1 Einleitung

Die Entsorgung der in Deutschland erzeugten hochradioaktiven Abfälle ist eine Aufgabe mit enormen Herausforderungen. Von den Standorten der Atomkraftwerke (AKW), an denen die Abfälle erzeugt wurden, und den obertägigen Zwischenlagerstandorten sollen die Abfälle mindestens 300 m tief in die Erdkruste eingelagert werden. Dabei soll ein Endlager, das dafür gebaut werden soll, die sichere Isolation von Menschen wie der Umwelt ermöglichen. Seit rund zehn Jahren wird deshalb gemäß des Standortauswahlgesetzes von 2013 und seiner Novellierung 2017 (StandAG) mit Nachdruck ein solcher Ort auf bundesdeutschem Gebiet gesucht, von dem aus das Endlager im tiefengeologischen Untergrund gebaut werden kann. Die Bevölkerung wird seit 2020 an der Suche beteiligt. Im Jahr 2021 war die bundesdeutsche Öffentlichkeit eingeladen, sich an drei Terminen in die so genannte Fachkonferenz Teilgebiete (FKTG) einzubringen. Diskussionsgrundlage war ein Bericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Darin wurden 54 % der Landesfläche von Deutschland als mögliche Teilgebiete ausgewiesen, die für ein untertägiges Endlager grundsätzlich in Frage kommen bzw. die zu diesem Zeitpunkt nicht mit Sicherheit auszuschließen sind (BGE 2020b).

Die weitere Eingrenzung dieser Fläche wird voraussichtlich alles andere als konfliktfrei verlaufen (Brunnengräber und Di Nucci 2019). Begrüßt wird eine solche Lagerstätte zumeist nicht; eher lässt sich eine ablehnende, als NIMBY kategorisierbare Reaktion beobachten (not in my backyard) (Di Nucci 2016; Di Nucci und Brunnengräber 2017). Das Engagement zur Teilnahme und Teilhabe an diesem Standortauswahlverfahren ist außerdem sehr ungleich über die verbliebenen Gebiete verteilt. So haben im Verlaufe der FKTG immer mehr Kommunen ihr Interesse am Verfahren gezeigt, die durch die ausgewiesenen Teilgebiete zu den potenziellen Betroffenen zählen. Die Betroffenheit lässt sich jedoch nicht nur mit der teilweisen oder gänzlichen Überlappung der Teilgebiete mit den entsprechenden politisch-administrativen Einheiten wie Landkreisen, Städten oder Kommunen erklären. Neben den geologischen Bedingungen der Wirtsgesteine Tonstein, Steinsalz und Kristallin oder hydrogeologischen Bedingungen wie Grundwasserkörpern wirken sich auch gesellschaftlich konstruierte Bedingungen wie Naturschutzgebiete oder touristische Naherholungsziele auf die Betroffenheit im Standortauswahlverfahren aus (Steinebrunner 2019). Diese Betroffenheit entsteht, wenn Menschen das Gefühl haben, dass etwas in ihre Lebenswelt hineinwirkt.

Politisch-administrative Mehrebenendynamiken (Multi-Level-Governance, MLG) verschränken sich also mit biophysikalischen und sozialen Raumkategorien sowie einer unvorstellbar langen Zeitskala. Diese Skalen nehmen wir zum Ausgangspunkt, identifizieren mögliche Schnittmengen und entwickeln eine kritische Betrachtung der Skalenkonstruktion im Kontext der Standortsuche für ein Endlager in Deutschland (Swyngedouw 2004). Die Interdependenzen der Skalen und die Konstruktion von neuen räumlichen Bezugs- und Maßstabsebenen bedürfen dabei der besonderen Beachtung, um die Notwendigkeit kollaborativen Handelns für die Standortsuche zu begründen und eine möglichst gerechte Standortentscheidung herbeizuführen. Dabei bezieht sich „gerecht“ nicht nur auf ein möglichst faires und transparentes Verfahren, sondern auch die gleichwertige Anerkennung aller Sorgen und Ängste, die aus dem hohen Grad an Ungewissheit(en) bei der Endlagerung resultieren. Ziel des Beitrags ist es, die Vielfalt an solchen Betroffenheiten über die Skalenperspektive zu erschließen, mit denen die Standortsuche potenziell konfrontiert sein wird.

Zur Annäherung an die Betroffenheitskomplexe im Rahmen der Standortsuche für ein Endlager in Deutschland dient die Skalenperspektive folglich als Mittel, um sich von zu engem und selektiv-räumlichen Denken zu befreien und weitere Wirkungszusammenhänge zu identifizieren. Dabei sollen vor allem nationale, regionale und lokale Betroffenheiten im Fokus der Analyse stehen. Dies ergibt sich aus dem Standortauswahlgesetz (StandAG), demzufolge am Ende des Auswahlverfahrens ein einziger Standort für ein Endlager ausgewählt werden soll. Aber auch darüber hinausreichende und grenzüberschreitende Betroffenheiten – auf supranationaler wie internationaler Ebene – werden im Verfahren von Bedeutung sein, wie am Beispiel der EU-Richtlinie sowie des Schweizer Verfahrens gezeigt werden kann (Steinebrunner 2019): Das Endlager wird dort aller Voraussicht nach nahe der Landesgrenze zu Deutschland, in der Region Nördlich Lägern, gebaut werden.

Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Im ersten Teil erläutern wir den Mehrwert der Skalenperspektive zur Erfassung der Komplexität, von der die Standortsuche und die Endlagerung gekennzeichnet sind. Dann schreiten wir, basierend auf teilnehmenden Beobachtungen des Standortauswahlverfahrens, die politische, biophysikalische, soziale und zeitliche Skala ab. In der Diskussion thematisieren wir die skalaren Interdependenzen anhand der Betroffenheit, ehe ein vorläufiges Fazit gezogen wird. Grundlage dafür ist ein relationales Raumverständnis (Löw und Sturm 2019). Raum wird gesellschaftlich produziert (Lefebvre 1991) und wirkt zugleich auf gesellschaftliche Prozesse ein. Erst aus den interdependenten Wirkungsprozessen auf unterschiedlichsten politischen, räumlichen, sozialen und zeitlichen Skalen, so unsere These, ergibt sich die eigentliche Komplexität der Standortsuche.

Das relationale Raumverständnis ermöglicht es, den Raum nicht nur als Verortung des menschlichen Handelns zu verstehen, sondern als Manifestation kapitalistischer und machtförmiger Praktiken, wobei nach Harvey (1990) Macht die wesentliche Fähigkeit darstellt, die Raumproduktion zu beeinflussen. Räumliche Machtpraktiken weisen darüber hinaus eine starke Verbindung zu Fragen der Gerechtigkeit auf (Müller 2008). Raum stellt demzufolge keine statische Einheit dar, sondern durchläuft einen kontinuierlichen Prozess der Produktion (Massey 2004), der von Macht- und Gerechtigkeitsprozessen gekennzeichnet ist. Die Art und Weise, wie über Raum gedacht wird, reflektiert dabei den Zustand einer Gesellschaft, bspw. hinsichtlich der Haltung zu globalistischen Tendenzen (Massey 2011). Diese Haltungen treten dann wiederum in Wechselwirkung mit Menschen vor Ort. Ereignisse und Handlungen in einem weit entfernten Raum müssen dafür keine physische Verbindung aufweisen. Dennoch kommt es zum Beziehungsaufbau zwischen den Räumen. Die eigene Identität wird auf der Genese von verschiedenen Räumen aufgebaut und gefestigt (Kienast et al. 2018).

2 Die Komplexität der Standortsuche aus der Skalenperspektive

Der Begriff Scale steht einerseits für die geographische Maßstabsebene auf der sich Akteure organisieren, auf der Machtbeziehung aus- sowie Kompromisse verhandelt und reguliert werden (Swyngedouw 1997). Andererseits beinhaltet der Begriff die Beziehungen zwischen und das Verhältnis von diesen Maßstabsebenen zueinander (Bauriedl und Wissen 2002). Somit decken Scales nicht nur die Konstruktion und Produktion von Raum ab, sie betrachten diese Praktiken auch noch aus einer kritischen, machtsensiblen Perspektive. Delaney und Leitner (1997) verorten Skalen in verschachtelten Hierarchien und begrenzten Räumen, so zum Beispiel dem Lokalen, dem Regionalen, dem Nationalen und dem Globalen. Brenner (1997) konstatiert dabei eine Maßstabsabhängigkeit (somit eine Skalenabhängigkeit) von Diskursen und Handlungen. Die geographische Maßstabsebene ist somit durch Aushandlungspraktiken auch inhärent politisch – im Sinne des politischen Handelns (Latour 2014). Scale erfasst somit nicht einen abgeschlossenen Raum, sozusagen einen Container, sondern bezieht sich auf die relational-diskursive Aushandlungen von Bezugs- und Maßstabsebene und deren räumliche Manifestierung. Im Deutschen werden für Scale häufig die Begriffe der Skala und der geographischen Maßstabsebene genutzt. Diese Begriffe werden im Folgenden gleichgesetzt (Dietz und Vogelpohl 2005).

