The Red Bulletin_1209_DE

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www.redbulletin.com

Ein fast unabhängiges Monatsmagazin / Dezember 2009

Dieses Heft hat 28-mm-Spikes, skatet durch Havanna und steht einen Cab Double Cork 10.

shaun White ’s  Xmas gift Die geheime Halfpipe, der Olympiasieger und die Neuerfindung des Snowboardens


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DAS COLAVON RED BULL. NATÜRLICH ZURÜCK.

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STRONG & NATURAL. Ab sofort ist das Cola von Red Bull wieder erhältlich. So wie Sie es kennen – mit

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chemischen Zusatzstoffen ist.


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kunde “Das Schicksal entscheidet sich oft in nur einer Sekunde.” Gerhard Berger.

10-facher Formel 1-Grand Prix Sieger und Wings for Life Botschafter.

Es war ein Autounfall, bei dem er sich die Halswirbelsäule schwer verletzte, und die Zeit schien für ihn einen Augenblick lang stillzustehen. Rund 2,7 Millionen Menschen weltweit haben eine ganz ähnliche Geschichte zu erzählen. Doch sie hatten weniger Glück als Gerhard Berger. Sie sind seit ihrem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen. Diagnose:Querschnittslähmung. Lange Zeit galt die Heilung einer Rückenmarksverletzung als unmöglich. In wissenschaftlichen Experimenten ist es jedoch gelungen, verletzte Nervenzellen zu regenerieren – und damit die vermeintliche Unheilbarkeit zu widerlegen. Basierend auf dieser revolutionären Erkenntnis in der Grundlagenforschung ist es heute medizinisch-wissenschaftlicher Konsens, dass Querschnittslähmung beim Menschen eines Tages heilbar sein wird. Es bedarf jedoch noch intensiver Forschungsarbeit, um den Durchbruch in der Humanmedizin erreichen zu können.

Jede Spende zählt. Wings for Life. Stiftung für Rückenmarksforschung. Bayrische Landesbank München Kontonummer 11911. Bankleitzahl 700 500 00.

www.wingsforlife.com


Bullhorn

Print 2.0

Neues von hoch oben

http://de.redbulletin.com/print2.0 Auf diesen Seiten erwartet Sie das Multimedia-Erlebnis.

Wenn Shaun White im Februar 2010 als Titelverteidiger in die olym­pische Halfpipe von Vancouver steigt, hat er seine größte Herausforderung schon hinter sich. Wochenlang zog sich der Snowboard-Superstar im Frühjahr in die Abgeschiedenheit von Silverton, Colorado, zurück. Seine Gesellschaft bestand dort im Wesentlichen aus jeder Menge Winterlandschaft, einer Halfpipe und einem Foam-Pit, einer mit Schaumstoffschnitzeln gefüllten Stahlwanne. Abgesehen von der Landschaft war alles eigens für Shaun Whites (im Übrigen während der gesamten Laufzeit geheim gehaltenes) Red Bull Project X kon­ zipiert, produziert und in die knapp 3500 Meter hoch gelegene Talmulde transportiert worden. Mitunter auf durchaus unkonventionellem Weg: Die Halfpipe wurde aus jenem Schnee gebaut, den man in Lawinenform von den benachbarten Berggipfeln abgesprengt hatte. (Was als erfreulicher Neben­ effekt die Chancen des Olympiasiegers, das Projekt zu überleben, erhöhte.) Whites Ziel war ein dem Aufwand entsprechend ehrgeiziges: die Grenzen seines Sports zu erweitern. Und im Zuge dessen eine sehr persönliche ­Mis­sion zu erfüllen. Denn er hatte immer als jener Rider gegolten, der Tricks perfekter ausführen und harmonischer zu einem Run verbinden konnte als jeder andere. Nach Silverton ging Shaun White, um sich neu zu erfinden – in Form des Front Double Cork 10, des Switch Back 900, des Double Back Rodeo und des Cab Double Cork 10. Wie aus einem perfekten Interpreten ein Erfinder wurde, der’s mit den Grenzen der Physik ganz offensichtlich nicht so genau nehmen muss: „Das Labor des Mr. White“, ab Seite 68.

Coverbild: adam moran/red bull photofiles

Sébastien Loeb, seit kurzem sechsfacher Weltmeister, ist der beste Rallyefahrer aller Zeiten (auch wenn er selbst in diesem Punkt widerspricht) und wurde entsprechend oft interviewt. Dennoch hatte er am Ende seines Gesprächs mit unserem Mitarbeiter Anthony Peacock so manche Frage ­erstmals beantwortet. Zum Beispiel: „Mögen Sie Froschschenkel?“ Oder: „Welcher Typ Beifahrer sind Sie?“ Oder: „Seit wann glauben Sie nicht mehr an den Weihnachtsmann?“ Sehr weltmeisterliche Antworten ab Seite 42. Sollte sich zu Weihnachten ein neues TV-Gerät bei Ihnen einfinden, erwartet Sie in der Heftmitte die konkurrenzlose Bedienungsanleitung dafür. Inhalt: Wie Sie das neue ServusTV empfangen können, wieso es sich lohnt, das Programm zu empfangen, und welche Nächte zwischen den Festtagen mit Hilfe des Red Bull TV-Fensters auf ServusTV nicht ganz so stille werden. Schöne Tage, alles Gute für 2010 und viel Spaß mit diesem Heft! Die Redaktion

Red Bulletin Print 2.0 … die Show geht weiter! Staunen und Begeisterung bei der Leserschaft des Red Bulletin: Das Magazin verwandelt sich dank Webcam und Internet-Anschluss in ein smartes Multimedia-Center. Auf welchen Seiten Sie Print-2.0Content erwartet, sehen Sie hier. Wie’s funktioniert, verrät Ihnen der Infokasten auf Seite 7.

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i n h a lt

Willkommen in der Welt von Red Bull! Snowboarden neu erfinden, durch Havanna skaten, sich nicht für den besten Rallyefahrer aller Zeiten halten und frisch achtzig sein.

Bullevard

08 Leserbriefe, WM-Frage Es antwortet: Michael Rösch. 10 fotos des monats 14 Bullevard Allerlei Beflügeltes in kleinen Dosen. 18 Franky Zorn Der Eisspeedwayfahrer im Ganzkörperporträt. 22 Robert Downey jr. Im Kopf des Hollywoodstars. 24 Stoppuhren … … einst und jetzt: wie die Zeit vergeht! 28 formelsammlung Wie weit kann man Ski springen – und zwar theoretisch? 30 Zahlen des Monats Rund um die FIFA-Weltmeisterschaft.

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Heroes

34 Aksel Lund Svindal Der beste Ski-Rennläufer der Gegenwart und sein Samstagvormittag vor dem TV. (Natürlich eine Skiübertragung.) 38 Nora Tschirner Demnächst in „Zweiohrküken“ im Kino, jetzt schon im Kajak. In ungewohnter, nämlich Eskimorolle. 42 Sébastien Loeb Ein Gespräch über Froschschenkel, erste Liebe, Penélope Cruz und, ach ja, Rallyefahren. 46 David Weichenberger Er nennt sich selbst „Einradfreak“ und will die Alpen überqueren, aber querbergein. 48 Stirling Moss Achtzig Jahre, so what? Eine kleine Einführung in eine Welt vor unserer Zeit. 6

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i n h a lt

Action

54 Ryan Sheckler in Havanna Eine Art innere Entdeckungsreise für den Skateboard-Star. Inklusive Wegen-einesT-Shirts-gerührt-sein-Können-Erfahrung. 62 The Warehouse Project Was Manchester einst zu Madchester machte, gibt es jetzt wieder. 68 Shaun White Geheim Red Bull Project X: wie der berühmteste Snowboarder der Gegenwart die Zukunft seines Sports erfindet.

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78 Billabong Air & Style Was man wissen muss, um am Abend des 5. Dezember am Bergisel im Bilde zu sein. 81 Sibirischer Marathon Wieso es eine gute Idee sein kann, im Januar durch Omsk zu laufen. 82 Chris Davenport … … und der Besuch des kanadischen Extrem-Skifahrers im Hangar-7. 84 Red Bull TV-Fenster Beschaulich im einfachen Wortsinn: das Weihnachtsprogramm. 86 hot spots Was rund um die Welt los ist. 88 Die Macht der Nacht Exemplarisch ausgeübt diesmal in London, Brüssel, München und Berlin. 96 Read Bull Nicole Makarewicz hat sich qualifiziert. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt.

the red Bulletin Print 2.0 Movies, Sounds, Animationen in Ihrem Red Bulletin. Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen. 1

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Bilder: Christian Pondella/Red Bull Photofiles, Corbis, Fritz Schuster, Kevin Zacher, Jody Morris, marcus Höhn/laif, McKlein/Red Bull Photofiles, Michel Birot/Corbis Outline

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More Body & Mind

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de.redbulletin.com/ print2.0 Im Browserfenster sehen Sie das MagazinCover. Klicken Sie auf „Starten Sie Bull’s Eye!“.

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Webcam zulassen Sie benötigen eine Webcam. Sollte sich ein Auswahlfenster öffnen, klicken Sie auf „Zulassen“.

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Red Bulletin vor die Webcam halten Es erwarten Sie Multimedia-Inhalte wie Movies, Soundfiles oder Animationen.

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leserbriefe

Briefe an die Redaktion

Ich habe zwei Fragen bezüg­ lich DVDs: 1. Gibt es eine DVD zu Ihrem Beitrag „That’s It, That’s All“ (Snowboard)? Wenn ja, dann teilen Sie mir bitte mit, wo man diese ­bekommen kann. 2. Dieselbe Fragen zu Ihrem Beitrag „Mount St. Elias“. Ingrid Junuschewsky, per E-Mail 1. Ja. Die DVD „That’s It, That’s All“ gibt es etwa bei einem der größten österreichischen Snowboard-Onlineshops auf www. blue-tomato.com um rund 23 Euro. 2. Den Film über die Erstürmung des Mount St. Elias müssen Sie sich vorerst im Kino

Ich bin wirklich begeistert von Eurer Kombination Magazin und Internet (vom Red Bulle­ tin ja sowieso), habe mir extra eine Kamera zugelegt. Hat auch gleich alles bestens funk­ tioniert. Einziger Kritikpunkt: Wenn man sich schon die Mühe macht, das Heft vor die Kamera zu halten, dann wünscht man sich doch aus­ führlichere Beiträge. Bei man­ chen kam doch ein Gefühl von „War’s das?“ auf. Aber die Idee ist ja noch jung (einzigartig sowieso), und der Bulle kann sicherlich noch wachsen! Vielleicht schon in der nächsten Ausgabe? Klaus Poxleitner, per E-Mail Natürlich werden wir mit jeder Nummer bessere Regisseure, und natürlich werden deshalb unsere Print-2.0-Filme garantiert auch länger und spannender. Dem echten Kino wollen wir aber nicht Konkurrenz ma-

chen, dafür haben wir unsere Kollegen vom Red Bull TV-Fenster auf ServusTV. Liebes Redaktions-Team, nachdem uns Heinz Prüller so viele Jahre gequält hat, gibt es mit Matt Youson endlich einen Experten, der das Spektakel Formel 1 perfekt recherchiert, vergnüglich analysiert und pointiert formuliert. Habe bei der Lektüre viel gelacht und freue mich schon auf weitere Artikel (hoffentlich nicht erst in einem Jahr) zum Thema F1‑­Saison-2010. Roman Guggenberger, per E-Mail Toller Bericht über die NFL bzw. über Football, danke dafür! Wundere mich ohnehin, warum Red Bull nicht schon lang auf diese großartige Sportart aufgesprungen ist. Mario Kreinert, per E-Mail Hallo, vor kurzem habe ich bei einem KTM-Vertragshändler in Bobingen (bei Augsburg; Anm.) drei Ausgaben des Red Bulletin bekommen und mit steigendem Interesse gelesen. Danach habe ich die Hefte bei uns im „Burgcafé“ ausgelegt,

einer ehemaligen Konditorei, in der nun unser gemeinnüt­ ziger Verein Aktion Nehemia gem.e.V. Beratungsgespräche für Hilfesuchende in Flensburg anbietet, darunter auch etliche junge Erwachsene. Ihre Zeit­ schrift kam voll an! Unsere Besucher und ich selbst würden uns freuen, könnten wir das Magazin regelmäßig bekommen. Patrick Sjögrent, per E-Mail Kein Problem (und viel Spaß beim Lesen): Die erste Sendung mit unserem Magazin ist schon zu Ihnen unterwegs.

Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an die Nummer +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder an die Postadresse Heinrich-Collin-Straße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, Adresse und Telefonnummer bzw. E-Mail-Adresse enthalten. Die Redak­tion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und ­Klarheit erfordern.

l e s e r f r a g e n , w e lt m e i s t e r a n t w o r t e n

Wie behalte ich einen kühlen Kopf? Biathlet Michael Rösch, 2006 in Turin mit Deutschland Staffel-Olympiasieger und insgesamt dreifacher Bronzemedaillengewinner bei Weltmeisterschaften, ­versucht eine Antwort. Auf jede Frage antwortet der passende Weltmeister: E-Mails an weltmeisterantworten@at.redbulletin.com

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Die Frage nach dem kühlen Kopf könnten wir Biathleten leicht beantworten: Rein damit in den Schnee! Doch so einfach ist es nicht, es ist eher so wie in der Schule: Bist du gut vorbereitet, musst du dir auch nicht in die Hose machen. Natürlich gibt es im ­Biathlon den berühmten letzten Schuss unter Druck. Da kann dir auch kein Mentaltrainer das Händchen halten. Da be­nötigst du Selbstvertrauen. Konzentrationsfähigkeit trainiere ich mit speziellen Computerprogrammen. Du musst für den Bewerb alle Abläufe ver­ innerlicht haben. Jeder Autofahrer weiß,

wie er intuitiv bremst, lenkt oder Gas gibt. Komme ich an den Schießstand, laufen die Vorbereitungen immer so ab, wie es mir in abertausenden Trainings­ abläufen eingebläut wurde. Ist Wind auf­ gezogen, muss man darauf reagieren, doch selbst das läuft ab wie im Film. Man könnte mich nachts um drei Uhr wecken und an einen Schießstand stellen: Ich wüsste, was ich zu tun hätte. Was hier ein bisschen unterkühlt klingt, ist trotz aller Routine jedes Mal aufs Neue spannend. Mehr Weltmeister-Tipps: redbulletin.com/deinefrage/de

bilder: Bernhard Spöttel/Red Bull Photofiles, Christian Pondella/Red Bull Photofiles

anschauen (läuft in Österreich und Deutschland): Die DVD kommt aus urheberrechtlichen Gründen erst Mitte 2010 auf den Markt. Mehr Infos dazu finden Sie im Internet ­unter www.mountstelias.com.


K a i n r at h s k a l e n d e r b l at t

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Bullevard Beflügelndes in kleinen Dosen.

São Pau lo, B r a s i l i e n

den dreh raus

credit

Das erste Mal begegneten Fabiano Carvalho Lopes und HipHop einander vor zehn Jahren. Aus dem gegenseitigen Beschnüffeln wurde eine Liebesbeziehung: Der Brasilianer begann zu tanzen, wechselte 2003 in die B-Boys-Szene und beeindruckte unter dem Künstlernamen Neguin seine Fans und die Wettkampf­ juroren gleichermaßen. 2009 qualifizierte sich Neguin für das Red Bull BC One in New York, wo sich die weltbesten 16 B-Boys zur Battle of the Year trafen. Für Neguin die Erfüllung eines Traums: „New York ist eine Stadt, in der alles passieren kann.“ Vielleicht sogar der Sieg im wichtigsten Event des Jahres. Die offizielle Homepage zur Battle of the Year: www.redbullbcone.com

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bild: Marcelo Maragni/Red Bull Photofiles


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Ziemlich radikal: Julien Dupont in Trialbiking-Action.

Z ü r i c h, S c h w e i z

Stadtstreicher Der Sport, den der 29-jährige Franzose Julien Dupont wenn schon nicht erfunden, so doch maßgeblich geprägt hat, heißt Trial-X. Kommt vom Trial, besitzt aber Elemente des Freestyle. Statt todernst das Absetzen der Füße zu zählen und dafür Strafpunkte zu vergeben, geht es bei Trial-X darum, die Stadt als Spielplatz zu verstehen und dort Hindernisse zu entdecken, wo andere nur eine Wand, ein Geländer, ein Dach, eine Brücke sehen. Hier beobachten wir Monsieur ­Dupont bei der Erstbefahrung einer Wand in Zürich anlässlich des Launchs von Red Bull MOBILE in der Schweiz. „Ich bin fünf Jahre lang Trial-EM gefahren, aber es hat sich nicht richtig angefühlt für mich. Für mich heißt Motorradfahren Spielen.“ In diesem Sinn: Weiterspielen, Julien! Juliens Homepage: www.dupontandco.org


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bild: r端di flick/red bull photofiles


b u l l e va r d

In Deckung!

Beim Red Bull Schützenfest wurde aus allen Lagen gefeuert. Gastgeber: FC Bayerns Schützenmeister Mario Gomez.

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Das runde … … muss manchmal auch ins Runde:   Bayern Münchens ­Mario Gomez und Deutschlands junge Scharfschützen.

de.redbulletin.com/print2.0 Mario beim Treffen treffen.

„Spinnen die?“, dachten wohl einige Passanten in München, als vor ihren Augen Fußbälle auf Kunstwerke und über eine befahrene Straße geschossen wurden. Die Ballerei war jedoch (beinahe) völlig legal, weil: Teil des Red Bull Schützenfests, das Stürmerstar Mario ­Gomez (Bayern München) ins Leben gerufen hatte. „Ich kam mit einigen Freunden spontan auf die Idee, krasse Tore zu filmen. Die Ziele: Mischmaschinen, Statuen, Kofferräume und so weiter.“ Aus dem Gedanken wurde Realität: Über 150 Ballartisten stellten ihre Clips auf die Homepage des Bayern-Torjägers, die zehn besten (neun Jungs, ein Mädchen) wurden zum Showdown in die bayrische Landeshauptstadt eingeladen. Dort ging es letztendlich um eines: Spaß. Und den hatten sie alle, vor allem weil Mario Gomez nie Starallüren zeigte, sondern wie der Kumpel von nebenan auftrat. Nach fünf Stationen (inklusive Bei­naheZerstörung von Fenstern und Beschleunigung des herbstlichen Blätterfalls) wurde auf einem Schrottplatz der 14-jährige Samir zum besten Schützen gewählt. „Das war der schönste Tag meines Lebens!“, erzählte der überglückliche Nachwuchskicker aus Münster nach seiner Kür zum ersten und wohl auch letzten Gewinner des Wettschießens. Mario Gomez denkt nämlich bereits über ein neues, aber noch geheimes Event-Konzept nach: „Was wir ­machen werden, sag ich noch nicht. Darauf freuen tu ich mich aber schon jetzt.“ Ein treffsicherer Mario Gomez auf: www.redbullschuetzenfest.com

Bilder des Monats

Moment mal!

Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird ein Red Bull MOBILE Bluetooth Headset BH-1 verlost. Bis zu vier Stunden lässt sich damit freihändig reden. (Ein Ladegerät für danach ist selbstverständlich auch dabei.) Gewinner aus Heft 11/2009: Markus Waldschütz. Wer nicht gewonnen hat: Das Headset gibt’s um 49 Euro exklusiv im Red Bull MOBILE Online Shop unter http://shop.redbullmobile.at/

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Graz Mit der Spezialanfertigung unseres Roboters mäht sich der Rasen nicht nur von alleine, sondern auch noch viel schneller. Daniel Hauser, Sept. 2009


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sport & Talk im hangar-7 Sainz, Coma, Kini und Co: Wir verlosen fünf Karten. Start ist zu Neujahr in Buenos Aires, einen Teil des Feldes (grob geschätzt: die Hälfte) wird man nach knüppeldicken 9000 Kilometern durch ­Argentinien und Chile am 16. Januar wieder dort sehen. Die Rallye Dakar ist eines der letzten Abenteuer, eine Herausforderung für Mensch, Maschine und Team. Zwei Wochen vor dem Start ­(genau: am 14. Dezember um 21 Uhr) sind die Größen dieses Sports zu Gast bei „Sport & Talk“ im Hangar-7, zu sehen auf ServusTV: Vorjahressieger Giniel de Villiers, Rallye-Legende Carlos Sainz und VW-Motorsportdirektor Kris Nissen. Außerdem kommen die Favoriten bei den Bikes, Marc Coma und Cyril Despres, begleitet von Heinz Kinigadner. Genau dafür verlosen wir fünf Karten (wenn nötig, inklusive Hotel), speed wins. Einfach Mail an: redaktion@at.redbulletin.com

bilder: Joerg Mitter/Global-Newsroom, red bull photofiles (6)

Sport & Talk im Hangar-7: 14. Dezember 2009 www.servustv.com

Wien Nun kann man ganz leicht ein Action-Bild von Gregor Schlierenzauer erwerben – als Sonderbriefmarke um 1 Euro. Christian Ort, Sept. 2009

„Sport & Talk“, DakarEdition: 14. Dezember 2009, Hangar-7, Salzburg.

Madrid

Die zungenfertigsten spanischen Rapper zeigten San Diego Danny MacAskill sieht überall Wege – beim Finale der Red Bull Batalla de los Gallos ihr Können. auch dort, wo wir ihn vor lauter Säulen nicht erkennen Landa Larrañaga, September 2009 würden. Michael Clark, Oktober 2009

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b u l l e va r d

Wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer. Aber sie kriegen’s trotzdem.

Wir könnten auch sagen: Footballer Reggie Bush hat zur Feier seines Red Bulletin-Covers eine Party geschmissen. American-Football-­ Superstar Reggie Bush zeigt, wie man mit der Goaß ackert: Im Oktober noch am Cover des Red Bulletin, legte er in der Folge mit seinen New Or­leans Saints einen imposanten winning streak hin und blieb (bis Redaktionsschluss des Dezemberhefts) acht Spiele ungeschlagen. Reggie und wir, das passt ganz offensichtlich zusammen. Zur Feier seines Covers ließ sich unser 1,83 Meter großer Running Back nicht lumpen, mietete die Generations Hall in New Orleans an und lud ein paar hundert seiner besten Freunde zur Cover-Party, „Blowout Bash“ im US‑Jargon. Immer, wenn die Rebirth

Brass Band nicht mehr konnte, übernahm J-Rocc die Turntables, während sich Country-Queen Jessie James („I Look So Good ­[Without You]“) im Publikum mit Spitzensportlern wie Chris Paul von den New ­Orleans Hornets (NBA), Snowboarder Travis Rice, Surfer Ian Walsh oder BMXPro Corey Bohan umtat. Weil New Orleans in den USA liegt, durfte eine Torte zu Mitternacht nicht fehlen, originellerweise in Form eines Footballhelms. „Ist eine große Ehre für mich, am Red Bulletin-Cover zu sein“, sagte der heilige Reggie glücklich. „Das ist eine tolle Party und eine phantastische Nacht für New Orleans.“ Wann er nach Hause ins Sauerstoffzelt schlafen ­gegangen ist, wissen wir leider nicht.

www.redbullmobile.ch

Redskins vs. Saints: 6. 12. 2009, FedExField, Maryland Der Party-Clip auf: redbulletin.com/bush/de

Sydney Die Indie-Rock-Band Little Red aus Mel- Abu Dhabi

Der Boxenstopp auf dem Flughafen vor dem Leoben Bis an die Schmerzgrenze. Dass ich ein großer bourne begeisterte ein volles Roundhouse Theatre. Abflug dauerte länger als diejenigen auf der Rennstrecke. Fan von Red Bull bin, habe ich hiermit ja wohl bewiesen. Mark Watson, Red Bull Soundclash, Oktober ’09 Naim Chidiac, November 2009 Tanja Lang, Oktober 2009

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bilder: Red Bull Photofiles, tilllate.com

Bushs Blowout bash

Red Bull MOBILE, schon in Österreich ein – in aller Bescheidenheit – großer Erfolg, ist seit kurzem auch in der Schweiz am Start. Seit 11. November kann man auch westlich des Bodensees bullish telefonieren. Mobilfunkpartner dafür ist Sunrise, erhältlich ist Red Bull MOBILE exklusiv in über 1800 Poststellen. Es gibt zwei unterschiedliche Tarife (simplyAll, 33 Franken, simplyAll+, 66 Franken) und vier verschiedene Top-Handys zur Auswahl. Neben Telefonie und SMS ist selbstverständlich die unbeschränkte Nutzung von Red Bull TV und des Red Bull MOBILE Portals im Grundentgelt integriert, mit der ganzen Welt von Red Bull, mit Downloads, News und Infos. Zum Eröffnungs-Event in der Alten Börse Zürich kamen unter anderem David Coulthard, FMX-Superstar Mat Rebeaud oder Surf-­Legende Bjørn Dunkerbeck. Ebenso charmant wie sachkundig moderiert wurde der Event von Christina Surer.


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OFFIZIELLES LIZENZPRODUKT


b u l l e va r d

mein körper und ich

Franky Zorn

Eisspeedway verzichtet auf Rechtskurven und Bremsen, produziert Schräglagen bis zu 20 Grad, dank der 28-mm-Spikes Verletzungen wie ein Horrorfilm und entsprechend konzipierte Helden. Zum Beispiel Franky Zorn.

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de.redbulletin.com/print2.0 Franky in der Linkskurve und im Röntgen-Porträt.

Ich sag immer: „Eisspeedway, das sind vier Wahnsinnige auf einer Eisbahn, mit Spikes, aber ohne Bremsen.“ Du musst im Kopf also, hm, schon speziell sein für den Sport. Aber den Kopf brauchen wir schon auch dann, wenn er eingeschaltet ist. Zum Beispiel bin ich überzeugt davon: Ich kann nur deswegen nach meinem schweren Unfall schon jetzt wieder fahren, weil ich im Kopf so stark bin.

Ober arm e, Schu lter n

Eine Motocross-Maschine hat 300 Millimeter Federweg, eine Eisspeed­ way-Maschine 80 bis 100. Das heißt, Oberarme und Schultern sind unsere Stoßdämpfer. Die müssen alle Vibra­ tionen vom Eis abfangen und die Ma­ schine kontrolliert am Boden halten. Weil da brauchst schon ein Schmalz.

Linker Oberarm, linkes Bein

Dort passieren die meisten Verlet­ zungen durch die Spikes. Logisch: In Linkskurven – und wir fahren ja nur Linkskurven – braucht der Hintermann nur ein bissl später vom Gas gehen als du, und er rattert dir links rein.

Recht es Bein

Ob du’s glaubst oder nicht: Das rechte Bein musst du extra trainieren. Du brauchst es beim Rennen zwar nicht, aber du musst es dauernd anheben, das geht mit der Zeit auch rein.

Franky bloggt auf: www.frankyzorn.at

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Die FüSS e

Mitte Februar, Grand Prix in Ufa in Russland. Erster Lauf, das schönste Eis, in der Kurve verhackel ich mich mit Weltmeister Krasnikov, ich unten drunter, er oben drüber. Er hat sich nix getan, also fast nix, ich bin mit dem Rücken voran in eine gefrorene Schneewand gedonnert. Tragen sie mich raus, spür ich auf einmal meine Füße nicht mehr! Da hab ich gewusst: Irgendwas ist faul. Sie haben mich dann zum Glück gleich in die Länge gezogen, durchgestreckt, auf einmal hab ich wieder ein Gefühl im Haxen gehabt, wie wenn dir ein warmes Wasser das Bein runterrinnt, war das. Dann bin ich wieder raus, weiter­ gefahren, weil ich nicht aufgeben wollte, war dann eh noch Vierter.

Der 7. Halswirbel Die ganze Nacht nix geschlafen, am nächsten Tag mit höllischen Schmerzen Sechster. Nach dem Rennen in den Transporter, auf die Straße, heim nach Österreich. 4600 Kilometer im Bus, in einem durch, weil an Schlafen ja eh nicht zu denken war wegen der Schmerzen. Dann gleich zum Arzt, zur Untersuchung. Sagt der: „7. Halswirbel gebrochen.“ Da ist mir ordentlich das Gesicht ein­ geschlafen. Ein Freund von mir sitzt im Rollstuhl, der hatte sich auch den 7. Halswirbel gebro­ chen. Der Unterschied zwischen ihm und mir: zwei Millimeter.

DivERSE Brust wirbe l

Ein paar davon hab ich mir bei dem Unfall auch gequetscht, aber das ist halb so schlimm.

bild: fritz schuster

Der Kop f


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b u l l e va r d

Bellissima!

bilder: Erik Aeder/Red Bull Photofiles, Laetitia Bica, Studio Galgano

Im Wiener quartier21 ist ­italienische Mode zu Gast.

Liebe grüSSe

Es wärmt, wenn man Post aus dem Urlaub kriegt: Uns schrieb Surf-Guru Robby Naish aus Indonesien. „Liebe Leute, Bali kann ich als Urlaubs­ destination echt empfehlen, vor allem im Herbst, wenn bei euch in Europa schon jeder an Weihnachten und Wintermantel denken muss. Hier in Asien fängt der ­Urlaub schon am Flughafen an: Diese ­Gerüche, Geräusche und Bilder kriegst du sonst nirgendwo. Und es kommt noch besser: Abseits von den klassischen Tou­ ristenstränden, ist diese Insel bis zum heutigen Tag völlig unbeeindruckt geblie­ ben. Man ­findet hier noch immer einen menschenleeren Strand mit super Wellen, wenn man nur ein wenig sucht. Und für hinterher ein angenehmes Hotel mit ei­ nem Pool vor der Zimmertür um 30 Dol­ lar, wenn man sich nicht gerade eine gro­ 20

ße Kette ausgesucht hat. Ganz ehrlich: Nach 35 Jahren Reiseerfahrung ist mir Bali das liebste Urlaubsziel. Diesmal habe ich meinen Teamkollegen Michi Schweiger mitgebracht, außerdem lustiges Sportgerät, das ich unbedingt ausprobieren wollte. Meine neuen Bretter – kürzer, aber breiter – haben sich voll ­bewährt, auch beim Stand Up Paddling, wo du in der Welle was zum Festhalten kriegst. Kitesurfen waren wir ebenfalls, auch dafür sind die Wellen des Indischen Ozeans wunderbar geeignet. Einmal habe ich mir allerdings das Knie beleidigt, als mich eine Welle erwischt hat. Geht aber schon wieder. Kommt bald nach, Robby“. Mehr von Robby auf: www.naishsurfing.com

Gucci, Pucci, Prada – Namen, bei denen sich nicht nur bei Fashion-Victims sofort der „Will haben“-Reflex einstellt. Seit über fünfzig Jahren sind italienische Modedesigner mit dem, was sie über die Laufstege schicken, mitbestimmend dafür, was wir im Alltag tragen. Im Wiener quartier21 ist jetzt erstmals ein repräsentativer Querschnitt aus diesem Zeitraum zu sehen, von Haute Couture bis zu Prêt-à-porter. Wie sehr Mode auch eine Schnittstelle zwischen Lifestyle und Kunst ist, sieht man z. B. an der Gegenüberstellung eines goldenen Pailletten-Dufflecoats von Max Mara von 2007 und ­einem Goldlamé-Mantel von Emilio Schuberth aus dem Jahr 1958. Vermutlich schier unbezahlbar: ein Polyesterkleid von Emilio Pucci von 1967 sowie der Jungle-Print-Traum von Versace, getragen von Jennifer Lopez vor nunmehr neun Jahren. Neben den eta­ blierten Namen der Fashionwelt haben auch fünf angehende Designer die Chance, ihre Kreationen auszustellen. 50 anni di moda italiana: ab 10. Dezember freiraum quartier21 INTERNATIONAL, MuseumsQuartier, Wien www.quartier21.mqw.at


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b u l l e va r d

Meine welt

Robert Downey jr.

