Einleitung

Der Arztberuf verpflichtet zu einem lebenslangen Lernen, Anwenden und Weitergeben von medizinischem Wissen. Die Erweiterung des medizinischen Wissens sowie die kritische Auseinandersetzung mit neuen Erkenntnissen gehören ebenfalls zu den ärztlichen Aufgaben [1]. Dennoch ist die Arztrolle des Gelehrten in medizinischen Curricula verbreitet unterrepräsentiert [2,3,4,5]. Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung geben als Barrieren für eine akademische Entwicklung fehlende Fertigkeiten und einen Mangel an formaler Ausbildung an [6]. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums in Deutschland aus dem Jahr 2014 setzten daher einen Schwerpunkt in der Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenzen der Studierenden [7]. Gefordert wurden insbesondere Kompetenzen, die für das Verstehen, Anwenden und Bewerten wissenschaftlicher Konzepte und Methoden nötig sind. So sollte deren Transfer in die klinische Praxis im Rahmen der Patientenversorgung sowie in das wissenschaftliche Arbeiten ermöglicht werden. Vor dem Hintergrund einer evidenzbasierten Medizin sind diese Kompetenzen für alle Ärztinnen und Ärzte erforderlich, unabhängig davon, ob eine explizite wissenschaftliche Karriere angestrebt wird oder nicht [7, 8]. Mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) wurde ein Rahmen für die erforderlichen Kompetenzen geschaffen [9, 10]. Um die sehr unterschiedlichen oben genannten akademischen Anforderungen an eine Ärztin und einen Arzt abzubilden, bündelt die Arztrolle des Gelehrten sowohl im NKLM als auch in vergleichbaren internationalen Rahmenwerken sehr heterogene Kompetenzen [11]. Im Gegensatz zu den vergleichbaren internationalen Rahmenwerken legt der NKLM sowohl quantitativ als auch bezüglich der qualitativen Differenziertheit den Schwerpunkt auf Kompetenzen, die Ärztinnen und Ärzte befähigen sollen, selbst in der Forschung zu arbeiten [11].

Vor diesem Hintergrund wurde die Lehrveranstaltung Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin in den Modellstudiengang Mannheimer Reformiertes Curriculum für Medizin (MaReCuM) der medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg eingeführt. Ziel war es, die Studierenden durch die Teilnahme an einem realen Forschungsprojekt im Rahmen der curricularen Lehre auf Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens vorzubereiten. Durch den unmittelbaren Praxisbezug sollte wissenschaftliches Arbeiten im Rahmen der curricularen Lehre erlebbar werden. Unseres Wissens nach wurde dieser didaktische Ansatz bislang noch nicht verfolgt. In diesem Artikel beschreiben und evaluieren wir dieses innovative und kompetenzorientierte Lehrformat. Nach der Implementierung werden sich modellhaft Untersuchungen zum Erwerb von Wissenschaftskompetenzen durchführen lassen.

Projektbeschreibung

Lernziele der Lehrveranstaltung Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin

Für die Lehrveranstaltung Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin wurden acht Lernziele für die Studierenden formuliert. Diese wurden in Anlehnung an die übergeordneten Lernziele des Kapitels 6 „Die Ärztin und der Arzt als Gelehrte/-r“ des NKLM [10] formuliert oder sind diesem entnommen:

  1. 1.

    Sie können Qualitätskriterien wissenschaftlichen Arbeitens benennen und erkennen sowie Störgrößen benennen.

  2. 2.

    Sie können methodenkritische Kenntnisse bei der Planung und Auswertung wissenschaftlicher Studien nutzen.

  3. 3.

    Sie können das eigene Handeln methodenkritisch hinterfragen.

  4. 4.

    Sie können sich an ethischen Normen guter wissenschaftlicher Praxis orientieren.

  5. 5.

    Sie können sich die notwendigen wissenschaftlichen Informationen zur Beantwortung einer medizinischen Frage beschaffen.

  6. 6.

    Sie können Ergebnisse generieren, analysieren und darstellen.

  7. 7.

