Betrieb war nicht möglich. So wurden die Trauben ab dem ersten Jahrgang 2014 zum Staatsweingut in Neustadt an der Weinstraße per Kühltransport geliefert (den Kontakt hatte der Franke hergestellt). Sie überstanden den Transport über rund 1.500 km gut, weil sie schonend in 13-kgKisten gelagert wurden. Der Neustadter Kellermeister Sascha Wolz machte daraus beachtlich guten Chardonnay, Riesling und Grauburgunder. Eine Dauerlösung war das

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freilich nicht. 2017 wird der Grauburgunder zu einem Rheinhessen-Winzer geliefert, der dafür gute Abnehmer in Skandinavien hat. Und die Riesling-Ernte blieb ganz in Rumänien und wurde nur 350 km südlich zu Oliver Bauer geliefert, bei dem jetzt der junge Wein im Keller liegt. „Er schlummert auf der Feinhefe vor sich hin, es schaut vielversprechend aus“, urteilt der Auswanderer und freut sich schon darauf, dass seine Riesling-Auszeit in der neuen Heimat bald beendet ist. ■

Oliver Bauer freut sich. Vom Jahrgang 2017 gibt es erstmals bei ihm Riesling. Die Trauben dafür lieferte ein anderes Weingut im deutschen Besitz, aber ohne Kellerei, aus Siebenbürgen an. (Foto © privat)

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Wer von Peter Thustrup beraten werden will, gehört zu einem illustren Kreis von 25 potenten Weinsammlern, die in einem Jahr mindestens 100.000 Dollar investieren möchten. (Foto © Peter Thustrup)

WEINVERSTECK IN DER TIEFE DER PROVENCE VON ARTHUR WIRTZFELD

Nach 29 Jahren als exzentrischer Weinsammler verkaufte Peter Thustrup (63) im Jahr 2007 seine in Paris ansässige "Vins Rares Peter Thustrup". Der Deal umfasste seinen Namen, eine illustre Liste von Kontakten und einen Großteil seiner Sammlung gereifter und seltener Weine im Wert von fünf Millionen US-Dollar. Der in Schweden geborene Thustrup unterzeichnete auch eine Sondervereinbarung, die ihm für vier Jahre ein Wettbewerbsverbot auferlegte. Was folgte, war eigentlich absehbar, sofern man den sympathischen Thustrup einmal erlebt hat: Er baute für sein privates Vergnügen eine neue – bis dato 10.000 Weine umfassende – Sammlung auf, die in der Nähe seines Wohnsitzes in Aix-enProvence in einer umgebauten Scheune lagert. COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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DAS "WHO IS WHO" DER fRANZöSISCHEN ERZEUGER

rand Cru aus Burgund und Premier Cru aus Bordeaux bilden den Kern der neuen privaten Sammlung. Die Weinliste liest sich wie das 'Who is Who' des französischen Weinbaus, einschließlich weltbekannter Marken wie Domaine de la Romanée-Conti, Domaine Georges Roumier oder Château Pétrus. Diese Sammlung von Raritäten zeugt von seiner Leidenschaft und seinem Verständnis für kultivierte Highlights bestimmter Weinregionen. Dazu gehören auch außergewöhnliche Weine aus durchschnittlichen Jahrgängen wie beispielsweise der 1971er Grand-Puy-Lacoste oder auch relativ unbekannte Weine von außergewöhnlichen Terroirs wie die 1920er, 1973er, 1975er und 1978er Abfüllungen von Château BraneCantenac Margaux sowie auch esoterische Burgunder wie ein 1946er ChambolleMusigny von einem Négociant aus NuitsSaint-Georges. UNSCHäTZBARE NOTIZEN

Zu Thustrups edlen Tropfen gehören auch für Kenner und Sammler unschätzbare Notizen wie beispielsweise über den 1946er Morin: "… tiefe Konzentration, ein wenig flüchtige Säure und ein rustikaler Charakter, als wäre er mit einem Syrah oder algerischen Wein frisiert worden." Thustrup hat Sinn für Seriosität und weiß, wo er seltene und ausgefallene Weine finden kann. Viele davon stammen von vertrauenswürdigen Sammlern aus Burgund oder von kleinen Négociants, die ihre seltenen Sammlungen gewissenhaft kuratieren. Über einen 1958er Beaujolais der Domaine Georges Mingret notiert er: "Unglaublich frisch, fruchtiger Duft nach schwarzen Früchten mit viel Leben, sehr überraschend für einen 58er Gamay – hat mich nicht enttäuscht!" DAS WEINLAGER

Die Scheune, in der Thustrup seine neue Sammlung untergebracht hat, wurde noch zur Zeit der Französischen Revolution gebaut. Boden und Wände wurden so renoviert, dass eine für Weine professionelle Lagerung möglich ist. Neben einem großzügigen Luftstrom benötigt die Scheune allerdings eine starke Kühlanlage für die Sommermonate. Der Lehmboden wird stets feucht gehalten, mit einer konstanten Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent. Das Innere der Scheune erinnert an eine Bibliothek, randvoll mit einer Ausgabe von Vintage-Büchern. Die Weine lagern in ori-

Auserwählte Weine tragen schon mal seinen Namen. (Foto © Peter Thustrup)

ginal Holzkisten, gestapelt vom Boden bis zur Decke. Offene Regale enthalten auch einige seltene Weine, die nicht katalogisiert sind. "Das ist mir ein Vergnügen", sagt Thustrup, der seine Inventarliste visuell im Kopf behält oder, wenn er doch unsicher ist, nur in seinen Notizen nachschlagen muss.

Lebens integriert", erklärt Thustrup. "Heute sind die Menschen immer in Eile. Wir machen alles mit hoher Geschwindigkeit. Ich respektiere das, weil ich auf die gleiche Art und Weise gelebt habe und noch lebe. Aber Wein gibt einem eine ganz andere Perspektive."

EIN WEINmESSIE mIT WEINVERSTAND

WAS LAGERT IN PETER THUSTRUPS WEINSCHEUNE?

Das Thustrup ein Weinmessie wäre, kann man so nicht sagen, dazu ist sein Weinverstand zu ausgeprägt und sein Weinwissen zu vielseitig. Jeden Abend nimmt er eine Flasche zum Dinner für sich oder eine Auswahl für Freunde, die gerne zu Besuch kommen. Er lässt auch mal einen 1982er Latour halb ausgetrunken bis zum nächsten Abend stehen, nur um zu erfahren, wie sich dieser Wein einen Tag später präsentiert – "purer Luxus", kommt einem da in den Sinn. Das Wissen und die Kenntnisse von Thustrup sind auch sehr wertvoll für die Szene der betuchten Weinsammler, die zuweilen auf seinen Rat zurückgreifen können. Doch Thustrups Leidenschaft ist seine private Weinsammlung, die schon aufgebaut wurde, als er vor 30 Jahren anfing, mit Weinen zu handeln. "Wein ist für mich ein Lebensstil, er ist praktisch in jedem Aspekt meines

Die Kellerschätze umfassen 70 Prozent Burgund und 30 Prozent Bordeaux. Darunter bemerkenswerte Vertikalen wie 15 Jahrgänge von Romanée-Conti La Tâche des Zeitraums 1956 bis 2010, zehn Jahrgänge von Romanée-Conti Richebourg des Zeitraums 1964 bis 2010, 13 Jahrgänge Romanée-Conti Echézeaux des Zeitraums 1972 bis 2010, 13 Jahrgänge von Romanée-Conti Romanée Saint-Vivant des Zeitraums 1967 bis 2010, weitere zehn Jahrgänge Romanée-Conti des Zeitraums 1969 bis 2012 sowie zwölf Jahrgänge von Beaulieu Vineyard Georges de Latour Private Reserve für den Zeitraum von 1966 bis 1980. Und so weiter. Die älteste Flasche ist ein Port aus 1870, leider mit einem fast zerstörten Etikett. Die älteste Flasche mit einwandfreiem Etikett ist ein Latour Jahrgang 1900. ■

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Rasteau ist eine französische Gemeinde, gelegen im Département Vaucluse in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Der Weinort liegt am rechten Ufer der Ouvèze ca. 35 Kilometer entfernt von Avignon. Hier sorgt der Mistral, der ganzjährig Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 km erreichen kann, für dauernde Abkühlung, aber auch für rasches Abtrocknen der Trauben nach Regenfällen. (Foto © Véronique Pagnier)

CRU RASTEAU – GROSSES POTENZIAL, DYNAMISCHE ERZEUGER VON DR. STEFAN KRIMM

Auf den ersten Blick macht Rasteau nicht viel von sich her: ein Winzerdörfchen der südlichen Rhône wie viele andere. Alte Häuser, teilweise verwinkelte Gassen, der mit etwas windschiefen Platanen umstandene Dorfplatz, eine kleine Kirche ganz oben, dazu zwei Kapellen. Gut 800 Einwohner, auf die pro Kopf knapp ein Hektar Rebfläche kommt – zusammen sind es 733 Hektar. Die Rotweine gelten wegen der tonigen und mergeligen Kalkböden, der teilweise mächtigen Auflage von Rollkieseln und der südlichen Exposition der Rebflächen im bis auf 350 Meter ansteigenden Hang über der Ouvèze als kraftvoll, ja mächtig. Bisweilen werden sie mit denen von Châteauneuf-du-Pape verglichen. COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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ulien Laugier, ein Sommelier, der, vom „Pic“ in Valence bis zum Ritz Carlton in Shanghai und zum „Jumeirah“ in Dubai weit in der Welt herumgekommen ist und mittlerweile selbst künftige Fachkollegen ausbildet, meint, wenn man bei einer Degustation mit feinen und fruchtigen Weinen beginne, solle man die aus Rasteau besser ans Ende der Reihe stellen, wenn die Schwergewichte kommen. Die selbst gewählte Devise der Appellation „Corps et âme“ unterstreicht das: Wer das Terroir angemessen nutzen will, produziert keine leichten Sommerweine, sondern Speisenbegleiter für die kühleren Tage, wenn Wildgerichte, kräftig gewürzte Lammkeulen, Braten mit reduzierten Soßen und die üppigen Fleischportionen der Daubes Provençales auf den Tisch kommen. „Es sind komplexe, kraftvolle und langlebige Weine“, meint Jean-Pierre Bertrand von der Domaine Grand Nicolet, einer der beiden Sprecher der Winzer, auf die Frage zu den besonderen Merkmalen der Weine seiner Appellation, „sie sind großzügig und gleichzeitig fein.“ Schreiben wir – im Vergleich etwa mit Gigondas oder Beaumesde-Venise – das letzte Adjektiv etwas kleiner, dann trifft er die Sache ziemlich genau. Bemerkenswert ist – etwa im Vergleich mit dem benachbarten Cairanne, wo man sich lange über die Flächenabgrenzung für die eigentlich längst verdiente Cru-Anerkennung herumstritt – in Rasteau die Geschlossenheit und Dynamik der Produzenten: Bei jedem Anlass und auch bei der Gestaltung ihres Internet-Auftritts spürt man, dass sie sich gemeinsam viel vorgenommen haben und dabei dem gegenseitigen Neid keinen Raum geben wollen. Wo sonst findet man so aussagekräftige Porträts einzelner, auch jüngerer Winzer? Üblicherweise treten da die lieben Kollegen aus Gründen der Konkurrenz doch eher ein wenig auf die Bremse. Hier sieht das – ohne die Welt rosa malen zu wollen – doch etwas anders aus. Das mag nicht zuletzt auch mit der mitreißenden und manchmal wohl auch dämpfenden Energie der beiden Sprecher des „Syndicat des Vignerons de Cairanne“ zusammenhängen, der fröhlichen Karine Biscarrat und des soliden, selbstbewussten Jean-Pierre Bertrand. Schaut man sich das örtliche Winzerverzeichnis an, so gewinnt man den Eindruck, dass die aufmerksamen Nachbarn aus Orten, die schon länger als „Crus“ anerkannt sind, das Potenzial des Orts, der diesen Status erst 2010 erreichte, früh erkannten. Nicht wenige Erzeuger aus Gigondas, aus Cairanne und aus Châteauneuf-duPape haben hier – zu eher moderaten Preisen – rechtzeitig Rebland erworben. Die Rechnung mit dem Hektar pro Einwohner stimmt also nicht, denn die Hälfte der mehr als 50 Betriebe gehört „Auswärtigen“! Rasteau galt wegen der unbestreitbaren Qualitäten seines Terroirs schon länger als Geheimtipp: vorzügliche Exposition, Vielfalt der Bodentypen, von steindurchsetzten alten lehmigen Schwemmlandterrassen auf blauen Mergeln im Tal (120 bis 160 m Höhe) über die mit Geröll vermischten gelblichen und grauen Mergel im mittleren Hang (160 bis 290 m Höhe) bis zu den eisenhaltigen, mit den typischen Rollkieseln („galets roulés“) bedeckten rötlichen Böden der oberen Teile, die an Châteauneuf-du-Pape erinnern, aber bis 320 Meter ansteigen, was den Weinen eine gewisse Finesse verleiht. Hinzu kommen die Drainage durch Hangneigung und kiesige Schichten und die wohltätige Wirkung des in seiner vollen Wucht durch die nördliche Hangkante etwas abgebremsten Mistrals: Die Gesundheit der Reben ist hier kein sonderliches Thema und die Windschäden an den langen grünen „Peitschen“ der wüchsigen Syrah im späteren Frühjahr halten sich insgesamt auch in Grenzen.

Oben: Bodenaufbau im Areal der Domaine des Escaravailles. Unten: Typisch für diese Region sind die Rollkiesel (galets roulés). (Foto © Dr. S. Krimm)

Kein Wunder also, dass sich unter den Besitzern auch die allgegenwärtigen Perrins vom Château de Beaucastel, die Coulons von der Domaine de Beaurenard und die Brunels vom Château La Gardine in Châteauneuf-du-Pape finden, die Perspektiven von Rasteau sind einfach zu gut. Auch die Weinliebhaber außerhalb Frankreichs haben das erkannt: 43 % der Produktion gehen bereits in den Export, obwohl Robert M. Parker noch 2011 gemeint hat, selbst der renommierteste Erzeuger am Ort, die Domaine des Escaravailles, liege etwas unterhalb des Radars. Das ändert sich gerade und wer an Spitzenweinen auf hohem Niveau und zu einem Fünftel bis zu einem Drittel des Preises der führenden Erzeuger von Châteauneuf-du-Pape interessiert ist, sollte sich hier einmal umsehen. Sie sind wie dort stark von der Grenache geprägt, die 50 % der Cuvée ausmachen muss. Hinzu treten mit zusammen mindestens 20 % die farbstarke, veilchen- und kräuterwürzige Syrah und die straffe, tanninstarke Mourvèdre, die nicht nur den ständigen Hang der Grenache zur Oxidation bremst und die Weine langlebiger macht, sondern ihnen auch feine Aromen von Unterholz, Leder und kandierten Früchten verleiht. Manche Winzer verfügen auch noch über Parzellen mit alten CarignanReben, die bei niedrigen Erträgen zusammen mit der Mourvèdre für Gerüst und Stoffigkeit sorgen. Verkostet wurden die Weine des Jahrgangs 2015, der von den Winzern zu Recht als ganz vorzüglich eingeschätzt wird. Kräftige Niederschläge hatten im November des Vorjahrs mit einer Gesamtmenge von 250 Millimeter für gute Wasserreserven gesorgt, die zu Beginn der Vegetationsperiode im April noch ergänzt wurden. Die Blüte fand Ende Mai zu idealen, schon fast sommerlichen Bedingungen statt und im Juli und August gab es nicht nur hinreichend Sonne, sondern auch immer wieder einzelne Gewitter, die Hitzestress verhinderten. Insgesamt war es sehr einfach, mit deutlich weniger Arbeit als 2014 gesundes und vollständig ausgereiftes Traubenmaterial zu erhalten, das fruchtige, harmonische, durch reife Tannine geprägte Weine lieferte. Und auch die Menge stimmte!

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Oberer Reihe v. l. n. r.: Elodie Balme, Gilles Ferran (Domaine des Escaravailles), Réjane und Wilfried Pouzoulas (Domaine Wilfried) – untere Reihe v. l. n. r.: Jean-Pierre Bertrand (Domaine Grand Nicolet), Julie Paolucci und Nicolas Bres (Domaine La Luminaille) (Fotos © Dr. Stefan Krimm, Elodie Balme, Domaine Wilfried, La Luminaille)

Diese Weine haben beeindruckt: 2015 Rasteau AC „Héritage 1924“, Domaine des Escaravailles (15,5% vol) – Kräftiges Rubinrot; feinsüße Aromen von roten Beeren und Kirschen mit ganz leicht vegetabilen Noten; am Gaumen hinreißende, kräuterwürzig unterlegte Mischung von Erdbeere, Kirsche und Schwarzkirsche, reif, freigiebig, fast cremig und sehr harmonisch, im sehr langen Nachhall mentholige Noten, die für Spannung und Eleganz sorgen. Ein Wein, der das große Potenzial der Grenache deutlich macht! 17,5/20

2015 Rasteau AC „La Ponce“, Domaine des Escaravailles (15% vol) – Purpurrot; im Duft mineralische, tiefe Kirschfrucht mit Brombeeren; auch am Gaumen fruchtig und mineralisch, viel Kirsche, schöne Würze, etwas Brombeergelee, feinbittere Tannine, schönes Feuer, langer Nachhall. 16,5/20

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as Gut umfasst bis in die höchsten Lagen der Appellation insgesamt 65 Hektar. Gilles Ferran galt schon bei der Ausbildung in Montpellier, wo er Jahrgangsbester war, als vielversprechendes Talent. Seine dort geschlossene Freundschaft mit dem von vielen Erzeugern hoch geschätzten, von ihm als „Magier“ bezeichneten

Önologen Philippe Cambie gibt ihm immer wieder neue Impulse. Mit dem „Calendal“ haben die beiden auch ein weithin beachtetes gemeinsames Projekt realisiert. Der „Héritage 1924“ kommt von einer Parzelle mit bald 100-jährigen Reben einige 100 Meter südwestlich unterhalb der Kellereigebäude. Er zeigte sie mir mit sichtlichem Stolz und pflegt sie wie seinen Augapfel.

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2015 Rasteau AC, Domaine Elodie Balme (15% vol) – Kräftiges, leicht gedecktes Rubinrot; im würzigen Duft frische, fruchtige Kirschen, Waldbeeren und ein winziger Hauch von frisch gemähtem Gras; am Gaumen sehr eigenständig mit klarem Relief, Kirsche, Waldbeeren und Steinobst, etwas Bitterschokolade, geschmeidige Tannine, guter Schliff, schöner Körper, langer Nachhall. 17/20

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ie junge, unternehmungslustige Winzerin, die in diesem Jahr trotz ihrer erst 34 Jahre bereits ihre zwölfte Ernte einbringt, ist dabei, ihr 5,5-Hektar-Gut mit in der Spitze der Appellation zu etablieren. Sie entstammt großväterlicherseits dem für den Wein-

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bau der Region bedeutsamen Familienclan der Charavins und hat unter anderem bei dem Cairanner „Starwinzer“ Marcel Richaud sowie auf der Domaine Beau Mistral gearbeitet, bevor sie sich für die Selbstständigkeit entschied. “Ich denke, man muss die Natur machen lassen und die Erfahrungen der Vorgängergenerationen respektieren“, bemerkt sie. Ihr Ziel sind dabei durchaus kraftvolle, aber nicht zu tanninharte Weine.

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2015 Rasteau AC, Domaine Rabasse-Charavin (15% vol) – Purpurrot; einnehmender, ganz leicht vegetabiler Duft nach Waldbeeren und fleischigen Kirschen mit einem Hauch von Bitterschokolade; am Gaumen dicht mit reifer, harmonischer, geschliffener Kirschfrucht, bestens abgestimmt mit den sehr feinen Bitternoten der runden Tannine, Eleganz und Schliff, sehr langer Nachhall. 16,5/20

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aure Couturier bewirtschaftet zusammen mit ihrer Mutter Corinne, die man getrost als „Grande Dame“ von Cairanne bezeichnen kann, rund 40 Hektar, davon 7,5 in Rasteau. Herbizide und Insektizide sind aus dem Weinberg verbannt, Barriques sucht man im Keller vergebens. Der mittlere Ertrag liegt für den Rasteau bei extrem niedrigen 25 hl/ha und das merkt man den dichten, eleganten Weinen auch an.

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2015 Rasteau AC „Les Cras“, Domaine du Trapadis, AB (14% vol) – Tiefes Purpurrot; im Duft süße, dichte, leicht mineralische Schwarzkirsche; im Mund viel kultivierte Frucht mit Akzenten von reifen Heidelbeeren, feines Spiel, trotz der Jugend schon schöner Schliff, gut eingebundene Tannine, langer Nachhall. 16,5/20 2015 Rasteau AC „Les Adres“, Domaine du Trapadis, AB (14% vol) – Kräftiges Rubinrot; Nase zurückhaltend mit Kirschen und Kräutern; im Mund kirschige Frucht mit Waldbeeren, schöner Schliff, mittlerer Körper, recht langer Nachhall. Braucht im Glas Zeit. 15,5/20

Helen Durand, der nach seinem Studium unter anderem auf Château Beaucastel gearbeitet hat, ist einer der interessantesten Winzer in Rasteau. Nicht nur als bekennender Biodynamiker, sondern auch wegen seiner Neugier und Offenheit für ungewöhnliche Wege. So setzt er seit einiger Zeit Musik aus durch Sonnenpaneele gespeisten Lautsprechern ein, um die Gesundheit seiner Rebstöcke zu fördern. Kennengelernt hat er die Methode bei einem renommierten Winzer an der Loire und er bekämpft damit Krankheiten wie die schon in der Antike bekannte, aber wohl im Gefolge des Klimawandels zunehmende Pilzerkrankung Esca, die vor allem seine älteren Mourvèdre-Bestände gefährdet. Hatte ihre Zuwachsrate in den vergangenen Jahren jeweils 5 % betragen, so will Durand seit dem Beginn der Beschallung einen Rückgang von 70 % beobachtet haben. Seine ungefiltert abgefüllten kraftvollen Weine entstehen im Keller so gut wie eingriffsfrei.

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2015 Rasteau AC „La Bastide“, Domaine Brusset (13,5% vol) – Dichtes, kräftiges Rubinrot; einnehmender Duft nach reifen Waldbeeren und Brombeergelee; am Gaumen kultivierte, ganz leicht geleeige Waldbeerfrucht, feine Würze, schöner Schliff, Biss und Spiel, Verbindung von Stoffigkeit und Eleganz, recht langer Nachhall. Vielversprechend! 16,5/20

Die in Cairanne, dem Nachbarort von Rasteau, ansässige Familie Brusset gilt dort, aber auch in Gigondas, wo sie in den Dentelles de Montmirail über Anlagen verfügt, als feste und zuverlässige Größe.

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Aufgebaut hat das 1947 gegründete, mittlerweile kellertechnisch sehr modern ausgestattete Gut Daniel Brusset, der von seinem Vater André vier Hektar geerbt hatte. Heute sind es 87 Hektar und Sohn Laurent hat die Zügel übernommen.

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2015 Rasteau AC, Domaine Bressy-masson (15 % vol) – Mittleres Purpurrot; einnehmender, ganz leicht metallischer Duft nach fleischigen Kirschen und einer Spur Deckblatt; am Gaumen harmonisch, süß und poliert mit Noten von Kirsche und etwas Schattenmorelle, feinbittere Tannine, mittlerer Körper, recht langer Nachhall. 16/20

Die 1947 gegründete, heute gut 30 Hektar umfassende Domaine Bressy-Masson wird seit 1976 von Marie-France Masson geleitet. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Mann Thierry und ihrem Sohn Paul Emile. Die Solidität ihrer Arbeit wird allgemein anerkannt und das Alter der Reben für ihren klassischen Rasteau (Grenache: 70 Jahre; Syrah: 40 Jahre) ermöglicht regelmäßig die Produktion harmonischer, nie zu tanninharter Weine von schöner Finesse.

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2015 Rasteau AC „Vieilles Vignes“, Domaine Grand Nicolet (15% vol) – Dichtes Purpurrot; kräftige Waldbeeraromen, süßes Kirschfleisch, ganz leicht metallisch, würzige trockene Kräuter; am Gaumen fruchtig, elegant und geschliffen, viel Kirsche und Waldbeeren, feinbittere Tannine, recht langer Nachhall. 16/20

Jean-Pierre Bertrand (52), kräftig, selbstbewusst und optimistisch, wirkt bei aller Dynamik wie der ruhende Pol inmitten der recht quirlig gewordenen Winzerschaft von Rasteau. Sein 31 Hektar umfassendes Gut verfügt über den ältesten privaten Keller am Ort aus dem Jahr 1926 und wird wie Gilles Ferran von Philippe Cambie beraten. Von übertriebener Kellertechnik hält er nicht viel, von intensiver Weinbergsarbeit umso mehr. Momentan plant er den Übergang zur biologischen Bewirtschaftung. Bemerkenswerte 70 % der Produktion gehen in den Export.

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2015 Rasteau AC „Selection Vieilles Vignes“, Domaine Beau mistral (14% vol) – Purpurrot; im komplexen Duft mineralische Waldbeeren mit einer winzigen Spur von zerriebenen grünen Blättern, Pfeffer und Kräutern; am Gaumen kultiviert und geschliffen, feine Nuancierung, rund und ganz leicht süß, ein Hauch Vanille, langer Nachhall. Braucht noch Zeit. 16/20

Jean-Marc Brun verfügt über einen Schatz von 60 bis 100 Jahre alten Reben, die es ihm erlauben, sehr nuancierte Weine zu produzieren. Die „Selection Vieilles Vignes“ kommt aus diesem Bereich. Bei den Vinalies 2016 wurde der Wein von den französischen Önologen mit dem Prix d’Excellence ausgezeichnet. Ohne die etwas gefälligen Vanillenoten wäre er wohl sogar noch schöner.

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2015 Rasteau AC „Cuvée Confiance“, Domaine La Soumade (14,5% vol) – Purpurrot, violette Reflexe; leicht süßer Kirschduft, Spur Holz; am Gaumen elegant, reif und ausgewogen, feine Süße, unterlegt mit feinbitteren Tanninen, schönes Spiel, ein Hauch Bitterschokolade, langer Nachhall, gutes Entwicklungspotenzial. 16/20 2015 Rasteau AC „Cuvée Préstige“, Domaine La Soumade (14,5% vol) – Purpurrot; leicht rauchige Aromen von Kirsche, Kräutern und trockenem Holz; im Mund harmonisch, dicht und recht geschliffen, schöner Stoff, eine winzige Spur Bitterschokolade, langer, noch etwas von den kräftigen Tanninen überdeckter Nachhall, gutes Entwicklungspotenzial. 16/20

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Die 1979 von André Roméro gegründete Domaine la Soumade war über längere Zeit das führende Weingut in Rasteau. Insbesondere in den 1990er-Jahren überschlugen sich die Kommentare der Fachpresse. Mittlerweile haben andere aufgeschlossen, aber die Arbeit von André und seinem Sohn Frédéric, der nach seiner Ausbildung 1996 einstieg, gilt nach wie vor als untadelig. Der Vater, ein erklärter Weinbergsmensch, ist befreundet mit Patrick Carteyron, der etwa gleichzeitig mit ihm im Bordelais mit seinem Château Penin für Aufsehen sorgte. Der Spaß am Blick über den Zaun ging so weit, dass Roméro sich sogar im Anbau von Merlot, Cabernet Sauvignon, Petit Verdot und Tannat versuchte. Aus Bordeaux hat er auch eine Pflanzdichte von 7.000 Stöcken pro Hektar übernommen. Und die Beratung durch den mittlerweile weltweit geschätzten Önologen Stéphane Derenoncourt, der die Weine des Guts nach Überzeugung von Frédéric noch geschmeidiger und finessenreicher gemacht hat.

