Einleitung

Video- und telefongestützte Sprechstunden eröffnen eine Reihe von Chancen in Therapie und Management von muskuloskeletalem Schmerz. Muskuloskeletaler Schmerz umfasst jede akute oder chronische schmerzhafte Erfahrung, assoziiert mit oder wahrgenommen im Zusammenhang mit Störungen oder Verletzungen des Bewegungsapparats. Ausgenommen sind Schmerzen systemischen, neurologischen oder schwerwiegenden lokalen Ursprungs [24, 50]. PatientInnen mit derartigem Schmerz werden von verschiedenen Berufsgruppen des Gesundheitssystems versorgt, unter anderem von Allgemein- und FachärztInnen, Manual- oder PhysiotherapeutInnen sowie PsychologInnen [9, 65]. Unter den BehandlerInnen bestehen allerdings Bedenken in Bezug auf Fernsprechstunden, was sich als Hindernis bei der breiten Implementierung erweisen kann. Bedenken bestehen beispielsweise in Bezug auf Therapiesicherheit und -qualität, rechtliche und regulatorische Einschränkungen, technische Machbarkeit und hinsichtlich der Frage, wie die Routinebehandlungen anzupassen sind [25, 47, 56]. Erfreulicherweise lassen sich viele Herausforderungen und Lösungen in der klinischen Praxis therapieformübergreifend verallgemeinern. Der vorliegende Beitrag richtet sich daher an alle BehandlerInnen, die an Therapie und Management von PatientInnen mit muskuloskeletalem Schmerz beteiligt sind. Er soll ihnen bei ihren Überlegungen bzw. bei der Implementierung von Fernsprechstunden als Informationsquelle dienen.

Schmerz und Beeinträchtigung, die mit Erkrankungen des Bewegungsapparats einhergehen, können eine starke Belastung darstellen. Auch wenn die meisten dieser Erkrankungen selbstlimitierend sind, profitieren die PatientInnen von einer konservativen Behandlung [9, 17, 24, 27]. Anfang 2020 sorgte jedoch die COVID-19-Pandemie für ein jähes Ende der meisten persönlichen Konsultationen, was das Interesse an alternativen Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der PatientInnenversorgung neu geweckt hat. Eccleston et al. [27] argumentieren stichhaltig, dass das Management von Menschen mit chronischen Schmerzen in einer globalen Pandemie nicht unterbrochen werden sollte, und empfehlen telemedizinische Lösungen. Praktische Orientierungshilfen für den Übergang zu solchen Leistungen und für deren Implementierung sind allerdings rar, und es besteht der zusätzliche Bedarf an Versorgungsoptionen, die über die Behandlung von PatientInnen mit persistierenden Schmerzstörungen hinausgehen, beispielsweise für die Behandlung akuter oder verletzungsbedingter Schmerzen.

Der vorliegende Beitrag umreißt die Evidenzbasis zu interpersonellen Video- und Telefonsprechstunden bei muskuloskeletalem Schmerz. Des Weiteren wird ein verallgemeinerter Praxisleitfaden für die Implementierung und Durchführung von Fernsprechstunden geboten, der auf ein Spektrum wissenschaftlicher Bereiche zurückgreift, um Sicherheit und Qualität solcher Sprechstunden zu steigern. Es werden Problemfelder beleuchtet, die im Vergleich zur persönlichen Versorgung besondere Aufmerksamkeit erfordern, wie Beziehungsaufbau, technische Aspekte und klinische Entscheidungsfindung. Auch wenn der Beitrag sich auf die nichtmedikamentösen Behandlungsansätze konzentriert, lassen sich die praktischen Überlegungen zu technischem Aufbau, Beurteilung der PatientIn, Kommunikation und Selbstmanagement auf die allgemeinmedizinische Versorgung von SchmerzpatientInnen übertragen. Speziell auf AllgemeinmedizinerInnen bezogene Orientierungshilfen und Überlegungen zur Integration von Fernsprechstunden in Gesundheitssysteme finden sich andernorts [33, 57, 58, 78, 83].

Methoden

In dem Wissen, dass fehlende Vertrautheit mit Fernsprechstunden deren Implementierung behindern kann [56], wurde eine Gruppe erfahrener WissenschaftlerInnen und TherapeutInnen einberufen. Auf Grundlage einer schnellen Literaturübersicht und der persönlichen Erfahrung im Team wurden Informationsquellen für BehandlerInnen geschaffen, um den Übergang zur telemedizinischen Praxis zu erleichtern. Die Informationsquellen wurden über verschiedene Social-Media-Foren verbreitet. Sie beinhalteten eine Webinar-Reihe in drei Sprachen, die von mehr als 1700 BehandlerInnen genutzt wurde (frei zugänglich unter: https://www.uco.ac.uk/free-remote-consultation-training-osteopaths). Unter Berücksichtigung von Rückmeldungen der BehandlerInnen wurde das vorliegende klinische Update erstellt, um so die Informationen breit verfügbar zu machen, auf die sich die Versorgung von PatientInnen mit sich entwickelndem oder bestehendem muskuloskeletalem Schmerz stützen kann, sowohl während als auch nach der COVID-19-Krise.

