"Allerheiligen" als Besonderheit in der Geschichte der Stadt

Erstellt am 01. November 2022 | 09:29
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Allerheiligenplatz
Der Allerheiligenplatz um das Jahr 1900
Foto: Archiv des evangelischen Pfarramtes Wiener Neustadt
Historiker Werner Sulzgruber wirft in diesem Gastbeitrag einen Blick in die Wiener Neustädter Geschichte - und auf den Allerheiligenplatz.

Eine höchst außergewöhnliche historische Tatsache soll angesichts des Allerheiligen-Feiertages vor Augen geführt werden, die einen speziellen Ort in Wiener Neustadt auszeichnet, nämlich den kleinen Platz südwestlich des Hauptplatzes:  

Der Blick führt uns allerdings zuerst in die jüdische Geschichte der Neustadt zurück, an jene Stelle, die später die Adresse Allerheiligenplatz Nr. 1 hatte und die in mittelalterlicher Zeit den Namen „Judenschulgasse“ trug. Denn dort befand sich die seit dem 13. Jahrhundert existente und 1383 erstmals urkundlich erwähnte Synagoge. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war hier kein Platz gewesen, sondern wohl ein enges Netzwerk von Gassen, in denen sich weiters das Spital, die Fleischbank und ein rituelles Tauchbad der jüdischen Gemeinde befanden.

Überliefert ist uns jedenfalls die „Judenschulgasse“, also jene Gasse, die zu einem wichtigen Gebäude – zur „judenschul“, zur Synagoge – führte. Nachdem im Juli 1494 „die gantz Stat mitsambt christn und judn“ niedergebrannt war und von dieser Brandkatastrophe auch ein Teil des jüdischen Viertels mit seiner Synagoge betroffen war, kam es 1496 zur Vertreibung aller Jüdinnen und Juden. Kaiser Maximilian I. hatte dies mittels eines Ausweisungsbefehls veranlasst und jener war es auch, der die übernommene Synagogen-Liegenschaft der Stadt schenkte.

Sulzgruber
Historiker Werner Sulzgruber
Foto: NÖN/Archiv

Der städtische Rat beschloss an ihrer Stelle eine christliche Kirche bzw. Kapelle zu setzen. Da man das neue Kirchlein jedoch keinem bestimmten Heiligen zuordnen wollte, sollten alle Heiligen gemeinsam geehrt werden und diese zugleich zu ihrem Schutze dienen. Das 1497 zur „Allerheiligenkapelle“ geweihte Gotteshaus gab in der Folge auch dem durch den Stadtbrand entstandenen Platz seinen Namen, dem „Allerheiligenplatz“. Alsbald erhielt zudem die an diesem Platz vorbeiführende Gasse den Namen „Allerheiligengasse“.

Beim "Großen Brand" 1834 beschädigt

Unter der Regierungszeit von Kaiser Joseph II. wurde das Gebäude 1787 – nach rund 300 Jahren seines Bestehens als christliche Kirche – profaniert und ging 1834 in den Besitz des Eisenhändlers Christoph von Habermayer über. Doch das Bauwerk nahm durch einen weiteren Stadtbrand, nämlich den „Großen Stadtbrand von 1834“, Schaden, sodass es Habermayer wieder aufbauen und nun als evangelisches Bethaus (in „toleranzpatentmäßiger“ Ausführung) gestalten ließ. Folglich war das Gebäude über 70 Jahre, von 1837 bis 1910, das evangelische Gotteshaus Wiener Neustadts.

Wie dargestellt, befanden sich also an ein und demselben Ort in unserer Stadt drei Gotteshäuser unterschiedlicher Konfessionen. Damit kommt dem Wiener Neustädter Allerheiligenplatz – als Teil der Geschichte von drei Glaubensgemeinschaften – eine weitaus zentralere Bedeutung zu, als es sich im heutigen Namen widerspiegelt. Er würde gar die Bezeichnung „Drei-Religionen-Platz“ verdienen und ist insofern ein besonderer spiritueller Ort.