    Sie können Grundlagen der Studien- und Versuchsplanung benennen.

  8. 8.

    Sie können Fragebogen als Anamnesetool einsetzen und auswerten.

Aufbau der Lehrveranstaltung

Die Lehrveranstaltung Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin wurde im 5. Studienjahr in das Modul Primärversorgung implementiert und bestand aus einem Seminar mit 2 Unterrichtseinheiten (UE à 45 min), einem Kleingruppenunterricht mit einer UE sowie 2 jeweils einstündigen Untersuchungsterminen im Rahmen des Blockpraktikums Allgemeinmedizin. Während dieser Termine sollten die Studierenden reale Studienpatienten der Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz untersuchen. In der Seminardoppelstunde wurden das Projekt, an dem die Studierenden aktiv forschend teilnahmen, sowie dessen Ablauf vorgestellt. Dabei wurde der logistische Ablauf der Datenerhebung besprochen, die Studierenden wurden in die teilnehmenden Lehrpraxen eingeteilt. Im Kleingruppenunterricht wurden das Einsetzen von Fragebögen in der Wissenschaft und die in dem Forschungsprojekt konkret eingesetzten Fragebögen (paindetect, SES, SF12, START und Schmerzzeichnung) besprochen. Dazu füllten die Studierenden die Fragebögen selbst aus und werteten diese unter Anleitung im Anschluss aus. So wurden mögliche Fehlerquellen identifiziert und Strategien zur Fehlervermeidung besprochen. Im Anschluss wurden die in der Hausarztpraxis durchzuführenden klinischen Untersuchungen demonstriert und die Regeln für eine einheitliche schriftliche Dokumentation der Untersuchungsergebnisse erklärt.

Training der Praxisinhaber der am Blockpraktikum Allgemeinmedizin teilnehmenden Praxen und Ablauf der Studienteilnahme

Für das Blockpraktikum Allgemeinmedizin standen sowohl Allgemeinmedizinpraxen, die an der Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz teilnahmen (Schmerzforschungspraxen), als auch Allgemeinmedizinpraxen, die nicht an dieser Studie teilnahmen (Nichtschmerzforschungspraxen), zur Verfügung. Die Praxisinhaber aller am Blockpraktikum Allgemeinmedizin teilnehmenden Praxen wurden sowohl über die Versorgungsforschungsstudie als auch die vorliegende Lehrforschungsstudie informiert. Alle Praxisinhaber erklärten sich bereit, den Studierenden im Rahmen des 14-tägigen Blockpraktikums Allgemeinmedizin zwei Patienten mit Kreuzschmerzen einzubestellen. Die Patienten der Schmerzforschungspraxen waren zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die Studierenden bereits für einen der zwei Studienarme randomisiert (entweder Teilnahme am Case-Management-Programm Kreuzschmerz oder Teilnahme an der Kontrollgruppe). Die Patienten der Nichtschmerzforschungspraxen wurden am Tag der Untersuchung durch die Studierenden vom Praxisinhaber für die Studienteilnahme aufgeklärt und dem Studienarm Kontrollgruppe ohne Case-Management-Programm-Angebot zugeordnet (Abb. 1). Die Studierenden gaben an die rekrutierten Patienten die oben genannten Schmerzfragebögen aus und werteten diese im Anschluss aus. Darüber hinaus führten sie unter Supervision durch den jeweiligen Praxisinhaber die oben genannten klinischen Untersuchungen an den rekrutierten Patienten durch und füllten einen Diagnosebogen aus. Die Studierenden übertrugen die Untersuchungs- und Fragebogenergebnisse sowie den Diagnosebogen in ein Scoresheet zur weiteren Verarbeitung im Rahmen der Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz.