Hollywoods bösester Bub geht derzeit lieber auf Verbrecherjagd. Im Kino, natürlich, wo er als Superheld und Detektiv für Recht und Ordnung sorgt. Dabei hat alles mit einem Hund begonnen …

Robert John Downey Jr. kam am 4. April 1965 in New York City zur Welt. Damals dominierten die Supremes mit ihrem Klassiker „Stop! In the Name of Love“ die Charts. Ein Titel, der manchen Kritikern Jahrzehnte später bei Downeys eigenen Musikversuchen in den Sinn kam. „Entertainment Weekly“ zum Beispiel notierte über sein 2004 erschienenes Debütalbum „The Futurist“: „Ein kläglicher Versuch, der ihn in die Liga eines Don Johnson um 1987 katapultiert.“

Jaja, eh klar!

Von 1984 bis 1991 war Downey mit Sarah Jessica Parker liiert, die Verbindung zerbrach wegen seiner ­Alkohol- und Drogensucht. Ein Jahr später heiratete er die Schauspielerin Deborah Falconer, nach nur 42 Tagen heftiger Turtelei. „Es war wegen ihrer Persönlichkeit, ehrlich“, sagt Downey, „obwohl es auch kein Nachteil war, dass sie eine der umwerfendsten Frauen ist, die ich jemals gesehen habe.“

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Im aktuellen „Sherlock Holmes“Film gibt Downey den Titelhelden als faustkämpfenden Kampfsportler (ohne die sonst unverzicht­ bare Holmes’sche „Deerstalker“Kappe!). Eine durchaus zulässige Interpretation, bezeichnete doch Autor Arthur Conan Doyle im Original Holmes als „Baritsu“-Spezialisten. Vermutlich eine falsche Schreibweise von „Bartitsu“, einem Mix aus japanischem ­Jujitsu und englischem Boxen, das vom britischen Ingenieur Edward William Barton-Wright 1899 erfunden wurde.

Ballermann

Als Mike Figgis 1997 Downey für „One Night Stand“ castete, war der Schauspieler am tiefsten Punkt seiner Selbstzerstörung angelangt. Der Regisseur erinnert sich, dass er bei einem Essen mit Downey in L. A. plötzlich einen dumpfen Knall unter dem Tisch hörte: Downey hatte eine Schusswaffe eingesteckt. Später dann, an dem Tag, als die Begräbnisszene seines Filmcharakters gedreht wurde, landete Downey auch noch im Gefängnis, weil er einen Drogentest versäumt hatte.

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Der Hundeflüsterer

Im zarten Alter von fünf Jahren tauchte Downey Jr. zum ersten Mal in einem Film auf – in „Pound“ unter der Regie seines Vaters, des UndergroundFilmers Robert Downey Sr. Ein eher ungewöhnlicher Start einer Schauspielkarriere: Downey Jr. gab einen Welpen mit genau einem Dialogsatz, gerichtet an einen anderen Hund. Später behauptete er, es war einfacher, ihn im Film zu besetzen, als einen Babysitter zu finden.

Ton y Award

Einen ersten Vorgeschmack auf Ruhm und Ehre bekam Downey 1985 mit dem Teen ieSci-Fi-Streifen „L.I.S.A. – Der helle Wahn sinn“. Co-Star und Freund Anthony Mich ael Hall verdankte er neben seinem FilmEngagement auch einen Auftritt bei der „Saturda y Night Live“-Show. Überarbeitet hat man sich aber nicht. „Es war irre aufregend“, so RDJ über die Zusammenarbeit mit AMH. „Wir ­hatten immer hübsche Mädchen um uns.“

Kostü mfest

Bei Vertragsabschluss für „Chaplin“ (1992) bestand Downey darauf, die Filmkleider behalten zu dürfen. Sie wurden an einem Tag geliefert, als er mit ein paar Freunden eine exzessive Drogentour ­absolvierte. „Ich befand mich in einem durch­ gehenden Blackout, als diese zwanzig Schachteln eintrafen. Wir rissen sie auf und marschierten die nächsten Tage alle als Charlie Chaplins durch die Gegend.“

Heavy Metal

Mit „Iron Man“ kam letztes Jahr die Karriere von Downey wieder in Schwung, seither gilt er zum ersten Mal als Kassenmagnet. Eine Rolle übrigens, die perfekt zu ihm passt. „Er kämpft mit seinem Lebensstil und mit dem Trinken“, sagt Downey über Tony Stark, das Alter Ego des Iron Man. Der zweite Teil, mit ­Mickey Rourke als Bösewicht, soll im Mai 2010 in die Kinos kommen.

Meh r als ein Tale nt

Sir Richard Attenborough bezeichnete Downey einmal als einen der talentiertesten Schau­ spieler der Welt. Daneben betätigte sich Downey immer wieder künstlerisch, mit Musik eben, aber auch mit Schreiben. Als Kind hatte er Ballett gelern t, 2001 tauchte er in Sam Taylor-Woods „Pietà“ auf, ­einem praktisch regungslosen 2-Minuten-Film, in dem Taylor-Woods einen Downey in Jesus-Pose in den Armen hält. „Tiefsinnig und bewegend“, schrieb der „Daily Telegraph“. Bewegend? Downey zuckte kaum mit einem Muskel. Deutscher Kinostart von „Sherlock Holmes“: 28. Januar 2010 Der Trailer auf: redbulletin.com/downeyjr/de

Text: Toby Wiseman; Illustration: lie-ins and tigers

miami voice


Mattias Ekström (SWE) ist der Beste der Besten. Der AudiDTM-Pilot setzte sich beim Race of Champions im Finale gegen Michael Schumacher durch. ROC-Nations-CupSieger: Deutschland vor Gastgeber China.

kurz & dennoch einzigartig Zum Abschluss einer äußerst erfolgreichen Motorsportsaison: fünf Sieger auf zwei und vier Rädern. Doppelsieg beim Formel-1Finale auf der brandneuen Strecke in Abu Dhabi: ­Sebastian Vettel siegt vor Mark Webber, beendet die Saison somit standes­ gemäß und macht sich zum Vize-Weltmeister.

bilder: François Rophé, GEPA pictures, Getty Images/Red Bull Photofiles, IMP, Jakob Ebrey

Daniel Ricciardo (AUS) hat heuer mit der britischen Formel 3 nicht nur die Mutter aller Nachwuchsserien gewonnen, sondern auch die abschließenden Testfahrten in der World S ­ eries bei Renault überraschend dominiert.

Hiroshi Aoyama (JAP, Honda) ist der letzte Weltmeister der 250erKlasse, bevor sie ab 2010 von der viertaktenden Moto2 abgelöst wird. „Hiro“ selber steigt nächstes Jahr in die MotoGP auf.

Der spanische Motorradheld Marc Coma hat sich mit seinem Sieg bei der MarokkoRallye perfekt auf die heurige Rallye Dakar (ab 1. Januar 2010 wieder in Argentinien und Chile) eingestellt.


B u l l e va r d

EINST UND JETZT

Wie die Zeit vergeht In den letzten hundert Jahren haben sich nicht nur die sportlichen Leistungen verbessert: Sie sind heute auch besser dokumentiert. Großen Anteil daran haben die Stoppuhren, die es zuwege brachten, die Sekunde immer feiner zu teilen.

Ticktack Heuer Micrograph, c1960 Charles-Auguste Heuer hatte eine besondere Aufgabe für seine Mitarbeiter: Sie sollten eine Uhr bauen, „fünf- bis zehnmal präziser“ als alles, was es bis dahin gab. Er hatte den Sport als Geschäftsfeld für seine Uhrenmanufaktur entdeckt. 1916 ließ Heuer den Micrograph patentieren. Er war die erste mechanische Stoppuhr der Welt, die Hundertstelsekunden messen konnte, zwanzigmal so genau wie der damalige Standard. In der Folge nahm Heuer die Zeit bei den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen, 1924 in Paris und 1928 in Amsterdam. Der große Zeiger des Micrograph braucht drei Sekunden für eine Runde, der kleine sechzig. Die Unruh im Werk oszilliert dabei mit 360.000 Schwingungen pro Stunde. Der letzte Micrograph wurde 1969 hergestellt, außen in poliertem Nickel gehalten, innen nahezu unverändert. Heuer (seit 1985: TAG Heuer) blieb dem Sport erhalten, stoppte jahrelang in der Formel 1 und nimmt heute die Zeit etwa beim Indy 500. Virtuelles Uhrenmuseum auf www.tagheuer.com

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Bilder: Luke Kirwan

zack, zack! EtherLynx Professional, Zielkamera, 2004 Kameras lügen nicht – und sie können das auch beweisen. Zielkameras halten im Gewimmel aus ­Armen, Beinen, Speichen und Frontspoilern jenen Teil zweifelsfrei fest, der die Ziellinie als erster überragt hat. Während andere Uhren noch im Begriffe sind, „We...?“ zu fragen, hat die Zielkamera bereits eine Salve von Bildern abgefeuert, präzise gesprochen: 10.000 Bilder pro Sekunde. Damit lassen sich selbst zentimeterkleine Abstände von Objekten, die mit mehr als 300 km/h des Weges kommen, feststellen. Außerdem eliminiert die Kamera den toten Raum zwischen den Wettkämpfern und liefert gleich gestochen scharfe Bilder auf die Scoreboards im Stadion. So geschehen etwa bei Usain Bolts Weltrekord in New York, bei der Tour de France oder der NASCAR. Nur ein Problem kann die Kamera nicht lösen: Die grotesken Verzerrungen von Armen, Beinen und Köpfen am Zielfoto müssen noch ­immer im Programm Photoshop korrigiert werden. Die präzise Welt der Zielkameras auf www.finishlynx.com

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B u l l e va r d

Frische Talente gesucht

3 … 2 … 1 … weihnachten! Wings for Life versteigert auf eBay die unglaublichsten Sachen. Machen Sie mit: für ein braves Christkind. Wie wär’s zum Beispiel damit: dabei sein, wenn DJ Ötzi seine neue Platte einsingt? Oder: das Nightrace auf der Planai mitten unter den Skistars erleben, mit zwei Top Golden Cards? Originale Thomas-Morgenstern-Sprungski, ungefahren, aber signiert, für das neu entdeckte Winterhobby? Zu lang, zu dünn, zu wackelig? Dann sind Sie wohl doch eher der Sigi-GrabnerSnowboard-Typ. Ihr Herz schlägt für die Formel 1? Sebastian Vettel versteigert seinen champagnergetränkten Overall, detto

Mark Webber. Damit ist man auf jeder Kartbahn der Held. Zu große Packerl ­unterm Christbaum? Kein Problem: Wings for Life versteigert auch die Paddock-Pässe der beiden, mit Foto und Unterschrift. Oder eine originale, ebenfalls signierte Radmutter des siegreichen RB5 aus Titan. Noch schräger? Dann bleibt wohl nur das rote Käppi von Niki Lauda, signiert und ihm frisch vom Kopf gerissen. Steigern Sie, schenken Sie. Doppelt. www.wingsforlife.com/charity_auctions.php

„Jeder“ ist vielleicht ein bisschen übertrieben: Grundvoraussetzung, um überhaupt zur Red Bull X-Fighters Ranking Session auf die FMX-Ranch nördlich von L. A. eingeladen zu werden, ist das flüssige Beherrschen von Kleinigkeiten wie Backflip-Combos. Ab 2010 ändert sich nämlich der Modus der besten Freestyle-Motocross-Serie der Welt: Nur noch die vier bestplatzierten Rider des Vorjahres sind automatisch dabei. Im konkreten Fall sind das Nate Adams (USA), Robbie Maddison (AUS), Eigo Sato (JPN) und Mat Rebeaud (SUI). Sechs weitere qualifizieren sich über die Ranking Session in den USA (zwischen 2. und 10. Februar 2010). Die Konkurrenz wird beinhart: Dreißig der hungrigsten Freestyle-MXer werden sich im Kampf um die begehrten Plätze und einen guten Spot in der neu geschaffenen Weltrangliste ganz sicher nichts schenken. Unverändert bleibt, dass pro Contest zusätzlich zwei Wildcards vergeben werden. Die Red Bull XFighters World Tour 2010 startet im ­April und wird nach einem HalbjahresTrip zu den spektakulärsten Locations auf der ganzen Welt im Herbst ihren neuen Champ krönen. www.redbullxfighters.com

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bilder: Jörg Mitter/Red Bull Photofiles, Kurt Pinter/Red Bull Photofiles, picturedesk, Rami Hanafi/Red Bull Photofiles, Red Bull Racing/Red Bull Photofiles (2); illustration: dietmar kainrath

Gravierende Änderung bei den Red Bull X-Fighters: Ab sofort kann sich jeder dafür qualifizieren. Fast jeder.


In late 2002, three team mates from the Central Junior "A" Hockey League celebrated a big win at a Canadian pub called Fathers and Sons. A few cold ones later, and inspired by the distinct lifestyle hockey players lived, they had the idea to make some hats with Gongshow Hockey stitched on the front for their hockey buddies to rock around town. Slowly but surely, word began to spread through tight knit hockey circles about a brand that accurately represented what hockey players were all about. Soon, the lads found themselves teamed up with a roster of players united through their love and passion for the hockey lifestyle that they lived. Today, the GSH boys feel excited and privileged to be part of such a powerful team that shares the goal of enjoying and spreading the Gongshow Lifestyle to hockey players all around the world...

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Formelsammlung

Eine Frage des Schattens Betrachtet man die Ausrüstung eines Skispringers und die eines Abfahrtsläufers, fallen zwei Dinge sofort auf: Die Ski eines Springers sind im Vergleich sehr breit, und sein Anzug ist alles andere als eng anliegend. Warum ist das aber so? Am Schanzentisch einer Skiflugschanze hat ein Springer etwa 100 km/h. Während des Flugs wirken auf ihn drei Kräfte. Da ist zunächst einmal die Gewichtskraft FG. Diese ist von der Gesamtmasse des Athleten (m) und der Erdbeschleunigung (g) abhängig. Weiters treten zwei Kräfte auf, die durch die Luftströmung verursacht werden, nämlich die Luftauftriebskraft FA und die Luftwiderstandskraft FW. Beide sind von der Luftdichte abhängig, die man nicht verändern kann. Die Auftriebskraft ist weiters vom Auftriebsbeiwert cA abhängig, die Luftwiderstandskraft vom Luftwiderstandsbeiwert cW. Beide Kräfte sind von der Anströmfläche A abhängig. Und hier kommt der „Schatten“ des Springers ins Spiel. Die Anströmfläche bezeichnet man nämlich auch sehr griffig als Schattenfläche. Sie entspricht der ­Fläche des Schattens, den das Objekt werfen würde, wenn man es mit parallelem Licht in oder gegen ­Anströmrichtung beleuchtete. Und sie erklärt die Ausrüstung ­eines Skispringers. Durch die breiten Ski und den beinahe wallenden Anzug wird diese Schattenfläche größer (Anm.: auch cA und cW verändern sich damit). Dadurch werden wiederum FA und FW größer. Der Auftrieb wird vergrößert und die Flugbahn verlängert. Außerdem wird verhindert, dass durch die einwirkende Gravitation die Gesamtgeschwindigkeit im Laufe der Luftfahrt zu groß wird. Bei Flugschanzen trifft der Springer trotzdem mit etwa 130 km/h am Sprunghügel auf. Ohne die voluminöse Ausrüstung wäre die Flugbahn kürzer und die Aufsprunggeschwindigkeit größer – und schmerzhafter. Die Ausrüstung ist streng reglementiert. Würde man sie entsprechend modifizieren, könnte man vielleicht sogar über 300 Meter springen. Natürlich müssten dann die Sprungschanzen umgebaut werden, die heutzutage auf rund 240 Meter ausgelegt sind, damit man nicht im Flachen „zerschellt“. Trotz größerer Schanzen wäre das Springen dann aber zu gefährlich, und im Sinne der Gesundheit der Athleten lässt man die Schanzen daher so, wie sie sind. Auch Sprünge über 200 Meter sind sehr spektakulär! * Mag. DDr. Martin Apolin, 44, ist promovierter Physiker und Sportwissenschafter. Apolin arbeitet als AHS-Lehrer (Physik, Sportkunde) und Lektor am Institut für Sportwissenschaft in Wien und ist mehrfacher Buchautor.

Alle Formeln auf: redbulletin.com/formel/de

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Bild: Getty Images; Illustration: Mandy Fischer

Erst die Ausrüstung macht Skifliegen möglich. Doch sie es auch, die ­allzu weiten Flügen eine Grenze setzt.


Der Mann, der weiter springt als sein Schatten (sorry, Witz): Gregor Schlierenzauer lotet die Grenzen der Formel auf der linken Bildseite aus.


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Das groSSe Los

Am 4. Dezember werden in Kapstadt die Gruppen für die FIFA Fußball-Weltmeisterschafts-Endrunde 2010 in Südafrika ausgelost – mit viel Glanz und Glamour. Danach beginnt die Diskussion über Glückslose und Todesgruppen.

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Qualifikationsspiele wurden für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 ausgetragen. Von 205 gemeldeten Nationen verzichteten fünf auf ein Antreten. Die anderen wurden in die sechs Kontinentalzonen eingeteilt: Europa, Afrika, Asien, Concacaf (Nordamerika, Mittelamerika, Karibik), Südamerika und Ozeanien. Die ersten beiden Spiele fanden bereits am 8. Oktober 2007 statt. Thailand schlug Macau 6:1, Tadschikistan trennte sich von Bangladesch in Dhaka vor immerhin 700 Fans mit 1:1. Beim WM-Finale in ­Johannesburg am 11. Juli 2010 werden 94.000 Zuschauer mehr erwartet.

Teams nehmen an der WM-Endrunde teil. Acht Gruppen zu je vier Mannschaften werden an einem warmen Sommertag in Kapstadt ausgelost. Die Ziehung am 9. Dezember 2005 in Leipzig zum WM-Turnier in Deutschland, bei der England als erste Mannschaft aus dem Plastiktopf gezogen wurde, verfolgten rund 500 Millionen Fernseh­ zuschauer. Geboten wurde ein spektakuläres Rahmenprogramm mit Topmodel Heidi Klum als Moderatorin, „Glücksfee“ Lothar Matthäus, Magier Hans Klok und Latin-Grammy-AwardGewinner Juanes sowie Maskottchen Goleo, das von dem Leoparden Zakumi abgelöst wird.

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Die Stadtverwaltung Kapstadts setzt bei der WM-Austragung auf moderne Technik. Fünf Segway Personal Transporter (auch als SelbstbalanceRoller bekannt) sollen Polizisten den Dienst erleichtern. Die skurrilen Elektrofahrzeuge erreichen eine Spitzengeschwindigkeit von rund 20 km/h und sind auch auf den Flughäfen von Detroit und München im Einsatz. Vielleicht wird es beim Aufeinandertreffen der Exekutive mit flegelhaften Fußballfans zu wilden Verfolgungsjagden kommen. Sollten sich die Fahrzeuge nicht bewähren, könnte man eventuell eine alter­ native Verwendung andenken: als Gefährt beim Segway-Polo.

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An der ersten WM in Uruguay 1930 nahmen lediglich 13 Mannschaften teil, eine Qualifikation war nicht notwendig. Einige Teams mussten zum Antreten sogar überredet werden. Die vier europäischen Nationen (BEL, FRA, ROM, YUG) stimmten erst zu, nachdem ihnen die Übernahme der Kosten für die lange Schiffsreise und die übrigen Aufwendungen zugesichert worden war. Zum Vergleich: Vor dem Nennschluss im März 2007 zur 19. WM in Südafrika gingen 205 Anmeldungen ein: 192 mehr als bei der Premiere.

Den Rekord der meisten WM-Final-Teilnahmen halten Brasilien und Deutschland mit je sieben. In einem Endspiel standen sich die beiden Nationen erst einmal gegenüber. In Yokohama, Japan, gewann Brasilien 2002 mit 2:0 und stellte damit auf 5:3 bei der Anzahl der gewonnenen WM-Titel. Die beiden speziell im Turnier­starken Mannschaften zählen bei jeder Endrunde zu den Favoriten. Wie sieht es mit der Stärke der Veranstalter aus? In 12 der bislang 18 WM-Turniere erreichten die Gastgeber zumindest das Semifinale. Süd­ afrika, aktuell 85. der FIFA-Rangliste, ist also gefordert. FC Red Bull Salzburg in der Europa League: 17. Dezember 2009 beim FC Villarreal

Bild: corbis

Vor 23 Jahren fand der Begriff „Todesgruppe“ Eingang in den Fußballsprech. Bei der WM 1986 in Mexiko prägte der Teamchef von Uruguay, Omar Borrás, den Ausdruck, um auf die Stärke der Gruppe E mit Geheimtipp Uruguay, Deutschland (Vizeweltmeister 1982), Dänemark (EM-Halbfinalist 1984) und Schottland zu verweisen. Allerdings könnte es der Trainer auch ein wenig zu wörtlich gemeint haben: Beim Spiel gegen Schottland wurde Uruguays José Batista nach 56 Sekunden wegen eines derben Fouls vom Platz gestellt. Borrás selbst wurde wegen der überharten Spielweise seiner Mannschaft für das zweite Spiel auf die Tribüne verbannt.


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bild: imago


Heroes Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt.

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Sébastien Loeb/Daniel Elena im Citroën C4 WRC am Weg zum Rallye-WM-Titel Nummer 6, um einen entscheidenden Punkt vor den Ford-Focus-Finnen Mikko Hirvonen/Jarmo Lehtinen.


Heroes

Aksel Lund Svindal Wieso ist Skifahren so toll? Was macht Michael Jackson am Gletscher? Und wer ist schuld an der Finanzkrise? Ein Fernsehvormittag mit dem freundlichsten schnellsten Skifahrer der Welt. Text: Alexander Lisetz, Bild: Philipp Horak

Name Aksel Lund Svindal Geburtsdatum/-ort 26. Dezember 1982 in Lørenskog, Norwegen Wohnort Kjeller, Norwegen; Innsbruck, Österreich Beruf Skirennläufer Spricht Norwegisch, Englisch, Deutsch Erfolge Abfahrtsweltmeister 2007, RiesenslalomWeltmeister 2007, Super-KombinationsWeltmeister 2009 Sieger Gesamtweltcup 2006/07, 2008/09, Sieger Super-G-Weltcup 2005/06, 2008/09, Sieger RiesenslalomWeltcup 2006/07, Sieger KombinationsWeltcup 2006/07 Web aksellundsvindal.com

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Aksel Lund Svindal auf Anhieb sympathisch zu finden ist fast so leicht, wie gegen Aksel Lund Svindal in einem Skirennen zu verlieren. Ersteres geht zum Beispiel so: Aksel liegt am zerwühlten Bett in seinem Hotelzimmer, einem farbenfrohen Gesamtkunstwerk aus Skiklamotten, ange­ lesenen Jo-Nesbø-Büchern und kreativ verteilten Socken, und öffnet eine Videodatei auf seinem Laptop. Inhalt: er selbst mit drei Mannschaftskollegen auf irgendeinem verschneiten chilenischen Andengipfel, komplett in Rennmontur. Die vier nehmen Aufstellung, dann beginnt eine Tanzperformance (mit Helm und Skischuhen) zu Michael Jacksons „Beat It“: „You wanna be tough“, Ausfallschritt, „better do what you can“, Arme in die Luft, „just beat it“, Drehung. Das Video vom Herbsttraining des norwegischen Teams ist ein YouTube-Hit. „Meine Website“, sagt Aksel, „hatte noch nie so viele Zugriffe.“ Es sind nicht nur Aktionen wie diese, die den ­derzeit vielleicht besten Skifahrer der Welt zum hochwahrscheinlich beliebtesten Skifahrer der Welt ­machen. Svindal hat es geschafft, die autistische Zielstrebigkeit eines ehrgeizigen Spitzensportlers mit dem ungekünstelten Charme von jedermanns bestem Kumpel zu kombinieren. Ihn zu Motivationszwecken als Feindbild einzusetzen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Den „nettesten Menschen, den ich kenne“ nennt ihn Didier Cuche. Für Benjamin Raich ist Aksel „ein super Typ“. Dabei hat ihm der Norweger aus Lørenskog im Vorjahr zum zweiten Mal im allerletzten Rennen den Overall-Gesamtweltcup weggeschnappt – Aksels größter Erfolg neben drei Weltmeistertiteln und vier Disziplinen-Gesamtweltcupsiegen. Das darunter liegende Erfolgsgeheimnis, das den freundlichen Koloss (189 cm, 98 kg) so weit brachte, ist von altmodischer Schlichtheit: Er ist verrückt nach Skifahren. „Dass man mit Skiern schneller über eine Piste abfahren kann als mit jedem motorisierten Hilfsmittel“, mache für ihn die Hauptfaszination seines Sports aus. Was er noch daran liebt: „Den Moment, wenn man im Ziel auf die Anzeigetafel schaut und

e­ rkennt, dass man Bestzeit gefahren ist. Dieses Gefühl ist besser als die ganze Siegerehrung.“ Aksels Skibegeisterung stimulieren aber nicht nur Tore und Zwischenzeiten. „Im Sommer habe ich im kanadischen Backcountry mit Freunden ein Freeski-Video gedreht“, erzählt er. Die Bilder zeigen Aksel bei einer einigermaßen senkrechten Tiefschneeabfahrt. Einmal legt er einen 30-Meter-Sprung über einen Felsen hin. „Mein Trainer“, sagt er, „sollte das Video besser nicht sehen.“ Ein Skistar als Skifan Aksel klappt den Laptop zu und knipst den Fernseher an. Wir sitzen auf der Couch in seinem Hotelzimmer, und auch daran ist seine Skileidenschaft schuld. Denn: Es ist der Tag vor seinem ersten Saisonrennen in Sölden, und er könnte jetzt ungefähr eine Million verschiedener Dinge machen, um den Kopf dafür frei zu bekommen. Der Titelverteidiger im Herren-Weltcup will aber lieber das Damen-Eröffnungsrennen im Fernsehen ansehen. „Spannend, nicht wahr?“, sagt er nach jeder Zwischenzeit, oder „Uiuiuiuiuiui“, oder: „Seht ihr, wie Zettel die Beine ungleich belastet? Man merkt, dass ihre Verletzung noch nicht auskuriert ist.“ Mit Svindal im Fernsehen ein Rennen anzusehen ist fast so unterhaltsam, wie Svindal im Fernsehen beim Rennen zuzusehen: Sein Deutsch ist so gut, dass er sich über Versprecher und Phrasendreschereien der Kommentatoren lustig machen kann. Seinem analy­ tischen Blick entgeht kein Detail, seine Begeisterung ist ansteckend. Skistar und Skifan in Personalunion zu sein hat ihn nicht betriebsblind werden lassen. Die Liste seiner ­Interessen ist fast so lang wie die seiner Skierfolge. „Aksel ist unheimlich intelligent“, sagt Rudi Huber, Rennchef seines Ausrüsters Atomic. „Ein schlauer Hund“ ist er für Hans Pum, den Chef des österreichischen Skiteams. Darum kann er auch zu fast jedem Thema Substanzielles beitragen. Weltpolitik? „Obamas Nobelpreis kam ein bisschen früh.“ Business? „Ich habe kürzlich einen Workshop für Führungs­


Das ist der netteste Mensch, den Didier Cuche kennt. Obwohl er eigentlich einer von dessen sch채rfsten Rivalen ist.


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1 Auf diesem Bild denkt Aksel darüber nach, warum er eigentlich nicht Surfer geworden ist. 2 Mit Skiern schneller als jeder andere zu sein taugt Aksel: „Ein SkiDoo hat gegen einen Skifahrer keine Chance.“ 3 Daheim in Norwegen ist Aksel ein Superstar. 4 Tiefpunkt seiner Karriere: Der Horrorsturz in Beaver Creek setzte Aksel ein Jahr lang außer Gefecht. 5 Markenkollege und schärfster Konkurrent: Benjamin Raich verlor das Duell um den Gesamtweltcup zweimal im allerletzten Rennen. 6 Die Versöhnung mit Beaver Creek vollzog Aksel 2008 sehr gründlich.

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kräfte geleitet, es ging um Teamfähigkeit und Motivation.“ Entertainment? „Ich verpasse keine Folge von Travis Pastranas ,Nitro Circus‘.“ Finanzkrise? „Ohne die Panikreaktionen der Anleger wären die Auswirkungen halb so wild gewesen.“ Musik? „‚Thunder Road‘ war Springsteens Meisterwerk.“ Lenkt so viel Interesse für das Leben jenseits der Fangzäune nicht vom Wesentlichen ab? „Es gibt ­Dinge, die wichtiger sind, als eine gute Riesenslalom­ kurve zu machen. Aber in dem Moment, in dem du sie machst, gibt es nichts Wichtigeres.“ Brutal, in jeder Hinsicht Im Gespräch schimmert bei dem 26-Jährigen bisweilen eine charakterliche Reife durch, die uns das durchschnittliche Zielrauminterview vorenthält. Sie ist schmerzvoll erarbeitet. Denn Aksel mag nett zur Welt sein, die Welt war es nicht immer zu ihm. Mit acht Jahren musste er den Tod seiner Mutter Ina erleben, ihren Nachnamen Lund trägt er als Andenken an sie. „Dieser Verlust prägt mich noch heute, auch wenn ich nicht so genau über das Wie nachdenken will.“ Umso enger ist sein Verhältnis zu Vater Bjørn. „Von ihm habe ich brutal viel gelernt“, sagt er, „Mensch­ liches, Sportliches, Geschäftliches.“ (Aksel sagt ­immer „brutal“, wenn er nach Superlativen sucht.) Bjørn, 60, passionierter Skiläufer und „ein brutal ­gescheiter Mensch“, begleitet ihn zu wichtigen Rennen und Meetings mit Sponsoren und Geschäfts­ partnern. Auch zu seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Simen hat Aksel eine enge Bindung. Simen war selbst Rennläufer. Mit drei Jahren hat er auf ­Aksels 100-Zentimeter-Latten das Skifahren gelernt, später haben beide gemeinsam Rennen bestritten.

