Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Fortsetzung der Verdi-Reihe

 

Die Fotos aus dem Booklet von der Aufführung bei den Heidenheimer Festspielen lassen vermuten, der Wald von Birnam mache sich auf den Weg, um das Ende von Macbeth zu besiegeln, aber es ist tatsächlich Ernani, der sich auf den beiden CDs um seine Rehabilitierung und um die Hand der schönen Elvira bemüht. 2019 wurde Verdis Frühwerk aufgeführt und lässt zunächst eher spätromantisch wirkende Klänge mit der Cappella Aquileia unter Marcus Bosch erklingen, ehe es zunehmend an Italianità gewinnt, besonders brioreich den vierten Akt beginnen lässt und auch das dritte Finale besonders verdigerecht gestaltet. Ähnliches gilt für den Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn, dessen Herren noch recht verhuscht zu Beginn im Prestissimo klingen, der aber im dritten Akt sich sogar im Piano flexibel zeigt und in „Un patto“ durch reiche Agogik erfreut (Leitung Petr Fiala).

Gutes lässt sich, wenngleich mit Einschränkungen, auch über die Solisten sagen. Der Sopran von Leah Gordon ist generell  für die Elvira geeignet, besitzt ein sattes Timbre, auch wenn die Extremtiefe (Cabaletta) schwach ist, lässt die Intervallsprünge leicht und sicher erscheinen und kann geheimnisvoll das „Ogni cor serba un mistero“  raunen. Unter Druck allerdings verengt sich die Stimme, schöne weiche Töne wechseln sich ab mit schrillen im Aufbegehren, während „Ah, morir potessi“ von angenehmer Intimität ist. Lieblich klingt die Stimme von Stephanie Henke als Giovanna.

Leider kein nobles Timbre hat der Ernani von Sung Kyu Park, man vermisst auch die dunkle Komponente einer Verdi-Stimme, die Mittellage klingt leicht gequetscht, das große Plus allerdings ist die solide Präsenz der Stimme in der oberen Mittellage und in der Höhe. Für die eher lyrische Stimme dürfte der edle Räuberhauptmann eine Grenzpartie sein.  Marian Pop ist ein Carlo mit reichlich Vibrato, dunkler Stimmfärbung, der das feierliche „O sommo Carlo“ gut phrasiert, die „Verd’anni“ recht wacklig zum Besten gibt und sich bei „Vieni meco“ um Balsamisches in der Stimme bemüht. Oft ist die Stimmführung recht unruhig, aber die italienische Schulung der Stimme ist unüberhörbar. Eine Bassstimme voller vokaler Autorität kann Pavel Kudinov für den rachsüchtigen Silva einsetzen. Er zeigt auch im Piano vokale Präsenz, ist markant im „Enani morirà“ und erfreut durchgehend durch eine präsente Tiefe. Recht knarzend äußert sich der Riccardo von Christoph Wittmann, rollengerecht ist der Jago von Lancelot Nomura (Coviello 2 CD COV1925). Ingrid Wanja

Innbrunst im Herzen

 

Singenden Groß- und Urgroßmüttern in eroticis zu begegnen, ist nicht jedermanns Sache. Es klingt befremdlich und rührend, dem matronenhaften Timbre und Oh-Gott-wie-geschieht-mir -Ton nimmt man die echte Leidenschaft nicht ab, hält sie für eine Verirrung bzw. leere Pose aber so beruhigen Sie sich doch, gnädige Frau!. Kurz, historische Stimmen zu hören verlangt, die Schwelle des Unverständnisses zu überwinden, welches die Generationen voneinander scheidet. Zwei, drei Generationen zurück trifft man nur noch Rätsel.