Abb. 1
figure 1

Ablauf der Versorgungsforschungsstudie „Case-Management-Programm Kreuzschmerz“

Projektevaluation

Das kompetenzorientierte Lehrformat Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin wurde am Ende des Moduls durch die Teilnehmer evaluiert. Untersucht wurde die Frage, ob die Teilnahme am Lehrformat Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin einen Einfluss auf den subjektiv wahrgenommenen Lernerfolg bezüglich der oben genannten Lernziele hat. Dabei wurde von der Annahme ausgegangen, dass Studierende, die am Lehrformat Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin teilgenommen haben, ihren subjektiven Lernerfolg signifikant höher einschätzen als Studierende, die nicht teilgenommen haben. Untersucht wurde ferner die Akzeptanz der Lehrveranstaltung sowie die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem subjektiven Lernerfolg und der Akzeptanz der Lehrveranstaltung besteht. Dabei wurde von der Annahme ausgegangen, dass ein signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen dem subjektiven Lernerfolg und der Akzeptanz der Lehrveranstaltung besteht.

Methoden

Design und Stichprobe

Das Projekt wurde mit insgesamt n = 114 Studierenden der Humanmedizin im randomisierten Versuchs-Kontrollgruppen-Design durchgeführt. Die Kontrollgruppe (KG) umfasste Studierende im 5. Studienjahr vor der Umsetzung der Einführung des kompetenzorientierten Lehrformats Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin und wurde aus der Studierendenkohorte der Lehrblöcke 3 und 4 im Studienjahr 2013/14 rekrutiert. Für die Interventionsgruppe nahmen Studierende im 5. Studienjahr nach Einführung des verpflichtenden kompetenzorientierten Lehrformats Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin der Lehrblöcke 5 und 6 im Studienjahr 2013/14 sowie des Lehrblocks 1 im Studienjahr 2014/15 teil. In der Kontrollgruppe beteiligten sich 56 Teilnehmer in den beiden Modulen Primärversorgung vor der Einführung des Lehrformats (26 weiblich und 26 männlich, 4 ohne Angabe des Geschlechts; mittleres Alter 26 Jahre). In der Interventionsgruppe (IG) mit verpflichtender Teilnahme am Lehrformat Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin als Teil des Moduls Primärversorgung waren es 58 Teilnehmer (21 weiblich und 30 männlich, 7 ohne Angabe; mittleres Alter 26 Jahre). Neben der Beteiligung an der Befragung ist auch die Beteiligung an der Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz relevant. Die Daten sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Rücklaufquote der Studierenden nach Lehrblöcken

Von den insgesamt n = 114 Studierenden befanden sich n = 78 in einem Promotionsverfahren oder hatten eine abgeschlossene Promotionsarbeit (n = 25 hatten kein Promotionsverfahren eröffnet, n = 11 ohne Angaben), n = 34 Studierende hatten eine Anstellung als Hilfswissenschaftler (n = 68 hatten keine Anstellung als Hilfswissenschaftler, n = 12 ohne Angaben), n = 16 waren unabhängig von einem Promotionsverfahren an Forschungsprojekten beteiligt (n = 87 ohne sonstige Beteiligung an einem Forschungsprojekt, n = 11 ohne Angaben), n = 5 verfügten über ein abgeschlossenes Erststudium (n = 98 ohne abgeschlossenes Erststudium, n = 11 ohne Angaben).

Material

Für die Bewertung des Lehrformats Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin wurden ein Fragebogen zur Prämessung vor der Lehrintervention und ein weiterer Fragebogen zur Postmessung nach der Lehrintervention erstellt. Beide Fragebögen enthielten jeweils mehrere Fragenblöcke mit 6‑stufigen Likert-Items (1 „stimmt überhaupt nicht“ bis 6 „stimmt genau“). Der Aufbau dieser beiden Fragebögen inkl. aller Fragenblöcke ist in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Ablauf der Untersuchung

Im Fragenblock „Inhaltliches Wissen“ konnten die Studierenden sich in 5 selbstentwickelten Aussagen zu ihrem schmerzmedizinischen Wissen einschätzen. Im Fragenblock „Inhaltliches Interesse“ konnten die Studierenden sich in 5 selbstentwickelten Aussagen zu ihrem schmerzmedizinischen Interesse einschätzen. Im Fragenblock „Subjektiver Lernerfolg“ wurde der Lernerfolg am Ende des Moduls Primärversorgung mit 9 Items erfasst. Im Fragenblock „Akzeptanz der Forschungsaufgabe“ wurde die Akzeptanz am Ende des Moduls Primärversorgung mit 6 Items erfasst.