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015 Rasteau AC „1er NÉ(Z)“, Domaine La Luminaille (15% vol) – Purpurrot mit violetten Reflexen; leicht vegetabile, feinwürzige Aromen von Waldbeeren und Kirschen; im Mund frisch und fruchtig, viel Kirschfleisch, feiner Biss, gut integrierte Säure, mittlerer Körper, schönes Feuer, spürbare Tannine, recht langer Nachhall. 15/20 2015 Rasteau AC „2me NÉ(Z)“, Domaine La Luminaille, AB (14% vol) – Kräftiges Rubinrot, schmaler Rand; im Duft Waldbeeren und etwas Sattelleder; im Mund Waldbeeren und eine Spur Schattenmorelle, mineralische Anklänge, kräftige Tannine, mittlerer Körper, mittlerer Nachhall. Braucht Zeit im Glas! 15,5/20

„Ein großer Wein ist vor allen Dingen ein Terroir-Wein, der die Merkmale seiner Appellation, ihre Böden und die Bedingungen seines Jahrgangs widerspiegelt. Daneben ist die ‚Trinkigkeit‘ (‚buvabilité‘) sehr wichtig: Er muss einfachen Liebhabern ebenso schmecken wie Spezialisten und er sollte mit vielen Speisen harmonieren.“ So antwortet die frühere Pariser Sommelière Julie Paolucci auf die Frage, was einen Spitzenwein ausmacht. Sie denkt nicht nur bis zur Kellertüre. Zusammen mit Nicolas Bres, der sich mit viel regionaler Erfahrung gemeinsam mit ihrem Vater um die Arbeit „draußen“ kümmert, führt die 29-Jährige La Luminaille, einen ganz jungen Betrieb mit 17 Hektar in Rasteau. Der erste Jahrgang wurde 2015 abgefüllt und die Produktion ist mit gut 11.000 Flaschen noch begrenzt. „Wir sind die Generation, welche die Zukunft bestimmen wird“, meint sie selbstbewusst und ihre mannigfaltigen Aktivitäten im Rat der Winzer und als Beauftragte für die Promotion des Crus zeigen, dass sie das ernst meint. Ihre Rebfelder liegen im kühleren Norden der Appellation. Die im großen Holz und in gebrauchten Barriques ausgebauten Weine sind in ihrer Würze, Frische und Fruchtigkeit davon geprägt. Man sollte ihre Domaine im Auge behalten, der Start ist gut gelungen!

dass die Arbeit im Weinberg für sie an erster Stelle steht, wenn es um Qualität geht. Für ihre Cuvée „Septentrion“ verwenden sie 90 % Grenache und 10 % Carignan, das könnte bedeuten, dass ihre Weine „heiß“ und alkoholisch sind, denn ältere Grenache-Stöcke sind, wie mancher karamellige Fehlgriff zeigt, in der Lage, extreme Mostgewichte zu liefern. Hier ist das Gegenteil der Fall: „Wir streben feine, elegante Weine an, pur, mit schöner Frische und Tiefe sowie etwas Spannung“, betont Réjane, “und wir haben es gerne, wenn sie etwas ‚pinotieren‘.“ Dazu passt, dass zu den Zukunftsplänen auch die Weißweinproduktion gehört.

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(AB = Agriculture Biologique) fAZIT – Die Winzer des noch jungen Crus Rasteau sind auf einem guten Weg und bestätigen damit die positiven Einschätzungen ihrer aufmerksamen Nachbarn hinsichtlich des vorhandenen Potenzials. Ein Kompliment verdient hat, gerade in einem sonnenverwöhnten Jahr wie 2015, die fast immer gelungene Bändigung des früher manchmal überschießenden Alkohols. Hatte der eine oder andere befürchtet, dass die Aufstufung in die Champions League der französischen Weinwelt über kurz oder lang zu überschweren, ehrgeizigen Cuvées mit Einsatz von viel neuem Holz führen würde, lässt sich nun feststellen, dass davon insgesamt kaum etwas zu spüren ist. Chapeau!

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NACHTRAG – Eigentlich kann man über Rasteau nicht berichten, ohne auch auf die Domaine Gourt de Mautens einzugehen. Jérôme Bressy (44), ein kompromissloser Winzer der Sonderklasse, den manche in eine Reihe mit den bereits verstorbenen Legenden Henri Bonneau und Jacques Reynaud (Château Rayas) aus Châteauneuf-du-Pape stellen, produziert keine RasteauWeine mehr. Da er, um in der AOC verbleiben zu können, nicht im Reglement zugelassene alte Sorten hätte roden und auch auf den traditionellen Mischsatz hätte verzichten müssen, zog er es vor, auszuscheiden. Aus Carignan, Cinsault, Counoise, Grenache, Mourvèdre, Syrah, Terret Noir und Vaccarèse produziert er einen „IGP Vaucluse“, der in Konzentration, Persönlichkeit, raffinierter Finesse und Alterungsfähigkeit kaum Konkurrenz hat und ihm bei winzigen Erträgen (weniger als 15 hl/ha) ungeachtet des mittlerweile recht stolzen Preises förmlich aus den Händen gerissen wird. Aber das ist eine eigene Geschichte! ■

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2015 Rasteau AC, Domaine Wilfried, AB (14 % vol) – Mittleres Purpurrot; in der Nase Waldbeeren, etwas Heu und ein Hauch dunkle Schokolade; im Mund jung und fruchtig, viel Kirsche und etwas Schattenmorelle, feinbittere Tannine, mittlerer Körper, recht langer Nachhall. Ein fruchtbetonter, frischer Wein mit Entwicklungspotenzial. 15,5/20

2015 Rasteau AC „Septentrion“, Domaine Wilfried, AB (14,5% vol) – Kräftiges Rubinrot; im Duft feine, ganz leicht geleeige Kirscharomen; im Mund junge Kirschfrucht mit vegetabilen Anklängen, etwas trockene Tannine, mittlerer Körper, schöner Nachhall. Sollte noch liegen! 15/20

Die Geschwister Réjane (41) und Wilfried (43) Pouzolas gehören mit ihrem 32 Hektar umfassenden Betrieb seit mehr als zehn Jahren mit zu den Pionieren des biologischen Weinbaus in Rasteau. Kein Wunder,

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Etiketten von Weinen aus Rasteau (Foto © Dr. S. Krimm)

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Frei nach dem Song von Jim Morrison & the Doors "break on through to the other side" begründete Uwe Schiefer 1990 sein Weingut, das heute CharakterWeine aus der Sorte Blaufränkisch produziert. (Foto © Heidi Diehl)

DEM BLAUFRÄNKISCH MIT HAUT UND HAAR VERSCHRIEBEN VON HEIDI DIEHL

Die Kulisse könnte nicht schöner sein: Ich sitze mit Uwe Schiefer auf der Terrasse seines Kellerstöckls am Eisenberg im Südburgenland, im Glas funkelt rubinrot ein „Blaufränkisch Szapary“ 2012. Er erzählt der Nase und dem Gaumen alles über das Terroir, in dem seine Trauben gewachsen sind – auf schwerem, tonigem, eisenhaltigem Lehm, der dem Wein eine etwas jodige Note verleiht.

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ann „plaudert“ er über den Schiefer im Boden, der seine Mineralität in die dunklen Trauben abgibt, sowie über die vielen Wildkräuter, die unbehelligt um den Fuß der Rebstöcke wachsen dürfen. „So muss ein Blaufränkisch sein“, sagt der österreichische Winzer des Jahres 2012 nicht ohne Stolz. „Unverfälscht spiegelt er wider, was die Erde dem Rebstock schenkt.“ „Ich habe nichts neu erfunden, sondern mich auf das Wesentliche zurückbesonnen“, antwortet er auf die Frage, was das Geheimnis seines Erfolges ist. Und erklärt, was er darunter versteht: „Ich will gesunde, reife Trauben von einem gesunden Weinberg so unverfälscht wie möglich in die Flasche bringen.“ Was für ihn bedeutet: keine Reinzuchthefen zu verwenden, die die Gärung in Gang bringen, und nichts der Maische zuzusetzen. „Ich will im Wein die Traube schmecken und sonst gar nichts.“ Seit fast 25 Jahren hat sich Uwe Schiefer, dessen Weingut im südburgenländischen Welgersdorf liegt, dem Blaufränkisch mit Haut und Haar verschrieben, macht Weine mit Herkunft und Charakter. „Es hat mich schon immer gestört, dass auch große Namen der Branche versuchten und es leider immer noch tun, lieber einen Bordeaux zu kopieren, statt

den Blaufränkisch mit seinen unverwechselbaren Stärken in die Flasche zu bringen. Wir haben hier die besten Bedingungen für große Weine, der Blaufränkisch ist nicht austauschbar, den gibt es nur hier und ein wenig in Ungarn und Baden-Württemberg.“

Das kann man mit Fug und Recht sagen: Schiefer hat diese Rebsorte auf den Sockel gehoben. Doch damit er dort einen guten und sicheren Stand hat, legte er zunächst viel Wert darauf, diesen grundsolide zu errichten. Verbunden mit Pleiten, Pech und Pannen, aber vor allem mit viel Leidenschaft und Heimatliebe. Die Eltern betrieben ein eigenes Gasthaus in Großpetersdorf, einem südburgenländischen Dorf, umgeben von Weinbergen. Dass er in ihre Fußstapfen treten würde, war irgendwie immer klar, also besuchte er eine Hotelfachschule im Salzkammergut. Seine Liebe und später die Leidenschaft für Wein entdeckte er dann während seiner Tätigkeit in der Gastronomie. 1990 bekam der 22-Jährige einen Job im „Steirereck“, einem der besten Wiener Restaurants. „Das war schon so etwas wie ein Sechser im Lotto“, erzählt er. „Doch es kam noch besser. Ich wohnte zur Untermiete beim Chefsommelier, der ganz schnell merkte, dass ich mich sehr für Wein interessiere – und der dazu auch noch aus dem Burgenland kam. Nach Dienstschluss saßen wir oft

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zusammen, verkosteten ein schönes Fläschchen und diskutierten stundenlang über dessen Inhalt. Die Rotweine aus unserer gemeinsamen Heimat hatten es mir schon damals besonders angetan. Dennoch ist es ein Weißer, der mir für immer unvergessen bleibt – ein Grüner Veltliner Hundsleiten vom Weingut Pfaffl. Noch heute läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken, wenn ich an ihn denke. Von da an wollte ich alles über Wein wissen. Das war fast wie eine Krankheit, wie ein Virus, der mich befallen hat“, erinnert sich der Winzer. Obwohl die Arbeit im Restaurant anstrengend war und die Tage oft erst sehr spät endeten, nutzte er zu Hause jede freie Zeit, sich auch praktisch mit dem Wein zu beschäftigen: Er half Freunden bei der Weinlese, schaute den Winzern im Keller über die Schulter, „löcherte“ sie mit seinen Fragen, verbrachte zu jeder Jahreszeit ungezählte Stunden im Weinberg. Der Wunsch, eigene Weine zu machen, wurde immer stärker. Doch Uwe Schiefer wollte mehr wissen, deshalb schrieb er sich 1993 in den ersten Diplomstudiengang der Weinakademie Rust ein. Drei Jahre später verließ er sie vollgepackt mit praktischem und theoretischem Wissen. Den ersten eigenen Wein ohne fremde Hilfe machte er 1994 – natürlich einen Blaufränkisch. „Hand aufs Herz, wie war er?“, möchte ich wissen. Schiefer macht's spannend. Bevor er auf die Frage antwortet, öffnet er erst mal eine Flasche seines Grünen Veltliners, dessen Reben er nicht nur in Erinnerung an den Pfaffl’schen „Gottestrunk“ selbst in seinen Weingärten kultiviert, sondern weil er das „Markenzeichen der Österreicher“ persönlich sehr mag. Sattgelb funkelt er im Glas, kräftige Noten von Pfirsich und Zitrusfrüchten in der Nase, und am Gaumen schmeckt man die mineralische Erde, in der die Reben wurzelten. Im Abgang dann ausgeprägt das typisch Pfeffrige, das den Wein so unverwechselbar macht. Was wohl der Pfaffl dazu sagen würde, geht es mir durch den Kopf. Als ob Uwe Schiefer meine Gedanken lesen könnte, sagt er: „Der schmeckt dem Pfaffl auch, er hat mich schon ein paar Mal besucht, kennt meine Weine inzwischen so gut wie ich seine.“ Nun aber zurück zum ersten Selbstgemachten. Wie also war er? „Für das erste Mal ganz ordentlich“, sagt er bescheiden. Besser aber könne er sich an den 1995er erinnern: „Von dem habe ich letztes Jahr eine Flasche geöffnet, als wir unser 20-jähriges Betriebsjubiläum gefeiert haben. Der war noch immer gut. Das war übrigens auch der Wein, der mir in der Fachwelt relativ schnell einen guten Namen eingebracht hat.“ Als er den ins Fass brachte, war Uwe Schiefer noch gar kein Winzer, das wurde er, wenn man es genau nimmt, erst am letzten Tag des Jahres 1997. Das war auch sein letzter Tag im „Steirereck“. Der junge Mann hatte sich entschlossen, nach Hause ins geliebte Burgenland zurückzukehren, um dort in Großpetersdorf mit seiner Familie den elterlichen Betrieb zu übernehmen und sich intensiver dem Weinbau zu widmen. 0,6 Hektar bewirtschaftete er so die nächsten zehn Jahre „nebenher“, dann verpachtete er das Gasthaus , konzentrierte sich auf den Weinbau und gründete im benachbarten Welgersdorf ein kleines Weingut mit sieben Hektar Rebfläche. Inzwischen sind es 15. „Wir haben viele dieser alten, teilweise verwilderten oder stillgelegten steilen Weingärten erworben, mühevoll gerodet und neu ausgepflanzt. Die meisten Flächen befinden sich rund um den Eisenberg, auf rund 90 Prozent meiner Flächen wächst der Blaufränkisch. Der Eisenberg gibt dieser Rebsorte alles, was sie braucht: den Schiefer und das oxidierte Eisen, das dem Wein eine sehr mineralische Note verleiht. Der Eisenberg bestimmte übrigens auch eines meiner liebsten Seminare, die ich über Jahre an der Ruster Weinakademie als Dozent abgehalten habe. Unter dem Motto 'Blaufränkisch – Who is the best?' haben wir darin auch diese Rebsorte aus verschiedenen Anbaugebieten verkostet. Die Südburgenländer waren immer 'everybody's darling'.

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Wenngleich sie ein bisschen mehr Ansprache brauchen. Der Blaufränkisch von hier ist eben etwas Besonderes, kein Wein für den Massengeschmack, ein Wein, der auch Zeit braucht. Das Südburgenland ist eine langsame Region.“ Das Langsame und ein extrem hoher Qualitätsanspruch kann aber auch zu einem Problem werden. Uwe Schiefer kann ein Lied davon singen. Denn das Geschäft muss laufen, und das kann es nur, wenn der Winzer auch Wein zum Verkauf hat. Und genau das war in den letzten Jahren oftmals ein riesiges Problem für ihn. Jedes bisschen Geld hat er in den Ausbau seines Betriebes gesteckt, Reserven waren nicht da. Und dann kamen schlechte Jahre, die Natur spielte verrückt. Von den Jahren zwischen 2012 und 2016 waren drei katastrophal. Einen besonderen Verlust erlitt der Winzer im Winter 2012/2013. Da gab es am Eisenberg einen Hangrutsch eines über Jahrzehnte vernachlässigten privaten Weinbergs in Steillage, der einen seiner darunterliegenden Weinberge zerstörte. Den hatte er zuvor in mühevoller Handarbeit aufgerebt. 2013 sollte er das erste Mal gelesen werden, nun waren die Arbeit und die Hoffnung von Jahren zerstört. Uwe Schiefer fing noch einmal an, bepflanzte die Fläche neu, doch wieder pfuschte die Natur dazwischen: 2016 zerstörte den Berg ein Hagelschlag erneut und nicht nur diesen, auch in anderen Flächen tobte sich Petrus kräftig aus. „2016 war ein ganz und gar mageres Jahr“, erinnert sich der Winzer. „Erst strenge Winterfröste, dann ein sehr heißes Frühjahr, sodass die Reben schnell austrieben. Das rächte sich, denn in der Nacht zum 29. April kamen Spätfröste, die drei Nächte anhielten. Da ging extrem viel kaputt. Und als ob wir Winzer hier in der Region damit nicht schon genug gestraft gewesen wären, hatten wir am 12. Juni einen Hagelsturm und am 15. August noch einmal einen. Fünf Weinberge musste ich in diesem Jahr komplett aufgeben. Aus den wenigen Parzellen, die einigermaßen glimpflich davongekommen waren, haben wir in zahlreichen mühevollen Erntedurchgängen Traube für Traube rausgepickt. Die Leute waren am Ende des Tages so fertig, dass sie nicht einmal mehr essen wollten, sondern nur noch ins Bett. In normalen Jahren brauche ich mit einem guten Team so 12 bis 15 Erntetage, wir haben 30 Tage gebraucht, und dennoch blieben die meisten Fässer leer. Denn sind normalerweise Erträge von rund 72.000 bis 75.000 Liter im Jahr von den 15 Hektar zu erwarten, so waren es 2016 nur 14.000. Für mich die absolute Katastrophe, denn auf Rücklagen konnte ich nicht zurückgreifen.“ Nun war guter Rat teuer. Da bekam er einen Tipp von Dr. Henrik Möbitz, einem leidenschaftlichen "Garagenwinzer" in Freiburg im Breisgau. „Versuch‘s doch mal mit Crowdfunding“, schlug er vor. Gesagt, getan! „Ich brauchte 100.000 Euro, um die kaputten Parzellen zu sanieren und für den Kauf von fünf weiteren. Also versuchte ich es. Ich habe unter anderem einen Film gedreht, in dem ich den Leuten von meinen Weinen, meiner Philosophie und meinen Sorgen erzähle, und sie gebeten, mir zu helfen. Im Gegenzug für 500 Euro Unterstützung bot ich ihnen acht Jahre lang Weinpakete und zehn Prozent Ermäßigung auf künftige Einkäufe. Der Vertrag mit der Crowdfunding-Plattform war der, zunächst nur meine rund 600 Kunden anzuschreiben und dadurch innerhalb eines Monats 25 Prozent der Summe zu schaffen. Das Echo war überwältigend, bereits nach zwei Wochen waren 33.000 Euro zusammen. Dann ging der Hilfeaufruf über die Plattform in die Öffentlichkeit – und ich konnte zuschauen, wie rasant der Balken von Tag zu Tag hochging. Am 2. November war die Gesamtsumme erreicht, ursprünglich hätte ich Zeit bis zum 31. Dezember gehabt. Trotz aller Abzüge blieb genug Geld, um die Vorhaben zu verwirklichen.“ Viele treue Kunden, aber auch viele, die bislang noch nicht zu Uwe Schiefers Fans gehört hatten, haben investiert, um ein Weingut zu retten und durch die Arbeit, die der Winzer macht, auch ein

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Stückchen Kulturlandschaft im Südburgenland. Denn über Jahrzehnte blieben sich hier immer mehr Flächen in der arbeitsintensiven Steillage selbst überlassen, auf denen einst Reben angepflanzt wurden. Uwe Schiefer und ein paar andere Enthusiasten gehören zu den Idealisten, die dort nicht nur wieder Wein produzieren oder künftig produzieren wollen, sondern das auch in höchster Qualität. Uwe Schiefer aber will noch mehr. Deshalb ist der Perfektionist schon vor einigen Jahren einen Schritt gegangen, für den er bei so manchem nur ein müdes Lächeln, bei anderen gar Unverständnis hervorrief. Er legte einen Versuchsweingarten mit Unterlagsreben an. „Mein Problem war, dass ich teilweise Blaufränkischtrauben hatte, die riesengroß und schwer waren, aber kaum Geschmack mitbrachten“, erzählt er. „Und dann gab es wiederum andere, die waren kleinbeerig, hatten eine schöne dicke Schale und viel Geschmack. Die wollte ich ausschließlich haben, wusste aber nicht so recht, wie ich das schaffen soll. Ich habe Kollegen im In- und Ausland befragt, und die sagten mir, dass das Problem mit der Unterlagsrebe zusammenhängen könne. Die gängigen, die man in den Rebschulen bekommt, bringen zwar sichere Erträge und haben eine frühe Reife, erzielen aber leider nicht die von mir gewünschte Qualität. Sie sind eben für Durchschnittsböden gezüchtet. Doch der Boden hier in der Region, der in den heißen und trockenen

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Sommern im Südburgenland von den Rebstöcken besondere Anstrengungen verlangt, um hervorragende Qualitäten zu erbringen, braucht besondere Unterlagsreben. Und so habe ich über Umwege in Italien und Frankreich zehn verschiedene Unterlagsreben besorgt, in einer Rebschule im Südburgenland meinen Blaufränkisch auf diese zehn veredeln lassen und in einen Weingarten mit zehn verschiedenen Reihen gepflanzt. Sechs Jahre lang habe ich beobachtet, welche die besten für meine Böden sind. So haben wir die richtigen gefunden.“ Doch selbst das reichte Schiefer noch nicht: Er holte sich den „Rebenflüsterer“ Jean Claude Bourguignon, einen der berühmtesten Geologen aus Frankreich, um noch mehr zu lernen über die Zusammenhänge von der richtigen Erde zu den richtigen Reben. Rund 7.000 Euro hat ihn das gekostet, doch jede Minute war es ihm wert. „An dem einen Tag habe ich so viel gelernt, wie ich in zwei Jahren Klosterneuburg oder Geisenheim nicht hätte lernen können. Wenn der nur ein Blatt angeschaut hat, wusste er schon, was im Boden los ist.“ Inzwischen züchtet Schiefer für jede seiner Lagen die ideale Unterlagsrebe. „Sehen Sie, der Königsberg, neben dem Eisenberg, dem er vorgesetzt ist, meine zweite große Lage, ist der einzige Berg im Südburgenland mit Dolomitkalk. Der braucht eine ganz andere Rebe als der Eisenberg, um besondere Qualitäten hervorzubringen.“ Wenn er einen seiner Blaufränkischen besonders hervorheben sollte, welcher wäre es dann, frage ich ihn. Die Antwort kommt prompt: „Der aus den ältesten Reben vom Eisenberg. Die sind im Durchschnitt 45 bis 50 Jahre alt. In einem guten Jahr erzeuge ich davon 4.300 bis 5.400 Flaschen. 2014 und 2016 gab es leider gar keine und 2013 wegen der Hagelschäden nur 1.200. Dieser Wein ist schon etwas Besonderes. Ihn sollte man nach dem Kauf am besten für lange Zeit vergessen, der lange Atem wird garantiert irgendwann belohnt.“ Wenn Uwe Schiefer sich auch einen Namen als einer der ganz großen Blaufränkischerzeuger gemacht hat, stehen auch die anderen Sorten hoch im Kurs. Mir hat es besonders sein Roter Traminer angetan, maischevergoren, ohne Schwefel, und mit 14 Volumprozent nicht gerade ein Schmalhans. Schon die gelborange Farbe und der intensive Geruch machen neugierig und lassen Besonderes erwarten. Beim ersten Schluck denke ich kurz: Greif dir die Flasche und verschwinde damit irgendwohin, wo dich niemand finden kann. Man möchte ihn ganz für sich allein und gleichzeitig mit jemandem genießen, der ähnlich tickt. 1.200 Flaschen (36 €) gibt es in guten Jahren, manchmal eben auch gar keine. Ebenfalls eine Offenbarung für mich sein „Weißer Schiefer S“, eine Cuvée aus Welschriesling und Grünem Veltliner. Das Jahr 2017 brachte nicht nur unendlich viel Arbeit mit der Pflege sowie dem Neu- und Wiederaufbau seiner Reblagen. Da war auch das Bangen und Hoffen auf einen endlich wieder guten Jahrgang. Es hat sich gelohnt, die Fässer sind voll, die Qualität der Trauben war gut bis sehr gut. Nun bleibt die Arbeit im Keller. Aber da muss einem bei einem wie Uwe Schiefer nicht bange sein. ■

Uwe Schiefer, der Wein-Perfektionist (Foto © Heidi Diehl)

Infos und Kontakt: www.weinbau-schiefer.at

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Die Breitengrad-Winzer würden es gerne sehen, wenn sich die Organisation auch nach Sachsen ausdehnen würde. (Foto © Heidi Diehl)

BREITENGRAD 51, BERGSTERN UND GROSSES GEWÄCHS VON HEIDI DIEHL

Die Jahrgangspräsentation 2017 der Vereinigung Breitengrad 51 am 12. August 2017 war für die rund 200 Freunde der Weine von Saale und Unstrut ein Termin, auf den sie sich lange gefreut hatten. Wie schon in den Vorjahren war die Erwartungshaltung groß. Was würden die BreitengradWinzer, die seit dem letzten Jahr von sechs auf acht angewachsen sind, in diesem Jahr einschenken? Was sind die Favoriten, und wie viele Weine überhaupt haben es 2017 in den regionalen Olymp geschafft? COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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evor es an die Verkostung ging, flanierten die Gäste erst einmal erwartungsfroh und bestens gelaunt durch die altehrwürdigen Mauern des ehemaligen Klosters Pforta, das schon zum zweiten Mal Gastgeber des Events war – mit einem Glas „Allerhand“ zur Einstimmung in der Hand, auch das inzwischen schon eine gute Tradition. Diesen leichten Sommerwein, stets eine Cuvée aus mehreren gebietstypischen Rebsorten, gibt es seit 2014, er ist ein echtes Stück Gemeinschaftsarbeit der Breitengradwinzer. Steuert doch jeder einen Grundwein bei, diesmal waren es Müller-Thurgau, Gutedel, Riesling, Bacchus, Weißburgunder und Elbling, die sich aufs Schönste vermählen und neben dem Genuss gleichzeitig noch Gutes tun. Denn ein Teil des Erlöses unterstützt alljährlich ein gemeinnütziges Projekt in der Region.

Niederschlägen an Saale und Unstrut ein schwieriges für die Winzer gewesen. Dass die Burgunder damit insgesamt besser zurechtkamen als die Rieslinge, die Roten besser als die Weißen, habe sich dann auch bei der Auswahl der Weine gezeigt, bei der die Jury „eine der schwierigsten Aufgaben bislang“ zu meistern hatte. Widmen wir uns zunächst den vier Weißweinen. Geschafft hat es ein Weißburgunder 2016 vom Freyburger Schweigenberg (A 13,0 %, S 5,5 g/l, RZ 6,3 g/l) vom Weingut Böhme & Töchter. Wie Marika Sperk (geborene Böhme, die vor wenigen Monaten Mama von Zwillingen wurde) sagte, wurden die Trauben mit 96 °Oe gelesen, drei Monate lag der Wein in einem einmal gebrauchten Barriquefass. Herausgekommen ist ein kraftvoller und dennoch sehr weicher Schmeichler, der garantiert viele Freunde finden wird.

Die diesjährige Präsentation stand unter dem Motto: „Breitengrad 51, Bergstern und Großes Gewächs“. Neben den „gestandenen“ Breitengrad 51-Weingütern Böhme & Töchter aus Gleina, Born aus Höhnstedt, FrölichHake, Gussek, Hey (alle Naumburg) und dem Landesweingut Kloster Pforta waren natürlich auch die beiden neuen Mitglieder dabei, das Weingut Wolfram Proppe aus Laasdorf und das Weingut Zahn aus Kaatschen (beide liegen in Thüringen). Außerdem präsentierte das Gleinaer Weingut Klaus Böhme wie bereits im Vorjahr seine „Bergsterne“, wie er seine Spitzenweine nennt. Erstmalig waren auch die VDP-Mitglieder Weingut Lützkendorf und Weingut Pawis aus Saale-Unstrut sowie die Weingüter Schloss Proschwitz und Klaus Zimmerling aus Sachsen dabei. „Mit diesem gemeinsamen Auftritt wollen wir zeigen und den Beweis antreten, dass uns alle die gleiche Philosophie eint, nämlich absolut höchste Qualität zu erzeugen und die Herkunft unserer Weine schmeckbar zu machen“, sagte Matthias Hey, der zu den Mitbegründern der Vereinigung gehört.

Den zweiten Weißburgunder der Runde steuerte Matthias Hey bei – einen 2016er vom Naumburger Steinmeister (A 13,4 %, S 5,9 g/l, RZ 5,5 g/l), der zum Teil kurz im Fass lag. Für mich ein typischer Hey, sehr frisch, Zitrusfrüchte in Nase und Mund, mineralisch, fruchtige Finale, mit leichten Bittermandelnoten. Nicht so kräftig wie der von Böhme & Töchter, qualitativ stehen sich beide in nichts nach.

