Videoüberwachung: schmaler Grad zwischen Kontrolle und informationeller Selbstbestimmung

Der Wunsch Kameras zur Videoüberwachung zu installieren ist allgegenwärtig. Wir wollen unser Eigentum, unsere Mieter, Arbeitnehmer oder Mitmenschen vor Randalierern, Dieben und des nachts herumstreifenden Gestalten schützen. Videokameras sollen unbefugte Personen aufzeichnen, um sie im Nachhinein identifizieren zu können oder im Vorhinein abzuschrecken. Die Beweggründe sind in vielen Fällen nachvollziehbar.

Wer etwas gegen die Überwachung einzuwenden hat (potentielle Film“opfer“, Interessierte oder Privatsphäreschützer), wird gefragt, ob er etwas zu verbergen habe. Dabei wäre die richtige Frage an dieser Stelle: „Ist die Videoüberwachung datenschutzrechtlich zulässig?“. Das ist nicht neu, sondern vielmehr seit 2002 Teil des BDSG und in Deutschland geltendes Recht. Neu ist allerdings die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25.5.2018 wirksam wird, und das die DSGVO ergänzende Datenschutz Anpassungs- und Umsetzungsgesetz-EU (DSAnpUG-EU), das das neue BDSG (BDSG-neu) enthält. Dieser Beitrag klärt Sie darüber auf, unter welchen Bedingungen schon heute und zukünftig Videoüberwachungen zulässig sind, welche rechtlichen Stolpersteine sie beachten sollten und gibt Ihnen eine Checkliste an die Hand, die Ihnen die Umsetzung erleichtert.

Videoüberwachung: zulässig?

Niemand darf „einfach so“ Videokameras installieren. Wieso? Weil die Aufnahme bewegter Bilder oftmals die Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG bzw. Art. 4 Nr. 1 DSGVO) zur Folge hat. Die Videoüberwachung ist deshalb am datenschutzrechtlichen Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt zu messen. Sie ist also grundsätzlich erstmal verboten, es sei denn, es werden unter keinen Gesichtspunkten personenbezogene Daten verarbeitet (dann fällt sie nicht in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts) oder es gibt eine Erlaubnis. Als Erlaubnis kommen zum einen Gesetze oder andere Rechtsvorschriften in Betracht oder die Einwilligung der betroffenen Person (§ 4 Abs. 1 S. 1 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO).

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit bzw. die zu prüfenden Voraussetzungen sind von der Einordnung der zu überwachenden Bereiche als öffentlich zugänglich oder nicht öffentlich zugänglich abhängig.

Öffentlich zugängliche Bereiche

Öffentlich zugängliche Bereiche sind solche Bereiche, die einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich sind. Hierzu gehören frei zugängliche Flächen wie Straßen, Parks oder Plätze, aber auch Tiefgaragen, Empfangshallen oder Innenhöfe, soweit diese nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von jedermann genutzt oder betreten werden können. Auch erfasst sind damit Zugangsbereiche zu Arztpraxen oder Anwaltskanzleien, zu denen regelmäßig grundsätzlich jedermann Zugang haben soll.

Aktuell wie auch nach der zukünftigen Rechtslage ist die Videoüberwachung in diesen Bereichen gemäß § 6b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BDSG bzw. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BDSG-neu zur Wahrnehmung des Hausrechts und zur Wahrnehmung konkret festgelegter berechtigter Interessen zulässig. Das Hausrecht steht jeweils dem unmittelbaren Besitzer zu, das heißt demjenigen der die sogenannte „tatsächliche Sachherrschaft“ innehat also darüber entscheidet, wer wann wie diese Bereiche nutzen darf bzw. können soll.

Möchte man die Überwachung auf berechtigte Interessen stützen, so stehen insbesondere Interessen wie der Schutz vor Eigentumsverletzungen und Sachbeschädigungen, die Nachvollziehbarkeit eingetretener Schäden und die Ermittlung der Schädiger im Vordergrund. Allerdings muss die Videoüberwachung für die Umsetzung des Hausrechts oder der berechtigten Interessen auch erforderlich sein, das heißt die Überwachung muss geeignet sein, die verfolgten Ziele zu erreichen und es darf kein gleich geeignetes, aber weniger beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung stehen. Der Kostenfaktor der verschiedenen Mittel darf dabei allerdings berücksichtigt werden, d.h. der Verantwortliche muss sich zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht über Gebühr belasten.