Ergebnisse

Evidenzbasis

Vor einer Diskussion der aktuellen Evidenzbasis für Fernsprechstunden ist anzumerken, dass sich dieses Themenfeld rasant entwickelt, es gibt ein breites Spektrum an technischen Lösungen und Forschungsmethoden. Die einzelnen Studien haben oft eine zu geringe statistische Trennschärfe, was Vergleiche zwischen Studien erschwert [71]. Alle hier vorgestellten Studienergebnisse wurden in Zeiten eines normal funktionierenden Gesundheitssystems generiert. Klinische Abläufe, wie Weiterverweisungen oder die Möglichkeit, bei Bedarf auf die persönliche Präsenzversorgung zurückzugreifen, können in einer globalen Pandemie besondere Berücksichtigung verlangen.

Zuvorderst ist die PatientInnenzufriedenheit mit dem telemedizinischen Schmerzmanagement über ein weites Feld von Interventionen und Erkrankungen hoch, wobei die PatientInnen die wahrgenommenen klinischen Vorteile, die Benutzerfreundlichkeit, die verkürzten Fahrtzeiten, geringere Kosten, verbesserte Kommunikation, Barrierefreiheit und ein verstärktes Selbstmanagement hervorheben [47, 53, 72, 75, 84, 85]. Eine Umfrage unter PatientInnen mit chronischem muskuloskeletalem Schmerz ergab, dass 43 % Optionen des telemedizinischen Schmerzmanagements dem Besuch medizinischer Einrichtungen vorziehen. Der Anteil war noch höher, wenn Telemedizin eine Kostenreduktion oder kürzere berufliche Fehlzeiten bedeutete [21].

Vielversprechend sind die Ergebnisse von Cottrell et al. [22]. Die AutorInnen berichten nicht nur eine hohe PatientInnenzufriedenheit mit der videogestützten Beurteilung durch eine PhysiotherapeutIn; es fand sich auch eine starke Übereinstimmung dieser physiotherapeutischen Beurteilungen mit persönlichen Beurteilungen und eine „nahezu perfekte“ Übereinstimmung in den Behandlungsentscheidungen. Dass eine korrekte Diagnosestellung telemedizinisch möglich ist, wurde für eine Reihe muskuloskeletaler Erkrankungen wiederholt gezeigt [11, 54, 73, 77, 80], und eine Diagnosestellung mit hoher Gewissheit ist auch eine Voraussetzung für das fortgesetzte telemedizinische Schmerzmanagement [48].

Hinsichtlich des Informationsgehalts zeigt eine neuere Studie im allgemeinmedizinischen Kontext, dass – auch wenn Länge, Qualität und Inhalt von Telefon- und Videosprechstunden mit der persönlichen Primärversorgung vergleichbar sind – die TherapeutInnen wie auch die PatientInnen womöglich weniger Informationen austauschen [40]. TherapeutInnen bemühen sich allerdings stärker um den Aufbau eines guten Verhältnisses zur PatientIn [40], möglicherweise aufgrund eines intuitiven Gespürs für die unterschiedlichen Anforderungen der Situation.

Gemäß vorliegenden Studien sind Fernsprechstunden bei chronischen und stabilen Erkrankungen, einschließlich muskuloskeletaler Schmerzen, so sicher wie die persönliche Versorgung, und es gibt kaum Evidenz, die schlechtere klinische Ergebnisse erwarten ließe [12, 51, 83, 95]. Ergebnisse einer Metaanalyse von heterogenen Studien zeigen eine klinische Wirksamkeit von Fernsprechstunden in Bezug auf körperliche Funktion, Beeinträchtigung und Schmerz bei verschiedenen muskuloskeletalen Erkrankungen und eine vergleichbare oder sogar überlegene Wirksamkeit gegenüber persönlichen Kontrollinterventionen [20]. Evidenz von beschränkter Qualität deutet darauf hin, dass eine auf körperlichen Übungen basierende telemedizinische Behandlung bei PatientInnen mit persistierendem Schmerz den Schmerz im Vergleich zu Kontrollen ohne Intervention (beispielsweise mit fortlaufendem Zugang zur Primärversorgung und allein mit edukativen Angeboten) verbessert [1]. Auch wenn mehr hochwertige Studien erforderlich sind [1], haben solche Vergleiche mit einem reduzierten Interventionsprogramm besondere Relevanz, wenn PatientInnenpopulationen mit eingeschränktem Zugang zur Primär- und Sekundärversorgung betrachtet werden. Dieselbe Metaanalyse ergab, dass telemedizinische Leistungen als Ergänzung zur Standardversorgung keine besseren Ergebnisse lieferten als übliche persönlich vermittelte Übungen allein [1].

In zwei neueren Übersichtsarbeiten wurde die Wirksamkeit von telemedizinischen Interventionen bei unspezifischem Kreuzschmerz [23] sowie bei Arthrose und Wirbelsäulenschmerz [70] analysiert. Dario et al. [23] erstellten eine Übersicht zu „telemedizinischen“ Interventionen, die hauptsächlich in automatisierten, online angebotenen Informations- und Selbstmanagementprogrammen bestanden. Die AutorInnen schlussfolgerten, dass die Belege für eine Rolle der Telemedizin in der Behandlung von Kreuzschmerz begrenzt waren. Im Gegensatz dazu analysierten O’Brien et al. [70] nur Studien zu Interventionen, die Echtzeitinteraktionen mit TherapeutInnen beinhalteten, hauptsächlich telefonisch und häufig unter Anwendung körperlicher Übungen. Auf Basis von 23 Studien waren die AutorInnen „verhalten zuversichtlich, dass telefongestützte Interventionen die Schmerzintensität und Beeinträchtigung von PatientInnen mit Arthrose und Wirbelsäulenschmerz im Vergleich zur Standardversorgung reduzieren“ (Metaanalyse von 5 Studien), auch wenn sie nicht besser als die Standardversorgung sind, weder als zusätzliche noch als alleinige Intervention [70]. Folglich ist wahrscheinlich die persönliche Interaktion und nicht etwa die bloße Bereitstellung von Informationsmaterialien ein Schlüsselelement der wirksamen telemedizinischen Versorgung.

