07.02.2019
Konkurrenz für den Menschen
1. Teil: „Automatisierung - Jobkiller oder Wachstumsmotor?“
Automatisierung - Jobkiller oder Wachstumsmotor?
Autor: Konstantin Pfliegl
petrmalinak / shutterstock.com
Die Digitalisierung wird das Arbeitsleben massiv beeinflussen. Statt aber Angst davor zu haben, dass der Mensch von Maschinen ersetzt wird, sollten besser Symbiose-Effekte bedacht werden.
Digitalisierung auch sind, die viele nützliche Dinge in unser tägliches Leben bringen - viele Menschen befürchten mittlerweile, dass Kollege Roboter ihnen bald den Arbeitsplatz wegnehmen könnte. Häufig wird die Digitalisierung daher als Jobkiller verteufelt. Werden wir früher oder später alle weitgehend durch Roboter und Algorithmen ersetzt, die unsere Arbeit erledigen?
So praktisch die vielen Errungenschaften der Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Korn Ferry kommt zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2030 rund jeder vierte Job in Deutschland nicht mehr existieren wird. Weltweit sollen es sogar 30 Prozent sein. Gerade für ein Land wie Deutschland sind das erst einmal düstere Aussichten - befinden wir uns doch derzeit in der glücklichen Lage, dass die Beschäftigungsquote so hoch ist wie nie zuvor.
Zwar könnte nach Ansicht der befragten deutschen Unternehmen jeder dritte Arbeitnehmer ausreichend umgeschult und damit in einem neuen Bereich eingesetzt werden, dennoch fällt das Fazit der Korn-Ferry-Experten nicht unbedingt positiv aus: „Gerade die wegfallenden Jobs sind bisher sehr personalintensiv und trotzdem eher einfacher Natur. Das ist der Grund, warum sie zunächst automatisiert, dann digitalisiert und schlussendlich wegfallen werden.“ Hinzu komme, dass es sich bei diesen Jobs nicht zwingend um die jener Arbeitnehmer handele, die deutsche Unternehmen für umschulbar halten. Der Einsatz in einem anderen Bereich scheide für sie daher meist aus.
Nicht überall in Deutschland sind Jobs dabei im gleichen Ausmaß gefährdet. Die regionale Verteilung weist große Unterschiede auf, wie eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ermittelt hat. Der Anteil der Beschäftigten in Berufen mit einem sogenannten hohen Substituierbarkeitspotenzial – das heißt, dass 70 Prozent der Tätigkeiten durch Automatisierung oder Computer ersetzbar sind – hat sich zwar in den vergangenen Jahren in allen Bundesländern erhöht, das allerdings regional deutlich unterschiedlich: In Berlin sind mit knapp 15 Prozent die wenigsten Beschäftigten betroffen, im Saarland mit rund 30 Prozent die meisten. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 25,2 Prozent.
Auch in den einzelnen Branchen gibt es markante Unterschiede: Während zum Beispiel im Gesundheits- und Sozialwesen lediglich gut 5 Prozent der Beschäftigten ein hohes Substituierbarkeitspotenzial haben, sind es im verarbeitenden Gewerbe mehr als die Hälfte.
Wer wissen will, wie das Arbeitsleben der Zukunft im verarbeitenden Gewerbe aussieht, wirft einen Blick ins baden-württembergische Ditzingen. Dort hat das Familienunternehmen Trumpf seinen Hauptsitz, nach eigenen Angaben Markt- und Technologieführer bei Werkzeugmaschinen und Lasern für die industrielle Fertigung. Vor zwei Jahren hat Trumpf einen neu entwickelten Vollautomaten für das 2D-Laserschneiden vorgestellt, der sich weitgehend selbst um die Produktion von Metallteilen kümmert. Die von Trumpf als „Übermaschine“ bezeichnete Anlage namens TruLaserCenter 7030 ist in der Lage, über weite Zeiträume selbstständig und ohne Bedienereingriff zu arbeiten: Sie belädt sich selbst mit Rohblechen, sortiert und stapelt produzierte Kleinteile und entsorgt Reste und Schlacke. Der Mensch wird nur noch zum Programmieren des Automaten benötigt – wobei sich der Produktions-Tausendsassa laut Trumpf so einfach wie ein Bürodrucker bedienen lassen soll.
2. Teil: „Blicke in die Glaskugel“
Blicke in die Glaskugel
„Die Angst, dass uns Maschinen die Arbeit wegnehmen könnten, ist alt und wird seit der Industrialisierung immer wieder aufs Neue heraufbeschworen“, weiß Christoph Busch, Bereichsleiter Arbeit & Innovation beim Digitalverband Bitkom. In Deutschland herrsche aber momentan nahezu Vollbeschäftigung, und das, so betont Busch, „nicht etwa trotz, sondern auch wegen der Digitalisierung“. So seien allein in der IT- und Telekommunikationsbranche mehr als eine Million Menschen beschäftigt.
