Eva Leykauf lehrt „Bewusstes Reiten“

Die Pferdeflüsterin

Ausdruck völliger Entspannung: Wallach Paul legt die Ohren an und konzentriert sich voll auf die Behandlung von Eva Leykauf. | Foto: M. Wildner2017/09/DSC_0838.jpg

ASPERTSHOFEN/KLEEDORF – „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“ — wie viel Wahrheit in dem altbekannten Spruch steckt, beweist Eva Leykauf: Wenn die 26-Jährige auf dem Pferd sitzt und über das „richtige“ Reiten redet, ist sie voll in ihrem Element. „Schon in der vierten Klasse wollte ich Pferdeflüsterin werden“, erzählt sie lachend. Ihren Traum hat sie sich erfüllt: Neben ihrem eigentlichen Beruf in der Reittherapie hat sie ihr eigenes kleines Unternehmen „Bewusste Pferde – bewusste Reiter“ aufgebaut und will Tier und Mensch über die richtige Bewegung zu mehr Lockerheit verhelfen.

Wer die blonde, quirlige junge Frau reden hört, ist sofort überzeugt, dass sie für ihre Sache brennt. Die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus. Ohne eine gehörige Portion Leidenschaft würde sie ihren vollgepackten Terminkalender wahrscheinlich auch nicht durchhalten: Von sieben Uhr morgens bis teilweise fünf Uhr abends arbeitet die Kleedorferin in der Reittherapie in Fischbach und gibt danach noch zwei Stunden privaten Reitunterricht. Genug vom Pferd bekommt sie trotzdem nicht. „Sobald ich auf dem Reitplatz stehe, ist der Stress verschwunden“, verrät sie.

Ihr Unterricht besteht allerdings nicht aus Draufsetzen, Zügel in die Hand nehmen und irgendwie Losreiten. Bei ihr kommt es auf die richtige Bewegung an. Worte wie „Lockerheit“, „Bewusstheit“ und „Achtsamkeit“ fallen oft im Gespräch mit ihr. Leykauf ist überzeugt, dass sowohl Mensch als auch Pferd sich ihrer Bewegungen bewusst sein müssen, um gesund zu bleiben. „Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst“, zitiert die junge Frau Moshe Feldenkrais, dessen Lehre sie in ihren Unterricht mit einfließen lässt.

„Anfangs hatte ich Bedenken, ob die Feldenkrais-Ausbildung etwas für mich ist“, erinnert sie sich. Denn von „Esoterik-Kram“ war sie nicht sonderlich überzeugt. Dass sie die Methoden aber falsch eingeschätzt hatte, merkte Leykauf vor allem während der praktischen Übungen, die sie am eigenen Körper erfahren durfte. „Das hat mich letztendlich überzeugt.“ Leykauf kombinierte die Wochenendausbildung mit einer Festanstellung in der Reittherapie in Fischbach, in der sie vorher ein freiwilliges soziales Jahr verbracht hatte. Von da an hieß es einmal im Monat für zwei Tage nach Bremen fahren, zwei Jahre lang.

Schneller Erfolg
Seit 2013 arbeitet die junge Frau nun nebenbei als Pferdetrainerin und hat sich unter dem Titel „Bewusste Pferde — bewusste Reiter“ ihr eigenes kleines Unternehmen aufgebaut. Ein paar Dutzend Schüler unterrichtet die 26-Jährige mittlerweile, verteilt über den ganzen Landkreis. Dass sie so schnell Erfolg haben würde, hatte sie nicht erwartet. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, quillt sie förmlich über vor Begeisterung für ihre Arbeit.

Sabrina Kuhn nimmt seit April Unterricht bei Eva Leykauf. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit, haben zusammen Reiten gelernt. Damals kam die Hohenstädterin mit ihrem etwas lauffaulen Pferd Paul zu ihr. Der 
22-jährige Wallach war zwar körperlich noch fit, schlurfte aber etwas zu gemütlich seine Wege entlang. „Wir mussten ihm erst das Laufen wieder schmackhaft machen“, erklärt Leykauf die erste Reitstunde mit Paul.