Eine Einzelstudie zur telemedizinischen Physiotherapie, die erwähnt werden sollte, ist die Arbeit von Salisbury et al., die bislang größte Studie auf diesem Gebiet (1506 PatientInnen, 4 Zentren für Physiotherapie des National Health Service; [83]). Die PatientInnen wurden in zwei Gruppen randomisiert: Entweder erhielten sie eine telefonische Sprechstunde bei einer PhysiotherapeutIn, was eine Ersteinschätzung, standardisierte Beratung und im Verlauf bei Bedarf persönliche Präsenztermine beinhaltete, oder sie wurden auf eine Warteliste für Physiotherapietermine des National Health Service gesetzt. Lediglich 3 % der Interventionsgruppe brauchten zu Beginn einen persönlichen Termin; und nach 6 Monaten waren 47 % vollständig telefonisch versorgt. Die Ergebnisse in Bezug auf den allgemeinen Gesundheitszustand und schmerzbezogene Parameter sowie hinsichtlich der Gesundheitskosten waren in den beiden Gruppen vergleichbar. Es wurden keine unerwünschten Ereignisse berichtet.

Zahlreiche randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) zeigen, dass kognitive Verhaltenstherapien (KVT) die Funktionsfähigkeit und Stimmung von PatientInnen mit chronischem Schmerz verbessern [92, 96]. Zudem gibt es Belege, dass psychologisch fundierte Ansätze effektiv von Nichtpsychologen umgesetzt werden können, so etwa von PhysiotherapeutInnen [36, 52, 61, 87], OsteopathInnen [15] und im telemedizinischen Rahmen von KrankenpflegerInnen [82].

Nach Wissen der AutorInnen gibt es keine systematische Übersichtsarbeit speziell zu video- oder telefongestützten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen bei Schmerz. Zwei Übersichtsarbeiten mit relativ geringer Studienzahl deuten jedoch auf potenzielle positive Effekte durch teilweise oder vollständig automatisierte kognitiv-verhaltenstherapeutische und edukative Online-Programme bei PatientInnen mit chronischem Schmerz hin. Wenn auch in manchen dieser Studien neben der Bereitstellung internetbasierter Materialien kurze unterstützende Telefonanrufe durch BehandlerInnen erfolgten, waren Telefonanrufe nicht das primäre Mittel zur Erbringung der Therapie [28, 32] (auch Ref. [30]). Daten aus zwei nichtkontrollierten Beobachtungsstudien weisen auf die potenzielle Wirksamkeit von telefonisch durchgeführter KVT bei chronischem Schmerz hin [18, 64]. Zudem war in einer RCT (n = 128) eine Akzeptanz- und Commitment-Therapie per Videokonferenz einer persönlichen Akzeptanz- und Commitment-Therapie hinsichtlich der schmerzbedingten Beeinträchtigung nicht unterlegen. Auffallend war eine höhere Abbruchrate im Videokonferenzarm dieser Studie [46]. Zwei weitere RCT (n = 66–98) ergaben keinen Unterschied zwischen telefongestützter KVT und telefongestützter Supportivtherapie/Edukation in Bezug auf chronischen Schmerz, obwohl Verbesserungen innerhalb der Gruppen beobachtet wurden [14, 81].

Aus Sicht der TherapeutIn liegen die wichtigsten Herausforderungen von Fernsprechstunden in folgenden Bereichen: grundlegende technische Implementierung; interpersonelle Kommunikation und Beziehungsaufbau; Erwartungshaltung mancher PatientInnen, manuell behandelt zu werden; Anpassung klinischer Abläufe [25, 47, 75]. Übereinstimmend damit zeigen Rückmeldungen aus unseren Webinaren, dass es manchen ManualtherapeutInnen schwerfällt, sich mögliche Inhalte ihrer video- oder telefongestützten „Intervention“ oder „Behandlung“ vorzustellen. Ausgehend von der ermutigenden Evidenz zu patientInnenseitiger Akzeptanz, klinischer Sicherheit und vergleichbarer Wirksamkeit soll im Folgenden dargelegt werden, wie einige der genannten Herausforderungen bewältigt werden können.