Auch Svenja Falk, Managing Director Research beim Beratungsunternehmen Accenture, verweist auf die aktuell hohe Beschäftigungsquote und erklärt, derzeit werde ein Problem diskutiert, das es so gar nicht gebe. „Wir können heute auch noch nicht wirklich mit Sicherheit sagen, welche Auswirkungen die Digitalisierung in fünf bis zehn Jahren haben wird. Die Integration von Technologien wie der Künstlichen Intelligenz in Wertschöpfungsketten steht erst ganz am Anfang“. Aus ihrer Sicht wird die Debatte auch sachlich falsch geführt: Jeder Job bestehe aus vielen verschiedenen Tätigkeiten - von sehr leichten bis zu hochkomplexen Aufgaben. Manche davon könnten automatisiert und durch Maschinen ersetzt, andere signifikant verbessert werden, etwa im Design oder bei der Entscheidungsunterstützung. „Das wirklich Revolutionäre sind weder die Jobs, die verschwinden, noch die, die neu dazukommen. Es sind die Veränderungen bei dem Großteil der Jobs an der Schnittstelle Mensch-Maschine.“
Mit ihrer Sichtweise ist Svenja Falk nicht allein. Auch Bernd Appel, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Lufthansa Industry Solutions, glaubt nicht, dass Maschinen den Menschen gänzlich ablösen werden. Er hält die Furcht für übertrieben: „Wessen Job wann in welcher Form bedroht ist, lässt sich nicht konkret sagen.“ Schaue man sich die Fortschritte der letzten fünf bis zehn Jahre an, dann sei das Tempo der Innovationen absolut bemerkenswert. Diese Entwicklung werde viele Berufsbilder, wie man sie heute kenne, sicherlich verändern - „jedoch nicht unbedingt im negativen Sinne“, wie Appel betont. Monotone Arbeitsschritte ließen sich künftig vermehrt von Maschinen erledigen, während Menschen häufiger gefordert seien, sich anderweitig einzubringen. Das könne, so Appel, auch zu höherer Zufriedenheit und Motivation führen.
Jürgen Prinz, Leiter Human Capital Management Solutions bei der Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting, hält die Befürchtungen ebenfalls für unbegründet. Natürlich werde es durch die Digitalisierung zu Veränderungen in Berufsbildern kommen, es würden Berufe verschwinden, dafür aber auch neue Berufsbilder entstehen. „Das ist mit Blick auf die Geschichte der Arbeit schon immer so gewesen und wird auch zukünftig so sein. Aber nicht überall ist ein Roboter oder Künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzbar. Daher wird auch der Mensch zukünftig eine wesentliche Rolle spielen“, ergänzt Prinz.
Diese optimistische Auffassung vertritt übrigens auch die Bundesregierung. Sie ist zuversichtlich, dass die Arbeitslosenzahlen in Folge der fortschreitenden Digitalisierung nicht in Höhe schießen werden: „Deutschland wird auch im digitalen Strukturwandel die Arbeit (...) nicht ausgehen; aber es wird in vielerlei Hinsicht andere Arbeit sein“, war sich Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag im vergangenen November sicher.
3. Teil: „Arbeitnehmer 4.0“
Arbeitnehmer 4.0
Christoph Busch von Bitkom geht noch einen Schritt weiter: „Die klassische Bildungskarriere - Schule, Ausbildung oder Studium, 40 Jahre derselbe Beruf - hat ausgedient.“ Erforderlich ist seiner Meinung nach ein Kulturwandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Lebenslanges Lernen dürfe nicht länger nur Thema auf Podiumsdiskussionen sein, sondern müsse endlich auch praktiziert werden.
Aussichtsreiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt von morgen haben also flexible, gut ausgebildete Mitarbeiter. Doch wenn es nach Bernd Appel von Lufthansa Industry Solutions geht, dann sind wir als Gesellschaft heute noch stärker gefordert, Lösungen zu finden und Personen Angebote zu machen, mit denen sie in der Digitalisierung bestehen können. Ein wichtiger Punkt ist auch seiner Ansicht nach die Bildung: „Dort müssen wir massiv investieren und den Zugang für alle erleichtern, um Arbeitnehmer sowie nachfolgende Generationen fit für die Zukunft zu machen“, erklärt Appel.
In der Vergangenheit hätten Experten schon häufig darüber gesprochen, aber noch nie sei es so wichtig wie heute gewesen, sich stetig fortzubilden. „Niemand, der es nicht will, sollte den Anspruch verfolgen, IT-Spezialist zu werden. Aber ein gutes Maß Neugier hilft dabei, sich besser auf Veränderungen einzustellen und nicht den Anschluss zu verlieren.“ Auch kreative oder emotional intelligente Menschen hätten wichtige Eigenschaften, die nur schwer durch Maschinen zu ersetzen seien. Die Fähigkeit zu improvisieren, zu interpretieren, zu kontextualisieren und Empathie zu zeigen, dürfte, so Appel, für die Künstliche Intelligenz noch lange Zeit eine enorme Herausforderung darstellen - „hier liegt das größte Potenzial für uns“, ergänzt er.