Skalen können ein Spektrum vom Individuellen bis hin zum Universellen erfassen (Campbell 2016). Darüber hinaus zeichnen sich Skalen durch deren politische Genese (politics of scale), räumliche Manifestierung (geographies of scale) aber auch Zeitlichkeit aus – Scales unterliegen in deren Aushandlung Machtbeziehungen, haben eine räumliche Ausprägung, die teilweise in der Konstruktion neuer Räume mündet und sind dynamisch und nicht statisch (Sander und Becker 2022). Cox (1997) beschreibt diesbezüglich die skalare Aufteilung von politischen Arenen: Die politics of scale beziehen sich darauf, wie Skalen konstruiert werden und welche Konsequenzen dies mit sich bringt. Dabei geht diese Maßstabsebene aufgrund des reflexiven und dynamischen Charakters der Skala über Multi-Level Governance hinaus (Bache und Flinders 2004), denn Politikverflechtungen komplexer Herausforderungen betreffen mehrere geographische Maßstabsebenen zugleich (Wissen 2007). Die Multi-Level-Governance profitiert dabei von der Scale Debatte: So rücken etwa durch die kritischen Ausführungen von Lefebvre (2006) Fragen zur räumlichen Konfiguration – und wie diese durch welche Akteure und welche Machtrelationen stattfindet – in den Vordergrund und bedingen eine implizite Betrachtung von Regulation: „Sie hat deutlich gemacht, dass die Bearbeitung gesellschaftlicher Widersprüche wesentlich über die Gestaltung der räumlichen Maßstäblichkeit sozialer Prozesse und staatlicher Politik erfolgt“ (Wissen 2007, S. 245). Zusätzlich unterstreicht Wissen (2007) wie auch schon Dietz und Vogelpohl (2005) den prozesshaften Charakter der räumlichen Maßstabsebene. In Scales werden politische Prozesse wirkmächtig, die einer räumlichen Abgrenzung unterliegen und diese auch gleichzeitig wieder konstruieren (Meadowcroft 2002). Beispielsweise beschäftigen sich Gemeinden oder Kommunen nicht nur mit lokalen, politischen Prozessen, sondern (immer) auch mit Herausforderungen, die vom Nationalen oder Globalen vorgegeben werden. Gleichzeitig beeinflusst das Lokale auch andere geographische Maßstabsebenen (Cox 1997).

Dazu gehört auch die Standortsuche, die zunächst auf nationaler Ebene organisiert wird, aber lokal und regional realisiert wird. Die Beziehung zwischen den Skalen bleibt jedoch solange ohne materielle Manifestation, bis die „Stecknadel auf der Atomlandkarte“ (Brunnengräber 2021a) gesetzt ist. Damit wird die zeitliche Skala adressiert. Während sich politische oder naturräumliche Skalen meist auf den Ort und auf die Gegenwart beziehen, repräsentiert die zeitliche Skala Kontinuität oder Wandel, bspw. im administrativen Bereich oder hinsichtlich der Auswirkungen von politischem Handeln über Amtszeiten hinaus (Meadowcroft 2002). Diese Skalenperspektive kritisiert den „short-termism“ (Meadowcroft 2002, S. 169) des täglichen Politikbetriebs und weist auf lang andauernde Projekte hin, zu denen auch die Standortsuche und der Bau eines Endlagers gehören. Von einiger Bedeutung ist die zeitliche Skala auch deshalb, weil sie intergenerationale Gerechtigkeitsdimensionen integriert (Schwarz 2022).

Soja (1980) beschreibt Scales als socio-spatial dialectic. Dies bedeutet, dass Raum nicht nur das Ergebnis von sozialen Praktiken, z. B. Aushandlungsprozessen, ist; sondern auch das Medium dafür. Towers (2000) greift diese Dialektik auf und unterscheidet die scale of regulation und die scale of meaning. Auch hier wird wieder offensichtlich, dass sich die Scales schneiden (räumlich, politisch). Dabei muss zwischen diesen Scales keine Deckungsgleichheit bestehen. Grenzen können sich an naturräumlichen und biophysikalischen Eigenschaften bewegen, dies ist jedoch keine Grundvoraussetzung dafür. So können beispielsweise regionale Identitätsräume, wie die Kulturlandschaft Hallertau in Bayern, als scale of meaning angesehen werden; gleichzeitig wird diese aber von der scale of regulation (zwei Regierungsbezirke und sechs Landkreise) geschnitten. Somit wirken biophysikalische begründete sowie gesellschaftlich konstruierte und administrative Skalen ineinander (Marston 2000).

Vor allem in der Politischen Ökologie wurde der Fokus auf die Skalen geschärft, indem die biophysikalische Umwelt als skalenbildend herangezogen wurde (Neumann 2009). Dementsprechend wurden etwa kleinräumige Biotope im Verhältnis zum Nationalstaat auf der politischen Skala analysiert. Obwohl dabei eine gewisse a priori Existenz von naturräumlichen Skalen suggeriert wird, stellt Sayre (2005) fest, dass Skalen sich zwar an der räumlichen Genese orientieren können, deren Bedeutungszuschreibung und Ausmaß jedoch gesellschaftlicher Art und somit sozial konstruiert sind. Skalen sind folglich nicht per se vorhanden, sondern werden konstruiert und haben die Fähigkeit, das Lokale, Regionale oder Nationale mit dem Globalen in Beziehung zu setzen. Ein Beispiel hierfür ist die Reaktorkatastrophe 2011 im japanischen Fukushima, die die Standortgemeinden von Atomkraftwerken (AKW) in Deutschland abrupt und langanhaltend verändert hat. Ursache war der Austritt radioaktiver Strahlung, die weltweit nachweisbar war. Eine politische und räumliche Verbindung zwischen der Präfektur Fukushima und dem Regierungssitz in Berlin gab es jedoch nicht. Verbunden wurden die Räume durch den politischen Beschluss, die energetische Nutzung der Kernenergie in Deutschland bis Ende 2022 bzw. April 2023 zu beenden. Swyngedouw und Heynen (2003, S. 899) beschreiben derartige Prozesse als „embedded in dense and multilayered networks of local, regional, national and global connections“.

Wissen (2007) beschreibt eine Herausforderung, die sich mit dem Gegenstand der Endlagersuche gut verknüpfen lässt: So scheint es notwendig, verschiedene räumliche Dimensionen zusammenzubringen, bspw. die räumliche Maßstabsebene (Scales), den physisch-materiellen Raum, sowie die gebaute Umwelt (z. B. Infrastrukturbauten, so auch zukünftig ein Endlager) (Harvey 1999). Daraus lässt sich folgendes schlussfolgern: Menschliche Handlungen orientieren sich häufig entlang von administrativen Grenzen und finden innerhalb dieser Grenzen statt. Der Klimawandel, der Verlust an biologischer Vielfalt und die Verschmutzung der Umwelt durch Plastik oder nationale Ausbauziele für die erneuerbaren Energien (wie Windparks) weisen – wie die Atomenergie und das Endlager – weit darüber hinaus. Dadurch werden Räume und Menschen miteinander verbunden, die vorher vermeintlich keinerlei Berührungspunkte miteinander hatten und sehen sich komplexen Konstruktions- und Machtgefügen ausgesetzt. Damit stehen nicht die Skalen selbst im Fokus der Perspektive, sondern die Interaktionen und Implikationen die sich aus deren Zusammenspiel ergeben (Sayre 2005). Es sind vor allem die Verbindungen und Beziehungen, die eine elementare Bedeutung in der Betrachtungsweise von Skalen haben (Urry 2003; Paasi 2004). Cotton (2018) schlägt dazu im Sinne der Gleichberechtigung zwischen unterschiedlichen Skalen und deren Ebenen das Konzept der skalaren Parität vor. Dieses Konzept erlaubt es, die Skalen als gleichwertig zu betrachten und eine Offenheit für mögliche Betroffenheiten zu entwickeln.

Aus den politics of scale-Arbeiten sind für die Betrachtung der Standortsuche für ein Endlager vor allem die folgenden Scales von Interesse: die nationale, regionale und lokale Skala (scale of regulation). Dies umfassen dabei bspw. administrative Gebietskörperschaften und deren Hoheitsbereiche. Diese können durch staatliche bzw. lokalpolitische Akteure determiniert sein (zum heutigen Zeitpunkt), bedürfen aber dennoch der konstanten Konstruktion, um eine dynamische Stabilität aufzuweisen. Eine relevante nationale Skala wurde durch eine Gesellschaft in staatlicher Hand, die BGE, konstruiert – die Skala der Teilgebiete für die Standortsuche für ein Endlager (s. Kap. 4). Weiter wird die scale of meaning (Towers 2000) analysiert, vor allem wie diese genutzt wird, um das Thema Betroffenheit zu konstruieren und zu skalieren, aber auch die biophysikalische Skala. Dabei stehen stets die Konstruktionsmechanismen und Interdependenzen der räumlichen Maßstabsebenen im Vordergrund.

Zusammengefasst ist die Endlagerung eine Herausforderung an der Schnittstelle von Technik und Gesellschaft (Brohmann et al. 2021), die sich aus geologischen und ingenieurstechnischen Sicherheitskonzepten und einer gesellschaftlichen Betriebserlaubnis („license to operate“) zusammensetzt (Hoedl 2019). Durch die Aneignung der Umwelt durch den Standortauswahlprozess ist die Endlagerung direkt mit komplexen Raumfragen verknüpft (vgl. Sander und Becker 2022), woraus sich die Notwendigkeit der Skalen-Perspektive ableitet. Hinzu kommen weitere soziale wie raumkonstruierende Belastungen durch den Bau des Endlagers und die Einlagerung der Behälter mit den hochradioaktiven Abfällen, die über Jahrzehnte andauern werden, sowie schwer quantifizierbare Risiken des möglichen Strahlenaustritts, die auch mit Sorgen und Ängsten verbunden sind. Das Projekt der Endlagerung umfasst daher unterschiedliche Skalen, die sich nicht unabhängig voneinander erfassen lassen; sie stehen vielmehr in konstanter Wechselwirkung miteinander.