Praktische Überlegungen

Dieser Abschnitt beschreibt detailliert praktische Aspekte, die bei der Vorbereitung auf die erstmalige Implementierung von Telefon- und Videosprechstunden zu berücksichtigen sind. Zudem wird genauer auf Rahmenbedingungen und Gesichtspunkte der Kommunikation vor, während und nach jeder Fernsprechstunde eingegangen. Einen Überblick über Schlüsselelemente bietet Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Zusammenfassung praktischer Hauptaspekte, die bei der Planung der Implementierung von Fernsprechstunden zu berücksichtigen sind. Kasten 1: erstmalige Implementierung. Kasten 2–4: vor, während und am Ende jedes Termins

Hard- und Software

Leitlinien empfehlen die bevorzugte Nutzung von Videotechnik gegenüber der Telefonie [30], obwohl es kaum Belege dafür gibt, dass sich die klinischen Ergebnisse oder die Interventionsqualität zwischen diesen Medien unterscheiden [40]. Als Vorteil von Videotechnik wird die Möglichkeit wahrgenommen, Gesichtsausdruck und Körpersprache zu beobachten, was potenziell Empathie und eine therapeutische Allianz begünstigt, zudem die Möglichkeit, PatientInnen mit muskuloskeletaler Symptomatik optisch einzuschätzen, beispielsweise in Bezug auf Bewegungseinschränkungen oder die Lokalisation der Beschwerden. Die Verwendung von zwei Geräten, wie Tablet plus Desktop-PC, oder die Nutzung eines geteilten Bildschirms kann hilfreich sein, wenn man sich während eines Termins klinische Notizen machen möchte, ohne zugleich die effektive Online-Kommunikation zu beeinträchtigen. Mit einem Headset lassen sich Umgebungsgeräusche minimieren und damit die Klangqualität verbessern.

Bei der Wahl der Software sind viele verschlüsselte Produkte verfügbar, die die BehandlerInnen für Fernsprechstunden verwenden können. Wichtig ist allerdings, dass nicht etwa der Software-Anbieter, sondern die BehandlerIn sicherstellen muss, dass die Datenschutzerklärungen der Software mit den örtlichen Datenschutzverordnungen konform gehen. Diese Bedingung erfüllen zwar viele geläufige Videoanwendungen. Professionelle Produkte für den Gesundheitssektor können aber zusätzliche Vorteile bieten, so etwa virtuelle Wartezimmer oder die Möglichkeit, der PatientIn direkt einen Link zu schicken, ohne Username, private E‑Mail-Adresse oder Mobilfunknummer der BehandlerIn offenzulegen. Neben der Tatsache, dass frei erhältliche Software (beispielsweise Skype, Zoom oder Facetime) nicht speziell für medizinische Sprechstunden entwickelt wurde, kann deren Anwendung voraussetzen, dass die PatientIn Software herunterlädt, was den Zugang erschwert. Klinische Teams sollten in ihrer jeweiligen Arbeitsumgebung verschiedene Optionen testen und dabei auf Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit für die PatientInnen sowie auf Regelkonformität achten. Im Idealfall ist die Software für Fernsprechstunden in das vorhandene klinische Datenmanagementsystem integriert. All dies kann einen IT-Support erfordern. Das Personal muss sich mit der Technik vertraut machen; zudem sollten Notfallpläne für den Fall technischer Störungen implementiert werden [38, 94].

Datenschutz

Allgemein gelten dieselben regionalen Bestimmungen für den Umgang mit und die Speicherung von PatientInnendaten wie bei persönlichen Sprechstundenterminen (beispielsweise die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union). Darüber hinaus ist möglich, dass einzelne Versicherer weitere Anforderungen stellen, wie etwa eine End-zu-End-Verschlüsselung des Kommunikationswegs. Das Aufnehmen von Videosprechstunden ist möglich und kann durchaus als Vorteil der telemedizinischen Versorgung betrachtet werden, da die PatientInnen auf solche Aufnahmen zugreifen können, etwa um sich gezeigte Übungen ins Gedächtnis zu rufen. Die Aufnahme von Sprechstunden ist allerdings mit der Schwierigkeit einer datenschutzkonformen Speicherung verbunden. Bei rechtlichen Bedenken kann man der PatientIn anbieten, den Termin selbst und mit dem eigenen Gerät aufzunehmen. Vor Anfertigung von Aufnahmen muss unabhängig von deren Zweck die Zustimmung der PatientIn eingeholt werden. Die Einwilligung ist zu dokumentieren. Ein wichtiger Punkt ist des Weiteren, dass Aufnahmen, Chatverläufe, Textnachrichten oder E‑Mail-Kommunikation mit der PatientIn kein Ersatz für förmliche PatientInnenberichte sind. Zuletzt ist ratsam, Typ und Version des verwendeten Medienkanals zu dokumentieren; Gleiches gilt für sämtliche technischen Schwierigkeiten, die eventuell die Sprechstunde unterbrochen haben.

Ablaufplanung

Vor der Durchführung von Fernsprechstunden ist es sinnvoll, alle klinischen, verwaltungstechnischen und patientInnenbezogenen Abläufe zu beschreiben, um sie dann an den telemedizinischen PatientInnenkontakt anzupassen (Abb. 2). Dazu können zählen: Terminvereinbarung; Vorabinformationen für die PatientInnen; Einwahl und Wartebereich; Bereitstellung von Informationen und Hilfsangeboten für das weitere Vorgehen; Zusendung von Überweisungsscheinen; Zahlungsabwicklung. Abläufe und Technik sollten vor dem ersten telemedizinischen PatientInnenkontakt in einer Pilotphase getestet werden, da es häufig zu technischen Schwierigkeiten kommt [25]. Mögliche Vorabinformationen für die PatientInnen sind unter anderem Empfehlungen zu zweckmäßiger Kleidung und zur geeigneten Umgebung für eine medizinische Sprechstunde (nicht im öffentlichen Raum oder in hektischer Atmosphäre), um sicherzustellen, dass die Privatsphäre geschützt ist und die PatientIn sich wohlfühlt.

Abb. 2
figure 2

Gestaltung und Erprobung des Prozesses zur Anpassung der muskuloskeletalen Schmerztherapie an Video- und Telefonsprechstunden. Vorschlag eines Flussdiagramms

Kontext und Umgebung der Sprechstunde

Es ist von Bedeutung, in welcher Umgebung eine BehandlerIn Fernsprechstunden abhält. Nicht nur muss die Privatsphäre aller Beteiligten gewahrt werden, auch unnötige Ablenkungen sind zu vermeiden (laufender Fernseher im Hintergrund, läutendes Telefon), und es sollte angemessene Arbeitskleidung getragen werden [67, 78]. Bei Verwendung von Videotechnik sollte sich die Lichtquelle über oder hinter dem Computer befinden, um die Bildqualität zu optimieren. Professionalitätsstandards, wie sie von Verwaltungsorganen skizziert wurden [31, 35, 38, 43], betonen die Notwendigkeit, hohe Verhaltensmaßstäbe am Arbeitsplatz zu bewahren, und gelten auch für die klinische Versorgung mittels Fernsprechstunden. In gleicher Weise gelten auch Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften für telemedizinische Tätigkeiten. Die Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes sowie ergonomische Aspekte müssen beachtet werden [45]. Das betrifft Faktoren wie Lichtverhältnisse, Sitzpositionierung, ausreichend Platz für praktische Tätigkeiten (beispielsweise die Vorführung von Übungen) und die Raumtemperatur. Ein aktualisierter Leitfaden zur Unterstützung von Arbeitgebern und Angestellten während längerer Home-Office-Phasen ist verfügbar [44]. Es empfiehlt sich, vergleichbare Vorkehrungen auch für die Umgebung der PatientIn zu ergreifen, sowohl hinsichtlich ihrer Privatsphäre als auch in Bezug auf praktische Aspekte wie die allgemeine Sicherheit oder das Sturzrisiko beim Üben einer Bewegung oder Aktivität.

Vorbereitung einzelner Sprechstunden

Vor jeder Sprechstunde sollten die BehandlerInnen notwendige Arbeitsmittel vorbereiten (z. B. Übungsgeräte und Informationsmaterial) und die PatientInnenberichte durchsehen. Zu Beginn der Sprechstunde ist es gute Praxis, die Identität der PatientIn zu prüfen (Name, Geburtsdatum und Adresse; [66]), insbesondere am Telefon oder in einer Videoschaltung mit einem neuen Patienten. Man sollte sich auch bei der PatientIn rückversichern, dass ihre Privatsphäre gewahrt ist. Wenn eine Begleitperson bei ihr ist, muss dies im Patientenbericht dokumentiert werden.

Kommunikation

Die PatientInnen müssen vor oder zu Beginn der Fernsprechstunde über deren Vor- und Nachteile informiert werden. Es sollte klargestellt werden, dass eine PatientIn die Sitzung jederzeit beenden kann, wenn sie es wünscht. Während der Sitzung sollten den PatientInnen die Grenzen einer Fernsprechstunde erläutert werden, mit besonderem Verweis auf die begrenzten visuellen Informationen und die eingeschränkten Untersuchungsmöglichkeiten.

Empathie, verbale und nonverbale Kommunikation

Persönliche empathische Interventionen zeigen moderate positive Wirkungen auf Schmerz und Angst und erhöhen die PatientInnenzufriedenheit bei einer Reihe von Erkrankungen und in verschiedenen Versorgungssituationen [49, 63]. Die Auswirkungen von Video- und Telefonsprechstunden auf die Empathie sind widersprüchlich. Einige Studien zeigen eine Gleichwertigkeit oder Vorteile der Telemedizin [16, 40, 72, 88], andere Studien deuten darauf hin, dass weniger empathisches Verhalten übermittelt wird oder möglich ist [25, 58]. Nach einem Vorschlag von Tates et al. sollen BehandlerInnen eine Einschränkung der nonverbalen Kommunikationsmöglichkeiten durch Verstärkung ihrer verbalen empathischen Verhaltensweisen kompensieren [88]. In Tab. 1 sind zentrale verbale und nonverbale Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Video- und Telefonsprechstunden zusammengefasst.

Tab. 1 Signalisierende Handlungen der TherapeutInnen zur Verstärkung der Empathie in Fernsprechstunden

Gemeinsame Entscheidungsfindung und Einwilligung

Die Ansprüche hinsichtlich der Einwilligung sind ähnlich wie bei persönlichen Sprechstunden: Die BehandlerIn sollte die Bedenken der PatientInnen durch aktives Zuhören, offen gestellte Fragen und Zusammenfassungen eruieren. Sie sollte die PatientInnen über Nutzen, Risiken, verfügbare Behandlungsalternativen und die möglichen Folgen einer ausbleibenden Therapie informieren. Eine Besonderheit von Fernsprechstunden ist, dass eingangs die Rahmenbedingungen besprochen werden müssen. Dies schließt das Sprechstunden-Setting und die Privatsphäre (Verzicht auf Video‑/Tonaufnahmen und Pläne für die visuelle Untersuchung der PatientIn, insbesondere wenn sie sich an einem gemeinschaftlich genutzten oder nichtprivaten häuslichen Ort befindet) sowie das erhöhte Risiko von Unterbrechungen ein.

