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·1 April 2024

Undurchschaubar

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Ich blick’s net: Der VfB hatte das Spiel im Griff, nach den Treffern von Serhou Guirassy und Angelo Stiller ging es eigentlich nur noch um die Höhe des Heimsiegs – und doch musste Deniz Undav in der 90. + 8. Minute den 3:3-Ausgleich erzielen.


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Der VfB zeigte wieder sein Spiel, der Ball lief flüssig und die Tore von Guirassy und Stiller wurden sehr sehenswert herauskombiniert. Dazu Chancen ohne Ende, bei den expected goals standen 3,09 zu 1,63 auf dem Zettel. Alle im Stadion dachten, dass die Partie gelaufen sei, inklusive der elf Spieler mit dem roten Brustring, die sich schon sehr gut darin gefielen, wie sie sich das Bällchen zuschoben. Nur die Heidenheimer, die lauerten. Sie wussten: Gibt man ihnen eine kleine Chance, sind sie wieder zurück. Aber wie konnte das passieren, dass der Aufsteiger, dessen Comeback-Qualitäten nicht unbekannt sein sollten, beinahe drei Punkte im 1.000 Bundesliga-Spiel im Neckarstadion mitnahm?

Klare Sache. Das geschenkte Tor von Alex Nübel brachte die Heidenheimer zurück ins Spiel. Der VfB-Keeper war schon in Gedanken beim Spielbau, als ihm der Ball erst zwischen den Händen durchrutschte und dann zwischen den Beinen über die Linie kullerte. In der Folge merkte man ihm deutlich an, dass der Fehler etwas mit ihm machte. Zur Sicherheit trug das nicht unbedingt bei. Und trotzdem: Das ist kein Grund nachzulassen. Der VfB muss wissen, dass Heidenheim nie aufgibt, kleinste Chancen nutzt und wenn man ihnen den kleinen Finger gibt, sie einen komplett verschlingen.

Nach dem Tor fehlte den Spielern der Durchblick und vor allem die Spannung. Auch nach dem Anschlusstreffer wurde in aller Ruhe kombiniert und hätte der eingewechselte Silas in der 74. Minute nicht an den Pfosten geschossen, sondern ins Tor getroffen oder hätte abgespielt auf die beiden neuen Rekordtorschützen des VfB, niemand würde sich über die beiden verlorenen Punkte ärgern. Man könnte es Spielfreude nennen, aber insgesamt überwog die Lässigkeit, die Spieler fühlten eine falsch verstandene Sicherheit, dass sie dieses Spiel schon „locker“ nach Hause bringen würden. Aber sie gingen es eben dann zu locker an, was bei widerstandsfähigen Heidenheimern verheerend ist.

So ärgerte sich Undav sogar noch über seinen Ausgleichstreffer, nachdem der VfB in der 84. und 85. Minute zusammengebrochen war nach dem Doppelschlag von Tim Kleindienst. Zu leise war es Undav im Stadion, zu arrogant kamen ihm seine Mannschaftskollegen vor. Aber sein 3:3, schlicht Weltklasse. Ballannahme, Mitnahme, Verzögerung, Abschluss, das alles unter Druck und in Perfektion.

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Undav schaute gar nicht glücklich – trotz seines Ausgleichs in buchstäblich letzter Minute.

Sebastian Hoeneß blickt nach vorne „Wir haben die riesengroße Chance, aus so einem Spiel zu lernen.“ So etwas ähnliches sagte er schon einmal. „Uns haben die Schärfe und die letzte Konsequenz gefehlt”, monierte der Trainer. Fast zum gleichen Ergebnis kam er nach dem 1:1 gegen Köln vor einigen Wochen, seine Spieler zeigten einen Lerneffekt: Der VfB legte im Anschluss eine formidable Siegsserie hin. Leicht wird es nächste Woche in Dortmund nicht unbedingt. Auch weil Waldemar Anton fehlen wird. Denn:

Uneinsichtig zeigte sich der Kapitän, unzufrieden mit einer Entscheidung von Felix Zwayer, so dass er sich die fünfte gelbe Karte wegen Meckerns holte. Da haben wir unseren Abwehr-Chef schon deutlich cleverer in diese Saison gesehen. In der Innenverteidigung wird’s jetzt eng. Dan-Axel Zagadou langfristig verletzt, Anthony Rouault nach seinen Gesichtsverletzungen erst letzte Woche wieder eingstiegen – sieht ganz danach aus, als ob Atakan Karazor einspringen müsste.

Kaum zu überblicken waren in der zurückliegenden Woche die Statements verschiedener VfB-Führungskräfte. Erst Claus Vogt mit einem Interview im kicker, in dem er sich als einsamer Retter für 50+1 präsentieren wollte. Dann Rainer Adrion bei VfBxSTR und Christian Riethmüller mit seiner bekannten Wurstigkeit im „PDF-Gate“. Und schließlich der Vorstand Alex Wehrle und Rouven Casper mit deutlichen Worten: „Claus Vogt hat dem VfB in den letzten Wochen großen Schaden zugefügt“.

Schaden würde es nicht, wenn alle ihre Themen weniger in der Öffentlichkeit besprechen würden und sich damit entsprechend auch für persönliche Absichten positionieren, sondern sich im Sinne des VfB zusammen reissen würden.

Zum Weiterlesen: Rund um den Brustring ruft “Ja! Nein! Doch! Oh!“

Die Süddeutsche Zeitung schreibt: “Der vielleicht feinste Fußball der Stuttgarter Klubgeschichte prallt auf eine Elf, die spielt wie immer. (…) “Erst spielte ein Stuttgarter Streichorchester, dann folgte Hardrock aus Heidenheim.”

Bilder: Thomas KIENZLE / AFP (Aufmacher) und Christian Kaspar-Bartke/Getty Images (Artikelbild)

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