Ein anderer Einschnitt, der seine innere Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat, war Aksels lebensgefährlicher Trainingssturz in Beaver Creek am 27. November 2007. 17 Kilogramm Muskelmasse ­verlor er in der Rehabilitationszeit. Genau ein Jahr danach gewann er wieder sein erstes Rennen, natürlich in Beaver Creek. Beim Saisonfinale in Åre, wenige Monate danach, machte er Benjamin Raich den Gesamtweltcupsieg abspenstig. Mit 40 Grad Fieber. „Ich bin direkt vom Bett auf die Piste, ohne Warmfahren“, Pause, „das brauchte ich ja nicht.“ Ein kurzes Grinsen. „In solchen Situationen gibt der Körper 150 Prozent.“ Nahm die große Kristallkugel für den Weltcup-Gesamtsieg entgegen, fiel ins Bett und stand erst eine Woche später wieder auf. Svindals Körper will auch heute nicht ganz so, wie Svindals Kopf gern hätte. Er trägt eine dicke Bandage um das schmerzende linke Knie. Vor den Journalisten spielt er den Knorpelschaden herunter, der ihm gerade zu schaffen macht. In Gesprächen mit seinen Betreuern ist aber sogar von einer Absage des Eröffnungsrennens die Rede. „Bei ruhiger Piste habe ich keine Probleme, aber wenn Schläge kommen …“ Aksel ­verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. 24 Stunden später wird er beim zweiten Durchgang des Riesenslaloms von Sölden solch einen schmerzhaften Schlag abbekommen – Abflug nach Oslo zur Operation. Man darf davon ausgehen, dass er die Konkurrenz in absehbarer Zeit wieder in Grund und Boden fahren wird. Und dass es trotzdem keiner der Besiegten schaffen wird, ihn dafür unsympathisch zu finden. FIS Ski Weltcup in Beaver Creek: 2. bis 6. Dezember 2009, USA 4. 12. Super-Kombination, 5. 12. Abfahrt, 6. 12. Riesentorlauf

Bilder: Gepa Pictures (6)

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Heroes

nora tschirner Jung, frech und authentisch – mit diesen Attributen stürmt die deutsche Schauspielerin die TV- und Filmwelt. Dass sie sich nebenbei noch auf ein sportliches Abenteuer einließ, hat uns da gar nicht verwundert. Text: Uschi Korda, Bild: Marcus Höhn/laif

Name Nora Tschirner Geburtsdatum/-ort 12. Juni 1981 in Berlin, Deutschland Lebt in Pankow, Berlin Beruf Moderatorin und Schauspielerin Begann 2001 als Moderatorin bei MTV Auszeichnungen Deutscher Fernsehpreis (2006), Deutscher Comedypreis (2008), Undine-Preis als beste jugendliche Komödiantin (2008 für „Keinohrhasen“), Jupiter als beste Darstellerin Deutschland (2008 für „Keinohrhasen“), Bambi in der Kategorie Film National (2008)

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„Oh yeahhh, jippiiiiiieeehhhh!“ Ein Jubelschrei von absolut mitreißender Güte rüttelt die dösenden Strandbesucher am Ufer des Lago Maggiore aus ihrer beschaulichen Ruhe. Im Wasser reißt Nora Tschirner das Paddel so euphorisch in die Höhe, dass der Kajak, in dem sie sitzt, bedenklich zu schwanken beginnt. Alles egal, die deutsche Schauspielerin hat zum ers­ ten Mal eine Eskimorolle geschafft und dafür in den letzten Tagen schon so viel Wasser geschluckt, dass ein weiteres Mal Umkippen auch noch drinnen wäre. „Es ist kein Kraft-Ding“, sagt sie, während sie sich kurze Zeit später aus dem nassen Neopren-Zeug schält, „sondern etwas Mentales.“ Die Krux ist näm­ lich, dass man aus dem Wasser in einem idealen Zu­ sammenspiel von Paddelschlag und Hüftkick wieder auftaucht. Und, ganz wichtig, dabei nicht versucht, den Kopf als Erstes aus dem Wasser zu bringen, was ja der normale Reflex jedes Säugetiers wäre. „Man guckt dauernd auf Grund. Gestern war ich die Hälfte der Zeit mit dem Kopf unter Wasser.“ Klingt anstren­ gend, ist auch anstrengend. Deshalb sieht Tschirner trotz ihres Triumphs, die Rolle zum ersten Mal zur Gänze vollendet zu haben, leicht erschöpft drein. Seit knapp drei Tagen treibt sich die Berlinerin jetzt in den Wildwasserbächen im Schweizer Tessin herum und lernt im Schnelldurchgang, sich mit ­einem Kajak in reißenden Fluten zu bewegen. Nein, der deutsche Star mit der Berliner Schnauze wird jetzt nicht ins Extremsport-Fach wechseln. Tschirner hat sich nur auf ein Abenteuer eingelassen, an dessen Ende sie sich samt Kajak über einen 14-Meter-Wasser­ fall im Maggiatal stürzen soll (zu sehen demnächst im Red Bull TV-Fenster auf ServusTV). Deshalb logiert sie mit ihrem Lehrmeister Steve Fisher, dem König der Wildwasserpaddler, in einer fünfhundert Jahre ­alten ­Hütte im hintersten Winkel eines Schweizer ­Tales. Mitten im Wald, ohne Strom. Dafür aber mit Lagerfeuer­romantik und jede Nacht einem fast kit­ schig-schönen Sternenhimmel als Belohnung. „Ich habe sehr schnell ,Ja‘ zu dieser Herausforderung ­gesagt, weil mein Körper dazu positiv reagiert hat“,

sagt Tschirner. „Jetzt hab ich schon richtig Blut ­geleckt.“ Ansonsten sei sie ja mehr so „stichproben­ mäßig sportlich“, gesteht das Stadtkind. Soll heißen: Sie kann sich schnell für etwas begeistern, macht das aber dann nicht regelmäßig. Und ­alles, was einen harten Aufprall inkludieren könnte, mag sie auch nicht sehr. Also Eislaufen, Skifahren auf pickelharten Pisten oder Motocross. Eher schon Fallschirmspringen mit viel Luft drunter oder eben Kajaken mit Wasser drunter. Da findet sie selbst Stromschnellen mittler­ weile „supergeil!“. Im normalen Leben hat die 28-Jährige aber schon gern festen Boden unter den Füßen. Niemals würde sie unvorbereitet zu einer Moderation antreten. Schon gar nicht live, obwohl sie immer spontan und locker wirkt. „Ich bin nur gut, wenn ich mich auf dem Untergrund, auf dem ich mich bewege, sicher fühle. Nur so kann ich mich dann locker machen, damit meine Schlagfertigkeit anspringt.“ Ein Talent, oder sagen wir vielleicht besser: ein Können, das nicht aus dem Nichts kommt. Dafür muss man oft Fakten pau­ ken, bis sie sich automatisiert haben, so dass man sich im richtigen Moment treiben lassen und spontan reagieren kann. Quirlig im Kopf sei sie schon immer gewesen, sagt Tschirner. Was ihr bei ihrem ersten Job ab 2001 als Moderatorin bei MTV sicher zu Hilfe kam. Dort ging sie zielstrebig, aber noch recht unbedarft ans Werk – eine Mischung, die sich im Nachhinein als Glück er­ wies. Für ihr allererstes Interview sollte sie Superstar Lenny Kravitz gegenübersitzen, was selbst bei alten Hasen im Business Nervenflattern auslöst. Vorberei­ tet bis unter die Haarwurzeln, trat sie an, und das unter enormem Druck. Sie musste nicht nur vor Kra­ vitz und sich selbst bestehen, auch die Kollegenschaft lauerte vermutlich darauf, dass der Newcomerin ein Fauxpas passiert. „Und dann kam der nicht daher! Die Zeit wurde irre knapp. Erst nach einer Dreiviertel­ stunde kam er barfuß, mit einer Häkelweste über der nackten Brust, so megacool angeschlendert. Ich war so verkrampft und total konzentriert auf: Ich-MUSS-


„Okay, jeder hat Vorurteile. Man muss aber so flexibel sein, diese Schubladen wieder zu öffnen.“ Genau mit dieser Einstellung entdeckte Nora Tschirner, dass selbst Sarah Connor und Jeanette Biedermann die lustigsten und nettesten Gesprächspartnerinnen sein können.


jetzt-das-Interview-machen … Und dann begann der auch noch, mich so spielerisch zu provozieren. Also, ich hab ganz schön zu kämpfen gehabt, bis zu dem Moment, wo ich ihn richtig zur Ordnung gerufen habe. ,Herr Kravitz, bitte! Wir müssen doch jetzt ­dieses Interview …! Und überhaupt!‘ Da platzte bei ihm der Knoten, er musste lachen, und es wurde echt lustig. Ich habe ihn dann später noch dreimal getrof­ fen, und das war super.“ Die gespannte Aufgeregtheit vor Interviews hat sich bis heute nicht gelegt. Aller­ dings nicht aus Ehrfurcht vor den Stars, sondern weil Tschirner, wenn sie etwas macht, es einfach gut ma­ chen will. Man könnte auch Ehrgeiz dazu sagen, der allerdings seine Grenzen hat. Ein einziges Mal hat sie ein Interview abgebrochen, mit der One-Hit-Band Alien Ant Farm. Die hatten das Gespräch mit ihrem unverschämten Star-Getue dermaßen boykottiert, dass Tschirner aufstand und ging. Als Scheitern wür­ de sie das im Nachhinein nicht bezeichnen, aber man kann sich denken, dass sie länger daran gekiefelt hat. „Verdammt!“ Zornig schleudert Tschirner ihre ­Nasenklammer zu Boden, spuckt Wasser und stiefelt Richtung Wald davon. Einen Tag später hat an einer ruhigeren Stelle des Maggiabaches auch nach zehn Versuchen die Eskimorolle noch nicht geklappt. Die muss man aber können, um nach dem Sprung über den Wasserfall unten aus der Gischt wieder aufzu­ tauchen und ans Ufer zu paddeln. Sonst wird man ein Spielball im Wildwasser. „Sie findet ihre Nerven wieder“, sagt Steve Fisher. „Sie ist jung, aber ein Voll­ profi.“ Wie auch immer sie es schafft, die Niederlage zu ­verkraften und sich neu zu motivieren – eine Vier­ telstunde später taucht sie lächelnd wieder auf. Ein kleiner Scherz mit der Crew, eine Fehleranalyse mit Lehrmeister Fisher – und schon ist er wieder da, der Ehrgeiz, es besser zu machen. Mag sein, dass Nora Tschirner sich selbst etwas beweisen will. Ganz sicher aber wird sie oft von au­ ßen dazu getrieben, etwas beweisen zu müssen. Nach ­ihren ersten TV-Auftritten, wo sie recht klamaukhaft rüberkam, wurde sie zum Beispiel häufig für doof ge­ halten. „Wenn man albern im Fernsehen rumblödelt, glauben die Menschen, dass man auch im normalen Leben so ist. Ich habe nichts gegen Schubladisierun­ gen“, sagt sie, „aber man muss dann bereit sein, seine Meinung zu ändern.“ Und die änderte sich in der Filmbranche, spätestens als sie 2006 für die Sci-FiSerie „Ijon Tichy: Raumpilot“, eine freie Verfilmung der „Sterntagebücher“ von Stanisław Lem, den deut­ schen Fernsehpreis erhielt und für den Grimme-Preis nominiert wurde. Als jung, frisch und authentisch wird sie von der Presse bejubelt. „Penible Vorbereitung auf Text und Rolle, um möglichst natürlich zu wirken“, sagt sie selbst über ihre Arbeit. Da nimmt man ihr ­sogar die alleinerziehende Mutter eines Zwölfjährigen in „Vorstadtkrokodile“ ab, obwohl sie vom Aussehen her eher einen Teenager spielen könnte. Und die Rolle der spröden, kauzigen Kindergärt­ nerin Anna an der Seite von Til Schweiger in „Kein­ ohrhasen“ sei für sie überhaupt ein Glücksfall gewe­ sen. „Mir persönlich ist diese Anna ja ein komplettes Rätsel. Ich finde sie beim Angucken total lustig, mit mir selbst hat sie aber überhaupt nichts zu tun. Die Herausforderung beim Arbeiten ist doch, dass man 40

Der deutsche Erfolgsfilm „Keinohrhasen“ mit Nora Tschirner und Til Schweiger geht in die zweite Runde. Für „Zwei­ ohrküken“ ist die Schau­ spielerin nochmals in die Rolle der kauzigen Anna geschlüpft. Für Servus­ TV allerdings gab sie eine Premiere: Sie lernte Wildwasserpaddeln.

dahin kommt, dass es sich natürlich anfühlt.“ Mit Freuden hat sie sich jetzt diese Rolle ein zweites Mal für den Nachfolgefilm „Zweiohrküken“ angezogen, weil man so eine Chance im Leben nicht oft bekommt. „Zurückzukommen auf etwas, das schon einmal ­super funktioniert hat, ist großartig. Du kennst und magst das Team, liebst deine Rolle und weißt, dass das schon einmal Erfolg hatte. Das ist natürlich eine Wahnsinnskombination.“ Mittlerweile ist es finster geworden im Tessiner Maggiatal, Zeit, das Wildwasser zu verlassen und zur Hütte aufzubrechen. Obwohl man ihr die körperliche Anstrengung ansieht, packt Tschirner überall mit an. Was man benutzt, muss man auch selbst tragen kön­ nen – keine Spur von Starallüren. Es wäre jetzt ver­ messen, diese Erdigkeit auf ihre Kindheit in Ost-Berlin zu reduzieren. Acht Jahre war sie erst alt, als die DDR sich auflöste. Was die Zeit davor betrifft, kann sich die Tochter eines Doku-Filmers und einer Journalis­ tin nur erinnern, dass sie ein glückliches Kind war. Sie weiß auch nicht mehr, wo sie am Tag des Mauer­ falls gewesen ist. Doch da wird sie demnächst ihre ­Eltern fragen, das würde sie jetzt schon einmal inter­ essieren. „Klar hat sich danach was geändert. Klar hab ich mich auch über die geilen West-Stifte ­gefreut. Aber für mein Leben war das subjektiv nicht wichtig. Ich war zu jung, und als Kind ist es dir doch egal, ob du an den Balaton, an den Wannsee oder nach PapuaNeuguinea auf Urlaub fährst.“ Ganz früher konnte sie auch am Habitus der Menschen erkennen, ob sie aus dem Osten oder aus dem Westen kamen. Doch das hat sich sehr vermischt, heute würde ihr das schon recht schwerfallen. Nie verändert hat Tschirner aller­ dings ihren Lebensmittelpunkt. Aufgewachsen in Pankow, wohnt sie noch immer hier, das östliche Zentrum samt Kreuzberg ist und bleibt ihre Heimat. Hier streift sie gerne durch die Gegend und hat Stra­ tegien entwickelt, wie sie sich noch relativ anonym bewegen kann. Denn auf der Straße erkannt und ­angesprochen wird sie immer öfter. „Auch eine Art der Anerkennung“, sagt Tschirner und zieht sich jetzt einmal zurück, um sich konzentriert auf ihren KajakRitt über den Wasserfall vorzubereiten. „Zweiohrküken“: ab 3. Dezember 2009 im Kino. Nora Tschirners Versuch, einen Wasserfall hinunter zu kajaken: demnächst im Red Bull TV-Fenster auf ServusTV. Infos: www.servustv.com

bild: 2009 Warner Bros. Entertainment

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G! N U EIN N ! M URE HALTE E C & S S N I T I E EN H H Y C E RG ÜN E M EUR N E 93.3


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Sébastien Loeb hat im echten Leben mehr Rallyes gewonnen als unsereins auf der PlayStation. Der Unterschied: Ihm ist nach WM-Titel Nummer 6 noch immer nicht fad. Text: Anthony Peacock, Bild: Michel Birot/Corbis Outline

Name Sébastien Loeb Geburtsdatum/-ort 26. Februar 1974, Haguenau, Frankreich Wohnort Bougy-Villars, Schweiz Beruf Rallye-Pilot Ist ganz oben Loeb hat sechsmal en suite die Rallye-WM gewonnen (das erste Mal 2004) und insgesamt 54 WM-Läufe (24 mehr als Marcus Grönholm, die Nummer 2 der Rangliste) Ist ausdauernd Startete zweimal bei den 24 Stunden von Le Mans und gewann beinahe beim zweiten Versuch 2006. Hobbys Testet gerne F1-Autos – etwa die von Red Bull Racing und Toro Rosso. Hat mit seiner Frau Séverine als Beifahrerin schon etliche Rallyes bestritten – zum Spaß. Und der echte Co‑Pilot? Daniel Elena hat seine Karriere ebenfalls als Fahrer begonnen – und immerhin einmal die Monte-Carlo-Rallye beendet. Web www.sebastienloeb.com

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Nur weil jemand sportliche Glanztaten vollbringt, heißt das noch lange nicht, dass er andauernd die Fahne des Superstars vor sich herträgt. Das gilt ­speziell für Helden im Motorsport und auch für ­Sébastien Loeb, der soeben zum sechsten Mal en ­suite Rallye-Weltmeister geworden ist und beinahe mehr als doppelt so viele WM-Rennen gewonnen hat wie jeder andere Fahrer der Geschichte. Den Fran­ zosen irritieren Menschen, die sich detailreich mit seinem Genie befassen, und er besteht im Gegenteil darauf, dass sein Leben eigentlich ziemlich alltäg­ lich verläuft. Was so allerdings nicht stimmt. Loeb kann, wie es scheint, alles erreichen, wenn er nur will. Als Kind war er Meister im Bodenturnen – dabei hat er, wie er erzählt, jenes Gleichgewichtsgefühl verinnerlicht, mit dem er ein Rallyeauto im Grenzbereich unter Kontrolle hält. 2006 hätte Loeb beinahe die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Heuer war er knapp davor, dass in seinem Lebenslauf künftig auch die Bezeichnung „Formel-1-Fahrer“ aufscheint. Der Plan, die zweite Jahreshälfte von 2009 im Team von Toro Rosso zu starten, zerschlug sich, doch für das letzte Rennen des Jahres in Abu Dhabi sollte Loeb ein Cockpit bekommen. Unglücklicherweise verweigerte ihm die oberste Sportbehörde FIA die dafür notwendige Lizenz, welche – typisch für die herrschaftliche Art der F1 insgesamt – „Superlizenz“ heißt. Loeb ist deshalb nicht verbittert: Es reicht ihm, auch in Zukunft „nur“ eine Disziplin des Motorsports zu dominieren – und ganz sicher nicht die langweiligste. RED BULLETIN: Sind Sie, wenn man alle Kategorien des Motorsports betrachtet, der beste Rennfahrer, der je gelebt hat? sébastien loeb: Da fragen Sie den Falschen. Die Wahrheit ist: Man kann keine Rennfahrer – und auch sonst keine Athleten – aus unterschiedlichen Epochen miteinander vergleichen. Da gibt’s einfach zu viele Variablen. Egal, wie gut du auch bist, du kannst immer noch besser werden. Also mit einem Wort: Nein.

Enttäuscht, dass es nichts mit einem Einsatz bei einem Formel-1-Grand-Prix geworden ist? Nicht wirklich. Ich wollte ein wenig Spaß haben. Große Ambitionen hatte ich nicht. Die Möglichkeit, einen GP zu bestreiten, war einfach ein Geschenk von Red Bull, eine einmalige Gelegenheit. Ich habe mir jedoch keine Illusionen gemacht. Ich weiß, wo ich stehe in einem Rennwagen: Auf die Besten verliere ich pro Runde eine Sekunde, in einem F1-Boliden wäre es sicher noch mehr. Ich bin auch nicht sicher, ob ich den körperlichen Belastungen gewachsen gewesen wäre. Ich habe meinen Nacken hart trainiert, aber ich kann nicht sagen, dass ich perfekt auf einen Grand Prix vorbereitet gewesen wäre. Aber es hätte schon Spaß gemacht, das auszuprobieren. Gibt es also noch einen weiteren Anlauf in die F1? Nicht ohne Superlizenz. Das ist in Ordnung: Ich erfülle die Kriterien nicht. Um eine Lizenz für die F1 zu kriegen, musst du eine Menge Rennen in den Klassen darunter bestritten haben, und das habe ich nicht. Also: Wenn sie mir jetzt keine Lizenz gegeben haben, werde ich auch in Zukunft keine kriegen. Der Grund, weshalb ich ja gesagt habe zum Grand Prix in Abu Dhabi, war zuallererst der: Es war eine einmalige Gelegenheit. Jetzt ist diese Chance dahin, das war’s. Aber ich würde gerne wieder ein F1-Auto testen, wenn ich die Möglichkeit bekomme. Mögen Sie eigentlich Froschschenkel? Die letzten hatte ich vor zehn Jahren. Sie waren okay, aber ich erinnere mich nicht, wie sie schmeckten. Und was ist mit Schnecken? Die liegen nicht so weit zurück wie die Froschschenkel. Sie schmecken leider nicht nach sehr viel – am meisten nach Knoblauch. Penélope Cruz oder Cameron Diaz? (Tut so, als zerbräche er sich den Kopf.) Penélope. Glauben Sie an Gott? Ich vermute, aber ich gehe nicht in die Kirche. Ich glaube an etwas, aber fragen Sie mich nicht, woran, weil ich es nicht weiß. Wird es nicht Zeit, mit dem Siegen aufzuhören?


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Im Cockpit mit dem sechsfachen Rallye-Weltmeister.

SĂŠbastien Loeb, der beste Rallyefahrer aller Zeiten. (Die FIA wollte einst, dass er sich Ăśfter rasiert.)


Nein. Ich denke nicht, dass mir das jemals fad wird. Wenn es mich einmal langweilt, dann höre ich auf, aber das wird noch eine Weile dauern. Kommt in einem Rallyeauto je Langeweile auf? Lange Überlandfahrten auf Verbindungsetappen können schon eintönig sein, ebenso der Stadtverkehr. Aber eine Sonderprüfung? Niemals. Und wenn doch, dann bist du nicht schnell genug unterwegs. Singen Sie nach einem Sieg? Es ist besser für alle, wenn ich das bleibenlasse. Sie haben bereits eine Menge Champagner gekostet: Welche ist Ihre Lieblingsmarke? Wenn ich eine Rallye gewonnen habe, schmeckt mir jeder, aber ich setze mich nicht hin und analysiere die unterschiedlichen Sorten. Ich bin kein großer Champagner­lieb­haber. Ich bin besser, wenn es um normale Rot- und Weißweine geht. Wie wäre es mit einem Witz? Uii, ich merke mir Witze so wahnsinnig schlecht. Wenn Sie einen hören wollen, müssen Sie meinen Co-Piloten fragen, Daniel Elena. Er erzählt dauernd welche. Manche sind sogar wirklich lustig. Können Sie in Paris mit der Metro fahren, ohne von Menschen angesprochen zu werden? Manchmal, aber üblicherweise ist es schwierig. Das Problem ist nicht, dass man berühmt ist: Auf diese Art wird dein Erfolg gewürdigt, und es ist ein Zeichen dafür, dass du deine Sache in Sport gut gemacht hast. Die negative Seite ist, dass du gewisse Abläufe in deinem Leben ändern musst, um mit diesen Situationen umgehen zu können. Ich kann nicht immer und überall jene Dinge machen, die ich gerade machen möchte, aber ich kann durchaus ein normales Leben führen. In der Schweiz zu leben hilft dabei. Gäbe es eine Wiedergeburt: Als was würden Sie gerne auf die Erde zurückkehren? Könnte ich als Tier zurückkommen, dann sicher als Vogel. Da meine ich jetzt aber nicht einen Sperling, sondern einen ordentlichen Vogel, etwa einen Adler. Wenn ich als Mensch zurückkommen müsste? Schwieriger. Ich habe da keinen speziellen im Auge. Kann ich nicht als Sébastien Loeb zurückkommen und alles noch einmal so machen? Die erste Liebe? Das klingt jetzt ein bisschen traurig, aber mein erster Schwarm war ein Moped. Ich war als Teenager so ­damit beschäftigt, dass alles andere an mir vorübergegangen ist, Mädchen inklusive. Was ist Ihre nervigste Eigenheit? Da könnte ich eine Menge aufzählen – und die ­Menschen rund um mich noch viele mehr. Meine schlimmste Angewohnheit ist wahrscheinlich, dass ich mich immer verspäte, speziell am Morgen. Können Sie kochen? Natürlich, schließlich bin ich Franzose! Meine Spe­ zialität sind Fertigmenüs und alles, was aus der Dose kommt. Im Ernst: Was ich wirklich gut kann, sind Rinderrippen. Die liebe ich, die sind meine Leibspeise. Blutig bis rosa müssen sie sein. Das Letzte, was ich brauche, ist zäh durchgebratenes Fleisch. Wie viele Rennen hat (die frühere Weltklasse-­ Rallyepilotin) Michèle Mouton gewonnen? Hmm. Zwei? Okay, ich bin nicht sicher. (Richtig: vier.) Welcher Typ von Beifahrer sind Sie? 44

„Tragen Sie manchmal das Kreuz der Ehrenlegion?“ „Weshalb? Es ist ja nicht gerade praktisch.“

„Kommt in einem Rallyeauto je Lange­ weile auf?“ „Niemals – und wenn doch, bist du nicht schnell genug unterwegs.“

Das hängt davon ab, wer fährt. Ganz allgemein macht mich nichts nervös, außer der Fahrer ist unaufmerksam oder – ganz schlimm – versucht, mir zu imponieren. Das hasse ich, und unglücklicherweise ist das schon oft vorgekommen. Welche Unart im Alltagsverkehr geht Ihnen am meisten auf die Nerven? Menschen, die offensichtlich überfordert sind. ­Menschen, die trödeln, obwohl die Straße frei ist. Menschen, die unaufmerksam sind. Diese drei Dinge sind oft in einem Menschen vereint. Haben Sie je die Nerven verloren? Diese Antwort wird gedruckt, oder? Lassen Sie es mich so sagen: Ich bin einer, der an Mäßigung glaubt. Ich vermeide auch im ­Rallyeauto unnötiges Risiko. Bis zu einem gewissen Limit: ja, aber nicht darüber hinaus. Deshalb waren wir über die Jahre wahrscheinlich so erfolgreich. Wurden Sie je von einem Stalker verfolgt? Das ist weniger geworden, seit ich in der Schweiz lebe. Früher in Frankreich gab es zwei, drei Leute, die jeden Tag vor meinem Haus auftauchten, und ich bekam auch sackweise Briefe, manche ganz normal, andere ziemlich schräg. Einmal ist gar ein Fan in meinem Garten gestanden. In der Schweiz ist es deutlich ruhiger. Bis jetzt ist kein einziger Schaulus­tiger aufgetaucht. Wir leben recht abgeschieden. Wie lautet Ihre Adresse? Guter Versuch. Und Ihre Telefonnummer? Nächste Frage. Lieblingssportarten? Wintersport, Skifahren und so. Aber abseits von den Rallyes ist mein Favorit immer noch der Motorsport. Kartfahren habe ich immer geliebt. Ihre Lieblings-Straßenautos? Ich hatte einige: Porsche, Lamborghini – jeder war auf seine Art in Ordnung. Ich habe häufig Autos gewechselt, damit die Sache interessant bleibt. Erzählen Sie uns etwas über sich, was die Menschen überraschen könnte. Ich mag keine Insekten und vor allem keine großen Spinnen. In Europa komme ich ganz gut zurecht, aber im Dschungel könnte ich nicht glücklich werden. In Ihrer Jugend waren Sie ein guter Turner: ­Können Sie noch einen Salto springen? Das ist einfach. Was bringt Sie zum Lachen? Valérie, meine Tochter. Einige Dinge, die sie sagt oder tut, sind absolut komisch, besser als jede TV-Show. Vielleicht sehe ich deswegen so wenig fern. Was rührt Sie zu Tränen? Ich weine sehr selten, aber wenn, dann weil die Emotionen so heftig sind, nicht die Trauer. Tragen Sie manchmal das Kreuz der Ehrenlegion? Weshalb? Es ist nicht gerade praktisch. Ich habe es einmal getragen, als man es mir verliehen hat, heuer im Mai. Lustig: Ich kann mir keine andere Gelegenheit vorstellen, um es wieder zu tragen. Ich besuche nicht allzu viele Staatsbankette. Der berühmteste Mensch, den Sie je getroffen haben? Michael Schumacher. Vettel oder Schumacher?

bilder: corbis outline, DPPI (2), Getty Images (3)

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Es gehören immer zwei dazu: Bei allen sechs Rallye-WMTiteln Loebs saß der Monegasse ­Daniel Elena auf dem Beifahrersitz.