Untersuchung und Intervention

Sichtung

Da die Sicherheit der PatientIn an erster Stelle steht, sind die Grenzen der telemedizinischen Versorgung durch individuelle Eigenschaften der PatientIn und der Erkrankung bestimmt. Ein Screening auf Alarmzeichen („red flags“) in der Versorgung von PatientInnen mit Störungen des Bewegungsapparats ist mithilfe eines klinischen Interviews weitgehend möglich, wenn man berücksichtigt, dass die Fragen möglicherweise nicht sensitiv genug sind, um schwerwiegende Erkrankungen mit ausreichender Sicherheit auszuschließen [26]. Wichtig ist jedoch, dass das telemedizinische Schmerzmanagement es den BehandlerInnen erlaubt, Symptome über die Zeit zu beobachten und bei Bedarf auf Veränderungen zu reagieren [19, 68].

Es bestehen dieselben Optionen für die Sichtung wie in der persönlichen Versorgung: Wenn der muskuloskeletale Charakter der zur Vorstellung führenden Symptome sicher festgestellt wird und eine konservative Behandlung indiziert ist, kann die Sprechstunde fortgesetzt werden. Anderenfalls ist möglicherweise eine persönliche Untersuchung, eine Überweisung an eine AllgemeinmedizinerIn bzw. eine Fachärztin/einen Facharzt oder sogar eine sofortige Zuweisung der PatientIn an den Rettungsdienst notwendig [68]. Allgemeine Leitlinien für die Sichtung von PatientInnen mit Störungen des Bewegungsapparats sind verfügbar; es empfiehlt sich, diese zurate zu ziehen [7, 9, 24]. Um die Entscheidungsfindung in Fernsprechstunden zu erleichtern, haben viele Fachgesellschaften Leitlinien publiziert, manche empfehlen auch den Aufbau eines Unterstützungsnetzwerks aus erfahrenen TherapeutInnen [4, 5, 34, 89].

Klinische Entscheidungen müssen im partnerschaftlichen Verhältnis gemeinsam mit der PatientIn getroffen werden. Weicht die Entscheidungsfindung von dem ab, was man bei persönlichen Sprechstunden erwarten würde, oder beeinflussen äußere Umstände die Entscheidung, muss dies kommuniziert und dokumentiert werden [68].

Anamnese und körperliche Untersuchung

Das Gespräch im Rahmen der PatientInnenvorstellung unterscheidet sich nicht von dem beim persönlichen Kontakt. Wie oben dargelegt, müssen aber Besonderheiten der video- und telefongestützten Kommunikation berücksichtigt werden. Bei der Beurteilung des Bewegungsapparats können sich die BehandlerInnen nicht auf die passive körperliche Untersuchung verlassen; anzumerken ist jedoch, dass diese auch beim persönlichen PatientInnenkontakt nicht die dominierende Quelle klinischer Befunde sein sollte [13, 79]. Ein eingehendes Verständnis der Erkrankung einer PatientIn durch gründliche Befragung untermauert eine gute Untersuchung und ist telemedizinisch erreichbar.

Die körperliche Untersuchung kann die PatientIn unter telefon- oder videogestützter Anleitung durch die BehandlerIn selbst übernehmen. Einfache Bewegungen oder eine Selbstabtastung mit Rückmeldungen der PatientIn können wertvolle Informationen zu Gelenkbeweglichkeit und Schmerz liefern. Die Prüfung des Bewegungsumfangs von Gelenken sowie die Einschätzung von Schmerz, Ausdauer, motorischer Kontrolle, funktionellen Aufgaben und Kraft im Rahmen einer Videokonferenz zeigen eine moderate bis ausgezeichnete Übereinstimmung mit der persönlichen Prüfung, stoßen aber wahrscheinlich bei spezifischen orthopädischen oder neurodynamischen Tests an Grenzen [62]. Auch wenn die telemedizinische neurologische Untersuchung praktikabel ist, so muss doch ihre Validität noch formal in hochwertigen Studien ermittelt werden [62]. Wo eine solche Untersuchung notwendig ist, um eine Diagnose zu sichern oder Informationen für eine Weiterverweisung zu gewinnen, kann zunächst ein persönlicher Termin gerechtfertigt sein.

Psychologisch fundierte Interventionen

Die potenziellen psychischen Auswirkungen des Beweggrunds für eine telemedizinische statt einer persönlichen Sprechstunde sind zu berücksichtigen. Quarantäne, soziale Isolation, körperliche Immobilität und das Fehlen eines unterstützenden Netzwerks haben relevante psychische Folgen [10]. Dies kann wiederum das Ausmaß des Leidens im Zusammenhang mit muskuloskeletalen Symptomen steigern. Die Kreuzschmerzinzidenz beispielsweise verdoppelt sich bei psychischer Komorbidität [41]. Telearbeit bietet die Gelegenheit, eine PatientIn flexibel bei der Beschäftigung mit wertgeschätzten Aktivitäten und körperlichem Training zu unterstützen, was ihre psychische Gesundheit und ihre Lebensqualität stärkt, wenn sie sich mit diesen Herausforderungen konfrontiert sieht.

Mit offenen, patientenzentrierten Fragen [59] lässt sich die Schmerzerfahrung aus PatientInnensicht ermitteln. Dies wiederum kann dabei helfen, gemeinschaftlich ein biopsychosoziales Konzept zu formulieren und die therapeutische Allianz durch Anerkennung der Auswirkungen des Schmerzes auf die gesamte Person zu stärken [29]. Bereiche, für deren Beurteilung sich offen gestellte Fragen anbieten, sind unter anderem die wahrgenommenen Schmerzursachen, die Auswirkungen des Schmerzes auf körperliche, soziale und emotionale Funktionen sowie Kosten und Nutzen von Schmerzmanagementstrategien.