Durchführung

Die Implementierung des Lehrformats Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin in das Modul Primärversorgung im 5. Studienjahr wurde durch die Studienkommission der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg verabschiedet. Alle teilnehmenden Studierenden wurden über die Studienziele aufgeklärt und gaben ihre schriftliche Einwilligung. Das Lehrformat Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin erfolgte für alle Studierenden des Moduls Primärversorgung verpflichtend. Die Studierenden des Lehrblocks 4 des Studienjahrs 2013/14 waren als Teilnehmer der Interventionsgruppe geplant. Sie gaben ihre schriftliche Einwilligung in die Fragebogenerhebung und nahmen an der Prä- und der Postmessung teil. Die Teilnahme an der (verpflichtenden) Lehrintervention Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin sowie an der realen Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz lehnten sie jedoch geschlossen ab. Als Grund für die Ablehnung führten sie eine zu geringe Information über die Studienziele und das subjektive Empfinden einer Ausnutzung als unbezahlte Hilfswissenschaftler an. Ihre Vorbehalte wurden aufgegriffen und durch eine verbesserte Information über die Ziele der Lehrintervention, auch unter Einbeziehung der Fachschaft sowie der studentischen Vertreter der Studienkommission, adressiert. Das bereits durch die Studienkommission verabschiedete und hier unter Projektbeschreibung beschriebene Prozedere wurde nicht verändert. In der vorliegenden Untersuchung wurden sie als „Interventionsgruppe abgelehnt“ der Kontrollgruppe zugeordnet.

Die Prämessung erfolgte während der Einführungsveranstaltung zum Modul Primärversorgung. Im Rahmen der Einführungsveranstaltung wurde das Konzept des Moduls und in der IG auch das des Lehrformats Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin den Studierenden erläutert. Offene Fragen wurden beantwortet. Die freiwillig Teilnehmenden beider Gruppen beantworteten Fragen zur Person, wie Alter, Geschlecht, Praxiserfahrungen, sowie die Fragen der in Tab. 1 aufgeführten Fragenblöcke.

Die Postmessung erfolgte am Tag der Prüfung Schmerzmedizin in der Prüfungswoche am Ende des Moduls. Alle Teilnehmer beantworteten die Fragen der in Tab. 1 aufgeführten Fragenblöcke.

Fakultätsseitig wurde die Lehrveranstaltung über den gesamten Studienzeitraum vom gleichen Dozententeam durchgeführt.

Statistische Analysen im Rahmen der Projektevaluation

Die Analyse der Daten erfolgte mit IBM SPSS Statistics Version 24 (IBM, Armonk, New York, USA). Als deskriptive Maße wurden Häufigkeiten, Mittelwerte, Standardabweichungen und Pearson-Korrelationen berechnet. Die Überprüfung der Hypothesen erfolgte mittels varianzanalytischer Auswertungen, (einfaktorieller, „mixed-design“, „repeated-measures“) ANOVA und (multipler) Regressionsanalysen. Das Signifikanzniveau aller Analysen wurde auf α = 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

In einem ersten Schritt wurden die Daten einer Ausreißeranalyse unterzogen. Für alle untersuchten Variablen lagen die standardisierte Schiefe und Kurtose innerhalb der Spannweite von −3 bis +3 [12]. Die Daten wiesen keine univariaten, bivariaten oder multivariaten Ausreißer auf. In einem zweiten Schritt wurden die Voraussetzungen für varianzanalytische Verfahren überprüft. Zur Überprüfung der Normalverteilungsannahme kam der Kolmogorov-Smirnov-Test zum Einsatz, zur Überprüfung der Varianzhomogenität der Levene-Test. Die Voraussetzungen waren für alle nachstehenden Analysen erfüllt und werden daher nicht im Einzelnen berichtet.