Dass das allen 13 vorzüglich gelang, sei schon einmal vorab gesagt. Wenngleich es leider kaum möglich war, wirklich jeden Wein zu verkosten, dafür war der Abend einfach zu kurz. Denn neben den neun neuen Breitengradweinen hatten alle Winzer zusammen noch weitere 56 Weine mitgebracht. Aus meiner Sicht zu viele. Ich fände es besser, man würde sich stärker auf die Breitengradweine und einige wenige Vergleichskandidaten konzentrieren – eben ganz dem Motto der Veranstaltung angepasst. Alles andere überfordert mit der Zeit den Gaumen und lenkt die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Stars des Abends ab. Bleiben wir also nun bei diesen. Wie Matthias Hey sagte, sei das vergangene Jahr mit einem extrem heißen Sommer und sehr wenig

Wie schon im vergangenen Jahr schaffte es vom Weingut Frölich-Hake ein 2016er Grauburgunder vom Freyburger Edelacker (A 13,5 %. S 4,8 g/l, RZ 1,3 g/l) in die Champions-League. Einer, der kein Holz gesehen hat (Volker Frölich: „Ich will zeigen, dass es auch ohne geht.“), der mich aber absolut begeistert. Ein irrer Duft nach reifen Birnen in der Nase, entfaltet er im Mund eine fruchtige Note nach Birnen und etwas grünem Apfel, verzaubert mit einem wunderbaren cremigen Mundgefühl und einem langen Abgang. Wunderbar! Für mich die Nummer zwei bei den Weißen, nur knapp hinter meinem absoluten Favoriten, einem Riesling (A 12.5 %, S 7,1 g/l, RZ 5,3 g/l) von André Gussek, dessen Trauben er am 8. November 2015 als letzte des Jahres von der Einzellage Naumburger Steinmeister gelesen hat. Seitdem durfte er bei „kontrolliertem Nichtstun“ (Gussek) 18 Monate im Keller auf der Feinhefe reifen. Erst Ende März füllte er diesen göttlichen Trunk in die Flaschen. Ihn so zu nennen, ist in diesem Fall wirklich angemessen. Ein Freund und exzellenter Weinkenner sieht in ihm sogar „einen der besten Weine, die je an Saale und Unstrut gemacht wurden“. Gussek selbst ist „ziemlich glücklich“ mit dem Ergebnis und überzeugt, dass ihm „ein großer Wurf“ gelungen ist. Von diesem Wein wollte sich schon meine Nase gar nicht mehr lösen, allein der fruchtige Geruch nach satt reifen Aprikosen und Pfirsichen löst schönste Geschmacksfantasien aus. Endlich

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LOGO (© Breitengrad51)

auf der Zunge, hält er nicht nur, was die Nase verspricht, mit seiner harmonisch präsenten Säure schmeichelt sich der kräftige Tropfen regelrecht ein, ehe er sich mit einem langen fruchtigen Abgang verabschiedet. Bei diesem Wein wünscht man sich, ein Zauberglas zu besitzen, das sich wie von Geisterhand immer wieder neu füllt. Wer ihn genießen möchte, sollte sich sputen, lange wird der ohnehin kleine Vorrat nicht reichen. Nun zu den Roten, die mengenmäßig diesmal fünf zu vier gegen die Weißen siegten. Born (2014er Höhnstedter Kreisberg, A 13,5 %, S 6,0 g/l, RZ 0,0 g/l), Gussek (2015er Kaatschener Dachsberg, A 13,0 %, S 4,9 g/l, RZ 0,9 g/l), Hey (2013er Naumburger Steinmeister, A 14,0 %, S 4,9 g/l, RZ 0,3 g/l) und Kloster Pforta (2015er Saalhäuser, A 13,5 %, S 5,3 g/l, RZ 0,5 g/l) konnten mit einem Blauen Zweigelt punkten, einzig Böhme & Töchter tanzte mit einem Spätburgunder (2015er Freyburger Schweigenberg, A 13,0 %, S 4,9 g/l, RZ 0,2 g/l) aus der Reihe. Mein Favorit: der Wein von Hey, weil mir bei ihm meine Zunge signalisierte, dass er seine Kanten bereits ein wenig „abgeschliffen“ hat. Auch der extrem trockene Zweigelt von Born gefiel mir bereits ganz gut. Die anderen geben für meinen Geschmack alle ein großes Versprechen ab, ob sie es halten, wird sich wohl erst in einigen Jahren zeigen. Wolfram Proppe und André Zahn, die beiden Newcomer, waren laut Satzung in diesem Jahr noch nicht berechtigt, Weine zur Bewertung als Breitengrad 51-Weine einzureichen. Was sie jedoch den Besuchern einschenkten, zeigt, dass beide in der Vereinigung völlig richtig aufgehoben sind. Sie stehen den anderen in nichts nach. Man darf sehr gespannt sein, welche Weine sie im nächsten Jahr in die Waagschale werfen und wie die Jury sie bewertet. Und es bleibt zu hoffen, dass die Vereinigung auch noch einmal die eigene Satzung kritisch unter die Lupe nimmt. Denn, wie Wolfram Proppe erzählte, habe er schon von Anfang

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56 ausgewählte Weine standen einem interessierten Publikum zur Verkostung an. (Foto © Heidi Diehl)

an Interesse an einer Mitgliedschaft in der Vereinigung gezeigt, hatte aber bislang gar keine Chance, aufgenommen zu werden. Denn die Satzung besagt, dass für Breitengrad-Weine ausschließlich die klassischen Rebsorten der Region Saale-Unstrut wie Riesling, Weiß- und Grauburgunder und Roter Traminer sowie Blauer Zweigelt und Spätburgunder zugelassen sind. All diese hatte Proppe bis vor einiger Zeit noch gar nicht in seinen Weinbergen stehen, erst neuerdings wachsen bei ihm auch Riesling und Weißburgunder. Anstelle der Klassiker kultiviert er seit Jahren einen hervorragenden, in der Region wie in ganz Deutschland leider untypischen Auxerrois, der unglaublich viel Spaß macht. Auch seine Cuvée aus Pinot Blanc und Chardonnay ist ein herausragender Tropfen, doch nach jetziger Satzung hat er keine Chance, jemals ein BreitengradWein zu werden, weil bislang weder Auxerrois noch Chardonnay zu den zugelassenen Sorten zählen. Möglicherweise schafft

das der Weißburgunder „Lignum“ von André Zahn. Ein sehr feiner, eleganter Wein, der seine Raffinesse wohl auch der Tatsache zu verdanken hat, dass Zahn den Most im Barrique vergären ließ. Durchweg Spitzenweine waren auch all jene, die die VDP-Winzer und Klaus Böhme mitgebracht hatten. Für mich war von diesen der Grauburgunder 2015 Großes Gewächs von Klaus Zimmerling der absolute Favorit – würzig, satte Frucht und unendlicher Schmelz. Auch der Weißburgunder 2015 Großes Gewächs von Schloss Proschwitz ist ein Wein, den man garantiert nicht stehen lässt: ein fruchtiger, mineralischer Wein mit feiner, gut eingebundener Säure und leicht salzigem Abgang. Klaus Zimmerling übrigens würde es sehr gut finden, wenn sich die Vereinigung Breitengrad 51 auch auf Sachsen ausdehnen würde. Auch dort gebe es zahlreiche

vergleichbare Winzer, die nach der gleichen Philosophie arbeiten wie die Kollegen in Saale-Unstrut. Hey findet die Idee vom Grundsatz her gar nicht schlecht, könne sich aus rein logistischen Gründen aber eher vorstellen, dass die Sachsen einen eigenen Zweig aufbauen. Denn: „Wir tun uns oftmals schon in der Region schwer, uns regelmäßig alle zwei Monate zum Erfahrungsaustausch zu treffen.“ Insgesamt gesehen zeigte der Abend einmal wieder, dass die Breite der Spitzenwinzer im Osten Deutschlands größer und auch enger geworden ist. Ein gutes Zeichen, man kann nur hoffen, dass der VDP das auch endlich merkt. Auch dessen vier Mitglieder aus SaaleUnstrut und Sachsen würden sich über ein paar mehr Mitstreiter aus ihren eigenen Reihen absolut nicht ärgern. Einige, bei denen sich der Adler endlich niederlassen könnte, stellten das in Schulpforta erneut eindrücklich unter Beweis. ■

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„DER WEIN-TALK“

Armin Diel tritt kürzer – Tocher Caroline leitet das Schlossgut. (Foto © Schlossgut Diel)

ARMIN DIEL: SCHARFSINNIGER FÜR GENUSS UND WEIN VON HERMANN-JOSEF BERG

Viel Positives, viel Negatives habe ich über Armin Diel gehört. Zutreffendes, Angedichtetes. Jetzt sitze ich in seinem Büro. Das Interieur passt zu einem „Elder Statesman of Wine“. Einem Großen der Branche. Geschätzt, umstritten. Als VDPWeingutsbesitzer, als Kämpfer für Weinbaureformen, als Journalist.

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er 64-Jährige scheint mittlerweile in sich zu ruhen. Vielleicht mit einer Spur von Arroganz. Auf jeden Fall ziemlich selbstbewusst. Zumal seine Themenanalysen und sein Wissen seine Selbstsicherheit zu rechtfertigen scheinen. „Sind Sie ein charismatischer Mensch?“ – lautet meine erste Frage. Armin Diel schmunzelt, umgeht die direkte Antwort mit der Gegenfrage: „Mögen Sie etwas Wasser?“ Wasser statt Wein? Pieroth, Diehtylenglykol – ich weiß auch nicht, warum mir jetzt diese Assoziationen in den Sinn kommen. Als ich diese befleckten Wörter zum Ausdruck bringe, verhält sich mein Gegenüber salomonisch. Er sei mit den Pieroths (Erklärung: heute WIV) gut befreundet ... „Aber es

erstaunt mich immer wieder, dass auch über 30 Jahre nach dem Skandal diese Begriffe in Erinnerung geblieben sind, wobei die wenigsten wissen, worum es seinerzeit eigentlich ging. Die Ursachen all dieser Skandale lagen in historischen Fehlern des Weingesetzes von 1971.“ ExPORT-LöSUNG „LIEBfRAUENmILCH“?

Die jetzt beim Thema Liebfrauenmilch (Liebfraumilch) vermieden werden sollten? Diel wird wieder diplomatisch: „Dies waren viele Jahrzehnte im letzten Jahrhundert durchaus ehrenwerte Exportweine, die geschmacklich eher im trockenen bis halbtrockenen Bereich angesiedelt waren. Aber eine Wiederbelebung dieser Marke, nachdem das internationale Image mit Attri-

buten wie süß und billig heruntergewirtschaftet wurde, beschert mehr Fragen als Antworten. Inzwischen sind trockene Große Gewächse in der Welt qualitativ anerkannt.“ Dem deutschen Wein attestiert das VDPPräsidiumsmitglied in der Spitze ein weltweit verbessertes Image. Das aber nicht den gegenwärtigen Exportrückgang von rund 20 Prozent kompensieren kann!? Diel stellt klar: „Ich bin nicht der Richtige, um spontan zukunftsfähige Konzepte für Liebfrauenmilch & Co. vorzuschlagen. Das ist nicht meine Welt! Überzeugt bin ich jedoch davon, dass neben erstklassigen trockenen Weinen vor allem feinfruchtige Rieslinge in den Kategorien der klassischen Kabinettweine und Spätlesen zu den deutschen Spezialitäten zählen, die nirgendwo auf der Welt zu imitieren sind.“

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Natürlich hätte Armin Diel Vorschläge, aber er ist zurückhaltender geworden. Er will nicht mehr der Hansdampf in allen Gassen sein, schon gar nicht dogmatisieren. Was ihm jedoch unverändert wichtig ist: die Suche nach Qualität. Sie fand schon im „Westfälischen Frieden 1648“ einen ersten Höhepunkt. Die juristische Geschichte dazu machte ihn zum „Testesser-Fall“ in der Rechtsliteratur. Seinen Besuch in dem Münsteraner Restaurant bezeichnete er Anfang der 1980er-Jahre in dem Magazin „Tipps für Gourmets“ als totalen Reinfall. Der Kelch einer 500.000 DM-Schadenersatzforderung des wenig friedenswilligen Gastronomen ging nach rund zehn Jahren und einem für Diel günstigen Urteil des Bundesgerichtshofs an ihm endgültig vorbei. Empfand er im Nachhinein nicht doch etwas Reue? „Keineswegs, nachweislich stimmte doch alles!“ SCHARfRICHTER UNTER DEN GASTROKRITIKERN

zehnten zum großen Aufsteiger unter Deutschlands Weinbauregionen gemacht. Jetzt müssten „die Jungen“ weitere Akzente setzen, Potenziale seien vorhanden. Diese sehe er im Weinjournalismus eher nicht. „Wo sind heute die neuen Koryphäen der deutschen Weinliteratur?“ CHARISmATISCHER mEINUNGSmACHER

Diel hinterfragt gerne. Fallbeispiel Politik: „Warum soll eine erneute GroKo besser sein als eine Jamaika-Koalition? Und was würde eine Neuwahl bringen?“ Oder in seinem Ur-Metier: „Es ist sehr erfreulich, wie positiv sich das Kochen in Deutschland entwickelt hat – und es muss ja auch nicht nur Sterneküche sein. Aber wissen wir wirklich, ob zu Hause tatsächlich qualitätsorientiert

gekocht oder am Ende nicht doch nur Fast Food gegessen wird?“ Der Mann provoziert Meinung. Und er macht Meinung. Gestern und heute. In Deutschland, im Ausland. In seinem Bücherregal steht, direkt neben Platon und Schopenhauer, der Titel „Der Weingraf“ – ein Porträt über den Suizid-Fall Graf Matuschka-Greiffenclau vom Rheingauer Schloss Vollrads. „Erwein war zweifelsfrei ein Visionär“, urteilt Armin Diel anerkennend, „aber wohl doch kein Pragmatiker!“ Für mich gehören beide in die „Rubrik“ Charismatiker. „Das überlasse ich Ihrem Urteil“, entgegnet Diel und fügt hinzu: „Eines war ich jedenfalls nie – jemand, der sich um Aufmerksamkeit bemühte!“ Gefunden hat er sie dennoch – der Scharfsinnige für Genuss und Wein! ■

Hier tritt sie wieder in Erscheinung, die an Arroganz grenzende Selbstsicherheit desjenigen, den manche unter dem Koch-Sternehimmel für den „Scharfrichter“ unter den Gastrokritikern hielten. Wobei man wissen muss: Diels angebliche „Hobby-Kochkünste“ bewegten sich schon auf ProfiNiveau. Seine Weinkompetenz sowieso. Ob er sich den 27. November im Terminkalender notiert habe, frage ich. Rückfrage: „Was ist da?“ Es ist der Vorstellungstermin des neuen „Gault&Millau“. Armin Diel und Joel Payne hatten aus dem Wein-Guide des Heyne-Verlages seit 1994 das bislang renommierteste Nachschlagewerk in puncto Weinbewertung geschaffen. „Ach so“, spielt der Ex-Chefredakteur (bis 2009) herunter und ergänzt: „Ich rechne auch nicht mit einer Einladung!“ Sprechpause – Zusatz: „Die journalistische Arbeit für den am Boden liegenden deutschen Wein lag mir sehr am Herzen, aber heute bin ich froh, dass ich aus dieser Nummer raus bin. Zu viele Fettnäpfchen, die am Wegesrand lagen. Und natürlich war es immer heikel, dass ein Winzer seine Kollegen beurteilt.“ Sein Rückzug hat nicht nur seiner Gesundheit gutgetan – weil er keine 10.000 Weine mehr im Jahr verkosten muss. Es kam auch dem, so Diel, „mitunter etwas unterbewerteten Weingut“ zugute. Tochter Caroline leitet heute das Schlossgut Diel. „Sie ist jetzt die Chefin“, sagt der Vater voller Stolz, verbunden mit einem verschmitzten Lächeln. Eine „Goldene Generation“ (neben Diel die Weingüter Dönnhoff, Emrich-Schönleber, Schäfer-Fröhlich, Dr. Crusius, Gut Hermannsberg etc.) habe die Nahe – gemeinsam mit Rheinhessen – in den vergangenen Jahr-

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Streitbarer und selbstsicherer Genussmensch – Armin Diel (Foto © Schlossgut Diel)

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Antonia, Ludwig, Vinzenz und Sandra Knoll (Foto: Weingut am Stein)

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GÄNSEHAUT AM STEIN Sandra Knoll deutet auf ihren Arm. Wirklich wahr – ein paar Härchen stellen sich auf. „Wenn ich hier unten bin“, sagt sie mit funkelnden Augen, „habe ich fast jedes Mal noch Gänsehaut.“ Hier unten, damit meint sie den neuen, außergewöhnlichen Kellerbereich ihres Weinguts: den vor zwei Jahren eröffneten Steinkeller. Sieben große Betoneier und fünf in den Boden eingegrabene Tonamphoren stehen darin. Von oben strahlt das Tageslicht in den Keller hinein. Ein besonderes, fast magisches Gefühl, hier zu stehen ...

VON MARCEL FRIEDERICH

er Steinkeller gehört zum Weingut am Stein, einem von vier VDP-Weingütern in Würzburg, der Wein-Metropole Frankens. Drei von ihnen befinden sich direkt in der Innenstadt: der Staatliche Hofkeller, das Bürgerspital und das Juliusspital. Was diese drei besonders auszeichnet? Jahrhundertelange Tradition, wundervolle, historische Weinkeller und riesiges Rebflächen-Potenzial von 120 bis zu 177 Hektar. Das Weingut am Stein ist dagegen anders gestrickt. Beheimatet mitten in der berühmten Lage Würzburger Stein, mit traumhaftem

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Ausblick auf die Stadt und das Umland. Die Rebflächen belaufen sich auf 30 Hektar. Nicht wenig – im direkten Vergleich irgendwie doch. Tradition? Ja, die gibt es schon. Schließlich feierte das Weingut 2015 sein 125-jähriges Bestehen. Sandra und Ludwig Knoll führen das Weingut in fünfter Generation. Doch sobald man den Hof des Weinguts betritt, spürt man sofort, dass der Fortschritt hier vorgelebt wird. Ganz besonders im Steinkeller. Als sich bei Sandra Knoll die Gänsehaut gelegt hat, gesteht sie: „Dieses Projekt war ein Riesen-Kraftakt. Wir mussten den Keller unter die bestehenden Häuser und in den Weinberg hinein bauen. Eine wahnsinnige Herausforderung.“ Doch die Anstrengungen haben sich gelohnt. Die ersten Weine sind ausgebaut und zum Teil auch schon getrunken. Ein besonderes Gefühl auf der Zunge, wenn man den Steinkeller zuvor besichtigt hat. Inzwischen kommen viele Winzer und Gäste aus dem Ausland, um die Betoneier und die Amphoren unter die Lupe zu nehmen.

Das Weingut auf den neuen Steinkeller zu reduzieren, wäre jedoch falsch. Das Anwesen besteht inzwischen aus vier Gebäuden. Nummer eins: die Vinothek, die von außen durch eine besondere Streben-Architektur auffällt. „Sie soll an Weinbergszeilen erinnern“, betont Sandra Knoll. Nummer zwei: das Kelterhaus, das gleichzeitig als Gästehaus genutzt wird. Wer im Herbst aus dem Fenster heraus sehen möchte, wie die Trauben in die Presse geschüttet werden, ist im 120 Quadratmeter großen Appartement genau richtig. Näher am Winzer sein? Geht kaum. Nummer drei: das Küchen-Häuschen, „das Wohnzimmer des Weinguts“, so Sandra Knoll. Hier treffen sich die Mitarbeiter des Weinguts zum gemeinsamen Mahl; zudem finden hier regelmäßig Kochkurse statt. Nummer vier: das große Gutshaus, in dem die Verwaltung untergebracht ist und Fa-

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milie Knoll im Obergeschoss wohnt. Tochter Antonia ist 18, Sohn Vinzenz 16 Jahre alt. Hier befindet sich auch das Restaurant Reisers am Stein, gekrönt mit einem MichelinStern. An der Stelle des großen Gutshauses stand ursprünglich der Aussiedlerhof, „den mein Schwiegervater Ende der 70er Jahre gebaut hatte“, sagt Sandra Knoll. „Dadurch erhielt unser Weingut die große Chance, aus der Stadt heraus hierher in den Weinberg zu ziehen.“ Weine kosten, lecker essen und die Natur genießen – dieses ganzheitliche Konzept hat sich das Weingut am Stein auf die Fahnen geschrieben. „Was die Architektur betrifft, haben wir uns in den vergangenen Jahren sehr gut selbst verwirklichen können“, sagt Sandra Knoll. „Jetzt versuchen wir, noch mehr in die Tiefe zu gehen, das Potenzial der Weinberge voll auszunutzen und noch mehr Terroir zu zeigen.“ Dabei helfe der neue Steinkeller ganz besonders. Wohl auch weiter mit ein bisschen Gänsehaut. ■

Sandra und Ludwig Knoll sind experimentierfreudige, tatkräftige Menschen. Sie studierte BWL, er Weinbau in Geisenheim, als beide direkt in die Verantwortung kamen. „Mein Schwiegervater war schwer krank, sodass wir schon während des Studiums voll anpacken mussten“, erinnert sich Sandra Knoll an die Anfänge Ende der 1980er-Jahre. Sie übernahm den Vertrieb, ihr Mann die Produktion. „Wenn andere in den Semesterferien monatelang in den Urlaub gefahren sind, standen wir in den Weinbergen.“ Schon während des Studiums entwickelte Ludwig Knoll den Wunsch, sein Weingut ökologisch zu bewirtschaften. Doch er merkte schnell, dass die Zeit noch nicht reif dafür war. „Er hat viel Lehrgeld bezahlt“, sagt Sandra Knoll, „aber Ludwig hat sich von diesem Weg nie abbringen lassen.“ 2006 ging der Betrieb in die Umstellung, seit 2009 sind die Knolls als Öko-Winzer zertifiziert. Die komplette Rebfläche wird nun biodynamisch bewirtschaftet. Selbst die bis zu 80 Prozent steile Lage Stettener Stein. Insofern passte der Drang, mit dem Steinkeller eine komplette Neuheit zu schaffen. Diese soll kosmische Energie ausstrahlen und dadurch den Reifeprozess der Weine positiv beeinflussen. In den Betoneiern und Amphoren lagern Große Gewächse genauso wie Ortsweine. „Festlegen wollen wir uns dabei überhaupt nicht“, sagt Sandra Knoll. „Stattdessen sind wir glücklich, nun so viele Ausbaumöglichkeiten zu haben. Betonei, Amphore, großes Holzfass, Barriquefass oder Edelstahl – eine wunderbare Bandbreite.“

Der Steinkeller mit den Betoneiern und in den Boden eingegrabenen Tonamphoren ist Anziehungspunkt für Gäste und Winzerkollegen gleichermaßen. (Foto: Marcel Friederich)

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GLÜCK UND SEGNUNG ZUGLEICH – WEINGUT GUNDERLOCH AUF DEM WEG IN DIE ZUKUNFT VON MARCEL FRIEDERICH

„Mein Cousin hat sich kürzlich zum Diakon weihen lassen, er möchte Pfarrer werden“, sagt Johannes Hasselbach und verrät: „Mit ihm habe ich schon ausgehandelt, dass wir Anfang 2018 eine kleine Segnung des Neubaus vornehmen. Denn wir sind überglücklich, dass alles so erfolgreich verlaufen ist, und möchten damit ein Zeichen setzen, um zu danken.“

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Johannes Hasselbach blickt optimistisch in die Zukunft. (Foto © Marcel Friederich)

rei Jahre lang wurde im Weingut Gunderloch geplant und gewerkelt, gehämmert und gebuddelt, gebaut und geschwitzt. Nun erstrahlt das komplette Anwesen in neuer Pracht. Das 250 Jahre alte Gutsgebäude wurde saniert; zugleich entstand ein Neubau direkt am Fuße des berühmten Rothenbergs. „Für unsere gesamte Familie geht damit ein Traum in Erfüllung“, sagt Chef

und Winzer Johannes Hasselbach, der das Weingut in sechster Generation lenkt. „Damit haben wir die Zukunft unseres Weingutes am Standort Nackenheim gesichert – mindestens für die nächsten sechs Generationen.“ So zufrieden und optimistisch, wie der 38Jährige heute klingt, war er allerdings nicht immer. Als er vor dreieinhalb Jahren den „Staffelstab“ von seinen Eltern über-

geben bekam, stand er vor einer schwierigen Entscheidung. Das Anwesen des Weinguts war allmählich zu klein geworden. Viele Weine mussten aus Platz gründen im Nachbarort Nierstein gelagert und vergoren werden. „Organisatorisch und finanziell war das ein Himmelfahrtskommando“, gesteht Hasselbach. Zumal die Identität der Weine ein Stück weit verändert werde, „wenn sie nicht im eigenen Keller vergären“.

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Schon seine Großeltern, später dann seine Eltern Agnes und Fritz, hatten mit den Eigentümern des benachbarten Grundstücks verhandelt. Immer wieder und wieder hatten sie ihr großes Kaufinteresse übermittelt – allerdings vergeblich. Jahrzehntelang. Deshalb überlegte sich der Winzer einen Alternativplan auf dem bisherigen, etwa 1.000 Quadratmeter großen Grundstück. „Wir hatten anvisiert, für die Traktoren einen Tunnel zu bauen, der unter unserem Bürokomplex hindurchgeführt hätte. Den kompletten Hinterhof hätten wir unterkellert“, berichtet Johannes Hasselbach, „und den Familiengarten hätten wir in einen Produktionshof umgebaut.“ Das alles mit dem Richtmaß, dass das Anwesen unter Denkmalschutz steht. Den entsprechenden Bauantrag hatte der Winzer schon bereitgelegt. „An einem Montag wollten wir ihn einreichen. Doch am vorherigen Freitagabend kam der Nachbar zu uns und meinte, er habe sich die Sache überlegt und verkauft uns das Grundstück jetzt.“ Im Weingut Gunderloch knallten die Sektkorken. „Wie ein Sechser im Lotto“, so beschreibt es Johannes Hasselbach treffend, „doch für unseren Architekten war es ein SuperGau, weil er die bisherigen Konzepte durchstreichen konnte.“ Die Planungen

mussten von vorne beginnen. Doch nun mit der Gewissheit, dass etwas wirklich Nachhaltiges entstehen kann. Obwohl sich die Größe des Gutes jetzt fast verdoppelt hat, von 1.000 auf knapp 2.000 Quadratmeter, „konnten wir die Kosten deutlich senken“, sagt der Winzer, der froh ist, auf den kostenintensiven Tunnelbau verzichten zu können. „Wir haben keinen Investor im Hintergrund. Stattdessen war das ein reines Familienprojekt, das rational entwickelt und bodenständig umgesetzt werden musste.“ Im August lud das Weingut bereits zur großen Eröffnungsparty, auch wenn die Bauarbeiter parallel noch am Werk waren. Doch in den vergangenen Wochen ging es immer weiter voran. „Bis Weihnachten“, sagt Johannes Hasselbach optimistisch, „sollten dann auch die letzten Schönheitsreparaturen erledigt sein.“ Ohnehin am wichtigsten: In diesem Herbst konnte der Winzer die komplette Ernte erstmals wieder in Nackenheim unterbringen. Wenn Johannes Hasselbach über seinen Hof spaziert und den Blick Richtung Rothenberg streifen lässt, verspürt er eine große Zufriedenheit – aber auch den Drang nach neuen Herausforderungen.

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„Dass es in meiner jungen Winzerlaufbahn so schnell gelungen ist, den Standort unseres Weingutes zu sichern, ist überragend. Damit habe ich einen Lebenstraum realisiert“, sagt der Nackenheimer. „Jetzt wollen wir weiter Gas geben und die letzten Qualitätsdetails rauskitzeln.“ Die Produktionsmenge soll jedoch nicht vergrößert werden. „Existenzsicherung“ und „Qualitätsoptimierung“, so heißen die nächsten Ziele. Gleichzeitig will das Weingut seine Tore für Weinliebhaber und alle Interessierten öffnen. Schon beim Nackenheimer Weinfest strömten zahlreiche Gäste in den Hof des Weinguts, um ein Gläschen zu probieren, allen voran die weltberühmten Rieslinge vom Rotliegenden. „Unser Weingut soll ein Begegnungsort in Nackenheim werden“, sagt Johannes Hasselbach. Wein-GenussEvents, kulturelle Veranstaltungen oder einfach coole Partys – der Winzer hat viele Ideen, um sein neues Anwesen mit Leben zu erfüllen. Doch zunächst einmal steht Anfang nächsten Jahres die Segnung des Neubaus an. Als Schlusspunkt einer dreijährigen Planungs- und Bauzeit, die strapaziös und nervenaufreibend war, am Ende aber vor allem: erfolgreich und zukunftsträchtig. ■

Den Test auf “Feiertauglichkeit” hat das Team vom Weingut Gunderloch Ende August bereits bravourös bestanden. (Foto: Weingut Gunderloch) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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DER JAHRGANG 2017 VOM GROSSEN ZITTERN BIS ZUM SCHNELLHERBST VON CHRISTIN JORDAN

Frost, Schnee, Regen, Hagel, Hitze – all dies mussten die Reben abkönnen, und das oftmals dann, wenn es nicht sein sollte. Das bedeutete in 2017 viel Arbeit im Weinberg. (Fotos © pfalz.de, markgraefler-land.com, Elias Billy)

Zu früh, erst zu warm, dann zu kalt, vielfach zu wenig – der Jahrgang 2017 war in Deutschland alles andere als durchschnittlich.

