Zusammenfassung
Dem Grad der empfundenen Persönlichkeitsübereinstimmung zwischen Marke und Konsument wird für die Entwicklung positiver kaufverhaltensrelevanter Dispositionen (KVD) besondere Bedeutung zugesprochen. Jedoch ist der Selbstkongruenzeffekt (SKE) bei zuletzt von Bauer et al. (2006) metaanalytisch untermauertem hohen Signifikanzniveau nur durch eine moderate Verhaltensbeeinflussung gekennzeichnet, deren Ursache bisher unerforscht ist. Insbesondere bleiben Untersuchungen aus, die ermitteln, inwieweit die Berücksichtigung physischer Selbstkongruenzempfindungen die Verhaltenswirkung des SKE über das traditionell moderate Niveau hinaus steigern könnte. Zusätzlich mangelt es an Wissen über die gezielten Umsetzungsmöglichkeiten der identifizierten Selbstkongruenzerkenntnisse. Ohne entsprechende Kenntnisse aber bleibt die Umsetzung der Selbstkongruenztheorie weiterhin dem Trial-and-Error-Prinzip vorbehalten. Der vorliegende Beitrag widmet sich dem bisherigen Stand der Selbstkongruenzforschung (SKF), der seit den 1980er Jahren keiner umfassenden Systematisierung unterzogen wurde. Die bestehenden metaanalytischen Ergebnisse werden dabei um theoretische Erkenntnisse angrenzender Forschungsrichtungen ergänzt, deren Synthese einem interdisziplinär ausgerichteten Verständnis des SKE dienlich ist. Darauf aufbauend werden die verbleibenden Direktiven der SKF hergeleitet, die sowohl im Bereich der Effektstärkenforschung als auch im Bereich der Ermittlung von Umsetzungsmöglichkeiten der Selbstkongruenztheorie durch das praktizierende Markenmanagement liegen.
Abstract
Great importance is attached to the perception of personality matches between brand and consumers regarding its impact on purchase behaviour and purchase behaviour antecedents. The latest metaanalysis of Bauer et al. (2006) confirmed the high level of significance of selfcongruity effects but drew also attention to the moderate level of the average total effects whose reasons are still unexplored. In particular selfcongruity research lacks knowledge about the relevance of physical self congruity perceptions that may enhance traditionally moderate levels of self congruity effects if included in self congruity measures. Additionally possible tracks of implementing selfcongruity research findings in practice are still unexplored. As knowledge of how to force selfcongruity perceptions is missing, yet the application of selfcongruity theory is subjected to trial-and-error-principles. This article dedicates to the actual state of the selfcongruity research that has not been systematised extensively since the nineteen-eighties. Existing metaanalytical results are supplemented by deepening theoretical knowledge of complementary areas of research. The resulting synthesis leads to an interdisciplinary comprehension of self congruity effects. On the basis of these explanations detailed findings are provided concerning research directives that still necessitate investigation: research in levels of self congruity effects as well as research in possibilities of implementing self congruity knowledge in daily brand management.
Notes
Zum Verständnis der weiteren Ausführungen sei darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung des Selbstkonzepts vom Begriff der Persönlichkeit über die beinhalteten Attribute erfolgt. Die Gesamtheit an psychologischen Merkmalen einer Person determiniert seine Persönlichkeit, wohingegen die Ergänzung der Persönlichkeit um physische Attribute, im Sinne von körperlichen Eigenschaften eines Individuums sowie Kenntnissen über Erlebtes und über die eigene Umgebung sein Selbstkonzept subsumieren. Vgl. Hall und Lindzey 1957, S. 467; Mehta 1999, S. 82; Tesser et al. 2002, S. 174).
Als Bündelung individuell vorliegender Informationen setzten sich Schemata aus einzelnen, gegenstandsbeschreibenden Wissenskomponenten zusammen, die hierarchisch organisiert sind/kategoriebezogen abgerufen/aktiviert werden können. Vgl. bspw. Schank und Abelson (1977), S. 42 ff.
Unter dem Begriff der Selbstregulation versteht die Sozialpsychologie die Fähigkeit, die eigens formulierten Ziele auf der Verhaltensebene umzusetzen. Vgl. Werth und Mayer (2008), S. 169.
Als Personen mit überlegener/unterlegener Befähigung werden solche bezeichnet, die das vergleichende Individuum in Bezug auf eine bestimmte Fähigkeit oder Eigenschaft als besser/schlechter ansieht. Vgl. Werth und Mayer (2008), S. 167.