„Ein 22-jähriges Pferd bekommt man nicht mehr komplett umgekrempelt. Das wäre auch nicht natürlich.“ Aber man könne es zumindest an ein paar Dinge „erinnern“: Zum Beispiel, dass „er vier Beine zum Laufen hat“. Paul hatte kürzlich einen Arthroseschub im hinteren Sprunggelenk und zieht seitdem ein Bein etwas hinterher. Vom Tierarzt bekommt er Medikamente gegen die Entzündung. „Da fällt normales Reiten erst mal aus“, sagt Kuhn. Deshalb steht heute „Boden- und Körperarbeit“ für ihren Liebling auf dem Programm, der im Stall der Familie Winkler in Aspertshofen steht.

Leykauf streift jedes Bein des Pferdes langsam von oben nach unten ab. So soll Paul jede Partie seines Körpers spüren, außerdem wird die Blutzirkulation angeregt. Dann fährt sie mit einer Hand langsam an seinem Bauch entlang nach oben: Die Übung soll dem Wallach den Zusammenhang von Bauch- und Rückenmuskulatur bewusst machen, um beide beim Reiten zu benutzen. Und elastische Bänder, die Leykauf dem Pferd um Schultern und Brust bindet, sollen ihm schließlich zu einer besseren Haltung verhelfen.

Volle Konzentration
Paul lässt die Ohren entspannt hängen und hat die Augen halb geschlossen: Ein klares Zeichen dafür, dass er sich trotz brummendem Rasenmäher und bellendem Hund in der Nähe voll auf die Behandlung konzentriert. Und sie sichtlich genießt. Auch sein stetiges Kauen und Lecken zeige, dass tatsächlich etwas bei ihm ankommt.
Leykauf führt den braunen Wallach ein paar langsame Runden um den Platz. Seine Halterin soll sagen, was sich verändert hat: „Er läuft schon etwas schneller und lässt den verletzten Fuß nicht mehr so schleifen“, stellt Kuhn gleich fest. Es scheint, als hätte Paul bereits Fortschritte gemacht. Und, dass Leykauf tatsächlich ihrer Rolle als „Pferdeflüsterin“ gerecht wird, wenn auch mit etwas anderen Methoden wie im gleichnamigen Film.

„Jedes Pferd hat, genau wie wir Menschen, eine natürliche Schiefe. Diese gilt es auszugleichen, damit nicht eine Seite überbelastet wird“, erklärt Leykauf. Ein Beispiel sei das „Hüftwackeln“ beim Gehen: Während Mensch und Tier dabei eigentlich eine dreidimensionale Bewegung ausüben sollten, tun es die meisten nur zweidimensional. Die Hüfte sei bei vielen einfach zu steif.

So versucht die Kleedorferin mit einfachen Methoden, Pferd und Reiter locker und geschmeidig werden zu lassen. Ihr Kofferraum ist voll mit kleinen Hilfsmitteln, die sie in ihren Unterrichtsstunden einsetzt: „Franklinbälle“, kleine Gummibälle, die sich der Reiter zwischen Sitzbeinhöcker und Sattel klemmt, trainieren die Tiefenmuskulatur. Ein herkömmlicher Tafelschwamm schafft lockere Füße. Und zirka ein Meter lange, dünne Stäbe dienen einer unverkrampften Zügelhaltung.

In ihren Unterrichtsstunden verwendet sie zudem viele Bilder: So sollen sich ihre Schüler beispielsweise ihre Sitzbeinhöcker als Stifte vorstellen und ihr sagen, was sie mit diesen durch ihre Bewegungen in den Sattel „zeichnen“. Die Veränderung nach der Reitstunde zu spüren sei dann das Wichtigste. Regelmäßig gibt sie ihnen außerdem „Hausaufgaben“ auf.

Sabrina Kuhn zieht noch einen weiteren Vorteil aus dem Training mit ihrem Pferd: Die 26-Jährige hatte bereits zwei Bandscheibenvorfälle, kämpft alle paar Wochen mit Rückenschmerzen. Leykauf versucht, die Übungen dementsprechend anzupassen. „Die Franklinbälle tun meinem Rücken auf jeden Fall gut“, sagt die Hohenstädterin.
„Das Wichtigste ist, dass du alles langsam und mit Ruhe ausführst“, gibt Leykauf ihrer Schülerin noch mit auf den Weg. Denn auch das sei bei Mensch und Pferd gleich: „Manche Dinge machen wir unbewusst schnell, weil wir nicht wissen, wie es langsam funktioniert. Das braucht aber meist unnötig viel Kraft.“

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren