PCR-Tests noch nach Monaten positiv

Schleust Corona Viren in unser Erbgut? Das sagen Experten zur umstrittenen Studie
Mittwoch, 12.05.2021 | 17:44
Hepatitis B viruses and DNA, illustration
Getty Images/Science Photo Libra Schleußt Corona Viren in unser Erbgut?

US-Wissenschaftler wollen mittels einer neuen Studie den Nachweis erbringen, dass Sars-CoV-2 kleine Erbgutstücke in menschliche Zellen schleust. Das befeuert Gerüchte, dass auch mRNA-Impfstoffe das Erbgut verändern könnten. Unabhängige Wissenschaftler kritisieren die Publikation.

Wird eine Sars-CoV-2-Infektion mittels PCR-Test nachgewiesen, bedeutet das in der Regel, die Person ist akut infiziert. Im Gegensatz zu Antigen-Schnelltests ist die PCR-Variante zuverlässiger, erkennt auch dann eine Viruslast, wenn die Infektion noch am Anfang steht.

In den vergangenen Monaten verbreitet sich allerdings ein weiteres Phänomen: PCR-Tests sind teilweise noch Wochen, sogar Monate nach der Infektion positiv. US-Wissenschaftler stellten daraufhin die Theorie auf, dass die RNA des Coronavirus in das menschliche Erbgut eingeschlossen werde. Ihre unlängst im Fachmagazin der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften „PNAS“ veröffentlichte Studie ist jedoch keineswegs unangefochten.

DNA und RNA

Das menschliche Erbgut besteht aus sogenannter DNA (Desoxyribonukleinsäure). Bei RNA-Viren, zu denen auch das Sars-CoV-2 gehört, besteht die Erbinformation hingegen aus RNA (Ribonukleinsäure). RNA ist etwas anders aufgebaut als DNA. Damit Viren-RNA in menschliches Erbgut gelangen kann, muss sie von biologischen Werkzeugen in DNA umgeschrieben und dann ins Erbgut eingebaut werden.

„Das Manuskript wurde bei PNAS nicht im Normalverfahren zur ‚neutralen‘ Begutachtung eingereicht, sondern ist markiert als ‚contributed by‘. In diesen Verfahren haben Autoren mehr Kontrolle über den Begutachtungsprozess“, kritisiert etwa Oliver Weichenrieder vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen.

Forscher fanden nach eigenen Angaben Erbgutfragmente des Coronavirus im Genom

Um der Frage der PCR-Positivität nachzugehen, untersuchten die Wissenschaftler die Zellen von Patienten, die zuvor an Covid-19 erkrankt waren. Darunter waren Patienten, die 60 oder mehr Tage nach einem positiven Coronatest erneut mit einem PCR-Test positiv auf das Virus getestet wurden. In rund 90 Prozent der Fälle lag demnach trotz positivem PCR-Test keine Sars-CoV-2-Infektion vor, es gab also keine erneute Ansteckung.

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Nach eigenen Angaben wiesen die Forscher daraufhin in sehr seltenen Fällen Erbgutfragmente des Coronavirus im Genom von Menschen nach, die sich einige Zeit davor mit dem Erreger infiziert hatten. Zudem versuchten sie, die Integration in Laborversuchen nachzubilden. Ihnen gelang es demnach, kurze Fragmente des Viruserbguts in das Erbgut gezüchteter menschlicher Zelllinien einzubringen.

Der Nachweis der Wissenschaftler ist unter Fachleuten allerdings umstritten. Bereits im Dezember war die Publikation als Preprint erschienen, nun veröffentlichten die Forscher es in abgewandelter Form auf „PNAS“. Was dabei fehlt: Einige Autoren. Die Harvard-Universität als Institution. Und Daten.

Kritik: Forscher könnten bei Studie nachgeholfen haben

Oliver Weichenrieder erklärt, dass die Autoren bei der Integration gezielt nachgeholfen hätten. Sie hätten Laborzellen genutzt, die besonders viel sogenannte Line1-Reverse Transkriptase produzieren. Bei Line1-Reverse Transkriptase handelt es sich um ein Enzym, welches laut Weichenrieder „immer mal wieder auch virale RNA in das menschliche Erbgut“ integriert. Die Laborzellen, welche die Forscher benutzten, enthielten besonders viel dieses Enzyms.

Der Nachweis, dass so auch Sars-CoV-2-RNA-Fragmente künstlich integriert werden können, ist für Weichenrieder somit „nicht wirklich überraschend“. Er fürchtet stattdessen, dass die Thesen der Publikation „leider weiter Beunruhigung auslösen beziehungsweise auch bewusst fehlinterpretiert werden.“

Mechanismus spielt keine Rolle bei mRNA-Impfstoffen

Die bereits im Dezember erstmals veröffentlichte Studie hatte die Debatte befeuert, ob Bestandteile der mRNA-Impfstoffe ebenfalls in das menschliche Erbgut gelangen könnten.

Dafür gibt es jedoch wissenschaftlich keinerlei Hinweise. Selbst wenn es das Coronavirus, wie in der Studie beschrieben, schaffen könnte, RNA in DNA zu übersetzen, hat das keine Bedeutung für die mRNA-Impfstoffe. Die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna, welche in Deutschland zugelassen sind, enthalten weder das Virus noch dessen genetischen Bauplan. Stattdessen befindet sich in den mRNA-Vakzinen nur ein kleiner Teil des Virus.

Das Phänomen, welches die Forscher in ihrer Studie mithilfe des Line1-Enzyms nachwiesen, spielt nach Experteneinschätzung als keine Rolle bei den Impfstoffen. In normalen menschlichen Zellen sei die ausschlaggebende Enzym-Aktivität zudem äußerst gering, erklärt Virusexperte Joachim Denner vom Robert Koch-Institut (RKI). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sars-CoV-2-RNA-Impfstoff bruchstückhaft in DNA umgeschrieben und in das Zellgenom eingebaut wird, sei daher nahezu Null.

Und auch Weichenrieder betont: „Die gelegentliche Integration von Sars-CoV-2-RNA in die DNA einiger menschlicher infizierter Zellen ist sicher akademisch interessant und sollte unbedingt weiter wissenschaftlich untersucht werden – eine Gefahr für die menschliche Gesundheit kann ich aber daraus nicht erkennen.“

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