3 Methodik

Um die Wechselwirkungen und Aushandlungsmechanismen zur Konstruktion der Maßstabsebenen zu analysieren, wurden teilnehmende Beobachtungen nach Lamnek (2010) durchgeführt. Dabei wurden systematische Protokolle mit den Kategorien Gerechtigkeit, Konsens/Konflikte, Mitsprache/Machtasymmetrie und Wissenschaft/Politik genutzt, um Veranstaltungen aus dem laufenden Verfahren zur Standortsuche für ein Endlager in Deutschland zu beobachten. Die Kategorien wurden aus den definierten Zielen des StandAG abgeleitet; in diesem Beitrag konzentrieren wir uns auf die Kategorien Gerechtigkeit und Macht. Die teilnehmende Beobachtung wurde passiv durchgeführt und dabei stets auf Transparenz geachtet. Den Teilnehmer*innen war bekannt, dass Forscher*innen im Publikum anwesend waren. In Videokonferenzen kennzeichneten sich die Forscher*innen mit einem Vermerk im Namen (institutionelle Zugehörigkeit), in Kleingruppen wurde ein kurzer Hinweis gegeben, so dass allen Anwesenden bekannt war, dass eine Beobachtung stattfindet. Zunächst wurden alle Äußerungen, die sich mithilfe der Kategorien erfassen ließen – insofern möglich – als wörtliche Zitate vermerkt. Im Nachhinein wurde durch mehrmalige Kodierungsschleifen sichergestellt, dass die Beobachtungen von den Autor*innen konsensual interpretiert wurden.

Insgesamt wurden n=76 Veranstaltungen beobachtet, so zum Beispiel die drei Beratungstermine der Fachkonferenz Teilgebiete, das Forum Endlagersuche, Informationsveranstaltungen und Workshops von der BGE und dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Diskussionsveranstaltungen vom Nationalen Begleitgremium (NBG), und Planungs- und Informationstreffen der AG Vorbereitung (AG V, gewählte Gruppe zur Vorbereitung der Fachkonferenz Teilgebiete) und dem Planungsteam Forum Endlagersuche (PFE, gewählte Gruppe zur Vorbereitung des Forum Endlagersuche). Zur Ergänzung der teilnehmenden Beobachtungen wurden Dokumente des Standortauswahlverfahrens analysiert und zur weiterführenden Beobachtungsinterpretation genutzt. Das BASE stellte nach jedem Beratungstermin der Fachkonferenz ein detailliertes Protokoll zur Verfügung, welches zur Rekonstruktion genutzt wurde. Bei regulären Veranstaltungen wurden häufig Ergebnisprotokolle oder Rückblicke öffentlich verfügbar gemacht. Darüber hinaus wurden Positionspapier, Policy Paper und Kommentare (bspw. auf Blogs von Stiftungen oder NGOs) in die Analyse einbezogen und mit dem gleichen System wie die Beobachtungen codiert.

Um relevante Inhalte für die Skalenperspektive auf die Endlagerung zu erheben, wurden die obengenannten Dokumente und Beobachtungsprotokolle dahingehend codiert, ob Machtpraktiken identifiziert werden können, die zur räumlichen Konstruktion beitragen (politics of scale) und inwiefern die Rolle der Geologie als Primat betont wurde (biophysikalische Skala). Darüber hinaus wurde der Konstruktion von Zeit als nicht-räumliche Skala, dennoch aber in Wechselwirkung mit räumlichen Konstruktionen stehende Skala, eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Hierbei wurde analysiert, wie über Zeit gesprochen wurde, welche Zeithorizonte der Endlagersuche thematisiert und welche auch ausgelassen wurden (Zeitskala). Die letzte räumliche Skala, die Bedeutungsskala, wurde nur teilweise über die Beobachtungsprotokolle abgedeckt. Daher wurden weitere Dokumente wie Zeitungsartikel (online) oder Stellungnahmen von Bürgerinitiativen gesichtet. Diese Dokumente sind an den entsprechenden Stellen indiziert. Durch diese Herangehensweise konnten – vor allem mithilfe der Beobachtungsprotokolle – Machtpraktiken identifiziert werden. Gleichzeitig konnten durch die Reaktionen der Diskutant*innen Implikationen für die Betroffenheit und die Wahrnehmung von Gerechtigkeit im Suchverfahren abgeleitet werden. Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse dieser methodischen Vorgehensweise zu den einzelnen Skalen dargestellt.

4 Skalen der Endlagerstandortsuche

Anmerkung: Durch die Auswahl und Analyse der Scales tragen die Autor*innen zu deren Reproduktion bei. Durch das Sichtbarmachen soll eine kritische Analyse ermöglicht werden.

Bei der Suche nach einem geeigneten, möglichst langzeitsicheren Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland lassen sich erste räumliche Wirkungsgefüge identifizieren. Die geographischen Maßstabsebenen und deren Interdependenzen sowie die lokale Wahrnehmung von Betroffenheit, Ungleichheit oder Gerechtigkeit werden sich potenziell im Zeitverlauf wandeln. Sobald sich eine räumliche Konkretisierung im Verfahren ergibt, die auf der nationalen Ebene durch den Bundestag in Berlin gesetzlich legitimiert werden wird, ist auf lokaler und regionaler Ebene von starken Betroffenheiten auszugehen, die – wie gezeigt wird – sich nicht auf eine klar definierte Standortregion begrenzen lassen. Unter sich dynamisierenden Umständen werden im Verfahren auch erweiterte oder neue Räume (und somit Scales) entstehen, auf denen sich nicht zuletzt auch Widerstand artikulieren kann (Steinebrunner 2019, S. 358). Im Folgenden sollen daher die einzelnen Scales aufgezeigt werden, die jeweils für sich und durch Interdependenzen im späteren Verfahrensverlauf Betroffenheiten bedingen und prägen können. Betroffenheit stellt sich dabei als individuelles wie auch soziales Phänomen dar, das mit einer spezifischen Materialität – dem Atommüll und seinen Risiken – verknüpft ist.

4.1 Politics of Scale

Zur Identifikation der räumlich-politischen Maßstabsebene wurde in einem ersten Schritt das Multi-Level-Governance-Konzept herangezogen. Die Endlager-Governance umfasst demnach im Rahmen der Standortsuche ganz unterschiedliche Scales (Hocke und Brunnengräber 2019). Diese reichen von der lokalen bis (mindestens) hin zur inter- und supranationalen Ebene, bspw. der Europäischen Union (EU). Abb. 1 illustriert die politischen Institutionen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen der internationalen, nationalen, regionalen und lokalen Skala befinden und einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Endlager-Governance auf der nationalen Skala haben (scales of regulation) (vgl. Towers 2000). Die politischen Skalen sind hier allerdings nicht (ausschließlich) im Rahmen der Endlagerstandortsuche konstruiert worden; auf deren Konstruktion wird daher im Folgenden nur eingegangen, wenn diese im Rahmen der Standortsuche geschah. Thematisiert werden dagegen die Politics of Scale, d. h. die Machtbeziehungen, die sich aufgrund der unterschiedlichen Skalen ergeben.

Abb. 1
figure 1

Politische Skalen im Rahmen der Standortsuche für ein Endlager (eigene Darstellung)

4.1.1 Inter- und supranationale Skala

Deutschland hat spätestens seit den 1970er-Jahren eine konfliktreiche Geschichte bei der Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort. Ein entscheidender Impuls für den Neustart des Auswahlverfahrens kam dessen ungeachtet im Jahre 2011 durch die EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM (EU 2011). Die Richtlinie über einen „Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle“ bezieht sich dabei auf §37 des EURATOM-Vertrags. Sie verpflichtet jeden Mitgliedstaat, der radioaktive Abfälle produziert, einen Plan vorzulegen, der die Kontamination von Wasser, Boden oder Luftraum eines anderen Mitgliedstaats verhindert (EU 2012). Es wird darin außerdem festgelegt, dass radioaktive Abfälle „eingeschlossen und langfristig vom Menschen und der belebten Umwelt isoliert werden“ müssen (EU 2011, Abs. 21). Darüber hinaus wird in dieser Richtlinie die tiefengeologische Lagerung als sicherste Option festgelegt (EU 2011, Abs. 23). Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten außerdem zur Schaffung eines geeigneten Organisationsrahmens zur möglichst sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle (Geosev et al. 2015). Entscheidungen auf der internationalen Skala wirken somit mittelbar über die nationale Ebene bis hin zur lokalen Ebene, denn der Standort für ein Endlager wird, zumindest nach heutiger Rechtsprechung, an einem einzigen lokalen Standort verortet sein. Die Komplexität der Skalen wird dadurch jedoch nicht aufgehoben, den die Wechselwirkungen, v. a. im Machtgefüge zwischen Kommunen (dem Standort), der Endlagerregion (etwa Landkreise), dem Nationalstaat (Entscheidung über den Standort) und supranationalen Akteuren (und ihren Richtlinien) bleiben für lange Zeit bestehen. Internationale Dynamiken dürften vor allem dann entstehen, wenn ein grenznaher Standort identifiziert wird, wie es bei Nördlich Lägern in der Schweiz der Fall ist. Durch die rechtliche Vorgabe auf internationaler Skala findet bereits eine vorgelagerte Konstruktion auf der lokalen Ebene statt, denn die Grundlage für einen Endlagerstandort wurde hier durch einen unidirektionalen top-down Ansatz geschaffen.