Hat die Teilnahme am Lehrformat Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin einen Einfluss auf den subjektiv wahrgenommenen Lernerfolg?

Zunächst wurden die fünf Gruppen dichotomisiert: an der Intervention nicht teilgenommen (KG und IG abgelehnt) und an der Intervention teilgenommen (IG 1, IG 2, IG 3). Eine einfaktorielle ANOVA mit der dichotomisierten Gruppenzugehörigkeit als unabhängige Variable und dem subjektiven Lernerfolg als abhängige Variable zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (F (1,80) = 0,38, p = 0,54). Weiterhin wurden Kontraste für alle fünf Gruppen berechnet. Paarweise Vergleiche zeigten keine signifikanten Unterschiede im subjektiv wahrgenommenen Lernerfolg zwischen den einzelnen Gruppen. Tab. 3 stellt die Mittelwerte für alle 3 Interventionsgruppen dar.

Tab. 3 Mittelwerte und Standardabweichungen des subjektiven Lernerfolgs je Interventionsgruppe

Besteht ein Zusammenhang zwischen dem subjektiven Lernerfolg und der Akzeptanz der Lehrveranstaltung Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin?

Eine einfaktorielle ANOVA mit der dichotomisierten Gruppenzugehörigkeit als unabhängige Variable und der Akzeptanz der Lehrveranstaltung als abhängige Variable zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (F (1,69) = 0,024, p = 0,88). Tab. 4 stellt die Mittelwerte für alle 3 Interventionsgruppen dar.

Tab. 4 Mittelwert und Standardabweichung der Akzeptanz der Lehrveranstaltung je Gruppe (maximale Punktzahl: 36)

Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen subjektivem Lernerfolg und Akzeptanz der Lehrveranstaltung wurden Pearson-Korrelationen für die einzelnen Gruppen sowie für Gruppencluster berechnet. In der zusammengefassten Gruppe IG 1 + IG 2 zeigte sich ein signifikanter, mittelstarker, positiver, linearer Zusammenhang zwischen dem subjektiven Lernerfolg und der Akzeptanz der Veranstaltung (r (23) = 0,49, p = 0,02). In IG 3 zeigte sich ein schwach negativer, jedoch nicht signifikanter Zusammenhang. Tab. 5 stellt die Akzeptanzmittelwerte für alle 3 Interventionsgruppen dar.

Tab. 5 Mittelwerte und Standardabweichungen der Akzeptanz der Lehrveranstaltung je Interventionsgruppe

Diskussion

Bewertung des Lehrformats Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses innovativen Lehrformats im Rahmen des Modellstudiengangs MaReCuM sollten Daten bei realen Studienpatienten der Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz und unter Praxisbedingungen erheben. So sollten sie im letzten Abschnitt des longitudinalen Wissenschaftscurriculums dieses Studiengangs die Gelegenheit erhalten, die erworbenen Kompetenzen unter Praxisbedingungen anzuwenden.

Subjektiver Lernerfolg

Am Ende des Moduls bewerteten die Studierenden der Interventionsgruppe die Aussage „Ich habe mit diesem Lernmaterial viel gelernt“ im Mittel mit „stimmt weitgehend“, die Aussage „Ich habe das Gefühl, durch die Arbeit mit der Lernumgebung viel gelernt zu haben“ mit „stimmt ein wenig“. Die Aussagen „Die Lernfälle haben mich dafür sensibilisiert, Situationen genauer zu beobachten“ sowie „Die Lernfälle haben mir eine Vorstellung davon vermittelt, wie ich mein theoretisches Wissen praktisch für mich nutzbar machen kann“ wurden ebenfalls im Mittel mit „stimmt weitgehend“ bewertet. Die Aussage „Was ich mit der Lernumgebung gelernt habe, hätte ich ebenso gut aus einem Buch gelernt“ wurde im Mittel mit „stimmt eher nicht“ bewertet. Bezogen auf den subjektiven Lernerfolg scheint die Beteiligung an einem realen Forschungsprojekt bei den Studierenden positiv bewertet worden zu sein. Der insgesamt eher geringe Lernzuwachs lässt sich durch die longitudinale Verankerung von wissenschaftlichen Inhalten im Modellstudiengang MaReCuM [13] und die Verortung der vorliegenden Lehrveranstaltung im 5. Studienjahr erklären. In diesem Ausbildungsabschnitt verfügen die Studierenden bereits über Vorkenntnisse. Darüber hinaus hatten 68 % der an der Untersuchung beteiligten Studierenden ein laufendes oder bereits abgeschlossenes Promotionsverfahren, 30 % eine Anstellung als Hilfswissenschaftler, 14 % beteiligten sich an sonstigen Forschungsprojekten und 4 % hatten ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Eine weitere Erklärung könnte in zu umfangreich bemessenen Lernzielen liegen. Mit dem gewählten Studiendesign lässt sich die Effektivität eines theoretischen Unterrichts und eines, wie in der vorliegenden Arbeit, Unterrichts mit konkretem Bezug zu einer realen Forschungsarbeit nicht vergleichen. Ausgehend von den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung bietet sich hier der Ansatz für weitere Untersuchungen.