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as Jahr fing kalt an, mit Tiefstwerten von bis zu minus 10 Grad etwa im Rheingau. Die Winzer, die gepokert hatten und gesunde Trauben hängen ließen, konnten Eiswein ernten – wenn sie das Zeit- und Kältefenster richtig nutzten. Februar, März und die ersten Aprilwochen waren ungewöhnlich warm, die Reben erwachten vorzeitig aus dem Winterschlaf, rund 15 Tage früher als in einem Durchschnittsjahr – einer der frühesten Austriebe überhaupt. Mitte April waren die meisten Knospen geplatzt, die zarten Triebe der Witterung schutzlos ausgeliefert. Mit verheerenden Folgen: In der Nacht zum 20. April gab es in allen Weinanbaugebieten Spätfröste. Vielerorts versuchten die Winzer, ihre Weinberge zu schützen – mit Gelfackeln, die in den Zeilen aufgestellt und

entzündet wurden, mit brennenden Strohballen, mit Hubschraubern, die über den Lagen kreisten, um die eisige Luft vom Boden wegzuwirbeln. Ein Tropfen auf den heißen Stein, flächendeckend ohnehin nicht möglich. Die erste Frostnacht zerstörte etliche Triebe und damit einen Teil der potenziellen Ernte. Vier Tage später kam eine zweite Frostwelle, die erneut großflächig Triebe erfrieren ließ. Insgesamt bis zu 80 Prozent Ausfall lauteten erste Schätzungen, in Baden etwa war es die größte Frostkatastrophe seit 1953. Das Frühjahr fiel relativ kühl und sehr trocken aus, erst ab Mitte Mai wurde es wieder wärmer. In vielen frostgeschädigten Anlagen hatten die Reben erneut ausgetrieben, was zu unterschiedlichen Entwicklungsstadien in den Weinbergen, teilweise innerhalb derselben Rebzeile, führte. Anfang Juni – etwa zehn Tage vor dem langjährigen Mittel – begannen die Reben zu blühen. Jetzt war noch alles drin – vorausgesetzt, das Wetter würde mitspielen. Was es nicht tat. Mitte Juli, Anfang August gab es verbreitet schwere Gewitter mit Hagel. Weinberge, die der Frost verschont hatte, wurden schwer beschädigt, ganze Zeilen von Wind und Hagel umgelegt, Blätter und Beeren zerfetzt. Dazu kam weiterer Regen – es drohte Fäulnis, denn durch den jahrgangsbedingten Vorsprung in der Vegetation hatte vereinzelt bereits der

Reifebeginn eingesetzt. In den betroffenen Weinbergen war jetzt Handarbeit angesagt: beschädigte Trauben herausschneiden, das Schlimmste verhindern, so viel wie möglich retten. Doch es gab auch Winzer, deren Parzellen von den Wetterkapriolen überhaupt nicht betroffen waren – kein Spätfrost, kein Hagel, auch die Pilzerkrankungen ließen sich dieses Jahr gut in den Griff bekommen. So früh wie noch nie begannen die Winzer im Herbst 2017 mit der Lese, in der Pfalz bereits Mitte August, an der Mosel und der Nahe Mitte September. Ein schneller, ein “neidischer” Herbst mit fast durchgehend unterdurchschnittlichen Erntemengen – bis zu 20 Prozent weniger in fast allen Anbaugebieten. Den widrigen Umständen zum Trotz sind die Qualitäten hervorragend. Nur vereinzelt haben die Winzer Trauben für Eiswein hängen lassen – ob das Pokern auch in diesem Jahr aufgeht, wird sich zeigen. 2017 – ein forderndes, für die Winzer anstrengendes Weinjahr, und sicher nicht das letzte, in dem Wetterkapriolen die deutsche Weinwelt vor neue Herausforderungen stellen. ■

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PFALZWEIN-BILANZ DES WEINJAHRGANGS 2017

QUALITÄT GUT, ERNTEMENGE UNTER DURCHSCHNITT

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VON HERBERT LATZ-WEBER

ie Herkünfte werden prägendes Element für die Weinregion "Die Pfalz". Eine Region, die als das zweitgrößte deutsche Weinbaugebiet erst im November 1992 ihren heutigen Namen erhielt und bis vor 25 Jahren Rheinpfalz hieß. Die Umbenennung hat sich bewährt. Das wurde beim herbstlichen Kamingespräch der Pfälzer Weinwirtschaft Ende November 2017 im edlen Bioland-Weingut Neuspergerhof in Rohrbach (Südpfalz) beim DLG-Jungwinzer des Jahres 2017 – Jochen Gradolph – deutlich. DEUTSCHLANDS WINZER ACHTEN AUf QUALITäT, BIETEN DEN WETTERESKAPADEN PAROLI

Eine gute Ernte nach einem Jahr der Extreme, so lässt sich der Weinjahrgang 2017 in aller Kürze beschreiben. Die Erntemenge in der EU fiel rund 18 Prozent niedriger aus. In Deutschland wurde mit 7,5 Mio. hl Durchschnitt erreicht, in der Pfalz liegt die Erntemenge rund 10 % unter dem langfristigen Mittel von 2,2 Mio. hl. Die bereits zu Lesebeginn geäußerte Hoffnung auf einen hervorragenden Jahrgang hat sich für Klaus Schneider, den Präsidenten des

Deutschen Weinbauverbandes und Vorsitzenden der Pfalzwein-Werbung, dagegen vollkommen bestätigt. "Der Klimawandel ist eine Herausforderung. In der Pfalz sind dennoch hochwertige Trauben mit hohen Mostgewichten und angenehmen Säurewerten gewachsen. Daraus werden unsere Winzer tolle Weine keltern", so Schneiders Prognose. Das bestätigt Dr. Jürgen Oberhofer von der Abteilung Weinbau und Oenologie des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt. „Der Austrieb erfolgt immer früher und Frost ist ein großes Thema für die Winzer geworden.“ Die Versorgung des Marktes mit hochwertigen Weinen aus dem zweitgrößten Anbaugebiet Deutschlands gilt somit zwar als gesichert, moderate Preisanpassungen sind in einzelnen Fällen aber nicht auszuschließen. Wegen der Frostgefahren müsse man über Windräder, wie sie im Ausland schon zum Einsatz kommen, durchaus nachdenken, empfahl Dr. Oberhofer für die Zukunft. Erste Tests laufen bereits in der Region Duttweiler. SILVANER "REBSORTE DES JAHRES 2018"

Vorgestellt wurde auch die „Rebsorte des Jahres 2018“. Noch vor rund 60 Jahren war der Silvaner die unbestrittene Nummer eins im Weinberg. Heute sind es in der Pfalz der weiße Riesling und der rote Dornfelder. Be-

Seit mehr als 25 Jahren wirbt die Pfalz mit dem Slogan „Zum Wohl. Die Pfalz.“ mit den beiden aneinanderstoßenden Gläsern. (Foto © Pfalzwein)

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reits seit dem 17. Jahrhundert in Deutschland beheimatet, wuchs der Silvaner im Jahr 1960 noch auf jedem zweiten Weinberg in der Pfalz. Heute nur noch auf jedem dreißigsten, doch vergessen ist der Silvaner auch in der Pfalz beileibe nicht: Viele Pfälzer Winzer haben die Rebsorte, deren Weine exzellent zu Fischgerichten oder Pfälzer Spargel passen, im Sortiment, nicht wenige zählen gerade den Silvaner zu ihren persönlichen Lieblingen. Rund 670 Hektar des Pfälzer Reblands sind mit Silvaner bepflanzt. Insgesamt sind es in Deutschland knapp 5.000 Hektar, die Pfalz ist damit nach Rheinhessen (rund 2.300 Hektar) und Franken (etwa 1.400 Hektar) eine der drei deutschen Silvaner-Hochburgen. Grund genug für die Pfalzwein-Werbung, den Silvaner zur "Rebsorte des Jahres" 2018 zu küren. Damit erhält er auch bei der Messe "Wein am Dom", die am 7. und 8. April 2018 in Speyer stattfindet, eine ihm zustehende Stellung. Aktuell gibt es den Silvaner auch als Bio-Glühwein.

Logo der Alexa-App (Foto © Pfalzwein)

ALExA LäSST GRüSSEN

Eine echte Innovation ist der neue Weinfest-Kalender „Die Pfalz feiert!“. Die Pfalzweinwerbung hat diesen erstmals auch für sprachgesteuerte digitale Informationssysteme präsentiert. Ihn gibt es schon länger alljährlich zum Blättern, Tippen, Scrollen – und jetzt auch zum Fragen. Nach den Varianten auf Papier, im Internet und als Smartphone-App klingt die neue "akustische" Version so: "Alexa, kannst du ein Weinfest am Wochenende empfehlen?" Die Kenntnis der Pfälzer Weinfeste verdankt Alexa einem Programm namens "Pfälzer Weinfest-Kalender". Die Software für diesen sogenannten „Skill" hat das junge Startup-Unternehmen thinking apps aus Kaiserslautern entwickelt, die Daten stellt der Pfalzwein e. V. bereit. Laut Dr. Detlev Janik, Geschäftsführer der Pfalzwein-Werbung, werden "schon sehr bald die digitalen Helfer aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sein". ■

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Im Rahmen eines „Ban des Vendanges“ wird in Frankreich der Beginn der Traubenlese offiziell eingeleitet und gefeiert – beispielsweise mit einem Glas Rosé. (Foto © Ban des Vendanges)

ROSÉ ODER NICHT ROSÉ? – DAS IST HIER DIE FRAGE VON DR. MARTIN SACHSE-WEINERT

Rosé-Weine erfreuen sich zunehmender Beliebtheit auch in Deutschland, zumal sich ihre Qualität seit einigen Jahren im deutlichen Aufwind befindet. Das Angebot allerdings ist zwischenzeitlich so unübersichtlich, dass sich ein

genauerer Blick, vor allem auf das Hauptproduktionsland Frankreich, durchaus lohnt. Ist eine Verkostung südfranzösischer Roséweine (inklusive einer anschließenden Veröffentlichung der Ergebnisse in Deutschland) überhaupt sinnvoll?

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ein, werden die Puristen sagen: Der Rosé ist ein typischer „Gebrauchswein“, kein Prestigeobjekt zur Lagerung. Wenn man kauft, dann zumeist eine Flasche vom vergangenen Jahrgang, das heißt, dass ein Erwerb des exakt gleichen Weins im Folgejahr selten möglich oder wünschenswert ist, da er dann seine größten Werte – Frische und Fruchtigkeit – in der Regel bereits eingebüßt hat. Gleichwohl gibt es Rosés, bei deren Vinifikationsprozess weniger die Pressung als die Mazeration im Vordergrund steht, die eine – wenngleich eingeschränkte – Lagerfähigkeit besitzen, vor allem, wenn die Mourvèdre-Traube ihr Hauptbestandteil ist. Für den Laien ist – leider ohne Garantie – eine zumeist dunklere Einfärbung oder der Verkauf in dunkel eingefärbten Flaschen manchmal Indiz für eine längere Haltbarkeit. Manche Regionen sprechen sogar entsprechende Hinweise oder Empfehlungen aus: Tavel für drei bis fünf Jahre, ebenso Bandol und Marsannay im Burgund sowie Aube in der Champagne speziell für seinen Rosé des Riceys. Kaum, werden die Gelegenheitsgenießer sagen: Wir trinken den Wein, der uns im Supermarkt für die anschließende Fiesta am Pool preiswert ins Auge sticht – und informieren uns nicht im Vorfeld darüber in Fachzeitschriften.

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Sehr wohl, werden die Rationalisten sagen: Der Konsum von Rosés ist in den vergangenen 15 Jahren – bei ansonsten nahezu gleichem Weingenuss – um etwa 30 % gestiegen. In Frankreich sank der Konsum von Rotwein von 78 % auf 51,4 %, während der von Rosés von 11 % auf 31,2 % stieg. Mit 34 % ist Frankreich zugleich weltgrößter Produzent von Rosés, gefolgt mit weitem Abstand von Spanien (19 %). Südfrankreich besitzt mit der Region Tavel zudem die erste Rosé-AOP und dies bereits seit 1936, entsprechende Erfahrungen sowie ein tradiertes Qualitätsmanagement können hier vorausgesetzt werden. Schließlich haben die Geschmacksentwicklung sowie -differenzierung inzwischen ein Niveau erreicht, das eine nähere Betrachtung durchaus sinnvoll erscheinen lässt. Die Sinnfrage ist somit geklärt: Zum einen ist das Angebot französischer Rosés inzwischen überreichlich, zum anderen sind gewaltige Qualitätsunterschiede – und damit verbunden: Preisdifferenzen – zu beobachten, die einen genaueren Blick lohnen, kann man doch einzelne Winzer und Weingüter identifizieren, die jedes Jahr Rosés von herausragender Qualität produzieren. So wagen wir bei unseren folgenden Anmerkungen denn auch häufig eine Prognose für die Folgejahre, basierend auf vergangenen und aktuellen Erfahrungen.

Rosé ist bei Festen im Süden Frankreichs ein traditioneller Bestandteil flüssigen Genusses. (Foto © Ban des Vendanges)

SüDfRANKREICH ALS HEImAT DER ROSÉ-WEINE

In der Juli/August-Ausgabe der französischen Weinzeitschrift „Terre de Vins“ findet sich ein Bericht über insgesamt 150 Rosé-Weine aus verschiedenen Regionen (darunter 18 Schaumweine). Die Bewertungen des französischen Verkostungsteams schwanken zwischen 14 und 17,5

Punkten (von möglichen 20), wobei die meisten (38) 16 Punkte erhalten haben und nur ein einziger die Höchstpunktezahl erreicht („Patricia Ortelli“ vom Château La Calisse, mit € 20 zugleich einer der teuersten). Bei unserer eigenen Verkostung konzentrierten wir uns auf den Jahrgang 2016 aus dem Süden Frankreichs, in erster Line auf das Languedoc-Roussillon sowie das Rhône-Tal „méridional“ und die Provence. Dies rührt daher, dass die Verteilung von Rosés auf die Regionen Frankreichs insgesamt sehr unterschiedlich ist: Sind es in

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Bordeaux gerade einmal 3 %, so machen sie bei den AOC-ProvenceWeinen immerhin 89 % aus. Dabei liegt Deutschland auf Platz 6 der aus dieser Region importierten Weine (5 %), ein Markt, den die USA dominieren, die immerhin 36,5 % importieren. Die Weine dieser Region setzen sich zumeist aus drei Rebsorten zusammen: Grenache (für die Schwere), Syrah (für die Fruchtigkeit) sowie Cinsault (für die Finesse), assembliert bisweilen mit der typisch provenzalischen Tibouren-Traube. Auch das Languedoc-Roussillon kann auf eine stattliche, wenngleich nicht ganz so bedeutende Rosé-Produktion verweisen: Von den hier produzierten insgesamt 12 Millionen Hektolitern entfallen immerhin

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zwei Millionen auf Rosés, was etwa 300 Millionen Flaschen entspricht und damit 38 % der gesamtfranzösischen Produktion (Provence 21 %). Vorherrschende Traubensorte ist hier Grenache, gefolgt von Cinsault und Syrah, wobei die AOC-Weine eine Cuvée aus mindestens zwei Rebsorten darstellen. Der gestiegenen Bedeutung des Rosé wird man auch an anderen Stellen gewahr: So verzichtet die 33. Ausgabe des „Hachette des Vins“ 2017 auf eine Ausweisung von Rosés mit dem Hinweis, man habe ihnen explizit eine eigene Ausgabe widmen wollen. Diese wiederum stellt sogar die (für deutsche Winzer undenkbare) Frage, ob „rose“ die Wein-Farbe des 21. Jahrhunderts sei.

Roséweine stehen im Vergleich der Weinsorten immer mehr im Vordergrund. (Foto © Ban des Vendanges)

VERKOSTUNG VON ROSÉ-WEINEN Zwei weitere Bemerkungen schließlich seien unseren folgenden Verkostungsnotizen vorangestellt: Zum einen beinhaltet die französische Weinfachsprache – gerade auch für den Bereich der Rosés – diverse Begriffe, die es im Deutschen nicht gibt, da hier entsprechende Differenzierungen nicht üblich sind. Ein Wort wie „églantine“ sucht man bei uns vergebens („weinrosa“) und unter „œil-de-perdrix“ vermag sich wohl kaum einer etwas vorzustellen, der nicht schon einmal einem Rebhuhn Auge in Auge gegenüberstand. So bleiben nur die Bezeichnungen für die dunkleren Töne (Lachs, Rose, Erdbeere und Grenadine), um die Farben der Rosés zu beschreiben. Der oben erwähnte „Guide Hachette des Rosés 2017-18“ schlägt insgesamt neun Farbbezeichnungen vor, darunter auch „Koralle“, „Pfingstrose“ sowie „Zwiebelschale“.

Zum anderen sollte man davon Abstand nehmen, Rosés grundsätzlich unterkühlt zu trinken. Selbst in guten Restaurants existiert manchmal die Unsitte, ihn direkt aus dem Kühlschrank als trinkreif anzusehen. Viele Rosés allerdings entwickeln ihren wahren Geschmack bzw. dessen Nuancen erst bei höheren Temperaturen. Oft haben wir erlebt, wie sich der Wein nach zehn, zwanzig Minuten im Glas schließlich zu entfalten begann und sich uns dann erst in seiner ganzen Komplexität offenbarte. Der Genießer möge also standhaft sein und auch einem Rosé zu seinem Recht bzw. zu seiner Temperatur verhelfen – ein guter wird es ihm allemal lohnen. (So darf es auch nicht verwundern, wenn man in guten Restaurants manchmal auch seinen Rotwein im Kühler serviert bekommt: „Raumtemperatur“ ist in Südfrankreich im Sommer selten die adäquate Kühlung für Wein.) CAVES ROCBèRE: „GRANDE RÉSERVE“ Wir starteten unsere Verkostung, die sich über drei Wochen hinzog, mit einer „Grande Réserve“ der Caves Rocbère aus dem Corbières, ein Rosé mit 13,5 % Alkohol. Wie viele andere Rosés ist er eine Cuvée, in diesem Fall aus Syrah, Grenache und Cinsault. Bei ihm stehen florale Noten deutlich im Vordergrund (Hagebutte, etwas

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Lindenblüte), dominiert allerdings von einer kräftigen Erdbeere. Betörend die angenehme Frische des Weins, der optisch durch seine starkrote Bonbonfarbe besticht. Folgt man der französischen Bezeichnungsskala, erscheint hier wohl „Grenadine“ angemessen, wir hätten ihn gar im Rubin-Bereich von Rotweinen verortet. Seit ihrer Umstrukturierung im Jahr 1972 ist es den etwa 200 Winzern der Kooperative gelungen, ihren Qualitätsanspruch beständig zu steigern. Auf nunmehr 1.500 Hektar produzieren sie zunehmend aromareiche Rosés und schmackhafte Weißweine (explizit hervorgehoben sei der „Vent Marin“ 2015) (€ 9; 15,5/20).

CHâTEAU LAQUIROU: „SARIETTE“ Bekannt aus vergangenen Besuchen war uns bereits das Château Laquirou im La Clape-Massiv. Die Weinfelder inmitten der karstigen Hügellandschaft überzeugen durch aufopferungsvolle Pflege, die auch dem Rosé „Sarriette“ (Coteaux du Languedoc) des Schweizer Ehepaars Erika und Eckard Hug Harke zugutekommt. Das AOPWeingut aus dem 15. Jahrhundert trägt den okzitanischen Namen „Laquirou“ nach den „kleinen Felsen“, die es umrahmen, der Wein wurde nach Kräutern des Mittelmeerraums benannt. Die Assemblage aus Grenache Noir und Syrah (Angabe auf der Flasche; in anderen Quellen fanden wir Cinsault hinzugefügt) entstammen biologischem Anbau und werden manuell gelesen. Der Wein zeigt sich in einem hellen Rosa-Ton zunächst sehr verschlossen und mineralisch. Er gewinnt allerdings bei zunehmender Temperatur, wenn Erdbeere, Pampelmuse und helles Kernobst in den Vordergrund treten, beim Abgang begleitet von leisen Gewürzanklängen. Mit 12, 5 % ist er einer der leichteren Rosés, wobei anzumerken ist, dass diese zunehmend alkoholstärker ausgebaut werden (€ 8; 16,5/20).

DOmAINE SERRES-mAZARD: „LE ROSÉ DES SORCIèRES“ Greift man zu einem „Le Rosé des Sorcières“ der Domaine SerresMazard, ebenfalls aus dem Corbières mit 12,5 %, so gewinnt man den Eindruck, man habe eine Champagner-Flasche in der Hand, so schwer und wuchtig ist das Glas mit seinem tiefen Bodeneinsatz. Auch wir folgten dem Motto auf dem Etikett („Laissez-vous ensorceler par cette mélodieuse incantation, sélectionnée par d’espiègles Bécasses des bois.“ – dt.: Lassen Sie sich betören vom MelodienZauber, hervorgerufen durch die schelmischen Rufe der Waldschnepfen) und ließen uns von dem dezenten Rosé-Ton verzaubern, wobei wir insbesondere die Kombination von weißer Johannisbeere mit Marzipan genossen – wohl das „Schelmische“ im Sinnspruch. An floralen Noten fanden wir Zitronengras vorherrschend, wobei sich das Aroma – siehe unsere Anmerkung weiter oben – erst bei Erwärmung sehr angenehm entfaltete. Man wird diese Domaine über die nächsten Jahre im Auge behalten müssen, das Potenzial ist gegeben (€ 11; 16).

DOmAINE DES COmTES mÉDITERRANÉENS: „mARIS“ Von der Domaine des Comtes Méditerranéens in La Livinière verkosteten wir den lachsroten „Rosé de Nymphe Émue“ (Vin Biodynamique) mit 13,5 % und Glasverschluss. Der IGP-Wein bleibt als kompromissloser Rosé in Erinnerung, der viel vom „alten“ Image dieses Weins transportiert: frisch und fruchtig (mit Anklängen an Vanille), insgesamt (nicht nur im Bereich der Färbung) aber auch farblos – vielleicht bedingt durch die Reinsortigkeit der Grenache Noir-Traube (hier widerspricht sich die Domaine, die in einer weiteren Quelle von der Assemblierung mit Syrah schreibt). Wir erkannten eine schwache Aprikosennote sowie etwas Eukalyptus – zu wenig, um als qualitätsvoller Rosé bestehen zu können (€ 13, 13,5/20).

DOmAINE HAUT GLÉON: „VALLÉE DU PARADIS“ Die Domaine Haut Gléon liegt am Beginn des „Vallée du Paradis“ im Corbières, der dort produzierte Rosé trägt den gleichen verlockenden Namen und ist eine Cuvée aus Grenache, Pinot,

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Merlot und Cabernet Sauvignon. Auf 35 Hektar wird Wein angebaut, wobei wir an dieser Stelle auch auf den ausgezeichneten 2015er Weißwein des Châteaus verweisen wollen. Der Rosé mit 13,5 % hätte mehr als das Prädikat IGP verdient und verführt durch seine violetten Reflexe im rosa Farbton, unterstützt durch einen ausgeprägten Fruchtgeschmack, der auch Bananen einschließt (der Franzose spricht in diesem Fall von „bonbon anglais“ bzw. einem „arôme amylique“). Dieser erste Eindruck setzt sich fort bis zum Finale mit zunehmender Lebhaftigkeit und Mineralität – sicherlich auch bedingt durch die ansteigende Temperatur. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Weingut seinen Weg erfolgreich fortsetzen wird (€ 8,50; 15,5/20).

PUECH-HAUT: „PRESTIGE“ Ein Wein fällt bereits durch seine außergewöhnliche Flaschenform mit platter Vorderseite und matt poliertem Äußerem auf, auch sein Glasverschluss hat sich hier im Süden Frankreichs noch nicht etabliert: Der „Prestige“ des Weinguts „Puech-Haut“ (AOP Languedoc) ist aber auch geschmacklich geeignet, Maßstäbe zu setzen: Gérard Bru unternimmt manches, um dem Innovationsschub der Domäne Ausdruck zu verleihen. Seit einem Jahr wird er nun vom Önologen Marc Escassut aus Montpellier unterstützt: Sie haben sich zum Ziel gesetzt, auch neue Käuferschichten außerhalb Frankreichs zu erschließen, und dies gelingt ihnen nicht nur mit ihrem Rosé, sondern durchaus auch mit dem roten „Saint-Drézéry Prestige“ aus dem Jahr 2014. Der Guide Hachette bescheinigt den Eigentümern, aus dem Terroir eine sichere Wertanlage („une valeur sûre“) geschaffen zu haben – wir können diese Prognose nachvollziehen. Der Rosé ist ein Sommerwein bester Fasson, dem wir – trotz immerhin 13 % – das bestätigen wollen, was allgemein von einem gefälligen Rosé erwartet wird: Frische, Mineralität, Fruchtigkeit, dabei zugleich Ausdrucksstärke und Charakter. Die Assemblage aus Grenache (60 %) und Cinsault trägt deutliche Anklänge von Johannisbeeren und sogar Nektarinen, wohl vor allem letzterer Traube geschuldet (€ 12,20; 16/20). (Exkurs: Im Languedoc existiert die Tradition, zwischen anderen Reben immer auch Cinsault zu pflanzen: Die Trauben sind so wohlschmeckend, dass sie während der Lese gerne genascht werden – „pour le plaisir des vendangeurs“.)

DOmAINE DU CHêNE: „LÉTHÉ“ Von einem Rosé, dem man den Namen des Paradiesflusses zuerkannt hat, darf man sich Großes erwarten. Die Domaine du Chêne hat mit ihrem „Léthé“ (IGP Cévennes) einen hohen Anspruch gesetzt, der allerdings nur zum Teil eingelöst werden kann. Der lachsfarbene Wein präsentiert sich in erster Linie leicht und frisch, Zitrusfrüchte, vor allem Orange, dominieren das Bukett. Himbeere und „bonbon anglais“ vermögen es nur schwer, eine charakteristische Note zu setzen. So stellte sich uns die Frage, ob es tatsächlich sinnvoll ist, bei Rosés auf Reinsortigkeit (in diesem Fall 100 % Grenache) zu setzen, was hier eindeutig zu wenig Differenzierung und Ausdrucksvermögen bedingt (€ 7,50; 13/20). „BAN DES VENDANGES“ 2017 – LESEBEGINN Besondere Höhepunkte fand unsere Rosé-Verkostung in der zweimaligen Teilnahme an einer „Ban des Vendanges“, zunächst in Narbonne, zwei Wochen später dann in Avignon. Dieser „Start der Weinlese“ wird in farbenprächtigen Veranstaltungen gefeiert, während derer die Abordnungen der verschiedenen Regionen mit ihren Bruderschaften und Fahnen einmarschieren. Der Wein wird gesegnet, die örtlichen Honoratioren (Bürgermeister, Präfekten, Verbandspräsidenten) halten salbungsvolle Reden und im Anschluss wird groß gefeiert – mit Rot- und Weißweinen, aber natürlich auch mit Rosés, dem neuen Nationalgetränk der Franzosen.

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fRANZöSISCHE ROSÉS Im INTERNATIONALEN VERGLEICH

Organisiert man eine Weinverkostung für Rot- oder Weißweine, so würde wohl niemand auf die Idee kommen, allein die Farbe als Grundlage für eine Auswahl heranzuziehen: Aufgrund der Varietäten sind es Rebsorten, Jahrgänge oder Regionen, die häufig als Differenzierung gewählt werden. Nicht so beim Rosé, bei dem wir fast immer eine (man möchte fast sagen: wilde) Kombination an Vergleichsprodukten antreffen. Dieses Phänomen lag auch den Rosé Masters 2017 zugrunde, die im Mai in London stattfanden. Eines ihrer Ergebnisse sei gleich vorangestellt: Die Provence dominiere nach wie vor die Qualität bei diesen Weinen, wenngleich andere Regionen deutlich aufgeholt hätten, so „The Drinks Business“ bei der Veröffentlichung der Gewinner im August. Grundsätzlich sehe man eine deutliche Ausweitung, was Stilistik und Qualität anbelangt; die Tendenz gehe damit – wie schon insbesonde-

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re bei den Rotweinen – hin zu einer „sphere of luxury drinks“, was wir bei manchen Flaschenpreisen durchaus bestätigen können: So kostet der „Garrus Rosé 2015“ des Château d’Esclans knapp € 100. Als eine der Entdeckungen der Masters wird der „Rosé La Villa“ des Château La Sauvageonne im Languedoc gefeiert. Sein Wein, der bei insgesamt 118 verkosteten Weinen (außer den Schaumweinen) als einziger neben dem „Garrus“ den begehrten Titel „Master“ erhielt, führte denn auch zur Einschätzung, dass Gérard Bertrand der Name sei, den man sich zukünftig im Bereich der Rosés merken müsse. Insgesamt konnten 51 Rosés aus Frankreich eine Nominierung erringen und dokumentieren damit die Dominanz dieses Staates in diesem Bereich (2 Master, 8 Gold, 23 Silber, 18 Bronze). Zwei weitere Resultate der Verkostung seien ebenfalls noch kurz erwähnt: „The Drinks Business“ deklarierte ebenso neun Rosés, die man vor seinem Ableben getrunken haben sollte (davon sieben aus Frankreich, an der Spitze der bereits erwähnte „Garrus“ des Château d’Esclans), sowie zehn ausgezeichnete Weine, die nicht allzu teuer seien (davon fünf aus Frankreich, unter anderem der „Volcanic Rosé 2016“ des Château La Sauvageonne und – auf dem ersten Platz – der 2016er des Château Coussin). ■

In den Gärten des Papstpalastes von Avignon, über den Ufern der Rhône, wird der Lesebeginn von Jung und Alt bei Wein und Essen in geselliger Runde gefeiert. (Foto © Ban des Vendanges) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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25 JAHRE „SELECTION RHEINHESSEN“ – LEUCHTTURM FÜR SPITZENQUALITÄT VON HERMANN-JOSEF BERG

Als den rheinhessischen Weinen noch das Image der massenhaften Spätlesen und Auslesen anhaftete, startete im größten Weinanbaugebiet Deutschlands eine bemerkenswerte Qualitätsinitiative: die „Selection Rheinhessen“. Man wollte der Weinwelt zeigen, nicht nur Menge, sondern auch Qualität erzeugen zu können. Heute gelangen diese Premiumweine auch in den Export. Die Flaschen mit dem Selection-Label sind zum Leuchtturm für Spitzenqualität aus Rheinhessen geworden.

Markant prangt das Logo der Slection Rheinhessen am Flaschenhals (Foto © Selection Rheinhessen)

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erner Hiestand aus Uelversheim, der langjährige Präsident des Weinbauverbandes Rheinhessen, war Treiber dieser Initiative. Auf einer Pressekonferenz im Herbst 1993 zeigte die Selection Rheinhessen erstmals Flagge. 23 Betriebe stellten sich den von Beginn an strengen Qualitätsanforderungen. Darunter auch Mitglieder des Verbandes Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) – zu dieser Zeit gab es noch keine Großen Gewächse respektive Erste Lagen; dafür aber bereits die Rheingauer Charta-Weine. „Das hat schon für ordentliches Aufsehen gesorgt“, erinnert sich Sonja Ostermayer, bei Rhein hes senwein e.V. (Alzey) für Konzeption und Projektentwicklung zuständig. Aber außer parallelen, jedoch nur kurz andauernden Bemühungen einer „Selection Baden“ setzten nur die Rheinhessen ihren Weg zu dieser Qualitätsmarke konsequent fort. Laut Ostermayer sei in den anderen Weinbaugebieten das rheinhessische Selection-Modell zwar diskutiert, aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht übernommen worden. „Möglicherweise hat hier der Fakt eine Rolle ge spielt“, sagt RheinhessenweinGeschäftsführer Bernd Kern, „dass die Anstrengungen bei uns von Anfang an privatrechtlich organisiert waren.“

WAHRLICH KEIN SELBSTLäUfER

Wer sich an der jährlichen Ausschreibung für die Selection Rheinhessen beteiligt, den erwartet kein Selbstläufer. So mancher von seiner Kunst überzeugte Winzer wurde wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, wenn das sogenannte „Ringberater“-Team um Alexandra Wollesen und Heiko Melius jährlich im Juli/August (angemeldet) die Weinberge begeht. Mindestens einmal wird jede Parzelle von ihnen in Augenschein genommen. Nach gut einer Stunde oder auch mehr wissen die Erzeuger, wo sie noch Qualitätsdefizite haben oder worauf sie

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50.000 fLASCHEN PRODUKTION

Aus dem Weißweinjahrgang 2016 und dem Rotweinjahrgang 2015 produzierten die Betriebe insgesamt 50.000 Flaschen Selection Rheinhessen – davon 2/3 Weißund 1/3 Rotweine. Rund 20 Weingüter stehen hinter diesem Volumen. Vom ersten Präsentationsjahr an mit dabei sind die Weingüter Michel-Pfannebecker (Flomborn), Staatliche Weinbaudomäne (Oppenheim) und Wasem (Ingelheim). Apropos „Rotweinstadt“: Die dortigen Spitzenwinzer haben sich nach Angaben von Rheinhessenwein über die Jahre quali-

WERTVOLLER UmDENKUNGSPROZESS

Die Rheinhessen haben aber noch etwas anders gemacht. Während der Gesetzgeber das Alter der Weinberge in den Selection-Vorschriften nicht definierte, schraubte der „Beratungsring RS – Selection Rheinhessen e.V.“ die Mindestanforderung ans Alter der Rebstöcke sukzessive auf 25 Jahre hoch. Ferner: Auch Weißweine können (wie ihre „roten Kollegen“) erst zwei Jahre nach der Ernte auf den Markt kommen – normalerweise ist dies ab 1. September des Folgejahres möglich. Und die Einzellagen-Bezeichnung ist bei den Weinen dieser Kategorie inzwischen obligatorisch. „Diese Materie ist recht kompliziert“, so Kern, „und es bedarf einer gehörigen Trennschärfe, um das Ganze sauber einzusortieren. Letztlich aber hat es zu einem wertvollen Umdenkungsprozess in puncto Qualitätsanspruch geführt, der sich heute auch in der sensorischen Prüfung widerspiegelt.“ Zweifelsfrei: Wer hätte vor gut 30 Jahren (trockene) Wein-Spitzenqualitäten ohne einen gewissen Anteil an BotrytisTrauben hergestellt, wo doch die Edelfäule als sinnbildende Basis für edle Weine galt.

Schaubild der Verteilung von Rebsorten zur Selection Rheinhessen (Foto © Selection Rheinhessen)

im weiteren Prozess achten müssen. Wollesen: „In dringenden Fälle bieten wir auch eine zweite Visite an.“ Über das Jahr hinweg offeriert der Beratungsring fachspezische, qualitätsorientierte Fortbil dungen. Die meisten Probleme ergäben sich allerdings durch die Witterung s bedingungen im Zyklus eines Weinjahres. Zur Selection Rheinhessen werden heute diese klassischen, gebietstypischen Rebsorten zugelassen: Silvaner, Riesling, Weißund Grauburgunder, Gewürztraminer, Portugieser, Früh- und Spätburgunder. Seit 2012 auch in der Variante Alte Reben, ebenfalls mit mindestens 25 Jahre alten Weinstöcken. Selektive Handlese versteht sich von selbst. Beim Ertrag gibt es seit den 1990er-Jahren keinen Kompromiss: 55 Hektoliter je Hektar sind das akzeptierte Maximum.

tativ so gepuscht, dass eine stattliche Zahl an Selection-Weinen in Weiß und Rot verfügbar sei. Ein Beleg dafür, wie eine Qualitätsinitiative selbst zu einer Qualitätsinitiative werden kann. Mit der Selection Rheinhessen hat diese Anbauregion nicht nur ihr Image deutlich gesteigert, auch die Preisgestaltung ist eine andere geworden. So erzielen dann auch die Weißweine in dieser Kategorie durchschnittlich deutlich über zehn Euro im Verkauf, bei den Rotweinen kommen die Erzeuger – je nach Jahrgang – auf 13 bis 18 Euro und mehr. Auch im Exportgeschäft ist die Marke „Selection Rheinhessen“ mittlerweile ein Qualitätsbegriff – also auch hier ein Leuchtturm für rheinhessische Spitzenweine! ■

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WIEGE DER WEINKULTUR MADEIRAS

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FAJÃ DOS PADRES

VON HEIDI DIEHL

Mein Kreislauf schlägt Purzelbäume beim Blick hinunter in die Tiefe und signalisiert sofort höchste Alarmstufe: „Achtung, in wenigen Sekunden werde ich zusammenbrechen! Bitte unternimm sofort etwas dagegen!“

Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder ein paar Schritte zurück und kneifen. Oder Augen zu und durch! Was bedeutet, in eine winzige gläserne Gondel zu steigen, um mit ihr rund 350 Meter in den Abgrund und gefühlt ins Meer zu „stürzen“. Da unten nämlich soll sich der Garten Eden befinden.

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Mario Jardim Fernandes, der Besitzer von Fajã dos Padres, in seiner Schatzkammer – hier pflegt er seine Leidenschaft, seine Vintage-Weine. (Foto © Heidi Diehl)

m Ende siegt die Neugier. Ich versuche, meine Höhenangst zu ignorieren, steige mit weichen Knien ein und weiß schlagartig, wie sich die Goldmarie aus dem Märchen Frau Holle gefühlt haben muss, als sie, aus Angst vor der Strafe der Stiefmutter, in den Brunnen sprang, um die verlorene Spule wiederzufinden. Nur lande ich nicht auf einer heimischen Sommerwiese, sondern inmitten einer Plantage voller tropischer Früchte

und Blumen – darunter Mangos, Avocados, Bananen, Papayas, Surinamkirschen, Feigen, Maracu jas, Guaven, Litschis, Cashewnüsse, To maten, Süßkartoffeln, Strelitzien, Engelstrom peten, Fuchsien, Begonien … „Willkommen im Paradies“, begrüßt mich Mario Jardim Fernandes, der Besitzer von Fajã dos Padres, einer 13 Hektar großen fruchtbaren Plantage, die auf der einen Seite vom Meer und auf der anderen von

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eiiner gewaltigen senkrechten Felswand begrenzt wird. Bis 1996 gab es nur einen Weg hierher – mit dem Boot von Funchal aus. Dann nahm Fernandes richtig Geld in die Hand und ließ einen gläsernen Aufzug an die Felswand bauen. Gegen diesen wirkt die neue Luftgondel, die den abenteuerlichen Lift 2016 ersetzte, regelrecht harmlos. Seitdem wagen sich auch immer öfter Besucher in das abgelegene Paradies. Inzwischen kann man hier sogar Urlaub machen, denn Mario und seine Frau isabel haben neun alte Hütten, in denen früher die Plantagenarbeiter lebten, zu gemütlich-kusche ligen Ferien wohnungen umgebaut. Fajã dos Padres liegt an der Südküste von Madeira am Fuß der berühmten Steilklippe Cabo Girão, die mit knapp 590 Metern die zweithöchste der Welt sein soll. „Fajã“ nennt man auf Madeira jene schmalen Landstreifen am Meer, die sich unter den spektakulären Felsklippen über Jahrhunderte hinweg durch herabfallendes Stein- und Erdmaterial gebildet haben. Und „Padres“ ist das portugiesische Wort für Priester. Tatsächlich waren es Mönche eines Jesuitenordens aus dem nur 15 Kilometer entfernten Funchal, die den knapp 100 Meter breiten, von einem besonderen Mikroklima begünstigten Küstenstreifen im 15. Jahrhundert besiedelten und landwirtschaftlich nutzten. Sie waren die Ersten auf der Insel, die in der geschützten Lage die empfindlichen Malva siaReben anbauten, weshalb die Fajã dos Padres auch als Wiege der Weinkultur Madeiras gilt. Die Trauben verarbeiteten sie zu einem extrem aromareichen Süßwein, der bis heute bei Weinkennern Begehrlichkeiten weckt. Dieser erste Weingarten Madeiras verschwand mit den Mönchen, die 1766 von ihrem Land vertrieben wurden. Die neuen wechselnden Besitzer setzten auf Zuckerrohr und Bananen. Auch Isabels Großvater, der die Fajã 1921 einer verarmten Adelsfamilie abkaufte, änderte nichts daran. Erst als die Enkelin vor fast 40 Jahren Mario Jardim Fernandes heiratete, verschwand die Monokultur. Der Elektroingenieur und Nebenerwerbsbauer pflanzte alle möglichen Obstbäume und Gemüsesorten. Seine Leidenschaft aber galt der Wiederbelebung des Weinbaus. Die dafür nötigen Kenntnisse hatte der Sohn eines Winzers gewissermaßen mit der Muttermilch aufgesogen. Er konnte sein Glück kaum fassen, als er auf dem Gelände verstreut noch einige uralte Rebstöcke fand, die die Zeit und die

Der Aufdruck "Frasqueira" mit Jahresangabe auf der Flasche kennzeichnet einen Vintage-Wein. (Foto © Heidi Diehl)

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Reblaus unbeschadet überdauert hatten. Was er zunächst nur vermutete, bestätigten später DNA-Untersuchungen der Methusalems: Bei den verwilderten Reben handelt es sich um den Original-Malvasia aus dem 16. Jahrhundert, die sogenannte Malvasia Candida, die nirgendwo anders auf Madeira überlebt hat. Mario machte sich daran, diese Urreben wieder zu vermehren. Heute wächst der Wein überall versteckt zwischen Obst, Gemüse und Blumen auf insgesamt einem Hektar. „Komm”, sagt Mario, „ich zeig dir meine Schatzkammer.” Wir laufen an einem Beet mit buntem Gemüsepaprika vorbei, queren einen kleinen Bananenhain, lassen eine Pergola voller Trauben links liegen und erreichen nach ein paar Metern einen versteckt liegenden Keller, in dem einige betagte Fässer stehen, die den Eindruck machen, als wären sie von den Mönchen zurückgelassen worden. So alt sind sie zwar nicht, erzählt der Winzer, aber ein paar Jährchen haben sie schon auf dem Buckel. Wie auch der „Madeira”, der in ihnen reift. Er lässt aus dem Fass, auf dem mit Kreide die Jahreszahl 2001 steht, einen dickflüssigen bernsteinfarbenen Strahl in ein Glas laufen und reicht es mir. „100 Prozent UrMalvasia”, sagt er stolz. Der Wein duftet intensiv nach kandierten Früchten, und auf der Zunge macht sich dickflüssig eine süße Armomamischung aus Kräutern, Rosinen, Nüssen und dunkler bitterer Schokolade breit. Köstlich! „Der kann noch”, sagt Mario, und meint damit, dass der 16-Jährige ruhig noch vier, fünf Jahre im Fass reifen kann, ehe er ihn in

Flaschen füllt. Ob ich mal einen wirklich guten Schluck probieren möchte, fragt er, wohl wissend, wie überflüssig diese Frage eigentlich ist. Ohne meine Antwort abzuwarten, geht er in die hinterste Ecke des Kellers, wo eine Kiste mit dick eingestaubten Flaschen steht, und zieht eine davon heraus – einen Malvasia aus dem Jahr 1986: der letzte Jahrgang, den er in Flaschen abgefüllt hat, und der erste aus kontrollierter Abfüllung aus der geschützten Region nach 1921. Nur 654 gab es davon insgesamt, jede einzelne ein kleines Vermögen wert und unter Sammlern hoch gehandelt. Ein sogenannter Vintage-Wein oder auch Frasqueira genannt, der sich von anderen Madeira-Weinen darin unterscheidet, dass in der Flasche nur Wein aus dem Jahrgang ist, der aufgedruckt ist. Vintage-Weine sind die wirklich edlen Tropfen, lagern sie doch mindestens 20 Jahre in den Fässern und noch einmal zwei Jahre, ehe sie verkauft werden. Wobei mindestens heißt, dass die meisten Vintage-Weine viel länger im Fass reifen, manche Jahrzehnte. Das führt zu einer gewollten Oxidation und Konzentration des Weines, was seine Haltbarkeit fast unbegrenzt macht. Als er mir ein Glas von dem 1986er reicht, fühle ich mich erneut wie die Goldmarie, als sie reich beschenkt das Paradies von Frau Holle verlässt. Nur, dass ich nicht mit Gold überschüttet, sondern mit einer absoluten Rarität verwöhnt werde. Noch öliger im Glas, noch intensiver in Geruch und Geschmack als der 2001er, versuche ich sein Ende hinauszuzögern, indem ich ihn nur in winzigen Schlückchen genieße.

Madeira-Wein ist eine geschützte Herkunftsbezeichnung und darf nur auf der Insel Madeira verwendet werden. Er ist sehr hochprozentig (zwischen 17 und 22 Volumprozent Alkohol) und wird mit Weinbrand angereichert. Die ersten Weinreben soll Prinz Heinrich der Seefahrer im 15. Jahrhundert auf die Insel gebracht haben, darunter die Malvasia-Rebe aus Kreta, die einen feurigen Süßwein ergibt. Weitere Rebsorten, aus denen heute traditionell Madeira-Weine hergestellt werden, kamen mit den Jesuitenmönchen Ende des 16. Jahrhunderts ins Land: Boal, Verdelho und Sercial. Heute werden allerdings vier Fünftel des Madeira-Weins aus der weniger edlen Sorte Tinta Negra Mole produziert, die erst nach der Reblauskrise im 19. Jahrhundert angepflanzt wurde.

Das Besondere der Madeira-Weine wurde eigentlich durch Zufall entdeckt. Auf dem langen Weg der Weine von Madeira aufs Festland lagerten die Weinfässer in der Wärme der Schiffe. Dadurch veränderte sich der Geschmack des Weines, er wurde aromatischer und gehaltvoller. Diese Entdeckung nutzte man später bei der Produktion von Madeira-Weinen gezielt aus.

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Flagge Madeira (Nuno Tavares)

Als wir den Keller wieder verlassen, fühle ich mich für einen Moment wie aus dem Paradies vertrieben. Doch nur wenige Minuten später verfliegt dieses Gefühl so schnell, wie es kam. Wir sitzen in dem gemütlichen Strandrestaurant, das Mario und Isabel vor einiger Zeit eröffnet haben, und genießen, was der Küchenchef serviert. Der kann jeden Tag aus dem Vollen schöpfen und sich das Beste von dem aussuchen, was die Fischer nur ein paar Schritte vom Restaurant entfernt aus dem Meer holen. Erst spät am Nachmittag verlasse ich Fajã dos Padres wieder, diesmal nehme ich den Weg übers Meer in einem kleinen Schiff, das wie eine Nussschale auf den Wellen tanzt. Ein bisschen neidisch auf Mario, Isabel und die wenigen Glücklichen, die eines der Ferienhäuschen gemietet haben. Denn sie dürfen im Garten Eden bleiben und bei einem Gläschen Madeira zuschauen, wie die Sonne im Meer versinkt. ■ TIPP: Weitere Informationen zur Fajã dos Padres im Internet: www.fajadospadres.com

Nach wie vor wird der Wein nach 200 Jahre alten Richtlinien produziert, wobei die Weine zu Beginn der Lagerung für mindestens drei Monate auf 45 Grad Celsius erhitzt werden. Dabei karamellisiert der Zucker im Wein und bringt so das typische Aroma hervor. Anschließend lässt man ihn bei normalen Außentemperaturen weiter altern. Nach dieser (preiswerteren) Methode ist die Masse der Weine hergestellt. Traditioneller, jedoch bedeutend aufwendiger ist die Canteiro-Methode. Dabei kann sich der Wein für mindestens zwei Jahre auf natürliche Weise auf warmen Speichern oder auf Dachböden in Holzfässern entwickeln, bevor er zum Reifen in kühlere Räume kommt. Bei der Abfüllung wird dem Fass mit dem ältesten Wein etwa ein Drittel entnommen und anschließend mit jüngerem Wein aufgefüllt. So werden Qualitätsunterschiede der einzelnen Jahre ausgeglichen. Madeira kann sehr alt werden, ohne an Qualität zu verlieren. Bei einer Auktion in London wurde 1997 ein Wein des Jahrgangs 1800 für 22.000 US-Dollar versteigert.

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WEINREISEN

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Philippe Antony – authentischer Typ mit Baskenmütze. Export Director Traditional Trade bei Plaimont. (Foto © Wolfgang Junglas)

GASCOGNE – DORT WO D’ARTAGNAN TANNAT TRINKT

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blicherweise führt der Besuch in einer Weinregion zuerst in den Weinberg oder in den Weinkeller – Philippe hat sich anders entschieden. Auf dem Weg von Toulouse nach Marciac hält er kurz in Lupiac und zeigt uns die Statue von D’Artagnan – genauer: Charles d’Artagnan de Batz-Castelmore. Sein abenteuerliches Leben war die Vorlage für das Buch von Alexandre Dumas „Die drei Musketiere“, Lupiac war sein Geburtsort. „Un pour tous, tous pour un!“ – der Wahlspruch meiner Kindheit gilt in der Winzergenossenschaft Plaimont heute noch.

Im Restaurant „Le Daroles“ in Auch essen wir Foie Gras de Canard aus der Region. In Deutschland scheint der Verzehr von Entenstopfleber politisch nicht korrekt zu sein – hier gehört es zur Lebensart. Dazu probieren wir einen Weißwein der Rebsorte Gros Manseng: Mit 40 bis 50 Gramm Restzucker passt der Wein perfekt zur Foie Gras. Die einheimische, nicht so bekannte Rebsorte verführt mit Frische und exotischen Früchten. In der Region ist der Wein auch als bekömmlicher, säurearmer „AfterWork-Drink“ beliebt – vielleicht auch wegen des günstigen Preises von um die 7 € pro Flasche (Einzelhandelspreis).

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Philippe Antony ist ein sympathischer junger Mann, Träger einer Baskenmütze: unser Pressebegleiter an diesem Wochenende in der Gascogne. Er spricht sehr gut deutsch – kein Wunder: Er hat einige Jahre in Frankfurt gelebt. Und jetzt lebt er in der französischen Provinz. Wir fliegen nach Toulouse – von dort sind es noch ein paar Stunden mit dem Auto nach Marciac.

VON WOLFGANG JUNGLAS Der Hauptgang ist ein regionaler Klassiker: eine knackig gebratene Magret de Canard – Entenbrust. Dazu passt der Rotwein von Château Arricau-Bordes Madiran 2012 ganz ausgezeichnet: eine Cuvée aus 80 % Tannat sowie 20 % Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Das Privatweingut arbeitet mit der Genossenschaft Plaimont zusammen. Gleich in meinen ersten Stunden in der Gascogne gibt es für mich einiges Neues zu entdecken: Tannat ist mir als Rebsorte nicht so geläufig – sie scheint mit ihrer wilden Frucht und den kräftigen Gerbstoffen in

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WEINREISEN

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diese herbe Landschaft zu passen. „Beim Marshallplan nach dem Krieg gab es Konzepte für jede Region in Frankreich – die Gascogne wurde vergessen“, erklärt Philippe. In erster Linie ist die Gascogne bekannt für Armagnac – die älteste bekannte französische Spirituose. Es kostete viel Überzeugungsarbeit, um die Weinbrandproduzenten dazu zu bewegen, auf Wein zu setzen. Philippe ist bei Plaimont für den Export zuständig. In diesem Zusammenschluss aus fünf Winzergenossenschaften sind insgesamt 800 Familien Mitglieder und produzieren über 30 Millionen Flaschen Wein. Der Weinbau erstreckt sich über die Appellationen Saint Mont, Côtes de Gascogne, Madiran und Pacherenc du Vic-Bilh. Die sehr eigenständige Region setzt auf Tradition und Nachhaltigkeit: Stolz zeigt mir

Philippe einen alten Weinberg – über 150 Jahre alt. So weit wie möglich werden die Belange des Umweltschutzes berücksichtigt – traditionelle Rebsorten werden gepflegt, Plaimont besucht die Produzenten schon im Weinberg. 10 bis 15 „SeniorWinemakers“ mit hohem Anspruch an ihre Arbeit beraten die Mitglieder intensiv. So wird beispielsweise schon im Weinberg festgelegt, welche Trauben zu Roséweinen verarbeitet werden sollen – die frischen Aromen werden so noch besser eingefangen. 2016 wurde in Frankreich zum ersten Mal mehr Rosé als Weißwein getrunken – ein lohnender Markt. Eine Querverkostung von 12 aktuellen Weinen aus dem Sortiment bestätigt meine ersten Eindrücke: Plaimont produziert sehr eigenständige, charakterstarke Rot- und Weißweine in einem sehr günsti-

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gen Preissegment. Die Region zwischen Atlantik und Mittelmeer setzt auf Authentizität und Ursprünglichkeit ihrer Weine. Die Arbeit von Plaimont zahlt sich aus: Seit ein paar Jahren wird die Kooperative regelmäßig zur besten Winzergenossenschaft in Frankreich gewählt. Seit 1977 findet in Marciac jedes Jahr ein weit beachtetes Jazz Festival statt: Zwei Wochen lang wird der kleine Ort von Jazzund Weinfreunden aus der ganzen Welt regelrecht überflutet. Ich besuche in dem riesigen Festivalzelt (6.000 Plätze!) die Konzerte von Norah Jones und Herbie Hancock – ein Erlebnis. Zum Abschied hat Philippe noch ein kleines Geschenk für mich: eine Baskenmütze. Die kommt nämlich ursprünglich gar nicht aus dem Baskenland, sondern von der anderen Seite der Pyrenäen – aus Béarn in Frankreich. ■

Charakterstarke Weine in einem günstigen Marktsegment: Querverkostung der Plaimont-Weine (Foto © Wolfgang Junglas)

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WEINPROJEKT

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DIE WEINELF DEUTSCHLAND UND IHR PAKT MIT DER MESSE STUTTGART

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VON RUDOLF KNOLL Im Nebenberuf Pressesprecher der Weinelf Deutschland

ohl kaum jemand hatte auch nur annähernd geahnt, was sich aus einem flotten Kick im Mai 2005 im Münchner Olympiastadion zwischen einer kurzfristig zusammengetrommelten Mannschaft mit deutschen Winzern gegen eine schon erfahrene Nationalmannschaft der deutschen Spitzenköche entwickeln würde. Die Weinmacher, darunter Philipp Wittmann aus Rheinhessen, dem ein wichtiges Tor gelang, siegten mit 3:2. Es war ein gutes Vorspiel und eine Werbung für eine Weinmesse, die kurz darauf im Stadion stattfand (das damals aufgrund der neuen AllianzArena in München für den Fußball aufgegeben wurde). Aber es war auch die Initialzündung für die Gründung eines bemerkenswerten Vereins – die Weinelf Deutschland. Denn das damalige Team mit Organisationschef Norbert Heine (früher Pressechef des Deutschen Weininstituts) und Robert Lönarz von der Weinuni Geisenheim hatte Spaß an der Sache gefunden, spielte im Herbst nochmal gegen die Köche, gewann wieder und so war die Gründung eines richtigen Vereins nur mehr eine logische Folge. Mit den Jahren wurde aus einem eher provisorisch aufgebauten Club eine gut organisierte Gemeinschaft mit allem, was dazugehört, von einer engagierten Vorstandschaft bis hin zu einem Trainerteam, das einen guten Namen hat. Unter Lothar Böhm (einst Werder Bremen) wurde das 4-2-4-System erfolgreich einstudiert. Dann folgte der namhafte Erich Rutemöller, der ansonsten für den DFB in der weiten Fußballwelt unterwegs ist. Und wenn der Profi keine Zeit hat, ist Friedel Müller, Stützpunkttrainer in Hessen, für die Aufstellung und Taktik der Weinelf verantwortlich. Es gab seit dem Auftakt viele spannende Spiele gegen unterschiedlichste Gegner bis hin zum Deutschen Bundestag (ein Sieg, eine Niederlage). Die Weinelf verjüngte sich beim kickenden Team durch die Einreihung talentierter jüngerer Spieler, während sich die reiferen Senioren (darunter der langjährige Präsident des Deutschen Weinbauver-

Die Repräsentanten der Messe Stuttgart (links) mit Spieler Matthias Gutzler, Weinbaupräsident Klaus Schneider und Weinelfboss Robert Lönarz (rechts) bejubelten das Messe-Sponsoring im Stuttgarter Stadion. (Foto © Weinelf)

bandes, Norbert Weber) in eine Ü40 (und höher) zurückzogen. Man spielt inzwischen international bei Europameisterschaften gegen Teams aus Italien, der Schweiz, Österreich, Slowenien und Ungarn und wurde hier 2014 durch ein 3:2 gegen Ungarn in der Schweiz (Erinnerungen an Bern 1954 wurden dabei wach) sogar Europameister. Die Titelverteidigung verpasste man zwei Jahre später in Mainz knapp durch ein 2:3 gegen Slowenien; das entscheidende Tor fiel in der letzten Spielminute. Neben den sportlichen Aktivitäten bildete die Weinelf eine „Genuss-Allianz“ mit deutschen Spitzenköchen. Sie engagiert sich gemeinnützig, unterstützt unter anderem die Giovane Elber-Stiftung zur Förderung brasilianischer Straßenkinder, führte schon Spiele für wohltätige Zwecke durch und ist Stammgast bei der Verleihung der FußballKulturpreise in Nürnberg. Finanziert werden die Aktivitäten aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und durch das Engagement von Sponsoren. Die jüngste Partnerschaft ist besonders spektakulär. Auf „neutralem Boden“ im Haus der Leicht Küchen AG in Waldstetten bei Schwäbisch Gmünd wurde sie kürzlich besiegelt. Sebastian Schmid,

Projektleiter der Messe Stuttgart, wurde von Weinelf-Präsident Robert Lönarz als neuer Hauptsponsor begrüßt. Mit dabei war auch der neue Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, der Pfälzer Klaus Schneider. Ein wichtiger Grund für die Zusammenarbeit ist die Messe „Intervitis Interfructa Hortitechnica“, die vom 4. bis 6. November 2018 in Stuttgart stattfindet. Ein Erfolg dieser internationalen Messe liegt dem Weinbauverband sehr am Herzen. Und die Messe erhofft sich via Weinelf gute Kontakte zu anderen Ländern. Die bestehen vor allem über die Europameisterschaft der kickenden Winzer, die 2018 in Ljubljana stattfindet, im Land des letzten EM-Siegers Slowenien. Hier werden neben den bisher schon teilnehmenden sechs Ländern erstmals auch Portugal und Tschechien an den Start gehen. „Das ist für uns eine sehr gute Plattform vor allem für Osteuropa“, urteilt Schmid. „Wir wollen diesen Rahmen für diverse Aktionen nutzen.“ Der Entscheidungsprozess für eine Zusammenarbeit mit der Weinelf sei kurz gewesen, „weil wir schnell gemerkt haben, mit wie viel Engagement und Herzblut das Thema Wein und Fußball umgesetzt wird“. ■

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Wissenschaftler finden ein neues Verfahren zur Modifikation von Weinhefe, aber der Konsument wird es nach wie vor bereuen, wenn er zu tief ins Glas geschaut hat. (Foto: Dr. Yong-Su Jin © Deb Aronson – debaronson.com)

"GENOM-MESSER" – WEINGENUSS OHNE KATER-SYMPTOME? VON ARTHUR WIRTZFELD

Diese Schlagzeile lautete: "Wissenschaftler entwickeln Wein, von dem man keinen Kater bekommt!" – sie machte die Runde in verschiedenen Nachrichtenportalen in den USA. Die Meldungen stützen sich auf neue Forschungsergebnisse der University of Illinois. Wissenschaftler unter Federführung von Prof. Dr. Yong-Su Jin, einem Fachmann für das Genom von Mikroben, haben ein Verfahren entdeckt, mit dem man Hefestämme für die Weinbereitung mit Hilfe der Gentechnik geschickt verändern kann. Somit ist es nun möglich, polyploide Stämme von Saccharomyces cerevisiae – hauptsächlich für die Gärungsprozesse in Wein, Bier und Brot zuständig – zu manipulieren. COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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DAS GENOm-mESSER

olyploide Zellen enthalten multiple Sätze von Chromosomenpaaren. Hefestämme aus solchen Zellen waren bisher immer schwierig genetisch herzustellen. Manipulierte man ein Gen, versetzte ein Gen in einem anderen Exemplar des Genoms das manipulierte Gen wieder in den Urzustand. Mit dem Verfahren von Dr. Jin, das er als "Genom-Messer" bezeichnet, lassen sich bestimmte Gene in polyploiden Hefestämmen dauerhaft verändern. "Die Entwicklung eines katerfreien Weins wird allerdings bei Weitem überbewertet", meint Dr. Jin. "Bisher gibt es keinen solchen Wein und von der ziemlich unwahrscheinlichen Möglichkeit, einen solchen Wein zu entwickeln, sind wir noch Lichtjahre entfernt. Mir sind diese Medienberichte furchtbar peinlich." Was aber nicht bestreiten soll, dass seine Forschung ein großes Potenzial für die Weinbereitung birgt, wenn die Winzer einmal diese Möglichkeit hätten und sich der Aufwand lohnen würde. Dr. Jin ist Realist und betrachtet die Vermeidung von Kater-Symptomen als nur eine von vielen potenziellen Anwendungen seiner Forschung. Es sei denkbar, behauptet er, dass das Genom-Messer eine Hefe produziert, die eine malolaktische Gärung (sekundäre Gärung, die Apfelsäure in cremige Milchsäure verwandelt) in Gang setzen könnte und dabei auch noch weniger biogene Amine produziert. Amine, also Inhaltsstoffe wie beispielsweise Histamine und Tyramine, werden auch für Kopfschmerzen nach dem Weingenuss verantwortlich gemacht. Diese Kater-Symptome könnte sein Genom-Messer lindern oder sogar vermeiden helfen. DER DISPUT

"Hefen sind nicht verantwortlich für die malolaktische Gärung, sondern Bakterien", bemerkt Brian Loring von der Loring Wine Company aus Lompoc in Kalifornien, der seine Weine mittels konventioneller Hefen und Bakterien inokuliert (animpft). Dr. Jin kontert, dass ein maßgeschneiderter Hefestrang entwickelt werden könnte, der die Bakterien bei der malolaktischen Gärung ersetzen könnte. "Die Milchsäurebakterien, die bei der Weinbereitung verwendet werden, sind allerdings ganz schön schwer zu steuern", erklärt er, "und wenn es schiefgeht, kann es zu einer Überschussproduktion von biogenen Aminen kommen." Eine Reihe von Wissenschaftlern glaubt allerdings nicht, dass man mit der Reduzierung von biogenen Aminen im Wein die

Unpässlichkeit am Morgen danach vermeiden könnte. Dr. Robert Pandina, Direktor des Zentrums für Studien über Alkohol an der Rutgers University in New York, bestreitet, dass biogene Amine dafür verantwortlich seien. "Überreaktionen nach Histaminzufuhr kommt bei den in alkoholischen Getränken vorhandenen Dosen ziemlich selten vor", meint er. "Die Entstehung eines Katers ist immer noch etwas rätselhaft und zumeist begründet sich eine Unpässlichkeit durch übermäßigen Genuss von jedweder Art von Alkohol." WER IST VERANTWORTLICH?