Wer alte Platten hört, verabschiedet sich auch bald von der Legende, dass früher viel besser gesungen wurde als heute. Das stimmt nicht. Der Durchschnitt war genauso traurig, nur fehlen uns die Leuchttürme, die hundert Jahre überstrahlen mit zunehmender Leuchtkraft, denn jetzt weiß man, dass ein Jussi Björling, eine Kathleen Ferrier nicht hereinschneien werden wie das nächste Christkind. Es sind Solitäre oberhalb der Zeiten und zu ihnen dürfte auch Lotte Lehmann rechnen, deren gesamte Schellackhinterlassenschaft das wundervolle Label Marston jetzt in Volume 2 (Lotte Lehmann, Vol. 2 Odeon Electrical Recordings: 1927-1933/ 56004-2; 6 CDsbis zum Jahr 1933 digital restauriert hat. Die zwei schmucken Schachteln enthalten die akustisch, per Trichter aufgenommenen Titel von 1914 – 26 und die elektrisch, per Mikrofon hergestellten bis 1933. Von einer 22-jährig begonnenen Karriere ist die Spanne zwischen 26 und 45 dokumentiert, die vokale Blüte.

Die Stimme ist phonogen; zumindest das, was elektrisch von Odeon eingefangen wurde, gibt sie natürlich und plastisch wieder. Das Etikett ‘historische Aufnahme’ schwindelt, wenn damit eine eingeschränkte Klangqualität gemeint ist. Der Klangmatsch, in welchen heutige Studios den klassischen Gesang tunken, ist auch eingeschränkt. Man bekam mit den bescheidenen Mitteln von 1929 ein realistisches Vokalportrait hin, und bekommt mit dem digitalen Quirl von today ein Tofu ohne jeden Fleisches Erbteil. Nur kein Hochmut gegen Schellackscheiben! Den kann man sich ebenfalls an den Hut stecken, vergleicht man sie mit ihren modernen Umschnitten:

Korngolds „Wunder der Heliane“ mit Lotte Lehmann und Jan Kiepura 1927 in Wien/ forbiddenmusic.org; Foto oben Lotte Lehmann als Sieglinde/ Foto Dover

Gewöhnlich werden EMI/Warner, DGG, Naxos oder Marston hoch gepriesen, was sie alles aus den alten Rillen herausholen. Mehr als jemals drin war! Der böse Verdacht sei einmal geäußert, dass diese Juroren noch nie ein gut erhaltenes Exemplar von 1929 auf einer erstklassigen Maschine der Zeit abgespielt haben. Alles passt. Man setzt sich hin, auf Ehrenwort! Jeder seriöse Sammler weiß das.

Marstons Reproduktionen sind vergleichsweise vorzüglich, besser als die der major labels, aber nie so lebendig wie die Originale. Selbst mit einem billigen Lenco oder Dual abgetastet, ist die Körperlichkeit der Stimme, ihre Plazierung im Raum naturgetreuer als die digitalen Klone im wattigen Nirwana. Will sagen, in der Reproduktionsfrage bleibt noch was zu tun übrig. Wer seine Lotte liebt – raus auf den Flohmarkt! Wer von ihr eine enzyklopädische, nach kompletten Aufnahmesitzungen geordnete, penibel dokumentierte, proper aussehende Edition wünscht, die er nie und nimmer aus anderer Quelle zusammenträgt, der ist mit Marston erstklassig bedient.

Lehmanns Kunst trägt die Züge ihrer Zeit, mehr noch die ihres Naturells. Ihrer ist der permanente Überschwang. Selbst wo sie linear singt, ohne Huch und Hach, herrscht Fiebertemperatur, nie weiht sie nur der Schönheit ihr Leben, sondern dem Ausdruck der Befindlichkeiten. An dieser höchst fraulichen Mitteilsamkeit erkennt man sie nach dem vierten Ton. Er krallt sich in den Hörer hinein, da gibt’s kein Entrinnen.