Neue und veränderte Jobs
Deutlich sichtbare Veränderungen aufgrund der Digitalisierung zeigen sich bereits heute bei einzelnen Berufsbildern. Während viele Jobs zunehmend interdisziplinär werden und sich inhaltlich verändern, entstehen an ihren Übergängen zahlreiche neue Berufe.
Bernd Appel von Lufthansa Industry Solutions zufolge braucht es vor allem zunächst einmal mehr Experten, die die neuen technologischen Entwicklungen vorantreiben. Unter anderem seien das KI-Spezialisten oder Data Engineers. Im Hinblick auf die wachsende Vernetzung gewinne auch das Thema IT-Sicherheit weiter an Bedeutung. Schließlich hänge der erfolgreiche Einsatz einer neuen Technologie in jedem Fall eng damit zusammen, wie sicher sie ist.
Appel ist darüber hinaus davon überzeugt, dass die Digitalisierung nicht nur hochqualifizierte IT-Spezialisten hervorbringen wird – „denn wenn die Digitalisierung unsere Arbeit künftig vereinfacht, dann ändern sich auch die Anforderungen des Berufsbildes. So ist es beispielsweise denkbar, dass komplexe Prozesse, die vormals eine fundierte Expertise benötigten, von Personen übernommen werden, die bislang nur geringe Berührungspunkte mit einem bestimmten Thema hatten.“
4. Teil: „Unternehmen im Wandel“
Unternehmen im Wandel
Bernd Appel von Lufthansa Industry Solutions sieht besonders im Umgang mit Daten spannende Entwicklungen. Unternehmen stünden vor der Herausforderung, die Massen von Informationen in gezieltes Wissen zu verwandeln und aus ihnen einen Mehrwert zu generieren. Das Ziel müsse sein, überall dort, wo man beispielsweise Künstliche Intelligenz einsetze, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, mit der ihre Aussagen zutreffen. Nur so könne uns die Technologie wirklich weiterbringen. „Mit diesem Wissen können wir dann intelligente Assistenzsysteme schaffen, die den Menschen in seinen Tätigkeiten unterstützen.“ Im direkten Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern gewinne der persönliche Kontakt wieder an Relevanz und werde vermehrt wertgeschätzt.
„Insgesamt befinden wir uns noch immer in einer Findungsphase, wie wir mit der Flut von Informationen umgehen können und wollen, sowohl im privaten als auch im Arbeitsumfeld.“ Laut Bernd Appel sind wir jede Sekunde unseres Lebens von mehr oder minder relevanten Informationen umgeben und sollten diese im besten Fall auch gleich verarbeiten - „hier gilt es, ein gesundes Maß zu finden“.
Fazit
Unabhängig davon, wie sich die Auswirkungen der digitalen Transformation im Einzelnen niederschlagen werden, eines steht in jedem Fall fest: Vom Pförtner bis zum Vorstand - die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt gravierend und erfordert von jedem Mitarbeiter neue Kompetenzen.
Svenja Falk von Accenture empfiehlt, den vielen Prognosen zur Zukunft der Arbeitsplätze mit einer Portion Skepsis zu begegnen. „Das Problem mit Prognosen ist, dass der Mensch gern linear denkt. Wir schauen in den Rückspiegel, um das Morgen zu erklären.“ Auf der Basis ökonometrischer Modelle glaubwürdig vorherzusagen, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz das Leben und die Arbeit verändern werde, könne jedoch niemand. Denn KI verändere exponentiell. „Legt man alle Prognosen, die es dazu gibt, nebeneinander, sagt jede etwas anderes.“ Die Aussagen darüber, wie viele Jobs zukünftig aufgrund der Digitalisierung wegfallen werden, reichen laut Svenja Falk von 8 bis 56 Prozent. „Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung“, so ihr nüchternes Resümee. Viel entscheidender sei die Frage, wie an der Schnittstelle Mensch und Maschine die größte Wertschöpfung geschaffen werde, um Arbeits- und Lebensqualität zu verbessern. Ihrer Ansicht nach stehen wir vor ganz anderen Herausforderungen als nur zu entscheiden, welche Maschine man mit welchen Aufgaben betraut, und sich zu fragen, wie viel Manpower man dadurch einsparen kann.
Dafür sei auch das Potenzial an Gewinn viel größer - denn ein richtig orchestriertes Team von Mensch und Maschine habe zusätzlich zur verrichteten Arbeit unzählige Symbiose-Effekte. „Es geht also darum, sich im Mind-Set von dem Dualismus Mensch-Maschine zu lösen und stattdessen in Teamlösungen zu denken“, so Svenja Falk. Die entscheidende Aufgabe dabei sei herauszufinden, wer je nach Aufgabenstellung der Gewinner oder der Verlierer ist. Die Antwort könne nie pauschal „der Roboter“ oder „der Arbeitnehmer“ sein. Maschinen sollten immer so eingesetzt werden, dass sie die Fähigkeiten des Menschen erweitern.
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