4.1.2 Nationale Skala

Die EU-Vorgaben wurden 2013/2017 in Form des StandAG in deutsches Recht überführt. Die supranationale und nationale Skala wurden folglich miteinander verbunden. Das Gesetz regelt das Verfahren, in dem ein Standort mithilfe eines „partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden Verfahren“ (StandAG: §1, 2) gefunden werden soll. Aufgrund der Historie der deutschen Kernenergie, die sich mit Gorleben 1977 sehr früh – und einem politischen Kalkül folgend (Blowers und Lowry 1997, S. 150) – auf einen umkämpften Standort festlegte, startete das neue Verfahren von einer weißen Landkarte aus. Die neu-initiierte Standortsuche soll nun unvoreingenommen und auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Im ersten öffentlichen Verfahrensschritt wurden Teilgebiete ausgewiesen, die im bereits erwähnten Zwischenbericht Teilgebiete veröffentlicht wurden (BGE 2020b). Diese Teilgebiete markieren tiefengeologische Formationen in den drei verschiedenen Wirtsgesteinen Tongestein, Steinsalz und Kristallin. Der Salzstock Gorleben gehört nicht mehr zu den möglichen Endlagerstandorten (BGE 2020a).

Der BGE, die die Teilgebiete zur Standortsuche ausgewiesen hat, kommt folglich eine führende Machtposition bei der Konstruktion einer neuen Skala zu: die Skala der Teilgebiete. Diese räumliche Maßstabsebene bezieht sich zwar auf räumliche Gegebenheiten, wie die Verfügbarkeit von Gesteinen, ist aber keinesfalls natürlich gegeben oder wert- und ideologiefrei. Kriterien für die Ausweisung der Teilgebiete beziehen sich auf einen Stand der geologischen Expertise einer ausgewählten Expert*innen-Community. So schlug der Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandortsuche (AkEnd 2002) Kriterien für eine wissenschaftlich und gesellschaftlich legitime Standortsuche für ein Endlager vor. Eingesetzt wurde das Expertengremium (14 Mitglieder, 14 Männer, 9 mindestens promoviert) vom damaligen Bundesumweltministerium. Deren Vorarbeit wurde später von der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission 2016) aufgegriffen. Die Kommission setzte sich aus Vertreter*innen der Wissenschaft, gesellschaftlicher Gruppen, Mitglieder des Bundestages und Landesregierungen zusammen. Durch die Arbeit beider Gremien wurde das StandAG entwickelt, welches Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen, geowissenschaftliche Abwägungskriterien, planungswissenschaftliche Abwägungskriterien und Sicherheitsanforderungen sowie deren Hierarchie enthält (§§22-26). Darüber hinaus definiert das StandAG in den Paragraphen §§3–4 weitere Rollen der Institutionen, denen Macht zugewiesen wird. Die Vorhabenträgerin BGE ist der Aufsicht des BASE unterstellt. Auf diesen beiden Institutionen beruht im Wesentlichen das derzeitige Standortauswahlverfahren (vgl. Abschn. 4.2).

Das BASE ist aber nicht nur die Regulierungs- und Aufsichtsbehörde, es ist auch Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung, die die Behörde wiederum selbst überwachen soll. Die Wahrung einer neutralen Distanz zwischen Aufsicht und Öffentlichkeitsbeteiligung sei dadurch nicht mehr gegeben, wie von unterschiedlichen Verfahrensakteuren kritisiert wird (Di Nucci et al. 2021). Eine überwachende Rolle im Verfahren nimmt das Nationale Begleitgremium (NBG) ein. Das Gremium besteht aus zwölf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (z. B. Wissenschaftler*innen oder Vertreter*innen der Zivilgesellschaft) und sechs Bürgervertreter*innen wozu auch zwei Vertreter*innen der jungen Generation gehören. Wie auch die BGE und das BASE, ist das NBG ein Akteur, der auf der nationalen Skala angesiedelt ist, dennoch aber vielfältige Verbindungen zu anderen Skalen herstellt. So zählt die Konfliktvermittlung auf kommunaler oder regionaler Ebene, die Erarbeitung von Empfehlungen sowie die Akteneinsicht zu den Kernkompetenzen des Gremiums, das das gesamte Standortauswahlverfahren begleiten wird (NBG 2022). Das NBG kann jedoch nicht als unabhängig betrachtet werden, da es wie das gesamte Verfahren dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unterstellt ist (Schwarz et al. 2021). Zwölf seiner Mitglieder – „anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ – werden vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat berufen, sechs Bürger*innen werden vom BMUV ernannt. Darüber hinaus agiert das BMUV eher als graue Eminenz, d. h. als machtvoller Akteur tritt es kaum in Erscheinung.

Im ersten partizipativen Format des Standortauswahlverfahrens wurde auf der sogenannten Fachkonferenz Teilgebiete (FKTG) im Rahmen von drei Beratungsterminen der bereits erwähnte Zwischenbericht Teilgebiete der BGE diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt der geringen räumlichen Konkretisierung und somit geringen lokalen Betroffenheit brachten sich bereits viele kommunale Vertreter*innen aktiv in die Konferenz ein (Schwarz et al. 2021), um Klarheit bzgl. der Eignung der eigenen Gemarkung im weiteren Verfahren zu erlangen. Die Ergebnisse dieser Erörterungen sind in den 119 Seiten starken Bericht eingeflossen, den die FKTG vorlegte. Dieser hat einen formenden Einfluss auf den weiteren Verlauf der Standortsuche, da die Vorschläge und Wünsche zur Klarstellung bzw. Nacharbeitung der BGE übergeben wurden. Diese müssen im weiteren Verfahren Berücksichtigung finden, verbindlich sind sie allerdings nicht (BASE 2021). Dennoch zeigten sich neue Formen der Endlager-Governance darin, dass im Sinne eines bottom up-Ansatzes der Wunsch nach einem partizipativen Folgeformat nach der FKTG durch die Bildung des Fachforums Teilgebiete institutionalisiert wurde. Gesetzlich vorgesehen war dies nicht. Somit wurde eine direkte Verbindung zwischen der nationalen und lokalen Ebene hergestellt und ein neuer Raum der Öffentlichkeitsbeteiligung institutionalisiert.

4.1.3 Länderskala

Die politischen Aktivitäten beschränken sich nicht auf die nationale Skala, auch auf der Länderskala gibt es vielfältige Bestrebungen, das Standortauswahlverfahrens zu begleiten. So haben sich bereits in den beiden Bundesländern Niedersachsen und Bayern, deren Landesflächen sich durch große Überschneidungen mit Teilgebietsflächen auszeichnen, eigene Begleitgremien zur Standortsuche etabliert. Vom Land Niedersachsen wurden 500.000 € bereitgestellt, um die von Teilgebieten betroffene Gemeinden dabei zu unterstützen, Informationsveranstaltungen durchzuführen oder Gutachten zu beauftragen. Von 45 Gebietskörperschaften haben 32 einen Antrag gestellt, unter denen die Mittel aufgeteilt wurden (Begleitforum Endlagersuche 2021). Dadurch arbeiten Akteure auf der Länderskala daran, die Teilgebiete-Skala bzw. die ausgewiesenen Flächen zu rekonstruieren und in deren fortschreitenden Produktion einen räumlich geringe Skalenausbreitung zu erreichen.

Zusätzlich agieren auf der Länderskala die staatlichen geologischen Dienste als aktive Verfahrensakteure. Diese stellen auf Anfrage Daten für die BGE zu Verfügung, nehmen aber auch aktiv an politischen Aushandlungen teil. Ein Beispiel hierfür sind die Aktivitäten des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Das Landesamt hat einen umfassenden Bericht zur wissenschaftlichen und methodischen Kritik am Zwischenbericht der BGE veröffentlicht und damit eine Debatte über die Aussagekraft des Zwischenberichts Teilgebiete initiiert. Darin wurde aufgezeigt, dass sich ein deutlich kleinerer Teil des Freistaats Sachsens für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle eignet als im Zwischenbericht Teilgebiete ausgewiesen (LfULG Sachsen 2021). Hierin zeigt sich aber auch, dass nicht nur bei der Konstruktion von Skalen Machtkämpfe auftreten, sondern auch zwischen den Skalen. Dabei findet eine Verquickung des politisch-administrativen Regierungssystems mit der Länderskala und lokalen Akteuren statt, wodurch eine neue komplexe Skala konstruiert wird. Zeitgleich bleibt die Hoheit über die Teilgebiete-Skala trotz fachlicher Einwände bei der BGE. Diese wird auch in Zukunft die entscheidende Rolle bei der Konstruktion der endlagerrelevanten Skalen spielen. In Zukunft werden dies die Standortregionen-Skala sowie die Endlager-Skala sein.