Vettel ist ein großes Talent, aber es ist noch ein bisschen früh, ihn an Schumacher zu messen oder die zwei zu vergleichen. Michael hat sieben Titel geholt, also sage ich: Schumacher. Zumindest vorläufig. Wie bereiten Sie sich auf eine Rallye vor? Nicht speziell. Ich bin ja schon etliche gefahren, also ist der Ablauf ziemlich routiniert. Du schaust, dass du ein gutes recce hast (kurz für: reconnaissance, ­Besichtigung der Sonderprüfungen in zivilem Tempo, Anm.), ein gutes Gebetbuch und dass du ausgeschlafen bist. So gesehen war auch mein letzter Titel der schwierigste. Es hat sich alles auf den letzten Tag der letzten Rallye zugespitzt, das war ziemlich stressig. Vor drei Jahren haben Sie sich bei einem Sturz mit dem Mountainbike den rechten Arm an vier Stellen gebrochen. Tut’s noch weh? Es ist wieder tadellos in Ordnung, obwohl die Heilung lange gedauert hat. Ich war überrascht, wie lang, aber es war auch ein komplizierter Bruch meines Oberarms, dort, wo er an der Schulter ansetzt. Klingt blöd, wenn man sich als Rallyefahrer beim Mountainbiken verletzt … Ja. Ich bin mir nicht gerade sehr schlau vorgekommen, als ich mein Team anrufen musste, um zu erklären, was passiert war. Was geht einem durch den Kopf, wenn man bei ­einer Rallye abfliegt? Das hängt von der Art des Unfalls ab. Wenn es ein Mordscrash ist: „Ich hoffe, wir sind okay.“ Bei einem kleinen Ausritt: „Hoffentlich bleiben wir im Rennen.“ Glücklicherweise hatte ich bisher nicht zu viele ­Unfälle – und so soll es auch bleiben. Ihr Lieblingsbuch? Das ist eine einfache Frage: Es ist die Autobiografie meines ehemaligen Teamchefs Guy Fréquelin. Es heißt „Pilote de ma vie“, man kriegt es auf Französisch in jeder guten Buchhandlung. Ich glaube, jetzt habe ich mir eine Kommission verdient. Ihr Lieblingskäse? (Lange Pause.) Im Moment fällt mir nicht ein, wie er heißt. Es ist einer mit strengem Geschmack, das weiß ich. Ich mag Käse, der nach Käse schmeckt. Was halten Sie von Journalisten? Das hängt von den Journalisten ab. Ich kenne ein paar schreckliche und ein paar recht gute. Aber am Ende machen sie alle nur ihren Job. Insgesamt gesehen behandeln sie mich nicht allzu schlecht. Kennen Sie den Text der Marseillaise auswendig? Nein. Wer ist Ihr Lieblingssänger? Ich habe keinen. Ich gehöre nicht zu denen, die versuchen, permanent Schritt zu halten mit dem, was gerade modern ist in der Musik, im Fernsehen, im Kino. Die Menschen rund um mich reden oft über ­irgendeine Berühmtheit, und dann stellt sich heraus, dass ich noch nie etwas von ihr gehört habe. Wenn’s um Musik geht, höre ich mir einfach das an, was ­gerade im Radio gespielt wird. Seit wann glauben Sie nicht mehr an den Weihnachtsmann? Was – es gibt keinen Weihnachtsmann?! Rallye Schweden: 11. bis 14. Februar 2010 www.sebastienloeb.com Loeb im Video-Porträt: redbulletin.com/loeb/de

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David Weichenberger nennt sich „Einradfreak“. Und das ist nicht übertrieben. Am Großglockner war er schon. Jetzt will er die Alpen überqueren. Ohne einen Meter Asphalt dafür zu benutzen. Text: Werner Jessner, Bild: Tommy Bause

Auftritt eines Weltmeisters: Ein 24 Jahre altes, leicht hyperaktives Kind mit Pferdeschwanz und riesigem Grinser im Gesicht stolpert auf die Terrasse der Wolke 7, eines Lokals am Fuße der Innsbrucker Nordketten­ bahn. David Weichenberger war grad auf der Hohen Munde, 2662 Meter hoch – mit dem Einrad. Schon mit einem Mountainbike wäre die Tour nicht einfach. Er aber besitzt kein Fahrrad, „wozu auch, ich würde sowieso nur freihändig damit fahren. Ich brauche ­keinen Lenker und keine Bremsen. Das ist alles viel zu kompliziert.“ Um einen Eindruck zu kriegen, was der Wirtschafts­ student am Einrad kann, fährt man am besten in die Berge, und zwar ganz hoch rauf. Der Nordparktrail von der Seegrube zur Hungerburg gilt als eine der här­ testen und steilsten Bikestrecken Europas. Zu Fuß hat man hier nix verloren. Spätestens am Roadgap, ge­ messene 3,5 Meter vertikaler Drop, ist ohne Bike end­ gültig Endstation. David Weichenberger droppt den großen Koffer mit dem Einrad, „in neun von zehn Fäl­ len stehe ich ihn“. Wer sieht, wie er arbeitet, balan­ ciert, stoppt, hüpft, sein Gleichgewicht scheinbar auf­ gibt, nur um es einen halben Meter später in ganz anderer Position wieder zu finden, erkennt die geistige Komponente des Einradfahrens. Einrad hat viel mit Gefühl und noch mehr mit Antizipation zu tun. David war einer der ersten Europäer, die mit dem Einrad ins Gelände gingen, „ich wollte mehr als nur geradeaus fahren“. Mittlerweile verbringt er täglich mehr als vier Stunden am Rad, verwendet es im Alltag und im Ex­ trem. (Für nächsten Sommer plant er eine Alpenüber­ querung ohne einen Meter Asphalt.) Permanent tüftelt er rum, feilt an Tricks, „alles wird Hindernis. Und ich gebe mich nicht mit einem Weg darüber zufrieden.“ Wieder Nordpark Innsbruck, die „Himmelsstiege“. Ein Northshore, eine Hühnerleiter hoch über dem Bo­ den. Man sollte hier besser keinen Fehler machen. Als Sicherung haben die Streckenbauer Holzgeländer ge­ gen den Absturz installiert. Hoch auf denen fährt David mit dem Einrad. Für den Zuschauer sieht das ziemlich unpackbar aus. David spürt den Untergrund, der kann ihn nicht überraschen. Vergleichsweise einfach findet er jenen Trick, der ihm bei Shows in der Regel den 46

meisten Applaus einbringt: Das Einrad liegt auf einem Holztisch, darauf stehen David und eine Vase. Neben dem Tisch steht ein Sessel. David hüpft nun aufs (lie­ gende) Einrad, bringt es unter Kontrolle, springt vom Tisch auf die Sessellehne, balanciert dort aus, springt zu Boden. Die Blumenvase bleibt ruhig am Tisch. Solche Zirkusnummern macht er eigentlich nur nebenbei, „ich möchte Richtung extrem gehen und den Sport weiterbringen“. Etwa wie der Franzose ­Adrien Delacroix, der als erster Mensch mit dem Ein­ rad einen Frontflip gesprungen ist. David war damals in der Jury, „auf die Idee, dass man einen Flip sprin­ gen könnte, war vor ihm keiner gekommen. Genau darum geht es: die Welt mit neuen Augen sehen. Für mich ist Sport etwas völlig Sinnloses. Es hat kein Mensch etwas davon, wenn ich mit dem Einrad die Großglockner-Hochalpenstraße rauffahre.“ Er glaubt auch nicht an tägliches Training, an Ergometereinhei­ ten und Ernährungsplan: „Was keinen Spaß macht, kann nicht gut sein. Wenn es mich nicht freut, pfeffere ich das Einrad ins Eck.“ Pfeffern wörtlich, „die Dinger sind dafür gebaut, dass man sie zu Boden wirft“. Am Anfang hat David alles geschrottet, was ihm unterkam. Heute ist er Werksfahrer im Team von Uni­ cycle-Legende Kris Holm und trägt seinen Teil dazu bei, dass das Material besser wird. Das Sattelgestell besteht für mehr Präzision aus Carbon, Felgen und Kurbeln halten inzwischen selbst derbste Tricks aus. Im Unterschied zum normalen Fahrrad mit meist 172,5 mm Kurbellänge fahren Unicyclisten sehr kurze Kurbeln; bis zu 80 mm sind möglich. Dadurch geigelt man beim Treten weniger rum, sagt David. Jüngst hat er Post von einem Achtzigjährigen be­ kommen, der Einrad fahren lernen will. Seither ver­ tieft sich der 24-Jährige in das Leben eines Seniors: „Wie wird mein Leben mit achtzig aussehen? Welche Bewegungen sind dann noch möglich? Wie bringe ich die Hektik raus? Zuerst muss man kontrolliert abstei­ gen lernen, das ist der erste und einfachste Trick, den jeder beherrschen sollte. Bei einem Achtzigjährigen ist er halt noch wichtiger als bei einem Jungen. Es ist nie zu spät, um auf das Stützrad zu verzichten.“ www.einradfreak.at

Name David Weichenberger besser bekannt als „Einradfreak“ Geboren 19. März 1985 in Linz, Oberösterreich Wohnort seit 2007 Innsbruck Beruf Student (Betriebs­ wirtschaft) Laufbahn fetzte mit zehn Monaten einen Einrad-Clown durch die Krabbelstube (Videobeweis!). Mit zehn Jahren erstmals am Einrad. Weltmeister 2004 und Doppelwelt­ meister 2008 (Downhill, Northshore-Downhill). Guinness-Weltrekord­ halter im Einradweit­ sprung (295 cm) Lieblingstrick Bauchlandung im Schlamm. „Diesen Trick bringe ich gern jedem bei, der ihn lernen will.“ Auch nicht schlecht Driften mit dem Einrad


„Berg, Berg, Berg!“, sagt David auf die Frage nach seinem Lieblingsspielplatz. In der Stadt tobt er auch, zum Beispiel in Innsbruck auf der Mauer der Innpromenade. Auch wenn es auf der einen Seite fünf Meter in die Tiefe geht: „Das ist ­sicherer als am Weg. Hunde mögen keine Einradfahrer.“


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Legende

Stirling Moss

In Tagen der Banalisierung des Motorsports durch Politik, „Krise“ und alle Arten von Scharmützeln hat das Hochhalten einer Jahrhundert-Ikone einen ganz eigenen Luxus.

Name Sir Stirling Craufurd Moss OBE Geburtsdatum/-ort 17. September 1929, London, Großbritannien Wohnort London Beruf Formel-1-Rennfahrer bis 1961, dann Mastermind für Erschließungen alten Bauguts, heute Erster Botschafter des klassischen Pulverdampf-Rennsports in aller Welt Etikett Der Mann, der nicht Weltmeister werden konnte, obwohl er der Beste war Erfolge Siege in 16 Grand-PrixRennen. Wenn über die außergewöhnlichste Performance der Motorsportgeschichte diskutiert wird, steht immer wieder der MilleMiglia-Sieg von 1955 in der engsten Wahl (mit Beifahrer Denis Jenkinson, auf Mercedes SLR) Web www.stirlingmoss.com

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Ups, da gibt es doch tatsächlich junge Menschen in unserem Land, denen der Name Stirling Moss nichts mehr sagt. Was soll aus denen werden? Was soll ich denen erzählen? Zum Beispiel: Hey Kids, lasst einmal die Handys chillen. Also: Stirling Moss war der volltollste Checker der Steinzeit, und er wäre Formel-1-Weltmeister geworden, sooft er wollte, wenn er nicht völlig verkoffert sein Land geliebt hätte. Deshalb ist er viel zu selten Mercedes und Maserati gefahren, und schon gar nicht Ferrari, er fuhr womöglich nur englische Autos. Englische Autos?, würde eines der Kids fragen, gibt’s die? Damals schon, würde ich sagen, und Stirling Moss fuhr sie alle, er fuhr Cooper und HWM, Frazer Nash und Morris, Kieft-Norton und ERA, Sunbeam Talbot, Harford, BRM und BRP, Jaguar, Aston Martin, Con­ naught, Sunbeam Alpine, Bristol, Healey, Sprite, ­Ferguson, Vanwall und Lotus. Uff, würde der aufgeweckte Neunjährige fragen, warum haben die Engländer mit dem Autobauen aufgehört? Nicht mehr cool genug? Das ist eine große Frage, mein Junge, würde ich sagen, die checken wir ein andermal. Diese Affenliebe zu seinem Land war ja auch etwas ganz Besonderes an Stirling Moss. (Feierlicher Tonfall:) Es war die letzte große trotzige Gebärde Britanniens gegenüber der Welt, deswegen hat ihn die Queen mit Orden überschüttet, und so heißt er jetzt auch Sir Stirling, und seine Frau ist Lady Susie. Um den Kids die ganze Wahrheit zu erzählen, müsste man aber doch sagen, dass er seine besten Resultate nicht auf einem englischen Gerät, sondern auf Maserati und Mercedes eingefahren hat. Speziell Mercedes: Da war die Mille Miglia 1955, als er über sechzehnhundert Kilometer hinweg einen Schnitt von 160 km/h hielt, da waren auch die Berge und Pässe dabei, Apennin und Abruzzen, Futa und Raticosa, das heißt Tempo 230 im freien Gelände, volle Kanne durch Dörfer und Städte …, hey, da erwachen die Lebensgeister! Wirklich?, mit vollem Hammer

durch die Städte?, klar, sage ich, mit 200 durch Verona, Vicenza und Padua, durch Pesaro, Ancona und Pescara, in Rom hat er ein bissl gelupft, vielleicht auf 160, durch Siena und Florenz nur mit 140 wegen der Altertümer, 200 durch Bologna, Piacenza und Cremona, und bei der Tafel „Brescia“ hat er zu bremsen begonnen, damit er am Hauptplatz stehen bleiben konnte, denn dort war das Ziel. Der muss wirklich ein Checker gewesen sein, sagen die Kids, wie hieß er noch gleich?, und ich sage: Er heißt noch immer Stirling Moss, und er hatte kürzlich den achtzigsten Geburtstag, aber wenn du gegen ihn im Kart antreten willst, solltest du vorher die Windeln wechseln. In Tagen der Banalisierung des Motorsports durch Politik, „Krise“ und alle Arten von Scharmützeln hat das Hochhalten einer Jahrhundert-Ikone einen ganz eigenen Stellenwert. In Österreich wird das alljährlich bei der Ennstal-Classic zelebriert, beim bedeutendsten mitteleuropäischen Bewerb für beherztes Fahren mit altem Eisen. Hier ist Moss ständiger Gast seit fünfzehn Jahren, man liebt ihn und seine Susie. Was die umwerfende Attraktion des heutigen ­Stirling Moss ausmacht, ist der helle Witz eines sportlich-bulligen Typs, dauernd in Bewegung. Achtzig Jahre?, so what. Eine Tagesetappe von 600 Kilometern über zwanzig Alpenpässe steckt er weg ohne erkennbare Belastung, und die alleweil fröhliche Susie hat inzwischen die Mathematik-Übungen erledigt, ohne die eine Classic Rally eben nicht auskommt. Kurzer Ausflug in die Motorsportgeschichte: Stirling Moss kam aus einer motorsportbegeisterten Londoner Familie, fuhr erst einmal all diese seltsamen englischen Autos, kaufte dann mit ersparten Preis­geldern einen Formel-1-Maserati (ja, das war damals möglich), geriet ins internationale Rampenlicht und wurde von Mercedes verpflichtet. Er wurde Zweiter in der Weltmeisterschaft 1955 (hinter dem großen Juan Manuel Fangio). Nach dem Rückzug von Mercedes fuhr er Formel 1 auf Maserati, Vanwall, Cooper und Lotus, verpasste den WM-Titel aber jedes Jahr um ein paar

bild: Getty Images

Text: Herbert Völker


Wer aussieht wie Burcu, hat es nicht leicht. Sehr routiniert wehrt sie sich mittlerweile gegen den Vorwurf, sie würde nur Mille Miglia 1955: wegen ihres Äußeren Der Streckenrekord unterstützt. Wie sie das steht heute noch. macht? Mit dem Gaspedal.


Pünktchen. Er gewann 16 Grand-Prix-Rennen und galt Anfang der 1960er Jahre ziemlich unbestritten als bester Rennfahrer der Welt. Nach einem schweren Unfall in Goodwood 1962 und langen Monaten der Heilung verzichtete er auf ein Comeback – er könne diese Leichtigkeit des Fahrens, die ihn immer so ausgezeichnet hatte, nicht mehr wiedergewinnen. Unser Autor hat zwar den heyday des großen Racers noch nicht begleiten können, durfte immerhin den zivilen Stirling in jenem sagenhaften Haus besuchen, das als Beispiel für sein zweites großes Talent gilt, den Umgang mit alter Bausubstanz, auch unter, uh, erschwerten Bedingungen. Dieses Haus im ältesten Grätzel Londons, im schmalen Gässchen, in atmosphärischer Verdichtung des ganzen Mayfair-Zaubers, einen Steinwurf von Park Lane, wäre eigentlich zu schmal für irgendetwas. Moss hat daraus ein Raumwunder in fünf Stockwerken geschaffen, jetzt sind es sogar sechs, durch Dachausbau mit Carbonfiber-Lift, konstruiert von brother-in-arms Frank Williams. Da lässt sich ein naheliegendes Stichwort aus dem Privatbereich schwer verkneifen:

Sir Stirling Moss und Lady Susie: gut drauf, dauernd in Bewegung, in der Welt herumfahrend. Auch bei Classic-CarRallyes (meist auf Jaguar oder Mercedes) sind die beiden ein Gespann.

RED BULLETIN: Stirling, dein heated toilet seat hat schon vor vierzig Jahren Furore gemacht, als das Leistungsmerkmal der beheizten Klobrille absolut neu war. Wie stehst, oder vielmehr sitzt, du heute dazu? stirling moss: In der Zwischenzeit habe ich von ­einem bekannten Rennfahrer gehört, er ist Deutscher, der ließ seine Silberpokale einschmelzen und hat sich daraus eine Sitzgelegenheit machen lassen, die mit durchlaufendem Warmwasser beheizt wird. Das halte ich für etwas übertrieben, erstens vom Drama her, aber auch von der Ökologie. Was ich seinerzeit erfunden habe, ist eine Klobrille mit 6-Volt-Heizdraht. Das kostet ziemlich genau einen Penny pro Monat … und hält dich warm. Wer das kennt, wird es nicht missen wollen. Wie gerät man vom Beruf des Rennfahrers in den eines Developers? Ich war 32, als der Unfall meine Karriere beendete. Ich hatte bis dahin nichts anderes gelernt als Rennfahren. Da bleiben dir nur zwei Wege offen: Parlaments­ abgeordneter oder Restaurator von alten Häusern.

Zu den großen Erschütterungen des britischen Empire in der nachviktorianischen Zeit gehörten die Anlässe, als man dir den Führerschein abnahm. Was war da wirklich los? Die Boulevardpresse machte so ein Riesentheater, dass man glauben musste, ich würde öfter eingesperrt. Dabei haben sie bloß zweimal den Führerschein ein­ gezogen. Einmal war ich wohl etwas zu schnell, aber das zweite Mal ging es nur darum, dass ich eine Markierungslinie im Blackwall-Tunnel überfahren haben soll. Das interessiert die Polizei nur dann, wenn sie sagen können, sie haben Stirling Moss gefasst. Die Jahre deines Aufstiegs liefen ziemlich parallel zur beginnenden Weltkarriere des Hauses Ferrari. Du bist zwar ein paarmal private Ferraris gefahren, aber nie einen Werkswagen. Der beste Fahrer und das beste Auto, das wäre die logische Paarung gewesen. Was ist da schiefgelaufen? Manieren waren nicht die große Stärke von Enzo ­Ferrari, man weiß das ja. Jedenfalls fühlte ich mich 1951, als junges Talent, von ihm beleidigt und habe meinen Trotz über die Jahre durchgezogen. Enzo Ferrari hat dann aber eingelenkt, wir haben immer mehr Respekt füreinander gewonnen. Schließlich hat er mir das großzügigste Angebot gemacht, dessen er fähig sein konnte: Er war bereit, auf Ferrari-Rot zu verzichten, ich sollte in den britischen Rennfarben antreten dürfen. Alles war perfekt, und es wäre wohl phantastisch geworden … aber genau dann kam mein Unfall dazwischen. So bleibt nur die Phantasie, wie das geworden wäre – Ferrari und Moss. Dein Lebensmotto mit achtzig? Movement is tranquillity, damit will ich sagen, dass ich meine Ruhe nur daraus gewinne, dass ich dauernd in Bewegung bin, dauernd in der Welt herumfahre, immer wieder die schönsten klassischen Autos fahre, immer wieder Menschen treffe. Wenn ich bloß ­daheim Ruhe geben sollte, würde ich schrecklich nervös werden. Frage an Susie Moss: Was ist so ganz besonders an Stirling? susie moss: Er ist der witzigste junge Mann, den ich kenne. www.ennstal-classic.at Mehr Pioniere auf: redbulletin.com/legends/de

Einfach klassisch: Stirling Moss, 1954, Maserati 250 F.

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bilder: Getty Images, Markus KuČera

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Kurze Rückblende in die achtziger Jahre: New Order stehen gerade am Beginn einer steilen Karriere, ihr „Blue Monday“ wird zu einem der erfolgreichsten Hits aller Zeiten. Und ihr Club Hacienda in Manchester zum Synonym einer neuen Club-Kultur. Eine Tradition, die jetzt mit dem Warehouse Project fortgesetzt wird.


Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt.

bild: Thomas & Thomas/Lüders

54 Ryan Sheckler 62 Warehouse Project 68 Shaun White

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Action

Unser Mann 端ber Havanna Ryan Sheckler besucht Kuba, trifft Che, taucht in ein fremdes Skateboard-Universum ein und lernt, sich 端ber ein fleckiges T-Shirt zu freuen. Text: Ruth Morgan, Bilder: Jody Morris 54


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de.redbulletin.com/print2.0 Rumskaten auf der Zuckerinsel.


Ryan mit den „23 y G“-Skatern Fernando, Roberto und Che. „Man kann hier viel lernen“, sagt Ryan. „Wie die Kerle hier nicht herumsitzen und jammern, was sie alles nicht haben, sondern wie sie das Beste aus jeder Situation machen.“


action

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m warmen Orange des kubanischen Sonnenuntergangs spült es jeden Abend die Massen auf den Malécon, Havannas breite Uferstraße. Man trifft Freunde, führt die eine oder andere Flasche Rum ihrer Bestimmung zu. Stimmengewirr, Gehupe, stot­ ternde Motoren vorsintflutlicher amerikanischer Straßenkreuzer, als Kulisse die stummen architektonischen Zeugen wechselhafter Zeiten. Dazwischen ein Sound, der nicht ganz den gängigen Havanna-­ Klischees entspricht: jener von Skateboard-Rädern, die über Asphalt rumpeln. Bei nächtlichen Skateboard-Sessions wird in ­Havanna schon üblicherweise viel geflucht und noch mehr gejubelt. Heute aber ist der Bär los: Ryan Sheckler ist in der Stadt. Und er ist nicht nur in der Stadt, er ist eingetaucht in ihre Skateboard-Community. Dass Sheckler da ist und mit ihm die große, ­ferne Skateboard-Welt, erscheint vielen hier wie ein Wunder: Skateboard-Videos und -Magazine werden in Kuba unter der Hand herumgereicht, illegale Internetverbindungen verbinden muffige Hinterzimmer mit der internationalen Skater-Community. Ein ­Leben auf vier Rollen will hier erkämpft werden. Der Schiedsrichter beim Contest mit Sheckler ist ein Mann namens Che. Che ist 36, skatet seit zwanzig Jahren und ist so etwas wie Havannas inoffizielles Skateboard-Aushängeschild. Als professioneller Tätowierkünstler und passionierter Skater sind Che und sein Gefolge schon aufgrund ihres Aussehens Außen-

seiter in der Stadt. „Dass ich Tattoos habe und skaten gehe, hat meinem Vater nie geschmeckt“, sagt er, der mit vollem Namen Che Alejandro Pando Napoles heißt, als Ehrerbietung seines Vaters, selbst ein ehemaliger Revolutionskämpfer, an seine Führer Che Guevara und Fidel Alejandro Castro. Mit den Jahren hat sich der Vater an den Lifestyle des Sohns gewöhnt und ihm schließlich sogar eine symbolhafte Absolution erteilt: Che durfte seinem Vater ein Tattoo von Castro in den rechten Arm stechen. Es war seine erste Eigenkreation. Das Skateboarden kam in den 1980er Jahren nach Kuba, mit irgendwie in Kuba gestrandeten Ausgaben amerikanischer Magazine. Schnell entstand eine kleine Untergrundbewegung in Havannas Straßen, die ersten Skater-Aspiranten montierten russische Rollschuhräder auf Holzbretter. Moderneres Equipment bekommt man seither nur, wenn ausländische Besucher Teile ihrer Ausrüstung zurücklassen. Wenn der Nachschub mal längere Zeit ausbleibt, greift man auf handgemachte Decks zurück, sorgfältig aus Sperrholz in heimischen Pressen hergestellt und mit Rädern und Achsen alter Boards oder Rollschuhe vervollständigt. Heute Nacht aber vergisst die Masse alle Mühen des Alltags. Die Leute sind begeistert, drängen sich auf den Platz, bis in die Straßen hinein. Junge Emos sind auf Statuen geklettert, um einen besseren Ausblick zu haben, Mittzwanziger in Jeans und Michael57


Action

Jackson-T-Shirts schwanken zwischen Zurückhaltung und Neugier. Die Skater tragen ein breites Grinsen im Gesicht und mitgenommene Boards unterm Arm, das Grip Tape zerfetzt, die Sneakers geflickt. Ryan Sheckler blickt in die Runde, lächelt. Der Star, der eine ­eigene Fashion-Linie hat, dem eine MTV-Serie gewidmet ist, der in aller Welt mit Musik- und Sportadel abhängt und sich in Kalifornien einen eigenen IndoorSkatepark gebaut hat, ist plötzlich ein Junge unter vielen, abgesehen freilich von seinen coolen Markenklamotten. Sheckler lacht und klatscht die kubanischen Kids ab, als wären sie alte Kumpels. Skater unterschiedlichen Könnens warten, bis sie an die Reihe kommen, umringt von einer Masse begeisterter Zuschauer. Schnell kristallisiert sich ein harter Kern von Teilnehmern heraus, die Kickflips und Bigspins auf den Beton zaubern und auf der Ledge Backside Tailslides und 50-50s hinlegen. Es sind die Mitglieder der 23 y G Crew, sie haben sich nach einem Skatepark benannt, der zwischen zwei Hauptstraßen liegt, der 23 und der G. Hier war einst Havannas Skateboard-Geburtsstätte. In Ermangelung angemessener Skateparks blieb den Kubanern nichts anderes übrig, als Street-SkateExperten zu werden, und das spielen sie im Wettkampf auf freundschaftliche, aber durchaus ehrgei­ zige Weise aus. „Hier ist es so anders “, sagt Sheckler, „wenn es mich zu Hause beim Trainieren auf die Pfeife haut, lachen die Umstehenden. Wenn mir hier ein Trick gelingt, sind alle wie hypnotisiert, und wenn ich hinfalle, sagt jeder: ‚Mach dir nichts draus, du hättest es beinahe geschafft.‘ So ein Geist herrscht hier. Diese Kids sind der Wahnsinn.“ Die Crew verbringt ihre Woche damit, Sheckler zu ­ihren liebsten Skate-Spots zu chauffieren, der ehemalige argentinische Surfmeister und Filmemacher Tomás Crowder hat den Trip organisiert. Seit fast vier Jahren arbeitet der unermüdliche Fürsprecher kubanischer Skater an einem Film über die Szene. Nebenbei organisiert er die landesweit einzigen offiziellen Contests und bearbeitet die Behörden, dem Sport zu helfen. Obwohl ihm die Regierung zusicherte, Action­ sport im Land fördern zu wollen, machen ihm Amtsschimmel und Geldmangel die Arbeit nicht einfach. Sein Film „The Other Che“ soll, so hofft er, die Aufmerksamkeit auf den täglichen Überlebenskampf der Skater in einem Land richten, in dem der monatliche Durchschnittslohn neun Euro beträgt – und den Kubanern das wahre Potenzial dieser Sportart zeigen. „Bei Actionsportarten musst du beim Training durch viele schwierige Phasen durch, du probierst ­etwas Neues, scheiterst, probierst es wieder, scheiterst, aber irgendwann schaffst du es. Das baut dein

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Selbstvertrauen auf“, sagt er. „Wenn du deine Angst hinter dir lässt und ein wirklich schwieriges Manöver schaffst – warum solltest du nicht auch ganz andere Dinge schaffen, die andere für unmöglich halten? In einem Land voller Selbstzweifel können solche Sportarten Großes bewirken. Sie öffnen dir eine andere Lebensperspektive.“ Als die Finalrunde des Contests beginnt, bekommt jeder der aufgekratzten Finalisten von Sheckler ein Paar nagelneuer Etnies. Sie drücken die Schuhschachteln mit ungläubigem Grinsen an die Brust, ganz so, als könnten sie ihnen wieder weggenommen werden. Die Schuhe werden länger halten als die billigen Sneakers, die fast täglich an einer anderen Stelle platzen. Und sie stammen aus Shecklers Händen, was ihnen ein bisschen von seinem Glanz verleiht. Am Ende des Contests bricht Chaos aus. Die Fans umringen Sheckler, er muss Tricks erklären und mit Heerscharen kichernder Mädchen für Fotos posieren. Einen Arm um 23-y-G-Skater Roberto Pons gelegt, gibt er sogar den Beatboxer für einen Freestyle-Rap in einer Sprache, in der er kein Wort versteht. „Total abgedreht!“, grinst er nachher, „mir gefällt’s hier.“

Sheckler feuert den 17-jährigen Roberto an. Der 23-y-G-Skater entdeckte das Skateboarden, indem er „Tony Hawk Pro Skater“ auf ­einer Konsole spielte, die ein Freund aus dem Ausland nach Kuba ­gebracht hatte. Unten: Ryan und Fans, Che beim Organisieren des Contests, Roberto beim Rappen.


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Seit Dezember 2003 berichtet das UNDERCOVER Magazin aus dem Münchner Nachtleben. Als unabhängiges Magazin bewertet es die relevanten Gesichtspunkte des Nachtlebens in der Großstadt. UNDERCOVER ist Clubbing, People, Lifestyle!

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Action

Die Skate-Community in Havanna ist einfallsreich, wenn es darum geht, ihre liebsten Spots zu finden. Oben testet Ryan einen nicht mehr ganz tau­ frischen Swimmingpool. Links: Reinaldo Jorge Vicet Reyes ist 14 und skatet seit fünf Jahren. „Dass ich zu 23 y G kam und Che kennengelernt habe, hat mein Leben ­verändert“, sagt er.

„Hier lebt man komplett anders als in Amerika, wo es Skateboards stapelweise zu kaufen gibt“, sagt er, „um ein Board anzufertigen, braucht man hier eine Woche. An der Welt da draußen überhaupt teilzu­ haben, erfordert eine Menge Arbeit und Leidenschaft. Ab jetzt werde ich mit meinen Boards sorgfältiger umgehen.“ Und weiter: „Ich habe auch noch nie einen Ort gesehen, an dem die Leute so gut drauf waren. Sie haben hier fast nichts zum Leben, aber sie arbeiten zusammen, und jeder hilft dem anderen.“ Die 13 Mitglieder der Skate-Crew haben zusammengelegt, um Sheckler ein 23-y-G-T-Shirt schenken zu können. Er bekommt es am Ende der Nacht, ein bisschen verlegen, weil es doch an einer Stelle bereits fleckig ist, aber man habe eben kein anderes mehr gehabt. Sheckler hat schon lange kein T-Shirt mit Flecken mehr getragen, doch er bedankt sich sehr herzlich und ist gerührt dabei, das merkt man. Trotz ­seines Jet-Set-Lifestyles wird Sheckler diesen Abend wohl genauso lang in Erinnerung behalten wie die Kids, die ihn umringen. Wie es um ihre Zukunft bestellt ist, ist Che und den 23-y-G-Skatern unklar. Man hofft auf leichteren Zugang zu Equipment, auf Skateparks und die Chance, andere Länder sehen zu dürfen. Allzu große Veränderungen, fürchtet Che, brächten aber auch große Probleme mit sich. „Dass uns Leute von auswärts mit Material versorgen, ist zwar keine Lösung für die Ewigkeit“, sagt er. „Aber ich will auch nicht, dass Kuba total kommerzialisiert wird. Das wäre das Ende unseres ganzen Lebensstils.“ „The Other Che“, eine Co-Produktion von FUEL TV und Red Bull, wird im Frühjahr 2010 veröffentlicht. Mehr Infos auf: wuweifilms.com, www.redbullskateboarding.com

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Deep, down & dirty

Das Warehouse Project schreibt die große Tradition der Manchester-Club-Kultur fort. Und gilt bereits jetzt als legitimer Nachfolger der legendären Hacienda. Eine Reportage aus dem tiefsten Underground. Text: Tom Hall, Bilder: Nick Ballon

Sacha Lord-Marchionne in seiner Club-Location der besonderen Art: Für sein Warehouse Project wird jedes Wochenende eine Tiefgarage in einen Partyraum für 10.000 tanzwütige Besucher umfunktioniert.