Gemäß klinischer Erfahrung sind viele psychologisch fundierte Schmerzmanagementstrategien potenziell telefonisch oder videogestützt anwendbar. Beispielsweise können BehandlerInnen telemedizinisch mit den PatientInnen konkrete, bedeutsame, erreichbare, realistische und zeitlich definierte Ziele festlegen („specific, meaningful, achievable, realistic, and time-bound“ [SMART]). Statt beim Setzen von Zielen Vorgaben zu machen, besteht ein stärker patientInnenzentrierter Ansatz in der Erkundung, warum ein bestimmtes Ziel für eine Person von Wert ist; dabei kann die Motivation zu Verhaltensänderungen herausgearbeitet werden, besonders wenn Schmerzsymptome und kontextabhängige Einschränkungen ein mögliches Hindernis sind.

PatientInnen mit ernsten psychischen Problemen, wie aktiver Psychose, schwerer Depression/posttraumatischer Belastungsstörung oder Substanzmissbrauch, müssen gegebenenfalls einer psychologisch-psychiatrischen Versorgung zugeführt werden [52]. Auch wenn eine Erörterung von Screening-Verfahren nicht Thema dieses Beitrags ist [39, 42], sei angemerkt, dass Verfahren für psychologisch-psychiatrische Überweisungen und den Umgang mit einem aktiven psychischen Risiko bedacht werden sollten, bevor (Fern‑)Sprechstunden abgehalten werden. Eine Kultur der Supervision im Zusammenhang mit der psychologisch fundierten und telemedizinischen Praxis ist entscheidend für die Entwicklung von Fertigkeiten, die Maximierung des patientInnenseitigen Nutzens und die Risikominimierung [6].

Bestärkung und Edukation

Bestärkung („reassurance“) ist ein wesentlicher Bestandteil der Schmerzbehandlung [9]. Bei Kreuzschmerz beinhaltet die affektive Bestärkung Empathie und den Aufbau einer guten Beziehung. Sie erhöht die PatientInnenzufriedenheit, hat aber – für sich genommen – möglicherweise wenig Einfluss auf klinische Ergebnisse. Im Mittelpunkt der kognitiven Bestärkung andererseits stehen Edukation und Selbstmanagementstrategien. Sie scheint Ergebnisse zu verbessern, was auch zu weniger medizinischen Konsultationen führt. Affektive Bestärkung könnte die Wirkung der kognitiven Bestärkung steigern; in welcher Beziehung die beiden Ansätze stehen, bleibt aber unklar [76].

Der leitlinienkonforme Rat, aktiv zu bleiben [9], kann durch eine Edukation ergänzt werden, die auf eine Veränderung des Schmerzverständnisses zielt [69]. Therapeutische Wirkungen auf die Schmerzintensität sind fraglich. Eine solche Schmerzedukation ist aber telemedizinisch durchführbar, live oder auch als Aufnahme [57, 74, 91]. Zudem hat sich gezeigt, dass die Schmerzedukation bei Durchführung im direkten PatientInnenkontakt psychologische Variablen beeinflusst und körperliche Aktivität fördert [60, 90, 93, 97]. Manche BehandlerInnen werden Schulungen als Online-Angebot oder in gedruckter Form vorbereiten wollen, andere werden ihre PatientInnen auf hochwertige Online-Quellen verweisen. Eine Vereinfachung mündlich vermittelter edukativer Informationen kann die in der telemedizinischen Versorgung möglichen Verbindungsprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten reduzieren.

Beratung zu Training und körperlicher Aktivität

Training und körperliche Aktivität sind wesentliche Bestandteile der muskuloskeletalen Gesundheitsförderung und der Schmerzbehandlung [31, 86]. Eine Anleitung der PatientInnen hinsichtlich des angemessenen Ausmaßes und der geeigneten Aktivitätsform ist telemedizinisch möglich – unstrukturiert oder mithilfe von Software und Apps, die speziell für die Verschreibung von Übungen entwickelt wurden. Bevorzugt sollte ein Programm verwendet werden, in dem man Übungen im Videoformat ansehen kann, oder man greift auf frei verfügbare Übungsvideos zurück, damit technische Aspekte detailgenau vermittelt werden können. Mobile PatientInnen-Apps können der PatientIn das Mitmachen erleichtern, einen einfachen Zugang ermöglichen und die Adhärenz verbessern [8, 55]. Zur Gewährleistung der Chancengerechtigkeit sollte Software das Ausdrucken von Übungsprogrammen erlauben, damit man diese postalisch an PatientInnen ohne Zugang zu moderner Technik senden kann.

Beendigung der Sprechstunde

Am Ende eines Termins ist es sinnvoll, die PatientIn um Bestätigung der Sprechstundenergebnisse zu bitten. Es sollte Zeit für eventuell erforderliche Präzisierungen eingeplant und Raum für weitere Fragen gegeben werden. Dann muss geklärt werden, wie die PatientIn nach dieser Sprechstunde kontaktiert werden möchte. Die BehandlerInnen müssen klar darlegen, ob weitere Termine angeraten sind und in welcher Form diese stattfinden können (Zweck, verwendete Medien, Dauer und Kosten). Es sollte sichergestellt werden, dass alle Beteiligten die korrekten Kontaktdaten haben.