Es ergibt sich eine inhaltliche Konstruktion bzw. Produktion gewisser Skalen, dies aber nicht aus der Skala selbst heraus, sondern von außen, durch andere Skalen in ähnlichen Maßstabsebenen oder aber von großflächigeren Skalen. Deutlich wird dies in der Zuschreibung von Haltungen und Zielen im Standortauswahlverfahren für ein Endlager. Ein Beispiel: Die Regierung des Bundeslandes Bayern hat – trotz nationaler Gesetzgebung – erklärt, dass sie Bayern als geologisch ungeeignet für einen Endlagerstandort ansieht (CSU und Freie Wähler 2018, S. 31). Durch die Haltung der Landesregierung wurde von Akteuren auf anderen lokalen Skalen, die nicht zu Bayern gehören, argumentiert, dass alle bayerischen Akteure diese Haltung im Standortauswahlverfahren vertreten. Diese Argumentationsweise etabliert sich schließlich, jeweils unter Verweis auf die Landesregierung, die wiederum auf nationaler Skala ihre Position artikulierte. Dadurch wurden gleich zu Beginn des Standortauswahlverfahrens Ungleichheiten konstruiert, die im weiteren Prozess noch erhebliche skalenübergreifende Konflikte provozieren können.

4.1.4 Regionale und lokale Skala

Auch auf der regionalen Skala gibt es Aktivitäten, die sich seit der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete und der FKTG etabliert haben. Dabei muss zwischen zwei Ausprägungen von Regionen unterschieden werden. Auf der politisch-administrativen Ebene gibt es Regionen, die gut abgrenzbare räumliche und administrative Einheiten umfassen, bspw. durch den Zusammenschluss mehrerer Landkreise oder anderer Gebietskörperschaften. Entlang von Skalen, so bspw. der gesellschaftlichen oder biophysikalischen Skala, bleibt der Regionsbegriff dagegen unspezifisch, weil dieser auf (gefühlten) Zugehörigkeiten und Identitäten oder gemeinsamen Befürchtungen, aber auch konstruierte Zuschreibung der Umwelt gründet (Sinz 2018). Die regionale Skala bedarf somit ebenfalls der Konstruktion und konstanten Reproduktion, in der das räumliche Ausmaß und Kriterien für die Konstruktion einer Region ausgehandelt werden: Im bayerischen Oberfranken haben neun Landkreise und vier kreisfreie Städte die Regionale Koordinierungsstelle für Oberfranken für das Verfahren der Endlagersuche (RK-OFR 2022) ins Leben gerufen, basierend auf der Zugehörigkeit von Landkreisen zum Regierungsbezirk Oberfranken. Die RK-OFR nimmt aktiv an Veranstaltungen der Öffentlichkeitsbeteiligung teil und wirkt als Multiplikator in den Raum des Regierungsbezirks (regionale Skala) und andersherum in das nationale Standortauswahlverfahren (nationale Skala bzw. Teilgebiete-Skala) hinein. Solche regionalen Verbünde bieten innerhalb der Skala den Vorteil, Ungleichheiten im Wissensstand auszugleichen und geologische Expertise zu vereinen. Außerhalb der Skala können sich durch eine Konzentration von Expert*innenwissen aber auch Ungleichheiten im Verhältnis zu anderen Skalen ergeben.

Zudem lassen sich auf lokaler Ebene bspw. auf Landkreisebene vielfältige Aktivitäten beobachten, die das Auswahlverfahrens beeinflussen (sollen). So haben (s. oben) niedersächsische Landkreise bereits Gutachten über deren Teilgebiete erstellen lassen, deren Ergebnisse in die Debatten der Fachkonferenz Teilgebiete eingespeist wurden (Schwarz et al. 2021, S. 19). In anderen Landkreisen haben sich Bürger*inneninitiativen (BI) gebildet, die die Endlagerstandortsuche ebenfalls kritisch begleiten und auf Unklarheiten oder fachliche Fehler der BGE hinwiesen. Solche BIs sind nicht immer durch die klassische NIMBY-Haltung motiviert, dass zeigt das Beispiel der brandenburgischen Initiative „Wohin damit?“ aus dem Landkreis Prignitz: Wie einige andere BIs fordern die Mitglieder von „Wohin damit?“ eine diskriminierungsfreie Mitbestimmung im laufenden Standortauswahlverfahren. Sie sind durchaus bereit, ein Endlager in ihrer Nähe zu akzeptieren, sofern die Eignung des Standortes wissenschaftlich belegt und gut begründet wurde (Selders 2021). Viele BIs aus der Anti-Atom-Bewegung, die sich mit den Risiken der Kernenergie beschäftigen, fordern einen verantwortungsvollen Umgang mit den hochradioaktiven Abfällen und ein Standortauswahlverfahren, dass wissenschaftsbasiert erfolgt.

Die Interdependenz der unterschiedlichen Skalen lässt sich auch am Beispiel der Gemeinde Bahlburg im Landkreis Harburg (Niedersachsen) aufzeigen. Im Rahmen des zweiten Schritts der ersten Phase des Standortauswahlverfahrens wurden von der BGE vier Pilotregionen ausgewiesen, in denen die Methode für die Auswahl der obertägig zu erkundenden Standortregionen entwickelt werden sollen (BGE 2021). Die kleinräumigste der vier Pilotregionen ist diejenige um den Salzstock Bahlburg. Nach Kritik an der intransparenten Kommunikation der BGE regte sich in Bahlburg Widerstand. Die Bürgerinitiative (BI) gegen Atom-Endlager im Salzstock Bahlburg wurde gegründet, die sich mit folgender Frage beschäftigt: „Rollen die Castoren etwa bald nach Bahlburg?“ (Lipinski 2021). Die Reaktionen in Bahlburg sind vielfältig, die Verbindungen der Ebenen und die Konstruktion eines neuen Raums werden offensichtlich: Die Ausbreitung des Salzstocks deckt sich nicht mit der lokalen Skala und kann daher als neue kleinräumige, biophysikalische Skala angesehen werden.

4.2 Biophysikalische Skala

Die biophysikalische Skala (vgl. Newig und Moss 2017) bietet die Möglichkeit, weitere Komplexitäten der Standortsuche zu erfassen. Dabei stehen zunächst naturräumliche Bedingungen, die sich über die Grenzen des Administrativen erstrecken, im Fokus der Analyse. Wie auch schon in der Multi-Level-Governance bzw. den entsprechenden Skalen, zeichnet sich die biophysikalische Skala durch ihre vertikale wie auch horizontale Ausbreitung aus. Die räumliche Betroffenheit wird maßgeblich durch die geologischen Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien determiniert (Kühn et al. 2021). Im Folgenden gehen wir lediglich auf räumliche Bedingungen ein, die die Betroffenheit beeinflussen, die ein bestimmter Endlagerstandort auslösen kann. Die naheliegendste biophysikalische Skala erstreckt sich dabei über die Vorkommen der drei Wirtsgesteine Steinsalz, Tonstein und Kristallin, die sich für die möglichst langzeitsichere Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen eignen und von der BGE unter Befolgung der Kriterien im StandAG konstruiert wurde (vgl. Abschn. 4.1.2.).

Abb. 2 zeigt die Verschneidung der Länderskala mit der Teilgebiete-Skala. Dabei ist offensichtlich, dass sich naturräumliche Gegebenheiten nicht an anderen räumlichen Maßstabsebenen – in diesem Fall administrativen Zuständigkeitsgrenzen – orientieren. Ein wechselseitiger Einfluss ist jedoch nicht ausgeschlossen. Ein Beispiel dafür ist die konstruierte Grenze des Wirtsgesteins Tonstein an der östlichen Grenze von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. So klärt ein Vertreter der BGE auf einer Informationsveranstaltung auf, dass das zuständige geologische Landesamt von Mecklenburg-Vorpommern an dieser Stelle über keine Daten zur Geologie verfügt und die Ausbreitung vom Wirtsgestein Tonstein daher an dieser Stelle nicht belastbar angenommen werden konnte. Somit ist die BGE nicht alleinig auf der nationalen Skala für die Konstruktion der Teilgebiete-Skala verantwortlich, sondern abhängig von Akteuren auf der Länderebene.

Abb. 2
figure 2

Räumliche Maßstabsebene der Teilgebiete (Teilgebiete-Skala)

Die Endlagerung ist darüber hinaus nicht nur vom Vorkommen der Wirtsgesteinsformationen abhängig, sondern auch von hydrogeologischen Gegebenheiten. Im Falle des Austritts von radioaktiver Strahlung oder des Wassereintritts in die Endlagerbehälter besteht die Gefahr der weiträumigen Kontamination von Grundwasserkörpern (Geckeis et al. 2012; Lersow 2020). Diese worst cases lassen sich ebenfalls nicht auf administrative Gebiete begrenzen, wie z. B. einen Landkreis (lokale Skala). Zusätzlich zur politischen Skala bedarf es somit der Integration der biophysikalischen Skala, um die Betroffenheiten der Endlagerung angemessen erfassen zu können. Während die Standortentscheidung für das Endlager u. a. von naturräumlichen Ausschlusskriterien abhängig ist, z. B. Erdbeben, Eiszeiten, Störungszonen, vulkanischer Aktivität oder Gebirgsdurchlässigkeit, wirken sich das Wirtsgestein und das oberflächennahe Grundwasser auf die Mobilität der radioaktiven Kontamination im Falle eines Strahlenaustritts aus. Vor allem letztere bedingen daher die potenziellen räumlichen Gefüge von Betroffenheit. Auch zwischen unterschiedlichen Skalen kann somit Betroffenheit konstruiert werden: Der Ausspruch „Gorleben ist überall“ (Kulturerbe Niedersachsen 1990) einer bekannten Bürgerinitiative bezeugt dabei, dass das upscaling einer zunächst lokalen Problematik auf die nationale Skala erfolgte. Für die Betroffenheit lässt sich dabei im Auswahlverfahren beobachten, dass Menschen – aufgrund der Erfahrungen, die in Gorleben, aber auch der Asse und Morsleben, in Steinsalz gemacht wurden – dem Wirtsgestein sehr kritisch gegenüberstehen. Die Region um den Salzstock unter Bahlburg ist dafür ein Beispiel.