Wichtig: Hinweis auf die Videoüberwachung

Sowohl nach aktueller Rechtslage als auch zukünftig ist auf die Videoüberwachung hinzuweisen sowie der für die Überwachung Verantwortliche anzugeben (vgl. § 6 Abs. 2 BDSG bzw. § 4b Abs. 2 BDSG-neu). Zusätzlich müssen ab dem 25.5.2018 aber auch Kontaktdaten des Verantwortlichen angegeben werden, um den aufgezeichneten Personen die Wahrnehmung ihrer datenschutzrechtlichen Rechte (z.B. Recht auf Auskunft, Löschung, Sperrung) zu erleichtern. Darunter fallen jedenfalls Telefonnummer und E-Mail-Adresse.

Aufzeichnung der Aufnahmen

Mit der Videoüberwachung allein ist es oft nicht getan. Erst die Aufzeichnung und die Möglichkeit im Nachhinein Zeiträume erneut abzuspielen, erfüllen den eigentlich verfolgten Zweck. Dies ist ein eigener Verarbeitungsvorgang bezüglich personenbezogener Daten und fällt nicht mehr unter den Begriff der Überwachung. Die Aufzeichnung ist datenschutzrechtlich zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen (§ 6 Abs. 3 S. 1 BDSG bzw. § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG-neu). Eine langfristige Aufzeichnung greift regelmäßig gravierend in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der aufgezeichneten Personen ein, sodass dann schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Die Aufzeichnung sollte deshalb in der Regel zwei bis drei Tage nicht überschreiten.

Nicht öffentlich zugängliche Bereiche

Für Bereiche, die nicht öffentlich zugänglich sind, gibt es keine datenschutzrechtlichen Sonderregelungen. Es ist insoweit also auf das „allgemeine“ Datenschutzrecht zurückzugreifen. Zu prüfen sind demnach die berechtigten Interessen des Überwachenden und die gegebenenfalls entgegenstehenden überwiegenden Interessen der Betroffenen, § 28 Abs. 1 S1 Nr. 2 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO, bei Beschäftigten am Arbeitsplatz vorrangig § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG bzw. Art. 88 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG-neu. Dies ist sowohl für die Live-Aufnahme als für eine kurzzeitige Aufzeichnung zu prüfen.

Unzulässig ist dabei in den allermeisten Fällen, wenn einzelne Eingangsbereiche überwacht werden, zu denen nur wenige Personen Zugang haben (z.B. einzelne Wohnung, Einfamilienhaus). Hier steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der aufgezeichneten Personen dem Interesse des Verantwortlichen an einer Videoüberwachung entgegen. Soweit sich die Kameras unter keinen Umständen anders ausrichten lassen, kann man sich ganz praktisch dadurch behelfen, dass das Bild so verpixelt oder die Kameralinse so abgeklebt wird, dass nur die allgemeinen Bereiche aufgezeichnet werden. Nicht aufgezeichnet werden dürfen auch Umkleideräume und Toiletten – hier hat das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen stets Vorrang.

Problem: sind Videoaufnahmen biometrische Daten?

Die DSGVO ordnet erstmalig auch biometrische Daten den sensiblen Daten (besondere Kategorien personenbezogener Daten, Art. 9 Abs. 1 DSGVO, bislang § 3 Abs. 9 BDSG) zu. Das hat zur Folge, das hierfür ein besonders hohes Schutzniveau greift und die Verarbeitung nur in sehr engen Ausnahmefällen, nämlich beispielsweise zum Schutz lebenswichtiger Interessen, zulässig ist. Werden also Videokameras eingesetzt, die eine Gesichtserkennung zulassen und damit gegebenenfalls biometrische Daten verarbeitet, müssen unter Umständen die höheren Anforderungen von Art. 9 DSGVO und § 22 BDSG-neu erfüllt sein. Damit ist die Zulässigkeit der Installation von Videokameras in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen sehr genau zu prüfen. Es bleibt abzuwarten, ob die Aufsichtsbehörden sich hierzu äußern und möglicherweise Auslegungshinweise zur Videoüberwachung und der Erlaubnis von Verarbeitungen sensibler Daten veröffentlichen werden.