Viel ist von den Gesangspäpsten über die steife Tonemission geschrieben worden, das Forte in hohen Lagen kommt zu schrill, im Brustregister wechselt abrupt die Farbe, Maria Cebotari gelingt das cremiger, aber es zählt nicht. Lehmanns Organ oder vielmehr sein Einsatz besitzt eine Physiognomie. Selbstverständlich gehört sie nicht zu den Elsen, Agathen, Elisabethen, Evchen, der Marschallin, Gräfin, Manon und Tosca.

Sie alle sind programmbedingte Erscheinungsformen von Lotte Lehmann. Als was sie sich auch kostümiert, ihr Espressivo schlägt durch den Stoff wie ein Blutfleck. In den Schubert-, Schumann-, Brahmsliedern fällt das Kostüm weg, das Ereignis ist das gleiche. Im Nussbaum wispert, in Ewiger Liebe schwört, in Frauenliebe und -leben ergießt sich ganz und gar diese stramme, kolossal einfühlsame, gern außer sich geratende, unbedingte, unbeirrbare, durchsetzungsfähige Person aus Perleberg. Man mag es oder mag es nicht, wird im übrigen gar nicht erst danach gefragt, sondern überwältigt, und irgendwann, ohne Widerrede, einfach umgehauen. Wie oft, lieber Herr Gesangverein, und mit wem widerfährt einem solcherlei heute?

Zum damaligen Bouquet gehören auch einige Herbstzeitlose des Repertoires, die niemand mehr sich ansteckt. Da wären die religiösen Lieder und Hymnen, die Lehmann in brandenburgischem Gottvertrauen schmettert. Oh heilger Geist, kehr bei uns ein (1929). Leider kehrte dann ganz jemand anderer ein. Damit wiederum hängt zusammen, dass der Name Volkslieder jetzt beinahe sittenwidrig klingt. (Für Brahms nicht!)

Bekanntlich ist eins der Merkmale hoher Kunst, dass sie sich in Selbstverständlichkeit verbirgt. Wenn Lehmann oder R. Tauber die ‘Königskinder‘ und ‘In einem kühlen Grunde’ vortragen, klingt’s wie in der Küche, ist es aber nicht. Hier den goldrichtigen Ton zu treffen, die Wehmut, die nicht triefelig, der Übermut, der nicht aufgedreht, die Erzählfreude, die nicht infantil klingt, ist seltener als Edelstein.

Des Weiteren bietet Vol. 2 verblühte Angebinde, wie die Rosenlieder des armen Fürst Philipp von Eulenburg, die der bekennende Paul-Hindemith-Hörer als halbseidenen Kitsch verschmäht. Meinetwegen, aber schön sind sie trotzdem, und sie schmeicheln Lehmanns aufgeputztem Deklamationsstil. (Wer meint, Elisabeth Schwarzkopf habe den erfunden, irrt. Sie knüpft daran an und entwickelt ihn. Ohne dies interessante Sujet auszuwalzen, sei nur soviel gesagt, dass bei der älteren ein U ein U ist und ein A und O das A und O sind.)

Mag man das Sterben der Rosenlieder bedauernd verschmerzen, gemahnt das bestrickend mezza voce angestimmte Wiegenlied Carl Maria von Webers an eine Kulturschande. Wo ist das Liedschaffen dieses Meisters geblieben, den Stravinsky treffend den „Prinzen“ nannte?

Lotte Lehmann als Sieglinde/ Foto Dover

Zurück zu den Prinzessinnen: Wenn man so will, bildet Lehmann mit Elisabeth Schumann und Elisabeth Rethberg ein Dreigestirn des deutschen Soprans in der Zwischenkriegszeit, alle zuschlechterletzt außer Landes. Sie beerben Emmy Destinn – Frieda Hempel – Claire Dux und werden abgelöst von Schwarzkopf – Seefried – della Casa. Mehr oder minder leicht politisch angekratzt bliebe noch die Staffel der Daheimgebliebenen, Tiana Lemnitz – Maria Reining – Erna Berger zu nennen. Cebotari ist Berliner Staatsoper, aber keine deutsche Stimme, Meta Seynemeier lebte zu kurz und Emmy Bettendorf sang vorwiegend im Radio. Den Wagnerspielplan hüteten Frida Leider, Maria Müller und Martha Fuchs, letztere etwas artvergessen, indem sie statt „Mein Führer“ den obersten Opernfex des Reiches mit „Herr Hitler“ anredete. So schnöde kann der Knicks der Unangepassten geraten, aber darauf wollen wir nicht hinaus.