Der gesunde Menschenverstand sagt, dass eine verpfuschte malolaktische Gärung und biogene Amine nicht zwingend für alle Kater-Symptome verantwortlich sein können. Denn nicht jeder Wein (und auch nicht alle alkoholischen Getränke) durchlaufen eine malolaktische Gärung. Dr. Jin vertritt die Meinung, dass der Alkohol selbst der Hauptfaktor ist, und er betont, dass er einen Kater nach Weingenuss nur teilweise den biogenen Aminen zuschreibt. "Die potenzielle Entwicklung von Wein mit weniger biogenen Aminen bedeutet nicht, dass es uns nach übermäßigem Weingenuss nie wieder schlecht gehen würde", sagt er. "Das wäre toll, aber ich halte das für unmöglich." Abgesehen von der Verhinderung eines Katers, glaubt Dr. Jin, dass sein GenomMesser großes Potenzial hat: "Jetzt haben wir ein brauchbares und sicheres genetisches Werkzeug an der Hand, um Hefe mit einem Stoffwechsel herzustellen, um bessere vergorene Produkte wie beispielsweise Wein, Bier und Brot erzeugen zu können." Dr. Jin stellt außerdem die Hypothese auf, dass das Genom-Messer außer dem Steuern der sekundären Gärung den Winzern zudem noch ermöglicht, den Gärungsprozess effizienter zu gestalten, den Duft eines Weins zu verändern und den Gehalt an potenziell gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen im Wein, wie beispielsweise Resveratrol, zu erhöhen. DIE HEfEN

Den Charakter eines Weins mittels des neuen Genom-Messers zu steuern, unterscheidet sich kaum von bereits verfügbaren Verfahren. Winzer, die ihre Weine mit konventioneller Hefe inokulieren, haben eine lange Liste von Stämmen zur Verfügung, aus denen sie wählen können. "Einige Hefen sind auf eine Gärung bei niedrigeren Temperaturen abgestimmt; andere werden verwendet, um dem Wein mehr fruchtige Komponenten zu verlei-

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hen", erklärt Corey Beck, Präsident der Francis Ford Coppola Winery aus Kalifornien und dort verantwortlich für die Weinbereitung. "Man sucht nach Weißwein-Hefen unter dem Aspekt, ob sie aromatische Ester produzieren können; für große Rotweine sucht man vielleicht nach Hefen, die etwas mehr Alkohol erzielen. Fündig wird man allemal", sagt Beck. Die Verminderung von biogenen Aminen ist auch kein neues Ziel in der produzierenden Weinbranche. "Die meisten kommerziell gehandelten (malolaktischen) Bakterien werden angeblich zum Teil ausgesucht, um den Gehalt an biogenen Aminen und dergleichen zu vermindern", sagt Brian Loring. "Das Genom-Messer könnte einfach die derzeitigen Verfahren zur Weinbereitung gründlicher, präziser und effizienter machen", hofft Dr. Jin. Für ihn und seine Mitarbeiter bleibt noch eine Menge Laborarbeit. Und es ist unklar, ob Weine, die unter Zuhilfenahme von genetisch modifizierten Hefen produziert werden, als solche auch deklariert werden müssen, weil diese genetisch modifizierte Organismen (GMO) enthalten. "Ich habe persönlich nichts gegen GMOs, aber mir ist klar, dass es schwierig wäre, so gekennzeichnete Produkte zu vermarkten", meint Dr. Jin. Und was halten Weinmacher von der Aussicht, GMO-Hefen zu verwenden? mEINUNGEN (Auszüge aus US-Medien)

"Wir würden uns nicht darum reißen, sie zu verwenden", sagt Corey Beck von der Francis Ford Coppola Winery. "Ich halte es mit: Sag niemals nie. Wir probieren gern etwas aus und Experimente gehören dazu, sie können positive Veränderungen in der Weinindustrie anstoßen." Bob Bertheau, verantwortlich für die Weinbereitung bei Château Ste. Michelle (USStaat Washington), meint: "Ich würde meine Methoden der Weinbereitung nicht verändern, nur um biogene Amine zu verringern. Ich halte genetisch modifizierte Hefe nicht für notwendig, jedenfalls so lange nicht, bis sich die Auswahl der heute zur Verfügung stehenden Hefen nicht merklich verringert, und daran glaube ich nicht." "Würden wir einen GMO verwenden, der keine biogenen Amine produziert? Vielleicht", sagte Brian Loring von der Loring Wine Company. "Aber ich will erst sehen, dass es wirklich etwas nützt. Weil ich ziemlich sicher bin, dass der Alkohol, einhergehend mit der Dehydrierung nach übermäßigem Genuss, eine entscheidende Rolle bei einem Kater spielt." ■

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(Foto © Alexander Novikov)

ALLE JAHRE WIEDER WEINEMPFEHLUNGEN FÜR DIE FEIERTAGE VON BRITTA BINZER

Ganz bald ist Weihnachten! Die Zeit, in der sich viele mit ihrer Familie und ihren Freunden treffen – um nochmal das Jahr passieren zu lassen und gemeinsam zu genießen. Kolleginnen und Kollegen der Weinfeder haben ihre persönlichen Weinempfehlungen in verschiedenen Kategorien zusammengestellt. Ganz ohne Benotung mit Punkten oder Trauben, sondern ganz subjektiv und individuell – als Inspiration für das kommende Festtagsessen oder eine stimmungsvolle Silvesterfeier. Auf ein gesundes Jahr 2018! COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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PRICKELNDES BIS 10 EURO BERLINSKY BLANC SEKT BRUT // Ein Sekt wie Berlin – gradlinig, erfrischend, belebend. Tolles Preis-Leistungs-Verhältnis. // Bezug: www.berlinsky-sekt.de oder www.hardy-weine.de; 6,90 Euro // Empfehlung von Norbert Pobbig fRAENZI fRIZZANTE BAVARES, Weingut Fürstlich Castell´sches Domänenamt, Franken // Dieser feinperlige Frizzante geht immer, egal zu welcher Uhrzeit, egal zu welchem Anlass. Er macht einfach großen Spaß und ist bei unseren Freunden der beliebteste Aperitivo. Aber Obacht, der FRAENZI muss gut gekühlt sein, ansonsten ist die Frucht zu dominant. Fünf Rebsorten tummeln sich im Glas – Scheurebe, Bacchus, Traminer, Kerner, Müller-Thurgau und Silvaner. Was sich dann am Gaumen abspielt, entlockt den meisten Weinliebhabern ein hörbares, freudiges "Ahhh …", macht Spaß! // Bezug: www.castell.de; 7,90 € // Empfehlung von Arthur Wirtzfeld SUmARROCA CAVA BRUT RESERVA, Bodegas Sumarrocca, Katalonien // Cuvée aus Macabeo, Parellada, Xarello und Chardonnay mit 24 Monaten Hefelager; elegant und frisch, feines Mousseux, guter Aperitif-Sekt. // Bezug: www.sumarroca.es/eng; ca. 8,90 Euro // Empfehlung von Valentin Brodbecker CRÉmANT DE BOURGOGNE BLANC DE BLANCS BRUT, Cave d’Azé, Burgund // Manche Crémants von der Loire und aus Burgund haben den Abstand zu den großen Vettern aus Reims und Umgebung ziemlich verkleinert. Der Crémant aus Azé ist einer davon: händisch ausgelesene Trauben, 9-monatiges Flaschenlager, feine Aromen von reifen Äpfeln, Pfirsichen und Birnen, geschmeidig, elegant und mit vorzüglichem Trinkfluss. Mit seiner repräsentativen Ausstattung und seinem gemäßigten Preis ist er eine interessante Alternative, wenn es um puren Genuss geht und nicht um die Taufe von Rennfahrern etc. // Bezug: vor Ort (www.caveaze.com), ca. 9 € // Empfehlung von Dr. Stefan Krimm CRÉmANT DE BOURGOGNE AOC PERLE D'AURORE BRUT ROSÉ, Louis Bouillot, Burgund // Dieser Crémant – Cuvée aus Pinot Noir, Chardonnay und Gamay – besticht durch feine Perlage und zarte Aromen von Himbeere und roter Johannisbeere. Sehr schön ausbalanciert. Seit Jahren schon unser Heiligabend-Aperitif, zu dem wir Gougères oder anderes Käsegebäck reichen. // Bezug: www.imaginarium-bourgogne.com, ca. 9 Euro, in Deutschland: Galeria Kaufhof // Empfehlung von Britta Binzer PROSECCO SPUmANTE TREVISO DOC BRUT, Casa Gheller, Valdobbiadene, Venetien // Spumante mit zarter Perlage, Aromen von grünen und roten Äpfeln – als Aperitif oder zur leichten Vorspeise. Das Familienweingut gehört heute zu Villa Sandi. / Bezug: www.casagheller.it; ca. 9,40 Euro // Empfehlung von Alice Gundlach

PRICKELNDES AB 10 EURO 2015 ROSÉ-SEKT ExTRA BRUT RESERVE, Château Tamagne, Krasnodar // Eine Entdeckung auf einer Weinmesse in Berlin. Russische Weine und Sekte mit Niveau sind in Deutschland kaum zu finden. Dieser Prickler hat die Qualität eines feinen Champagners, mit Brioche im Aroma, Rasse und anhaltendem Spiel. Kommt aus einer südrussischen Weinregion in der Nähe des Schwarzen Meeres. // Bezug: www.nomisgroup.de, Hans-Dieter Weingärtner // Empfehlung von Rudolf Knoll

(Foto © A.Wirtzfeld)

2015 WICKERER möNCHSGEWANN RIESLING BRUT, Weingut Peter Flick, Flörsheim-Wicker, Rheingau // Handgerüttelter Sekt mit Eisweindosage, feine Perlage. Die fruchtigen Aromen des Rieslings bringen ein ausgewogenes Süße-Säure-Spiel. Solo als Aperitif oder zu Käsegebäck. // Bezug: wein-vom-flick.de; 12 Euro // Empfehlung von Britta Binzer 2012 ERBACHER HONIGBERG ExTRA BRUT, RIESLING SEKT B.A. RHEINGAU, Sektkellerei Bardong, Geisenheim // Dieser Sekt wirkt ausgesprochen frisch, der Rieslingcharakter ist deutlich zu erkennen, Steinobstaromen, Zitrusnoten, eine frische Säure. Perfekt als Aperitif oder als Begleiter eines nicht zu süßen Desserts. // Bezug: www.bardong.de, 14 Euro // Empfehlung von Lars Daalgard 2012 RIESLING SEKT B.A. BRUT, Weingut Ratzenberger, Bacharach, Mittelrhein // Farbe: strahlendes Zitronengelb; Nase: Aromen erinnern an frische Äpfel, Blutorangen, Aprikosen und Ananas, mineralisch; Zunge: Aromen bestätigen sich und werden von einer feinen Perlage umrahmt, tolle Balance zwischen lebendiger Säure und dezenter Auftaktsüße; Nachhall: fruchtbetontmineralisch; Speiseempfehlung: Aperitif, zum Neujahrsbrunch. // Bezug: www.weingut-ratzenberger.de // Empfehlung von Yvonne Heistermann 2015 RIESLING BRUT, Reichsrat von Buhl, Deidesheim, Pfalz // Dass sich Reichsrat von Buhl angesichts der Riesling-Orientierung des Guts ausgerechnet in der Champagne nach einem kundigen Kellermeister umgesehen hat, ist ungewöhnlich, doch Mathieu Kauffmann, früher bei Bollinger, zeigt mit seinen beeindruckenden Sekten, dass er die deutsche Edelrebe ebenso beherrscht wie die Burgundersorten. Für vergleichsweise kleines Geld gibt es in Deutschland in klarer Frucht, feinem Spiel, leicht schmelziger Eleganz, Komplexität, Tiefe und Entwicklungsfähigkeit nicht viel Vergleichbares!! // Bezug: www.von-buhl.de; 14,90 Euro // Empfehlung von Dr. Stefan Krimm

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RIESLING BRUT, Weingut Wöhrwag, Untertürkheim, Württemberg // Im Glas herrschen Düfte von reifen Birnen, Reineclaude und Zitrusfrüchten. Auf der Zunge strahlend klar und elegant, leicht nussig, zarte Aprikosenfrucht, ein Hauch von Orangenzesten, feine Perlage. Perfekt als Aperitif. // Bezug: www.woehrwag.de; 15,90 Euro // Empfehlung von Christin Jordan 2011 PINOT CUVÉE BRUT, Sekthaus Solter, Rüdesheim, Rheingau // Cuvée aus 50 % Pinot Noir, 30 % Pinot Blanc und 20 % Pinot Gris mit mindestens 36 Monaten Hefelager. Feinperliges Mousseux, vollmundig, fruchtig, guter Speisebegleiter zu Fisch oder Kalb. // Bezug: www.sekthaus-solter.de; 16 Euro // Empfehlung von Valentin Brodbecker CUVÉE PINOT DOSAGE ZERO, Weingut Juliusspital, Würzburg, Franken // Eine edle fränkische Sektpersönlichkeit! Die Méthode champenoise hat das Team vom Juliusspital bestens im Griff. Die zurückhaltende Eleganz der Flasche findet sich auch am Gaumen wieder. Feine Perlage geht über in feinfruchtige Aromen, basierend auf Burgunderreben, gewachsen auf Muschelkalkböden. Schöner Druck im Finale. Mineralik pur bietet Genuss pur. // Bezug: www.weingut-juliusspital.de; 18 Euro // Empfehlung von Arthur Wirtzfeld 2010 CUVÉE PINOT BRUT, Schloss Wackerbarth, Radebeul, Sachsen // Handverlesene sächsische Weiß-, Grau- und Spätburgundertrauben. Der Grundwein wurde vom Holz geküsst. Lange Ruhephase auf der Feinhefe. Feine, ausdauernde Perlage. // Bezug: www.schloss-wackerbarth.de; 18,90 Euro // Empfehlung von Norbert Pobbig TRENTO DOC ROSÉ BRUT, Ferrari, Trentino // Ein Klassiker vom bekanntesten Hersteller von Trento DOC, dem Spumante aus dem Trentino, aus Flaschengärung. Feine Perlage, zarte Aromen von

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Erdbeere, Pfirsich und Hefe. // Bezug: www.ferraritrento.it; ca. 22,90 Euro // Empfehlung von Alice Gundlach

WEISSWEIN BIS 10 EURO CASTELLER SCHLOSSGLüHWEIN, Weingut Fürstlich Castell´sches Domänenamt, Franken // Er duftet, er wärmt, er schmeckt! Und das nicht nur zur besinnlichen Zeit, sondern weit ins kühle neue Jahr hinaus. Seitdem ich den "glühenden Weißen" von Castell erstmals probiert habe, bin ich süchtig. Die Casteller Kellermeister verschwenden Zimt, Kardamom, Nelken und Piment und dazu ihren besten Grundwein. Das Ergebnis ist eine überaus wohltuende Flüssigkeit, die in die Seele wandert. Macht einfach glücklich. // Bezug: vor Ort und im Internet; 5,90 Euro // Empfehlung von Arthur Wirtzfeld 2016 TORBOLINO BIANCO DI TOSCANA IGT, La Vialla, Arezzo // Der Bio-Erzeuger La Vialla erregt zwischen Verona und Montpellier, London und New York international immer mehr Aufmerksamkeit. Der weiße Torbolino aus ungeholztem Chardonnay ist sehr eigenständig und erinnert farblich wie geschmacklich fast an einen Orange-Wein, aber ohne jede Oxidation. Ausgeprägte Quitten-Aromen, nussig, feine Bitternoten, langer Nachhall, durchaus ernsthaft, sehr bekömmlich. Für 6,10 Euro im Direktvertrieb gibt es momentan nicht viele Weine, die interessanter wären. // Bezug: www.lavialla.it; 6,10 Euro // Empfehlung von Dr. Stefan Krimm 2016 RIESLING TROCKEN, LITERWEIN, VDP.GUTSWEIN, Weingut Jakob Jung, Erbach, Rheingau // Frisch und knackig, süßliche Frucht, Aromen von grünem Apfel und Pfirsich, kräutrige Noten, schöne Säure. Ein Wein mit ordentlichem Trinkfluss, unkompliziert auf hohem Niveau. Der perfekte Kochwein ;-). // Bezug: weingutjakob-jung.de; 7,60 Euro // Empfehlung von Lars Daalgard

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Schnitzel, Kalbssteak mit Morchelrahmsauce. // Bezug: www.villaheynburg.de; 9,90 Euro // Empfehlung von Yvonne Heistermann 2015 RIESLING TROCKEN, VDP.GUTSWEIN, Weingut Künstler, Hochheim, Rheingau // Gunter Künstler kann nicht nur Große Gewächse prächtig in Szene setzen, er versteht sein Handwerk auch an der Basis. Dieser Riesling betört durch intensive Frucht von Apfel und Pfirsich. Weil er nicht zu kompliziert ist, aber trotzdem raffiniert, macht er bereits solo sehr viel Spaß. Passt auch zu diversen Vorspeisen oder gegrilltem Fisch. // Bezug: www.weingut-kuenstler.de; 9,90 Euro // Empfehlung von Britta Binzer

(Foto © A.Wirtzfeld)

2016 SILVANER TROCKEN IPHöfER JULIUS-ECHTER-BERG, Weingut Seufert, Iphofen, Franken // Die 26-jährige Laura Seufert aus Iphofen war die große Überraschung bei einem bedeutenden Riesling-Wettbewerb in 2017, als sie gegen stärkste Konkurrenz in der Königsklasse „trocken“ vorn lag. Weil sich der Betrieb „Silvaner Weingut“ nennt, demonstriert sie auch mit der klassischen fränkischen Sorte ein gutes Händchen für den Ausbau. Der Wein aus der bekannten Top-Lage zeigt guten Nerv, ist saftig und hat eine ausgewogene Fülle – alles für weniger als 10 Euro. // Bezug: www.weingut-seufert.de; 8,60 Euro // Empfehlung von Rudolf Knoll 2016 RIESLING TROCKEN “DER mINERALISCHE”, Weingut Weegmüller, Neustadt an der Weinstraße, Pfalz // Kühler, mineralischer Duft, grüner Apfel, Zitrusnoten. Auf der Zunge reife Zitrusfrucht, rosa Grapefruit, Kräuterwürze, sehr mineralisch, nicht ganz trocken, aber ungemein saftig. Gut zu kurz gebratenem Fleisch oder gegrilltem Fisch, ruhig etwas kräftiger gewürzt. // Bezug: www.weegmueller.de; 8,50 Euro // Empfehlung von Christin Jordan WEISSBURGUNDER DOC 2016, Kellerei Terlan, Südtirol // Pinot Bianco mit dem alpinen Charakter des Alto Adige. Im Duft Birnen und Stachelbeeren, feingliedrig, mit Spannung, im Abgang mineralisch-salzig. Zum Käsefondue. // Bezug: www.cantina-terlano.com; ca. 9,50 Euro // Empfehlung von Alice Gundlach 2015 SILVANER TROCKEN DORNDORfER RAPPENTAL, Sonderabfüllung Alte Reben, Weingut Klaus Böhme, Kirchscheidungen, Saale-Unstrut // Die 1934 gesetzten Reben geben dem Wein eine ausgewogene Fruchtigkeit sowie spürbare Mineralik mit. Er streicht weich, zart und belebend über den Gaumen, doch im Finale zeigt er noch einmal, welche Substanz er hat. // Bezug: www.weingut-klausboehme.de; 9,50 Euro // Empfehlung von Norbert Pobbig 2016 RIESLING PRImUS mAxImUS, Weingut Heinz Nikolai, Erbach, Rheingau // Kräftiger, vollmundig-fruchtiger (Pfirsich) Riesling. Vorspeisen, Iberico und Co., Asiatisches. // Bezug: www.heinz-nikolai.de; 9,50 Euro // Empfehlung von Valentin Brodbecker 2016 CHARDONNAY TROCKEN, Weingut Villa Heynburg, Kappelrodeck, Baden // Farbe: leuchtendes Goldgelb; Duft: Noten von frischen Walnüssen, Mandelkrokant, reifer rosa Grapefruit und weißen Blüten. Zunge: feingliedrige Säure verleiht dem Wein Frische und unterstreicht die Aromatik, cremige Textur. Nachhall: lang. Speiseempfehlung: frische Pasta mit gehobelten Trüffeln, Wiener

VALDIfALCO VERmENTINO 2014 mAREmmA TOSCANA IGT, Loacker Tenute, Toskana // Biodynamie und Homöopathie im Anbau sind in diesem Biowein aus der Maremma auf subtile Weise spürbar. Strohgelb und leuchtend im Glas, mit grünlichen Reflexen. Macchia und eine Brise Meer in der Nase. Frucht und Mineralik bieten am Gaumen in Kombination mit einer salzigen Note ein äußerst angenehmes Geschmacksbild. Gefällt mir sehr zu herzhaften Fischspeisen, besonders zu gegrilltem Fisch oder gebratenen Meeresfrüchten, weil er diese Speisen krönt und auch noch im Nachhall angenehm präsent bleibt. // Bezug: Internet; ca. 9,90 Euro // Empfehlung von Arthur Wirtzfeld

WEISSWEIN AB 10 EURO 2016 mARKGRäfLERLAND GRAUER BURGUNDER SPäTLESE TROCKEN, Weingut Martin Waßmer, Bad Krozingen, Baden // Wunderbar aromatischer Weißwein zum Essen (Geflügel, Meeresfrüchte), aber auch zum Durchtrinken. // Bezug: weingutwassmer.de; 10,80 Euro // Empfehlung von Armin Faber 2015 DINARAZADE mUSKATSILVANER & mUSKATELLER VOm QUADERKALK, Weingut Schloss Sommerhausen, Franken // Klar, rein, aromatisch und fruchtig. Bringt Frische in die Weihnachtszeit und passt zu Austern, Räucherlachs oder auch Schaumsüppchen von Maronen oder Süßkartoffeln. // Bezug: www.sommerhausen.com; 12,50 Euro // Empfehlung von Valentin Brodbecker 2016 Y RIESLING RHEINGAU ALTE REBEN, ERSTE LAGE LORCHER SCHLOSSBERG // In der Nase Pfirsich, Mirabelle, kräutrige Noten, leicht zitronig. Auf der Zunge straff und saftig, reife Steinobstfrucht, Schiefermineralik, frische Säure, ordentliche Länge. // Bezug: http://y.2mal1.de/; 13,50 Euro // Empfehlung von Christin Jordan GEWüRZTRAmINER DOC 2016, Kellerei Terlan, Südtirol // Gewürztraminer aus seiner Heimat Südtirol, von einer der besten Genossenschaftskellereien des Landes. Mango, Litschi, Gewürznelke, pflanzlich mit frischer Säure. // Bezug: www.cantinaterlano.com; 13,70 Euro // Empfehlung von Alice Gundlach 2015 ZEPPWINGERT RIESLING SPäTLESE fEINHERB ALTE REBEN, Weingut Caspari-Kappel, Enkirch, Mosel // Die spontan vergorene Spätlese steht erst am Anfang einer wundervollen Entwicklung. Ihre Säurestruktur, der Extraktreichtum, die elegante Süße sowie der dezent unterstützende Alkohol sind großartig. // Bezug: www.caspariwein.de; 15 Euro // Empfehlung von Norbert Pobbig 2015 TELL RIESLING TROCKEN, Weingut Kaufmann, Hattenheim, Rheingau // Aromen von mürbem Apfel, reifen Mirabellen, einer Spur Zitrusfrüchten und dezentem Holzeinsatz. Geschliffen, klar,

