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Gesundheitswesen

Künstliche Intelligenz in der Strahlentherapie: Der neue Linearbeschleuniger am UKSH Kiel

Künstliche Intelligenz in der Strahlentherapie: Der neue Linearbeschleuniger am UKSH Kiel

KI (künstliche Intelligenz) kann Ärztinnen und Ärzte zukünftig in vielen Bereichen unterstützen, z. B. durch schnelle Analyse von Daten und durch Optimierung und Beschleunigung technischer Verfahren

Strahlentherapie wird seit Jahrzehnten immer häufiger zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt. Durch die rasante Entwicklung in der Rechentechnik und Automatisierung wurden enorme Fortschritte und Verbesserungen erzielt. Moderne Bestrahlungsverfahren bieten heute eine schonende und hinsichtlich der Heilungsaussicht oft eine mindestens gleichwertige Alternative zu einer Operation nicht nur bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen, sondern zunehmend auch in frühen Krankheitsstadien, z. B. bei Lungenkrebs, Prostatakrebs oder virusbedingten Rachentumoren. Vorteile der Strahlentherapie sind die geringen Risiken (z. B. keine Narkose), die gute Verträglichkeit auch im höheren Lebensalter, die geringen Interaktionen mit anderen Therapien (beispielsweise können Dauermedikamente einfach weiter eingenommen werden) und vor allem das sehr gute funktionelle Langzeitergebnis sowie die Ermöglichung des Organerhalts.

KI (künstliche Intelligenz) kann Ärztinnen und Ärzte zukünftig in vielen Bereichen unterstützen, z. B. durch schnelle Analyse von Daten und durch Optimierung und Beschleunigung technischer Verfahren. Dadurch werden Leistungssteigerungen und mehr Bequemlichkeit für Patientinnen und Patienten durch schnellere Abläufe erwartet. Seit kurzem ist weltweit erstmalig ein Linearbeschleuniger für Strahlenbehandlungen verfügbar, in dem Kl-basierte Algorithmen zur Optimierung der Bestrahlung verwendet werden. Das UKSH, einer der Vorreiter bei der Digitalisierung, verfügt jetzt als erstes Universitätsklinikum in Norddeutschland über ein solches Gerät („Ethos“). Zusammen mit dem zweiten neuen Gerät und dem TrueBeam STX, dem CyberKnife sowie einer modernen Brachytherapie ist die Strahlentherapie in Kiel also hervorragend ausgestattet.

Besonderheiten und Neuerungen am Linearbeschleuniger Ethos:

• Schnellere Bestrahlungsplanung durch Kl-basierte Algorithmen: Die bisher sehr zeitaufwändige Bestrahlungsplanung kann für viele Fälle verkürzt werden. Davon profitieren vor allem Patientinnen und Patienten mit dringend notwendiger Bestrahlung.

• Noch schnellere IMRT: Intensitäts-modulierte Radiotherapie (IMRT) ist seit einigen Jahren das Standardverfahren. Die Geschwindigkeit am Ethos übertrifft sogar das bisher schnellste IMRT-Verfahren, die sog. VMAT-Technik.

Adaptive Strahlentherapie: „Ethos“ kann vor jeder Bestrahlung den Bestrahlungsplan optimieren und sofort an die aktuellen anatomischen Verhältnisse anpassen, also Lage und Füllungszustand von inneren Organen optimal berücksichtigen, vorteilhaft z. B. bei Prostatakrebs.

„Ethos“: Das Gerät besteht aus einem Linearbeschleuniger, der im Gerätegehäuse um 360° rotierbar ist. Außerdem enthält das Gerät eine diagnostische Röntgenröhre genau wie ein Computertomografie-Gerät (CT), sodass eine sehr gute Bildgebung möglich ist. Ärztinnen, Ärzte und MTRS, die das Gerät bedienen, können mit Kameras, Lasersensoren und CT die Lagerung des Patienten überprüfen und anpassen. Neu ist: Bei Bedarf kann der Bestrahlungsplan sofort (sogar noch während der Patient auf der Liege des Geräts liegt) Kl-gesteuert angepasst werden. Durch diese Anpassung des Bestrahlungsplans werden eine bessere Dosisabdeckung des Tumors sowie eine verbesserte Schonung des gesunden Gewebes und somit eine Verbesserung der Therapieergebnisse erwartet. Dafür müssen Ärztinnen, Ärzte, MTRs und Medizinphysiker:innen Hand in Hand arbeiten.


Im Interview

PD Dr. David Krug, Stellv. Klinikdirektor:

Welche Vorteile erwarten Sie von dem neuen Gerät? Technischer Fortschritt in der Strahlentherapie hat in den letzten Jahren zu deutlichen Verbesserungen für unsere Patientinnen und Patienten geführt, sehr viel eindrucksvoller als z. B. Verbesserungen der OP-Technik. Von der mit dem Ethos-Gerät möglichen adaptiven Bestrahlung versprechen wir uns weitere wichtige Impulse, denn erstmals können wir in Echtzeit auf individuelle Veränderungen der Anatomie reagieren, die wir bislang nur beobachten konnten.

Prof. Dr. rer. nat. Frank-André Siebert, Ltd. Medizinphysiker

Welche Herausforderungen kommen auf die Physik zu? Adaptive Strahlentherapie bedeutet, dass für einen Patienten mit z.B. 20 werktäglichen Bestrahlungen nicht nur wie bisher ein einzelner Bestrahlungsplan berechnet wird, sondern bis zu 20 verschiedene Pläne, die auch bewertet und geprüft werden müssen. Auch wenn die einzelnen Pläne durch Kl-Unterstützung schneller generiert werden, ergibt sich ein erheblicher Mehraufwand für die Physiker der Klinik. Trotzdem: Wir freuen uns auf diese Herausforderung.

Prof. Dr. Jürgen Dunst, Klinikdirektor

Wo bleibt der Patient bei all der Technik? Der Patient und die Patientin mit all ihren individuellen Bedürfnissen stehen immer im Mittelpunkt, und Technik ist nur Mittel zum Zweck. Ich bin aber fest überzeugt, dass moderne Technik hilfreich und nötig ist, um auch zukünftig eine hochwertige Versorgung sicherzustellen. Vor allem auch ältere Menschen und Betroffene mit schweren Begleiterkrankungen werden vom technischen Fortschritt profitieren. Und natürlich werden wir jeden Einzelnen weiter individuell betreuen.