Am Ende der Sprechstunde ist der ausdrückliche Hinweis wichtig, dass der Anruf nun beendet wird. Einen abrupten Abbruch könnte die PatientIn als unhöflich wahrnehmen [37]. Gibt es keine unmittelbaren physischen oder subjektiven Ergebnisse, wie eine vorübergehende Schmerzlinderung nach manueller Therapie, kann sich die Vereinbarung eines kurzen Kontrollanrufs anbieten, um Symptomentwicklung und Funktionsfähigkeit, Angemessenheit des Behandlungsplans und jegliche Schwierigkeiten im Umgang mit den gegebenen Ratschlägen zu beurteilen.

Rechtliche und regulatorische Aspekte

In vielen Ländern haben Fachgesellschaften Leitlinien zum Thema Fernsprechstunden veröffentlicht [2,3,4,5, 34, 89], und viele von diesen wurden während der COVID-19-Pandemie aktualisiert [33]. BehandlerInnen sollten immer ihre aktuellen nationalen, berufsspezifischen Leitlinien zurate ziehen. Im Allgemeinen erlauben diese Leitlinien tendenziell die flexible Anwendung von Technik, zugleich betonen sie das Erfordernis, vor dem Hintergrund veränderter Umstände die jeweiligen fachlichen Standards zu bewahren, sowie die Notwendigkeit eines fachlichen Urteils in der Risikobewertung jedes einzelnen Falls. Häufig schließt das mit ein, die Grenzen telemedizinischer Technik zu erkennen und diese der PatientIn klar zu kommunizieren, um so eine fundierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.

Ein Haftungsschutz in Bezug auf die geplante Sprechstunde sollte bestehen, auch unter Berücksichtigung der Sprechstundenform (einzeln oder in der Gruppe), der verwendeten Medien und des geografischen Standorts von PatientIn und BehandlerIn. Bei Zweifeln sollten BehandlerInnen direkt ihren Versicherer kontaktieren.

Unterstützungsnetzwerk unter Kollegen

Für viele BehandlerInnen ist die Durchführung von Fernsprechstunden eine Fertigkeit, die sie sich neu aneignen müssen. Dies ist zwar selten Inhalt der Ausbildung, mittlerweile sind aber Webinare allgemein verfügbar (siehe https://www.uco.ac.uk/free-remote-consultation-training-osteopaths). Parallel zur Praxis bei direktem PatientInnenkontakt empfehlen wir die Bildung von Gruppen zur gegenseitigen Unterstützung unter Berufskollegen, um die berufliche Entwicklung voranzutreiben und die Versorgung zu verbessern. Als eine Möglichkeit haben wir die „MSK telephone & video consultation group“ auf Facebook gegründet. Interessierte Leser sind eingeladen beizutreten.

Diskussion

Fernsprechstunden bei muskuloskeletalem Schmerz sind praktikabel und allgemein vertretbar. Es liegen einige Belege vor, dass sie in ihrer Wirksamkeit mit der persönlichen Versorgung vergleichbar sind. In Tab. 2 sind relevante Herausforderungen und Vorteile von Fernsprechstunden einander gegenübergestellt. Abgesehen von allgemeinen Situationen, in denen eine konservative Versorgung der PatientIn kontraindiziert ist, besteht eine wichtige Einschränkung telemedizinischer Sprechstunden in den potenziell ungleichen Zugangsmöglichkeiten auf Grundlage der Verfügbarkeit von technischer Ausstattung sowie der Medienkompetenz von BehandlerIn und PatientIn. In solchen Fällen empfiehlt es sich, Sprechstunden am Telefon zu halten oder – soweit vorhanden – das soziale Netzwerk der PatientIn für die technische Einrichtung zu nutzen. Wie bei den meisten klinischen Interventionen ist es auch wahrscheinlich, dass andere individuelle PatientInnenmerkmale Einfluss auf die Praktikabilität und Wirksamkeit der telemedizinischen Schmerzbehandlung haben. Bislang gibt es allerdings keine Studien zu dieser Thematik.

Tab. 2 Vor- und Nachteile der telefon- oder videogestützten Versorgung bei muskuloskeletaler Schmerztherapie

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die praktische Implementierung von Fernsprechstunden zu erleichtern, unter Betonung des Erfordernisses einer gewissenhaften Planung und Erprobung. Ein Fokus liegt auch auf besonderen Aspekten wie Beziehungsaufbau, telemedizinischer Beurteilung der PatientIn und „interventionellen“ Ansätzen. Ein Thema, das den gesamten Beitrag durchzieht, ist die Notwendigkeit einer bedachtsamen und patientInnenzentrierten Kommunikation. Durch Nutzung von Technik für das telemedizinische Schmerzmanagement von PatientInnen und durch Investition von Zeit in die Entwicklung der erforderlichen Kommunikationsfähigkeiten erwerben und entwickeln BehandlerInnen Fertigkeiten, die direkt auf die klinische Praxis im unmittelbaren PatientInnenkontakt übertragbar sind. Zugleich ermöglicht die Umsetzung von Fernsprechstunden den einfachen Zugang zu allgemeiner und hochspezialisierter Versorgung, mit entsprechendem Nutzen für PatientInnenpopulationen, die ansonsten von solchen Angeboten ausgeschlossen wären.