Einfache Lösung: Einwilligungen der Betroffenen?

Sich vor der Installation von Überwachungssystemen mit der Frage der Zulässigkeit der Überwachung und der Aufzeichnung auseinander zu setzen, klingt kompliziert und zeitaufwendig. Der durch die Videokameras erfasste Bereich muss genau geprüft, Interessen ermittelt und abgewogen werden. Ist es da nicht einfacher einfach eine Einwilligung aller Personen, die sich in dem Bereich aufhalten, einzuholen? Die klare Antwort ist: Nein!

Die Einwilligung muss zwingend vor der Datenverarbeitung stattfinden, d.h. vor Betreten des erfassten Bereichs vorliegen. Momentan ist außer in kleinen Ausnahmefällen die Schriftform erforderlich (§ 4a Abs. 1 S. 3 BDSG), d.h. es müsste sichergestellt werden, dass von den Betroffenen eine schriftliche Einwilligung eingeholt wird, bevor sie den erfassten Bereich betreten. Das ist unpraktikabel. Auch wenn zukünftig die Schriftform nicht mehr erforderlich ist (Art. 7 Abs. 1 DSGVO), empfiehlt es sich aus Gründen der laut DSGVO sicherzustellenden Nachweisbarkeit nach wie vor, nicht auf eine bloß mündlich erteilen oder gar konkludiert erklärte Einwilligung („Wenn du an diesem Schild vorbeiläufst willigst du in Überwachung und Aufzeichnung ein!“) abzustellen. Dies bleibt unpraktikabel und kann im Zweifel hohe Bußgelder zur Folge haben (bisher bis zu 300.000 Euro zukünftig sogar bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des weltweiten Vorjahresumsatzes)

Sonderfall: Geplante Videoüberwachung in Wohnungseigentümergemeinschaft

Immer häufiger entscheiden sich Eigentümer privater Wohnhäuser für Videoüberwachungen des Eingangsbereichs, der Tiefgaragen oder sogar des Innenbereichs. Besteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft, muss neben der Zulässigkeit der Maßnahme (hier: Zulässigkeit der Videoüberwachung nach datenschutzrechtlichen Vorschriften) hierüber auch ein Beschluss der Gemeinschaft getroffen werden.

Anders als im Falle von Parabolantennen handelt es sich bei Videokameras nicht um bauliche Veränderungen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, weil es sich nicht um gegenständliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums handelt, durch die das gemeinschaftliche Eigentum von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht. Vielmehr handelt es sich um eine Angelegenheit der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne von § 21 WEG. Das hat wiederum zur Folge das die Wohnungseigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit beschließen kann, die Videokameras zu installieren.

Ein solcher Beschluss kann im Rahmen einer Eigentümerversammlung beschlossen werden, wenn die Versammlung beschlussfähig ist. Notwendig ist dafür lediglich, dass die erschienenen oder vertretenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsbruchteile berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile repräsentieren. Ein Mehrheitsbeschluss liegt dann vor, wenn mehr Ja- als Nein-Stimmen vorliegen (Stimmenthaltungen werden nicht gewertet), d.h. mehr als 51 % der abgegebenen Ja-/Nein-Stimmen der erschienenen oder vertretenen Stimmberechtigten Ja-Stimmen sind.

Eine Zustimmung der Mieter muss darüber hinaus nicht eingeholt werden. Die Interessen der Mieter sind lediglich im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Videoüberwachung zu berücksichtigen. Außerdem sind die Mieter (vgl. Art 12, 13 DSGVO) über die Datenverarbeitung in Folge der Videoüberwachung zu informieren.

Ihre Checkliste

Was müssen Sie also beachten, was gilt es (vor der Installation der Videokameras) zu prüfen, welche Stolpersteine zu vermeiden? Jeder Einzelfall ist anders und deshalb auch einzeln und konkret zu beurteilen, trotzdem gibt Ihnen unsere Checkliste eine Übersicht über die wichtigsten Punkte.

Haben Sie Fragen? Planen Sie selber die Installation von Videokameras? Sind Sie Datenschutzbeauftragter und brauchen Unterstützung bei der Prüfung der Zulässigkeit? Melden Sie sich gerne bei uns! Unser Team unterstützt Sie gerne.

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