4.3 Bedeutungsskala

Um eine möglichst gesellschaftlich-akzeptiere Entscheidung über den Endlagerstandort treffen zu können, bedarf es nicht nur der Anwendung der im StandAG gesetzlich definierten Anforderungen für die Sicherheit des Endlagers. Auch sozial konstruierte Skalen, i. d. R. Räume, denen eine gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung zugeschrieben wird (scales of meaning) (vgl. Towers 2000), werden eine argumentative Rolle spielen und Betroffenheit erzeugen. Hier wirkt die regionale Skala sinnstiftend und verbindend; eine klare räumliche Abtrennung ist häufig jedoch nicht möglich (Sinz 2018). Regionen konstituieren sich häufig über eine ähnliche landschaftliche Genese, kulturlandschaftliche Merkmale; aber auch gesellschaftliche Aspekte, wie Dialekte, Kulturen oder Bräuche. Hierin wird die Unklarheit der Grenzziehung eindeutig: Ab wann wird die landschaftliche Genese nicht mehr als ähnlich wahrgenommen? Können sich fließende Unterschiede, wie zum Beispiel Dialekte oder Bräuche als grenzziehende Merkmale durchsetzen? Durch Faktoren der Regionalität und damit verbundener Zuschreibung von Bedeutungen und Gemeinsamkeiten kann Betroffenheit ebenfalls weiträumig entstehen. Ein Beispiel hierfür sind Bürgerinitiativen, die sich aufgrund des Schutzes einer bestimmten Region bzw. einer bestimmen Landschaft vor einem Endlager zusammenfinden. So setzte sich eine bayerische BI mit ihren Mitgliedern das Ziel, „mit allen Kräften vermeiden [zu] wollen, dass im Bayerischen Wald ein Atommüllendlager entsteht“ (Bürgerinitiative gegen ein geplantes Atommüllendlager im Saldenburger Granit e. V. 2022). Der Bayerische Wald erstreckt sich über sechs Landkreise und zwei Regierungsbezirke sowie über den Böhmerwald grenzüberschreitend bis ins benachbarte Tschechien, so dass die Bedeutungsskala einige politisch-administrativen Skalen schneidet. Eine eindeutige Deckungsgleiche ist nicht gegeben. Dadurch können Herausforderungen hinsichtlich des räumlichen Ausmaßes und dem Anspruch auf Kompensationen entstehen (Steinebrunner 2019). Ähnliches gilt insgesamt für touristische Naherholungsziele, die eine Bedeutung über die regionale Skala hinaus haben (upscaling), aber auch für Naturschutzgebiete und Nationalparks, die nicht per se aus der Endlagersuche ausgeschlossen sind.

In §25 StandAG werden die planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien bestimmt; in der Anlage 12 werden sie näher spezifiziert. Dabei werden drei Gewichtungsgruppen mit absteigender Bedeutung festgelegt, deren Nutzung bzw. räumliche Beziehung in drei Wertungsgruppen eingeteilt werden: günstig, bedingt günstig, wenig günstig. So werden in der Gewichtungsgruppe 2 Naturschutz- und Schutzgebiete sowie bedeutende Kulturgüter aufgeführt. Diesen Faktoren steht jedoch entgegen, dass es sich lediglich um Abwägungskriterien handelt, die somit den geologischen Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien untergeordnet sind. Dennoch kann deren überregionale und tlw. sogar internationale Bedeutung und daraus resultierende Wechselwirkung für den gesellschaftlich-akzeptierten Bau eines Endlagers nicht unterschätzt werden. So wurden als Teilgebiete auch UNESCO-Weltkulturerbestätten wie die Montanregion Erzgebirge ausgewiesen. Auch dadurch kann eine besondere Art der Betroffenheit provoziert werden. Hier sei daran erinnert, dass die Kriterien, die am Ende potenziell eine Betroffenheit bedingen, nicht natürlich gegeben, sondern sozial konstruiert sind (vgl. Abschn. 4.1 und 4.2). Somit werden auch auf der biophysikalischen Skala Bestrebungen deutlich an der räumlichen Produktion der endlagerelevanten Skalen mitzuwirken.

4.4 Zeitliche Skala

Die zeitliche Skala unterscheidet sich von den bisher präsentierten Skalen aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades und der Tatsache, dass mögliche Entwicklungen und Szenarien unvorstellbarer werden, je weiter sie in der Zukunft liegen. Im StandAG (2017, §1 (5)) wird eine Standortentscheidung für das Jahr 2031 angestrebt. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem betriebsbereiten Endlager, das erst 2050 fertiggestellt sein soll. Daraufhin beginnt erst die Einlagerung der Behälter mit den hochradioaktiven Abfällen. Der Verschluss des Endlagers soll dann im Jahr 2080 erfolgen (Brunnengräber 2021a). Dieser Entsorgungsfahrplan wird von verschiedenen Expert*innen als zu optimistisch angesehen; sie rechnen nicht vor dem Jahr 2100 mit dem Verschluss des Lagers. Die BGE hat Ende 2022 bereits mitgeteilt, dass es sich beim Jahr 2031 um eine „Soll-Vorschrift“ handelt; die einzelnen Teilschritte seien in ihrer Dauer und ihrem Umfang nur schwer einschätzbar und von vielen Einflussfaktoren abhängig – beispielsweise der Anzahl der zu erkundenden Standortregionen oder der Genehmigungsdauern etwa für Erkundungsarbeiten. Schließlich wurde von der BGE mitgeteilt, dass sich die Standortsuche bis ins Jahr 2068 verlängern könnten. Hinzu kommt die (Un)Vorstellbarkeit der eine Million Jahre Betriebssicherheit sowie die definierten 500 Jahre Betriebsdauer des Endlagerbauwerks. In dieser Zeitspanne soll die Bergbarkeit der hochradioaktiven Abfälle möglich sein, ehe das Endlager irreversibel verschlossen wird (StandAG 2017; §1 (4)).

Die unterschiedlichen Maßstäbe der zeitlichen Skala (Standortentscheidung 2031 (Stand 2017)/2068 (Stand 2022), Betrieb ab 2050/2087, Einlagerung bis 2080/2117, 500 Jahre Bergbarkeit, 1 Mio. Jahre Sicherheit) gehen darüber hinaus mit spezifischen Ungewissheiten, wie etwa bezüglich der Veränderung der politisch-administrativen Skalen einher. Taebi (2012) führt dazu das Beispiel der slowenischen Hauptstadt Ljubljana an, deren Zugehörigkeit allein im letzten Jahrhundert in sieben verschiedenen Ländern lag. Bereits solche eher kurzfristigen Veränderungen auf gewissen Skalen sind schwer prognostizierbar. Sie werfen daher Fragen der intergenerationalen Gerechtigkeit auf, die sich um die politische Stabilität, die Sicherheit oder die Integrität des künftigen Endlagerbaus drehen. Der Faktor Mensch spielt hier eine zentrale Rolle. So stellt Eckhardt (2021) die Fragen, wer die kommenden Generationen sind, die geschützt werden sollen, aber auch, wie das von heutigen Generationen geplante Endlager beurteilt wird. Hierfür können von heutigen Generationen etwa im ethisch-moralischen Diskurs Antworten gesucht werden, die Komplexität möglicher Betroffenheiten wird aber dadurch noch vergrößert.

Viele der Ungewissheiten können erst im Laufe der Jahre und Jahrzehnte aufgelöst werden. Dies gilt etwa für die Endlagerbehälter, das Endlagerbauwerk und die geologische Formation, die aufeinander abgestimmt werden müssen, um die größtmögliche Sicherheit gewährleisten zu können. Neue Fragen der Integrität, Stabilität und Sicherheit werden sich erst in Jahrzehnten oder Jahrhunderten stellen. Weitere Fragen, die sich an die Betrachtung der zeitlichen Skala anschließen, drehen sich um die Konstruktion und Reproduktion von Skalen nach der Standortentscheidung. Schwarz (2022) beschreibt dabei, wie nach Beendigung der Einlagerung der hochradioaktiven Abfälle in ein Endlager mögliche Kennzeichnungen wie etwa Mahnmale aussehen können. Prominent ist dabei die Idee der Dornenlandschaft über dem tiefengeologischen Endlagerstandort, die eine abschreckende Wirkung entfalten soll (Bryan-Wilson 2002). Wie groß müsste eine solche Landschaft sein? Welche Implikationen hätte eine solche Maßnahme, die auf nationaler Skala entschieden wird für die Region? Welche politisch-biophysikalische Skala würde dadurch entstehen und mit welchen Ausmaßen?