„Es ist, als würden wir jedes Wochenende ein Festival veranstalten.“


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reitagnacht in Manchester einen Parkplatz zu finden ist eine Herausforderung. Wenn man dazu noch 1800 Freunde im Schlepptau hat, wird’s echt haarig. Zum Glück gibt’s einen Mann, der dies gekonnt unter einer Discokugel vereint. Und das in der Stadt, in der scheinbar Unmögliches durchgesetzt werden kann. Mit Mut und natürlich auch mit Provokation. Träumer und Exzentriker sorgen seit den 1960ern für eine lebendige Underground-Szene in Manchester, von der aus die neuesten Musikstile ihren Siegeszug um die Welt antraten. Tony Wilson zum Beispiel, der es als Quereinsteiger in den Achtzigern schaffte, das Hacienda zum ­legendärsten Club der Stadt zu pushen. Er brachte scheinbar unvereinbare Elemente unter einen Hut, verknüpfte Dance Music, Indie Rock und innovatives Design, woraus sich die „Madchester-Szene“ entwickelte. Bis heute versuchen viele, seinen Fußspuren zu folgen. Bands wie New ­Order, Happy Mondays, The Stone Roses und The Smiths ließen sich alle vom Hacienda inspirieren. Und wie ist das heute? Eine Frage, die uns direkt unter die Piccadilly Train Station der Stadt katapultiert – und zwar punktgenau in eine Parkgarage. „Ich mache eben keine halben Sachen“, sagt Sacha Lord-Marchionne, 37, einer der drei kreativen Köpfe hinter dem Warehouse Project, ein Funkgerät in der Rechten, einen vollgekritzelten Zettel in der Linken. Den Reißverschluss seiner schwarzen Jacke mit Stehkragen hat er bis ganz obenhin zugezogen, denn er weiß, Oktobernächte in Manchester kennen keine Gnade. Vor allem nicht in Tiefgaragen. In wenigen Stunden verwandelt er die langgezogenen Betonhallen in die beste Partylocation der Stadt. In den aufregendsten Club, den Manchester seit der Hochblüte der Hacienda gesehen hat. 19 Uhr, Feierabend, Autos stauen sich am Ausfahrtsschranken der Garage, alle wollen möglichst schnell ins Wochenende. Innerhalb kürzester Zeit sind die weitläufigen Gänge wie leergefegt. Die Einzigen, die sich jetzt noch neben Lord-Marchionne in dem ehemaligen Luftschutzbunker aufhalten, sind seine Partner Sam Kandel und Kirsty Smith. Partys schmeißen sei das Einzige, was er im Leben gelernt habe, sagt

Dem Spirit von Manchester verpflichtet: Von Sam Kandel (o.) stammt das Konzept des Warehouse Project, Kirsty Smith (u.) kümmert sich um die Künstler.

Co-Veranstalter Kandel, 30. Bescheiden, wie es sich für einen Jungen aus Manchester geziemt. Eigentlich stammt das Konzept zum Warehouse Project ja von ihm. Smith wiederum, 27, kümmert sich um die Künstler. Kennengelernt haben sich die drei vor zehn Jahren im berühmtberüchtigten Club Sankeys, der damals von Lord-Marchionne betrieben wurde. „Wenn du Top-DJs immer wieder in den gleichen Club buchst, fürs gleiche Publikum, dann wird dir schnell langweilig. So wie auch den DJs und dem Publikum. Du kommst über ein gewisses Level nicht hinaus“, sagt er. „So habe ich 2003 die erste legale Warehouse-Party veranstaltet. Für 10.000 Menschen. Und ich habe Blut geleckt, weil es einfach so spannend

war, ein verfallenes Gebäude für kurze Zeit in den aufregendsten Ort der Stadt zu verwandeln.“ Drei Jahre später beschloss das Trio dann, die Grenzen ihres Vier-Wände-Clubs endgültig hinter sich zu lassen und auf Lagerhallen umzusatteln. Das Warehouse Project war geboren: rauschende Partys in rauem Ambiente, bedeutende DJs in Beton-Clubs. Jedes Wochenende von September bis Januar. „Es fühlt sich phantastisch an! So. als würden wir jede Woche ein kleines Festival veranstalten“, sagt Smith. „Angefangen haben wir in einer 3000-Mann-Location in der alten Boddington-Brauerei.“ Was die Veranstalter damals allerdings nicht bedacht hatten: Die Brauerei befand sich gleich neben dem Strangeways-Gefängnis. Deshalb tanzten sich statt hipper Partykids plötzlich 3000 Sträflinge auf Freigang bis in die Morgenstunden zu Techno und Drum ’n’ Bass die Seele aus dem Leib. „War nicht ganz, was wir uns vorgestellt hatten“, erinnert sich LordMarchionne, „deshalb zogen wir 2007 um. In eine Tiefgarage am Bahnhof.“ An den Ort, wo sich bis heute jeden Freitag die Stahltüren des Warehouse Project öffnen. Die Wände sind übrigens zwölf Meter dick, Probleme mit Nachbarn – welcher Art auch immer – gibt’s da keine. Heute Nacht stehen DJs des RephlexLabels an den Reglern. Braindance nennt die britische Elektronik-Plattenschmiede ihr Amalgam aus Breakbeats, Electro und Acid. Klingt so, als würde man LSD und Dynamit in einen Mixer packen. Oder als würde man den Mixer einfach sprengen und die Explosion auf LSD genießen. ­Neben dem Instrumental-Weird-Hopper Luke Vibert schmückt der NachwuchsKrachmeister Wisp das Line-up. Ein echter Coup ist dem Warehouse Project aber mit dem Engagement von Rephlex-Boss Aphex Twin gelungen. Ein Sound-Terrorist und Klang-Visionär, der Jimi Hendrix des digitalen Zeitalters, der Jackson Pollock der elektronischen Musik. Auf seine Order hin darf heute Nacht nicht fotografiert werden. Was zunächst seltsam anmutet, stellt sich Aphex Twin in seinen Videos doch gern selbst als bärtigen TransgenderPsychopathen dar, wirkt auf den zweiten Blick nur konsequent. 65


Rauschende Partys im rauen Ambiente. Probleme mit Nachbarn gibt’s in einer Tiefgarage keine.


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Einer rein, einer raus Das Warehouse Project folgt den Spuren einer langen Clubbing-Tradition in Manchester, deren Protagonisten so laut wie die Musik sind. Sankeys

The Hacienda

bilder: www.thetwistedwheel.com

„Jede Ära errichtet sich eigene Kathedralen“, diktierte Club-Boss und Querdenker Tony Wilson 1984 einem Journalisten. Nach dem kometenhaften Start seiner Hacienda entwickelte sich diese in den nächsten zwei Jahrzehnten zum Drehpunkt der „Madchester“Musikszene. 2007 starb Wilson, da war er mit seinen „Factory Records“, die Größen wie New Order und Happy Mondays unter Vertrag hatten, längst in die Musik­ geschichte eingegangen. In der Hacienda in der Whitworth Street wurden der Acid Jazz, die Indie und Psychedelic Dance Music aus der Taufe gehoben. Ziemlich heruntergewirtschaftet, wurde der Club letztlich nur noch von den Hit-Einnahmen wie „Blue Monday“ (eine der meistverkauften Singles aller Zeiten) der Mitbesitzer New Order am Leben erhalten. 1997 war endgültig Schluss.

1994 eröffnete Sankeys Soap in einer alten Fabrik in Manchesters Northern Quarter. Umgeben von Drogen- und sonstiger Kriminalität, ging der Club 1998 Bankrott. 2000 übernahmen Sacha LordMarchionne und David Vincent den Laden und konnten dank ihren Verbindungen zu lokalen Autoritäten den Verfall gerade noch verhindern. Seither treten TopDJs hier auf, letzten Monat spielten die Chemical Brothers, für Dezember haben sich Roger Sanchez und Grooverider angesagt. LordMarchionne verließ den Club 2006, da war das Fundament für das Warehouse Project längst gelegt. „Ich traf mich mit Sam Kandel und Kirsty Smith im Sankeys, und wir lokalisierten unsere Stärken“, sagt er stolz über die Qualitäten des Trios in der Event-Organisation. „In Wahrheit bin ich aber für nichts anderes qualifiziert.“

„Das Faszinierende an Aphex ist, dass er es geschafft hat, einen Mythos um seine Person zu kreieren“, sagt Lord-Marchionne. „Ich war ziemlich nervös, als ich ihn das erste Mal getroffen habe. In der Realität ist er der netteste Typ, den du dir vorstellen kannst. Betritt er aber die Bühne, ist er sofort Aphex Twin. Dieser sagenumwobene Soundtüftler, der Hallen voller Tänzer zum Ausflippen bringt.“ Sehr treffend. Wüsste man es nicht besser, würde man diesen unrasierten Typen im weiten Shirt mit strähnigem Topfhaarschnitt, der da in Richtung DJ-Pult schlurft, vermutlich für einen Roadie des Clubs halten. Als Aphex jetzt seinen Laptop zum Soundcheck anwirft, bebt der ganze Club. Ein Programm wie heute ist untypisch für das Warehouse Project. Im Regelfall buchen Lord-Marchionne und sein Team gern frische Gesichter wie Toddla T und

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US-Soulstars wie Ike und Tina Turner, Solomon Burke oder Wilson Pickett drängten sich seinerzeit im Ur-Dance-Club in der Brazennose Street Schulter an Schulter mit britischen Pop-Größen wie den Kinks oder den Rolling Stones. Der Club wurde 1963 von den ­Abadi-Brüdern eröffnet, die endlich ­einmal nonstop Musik machen wollten. „Wir wollten, dass un­ unterbrochen getanzt wird. Auf zwei Plattenspielern wurde ein Hit gleich in den nächsten gemixt“, schrieb Ivor Abadi in einem Werk über die Geschichte des Clubs. Die Sessions dauerten von 23 Uhr bis in den frühen Morgen um halb acht und waren die Vorläufer von Wigan Casino als ultimativer Nor­ thern-Soul-Treffpunkt. 1965 übersiedelte man in die Withworth Street, wo in den 1980ern die ­Hacienda die Tradition von hoch­ klassigem Clubbing fortsetzte.

DJ Mehdi oder Dancefloor-Garanten wie La Roux oder Friendly Fires. Mit Erfolg, bisher waren die Clubnächte immer ausverkauft. Und das will etwas heißen in Manchester, quasi der europäischen Geburtsstadt elektronischer Clubkultur. Lord-Marchionne und Kandel sind aber keine Newcomer, keine neureichen Kids, die die Kohle ihrer Eltern auf gut Glück in Partys stecken. Beide haben die Szene ihrer Stadt über die letzten zwei Jahrzehnte nicht nur mitverfolgt, sondern auch geprägt. „Meine erste Party habe ich 1994 veranstaltet. Ich bekam damals einen Montag zugewiesen, weil alle anderen Tage in der Location, die ich wollte, schon fix belegt waren. Der Club hieß Hacienda“, erinnert sich Lord-Marchionne und grinst. „Vielleicht hätte ich besser mit einer kleinen Bar starten sollen, um das Business zu lernen. Aber nein, es musste

die Hacienda sein, mit einem Fassungsvermögen von 1500 Leuten. Ich hatte keinen Hauptact für den ersten Abend. Nur einen DJ aus Ashton, der mich beim Flyerverteilen angesprochen und gemeint hatte, er habe ein paar Platten daheim. Ich hab ihm gesagt, phantastisch, du kannst sie bei mir spielen!“ Naiv, wie Lord-Marchionne damals war, dachte er, die Hacienda würde sich ohnehin von selbst ausverkaufen. Als nach einem Monat Vorverkauf immer noch niemand angebissen hatte, versuchte er verzweifelt, das Gerücht zu verbreiten, Take That, M People und weitere ManchesterHelden würden Geheimkonzerte geben. Geglaubt hat ihm keiner, gekommen sind dennoch viele. „800 Leute. Für einen Montag nicht schlecht, meinten die Besitzer der Hacienda. Es war der 4. Juli 1994. Ich hab den Vertrag von damals noch ­immer an meiner Büro-Pinnwand.“ Der Aufbau des Warehouse Project ­findet in atemberaubendem Tempo statt. Bars, Flatscreens und Boxentürme poppen auf, plötzlich ist der Hauptraum mit Beamern und Strahlern hell erleuchtet. Die Tiefgarage hat sich binnen zwei Stunden in einen prächtigen Club verwandelt. Nur ein BMW am Dancefloor stört noch das Gesamtbild. Als wenig später ein ­verdutzter Geschäftsmann in die Szene stolpert, in den Wagen steigt und ihn mit großen Augen anwirft, können sich die Roadies ein Grinsen nicht verkneifen. Gegen 22 Uhr füllt sich der Laden. Um ein Uhr betritt Aphex Twin die Bühne und richtet wie angekündigt ein akustisches Massaker an, das an den Eingeweiden der Soundanlage und den Ohren des Publikums knabbert. Die Kids lieben es, das Veranstalter-Trio dagegen ist nicht zu ­sehen. Das bespricht nämlich gerade draußen vor der Türe zufrieden die Lage. „Wir stoppen die Party, bevor den Leuten langweilig wird“, sagt Smith und blickt ihre Kollegen beschwörend an. „Wir machen das Licht dann an, wenn das Publikum am wenigsten damit rechnet, wenn die Nacht am Höhepunkt ist. Ein halbvolles Warehouse Project, das gibt es nicht.“ Eine Strategie, die so verwunderlich wie richtig ist und Lord-Marchionne wohl bald einen Eintrag im Buch der großen Pop-Väter Manchesters einbringen wird. „Ich finde nicht, dass mein Name auf einer solchen Liste stehen sollte. Ich denke da an Tony Wilson, den Gründer der ­Hacienda, das war ein wirklich großer Mann, ein Genie“, sagt Lord-Marchionne bescheiden, wie es sich für einen Jungen aus Manchester eben ziemt. Das aktuelle Clubprogramm sowie Fotos etc. gibt’s auf: www.thewarehouseproject.com

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Die Halfpipe, das Foam-Pit vulgo „Schnitzelgrube“, der Mann, sonst nichts: Shaun White und sein Red Bull Project X.

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Shaun White, sein Red Bull Project X, die Abgeschiedenheit von Silverton in Colorado und die neuen Grenzen des Snowboardens.

Das Labor des Mr. White Text: Justin Hynes

Fotos: Adam Moran


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de.redbulletin.com/print2.0 White Shaun im Fernsehen.

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s ist nicht schwer, Shaun White in der Gruppe von Snowboard-Profis auszumachen, die den Burton-Flagshipstore im New Yorker Szeneviertel SoHo betreten. Die anderen überwinden den Weg vom Eingang zu jenem Tisch im hinteren Bereich des Ladens, an dem sie für eine Autogrammstunde erwartet werden, eher unspektakulär, in ihren weiten ­Kapuzenpullis, locker sitzenden Jeans und Retro-Sneakern. Whites Auftritt – enge schwarze Jeans, Blazer und strahlend weißes Shirt – gestaltet sich ein bisschen anders. Er erscheint im gleißenden Licht zweier Beleuchtungscrews, umgeben von drei Kameramännern, und wird augenblicklich von einem Trio gertenschlanker PRGirls in Beschlag genommen. Clipboards werden hervorgeholt, Namen gecheckt und die Fotografen zur Seite getrieben, um für CBS, NBC und die anderen TVSender Platz zu machen. Sie sind allein wegen White hier, des größten Snowboard-Stars der Welt. Der nimmt den Rummel gelassen. Er setzt sich neben seine Kollegen Mads Jonsson und Kelly Clark und wirft zunächst einen prüfenden, dann einen billigenden Blick auf sein Foto, das den Stapel von Postern ziert, der vor ihm bereitliegt, um mit seiner Unterschrift veredelt zu werden. Dann blickt er auf und begrüßt mit einem Lächeln das erste Kind in der Schlange der Autogrammjäger. Blitzlichtgewitter, Kameras zoomen auf das Kind, das White aufgeregt eine soeben erstandene DVD hinhält.

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Den Cab Double Cork 10 (großes Bild) gab es bis vor kurzem nur im Kopf von Shaun White. In Silverton änderte sich das.


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„Ich saß da und zitterte. Ich wusste, mir war etwas Besonderes gelungen.“

town. In a country officially shaded from the global flow of information, Sheckler’s fame here demonstrates the ingenuity and pa

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„Mann, du … du bist mein Idol“, bricht es ein wenig stotternd aus dem kleinen Jungen hervor. „Danke“, sagt White mit einem Lächeln, „und wie heißt du?“ Die Schlange drängelt nach vorn; jeder versucht, so viel Zeit wie möglich mit White zu erhaschen, will Anekdoten anbringen, wann er White das erste Mal oder wo er ihn zuletzt gesehen hat. Ein Kerl mittleren Alters versucht, sich an den ­Securitys vorbei zum dritten Mal in die Warteschlange direkt vor White reinzuschmuggeln, diesmal, um das Kinder-Board unter seinem Arm signieren zu lassen. Der Argentinier Alex Ruiz, der sich ­seinen Weg durch das Gedrängel aus ­Kameraleuten und Fotografen gebahnt hat, präsentiert stolz ein ausgebleichtes Banner mit Whites Namen, das nun von einem Autogramm geziert wird. „Er ist unglaublich“, sagt er. „Er hat so viel in so kurzer Zeit erreicht. Ich weiß nicht, was es mit ihm auf sich hat … Er ist jedenfalls ein extrem inspirierender Typ.“

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or vier Jahren änderte sich mit einem einzigen Lauf das Leben von Shaun White. Er war schon vor dem Final-Run bei den Olympischen Spielen 2006 ein hell leuchtender Stern am Himmel gewesen, bloß auf einem wesentlich kleineren Firmament. Der Finallauf in der Halfpipe von Turin machte ihn mit neun72

„Die Leute erwarten von mir, dass ich der Beste bin. So was treibt einen an.“


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bild: kevin zacher

Die Schaumstoff-Schnitzelgrube machte möglich, dass Shaun White seine Kreativität ausleben konnte, ohne sich dabei ums nackte Überleben Sorgen machen zu müssen.

zehn Jahren zum Olympiasieger – und vom Helden einer Randsportart zum ­Superstar der breiten Öffentlichkeit. Vor Turin kannte man White als „The Flying Tomato“, einen manchmal ein ­wenig zur Albernheit neigenden Jung­ spund mit feuerrotem Haar. Er war der Jungstar im Snowboard-Profi-Zirkus, ­außergewöhnlich talentiert. Und er versuchte, sein Revier abzustecken. Nach ­Turin reifte White in Rekordzeit zum Elder Statesman des Snowboardens. Er ist Wortführer, Champion, Model … und vor ­allem für all seine Konkurrenten ein gut sichtbares Ziel. Man könnte sagen: Shaun White kann nur noch verlieren. Shaun White hingegen sagt: „Es ist eine coole ­Situation, in der ich da bin. Ich bin nicht mehr der Underdog. Ich habe Druck. Die Leute erwarten von mir, dass ich gewisse Dinge schaffe. Sie erwarten, dass ich der Beste bin. Das treibt an.“ Hohe Erwartungen geben einem wie Shaun White zusätzlichen Auftrieb. „Wenn jeder darauf wettet, dass ich gut

bin, dann muss es einen Grund dafür geben – die Leute müssen an mich glauben.“ Pause. „Man kann dann ja auch keinen Rückzieher mehr machen.“ Pause. „Ich denke, das ist der Grund, warum es zu der Silverton-Sache kam, zum Red Bull Project X.“

S

ilverton in Colorado hat nicht wirklich viel Aufregendes zu bieten: Im Sommer kann man in der alten Minenstadt fischen, wandern, mountain­ biken. Wenn man möchte, auch mit der Schmalspurbahn nach Durango fahren. Als White im April hierher kam, wusste er allerdings genau, dass er den Ort gefunden hatte, an dem er seinen Sport neu erfinden wollte. Und dafür war Silverton gerade seiner Abgeschiedenheit wegen perfekt geeignet. „Nirgendwo sonst in Nordamerika gibt es etwas Vergleichbares“, erklärt Aaron Brill, der Mann, der vor neun Jahren für die Entwicklung dieses Berges zu einem einzigartigen Snowboard-Reservat ver-

antwortlich zeichnete. „Wir beschränken hier in Silverton die Anzahl der Fahrer. An einem betriebsamen Tag haben wir hier 80 Rider, Vail hat vielleicht 8000. ­Silverton ist für Leute gemacht, die es mit dem Boarden ernst meinen. Wer nach einfachen Abfahrten sucht, der wird hier nicht glücklich werden.“ Alles andere als einfach war auch die Errichtung jener ganz besonderen Halfpipe, des Labors, in dem Shaun White neue Tricks entwickeln sollte. Zuerst wurde der Berg wochenlang vom Helikopter aus mit Sprengladungen bombardiert. Dadurch wurden Lawinen ausgelöst und die für das Projekt ausgewählte Talmulde mit ausreichend Schnee angefüllt. Danach begannen die Pipe-Spezialisten von Snowpark Technologies mit der Gestaltung des Geländes: Sieben Tage lang wurde mit drei Caterpillars gearbeitet, in täglichen 16-Stunden-Schichten. Als die Pipe stand, war das Foam-Pit dran, die Schnitzelgrube, die am Ende der Pipe errichtet werden sollte: ein mehr als neun Meter langer, sechs Meter breiter 73


Action

Polster. Erst er würde es White erlauben, seiner Kreativität wirklich freien Lauf zu lassen. Die dreieinhalb Tonnen schwere Stahlkonstruktion des Pits wurde die elf Kilometer von der Stadt bis zur Pipe transportiert, für das letzte Stück musste ein mit Kufen ausgestatteter Lader her­ halten. Währenddessen tobte ein Schneesturm über das Gebiet. Bisher waren Foam-Pits nur Skate­ boardern, BMX- und Motocross-Fahrern zur Verfügung gestanden, um gefahrlos neue Tricks auszuprobieren und zu erarbeiten. Der Einsatz einer Schnitzelgrube im Snowboarden war eine der Innovationen des Red Bull Project X … „… aber nur einer von vielen Vorteilen“, schwärmt White. „Wenn man zum Beispiel in Park City trainiert, scheint die Sonne am Vormittag auf eine Wand der Pipe und am Abend auf die andere. Falls ich nun einen Trick auf einer Wand lernen möchte, wenn diese nicht allzu eisig und hart ist, muss ich bis zu einer bestimmten Tageszeit warten. Aber bis ­dahin sind natürlich bereits jede Menge Boarder in der Pipe. Und die besteht halt aus Schnee, nicht aus Beton oder Holz. Schnee verändert sich, schmilzt, wird rippig, kann matschig werden oder eisig … und irgendwann ist er einfach nicht mehr befahrbar.“ Silverton, das Red Bull Project X, räumte alle Hindernisse beiseite. „Es war phantastisch, sich unbelastet von allen möglichen Problemen ausschließlich aufs Boarden konzentrieren zu können. Wenn mir danach war, konnte ich mir bis ein Uhr mittags Zeit lassen und dann einfach raus auf die Halfpipe gehen … und tun, was gerade getan werden musste.“

W

enn es einen Punkt gegeben hat, der an dem SnowboardWunderkind kritisiert wurde, dann den, dass White nie für die Entwicklung von Neuem gestanden war. Er beeindruckte die Judges einfach mit seiner Fähigkeit, bestehende Tricks nahtlos miteinander zu verbinden. „Er hat auf jeden Fall alles, was jemals jemand gemacht hat, besser und größer gemacht als irgendwer sonst. Auf diese Weise hat er den Sport vorangetrieben“, sagt Bud Keene, der Trainer des ameri­ kanischen Snowboard-Olympia-Teams. „Aber ein Innovator? Das ist er erst jetzt, dank Red Bull Project X. Die Dinge, die er jetzt draufhat, bringen Snowboarden auf eine Art und in einem Tempo weiter, die der Sport bisher noch nie erlebt hat … und es sieht phantastisch aus.“

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Das ist Silverton, Colorado. Wer hierher kommt, möchte sich auf etwas konzentrieren.

„Verdammt, hatte ich Angst! Ich hätte mich wirklich schlimm verletzen können.“ Shaun White war nach Silverton gegangen, um einen Schritt weiter zu gehen als je zuvor in seiner Karriere. Er versuchte, nicht nur seine eigenen Grenzen zu erweitern, sondern die des ganzen Sports. „Der Anfang war aber einfach nur furchtbar. Ich hatte zwar einige Ideen, in meinem Kopf hatte ich eine Wunschliste von Tricks. Und im Kopf funktionierten sie auch … aber die ersten Versuche in der Pipe waren schrecklich.“ Er arbeitete sich voran, Flip für Flip, Drehung für Drehung. Dann kam der Tag, an dem er ein dünnes Plastikband über das Foam-Pit spannte, das ihm anzeigte, ob seine Sprünge weit genug gingen – „wenn ich drüber war, wusste ich, dass ich mich im grünen Bereich befand“. Die Versuche im grünen Bereich kamen dann auch ziemlich schnell. Es war Zeit, den großen Schritt vom sicheren Foam-Pit in die Halfpipe zu wagen. „Verdammt, hatte ich davor Angst“, gibt er zu. „Es hätte alles vorbei sein können. Ich hätte nur einen Trick vermasseln, auf halbem Weg in Panik ­geraten müssen. Ich hätte mich wirklich schlimm verletzen können.“ „Als Erstes probierte ich den ‚Flip, Flip‘ aus … ich landete zwar ziemlich unsanft auf meinem Hintern, aber ich kam heil davon. Das gab mir viel Vertrauen. Ich

wusste ab diesem Moment, dass es funk­ tionieren würde. Und von da an lief es einfach – jeden Tag ein neuer Trick.“ White steht auf, demonstriert die ­Rotationen, die Namen der neuen Moves sprudeln nur so aus ihm heraus. Dann hält er plötzlich inne und blickt etwas nachdenklich drein: „Es ist das erste Mal, dass ich etwas völlig Neues geschaffen habe … und es fühlt sich toll an. Hey, ich werde für immer der Erste sein, der diese Tricks gemacht hat!“ Gibt es einen Moment, an dem er dieses Pioniergefühl festmachen konnte? „Als ich zum ersten Mal den Front Side Double Cork 1080 gelandet habe“, sagt er. „Ich saß einfach da und zitterte. Ich wusste auf Anhieb, dass das etwas ­Besonderes war, und war extrem auf­ geregt.“ So aufgeregt, dass er mit einigen Tricks nicht länger hinter dem Berg halten wollte: Im August debütierte White mit seinen neuen Kreationen bei den New Zealand Open … und gewann das Finale über­ legen mit seinen revolutionären Backto‑Back Double Cork 1080s und einem Lauf, den die Veranstalter als „einen der besten und progressivsten, die man jemals gesehen hat“, feierten. Shaun Whites Action-Clip zum Red Bull Project X: redbulletin.com/projectx/de


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ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN. THE RED BULLETIN.


More Body&Mind Belebendes fĂźr KĂśrper und Geist.

78 Air & Style Innsbruck 81 Halbmarathon in Sibirien 82 Chris Davenport im Hangar-7 84 Red Bull TV-Fenster 86 Tag & Nacht 96 Read Bull 98 Kolumne

Chris Davenport kriegt kalt-warm, aber umgekehrt: Nach unserem Dinner-Termin im Salzburger Hangar-7 wechselt der US-Freeskier kurzfristig in die Antarktis.

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Credit

Magna con heniam, sim vullam, quatum del dolore ea feum ipis incidunt nullaore te molorem cincipis acilit utat.


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bild: Christian Pondella/Red Bull Photofiles Â


more body & mind

Die Sterne des Bergisel

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pat

Innsbruck, Bergisel, 5. Dezember: Air & Style sorgt für jede Menge Stars. Zwölf davon im Kurzporträt.

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Ring of Glory Der Sieger des Billabong Air & Style erhält eine der ­begehrtesten Trophäen der Snowboardwelt: den Ring of Glory. Das einzigartige, aus Sterlingsilber geschmiedete Schmuckstück wird am Berg­ isel buchstäblich aus allen Wolken fallen. Das Red Bull Skydive-Team wird über Inns­ bruck abspringen und den Ring of Glory spektakulär ­mitten in die Arena fliegen.

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The Hives The Hives sind Air & Style-­ Veteranen: Sie haben bereits 2007 im Münchner Olympia­ stadion eine Performance der Extraklasse abgeliefert und werden den Innsbrucker He­ xenkessel entsprechend zuver­ lässig zum Kochen bringen. Die Schweden überzeugen stets mit perfekten Outfits und genialer Bühnenpower. Unter­ stützung kommt heuer aus Deutschland. K.I.Z., die vier­ köpfige Berliner Formation, die im Juli ihr neues Album „Sexismus gegen Rechts“ ver­ öffentlicht hat, wird mit ihren Reimen den HipHop-Fans or­ dentlich einheizen.

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Red Bull Endsection Die Red Bull Endsection ist der perfekte Spielplatz für die Rider, nachdem sie über den Riesenkicker geflogen sind. Etwaige übrig gebliebene Krea­tivität kann hier erstklas­ sig aufgebraucht werden: Eine Quarter, ein Treeride, ein Jibbalken, ein Transfer-­ Slider, eine Bank und ein Drop stehen zur Verfügung.

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Die Aftershowparty Nach Hause gehen nach dem Contest? Geht beim Air & Style eigentlich gar nicht. Denn auf der offi­ziellen Aftershowparty im Innsbrucker Hafen geht ­garantiert wieder mächtig die Post ab. Gefeiert wird auf drei Floors, Haupt-Act sind Clawfinger: Mit ihrem Mix aus Rap- und Metal-Produk­ tionen gelten die Skandinavier als ­Pioniere der CrossoverWelle. Auch auf den anderen Floors tummeln sich freilich keine Unbekannten: Lumen, DJ Tito 69, DJ Soma, Dan Vans, Lars Boob und DJane Saha werden für eine der Würde des Anlasses entspre­ chend feine Beschallung des Hafens sorgen.