Akzeptanz der Lehrveranstaltung Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin

Am Ende des Moduls bewerteten die Teilnehmer der Interventionsgruppe die Aussage „Die Einbindung in ein reales wissenschaftliches Projekt hat mein Verständnis über Forschungsfragen verbessert“ im Mittel mit „stimmt eher nicht“. Diese Einschätzung kann möglicherweise durch die bereits erworbenen Kompetenzen und Vorerfahrungen durch die longitudinale Verankerung von wissenschaftlichen Inhalten im Modellstudiengang MaReCuM erklärt werden. Eine Bestandsaufnahme aus dem ersten Halbjahr 2014 ergab, dass alle Lernziele der NKLM-Kapitel 6 und 14a in den Studienjahren 1–5 adressiert werden [13]. Aus dem curricularen Mapping von Eckel et al. [13] geht hervor, dass in den Studienjahren 1 und 3 Recherchetrainings mit Mitarbeitern der Bibliothek durchgeführt werden sowie eine selbstständige Literatursuche im klinischen Studienabschnitt zu verschiedenen Gelegenheiten verlangt wird. In der Vorklinik werden theoretische Grundlagen der Versuchsplanung mit kritischer Bewertung von Informationen und Quellen in den Fächern Biomathematik, medizinische Psychologie und Ethik vermittelt. Ebenfalls bereits in der Vorklinik werden in den Grundlagenfächern selbstständig Laborversuche durchgeführt und ausgewertet. Inhalte der evidenzbasierten Medizin werden dieser Erhebung zufolge verteilt über alle Studienjahre in verschiedenen Fächern vermittelt. Die Präsentation wissenschaftlicher Daten wird an mehreren Stellen des Curriculums explizit geübt, beispielsweise durch verpflichtende Referate, das Ausarbeiten von Postern sowie das Verfassen eines Abstracts. Die Autorengruppe um Eckel [13] betont den gewachsenen und in gewisser Hinsicht impliziten Charakter dieses wissenschaftlichen Curriculums im Studiengang MaReCuM. Die Studierenden der IG 2 waren darüber hinaus Teilnehmer des das Studium begleitenden Masterstudiengangs Translational Medical Research des MaReCuM. Die Nichtteilnahme an der realen Versorgungsforschungsstudie durch einige Studierende der IG kann ebenfalls Einfluss auf die Bewertung dieses Items haben. Dieser Effekt ist mit den vorliegenden Daten jedoch statistisch nicht quantifizierbar.

Die Übertragbarkeit des Gelernten auf andere medizinische Fachgebiete wurde im Mittel mit „stimmt ein wenig“ bewertet. Dieser Punkt wurde als explizites Lernziel in das Seminar der Lehrintervention Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin implementiert. Möglicherweise hat der Name der Lehrintervention an dieser Stelle den Fokus zu sehr auf Schmerzmedizin gerichtet und so die intendierte Übertragbarkeit auch auf andere medizinische Fachgebiete in der Wahrnehmung der Studierenden eingeschränkt.