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sehr elegant und präzise im Ausdruck. Ein schöner Essensbegleiter, der aber auch solo eine gute Figur macht. // Bezug: www.kaufmannweingut.de; 18,50 Euro // Empfehlung von Lars Daalgard 2014 Argile à S Pouilly-fumé AOC, Domaine Bouchie Chatellier, Loire // Für Kenner ist dieser kühle Tropfen der Inbegriff für die Sorte Sauvignon Blanc. Bernard und Arnaud Bouchie sind ihre Meister und ihre drei Weine authentische Vertreter der Böden, durchsetzt mit Feuerstein, hier in Pouilly-sur-Loire. Im Glas ein helles Gelb, leicht grünlich schimmernd. In der Nase ein Potpourri aus Zitrusfrüchten, Mango, Stachelbeere und Apfel, vermengt mit würzigen Kräutern. Am Gaumen herrscht eine cremige Frucht, begleitet von einer packenden Säure – beides vereinigt sich in ein saftiges und kraftvolles mineralisches Gebilde. Ein langes Finale mit dezent ausklingender Mineralik macht Lust auf mehr von diesem Individualisten. Auch sehr empfehlenswert die beiden anderen Weine der Domaine: als Einstieg der La Renardière und als erste Wahl der Premier Millésimé 2016 // Bezug: www.bouchie-chatellier.fr; ca. 23 Euro // Empfehlung von Arthur Wirtzfeld 2016 ZWEImäNNERWEIN SCHEUREBE TR. CYRIAKUSBERG, Winzerhof Stahl, Auernhofen, Franken // Christian Stahl aus Auernhofen hat sich in den letzten Jahren vom „jungen Wilden“ zum Erfolgswinzer der jüngeren Generation entwickelt. Dass er nicht nur Silvaner und weithin beachteten Müller-Thurgau „kann“, zeigt dieser 2016er vom Cyriakusberg, wo er auf nur 33 Ar mit 35 Jahre alten Reben eine Scheurebe der Sonderklasse erzeugt: Kräftiges Weißgold, ins Goldgelb spielend; zurückhaltend im Duft, mineralische Aromen, Frucht von Limetten, grünen Stachelbeeren und aromatischen Äpfeln; am Gaumen vornehm und vielschichtig, mit gebändigter Säure, fein und vibrierend, spannend und differenziert, beeindruckende, unaufdringliche Eleganz, langer Nachhall, ein zum Meditieren geeigneter Wein, der Zeit und Aufmerksamkeit verdient hat. // Bezug: www.winzerhof-stahl.de; 22 Euro // Empfehlung von Dr. Stefan Krimm 2016 AIGLE LES mURAILLES CHABLAIS AOC, Henri Badoux, Aigle, Vaud (Waadt) // Farbe: strahlendes Goldgelb mit zarten grünen Reflexen; Nase: Aromen, die an frische Bananen, Ananas, dezent Honigmelone und weiße Blüten erinnern, deutlich mineralisch vom Boden geprägt; Zunge: die fruchtigen Aromen verbinden sich zu einer perfekten Harmonie mit den blumigen Noten, zarte Karamelltöne runden das Geschmacksbild ab, eine sehr milde Säure lässt den Wein cremig wirken und die Mineralik verleiht ihm eine außergewöhnliche Frische und Eleganz; Nachhall: mineralisch-lang. Speiseempfehlung: klassisch zum Schweizer Käsefondue oder als Apero, zu leichten Fisch- und Geflügelgerichten oder einfach zum Genießen. // Bezug: www.schweizerweineonline.de; 22,90 Euro // Empfehlung von Yvonne Heistermann 2015 CHARDONNAY TROCKEN H.A.D.E.S., Weingut Fürst Hohenlohe Oehringen, Verringen, Württemberg // Ausgebaut im Barrique, voller Körper und wunderbarer Schmelz, fruchtig mit feiner Säure, dezente Holznoten – nicht überladen! Ein Bio-Wein für besondere Anlässe oder gemütliche Winterabende am Kamin. Passt hervorragend zu Gerichten mit sahniger, cremiger Sauce, frisch geräuchertem Fleisch oder Fisch (z. B. Lachsfilet über Buchenholz), gemischtes Fleischfondue (mit Öl, nicht mit Brühe). // Bezug: www.verrenberg.de, 25 Euro // Empfehlung von Britta Binzer 2015 TERRAVINUm RESERVE WHITE, Lammershoek Winery, Swaartland, Südafrika // Fußball-Legende Franz Beckenbauer leistete sich mit Partnern vor einigen Jahren ein 80-Hektar-Weingut am Kap, investierte viel auch in kompetentes Personal und sorgte damit für ein ausgezeichnetes Niveau. Der Wein aus Chenin Blanc, Viognier

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und Chardonnay stammt von 50 Jahre alten Reben. Er präsentiert sich komplex, straff und würzig, mit stattlichem, langem Abgang. Sein Gastro-Freund Alfons Schuhbeck führt ihn mit anderen Gewächsen des Weingutes. // Bezug: www.schuhbeck.de // Empfehlung von Rudolf Knoll

ROTWEIN BIS 10 EURO mONREPOS GLüHWEIN, Weingut Herzog von Württemberg, Ludwigsburg, Württemberg // Keine der häufig üblichen GlühweinVersionen, sondern ein erstklassiges Produkt auf Basis von 100 Prozent Spätburgunder. Feiner Beerenduft mit einem Hauch Rosinen und Zitrus, vollmundig, mit sanfter Würze im Geschmack, richtig pikant. // Bezug: www.weingut-wuerttemberg.de; 6 Euro // Empfehlung von Rudolf Knoll 2015 HEILBRONNER STIfTSBERG TROLLINGER P TROCKEN, Weingut Schäfer-Heinrich, Württemberg // Trollinger eindrucksvoll repräsentiert. Feine, würzige Frucht. Kaum ein roter Wein ist so universell einsetzbar. Als Speisenbegleiter wähle ich gefüllte Paprikaschoten. // Bezug: www.schaefer-heinrich.de; 6,90 Euro // Empfehlung von Norbert Pobbig 2014 SPäTBURGUNDER ROTWEIN TROCKEN, Weingut Bott, Bischofsheim, Rheingau // Da es draußen nun wieder frischer wird, habe ich aus dem Portfolio vom Weingut Bott einen 2014er Spätburgunder aus dem Kostheimer St. Kiliansberg, einer Lage mit Lössboden und hohem Kalkanteil, ausgesucht. Ein eher heller, eleganter Typ, eine Woche offen maischevergoren und dann im großen Holz, zu einem Drittel in neuen Fässern, ein Jahr lang ausgebaut. Feiner Duft nach Schattenmorellen steigt in die Nase, bevor sich am Gaumen Sauerkirschnoten und eine dezente Röstaromatik aufs Schönste breitmachen. Kann man solo genießen, doch helles Fleisch oder ein Gemüsegratin ist auch nicht verkehrt dazu. // Bezug: www.weingut-bott.de; 8,20 Euro // Empfehlung von Peter Schneider 2016 CôTES-DU-RHôNE, C’EST L’HISTOIRE DE 3 mECS, Domaine des Escaravailles, Rasteau, Rhône // Gilles Ferran ist zur Zeit der führende Winzer von Rasteau. Seine Freundschaft mit dem Cavisten Raphaël Roux-Sibilon und dem Küchenchef Xavier Vanheule hat zu dem spektakulären „C’est l‘ histoire de 3 mecs“ geführt: Dichtes Purpurrot, schmaler Rand; süßer Duft nach Schwarzkirschen, etwas Lakritze, anfangs auch Holunderrinde; am Gaumen süß, reif, füllig mit Süßholz-Anklängen, beachtlicher Körper, langer Nachhall. Ein Wein, der als Begleiter von Lamm, Daubes und Fasan für 8,50 Euro ab Hof ein kleines Geschenk darstellt! // Bezug: www.domaine-escaravailles.com // Empfehlung von Dr. Stefan Krimm 2015 SPäTBURGUNDER TROCKEN, Weingut Diefenhardt, EltvilleMartinsthal, Rheingau // Duft nach roten Beeren und zart süßlichem Holz. Auf der Zunge reife, saftige Frucht, gut eingebundenes, zurückhaltendes Holz, ein bisschen Mokka, weiches, samtiges Tannin. Easy drinking auf hohem Niveau, ein schöner Einsteiger-Spätburgunder, nicht zu wuchtig, aber auch nicht zu leicht. Gut zu geschmortem oder gebratenem Wild oder einer klassischen Weihnachtsgans. // Bezug: www.diefenhardt.de; 8,90 Euro // Empfehlung von Christin Jordan 2014 PALAZZINA SANGIOVESE SUPERIORE DOC, Tenuta Casali, Mercato Saraceno, Emilia Romagna // Ein Sangiovese aus der Ursprungsregion der Rebsorte, der Emilia Romagna. Hier stehen Frucht und Terroir im Vordergrund. Schwarzkirsche und mediterrane Kräuter, saftig-elegant. // Bezug: www.videli.de; 8,95 Euro // Empfehlung von Alice Gundlach

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2015 PORNfELDER TROCKEN, Weingut Krauß, Lambsheim, Pfalz // Farbe: strahlendes Kirschrot; Duft: diese Cuvée aus Dornfelder und Portugieser erinnert an frische Kirschen, Himbeeren und reife Erdbeeren, gepaart mit einer feinen Würze; Zunge: am Gaumen werden diese Aromen von einem feinen Tanningerüst getragen Nachhall: fruchtig-unkompliziert; Trinktemperatur: mit 13 bis 14 °C leicht angekühlt kommen die fruchtigen Aromen am besten zur Geltung. Speisenempfehlung: Vesperplatte, Hackbraten mit Kartoffelbrei. // Bezug: www.lukaskrauss.de, ca. 9 Euro // Empfehlung von Yvonne Heistermann

2015 PORTUGIESER, Weingut Bremer, Zellertal, Pfalz // Sieger Deutscher Rotweinpreis 2017 in der Kategorie „Unterschätzte Sorten“. Sehr dichte Beeren-Aromatik, konzentriert, doch geschmeidig und elegant, sanft vom Holzeinsatz unterstützt. Wunderbar zu Rotwild, Gans oder Brie. // Bezug: www.weingutbremer.de; 19 Euro in der Magnum // Empfehlung von Valentin Brodbecker

2015 fRüHBURGUNDER TROCKEN, Weingut Alois Dahn, OestrichWinkel, Rheingau // Aromen von dunklen Früchten, süßlicher Kirsche, Brombeere, geschmeidig und samtig. Eher leichter im Stil mit fein geschliffenem Tannin, leicht austrocknend. Ein guter Einsteiger-Frühburgunder für kleines Geld. // Bezug: www.weingutdahn.de; 9,90 Euro // Empfehlung von Lars Daalgard

2015 PINOT NOIR SPäTBURGUNDER TROCKEN, Weingut Nelles, Heimersheim, Ahr // Farbe: leuchtendes Rubinrot. Im Duft finden sich feine Beerenaromen, die an reife Brombeeren und Heidelbeeren erinnern, sowie dezent Vanille, Leder und Süßholz. Auf der Zunge bestätigen sich diese Eindrücke; die Noten von Zartbitterschokolade werden durch gut eingebundene Tannine unterstützt. Eine gelungene Harmonie im Glas, ausgezeichnet etwa zum Hirschrücken mit seinen dezent nussigen Aromen und glacierten Kastanien, die eine leicht süßliche Komponente haben. Trinktemperatur: ca. 16 °C // Bezug: www.weingut-nelles.de, ca. 14,50 Euro // Empfehlung von Yvonne Heistermann

2016 UNTERSTEINBACH BLAUER PORTUGIESER TROCKEN VDP.ORTSWEIN, Fürst Hohenlohe Oehringen, Verrenberg, Württemberg // Saftige Kirsche und rote Früchte, sowohl in der Nase als auch am Gaumen. Kraftvoll mit Struktur, aber mit zarten Gerbstoffen, die kein „pelziges Gefühl“ auf der Zunge hinterlassen. Ein Rotwein, wie ich ihn bevorzuge, und der in meinem Freundeskreis, gerade bei Frauen, sehr beliebt ist. Ein schöner Begleiter zu Fleischfondue, Wildschweingerichten und Rinderroulade. Gelungen auch bereits experimentiert mit Raclette, zu dem wir Cheddar statt Raclettekäse geschmolzen haben. // Bezug: www.verrenberg.de; 9,40 Euro // Empfehlung von Britta Binzer

ROTWEIN AB 10 EURO

2015 VACQUEYRAS AC LA GRANDE TERRE, Roucas Toumba, Vacqueyras, Rhône // Eric Bouletin ist nur selten anzutreffen, wenn man auf dem kleinen Gehöft unweit des Chemin de Moulin in Vacqueyras vorbeischaut. Bekennende Weinbergsmenschen findet man eben meist woanders. Sein „La Grande Terre“ gehört in dem aufstrebenden Weinort unweit Gigondas zum Feinsten: Uralte, bis zu 100

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Jahre alte Reben bringen niedrige Erträge von ca. 30 hl/ha. Enorme Konzentration, nuancierte, leicht cremige Vielschichtigkeit: Waldbeeren, ein Hauch zerriebener Blätter und Brombeergelee; am Gaumen intensive, reife Frucht, herrlicher Schmelz, junge, aber schon geschliffene Tannine, im langen Nachhall feine Bitternoten, fast burgundische Eleganz. Der Preis von etwa 15 € ab Hof bewegt sich am oberen Ende des Ortsüblichen. Die Qualität aber auch! Mancher Châteauneuf bietet für das Doppelte nicht ganz so viel! // Bezug: www.roucastoumba.com, ca. 15 Euro // Empfehlung von Dr. Stefan Krimm 2009 BLAUER SPäTBURGUNDER TROCKEN S ALTE REBEN, Weingut Arndt F. Werner, Ingelheim, Rheinhessen // Aus 44 Jahre alten Reben kommt dieser dunkle, nach schwarzen Beeren duftende Wein. Kein bisschen müde, voller Power – mit gut versteckten 15 % Alkohol – und enormer Dichte. Der Gaumen erlebt eine Melange aus Zartbitterschokolade, schwarzen Oliven und Waldhimbeeren, dazu ein langes Finish. Jetzt ist er noch facettenreicher als vor sechs Jahren, was vom Potenzial dieses Weines zeugt. Schmorgerichte wie etwa Kalbsbäckchen begleitet er optimal. Auch die neuen Jahrgänge, aktuell der 2014er, sind um keinen Deut schlechter. // Bezug: www.oekoweingut-werner.de; 18,80 Euro // Empfehlung von Peter Schneider 2013 CHIANTI CLASSICO DOCG RISERVA, Casale dello Sparviero, Castellina in Chianti // Ein herzhafter und dabei eleganter Wein, die perfekte Begleitung zu gebratenem rotem Fleisch. Erwachsene Struktur, fleischiger Körper, Aromen von Waldbeeren und Tabak. // Bezug: www.casaledellosparviero.com; 18,95 Euro // Empfehlung von Alice Gundlach 2013 DUCISSA ROTWEIN-CUVÉE TROCKEN, Weingut Herzog von Württemberg, Ludwigsburg, Württemberg // 50 % Lemberger und je 25 % Merlot und Cabernet Sauvignon aus dem Untertürkheimer Mönchberg ergeben einen nach Zedernholz und Tannennadeln duftenden, kraftvollen Wein mit viel Feuer und stattlicher Länge. // Bezug: www.weingut-wuerttemberg.de, 25 Euro // Empfehlung von Rudolf Knoll 2014 BLANKENHORNSBERGER DOKTORGARTEN GG SPäTBURGUNDER TR. VDP.GROSSE LAGE, Staatsweingut Freiburg, Baden // Dieser Wein aus dem Doktorgarten tut der Seele gut, mehr als

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viele Pillen aus dem Arztkoffer. Vollmundig, mit konzentrierter Frucht und fein geschliffenen Tanninen. Der gesamte Auftritt ist sehr elegant. Alles wirkt vergnüglich, durchaus ernsthaft, aber nicht schwer, trotz des hohen Alkohols. Zehn gute Jahre hat der Wein locker vor sich. Man sollte sich in dieser Zeit dazu einmal Lammkoteletts gönnen. // Bezug: staatsweingut-freiburg.de; 25 Euro // Empfehlung von Norbert Pobbig 2013 CENTGRAfENBERG fRüHBURGUNDER TROCKEN, Weingut Rudolf Fürst, Bürgstadt am Main, Franken // In der Nase Duft nach Cassis und roten Beeren, kräutrig, rauchig, kühl mineralisch. Auf der Zunge klare, kühle Frucht, Waldbeeren, Süßkirschen, Gewürznoten, etwas schwarzer Pfeffer, leicht holzig und rauchig. Das alles mit feinem, geschliffenem Tannin unterlegt, mineralische Noten, sehr dicht, fest und ungemein elegant. Der kleine Bruder des Frühburgunders Centgrafenberg R macht sich gut zu Schmorgerichten mit nicht zu süßer Sauce. // Bezug: weingut-rudolf-fuerst.de, 27,50 Euro // Empfehlung von Christin Jordan 2014 KLEINKARLBACHER HERRENBERG SPäTBURGUNDER TROCKEN, Weingut Hammel & Cie, Kirchheim/Weinstraße, Pfalz // In der Nase saftiger Kirschduft, etwas Räucherspeck, Gewürznoten, kakaoige Töne. Im Mund enorm saftig und dicht, elegante Opulenz, intensive Frucht, Ledernoten, Lebkuchengewürz, samtig mit feinem Tannin. Tief, wuchtig und lang. // Bezug: www.weinhammel.de; 28 Euro // Empfehlung von Lars Daalgard 2012 WESTHOfENER mORSTEIN SPäTBURGUNDER TROCKEN VDP.GROSSE LAGE, Weingut Gutzler, Gundheim, Rheinhessen // Ein überaus weicher, würziger Wein mit unaufdringlichem, aber nachhaltigem Druck von der Nase bis zum Finale. Kirsche und zarte Vanillenoten im Bukett werden abgelöst von einer exzellenten Fruchtkomplexität am Gaumen. Wunderbar zartes Tannin begleitet eine Würze und Eleganz bis zum langen Finale. Solo für mich ein Hochgenuss! // Bezug: www.gutzler.de; 31 Euro // Empfehlung von Arthur Wirtzfeld 2009 BRUNELLO DI mONTALCINO RISERVA DOCG, Tenuta di Sesta, Castelnuovo dell’ Abate, Montalcino, Toskana // Wunderbar intensive Waldbeeren, kraftvoller Körper mit Säuredruck, Holz gut eingebunden, vielschichtig und doch elegant. Perfekt zu dunklem Fleisch. // Bezug: ca. 50 € Internet, vor Ort ca. 40 € // Empfehlung von Valentin Brodbecker ■

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FARBPALETTE BEIM WEIN *** *** *** EINE POLEMIK VON HARRY GEORGE

Aus welchen Gründen auch immer, findet man in vielen Publikationen zum Wein den Hinweis auf „rote Sorten“ für Rotwein und „weiße Sorten“ für Weißwein.

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eder einigermaßen erfahrene Weinkenner weiß, dass man aus roten Trauben keinen Rotwein erzeugen kann, sondern nur Weißwein oder einen leichten Rosé. Letzteres ist allerdings in Deutschland nicht erlaubt, wie ein Betrieb vom Kaiserstuhl erfahren musste, als er aus Pinot Gris einen Rosé herstellen wollte. Rotweine werden aus blauen oder schwarzen Trauben gemacht, da nur dort genügend Farbstoffe in der Beerenhaut enthalten sind. Ein Beispiel ist der Blaue Spätburgunder, der in den romanischen Ländern bekanntlich schwarz ist: Pinot noir bzw. Pinot nero. Rote oder rosa Trauben, darunter Gewürztraminer, Roter Riesling, Roter Gutedel oder Roter Elbling, werden alle zu Weißweinen verarbeitet. Die Bezeichnung Blauer Silvaner ist irreführend, denn aus den grau-rosa bis rot-violetten Beeren

Farbspektrum von Rot- und Weißweinen (Foto © DWI)

lässt sich aufgrund der fehlenden Farbtiefe nur Weißwein erzeugen. Und Weißweine werden aus weißen Trauben gemacht, oder? Leider nicht ganz richtig, denn die Beeren der Weißweinsorten sind gelb oder grün. Bei Sorten wie Gelbem Muskateller oder Grünem Silvaner gibt schon der Name Auskunft. Weißer Riesling, weißer Gutedel und andere führen aber auch nicht leicht zu Missverständnissen. Vielleicht wäre es sinnvoller, von Rotweintrauben oder Weißweintrauben zu sprechen, anstatt von roten Trauben, die keinen Rotwein ergeben. Macht eventuell ein wenig Umstände, ist aber zutreffender. Rotling – erzeugt durch gemeinsames Verarbeiten von roten und weißen Trauben – ist weithin bekannt, warum aber gibt es keinen Weißling? Immerhin taucht in der

Ausschreibung zum Schwarzriesling-Preis 2016 die Bezeichnung Weißdruck auf, als deutsche „Übersetzung“ von Blanc de Noirs. Apropos: Bei so manchen Weißherbsten der letzten Zeit wäre dies durchaus angebracht, denn sie sind oft nicht mehr Rosé-farben, sondern recht hell – eben wie ein Blanc de Noirs. Geht man noch einen Schritt weiter, findet man Spitzenrotweine von der Rhône mit einem Anteil Weißwein, meistens Viognier, doch dieser fällt kaum auf und es ist außerdem recht wenig bekannt. Einem Spätburgunder in Deutschland ein bisschen Weiß burgunder oder Graubur gunder hinzuzugeben, ist hingegen nicht erlaubt – das wäre ja ein Rotling, obwohl man ihm das nicht ansieht. Bleiben wir doch lieber bei dem, was man kennt oder worauf man neugierig ist. ■

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WEINFEDERN IN IPHOFEN Iphöfer Marktplatz – zu nächtlicher Stunde rückten hier die Weinfedern in die Iphöfer Kammer ein und speisten vorzüglich. (Foto © A. Wirtzfeld)

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SO MACHT EINE WEIHNACHTSFEIER RICHTIG SPASS VON RUDOLF KNOLL

Der Slogan „Wein, Gips und Holz – das macht Iphofen stolz“ war es nicht allein, der etwa ein Dutzend Weinfeder-Mitglieder dazu verleitete, Weihnachten in der fränkischen 4.600-Einwohner-Stadt im Steigerwald zu feiern. Ein Lockmittel war auch das mittelalterliche und barocke Altstadtensemble mit gut erhaltener Stadtmauer, das zu Spaziergängen einlud. Und dann war da noch die Gastfreundschaft der Iphöfer Winzer und eines Weingutes, das nur indirekt in der Stadt zu Hause ist.

och der Reihe nach: Gastgeber waren die Weingüter Hans Wirsching, Johann Ruck und das Silvaner-Weingut Seufert sowie Campo alla Sughera, erkennbar kein fränkischer Name, aber ein Haus in der Region Bolgheri (Toskana). Es ist im Besitz der Familie Knauf, die mit Baustoffen einer der internationalen Branchenriesen ist. Knauf ist in 86 Ländern präsent und schreibt einen Jahresumsatz von 6,5 Milliarden Euro. Ein Nutznießer ist die Stadt Iphofen, der Stammsitz des Unternehmens, nicht nur bei der Gewerbesteuer. Knauf gilt in der Stadt auch als spendabler Wohltäter und hat sogar ein Museum eingerichtet. Den Weinbaubetrieb in der Toskana, der vor 20 Jahren gegründet wurde, leitet mit Elisabeth Finkbeiner seit 2016 eine weinerfahrene Deutsche, die sofort begeistert war von der Möglichkeit, in die Weinfeder-Weihnachtsfeier eingebunden zu werden.

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Äußerst sympathische Gastgeber und Garanten für einen spannenden Weinabend waren Andrea Wirsching, Hansi Ruck und Laura Seufert, die erlesene Tropfen präsentierten: angefangen bei einem sehr frischen, eleganten 1971er Silvaner Auslese aus der Schatzkammer vom Weingut Wirsching, einer rassigen, fruchtigen Rieslaner Spätlese aus den Kellern des Weinguts Ruck und einem VINUM-Riesling-Champion des Weinguts Seufert. (Foto © A. Wirtzfeld)

Alle vier Betriebe konnten einige ihrer Weine vorstellen. Andrea Wirsching, die Chefin des Weingutes, verwies zunächst darauf, dass ihr Vater Dr. Heinrich Wirsching in der Nachkriegszeit den Betrieb visionär nach oben gebracht hatte und ein Verantwortlicher der ursprünglich von vielen abgelehnten, aber letztlich segensreichen Flurbereinigung war. „Ohne sie könnten wir heute keinen wirtschaftlichen Weinbau auf unseren inzwischen 90 Hektar betreiben“, erläuterte die temperamentvolle Geschäftsführerin, die sich darüber freut, dass der Senior, obwohl 84 Jahre jung, immer noch im Betrieb sehr aktiv mitarbeitet und die Kunden betreut. Andrea Wirsching begrüßte mit einer sehr frischen, eleganten 1971er Silvaner Auslese aus der Schatzkammer und leitete anschließend über zu einem erstklassigen, noch sehr jugendlichen 2015er Silvaner Großes Gewächs aus der Top-Lage Julius-EchterBerg. „Ein typisches Beispiel dafür, dass unsere Weine Zeit brauchen. Die besten bringen wir jetzt erst nach zwei Jahren auf den Markt“, erläuterte sie. Der knackige

2015er Riesling „Sister.Act“, gemeinsam kreiert mit der jüngeren Schwester, und eine elegante Scheurebe 2016 von alten Reben rundeten die Präsentation ab. Für das Weingut Ruck war Eigentümer Hansi Ruck dabei, der eigentlich Johann heißt, aber Hansi gerufen wird, weil der Älteste im Haus traditionell „Hans“ heißt – und der „Diensthabende“ dann eben den Kosenamen verpasst bekommt. Das alteingesessene Weingut mit gut elf Hektar Reben stellte einen vielschichtigen 2014er Riesling aus dem Julius-Echter-Berg vor, dem die drei Jahre Reife sehr gut getan hatten. Der vielschichtige Sauvignon Blanc aus 2016 wäre in jeder internationalen Probe ein Sieganwärter. Und mit einer rassigen, fruchtigen Rieslaner Spätlese zeigte Hansi Ruck, dass sich das Festhalten an dieser schwierigen Sorte lohnt. Dass er sich als „Quotenmann“ bezeichnete, lag daran, dass noch eine dritte Dame neben Andrea Wirsching und Elisabeth Finkbeiner im Spiel war, nämlich die gerade 26 Jahre junge Laura Seufert aus dem noch weitgehend unbekannten Silvaner-Weingut Seufert

(die Sorte hat auf den knapp sechs Hektar 90 Prozent Flächenanteil). Die derzeitige Geisenheim-Studentin und Weinbautechnikerin setzte im Betrieb von Vater Jürgen, 64, schon einige Ideen um (Verzicht auf Reinzuchthefen, längeres Lager auf der Feinhefe) und darf sicher als hoffnungsvolles Talent bezeichnet werden. Mitgebracht hatte sie zwei ausgezeichnete Silvaner aus dem Kronsberg und dem Julius-Echter-Berg sowie einen rar gewordenen 2015er Riesling, der beim Wettbewerb Riesling-Champion von Vinum sensationell den ersten Platz in der Königsklasse trocken belegte. Jetzt ist der Ehrgeiz geweckt, die Motivation groß. „Nächstes Jahr greife ich mit einem 2016er wieder an“, versicherte die fesche Laura. Aus der Toskana wurden den Weinfedern nur Rotweine als Kontrastprogramm offeriert. Elisabeth Finkbeiners Campo alla Sughera hat fast ausschließlich rote internationale Sorten im Anbau, wie es für die Region Bolgheri typisch ist. Das Trio mit Adèo 2014, Arnione 2010 und dem Campo alla Sughera aus 70 Prozent Petit Verdot und Cabernet Franc war sehr überzeugend.

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(Anm. d. Red.) Die Ansprache von Wolfgang Junglas, seines Zeichens Vorsitzender der Weinfeder e.V., galt insbesondere einem langjährigen Mitglied, das heuer seinen 70. Geburtstag feierte und neben seinen vielfältigen Kontakten und stetigen Weingeschichten im Weinfeder Journal den Verband der Deutschen Weinpublizisten als Gründungsmitglied bis dato intensiv begleitet und unterstützt. Somit längst fällig und für die anwesenden Mitglieder der Weinfeder e.V. nicht überraschend war die Aufnahme des Weinjournalisten, Weinautors und anerkannten Weinkritikers Rudolf Knoll zum Ehrenmitglied. Rudolf Knoll, der schon eine Sammlung an renommierten Weinehrungen vorweisen kann, nahm die Ehrung gerne an, lehnte aber die Freistellung des Mitgliedsbeitrages kategorisch ab. "Ich danke für die Aufnahme, aber den Mitgliedsbeitrag werde ich sicher weiterhin zahlen."

Rudolf Knoll, der in gewohnter Manier eine weitere Ehrung entgegennahm, sich aber sichtlich darüber freute, ab nun den Status "Ehrenmitglied der Weinfeder e.V." zu tragen. (Foto © A. Wirtzfeld)

Nach der Präsentation gab es einen Ortswechsel. Die Weinfedern konnten sich davon überzeugen, dass im zum Weingut Wirsching gehörenden Restaurant „Iphöfer Kammer“ ausgezeichnet gekocht wird. Unter den zum Essen gereichten Weinen waren besonders bemerkenswert der Likörwein „Monsolis“ von Ruck, die prächtige rote Burgunder-Cuvée „TriTerra“ von Ruck und ein Bolgheri Superiore 2007 aus der Großflasche. Über den maischevergo-

renen Silvaner „Anarchie“ von Laura Seufert schieden sich die Geister, einigen war er zu anarchistisch. Aber insgesamt darf unterstellt werden, dass die Weinfedern, die nicht dabei waren, etwas versäumt hatten. Was geboten wurde, war einfach großartig, inklusive einer SuperAtmosphäre und viel Information. So machen Weihnachtsfeiern selbst Weihnachtsmuffeln Spaß. ■

Der Rahmen für die Ehrung von Rudolf Knoll konnte nicht besser sein. Franken ist schon längst sein "Zuhause", das schmucke Iphofen, die moderne Vinothek der Wirschings, die gemütliche Iphöfer Kammer waren die perfekte Kulisse, die teilnehmenden Winzer sind längst seine Freunde. Die perfekt organisierte Weihnachtsfeier wurde auch vom Ehrenmitglied maßgeblich initiiert und von den teilnehmenden Winzerfreunden Andrea Wirsching, Hansi Ruck, Laura Seufert und Elisabeth Finkbeiner spannend, sympathisch und überaus genussreich veranstaltet. Großer Dank und Kompliment an alle – es war eine Weihnachtsfeier und ein vinophiles Erlebnis, das so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird.