Die Nennung all der holden Namen soll den Kahlschlag, den Verlust, die Leere anzeigen, nachdem denn auch Grümmer, Rothenberger und Janowitz verstummt sind, die letzten Lerchen. In der Palette des Sopranfachs fehlt seither eine Grundfarbe, die bezopfte Maid, einsam in trüben Tagen, leise leise fromme Weise betend, den Guten Abend, Meister entbietend, dem Abscheulichen, wohin er auch eilt, nicht weichend, ein anderer soll mein Gebieter sein, und ich ihm untertan. Worte, die eingekleidet sein wollen in jenes innig keusche, burgunderweiße Timbre, das keiner mehr hat und will, es sei denn als Regietheaterklamauk.

Diesem längst verwelkten Gefühlsgarten entspross auch Lotte Lehmann, mit einem Absatz in der Sünde, eine kundryhafte Existenz, halb Magd des Herrn, halb enthemmt vom Liebestranke. Die ekstatisch züngelnde Leidenschaft, ihre geradezu brünstige Sieglinde ist so ansteckend, weil dem unbefleckten Schoß des Gretchentypus entsprungen. Ohne Enthaltsamkeitsgebot ist ja das emotionale Außersichsein des Lehmanntons nicht darstellbar. Außerhalb von was?

Damit das Sprengpulver sprengt, benötigt es eine Kapsel. Sie ist bei der Unterdreißigjährigen die perlmuttene Mädchenhaftigkeit, danach das hausfraulich Gesetzte. Beides dient allein dazu, mit Aplomb in die Luft zu fliegen. Es bedarf nicht langer Erörterung, warum der gegenwärtigen Generation Lyrisch-Dramatischer diese Gefühlslage unzugänglich ist, weswegen sie sich willfährig als Gestörte und Dämliche inszenieren lassen.

Lotte Lehmann – „Du holde Kunst“/Lotte-Lehmann-League

Für Lehmann sind, wie gesagt, die Schicksale von Opernfiguren lauter Selbsterfahrungsmomente: das Los gefährdeter, nein, sich selbst preisgebender Unschuld. Bietet Elsa dem erträumten Streiter für ihre Erbfolgeangelegenheiten „alles, was ich bin“ zum Lohn (als ob ein Gralsritter damit anzuwerben wäre) so liest Lehmann dies umgekehrt: Das, was ich bin, ist dies mit anzüglichem Unterton verheißene „alles“. Und jetzt genug davon.

Was wäre diese ganze zudringliche Emphase ohne die nachgerade kreatürliche Musikalität. Wie nahte ihr denn der Schlummer? Mit einem leichthin parlierenden „Wie“, einem aahnungsvollen Nahen, einem unmerklich verzögerten, wie wartenden Sch-lll-ummer und (alles längst her) bevor, bevor, bevor in kindlicher Vorzeit ich – und jetzt fährt der Blitz bebender Brautzeit in die jungferliche Heia – „ich iiih-n geseeeh’n“. Das ist nur  e i n e  Zeile, die ohne laborierte Affigkeit in Wort, Klang und Melodie betörenden Duft verströmt. Eine extreme Ausformung sämtlicher Parameter, eine Bedeutungshaftigkeit jeder Vokalfarbe, eine Präzision der Ausdrucksgeste – da wird nichts Eingeübtes abgespult, kein Kunststückchen feilgeboten, da entblößt sich der pochende Herzmuskel.