Der Aspekt Ausnutzung der Studierenden als unbezahlte Hilfswissenschaftler im Rahmen der curricularen Lehre wurde im Rahmen der Implementierung durch die studentischen Vertreter der Studienkommission ausgesprochen. Vonseiten der Fakultät und des Studienteams wurde dieser Aspekt explizit adressiert und der Mehraufwand durch die Implementierung der Lehrintervention transparent in Relation zum deutlich geringeren Aufwand bei Einstellung einer wissenschaftlichen Hilfskraft zur Datenerhebung im Rahmen der realen Versorgungsforschungsstudie gesetzt. Die Darstellung erfolgte unter anderem im Rahmen der Einführung in das Modul. Am Ende des Moduls bewerteten die Teilnehmer der IG die Aussage „Die Einbindung in ein reales wissenschaftliches Projekt im Rahmen der curricularen Lehre habe ich als Ausnutzung empfunden“ im Mittel mit „stimmt eher nicht“. Diese Einschätzung belegt, dass die an verschiedenen Stellen erfolgte Information und Aufklärung über die Zielsetzungen der Lehrintervention in schriftlicher und mündlicher Form wirksam war.

Limitationen

Im ersten Durchlauf der Lehrveranstaltung konnten nicht alle in die Interventionsgruppe eingeschlossenen Studierenden auch tatsächlich an der realen Versorgungsforschungsstudie Case-Management-Programm Kreuzschmerz teilnehmen. Für die Nichtteilnahme an der realen Versorgungsforschungsstudie wurden verschiedene Gründe angegeben. Diese umfassten das Fehlen geeigneter Patienten in den jeweiligen Praxen, zeitliche Limitationen sowie die Weigerung einzelner Praxisinhaber, entgegen der Vereinbarung, am Projekt teilzunehmen. Dies schlägt sich in einer niedrigen Rücklaufquote der Scoresheets von 19 bis 55 % der erwartbaren Scoresheets nieder. Die Einflüsse dieser Limitation auf den subjektiven Lernerfolg sowie die Akzeptanz lassen sich nicht quantifizieren. Dennoch sind durch diese Faktoren negative Einflüsse auf Lernerfolg und Akzeptanz denkbar. Die aufgeführten Weigerungen durch die beteiligten Praxisinhaber sollten zukünftig adressiert werden. Der Zeitmangel stellt ein grundsätzliches Problem der ambulanten Patientenversorgung dar. Dies sollte bei der Auswahl zukünftiger Forschungsprojekte für diese Lehrveranstaltung berücksichtigt werden. Zur Erhebung der Effektivität der Lernzielvermittlung sollten bei zukünftigen Untersuchungen veröffentlichte und validierte Instrumente, wie das Comparative Self-Assessment (CSA; [14]), eingesetzt werden.

Fazit für die Praxis

Die innovative und kompetenzorientierte Lehrveranstaltung konnte erfolgreich in das Curriculum des Modellstudiengangs implementiert werden. In der begleitenden Evaluation hatte die Teilnahme an der Lehrintervention Wissenschaftliches Arbeiten im Fach Schmerzmedizin an und für sich keinen messbaren Einfluss auf den subjektiven Lernerfolg. Die Lehrintervention sollte zukünftig mit den anderen, evolutionär entstandenen Lehrveranstaltungen zu einem longitudinalen Wissenschaftsmodul verknüpft und mit Blick auf die bereits vorhandenen Vorerfahrungen der Studierenden zu einem früheren Zeitpunkt abgehalten werden. So könnte sie eine Lerngelegenheit im Bereich der Arztrolle des Gelehrten darstellen und insgesamt zu einer Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenzen beitragen. Die Implementierung der Lehrveranstaltung bietet darüber hinaus die einzigartige Gelegenheit für vergleichende Untersuchungen zum Erwerb von Wissenschaftskompetenzen sowie zum Einfluss auf die epistemologischen Überzeugungen der Studierenden im Fach Humanmedizin.