Hier führen aufwärtsgerichtete Vergleiche zu Verhaltensänderungen.
Hier wiederum führen abwärtsgerichtete und laterale Vergleiche zu einer Verhaltensbeibehaltung.
Lediglich in den Niederlanden wurden sechs Persönlichkeitsdimensionen zur Beschreibung von Marken identifiziert. Vgl. Smit et al. 2002, S. 15, 19.
Vereinzelt werden das Selbstkonsistenz-Motiv/das Motiv der Selbstwerterhöhung um ein soziales Konsistenz-Motiv sowie ein soziales Anerkennungs-Motiv ergänzt. Vgl. Millham und Jacobson (1978), S. 371 ff.
An einigen Stellen wird in der Literatur eine übergeordnete Dominanz des Selbstwerterhöhungs-Motivs gegenüber dem Selbstkonsistenz-Motiv hypothetisiert (vgl. Sirgy 1982b, S. 130; Hong und Zinkhan 1995, S. 61). Zwar konnte dieser Annahme bis dato keine Allgemeingültigkeit verliehen werden (vgl. Bauer et al. 2006, S. 841 f.), allerdings existieren offensichtlich auch in diesem Zusammenhang Unterschiede im verhaltensbezogenen Beeinflussungspotenzial beider Motive in Abhängigkeit vom Grad der individuellen Selbstüberwachung. Während extensive Selbstüberwacher durch ihre starke Fremdorientierung stärker durch das Motiv der Selbstwerterhöhung geleitet werden, sind geringfügige Selbstüberwacher eher durch Bestrebungen der Selbstkonsistenz handlungsmotiviert (vgl. Snyder et al. 1975, S. 641; Snyder 1979, S. 102 f.; Aaker 1999, S. 48 ff.; Brehm et al. 1999, S. 85; Bauer et al. 2002, S. 692 f.).
Als tatsächlichkeitsbezogene Selbstkongruenz wird die wahrgenommene Übereinstimmung zwischen tatsächlichem Selbstkonzept und der als Referenzpunkt für den Selbstabgleich herangezogenen Markenpersönlichkeit verstanden. Dies gilt ebenso für den Begriff der idealbezogenen, sozialen und ideal-sozialen Selbstkongruenz sowie die analog betitelten SKE.
Der Besitz von Marken wird als (post Erwerbs-) Ausdruck vorliegender Präferenzstrukturen für selbstkongruent empfundene Markenpersönlichkeiten verstanden.
Die kaufverhaltensrelevanten Dispositionen subsumieren zumeist die Einstellungen, Präferenzen und Kaufabsichten eines Individuums. Vgl. Kroeber-Riel und Weinberg (2003), S. 219 ff.
Untersucht wurden 165 Effektstärkenmaße aus 32 empirischen Studien.
Die der Durchschnittsbildung zugrunde liegenden, einzelstudienbezogenen Korrelationskoeffizienten variieren zwischen r = −0,25 und r = 0,85. Vgl. Bauer et al. (2006), S. 846 f.
rgD steht für den gewichteten Durchschnittlichen Korrelationskoeffizienten r mit p = 0,000. Vgl. Bauer et al. (2006), S. 846 f.
Gerechtfertigt wird diese neuere Forschungsausrichtung durch die zitierte Metaanalyse, die bei einer Gesamtvarianz von sr 2 = 0,0278 einen systematischen Varianzanteil des Selbstkongruenzeffektes von ssyst 2 = 0,0215 nachweist.
Die variierende Effektstärke empfundener Selbstkongruenz wird demzufolge zu über zwei Dritteln (77,4 %) durch moderierende Variablen erklärt. Vgl. Bauer et al. (2006), S. 846 f.
Produkte werden hier als Träger von Marken verstanden. Somit kann sich die Produktsymbolik sowohl auf das physische Produkt (man vergleiche das Symbolpotenzial eines Sportwagens gegenüber einem Kleinwagen) als auch auf die Marke des Produktes beziehen (z. B. Swatch vs. Rolex).
Konsumöffentliche Güter sind solche, deren Gebrauch vornehmlich in der Öffentlichkeit stattfindet (z. B. Automobile, Kleidung). Demgegenüber stehen weniger konsumöffentliche Güter, die überwiegend einer privaten Nutzung unterliegen (z. B. Haushaltsreiniger). Vgl. Sirgy und Su (2000), S. 345 f.