Air & Style: The Basics Das vom Waliser Andrew Hourmont in Innsbruck entwickelte Freestyle-SnowboardFestival Air & Style ging erstmals am 17. Januar 1994 im Bergisel-Stadion über die Bühne, erster Sieger war Reto Lamm (SUI) mit einem Frontflip. Der Sieger wird bei der Ausgabe 2009 wieder beim Straight Jump bestimmt, dabei zeigen die Snowboarder möglichst spektakuläre Tricks, die von Judges in den Kategorien Style, Schwierigkeit, Höhe und Landung bewertet werden. Im Jahr 2000 übersiedelte die Veranstaltung nach Seefeld und in weiterer Folge nach München. Am 2. Februar 2008 kehrte man nach Innsbruck zurück – allerdings wechselte man vom Big Air vorübergehend zu einem Quarterpipe-Bewerb.

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travis

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Werni

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Der Kicker Der Air & Style kehrt zu seinen Wurzeln zurück. War es in den vergangenen zwei Jahren eine riesige Quarterpipe, mit der sich die Rider anlegen muss­ ten, so ist es heuer wieder ein Straight Jump über einen ordentlich dimensionierten Kicker. Das Ding hat es wirk­ lich in sich: Die Snowboarder starten 50 Meter über dem Stadion und werden von ­einem 17 Meter hohen Kicker in den nächtlichen Himmel befördert. Zu erwarten sind 30-Meter-Jumps.

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Andrew Hourmont Andrew Hourmont ist Erfin­ der und kreativer Kopf des Air & Style. 1994 veranstaltete er den ersten Contest am Berg­ isel, und mit einem Schlag machte ihn der Air & Style fe­ derführend in der Snowboard­ szene. Hourmont wurde 1966 in Cardiff (Wales) geboren. Die Wintersportbegeisterung seiner Familie verschlug ihn 1976 nach Innsbruck. Andrew fuhr selbst für das britische Ski-Nationalteam und arbei­ tete danach als erfolgreicher Snowboardfotograf.


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seb

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Iouri Podladtchikov Seinen Nachnamen kann nie­ mand aussprechen, darum wird er einfach „iPod“ genannt. Der Absolvent des Sport-Gym­ nasiums Davos in der Schweiz ist in seiner russischen Heimat ein echter Superstar: Er lächel­ te schon von den Titelseiten der größten Sportmagazine und ist Dauergast bei MTV. Sein Style kann ihn beim Air & Style weit bringen, aber sein erklärtes Saisonziel ist eine Spitzenplatzierung bei den Olympischen Winterspie­ len in ­Vancouver.

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Seb Toutant Der Kanadier aus Montréal, Neuling im Red Bull-Team, ist eine wahre Spin-Maschine. Bereits als 15-Jähriger sorgte er mit Backside-900ern für großes Aufsehen. Nun ist er 17 und dreht schon fleißig bombensichere 1080s.

illustration: heri irawan

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Travis Rice Der US-Amerikaner ist einer der härtesten Snowboarder der Welt und wird den Air & Style heuer nach zwei Jahren Pause wieder beehren. Travis ist ein Alleskönner: Egal ob am Kicker, in der Pipe oder im Backcountry, er packt in jedem Terrain die schwie­ rigsten Tricks aus. Ein Genie­ streich war seine letzte Video­ produktion „That’s It, That’s All“. 2006 gewann er den Air & Style Contest in Mün­ chen mit einem Double Back­ flip 180.

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Eero Ettala Der Finne ist ein begnadeter Contest-Rider. Er gewann heuer beim freestyle.ch in ­Zürich und wurde beim free­ style.berlin Zweiter. Wenn er nicht gerade auf Podesten lan­ det, gibt er in Videos ordent­ lich Gas. Sein letztes Meister­ werk war ein genialer Part in der aktuellen Absinthe-Pro­ duktion „Neverland“. Der Air & Style ist für Ettala kein Neu­ land, er war schon in Mün­ chen am Start und kommt als einer der Favoriten nach Innsbruck.

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Pat Moore Der 23-Jährige aus New Hampshire mit Wohnsitz Salt Lake City war als Kind auf Ski­ ern unterwegs, bis ihm seine Eltern ein Snowboard unter den Weihnachtsbaum legten. Ein Glück, denn seitdem rockt Pat die Parks und Pipes auf ­allerhöchstem Niveau. Der Slayer- und Xbox-Fan kann am Board nahezu alles, egal ob es darum geht, im Powder über riesige Cliffs zu springen oder das Metall auf den schwierigsten Rails zu be­ arbeiten.

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Werni Stock Der Zillertaler ist der Lokal­ matador beim heurigen Air & Style. Er durfte schon bei den letzten beiden Contests auf der Quarterpipe sein Können zeigen und brennt nun auf sei­ ne Premiere über den Straight Jump. Werni ist ein Tiroler Naturbursch, der von klein auf in den Bergen unterwegs war. Durchsetzungsvermögen dürf­ te auch beim Contest kein Problem sein, immerhin wuchs er mit vier Geschwis­ tern auf. Billabong Air & Style: 5. 12. 2009, Bergisel-Stadion, Innsbruck, Tirol www.air-style.com

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1 Nordica Ace of Spades, Game Changer Das neue Dreamteam am FreeskiHimmel. Auf den ersten Blick sticht die perfekte Abstimmung zwischen Ski und Schuh ins Auge. Wer allerdings die Möglichkeit hat, dieses Paar im Park zu testen, wird schnell merken, dass die Performance hier der wahre Parameter ist, der den Level pusht! Mehr Details gibt’s auf

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5 ABS-Lawinenairbag ABS hat Flügel! Dass diese Form des Airbags die bestmögliche ist, um bei einem Lawinenabgang an der Oberfläche zu bleiben und zu überleben, beweisen nackte Zahlen. 98 % der Lawinenopfer mit ausgelöstem ABS-Airbag entkamen den Schneemassen. Mit einem Zug am Auslösegriff werden sekundenschnell zwei separate Airbags aufgeblasen, die dem gesamten Körper Auftrieb geben und ihn inmitten der enormen Kräfte der Lawine stabilisieren. www.abs-airbag.com


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Eislaufen für Fortgeschrittene

text: stephan witzel, bilder: Harald eisenberger

Schwierig, sich in Omsk zu verlieben. Außer Sie kommen zum Siberian Ice Marathon: Dann ist die Stadt aufregend und voller schräger Typen. 7. Januar, Tag des russisch-orthodoxen Weihnachtsfests. Inmitten einer Menschenmenge stehe ich auf einer Hauptstraße in Omsk, Sibirien. In wenigen Momenten fällt hier der Startschuss zum Siberian Ice Marathon, eigentlich ein Halbmarathon, sechs Runden à 3,5 Kilometer, aber bei bis zu minus 40 Grad reicht das. Dem älteren Herrn neben mir ist offenbar zu warm: Er zieht seinen 70er-Jahre-Sowjetunion-Trainingsanzug aus. Ich schaue ihn entgeistert an. „Cold good! Today too hot!“, gibt er mir zu verstehen und streift auch noch sein Leiberl ab. So steht er neben mir, nackt bis auf Trainingsschuhe, kurze Laufhose, Haube und Bart. Erst direkt vor dem Start streift er sich dann doch ein paar gehäkelte Ellbogenund Kniewärmer über. „Rheumatism“, murmelt er entschuldigend. „… tri, dwa, odín!“, höre ich mich dann rufen und laufe los, mit 1300 Laufkollegen. Hie und da sieht man Weihnachtsmänner im Teilnehmerfeld, dazu jauchzende Kinder und alte Damen mit Wolljacken und -hosen. Am Ende der Startgeraden trägt es einen als Schneemann verkleideten Teilnehmer fast aus der Kurve. Die Siegprämie ist ein brandneuer Lada – Motivation für den Temporausch? Dabei ist schon allein das Finishen fein. Vor zwei Jahren überquerten gerade elf Teilnehmer die Ziellinie. Speziell auf den letzten Runden macht der teils gefrorene und spiegelglatte Boden zu schaffen. Eine offizielle Jausenstation sucht der SIM-Neuling vergeblich, trotz 30 Euro Startgeld. Einige Zuschauer betreiben deshalb private Labestationen, mit heißem Tee, Keksen und Obst. Dann kommt das Ziel in Sicht, wo bereits gefeiert wird. Seinen persönlichen kleinen Sieg genießt man auf lokale Art: beim Bad in der Banja, der sibirischen Sauna,

KARTE inklusive Wodka-Aufguss, SchneeEinreibungen und Auspeitschen mit Birkenreisig. Ich entdecke meinen Nachbarn, mit vereistem Brusthaar. Der Siebzigjährige hat die Strecke in respektablen 1:35 Stunden absolviert. Gratulation! Siberian Ice Marathon: 7. Januar 2010, Omsk; www.runsim.ru/ice/about (Inna Chernoblavskaya, mail@runsim.ru) Pauschalreise: www.schulz-aktiv-reisen.de

Siberian Ice Marathon: die coolste Variante, die Stadt Omsk und einige ihrer sportlichen Bewohner zu erleben.

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Hangar-7-Interview

Chris Davenport RED BULLETIN: In den USA träumen die Kids normalerweise von einer Baseballoder Footballkarriere. Warum hat es Sie auf zwei Bretter verschlagen? chris DAvenport: Skifahren wurde mir in die Wiege gelegt. Im Alter von vier ­Jahren stand ich in New Hampshire, im Nordwesten der USA, zum ersten Mal auf den Brettern. Ich hatte großes Glück, meine Familie besaß eine kleine Skihütte, und wir verbrachten jedes Wochenende in den Bergen. Mein Vater war an der Universität selbst Rennläufer gewesen, daher war es naheliegend, dass auch ich an eine Skiakademie ging. Für mich war es von klein auf klar, dass ich entweder in einem Ski-Resort arbeiten oder professioneller Skifahrer werden würde. Wann haben Sie sich gegen die Rennski und für die Freeride-Ski entschieden? Ich war wie mein Vater in einem Univer­ sitäts-Team. Mein Bruder und meine Schwester fuhren da bereits im Weltcup. Ich konnte diesen Level aber nie erreichen und war nach Jahren des Rennfahrens einfach ausgebrannt und hatte keinen Spaß mehr daran, zwischen Stangen herumzukurven. Deshalb hörte ich auf, gegen die Uhr zu fahren, und ging mit meinen Freunden nur noch auf den Berg, um Spaß zu haben. Dabei entdeckten wir, wie cool es ist, von Klippen zu springen und frischen Powder zu zerpflügen. 1994 zog ich dann nach Aspen und wurde zu einem Freeride-Contest eingeladen. Ich war sofort hin und weg von diesem Wettkampfformat. Einen Berg in deinem eigenen Style zu befahren ist einfach das Beste! Ich wusste sofort, dass das meine Zukunft ist. Zwei Jahre später war ich Weltmeister, und heute freue ich mich einfach darüber, dass es noch immer mein Lebensmittelpunkt ist und ich davon leben kann. Wie fühlen sich diese Steilhänge an? Es ist fast unmöglich, das jemandem zu erklären, der es noch nie erlebt hat. Du kannst auch niemandem Sex erklären, wenn er noch keinen hatte. Ich bin kein 82

besonders gläubiger Mensch, aber wenn ich an einem wunderschönen, sicheren Tag mit meinen Kumpels am Berg bin und wir befahren einen perfekten Hang, dann ist das wie eine religiöse Erfahrung. Plötzlich wird eine irrsinnige Energie in mir frei. Es fühlt sich so an, als ob da oben ­jemand ist, der mir diese glorreichen ­Augenblicke schenkt, und dafür bedanke ich mich dann auch. Ich würde das Gefühl als spirituell und einzig­artig bezeichnen.

Chris Davenport bei seiner Lieblingsbeschäftigung.

Einzigartig wie Ihr nächstes Projekt? Ja, wir werden die Antarktis mit Skiern erforschen. Ich war schon letztes Jahr dort, aber wir hatten Probleme mit unserem Boot und mussten den Trip abbrechen. Aber ich sah dort dermaßen einzigartige Berge und Hänge, dass ich mich entschieden habe, heuer mit einem ­eigenen Boot und einer eigenen Crew zurückzukehren. Die Antarktis ist eines der letzten unentdeckten Skigebiete, die es auf der Welt gibt, und sie hat mit ihren wunderbaren Bergen und ihrer speziellen ­Natur so viel zu bieten. Ich möchte einen Dokumentarfilm drehen, um den Menschen diese Schönheit näherzubringen.

Eine Schönheit, die aber auch durch die Umweltverschmutzung bedroht ist. Leider, deshalb ist der Naturschutz ­eines meiner größten Anliegen. Darum werden wir mit einem Segelboot anreisen und auch die Berge nur mit Muskelkraft besteigen. Unglücklicherweise hat sich die Menschheit in den letzten hundert, zweihundert Jahren immer mehr von der ­Natur abgekapselt und achtet nicht mehr auf sie. Wir reisen in Autos und Flug­ zeugen und fahren auf Rolltreppen. Der Mensch verkümmert dadurch immer mehr, und das schlägt sich auch auf die Psyche nieder. Ich merke es, wenn ich in den Bergen bin. Diese Ruhe und Gelassenheit in der Natur machen mich einfach glücklich, wohingegen ich Stress verspüre, wenn ich irgendwo in einer Stadt im ­stickigen Verkehr zwischen Massen von Menschen stecke. Sie lassen sich gerade die Eiernockerln hier im Hangar-7 schmecken. Was wird während Ihrer Expedition serviert? In der Antarktis wird es uns an nichts fehlen: Wir haben eine Küche an Bord und einen Koch. Feines Essen ist wohl eine der schönsten Sachen im ­Leben. Ich bin seit über zwanzig Jahren Vegetarier und achte sehr auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Das ist sehr wichtig für meinen Körper und auch für meine innere Balance. Ich bin sicherlich kein Freund von Fastfood. Wie ist es mit selber kochen? Ich war in den letzten Jahren viel auf ­Reisen, daher bin ich auch kein großer Held am Herd. Aber wenn ich zu Hause bin, habe ich Spaß daran, mit meiner ­Familie auf den Markt zu gehen, um die frischesten Lebensmittel zu kaufen. Ich kann nicht allzu viel zubereiten, aber ­Pasta im italienischen Stil bekomme ich schon hin, und meine drei Kids lieben sie. Das Gastkochkonzept im Hangar-7: Im Dezember kocht der Franzose Paul Pairet. Alle Gastköche im Jahr 2010 auf www.hangar-7.com www.chrisdavenport.com

bild: Christian Pondella/Red Bull Photofiles

Zuerst wollte er wie sein Vater Skirennen fahren, doch dann kam der Appetit auf Abfahrten über die steilsten Hänge der Welt. Das Red Bulletin traf den 38-jährigen amerikanischen Extremskifahrer vor dessen nächster Expedition in die Antarktis. Text: Christoph Rietner, Bilder: Philipp Horak


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de.redbulletin.com/print2.0 Bitte anschnallen: Chris fährt ab.

Chris Davenport wird die steilsten Hänge der Antarktis mit seinen Skiern erforschen. Davor stärkte sich der US‑Amerikaner im Hangar-7 mit einer Portion Eiernockerln.


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Volles Programm

Red Bull TV-Fenster bei ServusTV: Die Highlights im Dezember So sind Sie im Bild

1. Via Kabel (die Liste aller Kabelnetze in Österreich, Deutschland und der Schweiz finden Sie unter www.servustv.com). 2. Via digitale Antenne (DVB-T): Um ServusTV in Ihre Programmliste aufzu­ nehmen, müssen Sie lediglich den Sendersuchlauf starten. 3. Direkt und unverschlüsselt via Satellit (DVB-S). Zum Empfang benötigen Sie nur eine digitale Satellitenanlage mit entsprechendem Empfänger. Zusätzlich zur Verbreitung in der gängigen Standard­ auflösung können Sie ServusTV auch im hochauflösenden HD-Standard empfangen. Dazu benötigen Sie einen HD-tauglichen Satellitenempfänger sowie ein HD-fähiges Fernsehgerät. Um ServusTV/ServusTV HD auf Ihrem Satellitenempfänger zu installieren, haben Sie drei Möglichkeiten: 1. Automatisches Update. Viele Satellitenempfänger erkennen neue Sender selbst­ tätig und aktualisieren Ihre Programmliste entsprechend. 2. Sendersuchlauf. Verfügt Ihr digitaler Satellitenempfänger über die Möglichkeit eines Sendersuchlaufs, werden automatisch alle neuen Sender in die Programmliste aufgenommen. 3. Manuelle Suche. Die dafür notwendigen Empfangsdaten lauten: für ServusTV Sat Satellit Astra 19,2 Grad Ost; Frequenz 12.663 GHz, Polarisierung horizontal, Symbolrate 22.000, FEC 5/6 bzw. für ServusTV HD ­Satellit ­Astra 19,2 Grad Ost, Frequenz 11.303 GHz, Polarisierung horizontal, Symbolrate 22000, FEC 2/3, Modulation 8PSK, Übertragungsart DVB-S2. Alle Infos dazu auf: www.servustv.com/empfangen.html

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Red Bull Glorious Days Samstag, 5. Dezember, 23.00 Uhr Spektakulär: mit dem Hängegleiter entlang einer tausend Kilometer langen Wolkenfront über der australischen Wüste. Samstag 5. Dezember 22.30 Snowboard Diaries On Top of the World 23.00 Red Bull Glorious Days Hanggliding auf einem Naturwunder Australiens 23.30 Red Bull Streets of San Francisco Bobfahren einmal anders

Sonntag 6. Dezember 22.00 Momentum – What drives you Sebastian Vettel (GER) 22.30 The Film Festival in Your Living Room „The Man Who Skied Down Everest“

00.15 Talking Music: The Documentary Red Bull Music Academy: 23.45 Red Bull Paper Wings Dublin 2000, Teil 1 Papierflieger erobern den 00.45 Talking Music: Luftraum The Lecture 00.00 Adventure Circus Dennis Coffey „Believe“: Tanner Hall auf 01.45 Talking Music: unverspurten Hängen The Documentary (WH) 00.45 Free „The Culture Issue“: Break- 02.15 Talking Music: The Lecture dance beim Red Bull BC Front 242 One-Event in São Paulo 01.15 Nightflight Holt die tollsten Clubs der Welt in dein Wohnzimmer. 04.15 Free (WH) 04.45 Red Bull Glorious Days (WH) 05.15 Red Bull Streets of San Francisco (WH) 05.30 Red Bull Paper Wings (WH) 05.45 Snowboard Diaries (WH) 06.15 Adventure Circus „Believe“(WH)

03.15 Talking Music: The Documentary (WH)

That’s it, That’s all Samstag, 12. Dezember, 00.00 Uhr Travis Rice und ein Team an Profi-Snowboardern bestechen durch noch nie dagewesene Tricks in High Definition. Samstag 12. Dezember

Sonntag 13. Dezember

22.30 Snowboard Diaries Into the Wild 23.00 World Championship Tour – Surfing Portugal 2009 Wettkampf und Hintergrund-Storys. 23.15 Air & Style 2009 Das Snowboard-Highlight bei der Bergisel-Schanze 23.30 Red Bull Soundclash Dallas 2009 00.00 Adventure Circus „That’s It, That’s All“: Snowboard-Movie mit Travis Rice 01.15 Free „The Mountain Bike Issue“: Freerider Dave Watson 01.45 Nightflight Holt die tollsten Clubs der Welt in dein Wohnzimmer.

22.00 Momentum – What drives you Mick Fanning (AUS) 22.30 The Film Festival in Your Living Room „Let It Ride“: die CraigKelly-Story 00.15 Talking Music: The Documentary Red Bull Music Academy: Dublin 2000, Teil 2 00.45 Talking Music: The Lecture Bob Power 01.45 Talking Music: The Documentary (WH)

04.45 Free (WH)

02.15 Talking Music: The Lecture Daniel Baldelli

04.45 The Film Festival in Your Living Room „The Man Who Skied Down Everest“ (WH)

05.15 WCT – Surfing Portugal 2009 (WH)

03.15 Talking Music: The Documentary (WH)

05.30 Air & Style 2009 (WH)

06.30 Momentum – What drives you Sebastian Vettel (WH)

03.45 Talking Music: The Lecture Bob Power (WH)

05.45 Red Bull Soundclash (WH)

03.45 Talking Music: The Lecture Dennis Coffey (WH)

06.15 Snowboard Diaries Into the Wild (WH) 06.30 Adventure Circus „That’s It, That’s All“ (WH)

04.45 Momentum – What drives you Mick Fanning (WH) 05.15 The Film Festival in Your Living Room „Let It Ride“ (WH)

Bilder: Red Bull Photofiles (4)

Das Red Bull TV-Fenster auf ServusTV ist auf drei Arten zu empfangen:


20 Seconds of Joy Karina Hollekim war im Begriff, zur besten BASEJumperin der Welt zu werden. Bis sie ein Unfall stoppte. Der Dokumentarfilmer Jens Hoffmann traf die mittlerweile dreißigjährige ­Norwegerin 2002 zum ersten Mal, als sich die Profi-Freeskierin fürs BASEJumpen zu interessieren begann. Im Zeitraum von fünf Jahren entstand ein sensibles, sehr persönliches Porträt einer außergewöhnlichen Sportlerin. Von ihren ersten Karriereschritten bis zu ihrem Skydive-Unfall 2006, bei dem sie beinahe ihr Leben verlor.

RED BULL BC One Samstag, 19. Dezember, 23.30 Uhr Die sechzehn besten B-Boys aus aller Welt im direkten Duell. Und das in der Hauptstadt der Breakdancer: in New York. Samstag 19. Dezember 22.30 Snowboard Diaries Free Rein

Bilder: andrew timms, Michael Klein, Anja Krois/NewWorldSpirits, Peter Mathis, Red Bull Photofiles (5)

23.00 Race of Champions 23.30 Red Bull BC One New York 2009 Breakdance-Battle der weltbesten B-Boys

Sonntag 20. Dezember 22.00 Momentum – What drives you Andreu Lacondeguy (SPA) 22.30 The Film Festival in Your Living Room „Love the Beast“: Schauspieler Eric Bana – ein Mann und sein Auto

Phönix aus der Asche Sonntag, 27. Dezember, 22.00 Uhr Ein legendäres Kampfflugzeug – die Lockheed P-38 – und wie Pilot Sigi Angerer den gestürzten Vogel wieder das Fliegen lehrte. Samstag 26. Dezember 22.30 Shaun White: Project-X Sein geheimes Training für die Olympischen Spiele

01.15 Nightflight Holt die tollsten Clubs der Welt in dein Wohnzimmer. 04.15 Free (WH) 04.45 Race of Champions (WH) 05.15 Red Bull BC One (WH)

22.00 The Film Festival in Your Living Room „Phönix aus der Asche – Die Wiedergeburt der P-38“: wie ein rares Juwel der Fluggeschichte wiederbelebt wurde 23.00 The Film Festival in Your Living Room „20 Seconds of Joy“: Porträt der BASE-Jumperin Karina Hollekim

00.00 Adventure Circus „New Emissions of Light & Sound“: DJ Sasha und sein audio-visuelles Experiment in der Welt der Surfer. Mit dabei u. a. Nathan Webster, Taj Burrow, Yadin Nicol

00.45 Free Monster Children

Sonntag 27. Dezember

00.00 Talking Music: The Documentary Respect Yourself: STAX, Teil 2

00.15 Talking Music: The Documentary Respect Yourself: STAX, Teil 1 01.15 Talking Music: The Lecture Rob Bowman 02.15 Talking Music: The Documentary (WH) 03.15 Talking Music: The Lecture David Matthews

05.45 Snowboard Diaries Free Rein (WH)

04.15 The Film Festival in Your Living Room „Love the Beast“ (WH)

06.15 Adventure Circus „New Emissions of Light & Sound“ (WH)

06.00 Momentum – What drives you Andreu Lacondeguy (WH)

23.15 F-1 Rocks Music Show beim F1-GP in Singapur mit Beyoncé, Gwen Stefani, Black Gold und den Black Eyed Peas

01.00 Talking Music: The Lecture Melvin Van Peebles 02.00 Talking Music: The Documentary (WH)

00.15 Adventure Circus „Lines“: Unberührte Hänge, hohe Berge – Snowboarder auf neuen Spuren

03.00 Talking Music: The Lecture Danny Krivit

01.45 Best of Free Magazin

04.00 Talking Music: The Documentary (WH)

02.15 Best of Nightflight Die tollsten Clubs der Welt, Teil 1

05.00 The Film Festival in Your Living Room (WH) „Phönix aus der Asche – Die Wiedergeburt der P-38“

05.15 Best of Free (WH) 05.45 F-1 Rocks (WH) 06.45 Shaun White: Project-X (WH) 07.30 Adventure Circus „Lines“(WH)

06.00 The Film Festival in Your Living Room „20 Seconds of Joy“ (WH)

Cape Horn Sonntag, 3. Januar, ab 00.15 Uhr Bei diesem Abenteuer riskierten sie ihr Leben: die härtesten Windsurfer nahmen sich das unbezwingbare Kap Hoorn vor. Samstag 2. Januar 22.30 Shaun White: Big in Japan 23.00 Red Bull Speedride 2008 23.30 Red Bull Art of Motion Wien 2009: atemberaubende Runs und spektakuläre Freestyle Moves 23.45 Red Bull Cold Rush Was passiert, wenn man die weltbesten Freeskier in drei Disziplinen antreten lässt 00.00 Adventure Circus „Everyday is a Saturday“ 01.15 Free The FMX Issue 01.45 Best of Nightflight Die tollsten Clubs der Welt, Teil 2 04.45 Free (WH)

Sonntag 3. Januar 22.00 Momentum – What drives you Bjørn Dunkerbeck (DEN) 22.30 The Film Festival in Your Living Room „Cape Horn“: Windsurfer auf den Spuren der alten Abenteurer und Entdecker 23.30 The Film Festival in Your Living Room „5 Elements“: Thomas ­Miklautsch und seine abenteuerliche Windsurf-Tour u. a. am Amazonas 00.15 Talking Music: The Documentary Respect Yourself: STAX, Teil 3 01.15 Talking Music: The Lecture Sly & Robbie 02.15 Talking Music: The Documentary (WH)

05.15 Red Bull ­Speedride 2008 (WH)

03.15 Talking Music: The Lecture Dennis Bovell

05.45 Red Bull Art of Motion (WH)

04.15 Talking Music: The Documentary (WH)

06.00 Red Bull Cold Rush (WH)

05.15 The Film Festival in Your Living Room „5 Elements“ (WH)

06.15 Shaun White: Big in Japan (WH) 06.45 Adventure Circus „Everyday is a Saturday“ (WH)

06.00 The Film Festival in Your Living Room „Cape Horn“ (WH) 07.00 Momentum (WH)

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more body & mind Orlando Magic – Boston Celtics 25. 12. 2009

hot SPOTS

Point Guard Rajon Rondo muss mit seinen Boston Celtics auswärts beim NBA-Finalisten der letzten Saison antreten. Amway Arena, Orlando, USA

Die besten Events des Monats rund um die Welt. Essen Motorshow bis 6. 12. 2009

Das Motorsport-Highlight Deutschlands, bei dem sich Rennsportbegeisterte und Autolieb­ haber treffen. Action ist garantiert beim Red Bull-Reifenwechselspiel. Messe Essen, Deutschland

FC Red Bull Salzburg – S.S. Lazio Rom 2. 12. 2009 Letztes Heimspiel der Roten Bullen in der Europa-LeagueGruppenphase. Die Römer sind nach der 1:2-Heimniederlage auf Wiedergutmachung aus. Stadion Salzburg, Österreich

FIS Skiweltcup Herren 2. – 6. 12. 2009

bilder: imago (2), REUTERS, Volkswagen Motorsport/Red Bull Photofiles

Hier triumphierte 2008 Aksel Lund Svindal, ein Jahr nach seinem Horrorsturz, in Abfahrt und Super-G. Heuer stehen eine Superkombination, eine Abfahrt und ein Riesentorlauf auf dem Programm. Beaver Creek, USA

IBU Biathlon Weltcup 2. – 6. 12. 2009 Die „Jagdsaison“ der Biathleten wird in Schweden eröffnet. Gejagt werden der norwegische Gesamtweltcupsieger Ole Einar Bjørndalen und Titelverteidigerin Helena Jonsson. Östersund, Schweden

Red Bull Street Style 4. 12. 2009 Beim Deutschlandfinale treten die 16 besten Freestyle-SoccerSpieler vor den Augen von JuryMitglied Lukas Podolski an. Der Sieger darf beim Weltfinale im April 2010 in Kapstadt um den Titel kämpfen. Bootshaus, Köln, Deutschland

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Billabong Air & Style 5. 12. 2009 Der Air & Style wechselt wieder von der Quarterpipe zurück zum Big Air Straight Jump. Am Start u. a. Travis Rice, Eero Ettala und Iouri Podladtchikov. Bergisel, Innsbruck, Österreich

Clásica de Cantuña 5. 12. 2009 Filip Polc und die besten Vertreter der heimischen BMX-Szene messen sich auf einer mit Rampen gespickten Downhill-Strecke durch die historische Altstadt. Quito, Ecuador

FIS Skisprung Weltcup 5./6. 12. 2009 Auf der Granåsen-HS-140Schanze werden ein Nacht- und ein Tagspringen veranstaltet. Im Vorjahr siegten Gregor Schlieren­ zauer sowie Simon Ammann. Trondheim, Norwegen

Red Bull Moonlighting 5. – 12. 12. 2009 Sehr romantisch! Gesurft wird im Mondschein (und unter zwei neun Meter hohen Lichttürmen) an einem ruhigen, abgelegenen Plätzchen … Auckland, Neuseeland

RB Leipzig – FC Sachsen Leipzig 6. 12. 2009 Im letzten Spiel vor der Winterpause kommt es zu einem brisanten Leipziger Stadtderby. Stadion am Bad, Leipzig, Deutschland

Dakar Rally 1. – 17. 1. 2010 Wie im Vorjahr führt der RallyeKlassiker auch 2010 durch Südamerika. Start und Ziel ist jeweils in Buenos Aires. Argentinien/Chile


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Biathlon auf Schalke 27. 12. 2009 Bei der World Team Challenge treten je eine Frau und ein Mann im Team an. Titelverteidiger sind die Ukrainer Oksana Chwostenko und Andrij Derysemlja. Veltins-Arena, Gelsenkirchen, Deutschland

Red Bull Under My Wing 18. – 20. 12. 2009

FIS Snowboard Weltcup 6. 12. 2009 Der erste Parallel-Riesenslalom der Saison für Damen und Herren. Benjamin Karl und Sigi Grabner rechnen sich hier gute Siegchancen aus. Limone Piemonte, Italien

ASP World Tour 8. – 20. 12. 2009 Der Australier Mick Fanning kann sich beim letzten Saisonbewerb mit einem guten Resultat seinen zweiten Weltmeistertitel sichern. Banzai Pipeline, Oahu, Hawaii, USA

ASP World Tour Women 8. – 20. 12. 2009 Die besten Profi-Surferinnen schließen mit dem Billabong Pro Event ihre Wettkampfsaison ebenfalls auf Hawaii ab. Honolua Bay, Maui, Hawaii, USA

Red Bull Freestyle BMX 12./13. 12. 2009 Die BMX-Akrobaten Daniel Dhers, Senad Grosic und Sergio Layos laden während der Makuhari-Radmesse lokale Biker zur Jam-Session ein. Chiba, Japan

FIS Skisprung Weltcup 12./13. 12. 2009

FIS Skisprung Weltcup 3. 1. 2010 Quasi ein Heimspiel für den Tiroler Gregor Schlierenzauer. Wird er diesmal die Konkurrenz in Grund und Boden fliegen? Bergisel, Innsbruck, Österreich

Seit dem Jahr 2008 ist auch BMX olympisch. In Luke Madills Hinterhof wurde die Strecke von Peking nachgebaut, und er gibt zwei Tage lang sein Wissen an junge Biker weiter. Und zum ­Abschluss gibt’s ein Rennen. Penrith, Sydney, Australien

FIS Freestyle Skiweltcup 21./22. 12. 2009 Skicross wird bei den Olympischen Winterspielen 2010 erstmals ins Programm aufgenommen. Hier kristallisieren sich die Favoriten für den Cypress Mountain in West Vancouver heraus. Innichen, Italien

Eisspeedway Santa-Cup 26. 12. 2009 Und wieder startet Franky Zorn in eine Eisspeedway-Saison gegen die russische Dominanz. Strömsund, Schweden

FIS Skiweltcup Damen 28./29. 12. 2009 Die letzten Skirennen vor dem Jahreswechsel finden in Form eines Slaloms und eines Riesentorlaufs in Osttirol statt. Lienz, Österreich

FIS Skisprung Weltcup 29. 12. 2009/1. 1. 2010 Auftakt zur 58. Auflage der Vierschanzentournee plus Neujahrsspringen in Deutschland. Oberstdorf und GarmischPartenkirchen, Deutschland

EC Red Bull Salzburg – EC VSV 1. 1. 2010

Adam Małysz genießt wegen der Nähe zur polnischen Grenze Heimvorteil – wenn nicht wie so oft in den letzten Jahren das Wetter den Spielverderber gibt. Harrachov, Tschechien

Gleich am ersten Tag des Jahres ist mit dem sechsfachen österreichischen Meister ein harter Brocken mitsamt stimmgewal­ tiger Fangemeinde zu Gast. Eisarena Salzburg, Österreich

FIS Snowboard Weltcup 13. 12. 2009

Carolina Panthers – New Orleans Saints 3. 1. 2010

Die Big-Air-Snowboarder stehen mitten in ihrer Saison. Der vierte Bewerb findet in der fernen südkoreanischen Metropole statt. Seoul, Südkorea

Letztes Spiel der Regular Season, bevor es mit K.-o-Duellen Richtung Super Bowl geht. Bank of America Stadium, Charlotte, USA

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die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden.