Um ehrlich zu sein, danach braucht man Erholung bei der schnörkellosen Rethberg, der ergreifenden Schlichtheit Schumanns. Aber man soll sie nicht gegeneinander ausspielen. Lotte ist anstrengend wie das Leben. Jörg Friedrich

Toujours Offenbach

 

Auf der Wäscheleine: Offenbachs Die schöne Lurette und die Einakter Pomme d’Api und Sur un volcan bei Relief und cpo: Eine gewisse Begeisterungsfähigkeit für alte Hörspiele ist von Vorteil, greift man zu der im Dezember 1958 im Sender Leipzig entstandenen und am 8. Februar des folgenden Jahres vom Rundfunk der DDR gesendeten Gesamtaufnahme von Offenbachs dreiaktiger Opéra-comique Belle Lurette, die selbstverständlich in deutscher Sprache als Die schöne Lurette erklang (Relief 2 CD CR 2005). Man hat sich damit abzufinden und gewöhnt sich rasch daran, dass ein Erzähler durch die Geschichte um die Wäscherin Lurette führt, die der Herzog von Marly einzig heiratet, um den Wünschen seiner Tante zu folgen. Aus dem praktischen Arrangement erwächst dank Lurettes Verführungskunst echte Liebe. Auch an den etwas wuseligen, aufgescheuchten Ton der Ensembleszenen, die pralles Leben imaginieren sollen, gewöhnt man sich, erinnern sie in ihrer Betulichkeit doch auch an eine Operettentradition, wie ich sie in der Nachwendzeit noch wenige Male – auch im Fall von Offenbach Madame Favart – im Metropoltheater erlebte. Das ist nicht unrecht, und die Mono-Aufnahme besitzt hinreichend Klarheit und Präsenz, um immer wieder aufhorchen zu lassen. Die Sänger, die Matthias Käther in seinem die Entstehungsumstände genau beleuchtenden Text vorstellt, sind mir alle unbekannt. Auch der von Käther als Hofmeister Malicorne hervorgehobene Lutz Jahoda, der mit Der Wunschbriefkasten ein beliebter DDR-Moderator werden sollte. Hella Jansen und Frank Folker als Lurette und Herzog von Marly kamen vom Metropoltheater bzw. von der Komischen Oper, beide treffen einen rechten, vielfach charmanten prickelnden Operettenton, den ich eher mit Der Bettelstudent als mit Offenbach verbinden würde.

Das fällt umso mehr auf, da auf der zweiten CD Ausschnitte aus der französischen Rundfunkproduktion von 1965 angehängt sind, die unter Roger Albin mit so bewährten Kräften wie Lina Dachary, Michel Lamel, Jospeh Peyron entstanden. Wenngleich die Franzosen hier die Nase vorn haben, gelingt es dem als Gast aus Wien kommenden Gottfried Kassowitz in Leipzig musikalische Pointen zu setzen, mit Genus dürfte er sich der bekannten Nummer „Ce fut a Londres“ angenommen haben, wo die Schöne blaue Donau in die Seine schwappt und Malicorne und Marceline (Jahoda und Jola Siegl) walzend von der Liebe der Eltern erzählen, „Da war die Donau, die Donau so blau“. Malicornes Couplet de la statistique, Lurettes Rondos, ihre Romanze und Lied, das Couplet des Sängers Campistrel (Wilhelm Klemm), Marcelines Couplet vom Souper usw. – das sind so sauber aneiandergereiht Stücke wie Lurettes Wäsche auf der Wäscheleine.

