Konser­va­tismus: Was es morgen zu bewahren gilt

Foto: Shutterstock, Kiselev Andrey Valerevich
Foto: Shut­ter­stock, Kiselev Andrey Valerevich

Die US-Repu­bli­kaner haben spätes­tens mit Trump entschieden, eine rechts­po­pu­lis­ti­sche Partei zu sein. Ehemalige Mitglieder, die ihre wert­kon­ser­va­tiven Ideale (Im US-Kontext: Zuwan­de­rung, Frei­handel, Bünd­nis­treue, Ausgaben- und Fiskal­dis­zi­plin, Föde­ra­lismus) nicht verraten wollen, sind die schärfsten Kämpfer gegen den neuen Auto­ri­ta­rismus. Nicht nur in den USA muss geklärt werden: Was bedeutet es zukünftig, konser­vativ zu sein?

Konser­va­tive Parteien stecken schon lange in der Krise, ähnlich wie die Sozi­al­de­mo­kraten und liberale Parteien. Die Gründe dafür liegen nicht nur in den tief­grei­fenden globalen ökono­mi­schen, tech­no­lo­gi­schen, sozialen, poli­ti­schen und kultu­rellen Umwäl­zungen, die ihre tradi­tio­nellen Vorstel­lungen infrage stellen. Sondern auch im Popu­lismus national-völki­scher Prägung, der sich als deren Folge in allen west­li­chen Ländern breit gemacht hat. In Frank­reich führen die Repu­bli­kaner nur noch ein Schat­ten­da­sein. In Spanien hat die lange Zeit regie­rende Volks­partei bei der Wahl 2019 fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren, vor allem an die Rechte.

In den USA begann der Nieder­gang der Repu­bli­kaner lange vor Donald Trump mit dem Aufstieg der Tea-Party-Bewegung, die sich nach und nach der Partei bemäch­tigte, unter­stützt von ultra­kon­ser­va­tiven und evan­ge­li­kalen Strö­mungen und gleich­ge­sinnten Fernseh‑, Radio- und Web-Propa­gan­disten. Trump, mehr poli­ti­scher Hasardeur als Über­zeu­gungs­täter, brauchte die Ernte nur einzu­fahren, was ihm nicht nur 2016, sondern auch bei der Wahl am 4. November eindrucks­voll gelang. Am Ende seiner Präsi­dent­schaft steht seine Partei nun nach der Erstür­mung des Kongresses durch fana­ti­sierte Anhänger des abge­wählten Commander in Chief vor einem Trümmerhaufen.

CDU, CSU: Rechte Flanke offen

Im Vergleich stehen CDU und CSU noch gut da, während Christ­de­mo­kraten in anderen euro­päi­schen Ländern das Schicksal der Konser­va­tiven in Frank­reich und Spanien teilen. In Italien sind sie in einem Korrup­ti­ons­sumpf abge­storben; nur Reste ihres linken Flügels haben in der Demo­kra­ti­schen Partei überlebt. Die CDU ist dagegen am Ende der langen Kanz­ler­schaft und Führung von Angela Merkel weiterhin mit Abstand die stärkste poli­ti­sche Kraft und wird aller Voraus­sicht nach auch nach der Bundes­tags­wahl im September die Regierung anführen. Doch von einstigen Wahl­er­geb­nissen ist auch sie weit entfernt. Und die konser­va­tive Strömung in ihr, neben der sozialen und liberalen, führt ebenfalls nur noch ein Kümmer­da­sein – die Kehrseite davon, dass Merkel die Partei in die linke Mitte geöffnet hat, woraufhin Natio­nal­kon­ser­va­tive wie Alexander Gauland zur sich rechts­extrem radi­ka­li­sie­renden AfD abge­wan­dert sind.

Die Krise des Konser­va­tismus, Anfang des 19. Jahr­hun­dert als Gegen­be­we­gung gegen die fran­zö­si­sche Revo­lu­tion zur Vertei­di­gung monar­chis­ti­scher Macht­ver­hält­nisse und tradi­tio­neller Werte entstanden, geht aber viel tiefer. Schon immer war er mehr eine Haltung als klares poli­ti­sches Programm – im Kern anti­mo­dern und auch anti­li­beral. Familie, Recht und Ordnung, Leistung und Fleiß, klas­si­sche Bildung und Erziehung: Das waren und sind zum Teil bis heute seine Leit­bilder. Doch auf die Heraus­for­de­rungen der heutigen Moderne – Globa­li­sie­rung, Digi­ta­li­sie­rung, Indi­vi­dua­li­sie­rung und Multi­kul­tu­ra­lismus in Einwan­de­rungs­ge­sell­schaften – hat er keine Antworten. Es sei denn die Anver­wand­lung an rechte, popu­lis­ti­sche Bewegungen.