Dub 2 Dubstep Tour 3. 12. 2009 Bässe, die wie Donner rollen, Echoschleifen, die sich im Kopf verfangen: so die Essenz von Dub – und dessen jungem Sprössling Dubstep, einer elek­ tronischen Spielart der urjamai­ kanischen Instrumentalmusik. Um die Familienchronik des Gen­ res bassgewaltig auf der Bühne aufzuarbeiten, gehen Legenden wie das Channel One mit jungen Helden wie Kromestar oder JazZstePpa auf Tour. The Rainbow Warehouse, Birmingham, Großbritannien

bilder: Gerald v. Foris, jamie-james medina, you night club

1 Live Krone 2009 3. 12. 2009 Der „König von Deutschland“ ist und bleibt Rio Reiser, keine Frage, der Kampf um die Krone, um den Pop-Thron allerdings wird alljährlich neu ausgefoch­ ten. Bela B gegen Clueso, Selig gegen die Sportfreunde Stiller, Jan Delay gegen Silbermond: Die 1 Live Krone will jeder, wird sie doch von den Hörern des Radio­ senders vergeben und in einer festlichen Zeremonie in Bochum verliehen. Jahrhunderthalle, Bochum, Deutschland

Matthew Herbert 4. 12. 2009 Wer Pappbecher zerdrückt, das aufnimmt und daraus Musik formt, um damit auf die Umwelt­ verschmutzung aufmerksam zu machen, muss ein Guter sein. Wer diese Quetsch-Sounds aber obendrein in hinreißende HouseTracks verwandelt, ist ein Genie. Und ein solches ist Matthew Herbert definitiv. Ob als Sound­ künstler, Swing-Erneuerer oder Umweltaktivist. Moxa, Mantua, Italien

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The Bronx

Drumagick 5. 12. 2009

Räudige Gitarren und schmalzige Mariachi-Klänge – die Punk­ rocker machten mit ihren Fans einen mexikanischen Sound-Trip. Wir waren live dabei (S. 90). London, Großbritannien

Drum ’n’ Bass und Samba? Auf den ersten Blick zwei Welten, in den Händen von Drumagick aber eineiige Zwillinge. Ersterem Genre entziehen sie die düstere Härte, zweiteres versehen sie mit dicken Beats und jazzigen Breaks, so dass ein transatlan­ tischer Soundtrack für heiße Clubnächte zwischen London und São Paulo entsteht. Glaz’Art, Paris, Frankreich

Air & Style 5. 12. 2009 Am ersten Tag erschuf Gott das Snowboard, am zweiten Tag die Party. Damit es den Boardern auch nachts nicht fad wird. Und da sich das größte FreestyleSnowboard-Festival Europas natürlich an seine Bibel hält, gibt es während und nach dem Contest Musik von The Hives, K.I.Z. oder Clawfinger. Bergisel-Stadion, Innsbruck, Österreich

Major Lazer 5. 12. 2009 Diplo und Switch, zwei alte Füchse aus dem hippen GlobalBeats-Bau, knöpfen sich mit ihrem neuen Projekt namens Major Lazer nun Dancehall vor. Und zwängen das Genre mit Hilfe jamaikanischer MCs in ein tigh­ tes Rhythmus-Korsett, ein enges Kleidchen, gewebt aus Techno, Dancehall, Soca und Eurodance. Hol Bazar Curieux, Rotterdam, Niederlande

Sportfreunde Stiller Ballsport, Bier und Bandmusik – das ist München für das deutsche Musiker-Trio. Uns haben sie ihre Lieblingsplätze gezeigt (S. 93). München, Deutschland


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Franz Ferdinand 10. 12. 2009

YOU Club Außen die schlichte Fassade eines Parkhauses, drinnen mit Metall­ ringen verzierte Discokugeln. Der You Night Club ist der Hotspot der Brüsseler Szene (S. 92). Brüssel, Belgien

WPH Recordings Label Night 5. 12. 2009 Deephouse erlebt derzeit eine Renaissance auf europäischen Plattentellern und hat den alten Feind Minimal-Techno vom Dancefloor verscheucht. Gute Zeiten also für die belgische Plattenschmiede WPH Records. Mit ihren fragilen Flächen, die sich über polternden Beats sta­ peln, liegt das Label goldrichtig. Bei Kritikern wie bei Tänzern. Krush Club, Ostende, Belgien

Womb Adventure 09 5. 12. 2009. Ein Club hat Ähnlichkeiten zum Mutterleib: Man fühlt sich darin geborgen und zappelt gern herum. Fanden vermutlich auch japanische Promoter, die ihren neuen Club 2001 in Tokio „Womb“ tauften. Mittlerweile gilt dieser als einer der besten sei­ ner Zunft und mutiert nun zum Festival. Mit Richie Hawtin, Dub­ fire und Josh Wink. DJs, deren Bassdrum so pur und minimal kommt wie der Herzschlag eines Ungeborenen. Passt irgendwie. Makuhari Messe, Tokio, Japan

A Mountain Of One 8. 12. 2009 Mit verträumten Flächen und weichen Gitarrensoli bastelt das frische britische Band-Kollektiv A Mountain of One gerade an einem Siebziger-Revival. Gut so, der Karottenhosen und Vo­ kuhilas sind wir ohnehin schon müde. Besser mal wieder alte Pink-Floyd-Platten ausgraben. Oder eben deren jungen Apolo­ geten zu lauschen. Conne Island, Leipzig, Deutschland

Toddla T 8. 12. 2009

aeroplane 18. 12. 2009 Unlängst halfen sie Robbie Williams via Remix in den Spacedisco-Raumanzug, nun hebt das belgische Duo selbst Richtung Russland ab. Shanti, Moskau, Russland

Beatsalven im Schweinsgalopp, schnoddrige Bässe zwischen Dubstep und Dancehall: Toddla T ist Englands neues Liebkind in puncto Sesseltanz-Rave. Als Dankeschön schmettert er ein Mixtape für den Kultclub Fabric aus dem Ärmel, das mit Tracks von Roots Manuva bis Duffy ­weder Ruhe noch Regeln kennt. Bigger Than Barry, Leeds, Großbritannien

2004 erschien ihr Debütalbum, fünf Jahre später gilt die Glas­ gower Band als vielleicht wich­ tigste ihres Jahrzehnts. Mit Witz hat das Quartett New Wave und Post Punk (friseur)salonfähig gemacht, ohne den altehrwür­ digen Genres ein authentisches Haar zu krümmen. Helmut-List-Halle, Graz, Österreich

Alice Russell 11. 12. 2009 „Stevie Wonder, Chaka Khan, Aretha Franklin und Jill Scott“, meint die britische Sängerin, ge­ fragt nach ihren Einflüssen. Dass sich Alice Russell aber nach ihrer phantastischen Platte „Under the Munka Moon“ selbst schon ein Plätzchen im Soul-Olymp re­ serviert hat, steht außer Frage. Gazarte, Athen, Griechenland

State-X New Forms Festival 11. 12. 2009 Ein Festival wie gemacht für horn­ bebrillte Geisteswissenschaftler mit Foucault-Buch unterm Arm: etwas zeitgenössische Kunst, etwas Kulturtheorie und eine Viel­ falt an Acts, denen das Avantgar­ de-Schildchen anhängt. Von den Melvins über die Math-Rocker Battles bis hin zum Outer-SpaceBeatbastler Dorian Concept. Paard van Troje, Den Haag, Niederlande

Warp 20 Berlin 11. 12. 2009 Das wichtigste Elektronik-Label der Gegenwart feiert 20. Ge­ burtstag: Warp. Von Sheffield aus hat die Plattenschmiede mit Acts wie LFO, Aphex Twin oder Black Dog in den Neunzigern die Zukunft der Musik mitgestaltet, die neue Generation um Clark, Hudson Mohawke oder Rustie gratuliert live in Berlin. Berghain/Panorama Bar, Berlin, Deutschland

Dixon 11. 12. 2009 Der Berliner DJ-Evergreen steht wie kein anderer für das derzeit grassierende House-Revival. Sein Label Innervisions hat mit Tracks von Âme, Henrik Schwarz oder Culoe De Song den Soul zurück auf den Dancefloor gebracht: House – so zart wie zwingend, so temperiert wie treibend. Lux, Lissabon, Portugal

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The Bronx LONDON

The Green Room

Falsche Mexikaner und wahre Punks Räudige Gitarren, kitschige Heldenepen, Punk Rock und MariachiGlückseligkeit: Passt bei The Bronx alles unter einen Sombrero. „Wie wär’s mit einem mexikanischem Snack?“, fragt Ken Horne grinsend, als er mit seiner Band The Bronx das Green & Red in der Londoner Brick Lane passiert. Das Logo der mexikanischen Bar zieren Skelette mit Sombreros, sogenannte Calaveras, die Tagdes-Todes-Maskottchen in Lateinamerika. Auch Joby J. Ford bleibt kurz stehen, mustert erst das Schild, dann seinen Kumpel und lacht lauthals los. Denn die Musiker sehen ihren knochigen Kollegen gar nicht so unähn­ lich, wirken, als würden sie selbst in dieser 90

Spelunke allnächtlich die Vihuela zupfen. Sie stecken von Kopf bis Fuß in Mariachi-Montur: rote Halstücher, mit Ornamenten bestickte schwarze Hemden und glänzende Stiefel. The Bronx, das sind Matt Caughthran am Mikrofon, Jorma Vik an den Drums, Brad Magers an der Trompete, Karla Tovar am Gui­ tarrón plus die beiden erwähnten Gitarristen. Über einen Mangel an Aufmerksamkeit kann sich die Gang während ihres Stadtspazier­ gangs in Richtung Shoreditch High Street nicht beschweren. Und sie genießen es, auch

wenn sie hier wohl einfach nur für eine kurio­ se Straßenkapelle gehalten werden. Der erste Blick trügt. Jeder, in dessen Brust ein Punk-Rock-Herz schlägt, kennt die kalifornischen Troubadoure, die heute Lon­ dons Ohren gleich doppelt betäuben werden. Einmal als sechsköpfiges Ensemble Mariachi El Bronx, einmal als Hardcore-Punk-Quartett The Bronx. Verwirrt? Gut. Denn nichts ande­ res hat die Band im Sinn. Am späten Nachmittag trifft The Bronx im Village Underground ein. Einer ehemaligen Fabrik, die von den Londoner Fashionistas als Partylocation in Beschlag genommen wurde. Während die Band ihre Instrumente auspackt, erzählt Caughthran über sein Doppelleben. „Das mit dem Mariachi-Style kam vor ein paar Jahren, als wir gefragt wurden, ob wir nicht eine Akustik-Session fürs Fernsehen machen könnten“, sagt er. „Es klang unglaublich lahm. Deshalb haben wir versucht, die AkustikSongs irgendwie aufzupeppen. Da kam uns die Mariachi-Idee sehr gelegen. Wir haben zwar keinen Mexikaner in der Band, aber wir leben in Los Angeles, und da ist die latein­ amerikanische Kultur allgegenwärtig.“


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Friendly Fires End Of The Year Party 11. 12. 2009 Es war ein gutes Jahr für die bri­ tischen Indie-Boys von Friendly Fires. Ihr Debüt wurde vom „NME“Magazin ausgezeichnet und für den renommierten Mercury Music Prize nominiert. Grund genug, mit Remi­ xern und Freunden von KompaktKönig Michael Mayer bis Hot-Chip Joe Goddard anzustoßen. The Coronet Theatre, London, Großbritannien

Rave on Snow 11. – 13. 12. 2009

Für eine Band, die seit 2003 gleich drei Alben rausgefeuert hat, jedes beladen mit rauem, schmierigem Punk Rock, ist das eine 180-Grad-Drehung: von krachigen Gitarren zu kolossalem Kitsch, von Lärm zur Larmoyanz. Die neue „El Bronx“-Platte hat der Band nun mit mexikanischen Klängen ein neues Publi­ kum beschert, das Lobesfeuer der Musikkriti­ ker lodert trotzdem weiterhin hell. Als die Band zuerst als Mariachi El Bronx die Bühne entert, ist das Village Underground bereits bestens gefüllt. Mit illustren Gästen wie Peaches Geldorf oder Colin Abrahall, dem Sänger der britischen Punk-Veteranen GBH. Neugier liegt in der Luft, können The Bronx ihr Publikum auch mit schmalzigen Mariachi-Klängen gewinnen? Aber bereits beim Intro zum Song „Slave Labor“ schallt der Band ein Jubelsturm aus den ersten Reihen entgegen. Es ist die Absurdität, die ihren Geschichten über Outlaws, tragische Helden und die große Liebe innewohnt, es ist der kitschige Charme ihrer Outfits, der das Publikum verzaubert und auf eine amüsante Reise nach Mexiko mitnimmt. Dorthin, wo der

Himmel voller Geigen und Trompeten hängt. Die Band schmachtet genüsslich ihre Helden­ epen wie „Litigation“ und „Cell Mates“, stets zwinkernd, nie ironisch. Und verabschiedet sich mit einem Walzer namens „Clown Pow­ der“. „Oder das weiße Zeug, mit dem du zum Idioten mutierst“, kommentiert Caughthran, bevor er den Sombrero nimmt. Pause. Raus aus den Mariachi-Uniformen, rein in die Turnschuhe. Weg mit den Trom­ peten, Verzerrer rauf auf die Bühne. Nach einer halben Stunde kommt die Band als The Bronx zurück. Zeit, um ihre zweite Identität auszuleben. Zeit, um den Punks das zu geben, was im ersten Abschnitt des Konzerts zu kurz gekommen ist. Scheppernde Gitarren, prü­ gelnde Drums, Crowdsurfing. Als Caughthran über den verschwitzten Häuptern seiner Fans schwebt, scheint trotz aller Liebe zu mexika­ nischem Kitsch klar: Die wahre Berufung von The Bronx lautet Punk Rock! Und das Pfeifen in den Ohren der Zuschauer nach dem Kon­ zert kann dies bezeugen. Mehr von The Bronx und Mariachi El Bronx plus sämtliche Tourdaten: www.thebronxxx.com

Große Techno-DJs wie Radio Slave, Paul Kalkbrenner, Extrawelt oder Chris Liebing auf einem Fleck, das gibt’s sonst nur in Berlin. Oder auf Ibiza. In den heimischen Bergen jedenfalls hätte man ein solches Staraufgebot nicht vermutet. In diesem Sinne, frei nach Buddy Holly: „Rave On!“ Saalbach Hinterglemm, Österreich

ZoukOut 2009 12. 12. 2009 Wer gerade friert, sollte diese Zeilen besser überspringen: Das ZoukOut ist mit sommerlichen Temperatu­ ren und 26.000 Tänzern am Strand von Singapur das größte und beste Dance-Music-Festival Süd­ ostasiens, an den Plattenspielern tummelt sich die DJ-Oberliga: Tiga, Richie Hawtin, Miss Kittin oder Armin van Buuren. Zum Auszucken schön, diese ZoukOut Party. Siloso Beach, Sentosa, Singapur

Marco Passarani 12. 12. 2009 Der römische Centurio der ClubKultur ist Labelbetreiber, Musiker sowie DJ. Und hat Italien Anfang der Neunziger auf der TechnoLandkarte eingezeichnet. Barcelo­ na muss er also nicht erst erobern, die katalanischen Raver liegen ihm ohnehin zu Füßen. Ave, Marco! BeCool, Barcelona, Spanien

Fotos: jamie-james medina

Hieroglyphic Being 12. 12. 2009

Eine Band und ihre zwei Gesichter: schmalzige mexi­ kanische Klänge von Mariachi El Bronx (o.) und lauter Punk Rock von The Bronx.

Tanzmusik, die nicht tanzbar ist. Klingt paradox, ist es aber im Fall des Chicagoer House-Musikers ­Hieroglyphic Being nicht. Wo ande­ re Produzenten in die Beliebigkeits­ falle tappen, holt er aus, entwirft elektronische, futuristische Sound­ welten von verzerrter Schönheit, die weniger den Körper, sondern mehr den Geist beflügeln. Tandem Bar, Brooklyn, USA

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ARt On Snow 12. – 19. 12. 2009 MAK-Chef Peter Noever forderte 2007, die Kunst müsse raus aus den Museen und Ateliers, rein in den All­ tag. Mit dem Art On Snow Festival hät­ te er seine Freude. Das Festival bietet Künstlern – Fotografen, Graffiti-Artists oder Malern – aus der BoardsportCulture eine Plattform, um ihre Werke am Berg zu präsentieren. Kleinwalsertal, Vorarlberg, Österreich

Soulwax-mas 17. 12. 2009

Craze 17. 12. 2009 Wäre Craze Sportler, sein Gesicht wür­ de wohl von allen wichtigen Medien des Landes grinsen. Denn der DJ aus Miami ist Weltmeister. Gleich dreimal hat er die DMC World DJ Champion­ ships gewonnen. Um seine Bekannt­ heit muss sich Craze dennoch keine Sorgen machen, ist er doch ständig auf Tour. Mit Kanye West, N.E.R.D oder eben solo, wie derzeit in China. Punk, Beijing, China

Harmonic 313 & Appleblim 19. 12. 2009 Zwei Briten in Down Under: Ersterer ist Marc Pritchard, Elektronik-Institu­ tion seit zwanzig Jahren, Zweiterer ein blutjunger Dubstep-Musiker. Ersterer lebt mittlerweile in Australien, Zwei­ terer reist von Bristol an. Doch trotz dieser Gegensätze klingt ihr Sound ebenso ähnlich wie phantastisch: bassig, massig, gut. Index, Sydney, Australien

Claudio Simonetti 19. 12. 2009 Die Zombies in George A. Romeros Horrorklassiker „Dawn of the Dead“ stolpern im Takt seiner Musik, wann immer in Dario Argentos Filmen zum Messer gegriffen wird, ist seine Band Goblin für den tödlichen Soundtrack verantwortlich. Der Italiener Claudio Simonetti ist Filmkomponist, einer der größten seines Landes. Und hat so ganz nebenbei Ende der siebziger Jahre noch Italo Disco miterfunden. Rock Planet, Ravenna, Italien

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World’s Best Bars

Die belgische PartyPraline

you club Brüssel

Tanzen unter den verspiegelten Ringen des Saturns, Feiern im renovierten Parkhaus: ein Club, der außen pfui und innen hui ist. Die gepflasterten Gassen um den Grand Place, die märchenhafte Backsteinarchitektur, die verlockenden Bistros: Das Zentrum von Brüssel gleicht einer idyllischen Postkarte. Die weiße Hausfassade gegenüber dem Royal Windsor Hotel wirkt da wie ein Fremdkörper im pittoresken Ambiente. Kein Fenster, kaum Schnickschnack, lediglich ein Garagentor. Und ein Schild mit der Aufschrift „YOU Night Club“. Während die Touristen untertags acht­ los daran vorbeispazieren, entwickelt sich die Garageneinfahrt nachts zum Innenstadt­ magneten für Brüssels Partyjugend. „Le You“ startet die Ausgehwoche jeden Donnerstag. Seit sechs Jahren feiert hier die junge Szene, und im Gegensatz zur schlich­ ten Fassade herrscht im Inneren des aufge­ lassenen Parkhauses lässige Eleganz: Von der Decke hängen mit Metallringen verzierte Discokugeln, die wie Saturnmonde über den Tänzern wachen. Die Wände säumen Flat­ screens, flankiert von retro-schicken Wand­ lampen, das Interieur inkludiert dunkles Holz und Rottöne, die durchdesignten VIP-Areas, die sich um die Tanzfläche in der Mitte des

Clubs schmiegen, garantieren den Gästen erschwinglichen Luxus. Denn das ist es, was den Club fürs junge Partyvolk attraktiv macht: Eine Nacht hier ist exklusiv, aber möglich. So ist eine Flasche Wodka, Gin oder Whiskey für Brüsseler Ver­ hältnisse günstig um 70 Euro zu bestellen, und mit der Reservierung eines Tischs ist der Eintritt für vier Freunde bereits beglichen. Musikalisch setzt der Laden auf House, allerdings ohne Scheuklappen. Wenn frei­ tags beim „Heaven“ Meister wie unlängst Laidback Luke oder John Dahlbäck von der DJ-Kanzel den Beat predigen, so kommen dann beim Clubabend „Generation 80“ Hits, Humor und Föhnfrisuren nicht zu kurz. Sams­ tags gibt’s beim „French Kiss“ Live-Acts, während sich die schwule Community der Stadt sonntags zum „Gay Tea Dance“ trifft. Von daher gleicht der You Night Club fast einer dieser belgischen Pralinenschachteln: für jeden was dabei, aber immer lecker. Le You Night Club, 18 Rue Duquesnoy, 1000 Brüssel, Tel.: +32 (0)2 6391400 www.leyou.be

bilder: You Night Club

Wär doch schade, wenn man als Musik-Act mit einem X am Ende des Bandnamens keine Weihnachtsfete veranstalten würde, dachten sich die belgischen Elektronik-Rocker von Soulwax vermutlich. Vor allem auch, wenn man den Hipster-Kids so tolle Geschenke in Form von Gast-Acts wie Mixhell oder Erol Alkan unter den Weihnachtsbaum, ähm, die Disco­ kugel legen könnte. Ulster Hall, Belfast, Irland


more body & mind Florian, Peter und Rüdiger, kurz: Sportfreunde Stiller, haben sich im Atomic Café zusammen­ gefunden. Beim Kellnern, Feiern und Musizieren.

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Isarflimmern

bilder: Gerald v. Foris, karte: andreas posselt

Ballsport, Bier und Bandmusik. Münchens Dreifaltigkeit ist mit ein Grund, weswegen Sportfreunde Stiller ihre Heimatstadt lieben. Sagt zumindest Drummer Florian. Die Luft ist in Ordnung, alles läuft in unse­ rem Takt, die Leute sind nett. Wir haben die höchste Parkdichte aller deutschen Groß­ städte, eine bezaubernde Seenlandschaft und sind sofort am Berg. Kurz: München ist klasse. Auch wenn ihm oft der Ruf einer Snobstadt anhängt. Aber ehrlich, Idioten gibt’s überall. Und die meisten unserer Freun­ de, die nach Berlin flüchten wollten, waren schneller wieder zurück als ihre Möbel oben. Außerdem können wir uns mit Charakteren wie dem Monaco Franze alias Helmut Fischer immer noch hundertmal besser identifizieren als mit irgendwelchen Berliner Techno-Frit­ zen. Dieses Spitzbübische, das dem Münch­ ner innewohnt, lieben wir. Ein anderes Isar-Original, das uns sehr in­ spiriert, ist der Apachenhäuptling Willy Michl. Seit gut vierzig Jahren hängt er jeden Tag in Federschmuck und Indianermontur in der In­ nenstadt rum und macht Musik in bayrischer Mundart. Ein korrekter Typ, der mit seiner inoffiziellen Landeshymne „Isarflimmern“ die Magie der Stadt auf den Punkt bringt. Diese tritt für uns vor allem in Form von Nachmittagen im Englischen Garten unterm Monopteros (4) in Erscheinung. Oder im Atomic Café (1). Es ist der Ort, an dem sich die Sportfreunde Stiller kennen- und lieben gelernt haben. Wir alle haben dort hinter der

Theke gearbeitet, an manchen Tagen sogar zu dritt. Im Atomic habe ich vermutlich fast so viel Geld verdient wie ausgegeben, habe überragende wie schlimme Momente erlebt. Bin gelegentlich neben dem Klo aufgewacht, das war weniger schön. Habe aber viele Kon­ zerte hier gesehen und großartige Shows in dem orange-hellblauen Seventies-Ambiente dieses Indie-Rock-Clubs gespielt. Außerdem hab ich da meine Freundin kennengelernt und spiele wie meine Bandkollegen im clubeige­ nen Fußballverein „Atomic Allstars“. Fußball ist ein Thema, das keinen Münch­ ner unbeteiligt lässt. Außer unseren Bassis­ ten Rüdiger. Peter ist Bayern-Fan, ich bin An­ hänger der Löwen. Ein Konfliktpotenzial, das wir jeden Dienstag ausleben, in Föhring am Soccer-5-Gelände (3). Dort treffen wir uns seit Jahren allwöchentlich mit Kommilitonen und kicken in einem Netzkäfig. Damit uns der Ball nicht davonfliegt. Was aber ohnehin nicht passieren würde, schließlich spielen wir locker auf Bayern-München-Niveau. Zur Stärkung führt uns der Weg ins Weisse Bräuhaus (2). Für manche eine Touristenfalle, ich bestreite das. Es kommt nur darauf an, zur richtigen Bedienung zu gehen, zur Resl nämlich, die ist die Beste. Nicht-Münchnern sei gesagt: Wenn du nach 12 Uhr mittags eine Weißwurst bestellst, kriegst du eine Watschn.

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ISARVORSTADT

1 Atomic Café, Neuturmstr. 5 2 Weisses Bräuhaus, Tal 7 3 Soccer-5-Gelände, Münchner Str. 15, Unter­ föhring 4 Monopteros, Englischer Garten 2

1. Atomic Cafe 2. Weisses Bräuhaus 3. Soccer Five Courts 4. Monopteros Die nötige Grundlage für eine lange Nacht sind zum Beispiel Schweinshaxe und ein paar Weizenbock im Weissen Bräuhaus.

Deshalb empfehle ich abends eher Schweinshaxe oder gebackene Stierhoden, falls du noch was für deine Libido tun musst. Dazu ein Aventinus Weizenbock, ein schmack­ haftes Bier mit ein paar Umdrehungen mehr, und schon ist der Abend gerettet. Denn wie es der Zufall so will, liegt das Weisse Bräuhaus auch gleich ums Eck vom Atomic Café. Einer langen Münchner Nacht steht also nie etwas im Weg. Sportfreunde Stiller live & unplugged: 27. Dezember 2009 im Gasometer, 1110 Wien

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„Morgen um 7 Uhr früh raus?!“ DJ Craft is not amused. Und verlässt die Aftershowparty am Flughafen Tempelhof ungewohnt früh.

Nightcrawler

Kater im Zentrum Die MTV European Music Awards zu Gast in Berlin: eigentlich das perfekte Pflaster für K.I.Z., um ihrem Ruf als böse Buben des HipHop abermals gerecht zu werden. Wäre da nicht der Kater, den sie im Schlepptau hatten.