Wie aber kam die Wäscherin nach Leipzig? Matthias Käther beschreibt Leipzig als Ausgangspunkt der frühen „Offenbach-Renaissance der DDR“. „Unter der Federführung von Operndirektor Heinrich Voigt und Bearbeiter Walter Zimmer liefen hier Raritäten wie Die Prinzessin von Trapezunt, Pariser Parfüm und Madame Favart“. An der von Leo Delibes vollendeten und wenige Wochen nach Offenbachs Tod am 30.10.1880 am Théâtre de la Renaissance uraufgeführten Belle Lurette interessierte möglicherweise das „proletarische“ Milieu der Wäscherinnen und die rebellisch selbstbewusste Titelheldin. Auf jeden Fall kam es zu einer kleinen Lurette-Serie: 1959 entstand ein mit Ingeborg Wengler, Irmgard Arnold und Martin Ritzmann prominent besetzter Querschnitt (unter Ernst Sasse), 1960 folgte der erfolgreichste Operettenfilm der DDR.

 

Das rotbackige Äpfelchen, Pomme d’api, gehört zu den rosigsten Früchtchen unter Offenbachs Einaktern. Man kennt es von der EMI-Aufnahme unter Manuel Rosenthal, der jetzt eine Neuaufnahme unter Michael Alexander Willens, bei der die Kölner Akademie den Segen von Offenbachs Geburtsstadt gibt, dicht auf der Spur ist. Die Handlung und das Hin und Her um den Rentier Rebastens, seinen Neffen Gustave und dessen Geliebte ist nebensächlich. Wie im Don Pasquale schleicht sich die Geliebte als neue Haushälterin Cathérine bei Rabastens ein, was zu dem genau in der Mitte der mit acht Nummern bestückten Partitur stehenden Glanzstück führt, dem Trio du grill „Va donc, va donc chercher le grill“. Magali Léger, Florian Laconi, Marc Barrad machen das ausgezeichnet. Ohne aufregende Stimmen, doch treffsicher und behände, mit einer federleicht hurtigen Wort-Ton-Präzision, die rasch gefangen. nimmt. Beim zweiten Stück der cpo-Aufnahme (555 268-2) kann auch Heiko Schon, der in „Jacques Offenbach – Meister des Vergnügens“ alle Inhalte kurz resümiert, nicht weiterhelfen. Doch Jean-Christophe Keck liefert im Beiheft zu Sur un volcan eingehende Ergebnisse seiner Forschungsarbeit nach und identifiziert Offenbach als Bearbeiter und Instrumentator der erst kürzlich wiederentdeckten und am 29. Dezember 1855 nur ein einiges Mal aufgeführten Comédie à ariettes in einem Akt, in der zwei französische Offiziere, „Nous sommes à Dublin à 1806“, sozusagen auf einem Pulverfass sitzen und um eine Schauspielerin rivalisieren: „Er brachte Ordnung in die Partitur, die eigentlich aus der Feder Ernest L’ Épines stammt“. Sieben Nummern, gerade mal 30 Minuten lang, darunter kurze Couplets, ein Duett, ein Terzett und ein Finale sind die Ausbeute.   Rolf Fath

 

Im Jubiläumsjahr 2019 eine ganze CD mit Koloraturarien des Operettenerfinders Jaques Offenbach? Das überrascht, denn Offenbachs Musik bringt man nicht unbedingt mit großer vokaler Verzierungskunst in Verbindung. Doch immerhin hat Offenbach mehr als 100 Bühnenwerke geschrieben (von denen – wie in operalounge.de nachzulesen, in diesem wie im vergangenen Jahr auch manche selten gespielte nun das Licht der Bühnen erblickten – man denke nur an die Fées du Rhin in Tours und Biel oder an die Prinzessin von Trapezunt in Hildesheim, König Karotte in Hannover oder Barouf in Paris/ G. H.). Und wenn man da ein wenig sucht, kommt doch eine stattliche Anzahl solcher schwierigen Arien für Sopran zusammen. Das Label Alpha Classics hat in seiner Hommage zuweilen tief in die Raritätenkiste gegriffen. Gleich drei Arien einer wirklich emanzipierten Frauenrolle finden sich hier: die der Dompteurin Olga aus der Operette Boule de Neige (Schneeball).