Das zeigt auch die „Werte­union“, die zwar den Anspruch erhebt, das konser­va­tive Erbe der Union zu vertreten, aber inhalt­lich nichts aufzu­weisen hat außer einem AfD-Abklatsch, wie ähnliche Partei­zirkel zuvor. Lange vorbei die Zeiten, wo Figuren wie Franz Josef Strauß und Alfred Dregger mächtige konser­va­tive Batail­lone anführten und ein Roland Koch in ihren Fußstapfen gegen die doppelte Staats­bür­ger­schaft von Rot-Grün mobil machte. Volker Kauder, einer der konser­va­tiven Gegner Merkels, wurde von ihr als Frak­ti­ons­chef geschickt einge­bunden. Von den Konser­va­tiven ist in der CDU seitdem nichts mehr zu hören. Selbst Markus Söder, mit Horst Seehofer 2018 noch einer ihrer Kontra­henten in der Flücht­lings­de­batte, ist längst in ihr Lager einge­schwenkt und gibt den Merkel-Bewunderer.

Gesucht: Konser­va­tive Angebote für die bürger­liche Mitte

Dabei wäre ange­sichts der tiefen Verun­si­che­rung gerade der bürger­li­chen Mitte ein zeit­ge­mäßer Konser­va­tismus dringend vonnöten, der sich dem Fort­schritt und der Moder­ni­sie­rung der Gesell­schaft nicht verschließt, aber Antworten gibt auf Fragen, die viele bewegen: Wie kann in einer Zeit der Pola­ri­sie­rung, sozialen Spaltung, Hyper-Invi­dua­li­sie­rung und starker Migration gesell­schaft­li­cher und kultu­reller Zusam­men­halt gesichert werden? Was bedeuten Heimat und Familie unter den Bedin­gungen einer frag­men­tierten, tenden­ziell entgrenzten Welt? Wie kann die soziale Markt­wirt­schaft – Marken­zei­chen und Erfolgs­mo­dell der CDU – zu einer auch ökolo­gi­schen, nach­hal­tigen werden? Und wie die innere und äußere Sicher­heit, Demo­kratie und Rechts­staat­lich­keit schützen gegen ihre Feinde?

Die US-Repu­bli­kaner, von Trump und dem Trum­pismus entkernt, haben darauf keine Antworten mehr außer rechts­na­tio­na­lis­ti­schen, anti­li­be­ralen und anti­de­mo­kra­ti­schen wie die PiS in Polen und Viktor Orbàn in Ungarn. Die CDU und die mir ihr verbun­denen Konser­va­tiven hingegen stehen vor der Aufgabe, das erfolg­reiche Erbe von Merkel zu bewahren und ihre Program­matik gleich­zeitig weiter­zu­ent­wi­ckeln. Mit der Zustim­mung zur Ehe für Alle hat die Partei 2017 einen wichtigen Schritt dahin getan: Familie kann heute auch eine gleich­ge­schlecht­liche Gemein­schaft sein, die durchaus tradi­tio­nelle Werte lebt und bewahrt wie Verant­wor­tung, Treue und Sorge für Kinder. Dass der beken­nende Schwule Jens Spahn inzwi­schen einer der belieb­testen Politiker in Deutsch­land ist und niemand sich in der Union gegen die Vorstel­lung sträubt, dass er CDU-Vorsit­zender und viel­leicht sogar Kanzler werden könnte, zeigt, dass konser­vativ und der Moderne aufge­schlossen zu sein, kein Gegensatz mehr sein müssen.

Progres­sive aller Länder, rettet den Konservatismus!

Das Bewährte zu bewahren, aber zugleich die Zukunft zu gestalten und für Neues offen zu sein; auf das Ganze zu schauen und nicht nur auf Teile der Gesell­schaft; ideo­lo­gi­schen Verhei­ßungen von links wie rechts abhold zu sein: das Alles war immer das Erfolgs­ge­heimnis eines wohl­ver­stan­denen Wert­kon­ser­va­tismus. Stuk­tur­kon­ser­va­tive wie Friedrich Merz hingegen wollen allein bestehende Macht­ver­hält­nisse sichern.

Dass der Konser­va­tismus nicht stirbt, daran müsste auch Nicht-Konser­va­tive gelegen sein. Denn was passiert, wenn er sich in puren Rechts­po­pu­lismus und ‑natio­na­lismus verwan­delt, zeigen die USA, Polen und Ungarn. Gerade den Grünen dürfte es nicht egal sein. Nicht nur, weil sie nach der Bundes­tags­wahl mit der Union regieren wollen, sondern auch weil ihr ökolo­gi­sches Kern­an­liegen zutiefst konser­vativ ist, im guten wie manchmal auch schlechten Sinne, wenn sich Klima­schützer als Volks­er­zieher und Möch­te­gern-Ökodik­ta­toren aufspielen. Schwarz-Grün könnte daher eine Chance sein, gemein­same Antworten zur Bewahrung der Umwelt, der Schöpfung wie des sozialen Zusam­men­hangs in einer sich ständig wandelnden Welt zu entwickeln.

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