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Überirdisches talent oder harte arbeit?

Talent kann man nicht kaufen. Man hat es oder man hat es nicht – hiess es zumindest immer. Doch ist dem auch wirklich so? Nora Angehrn ging exklusiv für GOLF SUISSE auf «Talentsuche».

Talent galt bislang als das Geheimrezept für Erfolg und Ruhm. Talent hat etwas Magisches und die Suche nach dem vermeintlichen Supertalent oder nächsten Superstar lockt regelmässig Millionen von Menschen vor den heimischen Fernseher. Doch Talent macht auch neidisch. Vor allem, wenn man es nicht hat. Denn man kann es sich weder verdienen noch kaufen. Man hat es oder man hat es eben nicht – und bleibt dann trotz intensiver Bemühungen in der Regel mittelmässig und im schlimmsten Fall glück- und erfolglos. Der Glauben an das Talent und die «Genialität» hat lange Zeit unser Denken beherrscht: Man denke nur an Goethe, Mozart und van Gogh.

Nun wird dieser Glaube von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erschüttert.

Laut einer Studie der Berliner Universität der Künste existiert weder ein «Talent-Gen» noch gibt es sonst irgendwelche Hinweise darauf, dass aussergewöhnliches Können etwas Angeborenes ist. Wissenschaftler haben in Untersuchungen an verschiedenen Probanden herausgefunden, dass die Besten ihres Faches einfach wesentlich mehr Zeit investiert hatten. Mit anderen Worten: Wer besser als die anderen ist, hat einfach mehr geübt. Der Psychologe und Talentforscher Dr. K. Anders Ericsson leitet aus den Erkenntnissen sogar eine Faustregel ab: «10 000 Übungsstunden benötigen Menschen, um aussergewöhnliche Fähigkeiten zu entwickeln», meint der US-Amerikaner. Einzige Voraussetzung: Sie müssen körperlich und geistig gesund sein. Einige würden zu Beginn zwar schneller Fortschritte machen; «mit zunehmender Übung holen die Langsameren jedoch auf.» Es folgt die Erkenntnis: Wunderkinder gibt es nicht. Talente werden nicht gefunden – sondern geschaffen. umfassende Übersicht über dieses Thema erstellt und festgestellt, dass die effektivste Lernform durch eine stark strukturierte Tätigkeit, dem so genannten «zielgerichteten Üben» auftritt.

Dessen Essenz hat bereits der ehemalige Basketballstar Michael Jordan zusammengefasst: «Ich schwitze bestimmt nicht jeden Tag drei

Diese Einschätzung verunsichert! Sie ist konträr zu den bisherigen Auffassungen der Mehrheit der Trainer. Eine Evaluation hierzu drängt sich auf, um herauszufinden, in welchem Masse die These von Anders Ericsson stimmt. Denn würde diese auch nur annähernd richtig sein, dürfte der gesamte Leistungssport keine Nachwuchsprobleme mehr haben. Es ist unumstritten, dass nachhaltiges und konzentriertes Training den Weg zum Erfolg ebnet. Die Frage ist nur, welche Art von Training ist die Beste? Viele Experten haben versucht, diese Frage zu beantworten. Die Talentforscher Ericsson, Krampe und Tesch-Römer haben eine

Stunden, nur um zu wissen, wie sich schwitzen anfühlt.»

zieLgeriChtetes üben

In Anders Ericsson’s Lektüren fand ich eine Definition des zielgerichteten Übens: «Aktivitäten, die speziell entworfen worden sind, um das gegenwärtige Niveau der Leistung zu verbessern. Zielgerichtetes Üben benötigt Aufwand und ist an sich nicht geniessbar.» Mit anderen Worten, es ist harte Arbeit und bringt nur wenige unmittelbare Belohnungen mit sich. Die Motivation, das zielgerichtete Üben durchzuführen, ist der Ansporn besser zu werden, nicht das Vergnügen.

Drill und Repetitionsübungen sind bei Gross und Klein nicht immer beliebt. Schnell wird es den Kleinen langweilig, da der Spassfaktor zu kurz kommt – der Golfschläger bleibt schlussendlich im Golfsack stecken. Also versuche ich, während der Lektionen den Drill in ein Spiel umzuwandeln und ein sogenanntes «zielgerichtetes Spiel» gemeinsam mit dem Schüler zu entwickeln. Der Einbau von kleinen Wettbewerben im Juniorentraining macht immer Spass und die Kinder können sich spielerisch im direkten Vergleich messen.

Je genauer man die Biografien von Berühmtheiten durchsieht, desto mehr verblasst die Magie rund um das Thema Talent wie eingangs erwähnt. Im Hochstuhl sitzend, beobachtete Tiger Woods seinen Vater stundenlang beim Üben von Abschlägen. Im Alter von nicht einmal einem Jahr schleifte Tiger seinen massgefertigten Schläger durch die Wohnung. Früh übt sich… Zum Erfolg braucht es ein Umfeld, das gleichermassen fördert und fordert. In Kombination mit Disziplin, Zielstrebigkeit, Ausdauer und Leidenschaft, sind diese Faktoren massgeblich am Erreichen oder Scheitern von Zielen beteiligt. Dies sind auch die Faktoren, die den Unterschied ausmachen und sogenannte erfolgreiche Menschen hervorbringen. Auch ich unterstütze die Meinung, dass Talente sich oft gleichen und lediglich im Fleiss und individuellen Charakter die signifikanten Unterschiede liegen. empfehlenswerte bücher:

- Überflieger (Outliers), Malcolm Gladwell

- Talent wird überschätzt (Talent is overrated), Geoff Colvin

Nora Angehrn ist mehrfache Schweizer Meisterin und spielte ab 1995 viele Jahre in der Schweizer Nationalmannschaft. 2004 wurde sie Profi und war u.a. 2005 Swiss PGA Matchplay Champion und gewann 2006 die WGA Classic auf der Ladies & Legends Tour in Südafrika. Ihre neue Passion ist die Nachwuchsförderung. Weitere Tipps unter: www.golfsuisse.ch

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