Die zitierten metaanalytische Ergebnisse stützen die Hinweise, dass eine prognostische Überlegenheit einer der Selbstkonzeptkomponenten nicht verallgemeinerbar ist. Vielmehr scheinen der tatsächlichkeits- bzw. idealbezogene SKE ganzheitlich betrachtet gleich stark ausgeprägt zu sein. Vgl. Bauer et al. 2006, S. 850 f.
Per Definition besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Einstellung, Präferenz und Kaufabsicht eines Individuums, dessen Abfolge durch die Nähe zum tatsächlichen Kaufakt bestimmt wird. So resultieren Präferenzen aus Einstellungen und Kaufabsichten wiederum aus der vorherigen Präferenzbildung. Vgl. Bauer et al. (2006), S. 851 ff.
Im Rahmen traditioneller, indirekt-merkmalsbasierter Messmethoden empfundener Selbstkongruenz wird der Proband aufgefordert, mittels vorgegebenen, skalierten Persönlichkeitsattributen Angaben zur Wahrnehmung seines Selbstkonzeptes und einer zu evaluierenden Markenpersönlichkeit zu machen. Die Kongruenz zwischen individuellem Selbstkonzept und Markenpersönlichkeit wird im Anschluss paarweise über Distanzähnlichkeitsmaße ermittelt. Die direkt-globale Selbstkongruenzmessung verzichtet auf die Vorgabe von Persönlichkeitsattributen. Sie erfragt in direkter Weise ein Gesamturteil zur Selbstähnlichkeit der zu bewertenden Markenpersönlichkeit und ermittelt somit unmittelbar das fragliche Kongruenzmaß.
Nur bei genauer Kenntnis über die Diskrepanz zwischen Ist- und Sollposition der Markenpersönlichkeit aus Konsumentensicht, können identitätsmodifizierende Maßnahmen vorgenommen werden, die zu einer zielgruppenkongruenten und letztlich zielgruppenansprechenden Markenidentität führen. Vgl. Mäder (2005), S. 32.
Als imagebetonte Werbebotschaft werden hier solche Inhalte verstanden, die das Image des beworbenen Produktes bzw. der beworbenen Marke, im Sinne von emotionalen Produktnutzen, in den Vordergrund stellen. Funktionsbetonte Werbebotschaften bewerben demgegenüber eher die funktional-qualitativen (Marken-)Produkteigenschaften.
Vgl. Ausführungen zu den Studienergebnissen von Hong und Zinkhan 1995 in diesem Abschnitt.
Die ganzheitliche Aktivierung des psychischen Selbstkonzeptwissens verlief über folgendes Statement: „The next time you buy a pair of athletic shoes, think about who you are. Think about your own personality. Think about your own self-image. Think about Reebok, the right shoes for: who you are, your own personality, and your own self-image.“ Vgl. Graeff (1996a), S. 8 f.
Beispielsweise verwenden LaBarbera et al. ( 1998 ) Attribute der Dimension „Openness to Experience“, die – wie in Abschn. 2.2 gezeigt – nicht auf Markenpersönlichkeiten übertragbar sind.
Vgl. Ausführungen zur Varianz des SKE in Abschn. 3.2.
Vgl. die „Initiative für wahre Schönheit“ der Marke Dove.
Die bereits zitierten Kenntnisse zur dominanten Werbwirkung von Bild- gegenüber Wortelementen stärken die Argumentation zugunsten einer solchen Fokussierung.
Zu den Arbeiten, die das Vorstellungsbild des typischen Markenverwenders als Referenzpunkt für die Selbstkongruenzmessung verwenden, gehören bspw. Hong und Zinkhan (1995), S. 66; Graeff (1996b), S. 487; Mangleburg et al. (1998), S. 104 ff.; Chang (2001), S. 29 ff. Andere Untersuchungen verwenden dagegen traditionell die Markenpersönlichkeit als Ankerpunkt von konsumentenseitigen Selbstkongruenzwahrnehmungen verwendet. Vgl. bspw. Bauer et al. (2002), 698 ff.; Kressmann et al. (2003), S. 408 ff.; Helgeson und Supphellen (2004), S. 227.
In der Psychologie wird in diesem Zusammenhang von dem körperbezogenen Selbst, dem sog. „body self“ gesprochen. Vgl. bspw. Epstein (1973), S. 412 ff.
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Liberatore, A., Tscheulin, D.K. Persönlichkeitsübereinstimmungen zwischen Marke und Konsument: Stand der empirischen Selbstkongruenzforschung und verbleibende Investigationsdirektiven. Z Betriebswirtsch 81, 587–618 (2011). https://doi.org/10.1007/s11573-011-0459-6
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