Elisabeth Finkbeiners Campo alla Sughera begeisterte mit Roten, gekeltert aus internationalen Sorten, angebaut in Bolgheri. (Foto © A. Wirtzfeld) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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Kirchweih und Wein – in Iphofen vereint sich beides zu einer wohlschmeckenden Symbiose. (Foto © Iphofen)

„KIRCHWEI(H)N“– WENN FEIER UND REBENSAFT ZUSAMMENKOMMEN VON DR. MARTIN SACHSE-WEINERT

Iphofen ist eine durch den Weinanbau auch überregional bekannte Stadt, will man Wikipedia Glauben schenken – was wir in diesem Fall auch getrost tun wollen. Dort heißt es weiter: „Mit ihrem malerischen, vollständig erhaltenen mittelalterlichen und barocken Altstadtensemble bildet Iphofen gleichzeitig einen touristischen und historischen Anziehungspunkt.“ Auch das können wir ebenso, nicht nur an einem Sonntag, im September 2017, als gerechtfertigt bezeichnen.

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erade an diesem Tag zeigte sich die Stadt von ihren schönsten Seiten, die man allerdings auch zu jeder anderen Zeit bereits beim Rundgang um die gut erhaltene und bestens gepflegte Stadtmauer bewundern kann. Durchschritt man eines der vier Stadttore, wurde man bereits von Musik, Küchenge-

rüchen und buntem Treiben in Empfang genommen. Wir wählten den Zugang über das Rödelseer Tor, wohl wissend, dass mit der linkerhand nur wenige Schritte entfernten „Winzerey“ ein vinophiler Auftakt nach Maß gelingen würde. Das Angebot in musikalischer, kulinarischer und weinseliger Vielfalt war so umfassend – und wurde durch diverse weitere Veranstaltungshighlights unterstützt –, dass man sich anhand

des Programmflyers gut überlegen musste, welche „Locations“ man zum Besuch welcher „Events“ aufsuchen wollte. Das Angebot umfasste in diesem Jahr allein sieben Kapellen (z. B. „Franconia-Sextett“, „Vetterleswirtschaft“ und die „Musikschule Kitzingen, Zweigstelle Iphofen“), wobei wir insbesondere auch die „KNAUF Bergwerkskapelle“ erwähnen wollen, verdankt die Stadt doch einen Gutteil ihrer Einnahmen und damit ihr blühendes Aussehen diesem erfolgreichen Familienunternehmen. Freuen konnten sich die Besucher auch über äußerst vielfältige Speisenangebote und nicht zuletzt Weinschänken, haben doch immerhin gleich 22 Winzer ihren Sitz in Iphofen, darunter allein drei VDP-Weingüter (Johann Arnold, Johann Ruck, Hans Wirsching). Wir besuchten im Rahmen unserer Stadterkundung die „Iphöfer Kammer“, die in diesem Jahr von Heidrun Kaufmann und Markus Lösch übernommen wurde. Seit Juli 2017 sorgen die beiden, die sich bereits in Castell als Wirtsleute einen ausgezeichneten Ruf erwerben konnten, nun in dem kleinen Restaurant des Weinguts Wirsching am Marktplatz für eine grandio-

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Das Angebot ist nicht nur in kulinarischer und vinophiler Hinsicht äußerst umfangreich. Auch kulturell werden die Besucher auf’s Beste unterhalten: So sorgen Musik und Fahrgeschäfte für entspannte Unterhaltung. (Foto © Iphofen)

se Aufwertung des Iphöfer Angebots. Bedenkt man, dass zur Kirchweih nur eine kleine Speisekarte (insgesamt sechs Gerichte) geschrieben war, so kann man diese als äußerst fein bezeichnen: Nicht nur die Fischsuppe mit Safran, auch die Kürbisravioli in Parmesanbutter sowie die Rinderbacken mit Kartoffel-MeerrettichStampf – selten haben wir ein so wohlschmeckendes, auf der Zunge fast zerfließendes Fleisch genossen – kann man keinesfalls zu den einfachen KirchweihGerichten zählen, hier wird Sterne-verdächtig gekocht. Dass in einem betriebseigenen Restaurant nur Weine eines Winzers ausgeschenkt werden, mag vielleicht für manch einen zunächst abschreckend wirken: Weiß man aber, welche Schätze Hans Wirsching in seinem Repertoire hat, so gereicht dies der Karte wahrlich nicht zum Nachteil: Der 2016er Iphöfer Bacchus Kabinett überzeugt durch seine aromatische Fruchtigkeit, die für diese Rebsorte typisch ist. Am Gaumen weich und ausgewogen, erinnern seine gefälligen Kernobstnoten mit einem sanften Honigton fast schon an milde Dessertweine, wobei deren teilweise plumpe Süße gänzlich fehlt. Stattdessen erfreuten wir uns an einem frisch-delika-

ten Sommerwein, der hervorragend mit den gewählten Gerichten harmonierte. Nicht minder überzeugte uns die 2015er Iphöfer Kronsberg Silvaner Auslese, die wir – wir verhehlen es nicht – bereits auch zu den Rinderbacken genossen. Hier zeigte sich wieder einmal, dass ein qualitätsvoller Süßwein durchaus auch zu abgestimmten Hauptgerichten passen mag, wenn man offen für ungewohnte Kombinationen ist. Mit seinem dominierenden AprikosenPfirsich-Bukett und dem angenehmen Säurespiel unterstützte er trefflich die SilvanerNote des Tiramisu. Dabei verstehen es die Pächter, ihre Kochkunst mit Kultur in Symbiose zu bringen: Während in der Gaststube mit 26 Plätzen seine Gemälde hängen, gestaltete Richard Fuchs vor dem Eingang sein neues Bild. Interessierte konnten mitverfolgen, wie zunächst die Leinwand aufgezogen, sodann der Hintergrund angemischt wurde und schließlich die ersten Pinselstriche erfolgten – alles nüchtern, denn die Einladung zu einem Schoppen lehnte der Künstler ab. So konnte sich das Duo Kaufmann/Lösch (nicht nur) an diesem Tag über eine ständig

gut besetzte Terrasse mit 16 Plätzen freuen, was wir durchaus nachvollziehen können: Wir begleiten das Wirken des ambitionierten, jungen Küchenchefs nun bereits seit Längerem, waren auch bereits in seinem elterlichen Betrieb in Castell zu Gast, den er an seinen ehemaligen Beikoch verpachtet hat. Manchmal, wie zu Kirchweih, lässt es sich seine Mutter dann auch nicht nehmen, den Junior in der Iphöfer Küche zu unterstützen – wir können nur mutmaßen, mit welch kundigen Ratschlägen sie dabei zum Gelingen der Delikatessen beiträgt. Nach diesem Mittagessen inmitten der Stadt zogen wir dann – im doppelten Wortsinn bestens gesättigt – weiter, besuchten noch den Vergnügungspark mit seinen Fahrgeschäften und spendeten beim Flohmarkt der Städtischen Bücherei Sankt Veit. In Erinnerung bleibt ein wahrlich variantenreicher „wein-kulinarischer“ Spaziergang durch den Weinort Iphofen, der einen Blick in die Hinterhöfe vieler Weingüter erlaubte, das Degustieren diverser Weine ermöglichte – und auch durch den Besuch der „Kammer“ kulinarisch den Tag bereicherte. Nach „Location“ und „Event“ mag deshalb an dieser Stelle der dritte Anglizismus erlaubt sein. „Kirchweih in Iphofen – Franken at its finest.“ ■

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Der Weinfeder-Vorsitzende Wolfgang Junglas überreichte den 11. „Preis der Deutschen Weinkritik“ an Renée Salzmann (links) und Eva Raps (rechts). Die Laudatio auf den von ihnen vertretenen Zusammenschluss der „Twin Wineries“ hielt Master of Wine Romana Echensperger – 2. von links. (Foto © Norbert Krupp)

36 „TWIN WINERIES“ AUSGEZEICHNET VON NORBERT KRUPP

Mit dem 11. „Preis der Deutschen Weinkritik“ wurden jetzt die „Twin Wineries“, eine Initiative zur Förderung des deutsch-israelischen Dialogs, durch die „Weinfeder“ ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von rund 70 deutschsprachigen Weinjournalisten. Diese befanden einstimmig, dass die 2008 gegründeten „Twin Wineries“ als das Netzwerk von Winzern und Weinliebhabern einen fruchtbaren Rahmen zur individuellen Begegnung und zum kulturellen Austausch bietet – ähnlich wie die Partnerstädte beider Länder. In Israel erfreuen sich hochwertige deutsche Weine einer wachsenden Beliebtheit. Gleiches gilt für die israelischen Weine in Deutschland. Dieser Trend wird von den Twins weiter gefördert. COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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Bei den „Twin Wineries“ gehen jeweils ein deutsches und ein israelisches Weingut eine lockere Partnerschaft ein. Bei gegenseitigen Besuchen und Begegnungen auf Messen werden nicht nur Fachwissen und Erfahrungen ausgetauscht, sondern bei so mancher Flasche Wein auch wertvolle Freundschaften gegründet und gepflegt. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Initiative ist die Vermittlung von Praktikanten und Studenten. Die Betriebe unterstützen sich auch durch Austausch von Wissen und Erfahrungen oder Herstellen nützlicher Kontakte bei größeren Anschaffungen. Ein Beispiel: Kürzlich flog eine fränkische Delegation nach Israel, um sich über dortige Bewässerungssysteme zu informieren, die wegen der Klimaveränderung auch in unseren Breiten an Bedeutung gewinnen. Die Laudatio auf den Preisträger hielt Master of Wine Romana Echensperger: „Ich könnte mir niemand Besseren vorstellen, der diesen Preis verdient hat. Denn das Twin-WineriesProjekt drückt fast alles aus, was uns wichtig ist, wenn es um Wein und die Weinbranche geht“, erklärte sie. Es gehe dabei nicht nur um das strenge Bewerten eines Weines oder um das Wissen um jedes Detail; es gehe viel-

mehr um die Weinkultur und die Fähigkeit des Weines, „uns Menschen zusammenzubringen“. In jedem Glas Wein seien mindestens 8.000 Jahre Kultur enthalten. Wenn man Gäste habe, öffne man eine gute Flasche Wein, um diese mit ihnen zu teilen. „Wein erleichtert die Gespräche, man wird offener“, erklärte Echensperger. Die „Twin Wineries“ hätten Freundschaften geknüpft – „und darauf kommt es an. Denn Versöhnung, Verständigung und Freundschaft wird nicht zwischen Politikern und nicht zwischen Staaten geschlossen, sondern zwischen Menschen“. Dies sei auch ein wertvoller Beitrag gegen den noch immer anzutreffenden Antisemitismus. Auch Sandra Simovich, seit August die israelische Generalkonsulin aus München, betonte die Bedeutung der deutsch-israelischen Freundschaft, die schon seit mehr als 50 Jahren gepflegt und immer intensiver werde. Der Wein gehöre zu den schönen Seiten beider Länder, durch die diese verbunden würden. Und jeder israelische Wein, der in Deutschland verkostet werde, sei ein sehr guter Botschafter, der neugierig auf sein Herkunftsland machen könne. Sie freute sich, dass die Organisation der „Twin Wineries“

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noch im Wachsen begriffen sei, und wünschte ihr weiterhin viel Erfolg. Der Weinfeder-Vorsitzende Wolfgang Junglas präsentierte in einem Interview die in Deutschland aufgewachsene Israelin Renée Salzmann und die Reingauer Weingutsbesitzerin Eva Raps, die auf israelischer bzw. deutscher Seite für die „Twin Wineries“ verantwortlich zeichnen. Renée Salzmann setzt auf den Wein, um in Israel durch Austausch zwischen Winzern noch immer bestehende Vorurteile gegen Deutschland abzubauen. Eva Raps engagiert sich, auch schon zuvor als Geschäftsführerin des VDP, bei den Twin Wineries, um die Weine der beiden Länder in den Partnerländern bekannter zu machen. Im Rahmen der Feierstunde wurde verkündet, dass das Mainzer Weingut Bernhard Stenner sich mit der Vortman Winery aus Haifa als 18. Twin zusammengeschlossen hat. Die beiden Städte sind ohnehin bereits verschwistert. Als äußeres Zeichen der Partnerschaft erhielten beide Betriebe ein Messingschild mit deutscher und hebräischer Inschrift, das an exponierter Stelle im Weingut auf die eingegangene Partnerschaft hinweisen soll. ■

GROSSES GELEISTET FÜR DEN DEUTSCHEN WEIN Weinfeder zeichnet Armin Diel als „Weinpersönlichkeit des Jahres“ aus.

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VON NORBERT KRUPP

Der Weinfeder-Vorsitzende Wolfgang Junglas (rechts) zeichnete den Burg Layer Weingutsbesitzer Armin Diel als „Weinpersönlichkeit des Jahres“ aus. (Foto © Norbert Krupp)

ls „Weinpersönlichkeit des Jahres“ wurde der Burg Layer Weingutsbesitzer sowie Weinund Gastronomiejournalist Armin Diel (64) durch die „Weinfeder“ ausgezeichnet. Dieser Name steht für einen Zusammenschluss von rund 70 deutschsprachigen Weinjournalisten, die

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diesen Preis jetzt zum dritten Mal im Rahmen einer Feierstunde in der Vinothek des Mainzer Proviantamts vergaben. TV-Journalist Wolfgang Junglas, der Präsident der Weinfeder, brachte in der Laudatio zum Ausdruck, dass er Armin Diel schon seit mehr als 20 Jahren kenne und schätze. Ein Weinproduzent und ein Weinkritiker vereint in einer Person? Da drängten sich Fragen auf. Hebt er den natürlichen Konflikt zwischen Akteur und kritischer Presse auf? Kritisiert er auch sich selbst? Warum hat er sich nicht auf eine Seite festgelegt? Für eine Tageszeitung in Münster, dem Ort seines Jurastudiums, schrieb der junge Diel eine 20-teilige Serie über die regionale Gastronomie. Als Diel seinen kritischen Bericht über das Lokal „Westfälischer Friede 1648“ ein zweites Mal in dem Magazin Tipps für Gourmets publizierte, hatte das ein Nachspiel. Der Wirt verklagte den 29jährigen Autor wegen angeblicher Geschäftsschädigung auf 500.000 D-Mark (250.000 Euro) Schadensersatz. Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Doch das Oberlandesgericht Düsseldorf gab im November 1983 dem Kläger überraschend recht in der Ansicht, Armin Diel sei ein Wettbewerber, weil er ebenso wie der Wirt Wein verkaufe, und hätte den Artikel

deshalb gar nicht veröffentlichen dürfen. Im Revisionsverfahren, das wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde, hob der Bundesgerichtshof drei Jahre später das OLG-Urteil auf und bestätigte den Vorrang der Presse- und Berufsfreiheit. Als 34-Jähriger hatte Diel im Oktober 1987 sein Jura-Studium kurz vor dem ersten Staatsexamen aufgegeben und auf Drängen der Hausbanken die Führung des Weingutes seines Vaters übernommen, unter damals schwierigen Rahmenbedingungen. Er stellte den Betrieb von 24 Rebsorten auf Riesling und Burgunder um. In kürzester Zeit erarbeitete er sich an der Nahe eine Reputation für trockene Weine. Das Schlossgut Diel exportierte bald erfolgreich nach England, in die USA und nach Fernost, seit 1987 wurden nur noch schwarze Zahlen geschrieben. Der Betrieb wuchs von 10 auf 25 Hektar Rebfläche und wurde 1989 in den VDP Nahe aufgenommen. 1993 übernahm Diel den Vorsitz des VDPRegionalverbandes, den er bis 2016 prägte. Der Journalist und Gourmet-Kritiker Diel arbeitete nach Übernahme des Weingutes einige Jahre lang anonym für den Gault &Millau Restaurantführer und gestaltete in den 1990er-Jahren für den SWR drei Landgasthof-Serien. Von den Begleitbüchern wurden mehr als 100.000 Exemplare

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verkauft. 1994 präsentierte Diel dann zusammen mit Joel Payne den ersten Gault &Millau Weinguide. 2009 stieg Diel aus dessen Chefredaktion aus. „Allein für die 16jährige Aufbauarbeit an diesem Weingutführer hätte Armin Diel einen Weinorden verdient“, argumentierte Junglas. Der Laudator zählt Diel zu den bekanntesten und zeitweise auch umstrittensten Weinjournalisten im Lande: „Zwei Herzen schlagen in Diels Brust. Da ist der scharfzüngige, eloquente, zuweilen verschmitzte Genuss-Journalist, und da ist der Winzer – besser Weingutsbesitzer.“ Aber auch der fürsorgliche Familienmensch, der engagierte VDP-Funktionär, der einst begnadete Hobbykoch, der charismatische Selbstdarsteller, der kenntnisreiche Jurist, der akribische Organisator von Genuss-Reisen seien Facetten seiner Persönlichkeit. Diel habe Großes für den deutschen Wein geleistet, bestätigte Junglas. Für seine „unverhoffte Auszeichnung“ mit Urkunde und Pokal dankte Diel seinen Kollegen in der Weinfeder, indem er ein 2012er Großes Gewächs Riesling aus dem Dorsheimer Burgberg ausschenken ließ. Den 1,8 Hektar großen Weinberg konnte er vor 20 Jahren von der damaligen Staatlichen Weinbaudomäne sehr günstig erwerben. ■

Master of Wine Romana Echensperger (links) hielt eine höchst kompetente Laudatio auf den Zusammenschluss der „Twin Wineries“, in deren Rahmen sich bereits 36 deutsche und israelische Weingüter verbunden haben. (Foto © Norbert Krupp) COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER WEINPUBLIZISTEN


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SOCIAL MEDIA MAL ANDERS: WEINVERSTEIGERUNG MIT SPENDENREKORD

VON CHRISTIN JORDAN

Immer ein Garant für traumhafte Ergebnisse: die Prädikatsweinversteigerung des VDP Mosel in Trier. Die diesjährige 130. Auktion brachte den bislang teuersten Kabinett, einen 2016er Scharzhofberger “Alte Reben” von Egon Müller, der von den aufgerufenen 30 auf 180 Euro stieg.

1.200 Flaschen gingen jeweils zu diesem Preis weg, ein Beweis für die Renaissance, die der klassische Kabinett gerade erlebe, so der VDP. Insgesamt kamen am 15. September 12.000 Flaschen unter den Hammer, am Ende betrug der Erlös 1,23 Millionen Euro.

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Allein diese Benefiz-Weinkiste war den Bietern 15.500 Euro wert. (Foto © )

ußergewöhnlich war die Veranstaltung aber auch wegen einer Aktion, die ihren Ursprung in den sozialen Netzwerken hatte und im Anschluss an die eigentliche Mosel-Versteigerung stattfand. Eine Benefizkiste kam unter den Hammer, für die 14 Winzer je eine signierte Flasche eines ihrer Versteigerungsweine zur Verfügung gestellt hatten.

Der Erlös war für die Krebshilfe RheinlandPfalz bestimmt, und, ungewöhnlich, klar war auch, wer die Kiste ersteigern würde. Mitglieder der Facebook-Gruppe “Hauptsache Wein” hatten im Vorfeld eine Spendenaktion gestartet, um so viel Geld wie möglich für die Kiste bieten zu können und so der Krebshilfe eine möglichst große Spende zu übergeben. Was am 30. August mit einem Posting in der 11.000 Weinfans starken Gruppe auf Facebook begann, bekam eine ungeahnte Eigendynamik. Silvia Caetano, Dirk Würtz, Petra Pahlings, Alex Lang und Martin Riedl bildeten ein Orga-Team und richteten ein Spendenkonto ein. Mit dem Hashtag #krebsisteinarschloch wurde die außergewöhnliche Aktion in den sozialen Netzwerken geteilt. Eine regelrechte Spendenflut setzte ein – Weinpakete, Wochenenden mit Dinner, Wein-

proben, ein Weinklimaschrank, ein Anzug, ein Riesling-Ring, eine einmalige Magnumfüllung und vieles mehr wurden jeweils zum Höchstpreis in der Gruppe versteigert. Schnell wurden die 5.000 Euro, die man sich als Ziel gesetzt hatte, um den Zuschlag zu bekommen, weit übertroffen. Am Ende kamen 25.000 Euro zusammen, von denen 6.500 Euro für das Ersteigern der Kiste verwendet wurden. Damit nicht genug: Die Benefizkiste wurde im Anschluss weiterversteigert und brachte noch einmal 9.000 Euro. Insgesamt konnten 35.000 Euro als Spende an die Krebsgesellschaft übergeben werden. “SOCIAL Media bekommt durch diese beispiellose Aktion eine ganz neue Bedeutung. SOCIAL bedeutet gesellschaftlich und im erweiterten Sinn hilfsbereit und barmherzig. Genau das war in jeder Sekunde in der Hauptsache Wein-Gruppe zu spüren”, schrieb Silvia Caetano dazu auf ihrem Blog “Volle Lotte”. “Keiner von uns wird die Aktion #krebsisteinarschloch je vergessen und final notiere ich: Nicht lange nachdenken, sondern EINFACH MACHEN!” ■

Blog-Berichte zur Versteigerung finden Sie bei Aufruf dieser Kurzlinks: -> goo.gl/YrymJR -> goo.gl/gb6WFN

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REZENSION

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„ÜBER DIE KUNST DER TRUNKENHEIT“ – MASS UND MITTE ALS ORIENTIERUNG VON HERMANN-JOSEF BERG

Entschuldigen Sie bitte, gestatten Sie mir diese persönliche Frage: Warum trinken Sie Alkohol? Pardon, Sie müssen es nicht verleugnen. Zwei von weltweit 7,5 Milliarden Menschen (eher noch mehr) konsumieren Alkohol. Täglich. Zwei Milliarden – trotz der Vielzahl selbstbekennender Nichttrinker wie etwa Muslime, Hindus oder Buddhisten. Wohlgemerkt: Hier geht’s ums kultivierte Trinken, nicht ums Betrinken!

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arum trinken Sie also Bier, Wein, Spirituosen oder Cocktails? Weil Sie ein „Gesellschaftstrinker“ sind – einer, der in kleinen Gruppen gerne mal nippt (mit und ohne konkreten Anlass)? Aus Belohnung, weil Ihnen etwas geglückt ist? Um nach einem anstrengenden Tag zur Ruhe zu kommen? Oder um einfach in einen Rausch zu verfallen, der ebenso geliebt wie gefürchtet ist? EVOLUTIONäR, üBERLEBENSWICHTIG

Marcus Reckewitz, Autor des Buches „Über die Kunst der Trunkenheit“, hat eine plausible Erklärung dafür: „Trinken ist ein evolutionärer Impuls, der auch dem Überleben dient!“ Daher spreche man auch von der Trinkkultur. Doch wie im Leben so üblich, gibt es immer „kulturelle Unterschiede“. Sprich: Der pure, übermäßige Trinkgenuss kann Probleme bereiten, letztlich sogar zum sozialen Störfall werden. Anonymer Alkoholiker klingt in diesem Kontext dann noch eher als „Kompliment“. Im kongenialen Zusammenspiel zwischen Weinaromen und Festlichem auf dem Teller präsentiert sich das Thema ganz anders. Hier gehört das Trinken zur guten Sitte und das Wissen ums Konsumierte zur persönlichen Etikette. Wie auch immer: Maß und Mitte sind Orientierung gebende Wegbegleiter ohne Reue. Reckewitz verteufelt in seinem amüsanten Druckwerk nicht die Trunkenheit per se – er erweckt sie sozusagen zur Kulturgeschichte. Mit feinsinnigen Pointen und viel Augenzwinkern über das gezügelte

Marcus Reckewitz, Über die Kunst der Trunkenheit, Anaconda Verlag, gebundene Ausgabe 7,95 Euro (Deutschland), ISBN: 978-3-73060392-5 (Foto © Anaconda Verlag)

und ausgelassene Trinken, ob zwischendurch, in bestimmten Stunden oder im Amt. Mit dem Ziel, sich kontrolliert und angstfrei dem Thema zu nähern. „KUNSTImPULS“ ERfAHRUNG UND TECHNIK

Wenn es überhaupt ein allumfassendes Fazit dieser annähernd 200 Seiten gibt, dann vielleicht diese Erkenntnis: Die Kunst der Trunkenheit hat auch etwas mit Erfahrung und Technik zu tun. Finden Sie’s raus – lesen Sie mal rein! Auf jeden Fall eine unterhaltsame Weihnachtslektüre. ■

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PERSONALIEN

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VINUM, das europäische Weinmagazin, meldet einen zukunftsweisenden Wechsel an der Redaktionsspitze. Im Sinne der Kontinuität und bei gleichzeitigem Gespür für brandneue Wein-Trends wird ab 2018 die deutsche VINUM-Ausgabe von Carsten Henn* (u.a. auch Mitglied der Weinfeder e.V., Verband Deutscher Weinpublizisten) als neuem Chefredakteur inhaltlich geleitet.

D

er 44-jährige Kölner, zuletzt vier Jahre lang Teil der dreiköpfigen Redaktionsleitung Deutschland, verantwortet künftig die inhaltliche Ausrichtung der deutschen VINUM-Ausgabe. Den umfangreichen internationalen Teil von VINUM mit den zentralen Reportagen wird er gemeinsam mit Thomas Vaterlaus, Chefredakteur VINUM Schweiz, betreuen.

Unter der Leitung von Carsten Henn wird VINUM noch näher an der deutschen Weinszene dran sein. «Wir sind extrem ambitioniert und werden gemeinsam ein Magazin gestalten, das inhaltlich nicht nur überrascht, sondern noch mehr Lesegenuss und fundiertes Infotainment bietet. Kein Mainstream, sondern typisch VINUM. Auch werden sich ab 2018 durch den aufwendigen Relaunch unserer Homepage komplett neue Dimensionen eröffnen», so Carsten Henn. Umsetzen wird dies ein Team aus neuen Autoren, und bewährten Kräften wie Rudi Knoll, der zu den größten Kennern deutscher und österreichischer Gewächse gehört und Eva Maria Dülligen, die sich durch fesselnde Winzer-Porträts und facettenreiche Interviews mit weinaffinen Promis profiliert hat. Mit

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Carsten Henn (Foto © VINUM)

CARSTEN HENN – NEUER REDAKTIONSLEITER VINUM DEUTSCHLAND

REDAKTION WEINFEDER

einem starken Redaktionsteam, brandneuen Rubriken und digitalen Tools wird 2018 ein inspirierender VINUM-Jahrgang. Die Neuerungen werden ab der VINUM-Ausgabe März 2018 voll zum Tragen kommen. VINUM hat seine Stellung als eines der führenden Weinmagazine im deutschsprachigen Raum in den letzten zwölf Monaten unaufhaltsam ausgebaut. So wurde Ende November der «VINUM Weinguide Deutschland» publiziert. In Kooperation mit dem renommierten Münchner Christian Verlag wurden 11.000 Weine von knapp 1.000 Produzenten fundiert und unabhängig erfasst. Ein hoch qualifiziertes Verkoster-Team um Carsten Henn und Joel Payne selektierte die besten und interessantesten Weingüter Deutschlands. Bereits jetzt wird das VINUM-Winzer-Best-of als neue Wein bibel gehandelt. Parallel zu den etablierten VINUM-Wettbewerben «Deutscher Rotweinpreis» (über 1.850 eingereichte Muster) und «Deutscher Riesling Champion» (über 1.730 eingereichte Muster) wurde mit dem «Deutscher Sekt Award» ein dritter bedeutender Verkostungswettbewerb lanciert. Nicht weniger als

455 eingereichte Schaumwein-Exemplare zeigten die enorme Resonanz bei den deutschen Winzern. ■

*Kurzbiografie Carsten Henn:

Carsten Henn wird die erweiterten Inhalte der deutschen VINUM als Chefredakteur mit der ersten Ausgabe 2018 verantworten. Der 44-Jährige zählt zu den Fachjournalisten, die den Spagat zwischen professionellem Verkosten und packendem Schreiben über Weine beherrschen. Sein Weinbau-Studium am australischen Roseworthy Campus sowie seine Sachund Belletristikbücher zu diesem Thema liefern ihm das nötige Fundament. Über die letzten Jahre hat Carsten Henn durch zahlreiche Profi-Panels dazu beigetragen, dass sich das Profil von VINUM permanent verschärft. Der frisch berufene Chefredakteur gehört schon etliche Jahre zum Team des Magazins und besitzt sozusagen die VINUM-DNA. Unter seiner Leitung werden die anstehenden Verkostungsreihen um Getränke wie Craft-Bier, Single-Malt--Whisk(e)y oder PremiumGin erweitert und der Radius genussliebender Leser wird dadurch maximiert.

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