Sie erscheinen wie ein Relikt aus alten Zeiten, fast wie ein Museumsstück: Die schwarze Kluft, der große Hut, das fest verschnürte Hab und Gut und der Wanderstab lassen die Gesellen auf der Walz unzeitgemäß erscheinen. Was veraltet wirkt, ist auch heute noch weit verbreitet.


274499_1_org_8_008_99_v0_Walz_neu_2Viele junge Männer und auch Frauen zieht es in die große weite Welt hinaus. Es kann aber nicht jeder auf Wanderschaft gehen, nein, losziehen darf nur, wer eine Handwerkslehre abgeschlossen hat, ledig, kinderlos und schuldenfrei ist. Die Wanderschaft, die gewöhnlich drei Jahre und einen Tag dauert, ermöglicht es den Gesellen, Arbeitserfahrung zu sammeln und neue Länder und Kulturen kennenzulernen. In einem Wanderbuch werden die bereisten Orte und die Arbeitsstellen festgehalten. Außerdem erhält der Geselle ein Zeugnis.

Am bekanntesten sind die Zimmerleute mit ihrer schicken schwarz-weißen Kluft. Auf Wanderschaft gehen jedoch auch Instrumentenbauer, Schreiner, Bootsbauer und viele andere Handwerker. An der Krawatte („Ehrbarkeit“) erkennt man, welchem Schacht jemand angehört; Freireisende tragen keine.

Der Reisende darf dem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen – ursprünglich wollten die Meister so sicherstellen, dass ihre ehemaligen Lehrlinge ihnen keine Konkurrenz machten. Man bezeichnet diese Region auch als Bannmeile. Nur in absoluten Notfällen, wie schwere Krankheit oder ein Todesfall in der Familie, darf die Bannmeile durchbrochen werden. Seit jeher ist es verpönt die Walz vorzeitig abzubrechen, heutzutage hat das jedoch nicht so schwerwiegende Folgen wie früher. Ein Abbruch verhinderte die Zulassung zur Meisterprüfung, erschwerte die Arbeitssuche erheblich und wurde auch von der Gesellschaft kritisch beäugt. Dies war bereits im Spätmittelalter so, damals nahm die Walz vermutlich ihren Ursprung. Im 14. Jahrhundert gründeten sich erste Gesellenbruderschaften, auch Schächte genannt, die bis heute Bestand haben. Diese greifen den Gesellen unter die Arme, bieten Versicherungen an und fungieren teilweise als Sittenpolizei. Einige Regeln und Bräuche gelten bereits seit über 800 Jahren.