5 Interdependenzen der Skalen

Dass lediglich ein einziges Endlager für alle deutschen hochradioaktiven Abfälle gebaut werden soll und sich der Eingang des Endlagers einer scale of regulation zuschreiben lassen wird, bedeutet nicht, dass keine weitreichenden Wechselwirkungen im skalaren Gefüge auftreten. Die Komplexität der Skalen resultiert vielmehr daraus, dass sich etwaige Ereignisse, Betroffenheiten oder Herausforderungen nicht nur einer isolierbaren Skala zuordnen lassen, sondern gleichzeitig in Verbindung mit anderen Skalen stehen. So zeigt die Analyse der scale of regulation, dass Verbindungen von Handlungen und Regelwerken von der EU bis hin zur lokalen Ebene der Politik reichen. Und heute schon befinden sich mögliche lokale Endlagerstandorte intensiv in Wechselwirkung mit der nationalen Ebene, obwohl sie noch nicht als Standort ausgewählt wurden und das Auswahlverfahren zunächst auf bundesdeutscher Ebene organisiert wird. Dies liegt daran, dass das heutige Standortauswahlverfahren einen großen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen etwa hinsichtlich der Infrastrukturentwicklung, aber auch der Belastungen der Bevölkerung vor Ort haben wird.

Die Betroffenheiten, die insbesondere durch Skalenverflechtungen – und -konstruktionen auftreten, werden sich kontinuierlich auf das Verfahren der Standortauswahl für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle auswirken (Abb. 3). Im Kern geht es dabei darum, im Sinne des spatial fix (Harvey 1999) die Entsorgung der Hinterlassenschaften des Nuklearzeitalters neu zu organisieren und einen konkreten Standort auszuwählen. Zunächst aber sind vielfältige neue Raumproduktionen zu beobachten. Vor diesem Hintergrund wollen wir im Folgenden erste politische, räumliche und soziale Disparitäten und Gerechtigkeitsaspekte benennen, die bei der zukünftigen Standortsuche für die Betroffenheit von Relevanz sein werden. Zwei parallele Prozesse stehen dabei im Zentrum der Interdependenzen der Skalen: Ein gleichzeitiges Upscaling und Downscaling zwischen unterschiedlichen Skalen, v. a. der lokalen und nationalen Skala. Upscaling in der Standortsuche für ein Endlager bedeutet, dass die Suche zur Verantwortungsübernahme und zur Übernahme einer nationalen Aufgabe diskursiv konstruiert wird. Das Downscaling beschreibt, dass diese Aufgabe auf der nationalen Skala auf eine lokale Skala herunterskaliert wird. Durch die Gleichzeitigkeit von Up- und Downscaling wird die lokale Skala diskursiv ausgeblendet. Hierin zeigt sich eine Machtasymmetrie zwischen den konstruierten Skalen.

Abb. 3
figure 3

Vergleich unterschiedlicher endlagerstandortrelevanter Skalen am Beispiel des Teilgebiets 001 (Tongestein)

Wie die Beispiele des Niedersächsischen Begleitforums Endlagersuche, der RK-OFR oder lokaler BI gezeigt haben, agieren Akteure auf der regulatorischen Skala sehr unterschiedlich. Während die Motive dafür häufig gleich und zeitnah sind, sich also um heutige, breite Mitsprachemöglichkeiten, Information und Mitentscheidungen drehen, zeigt sich gleichzeitig, dass diese Aktivitäten von der Verfügbarkeit finanzieller und personeller Ressourcen abhängig sind. Räumliche Disparitäten, die sich bereits bei der wirtschaftlichen Entwicklung beobachten lassen, verstärken sich dabei. So lassen sich im Sinne der distributiven Gerechtigkeit Tendenzen zu Ungleichheiten feststellen. Finanzstarke, machtvolle Gebietskörperschaften können sich besser auf das Standortauswahlverfahren vorbereiten als finanzschwächere. Dieser Effekt wird sich vor allem in späteren Stadien des Verfahrens verifizieren bzw. falsifizieren lassen, wenn Standortregionen zur ober- bzw. untertägigen Erkundung ausgewiesen werden.

Wohlhabende Regionen bzw. Bundesländer ermöglichen es ihren nachgeordneten Einheiten, sich besser vorzubereiten und auf die Ausweisung als Standortregionen einzustellen. Während es ein Ziel des Prozesses ist, die Regionen zu ermächtigen, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist es für Akteure, die sich finanziell kostspielige Expertise (bspw. externe Gutachten) leisten können, deutlich einfacher, sich zu positionieren und falls notwendig auch das eigene Ausscheiden aus dem Prozess zu forcieren (Ehmke 2021). Dem kommt entgegen, dass der eine Endlagerstandort unter Umständen nicht bis ins letzte Detail wissenschaftlich begründet werden kann, sondern im politischen Entscheidungsprozess abgewogen werden muss (Marsily et al. 1977). Hierbei kristallisiert sich eine potenzielle Asymmetrie zwischen west- und ostdeutschen Bundesländern und Landkreisen heraus (Ehmke 2021), aber auch zwischen Landkreisen im Landesinneren und in Grenzlagen. In diesem Kontext wird das Gebiet der ehemaligen DDR als eigene Skala konstruiert, die ebenfalls Implikationen für das Gefühl von Betroffenheit beinhaltet. Dennoch kann zum jetzigen Zeitpunkt nur hypothetisiert werden, ob ein Standort als gerecht oder ungerecht wahrgenommen wird. Dies wird auch von der politischen Haltung der betroffenen Landkreise und – politisch-administrativen wie unspezifischen (s. oben) – Regionen abhängig sein. Im Sinne eines möglichst gerechten Standortauswahlverfahrens müssen solche Asymmetrien frühestmöglich ausgeglichen werden.

Ähnlich verhält es sich mit den Betroffenheiten, die im jetzigen Prozessstadium so vielfältig wie diffus sind. Bei mehr als der Hälfte der Bundesfläche als ausgewiesene Teilgebiete besteht für viele Menschen kein Grund dafür, davon auszugehen, dass das Endlager im eigenen räumlichen Umfeld gebaut werden wird. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderes Wirtsgestein genutzt wird, oder sich für ein anderes Teilgebiet entschieden wird. Die Analyse der Skalen zeigt jedoch, dass Betroffenheit noch anders hergestellt werden kann als nur über die bloße räumliche Nähe. Wie an den Beispielen der sozialen Skala aufgezeigt wurde, überschneiden sich diese häufig mit unterschiedlichen politischen Skalenebenen. Das bedeutet, dass sich Betroffenheit großräumiger einstellen kann, als es nach der bloßen Betrachtung des Standortes und eines definierten Radius um ihn herum zunächst naheliegt.

Auch über Grundwasserkörper kann eine großräumige Betroffenheit erzeugt werden. Am Beispiel der britischen Endlager-Governance stellt Cotton (2018) fest, dass eine starke Wechselwirkung zwischen lokal Betroffenen und regionalen bzw. nationalen Entscheidungsträger*innen besteht. Um diese Erkenntnisse zu verarbeiten, schlägt er das Eingangs schon erwähnte Konzept der skalaren Parität vor (scalar parity), indem kooperative Organisationsformen genutzt werden, um bei Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und diffusen Betroffenheiten eine möglichst adäquate Lösung zu finden. Während die biophysikalische Skala keine Repräsentativität ermöglicht, bezieht sich das Konzept vornehmliche auf die regulative Skala. Die skalare Parität legt hier die Gleichberechtigung der unterschiedlichen Skalen zugrunde, wonach die betroffenen Akteure ihre Interessen ausbalancieren sollen und undurchsichtigen Machtverhältnissen vorgebeugt werden soll. Es soll verhindert werden, dass sich bspw. nationale Interessen über lokale Interessen hinwegsetzen. Die Regierung darf dementsprechend ihr Interesse, einen Standort für die hochradioaktiven Abfälle zu finden, mit den lokalen bzw. regionalen Interessen wie dem Schutz des Lebens und der Umwelt oder dem Erhalt der Immobilienwerte in Einklang bringen (Cotton 2018, S. 253).

Ein gerechter, weicher Endlagerstaat (Brunnengräber 2021b) organisiert demnach die verstärkte Einbindung lokaler Belange auf nationaler Ebene (up-scaling) und kommuniziert gleichzeitig nationale Belange auf lokaler und regionaler Ebene (down-scaling). Voraussetzung für das Ausbalancieren der Interessen ist ein möglichst konfliktarmer politischer Dialog. Entsprechend der skalaren Parität muss die Grundlage dafür geschaffen werden, dass sich eine Standortregion gegen eine Standortentscheidung auch wehren und begründet auf deren Eignung bzw. Nicht-Eignung hinweisen kann, insofern Zweifel oder Bedenken bestehen. Ein weitreichenderes Veto-Recht, wie es in einigen Ländern im Standortauswahlverfahren durchaus eingeräumt wurde – wie etwa in Finnland und der Schweiz – kann auch dazu führen, dass das Verfahren nach jahrelangen Bemühungen am Ende scheitert. Deshalb ist es in diesem Fall umso wichtiger, die Standortregionen im Auswahlprozess frühzeitig und hinreichend einzubinden. Die skalare Parität spricht sich letztlich für einen Ansatz der gemeinsamen Verantwortung aus, die bis auf die lokale Ebene hin ermächtigend wirken kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Ungleichheiten, die durch die Skalenperspektive sichtbar wurden, auch politisch adressiert werden.