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„Kannibalen in Zivil“ oder doch „Klosterschü­ ler im Zölibat“? Um den vollen Namen der Berliner Rapper K.I.Z. ranken sich Mythen, die die bösen Buben in Interviews selbst gerne pflegen. Heute Abend aber würde wohl „Kater im Zentrum“ am besten passen. Oder „Kis­ ten im Zimmer“. Denn als Nico und DJ Craft an diesem späten Novembernachmittag in ihrem Hauptquartier in Kreuzberg eintreffen, quillt dieses vor Pappkartons förmlich über. Vierfach übereinandergestapelt, verdecken sie die goldenen Schallplatten an der Wand, Aufschriften wie „Puller, Medium“ geben Aus­ kunft über den Inhalt des Frachtguts. „Tourgepäck, hauptsächlich MerchandiseShirts mit Penis-Notenschlüssel. Morgen früh geht’s los nach Rostock“, sagt Manager Beat, der seine Fellmütze heute besonders tief ins Gesicht gezogen hat. Und auch seine Schütz­ linge wirken etwas blass. „Wir haben gestern mit Sido und den Beatsteaks auf der BerlinBeast-Party gespielt. Und es gab unfassbar viel zu trinken. Ich bin so um sechs Uhr früh ins Bett, die anderen erst um sieben“, sagt

DJ Craft und grinst tapfer. Seine beiden Band­ kollegen Tarek und Maxim haben die Nacht ­weniger gut weggesteckt. Tarek bekundet am Telefon, er hänge noch über der Kloschüssel, wie auch Maxim müsse er sich vor der anste­ henden Nacht noch etwas ausruhen. Schließ­ lich handelt es sich nicht um irgendeine Nacht: Die MTV European Music Awards gastieren zum 20. Jubiläum des Mauerfalls in Berlin. „Oh Mann, ich hatte heute morgen ein Schnitzel, das war notwendig“, sagt Beat und verdreht die Augen, als sich das Großraum­ taxi in die Kurve legt. „Bei mir gab’s Ful, so ’ne arabische Bohnenpampe mit Petersilie“, klärt Nico über sein Katerheilmittel auf, bevor das Trio sichtlich erleichtert in der Torstraße aus dem Auto steigt. Dort werden sie von Maxim vorm Nike Pop-Up Store erwartet. Bevor die Band die Award-Show entert, lässt sie sich für ihre Tour nach Sperrstunde hier noch mit Hoodies eindecken. Kann man schließlich nie genug haben. Während Maxim und Nico ins schwar­ ze Ledersofa sinken und den gestrigen Abend


more body & mind

K.I.Z. berlin

Jack Beats 19. 12. 2009 Das Logo von Jack Beats hat eine frappierende Ähnlichkeit mit Slimy von den Ghostbusters: tropfend schleimige Buchstaben. Musikalisch ist der Londoner aber weit weniger niedlich als der grüne Geist. Raviger Electro-House in Reinform, gemacht, um jede Party mit dem Proton Pack in die Luft zu jagen. Basso, Helsinki, Finnland

Jingle Bells 23. 12. 2009 „Alter, hängst du noch überm Klo?“, fragt DJ Craft (re.) seinen Kollegen am Telefon. Amüsant, finden Manager Beat (li.) und Nico. Kurz später stärkt sich Maxim (u. li.) aber schon wieder am Pizzastand Fratelli (u.).

Mit der Soulsängerin Angie Brown gibt’s heuer auch in der Brauwelt Weihnachtsstimmung. Mit festlicher Dekoration und heißen Maroni, aller­ dings mit einer Porsche-Präsentation statt Rentierschlitten und HouseTunes statt Adventliedern. Brauwelt, Salzburg, Österreich

Sunburnt Christmas 25. 12. 2009 So feiert man also in Australien Weihnachten: am Strand, mit dreißig Handtaschen-House-DJs und einer Wet-T-Shirt-Competition. Ob da der Weihnachtsmann vorbeischaut? Bondi Beach, Sydney, Australien

Kornél Kovács 29. 12. 2009

bilder: Norman Konrad

Bisher hat der junge Schwede für Vorbilder und Gleichgesinnte wie die Wighnomy Brothers, Radio Slave oder Marcel Dettmann die Plattenspieler vorwärmen dürfen. Für eine kleine Tour zieht’s den DJ und Sounddesi­ gner nun nach Japan, wo er selbst die Headliner-Rolle einnimmt. Module, Tokio, Japan

noch einmal Revue passieren lassen, ent­ deckt DJ Craft gegenüber eine Schultafel, auf der Schlagworte zu den letzten zwanzig Jah­ ren Welt- und Musikgeschichte prangen. Von „Tresor-Club“ bis „Grunge“, von „Mauerfall“ bis „Fußball-WM“. Maxim schlägt Golfkrieg als Stichwort vor und kritzelt es in eine Ecke, Nico dagegen geht’s bodenständiger an und meint: „Schreib Bier. Voll Nineties und immer noch total unterschätzt.“ Ein gutes Schlagwort: Den nächsten Nacht­ stopp legen K.I.Z. bei Fratelli in der Rosentha­ ler Straße ein. Zeit für eine Pizza, Zeit für ein erstes kühles Blondes, bevor die Band die O ² World, wo die MTV EMAs stattfinden, erreicht. Dort stößt schließlich das letzte ausstän­ dige Mitglied dazu. Tarek wirkt immer noch schlapp, lässt sich von Manager Beat das Ein­ trittsarmband anlegen. „Eigentlich haben wir da gar nicht richtig Bock drauf“, meckert er. „Wir waren vor zwei Jahren schon in München bei den EMAs, und abgesehen von unserem Treffen mit Snoop Dogg war’s fad. BusinessTypen mit ihren aufgetakelten Frauen.“

Und wirklich, schon nach gut einer Stunde verlässt K.I.Z. die Show wieder. Gelangweilt und hungrig. Lediglich DJ Craft kann einen Erfolg vermelden: „Ich hab mich ohne Akkre­ ditierung in die VIP-Zone geschmuggelt. Und neben Beyoncé und Jay-Z Bier getrunken.“ Angesprochen habe er das HipHop-Traumpaar aber nicht. Wär nicht cool gewesen, sagt er. Doch auch bei derAftershowparty im Flug­ hafen Tempelhof will keine richtige Stimmung aufkommen. Die Jungs, sonst mit Slogans wie „Guten Tag, guten Tag, wir haben dein Leben gefickt“ als schlagfertigste Crew Deutschlands bekannt, wirken kaputt. Die hohe Dichte an BProminenz tut wohl ihr Übriges, dass sich die Rapper bald auf den Heimweg machen. „Und, Jungs, nicht vergessen: Tourabfahrt ist mor­ gen um sieben Uhr!“, ruft ihnen der Manager noch nach. Eine Ansage, bei der die Gesichts­ farbe der vier Männer ein letztes Mal in dieser Nacht ins ungesund Grünliche wechselt. Neue Platte: „Sexismus gegen Rechts“ (Universal) K.I.Z. live: Air & Style, 5. 12., Bergisel, Innsbruck Das Video zum Night-Trip: redbulletin.com/kiz/de

NYE 2009 31. 12. 2009 In Anbetracht der Aussicht auf heiße Cocktails, elektrisierende HouseSounds von Mandy, Matthew Dear und Audiofly plus lateinamerikani­ scher Partylaune sollte man wohl bald einen Flug nach Mexiko buchen. Coco Maya Beach Club, Quintana Roo, Mexiko

DFA meets Horse Meat Disco 31. 12. 2009 Nachdem das phantastische DJ-Duo Horse Meat Disco schon letztes Jahr im Cargo zu Silvester die Korken hat knallen lassen, holen sich die beiden Londoner diesmal ihre New Yorker Gesinnungsgenossen vom HipsterStall DFA ins Partyboot: Holy Ghost! und Jacques Renault. Heißt: alte wie neue Disco-Hadern in Hülle und Fülle. Bevor die zur Neige gehen, geht wohl sogar der Sekt aus. Cargo, London, Großbritannien

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Read bull

Heißhunger von Nicole Makarewicz Sie hungert, seit sie sechzehn ist. Gern ­gegessen hat sie nie. Hatte keinen Appetit. Dann war alles Ekel. Sie kann nur noch Flüssiges zu sich nehmen. Strohhalm statt Besteck, ein unverzichtbares Utensil der Abgrenzung. Zu kauen, mit den Zähnen zu zerteilen, zu zerreißen, zu zermalmen, widert sie an. Zerkleinerten Nahrungsbrei mit Speichel einzuschleimen, im Mund mit der Verdauung zu beginnen, Zersetzung auf der Zunge zu spüren, vergorene Reste, die zwischen den Zähnen zurückbleiben. Abartig, widerwärtig, grauen­ erregend. Sie reduziert den Akt der Nahrungsaufnahme auf wenige Minuten täglich. Ein paar Schlucke, runter damit, Zähne putzen, schrubben, bis das Zahnfleisch blutig protestiert. Keine kollektive Speisung, kein Restaurant, keine Kantine. Bei Würstelständen, Döner- und Pizza­ buden den Blick senken, Luft anhalten, ignorieren. Sie war immer schon schlank, jetzt ist sie dünn, doch erstaunlicherweise pendelte sich ihr Gewicht ein – knapp oberhalb der Grenze zur Unterernährung. Der Busen gepusht, die Taille betont, neid­erregende Modelmaße. Ich esse nichts, ihre Erklärung. Ungläubige Missgunst die Antwort. Sie änderte ihre Strategie, erzählt von Ananas auf Kochschinken, harten Eiern und Avocados. Ihre Diät wird nachexerziert. Sie hat Ruhe. Essen bestimmt ihr Leben. Es ist anstrengend, ihm auszuweichen, zu vermeiden, andere Menschen kauen, schmatzen, schlucken zu sehen. Nahrungsverweigerung ist eine zeitaufwendige Beschäftigung. Beim Ausgehen beschränkt sie sich auf klassische Konzerte, ab und zu ein Ballett, selten Theater, nur wenn sie das Stück kennt, sich über die Inszenierung informiert hat, weiß, dass kein Essen vorkommt. In den Pausen bleibt sie sitzen, meidet das Buffet, das Theatercafé, die Bar. Sogar dort wird allzu oft Essbares kredenzt, stopfen, fressen, schlingen die Besucher Gratisnüsse und Cracker in sich hinein, als gäbe es kein Morgen. Ihre ­Phobie verleidet ihr Filme und Fernsehen, Theater und Kabarett. Viel zu oft wird ­gegessen, ist Essen ein Thema. Essen ist das eine, Sex spielt in den Medien, im ­Leben, nur eine untergeordnete Rolle, aber das sehen die anderen nicht, das erkennt nur sie. 96

Kochshows erfüllen sie mit Entsetzen. Die aufgereihten Zutaten jagen ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Prall-leuch­ tende Paradeiser, innen quatschig rot, fettglänzende Butter, wurmartige Spaghetti, krötenhäutige Avocados, pelzige Pfirsiche. Fleisch, blutig, mit Fett durchsetzt. Hingeschlachtete Fische mit vorwurfsvoll starrenden Augen. Des Lebens und ihrer Federn beraubte Vögel. Innere Organe, schleimig, glänzend. Manchmal bleibt sie wie ein Kind bei einem verbotenen Horrorfilm hängen, starrt fasziniert und vom Ekel gebeutelt hin, wenn zu Saucen, Aufläufen, Terrinen verkocht und verbraten wird. Wenn Fleisch geklopft, gehackt, faschiert wird. Wenn enthusiastische Futterfabrikanten tief ins Unerträgliche tauchen, kneten, schneiden, dünsten, arrangieren, servieren. Material für Albträume, die in die Realität überschwappen. Sie fühlt sich fremd, findet sich in der von Esskapaden durchsetzten Welt nicht zurecht. Ihre Flucht ist anstrengend. Anders zu sein liegt ihr nicht. Sie will nicht auffallen, will in der Menge verschwinden, keinen Eindruck hinterlassen. Um anonym zu bleiben, muss sie sich tarnen. Lebt ein Scheinleben, So-Tun-als-ob ist ihr zur zweiten Natur geworden, ein fadenscheiniger Umhang, der die grelle Mus­ terung ihrer Besonderheit verbirgt, sie vor Neugier, Mitleid und Ausgrenzung schützt. Bei unvermeidlichen, zum Glück raren Zusammenkünften, Weihnachtsund Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und Taufen hat sie diese Kunst zur Vervollkommnung gebracht. Sie hat sich unter Kontrolle, verschiebt das Aufgetischte mit sorgfältiger Präzision auf ihrem Teller, ­arrangiert akribisch Stillleben der Sättigung. Führt ab und zu die leere Gabel zum Mund, lobt, falls angebracht, das Aufgetischte, tarnt sich in stiller Unauf­ fälligkeit. Sie harrt gerade so lange aus, wie es die Höflichkeit erfordert. Selbst im

„Unerwartet elegant wickelt die Esserin Spaghetti auf die ­Gabel, gönnt jedem Bissen einen beinah lustvollen Blick.“

Aufbruch muss sie sich beherrschen, darf nicht erahnen lassen, dass sie auf der Flucht ist, dass sie nur weg will, dem Horror entkommen. Manchmal träumt sie davon, zu essen. Wahre Berge in sich hineinzustopfen, zu schlingen, sich die Finger abzulecken, nach mehr zu gieren, satt zu sein. In diesen Träumen ist kein Platz für Ekel, für Angst. In diesen Träumen fühlt sie sich frei, so normal, oh so normal. Wenn sie aufwacht, hält sie die Augen geschlossen, versucht, den unterschiedlichen Geschmäcken nachzuspüren, beschwört nahrhafte Visionen herauf. Doch der Ekel, ihr ewiger Begleiter, zwingt sie, die Augen aufzureißen, den Brechreiz zu unterdrücken, aufzugeben. Sie sitzt in der U-Bahn, geschützt von einer Gratiszeitungsmauer. Ein Essverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln wird überlegt. Im Moment wünscht sie sich nichts sehnlicher. Masochistische Neugier zwingt sie dazu, die Zeitung zu senken. Ihr gegenüber sitzt sie. Alles an ihr ist ­üppig, überdimensioniert, überwältigend. Ein wenig zu orangestichige rote Locken, riesige Augen, volle Lippen, ausladende Formen in einen mausgrauen Hosenanzug gequetscht, die Füße in etwas zu enge Pumps gepresst. Die betonte Schlichtheit der Kleidung konterkariert die Absicht, lässt das Ensemble zur Kostümierung ­verkommen. Sie ist nicht fett, aber sie sprengt den Rahmen, wirkt, als würde sie in keine Schublade passen, jedes Klischee ad absurdum führen. Sie strotzt vor Selbstbewusstsein – nicht das aufgesetzte Ich-mag-mich-wie-ich-bin vieler Dicker –, sondern ehrliche, in sich ruhende Zufriedenheit mit sich selbst. Sie versteckt sich nicht, drängt sich nicht in den Mittelpunkt. Sie ist einfach. Und isst. Heute ein Schokoladencroissant, gestern einen Apfel, am Montag eine Käsesemmel. Vor einer Woche hat sie sie zum ersten Mal gesehen. Und war fasziniert von der Sinnlichkeit, mit der sie isst. Genuss, Verzückung, pure Lust am Geschmack, der Konsistenz, dem Erlebnis des Essens. Angewiderte Faszination ließ sie nicht wegsehen. Am zweiten Tag durchströmte sie eine Mischung aus Entsetzen und Erleichterung, als sie die Esserin am Bahnsteig stehen sah. Seither hat sie sie nicht mehr verpasst. 8.30 Uhr, werktags. Das Wochenende war zu lange. Sie hat es kaum überstanden. Die Esserin lässt sie nicht los. „Scheint, dass wir denselben Weg ­haben.“ Die Stimme der Esserin ist tief und sanft. Eine verbale Streicheleinheit. Ertappt zuckt sie zusammen. Nickt. Die ­Esserin ignoriert ihr offensichtliches ­Unbehagen, plaudert, isst, steigt aus. „Bis morgen!“ Der freundliche Abschiedsgruß


Read bull

dröhnt in ihren Ohren. Bedrohlich, ver­ lockend, schwebt er den Rest des Tages als Damoklesschwert über ihr. Die Nacht dauert ewig. Sie wälzt sich herum, dämmert weg, nickt ein, träumt von Gelagen mit der Esserin. Augenringe markieren den nächsten Morgen. Zehn nach acht. Sie steht am Bahnsteig, drei U-Bahnen lang. Sie wartet, unterdrückt den Fluchtimpuls, zwingt sich zum Ausharren. Zwei vor halb ist die Esserin da, begrüßt sie, als würden sie einander ­kennen, gestikuliert beim Reden mit den Händen, lässt ihr keine Zeit zu antworten, selbst wenn sie Worte hätte. Der Zug fährt ein, die Esserin sitzt ihr g ­ egenüber, anerkennt ihren Wunsch nach Abstand und Nähe. Heute ist Bananentag. Die E ­ sserin bietet ihr eine an, die sie entsetzt ablehnt. Die Form, die Farbe, die Konsistenz, niemals. Die Esserin gibt sich der Banane hin. Fast schon erotisch. Reine Lebensfreude. Drei Wochen später fährt die Esserin auf Urlaub. Die Trennung macht ihr zu schaffen. Die Esserin ist ein wichtiger, zu wichtiger Teil ihres Lebens geworden. Sie ist abhängig von ihr, von den gemeinsamen Minuten, dem Unterricht im Genießen. Nicht, dass sich ihr Verhältnis zum Essen verändert hätte. Doch der Esserin zuzusehen befriedigt sie auf makabere Weise. Sie ist eine Voyeurin ihrer Nahrungsaufnahme. Seit die Esserin weg ist, ist sie von ­Verlangen überwältigt. Sie verzehrt sich nach ihr, ist auf Entzug. Ihr wird bewusst, dass sie die Esserin begehrt. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie verliebt. Verliebt in die Lebenslust der Esserin, ihre Freude am Genuss, die pure Sinnlichkeit, die sie ausstrahlt. Es erschreckt sie. Es erstaunt sie. Liebe hat es für sie nicht gegeben. Das Essen ist im Weg. Ist ihr immer im Weg. Ihr bleibt keine Zeit für Freundschaften, Beziehungen, Familie. Ihr Leben ist Vermeidung. Das hat die Esserin geändert. Zum ersten Mal will sie. Sie will die Esserin um sich haben. Will ihr beim Essen zusehen, die Faszination der Abstoßung erleben. Sie liebt die Befriedigung, das Grauen ertragen, sich ihren tiefsten Ängsten wieder und immer wieder stellen zu können. Die Esserin hat ihr die Augen geöffnet, ihren Kokon gesprengt. Und sie im Stich gelassen. In ihrer Verzweiflung ergreift sie drastische Maßnahmen. Auf den Weg zur ­Arbeit kauft sie ein. Käsesemmel, Apfel, Schokoladencroissant, Banane. Sie erinnert sich an jedes Mahl der Esserin, feiert mit dem Kauf die Begegnung, die ihr ­Leben verändert hat. Den ganzen Tag trägt sie ihre Errungenschaften bei sich. Das Essbare in ihrer Tasche erregt sie.

Sie hat verbotenes Terrain betreten, Angst, ertappt zu werden. Zwischen Lust und Abscheu hin- und hergerissen, ertastet sie verstohlen das Essen in ihrer Tasche. Ein Schauer durchläuft sie. Die Realität der Lebensmittel ist ihre Rückversicherung, hilft ihr, die Abwesenheit der Esserin zu ertragen, ist Pfand ihrer Rückkehr. Sie fiebert dem Wiedersehen entgegen und ist dennoch davon überfordert. Die Esserin ist braungebrannt, die Haare zu Hellorange ausgeblichen, brünetter Nachwuchs. Sie hat ihr ein Lederarmband mitgebracht, ihr Name in bunten Perlen aufgestickt, nichts, was sie tragen würde. Sie legt es nicht mehr ab. Die Esserin überredet sie zu einem Treffen, hat Unmengen von Fotos gemacht, Meer und Strand und Palmen und sie selbst vor Meer und Strand und Palmen. Die Esserin erzählt, beschreibt, lacht und kichert, trinkt und isst. Ein Pasta-Berg türmt sich auf ihrem Teller, eine doppelte Portion mit extra Sauce. Löffelweise häuft sie Parmesan auf die Nudeln. Die Esserin zelebriert ihr Mahl. Unerwartet elegant wickelt sie Spaghetti auf die Gabel, gönnt jedem Bissen einen fast schon lustvollen Blick, bevor sie ihn in den erwartungsvoll geöffneten, tiefrot geschminkten Mund schiebt. Sie kaut lange, füllt den Mund aus, scheint jede Nuance erschmecken, sich keine Sekunde des Erlebnisses ent­ gehen lassen zu wollen. Den Saucenrest tunkt sie mit Weißbrot auf, das sie grazil in Stücke reißt, bevor sie den Teller fast zärtlich damit entlangfährt. Beim Kauen sind ihre Augen geschlossen, gibt sie leise Laute der Verzückung von sich. Die Hingabe der Esserin hat etwas Obszön-Erotisches. Ihr zuzusehen erregt sie so sehr, dass sie versucht ist, sich unter dem Tisch Befriedigung zu verschaffen. Der für sie so abstoßende Geruch des Essens verstärkt das pulsierende Ziehen in ihrem Unterleib. Sie klammert sich an ihr Soda, die Zitrone sofort herausgefischt, ekel­ gebeutelt die Finger abgetrocknet. Neid und Lust vermischen sich zu ­einem überwältigenden Gefühlscocktail. Sie will sein wie die Esserin, leben wie die Esserin, essen wie die Esserin. Sie ist süchtig nach der Esserin, kann ihren Blick nicht abwenden, sie nicht gehen lassen. Sie redet um ihr Leben. Sie, die kaum ­jemals viele Worte macht, nur keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sich nicht in den Mittelpunkt stellen will, erzählt und plaudert und lacht sogar einmal. Sie kann sie nicht gehen lassen. Nicht schon wieder. Es ist Nacht, als sie nach Hause kommt. Sie hat die Esserin eingeladen. Zu sich nach Hause. Zum Essen. Sie hat schon lange davon phantasiert, sich vorgestellt,

dass es passieren könnte, irgendwann. Sie hat nicht damit gerechnet, den Mut aufzubringen, die Initiative zu ergreifen. Morgen. Morgen wird sie essen. Zum ersten Mal seit fast zwanzig Jahren. Die Esserin ist pünktlich und hat knallbunte Blumen mitgebracht. Sie stellt sie in eine Vase, arrangiert sie sorgfältig, versucht, Zeit zu schinden. Die Esserin ist, was in ihrem Leben einer Freundin, einer Vertrauten am nächsten kommt. Ihre ­Familie. Sie ist noch nicht bereit. Bereiter wird sie nie sein. Sie zeigt der Esserin die Wohnung, bietet ihr den Cocktail an, wartet, bis sie bewusstlos ist, hievt sie in die Badewanne – das jahrelange Krafttraining zahlt sich aus. In der Küche bindet sie sich ihre neue Schürze um, geht die Zutaten durch, ­kontrolliert, ob alles vorbereitet ist. Die Pfanne, der große Suppentopf, bereit, ­eingeweiht zu werden. Tiefkühlbeutel in ­unterschiedlichen Größen, sie hasst Verschwendung. Sie nimmt das Messer, prüft ein letztes Mal die Schärfe und geht ins Badezimmer. Sie hat sich Mühe gegeben. Der Tisch ist gedeckt, der Teller glänzt, das Besteck ist poliert. Die Leinenserviette steckt in einem gläsernen Serviettenring. Alles ist neu. ­Alles ist anders. Sie hat so lange gewartet. Der erste Bissen kostet sie Überwindung. Das Fleisch ist zarter, als sie es erwartet hat. Sie isst, bis sie satt und zufrieden ist. Und glücklich. Endlich ist sie glücklich. Sie hebt ihr Glas. „Auf dich!“

Nicole Makarewicz,

33, studierte Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Seit 1994 Redakteurin und freie Journalistin. Im April 2009 erster Roman „Tropfenweise“ im Wiener Seifert Verlag. Im Oktober 1. Preis im Forum-Land-Literaturwettbewerb 2009. Derzeit arbeitet sie an einer Sammlung von Kurzgeschichten. Mit „Heißhunger“ gewann ­Makarewicz die „12. Menülesung“, die im November in München zum Thema „Hunger“ stattgefunden hat. Das zum Text passende Rezept finden Sie auf: redbulletin.com/readbull/de Leser machen Programm Schicken Sie Ihren Text bitte an: readbull@redbulletin.at Das Thema ist frei, doch irgendwo kann eine Dose versteckt sein. Die besten Texte (4000 bis 5000 Anschläge) werden abwechselnd mit den Storys professioneller Autoren veröffentlicht.

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ko lu m n e

Durchwursteln Flexibilität statt radikaler Vorsätze: Das Motto für ein gelungenes Jahr 2010 ist einfach durchzuhalten. Ah, schon wieder Dezember. Höchste Zeit also, uns an den Küchentisch zu setzen, um die Liste mit den guten Vorsätzen fürs neue Jahr zu schreiben. Als da wären: Mit dem Rauchen aufhören. Ein paar Kilos abnehmen. Mehr Sport treiben. Ein besse­ rer Mensch werden. Doch während wir da sitzen, ahnen wir bereits, dass wir spätes­ tens am 3. Januar 2010 damit gescheitert sein werden. Wer das auch weiterhin so halten will (und einiges spricht dafür), kann an dieser Stelle aufhören zu lesen – bis zum nächsten Mal, schön, dass Sie vorbeigeschaut haben. Wer hingegen ein paar seiner Vorsätze zumindest bis in den Mai hinüberretten will, könnte weiter­ lesen. Vielleicht wird es ja diesmal was mit dem Plan, dem Idealgewicht ein paar Kilo ­näher zu kommen? Aber bevor ich den einen oder anderen Trick verrate, sollten wir uns kurz dem wahren Grund unseres alljährlichen Scheiterns zuwenden. Der liegt nämlich weniger darin, dass wir willensschwache und inkonsequente Menschen wären (na gut, ein bisschen vielleicht, keinesfalls aber mehr als die anderen!). Wir scheitern vielmehr, weil wir unsere guten Vorsätze in Form hochfliegender Pläne und radi­ kaler Beschlüsse fassen: Ab sofort keine Schokolade mehr! Jeden zweiten Tag eine Stunde joggen! Am 31. 12. um 00:00 Uhr qualmen wir die allerletzte! Versprochen! Ehrenwort! Und keine Ausnahmen!

Bevor ich Ihnen den ­einen oder anderen Trick verrate, sollten wir uns kurz dem ­wahren Grund unseres alljährlichen Scheiterns zuwenden. Doch indem wir so streng sind mit uns, erreichen wir bloß eines: dass wir schei­ tern, ja scheitern müssen. Denn radikale Vorsätze haben es an sich, dass sie durch die geringste Abweichung vom Ideal zum Einsturz gebracht werden. Meist reicht dafür ein einziges Stück Schoko oder eine einzelne Zigarette. „Oh nein“, denken wir, „ich habe ein Stück Schokolade gegessen – Ziel verfehlt“ und folgern daraus: „Jetzt ist auch schon alles egal!“ Um aus Frust sieben weitere Stück Schoko zu essen bzw. 231 Zigaretten zu rauchen. Um einiges klüger wäre es, wenn wir unsere Vorhaben deutlich flexibler und überschaubarer fassen würden. Uns ­beispielsweise vornähmen, das mit dem Abnehmen und Sporttreiben nicht ganz sooo streng zu planen. Also anstatt nur noch an der Möhre zu knabbern, aufs Dessert zu verzichten (außer es gibt den

Lieblingspudding bzw. es ist uns gerade nicht danach). Oder, anstatt mit Aufzug und Rolltreppe zu fahren, von nun an ­bevorzugt Treppen zu steigen (außer wir sind sehr müde). Also die Ausnahmen von der Regel freundlich-achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen, um am nächsten Tag mit den guten Vorsätzen einiger­maßen stur weiterzumachen. Ich weiß, das sind keine Vorsätze und Pläne, mit denen Sie atemlose Bewunde­ rung ernten werden. Vielmehr wird irgend­ ein Schlaukopf zu Ihnen sagen, Sie würden sich bloß durchwursteln. Doch anstatt diesen Vorwurf empört zurückzuweisen, sollten Sie ihm entgegnen: „Mag sein. Aber im Gegensatz zu dir habe ich nach einem Jahr nicht zwei Kilo zu-, sondern drei abgenommen, denn 150 nicht geges­ sene Desserts und 12.476 Treppen sind nicht spurlos an mir vorübergegangen.“ Sollten Sie hingegen zufällig ein Buch geschrieben haben, das sich mit dem Thema Durchwursteln beschäftigt und das „Dr. Ankowitschs Kleiner Seelen­ klempner“ heißt, empfiehlt es sich, eine kleine Kolumne zu schreiben und sich darin des Themas anzunehmen. Am ­besten, indem Sie sich den ständig schei­ ternden guten Vorsätzen zum neuen Jahr widmen. Vergessen Sie bitte nicht, am Schluss des Textes anzumerken, dass der geschätzte Kolumnenleser das Buch nicht unbedingt kaufen müsse, um sich durch­ zuwursteln, weil er das im Grunde schon beherrsche, dass sich der Autor aber durchaus darüber freuen würde, wenn doch! So in etwa würde ich das machen an Ihrer Stelle. Christian Ankowitsch, 50, ist ein öster­ reichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Sein neuestes Buch „Dr. Anko­ witschs Kleiner Seelenklempner: Wie Sie sich glücklich durchs Leben improvisie­ ren …“ erscheint im Rowohlt Verlag.

Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Nadja Žele Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Christoph Rietner Grafik Claudia Drechsler, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg Senior Illus­trator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Mitarbeiter Tom Hall, Justin Hynes, Alexander Lisetz, Ruth Morgan, Anthony Peacock, Herbert Völker, Stefan Witzel Illustratoren Mandy Fischer, Heri Irawan, Lie-Ins and Tigers Augmented Reality Martin Herz, www.imagination.at Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson, Nenad Isailovic Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler Projektmanagement Jan Cremer, Dagmar Kiefer, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien; anzeigen@at.redbulletin.com Office Management Martina Bozecsky, Claudia Felicetti Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Redaktionsbüro London 14 Soho Square, W1D 3QG, UK Telefon +44 20 7434-8600 Fax +44 20 7434-8650 Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Oberösterreichische Nachrichten, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. In Großbritannien: The Independent. In Irland: Irish Independent. In Nordirland: Belfast Telegraph. Gesamtauflage 2,3 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

Das Red Bulletin erscheint jeden ersten Dienstag im Monat. Die nächste Ausgabe gibt es am 5. Januar 2010.

illustration: albert exergian

Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist


Red Bull Crashed Ice Challenge 16.01. Nickelback 30.01. Holiday on Ice 03. – 14.02. Mario Barth 25. – 26.02. Harlem Globetrotter 12.03.

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...und viele weitere Konzert-Highlights!

OLYMPIAPARK MÜNCHEN Freizeit in der Stadt


DERSHOT, DERFLU¨GEL VERLEIHT. kunde

KLEINGENUG FU¨RS HANDGEPA¨CK, STARKGENUGFU¨RDEN LANGSTRECKENFLUG. Ob sonnenhungriger Tourist oder Anzug tragender

hellwach, um sich auf Ihre Besprechung vorzubereiten

Berufsnomade, Flugreisen können ganz schön anstrengend

oder einfach nur einen Film anzusehen. Zudem enthalten

sein. Müssen sie aber nicht. Denn mit nur 60 ml ist der

Red Bull Energy Shots keine Kohlensäure und müssen

neue Red Bull Energy Shot so klein, dass Sie ihn durch die

nicht gekühlt werden. Damit jetzt auch im Flugzeug gilt:

Sicherheitskontrolle mitnehmen können – so bleiben Sie

Red Bull verleiht Flüüügel.


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