Steinebrunner (2019) beschreibt am Beispiel des Auswahlprozesses für den Endlagerstandort in der Schweiz weitere Skaleneffekte, die im deutschen Auswahlverfahren bisher kaum eine Rolle spielen. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten befinden sich die drei möglichen Standorte in der Schweiz in unmittelbarer Grenznähe zu Deutschland, die potenziellen Eingangslager liegen im Schnitt ca. 3,5 km vom Grenzverlauf entfernt. Die Schweiz ist aufgrund der geologischen Verhältnisse dazu „gezwungen“, in der nördlichen Region nach einem Standort für ein Endlager zu suchen. Einige deutsche Gemeinden liegen jedoch weniger als einen Kilometer Luftlinie von den geplanten Gebieten entfernt (Steinebrunner 2019, S. 378) und erheben daher Ansprüche auf Teilhabe im partizipativen Prozess. Argumentiert wird dabei auch mit naturräumlichen Faktoren, so zum Beispiel Grundwasserkörpern und den Flussverläufen des Rheins und der Aare, die durch ihre Abtragungsfähigkeit Einfluss auf die langfristige Integrität eines Endlagerbauwerks nehmen können (Ott et al. 2021). In deren Nähe zum möglichen Endlagerstandort wird ein Gefährdungspotenzial auf beiden Seiten der Grenze gesehen. Betroffenheit orientiert sich hier also nicht an nationalen Grenzverläufen. Darüber hinaus: Steinebrunner (2019, S. 381) vermutet, dass die hochradioaktiven Abfälle die heutigen Grenzziehungen überleben werden. Im Standortauswahlverfahren der Schweiz wurde demnach eine neue, grenzüberschreitende Skala konstruiert, die deutsche Landkreise aber auch Schweizer Landkreise umfasst. Innerhalb dieser Skala ergaben sich Betroffenheiten, deren räumliche Abgrenzung unklar ist.

In diesem Beitrag wurde eine Vielzahl an Wechselwirkungen zwischen den Skalen offensichtlich, sowohl zwischen der regulatorischen, politischen und biophysikalischen als auch zeitlichen Skala. Letztlich geht es um den Einbezug von unterschiedlichen Betroffenheiten in das Verfahren, um zufriedenstellende Lösungen finden zu können. Allerdings können dadurch auch neue Probleme geschaffen werden. In der Schweiz stehen Ansprüche auf Abgeltungen in beträchtlicher Höhe in Aussicht (ca. 800 Mio. CHF für ein kombiniertes Lager für hoch- sowie schwach- und mittelradioaktive Abfälle). Im deutschen Standortauswahlverfahren wird eher von Kompensation gesprochen, wobei Überlegungen dazu noch ganz am Anfang stehen (Di Nucci und Brunnengräber 2021). In der Schweiz sind Abgeltungen vorgesehen, die bedingungslos gezahlt werden, unabhängig von Entschädigungen, die zusätzlich geleistet werden (bspw. für Risse in Wohnhäusern durch den Untertagebau). Von Kompensation wird dort gesprochen, wenn indirekte finanzielle Auswirkungen des Endlagerstandortes wie der Wegfall von Einnahmen durch Imageverlust ausgeglichen werden. Wer aber soll davon profitieren? Die Standortregionen konkurrieren um diese Mittel und setzen sich dafür ein, die Abgeltungen unter möglichst wenigen Gemeinden aufteilen zu müssen. Hier konkurrieren unterschiedliche Maßstabsebenen darum, die Auswirkungen einer anderen Maßstabsebene für sich zu reklamieren, um daher stärker abgegolten zu werden.

Die Ziehung eines engen Radius um den finalen Standort ist demzufolge nicht hilfreich. In Deutschland befinden sich Teilgebiete an den Grenzen zu sieben von insgesamt neun Nachbarstaaten. Diese potenziell betroffenen Staaten zeichnen sich nicht nur durch unterschiedliche politische Systeme und demokratische Teilhabekulturen aus, sondern auch durch andere Amtssprachen, unterschiedliche Einstellungen zum Staat und durch mehr oder weniger Vertrauen in technische Lösungen. Grenzüberschreitende Beteiligungsprozesse werden das Standortauswahlverfahren daher mit großer Wahrscheinlichkeit zusätzlich erschweren und zeitlich verlängern. Fragen hinsichtlich der Haftung im Falle einer Havarie sind in solchen Überlegungen noch nicht berücksichtigt.

6 Fazit und Ausblick

Trotz der disziplinären Debatten über die Anwendung und den Charakter von Skalen sowie der Unschärfe des Konzeptes (Blakey 2021; Moore 2008) bieten Skalen über den Multi-Level-Governance-Ansatz hinaus und für den Fall der nuklearen Entsorgung eine gewinnbringende Analysemöglichkeit an. Betroffenheit und die Interdependenzen zwischen den unterschiedlichen Skalen tragen dazu bei, die Komplexität der Standortsuche für ein Endlager nicht zu reduzieren, sondern anzuerkennen und zu verstehen. Darüber hinaus zeigt sich, dass Betroffenheit aus vielfältigen Gründen und unvorhersehbaren Umständen entsteht. Die integrative Betrachtung regulativer, politischer, biophysikalischer, Bedeutungs- und zeitlicher Skalen hilft darüber hinaus, die Wirkungszusammenhänge zwischen den Skalen erkennen zu können. Diese treten – zum Teil unerwartet und recht spontan (siehe Beispiel Bahlburg) – heute schon auf, wenngleich sie im Verfahren politisch wie gesetzlich noch nicht vorgesehen sind. Sie werden sich in den späteren Verfahrensschritten nicht nur wandeln, auch neue Wechselwirkungen werden skalenübergreifende zu beobachten sein.

Am Gegenstand der Endlagerung lassen sich interessante Charakteristika feststellen, die eng an die Skalendebatte der Politischen Ökologie anknüpfen und bisher nur marginal diskutiert wurden: In den Grundzielen der deutschen Standortsuche für ein Endlager wird festgeschrieben, dass die hochradioaktiven Abfälle möglichst dauerhaft zum Schutze von Mensch und Umwelt gelagert werden müssen (StandAG: §1 (2)). Dieses Ziel ist jedoch schon im Moment der Zielsetzung ad absurdum geführt, denn die Umwelt fungiert als eine unmittelbare Barriere zum Einschluss der hochradioaktiven Abfälle – in Form des Wirtsgesteins. Die von Cullinan (2011) geführte Debatte zum Wild Law, den Rechten von Natur und Umwelt gegenüber menschlichen Eingriffen wurde nicht geführt. Vielmehr wird eine Trennung von Mensch und Natur durchgeführt, wie sie bspw. von Latour (2009, 2014) bereits als unzulässig dargestellt wurde. Auch wenn die tiefengeologische Endlagerung als sicherste Lagermöglichkeit für hochradioaktive Abfälle angesehen wird, dominiert der Mensch in hegemonialer Art und Weise seine Umwelt – so wie es beispielsweise auch in anderen Kontexten wie der Umweltverschmutzung der Fall ist. In den Beobachtungen des Prozesses und unter Zunahme der Skalenperspektive wird deutlich, dass die neukonstruierte, vertikale Skala in den tiefen Untergrund (noch) nicht anerkannt ist. Da der Mensch mangels Vertrauens in die eigene Spezies vorsorgen möchte, wird dabei die Verantwortung in eine ganz neue Skala ausgelagert. Die diskursive Genese dieses ungerechten Umstands, der durch den fortschreitende Zwang zur Akkumulation bedingt wird (Sander und Becker 2022), bedarf der weiteren wissenschaftlichen Beobachtung.

Die Skalenperspektive zeigt auch, dass eine räumliche und zeitliche Verengung von Betroffenheit kaum eine Hilfestellung für das gesellschaftliche Verfahren der Endlagerstandortsuche bietet, im Gegenteil: Ein isolationistisches Denken übersieht wichtige Wirkungszusammenhänge und Interdependenzen zwischen unterschiedlichen Skalen, die sich weiträumig manifestieren können. Zu klären ist noch, ob die Unterscheidung in eine unmittelbare Betroffenheit durch die Standortentscheidung sowie eine mittelbare Betroffenheit durch langfristige Folgewirkungen und Risiken nützlich für den politischen Prozess sein könnte. Während die naturräumliche Betroffenheit nachvollziehbare Ausmaße hat und mit der Entfernung abnimmt, sind Ausbreitungswege im Falle einer Havarie schwer vorhersehbar bzw. vorherzusagen. Eine Berücksichtigung nur einer dieser Betroffenheitsdimension im Standortauswahlverfahren erscheint wenig sinnhaft. Die Skalenperspektive hat vielmehr gezeigt, das frühzeitiges, kooperatives Handeln skalenübergreifend erforderlich ist. So können machtförmige Prozesse und Ungerechtigkeiten wie die vielfältigen und diffusen Betroffenheiten erkannt und adressiert werden. Die politische Komplexität, die der Standortsuche inhärent ist, kann durch eine geteilte Verantwortungsübernahme womöglich zum Positiven gewendet werden. Der Suche nach einem bestmöglichen Standort für ein Endlager wäre dadurch auf jeden Fall gedient.