Manche von Offenbachs legendären Interpretinnen waren nicht gerade berühmt für ihre wendige Stimme und ihre sicheren Höhen. Seine berühmteste Darstellerin, Hortense Schneider, die erste Belle Hélène und die erste Gerolstein, konnte so etwas nicht (die Wiener Konkurrentin Marie Geistinger schon).

Aber man darf nicht vergessen, dass Offenbach nicht weniger als sieben richtige Opern geschrieben hat, für die große Sängerinnen zur Verfügung standen. Das ambitionierte Opernrepertoire findet sich auch auf dem Album wieder. Auffallend viel Opernmusik ist hier zu hören aus Kakadu, Robinson Crusoe (nicht zu vergessen die hinreißende Aufnahme bei Opera Rara/G. H.), Fantasio und natürlich Les Contes d´Hoffmann. Und im Grunde ist auch Boule de Neige eine Oper – die Musik dafür wurde aus dem Schiffbruch der unglücklichen Opéra-comique Barkouf gerettet.

Liebenswerte Einfälle: Doch Offenbach schafft es auch immer wieder, sehr anspruchsvolle Musik, sowohl kompositorisch wie auch technisch, in seine kleineren Operetten zu schmuggeln. Er findet dann immer eine gute dramaturgische Begründung für die Koloratur und die Extravaganz in der Stimme. Hier auf dem Album sind schöne Beispiele zu hören: In der Voyage á la Lune etwa erzählt die kapriziöse Mond-Prinzessin Fantasia, wie nervös sie ist und wie die geringste Kleinigkeit sie in Wut bringt, und da passt natürlich das Gezwitscher wunderbar. In den Bavards lässt Offenbach eine sehr klatschsüchtige Frau verächtlich von einer Frau erzählen. die sehr klatschsüchtig ist. Für solche Einfälle muss man Offenbach einfach lieben.

Jodie Devos auch? Ja! Man merkt schon: Da wo ihre Spitzentöne sind, da ist auch die Raumdecke, und sie singt zuweilen in Räumen mit nicht gar so hohen Decken. Weniger blumig gesagt: Die eigentliche Auszierung, der Spitzenton, nimmt nicht selten eine scharfkantige Gestalt an. Manches, was hier zu hören ist, haben Natalie Dessay oder Sumi Jo eleganter und unangestrengter gesungen. Doch nicht unbedingt charmanter. Denn auf der Haben-Seite weiß Jodie Devos als Belgierin, was sie da singt. Sie hat dem Text ein hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt, ihre Diktion ist traumhaft, und insofern ist sie vielleicht stilistisch dichter am Offenbach dran als so manche Superdiva.

Französischer Klang: Der kleine Knacks, das gewisse Quäntchen Unvollkommenheit – gehört das nicht sowieso zu einer authentischen Offenbach-Interpretation? Will man das so hören wie beim Kollegen Meyerbeer? Ich jedenfalls nicht. Und deswegen mag ich dieses Album trotz kleiner technischer Mängel sehr gern – mal ganz abgesehen davon, dass Laurent Campellone hier wirklich Erstaunliches aus dem Münchner Rundfunkorchester herausholt: Es hat einen wunderbar französischen Klang. Vielleicht liegt das daran, dass die Musiker in den letzten Jahren verstärkt französisches Repertoire gespielt haben. Man merkt, sie stecken tief im Stoff und müssen sich neben originalen französischen Orchestern kaum verstecken (Offenbach Colorature; Jodie Devos (Sopran), Adele Charvet (Mezzosopran) | Münchner Rundfunkorchester | Laurent Campellone; Werke Boule de Neige | Vert-Vert | Orphee aux Enfers | Un Mari a la Porte | Fantastico | Les Bavards | Mesdames de la Halle | Le Roi Carotte | Les Bergers | Les Conte d’Hoffmann | Robinson Crusoe | Le Voyage dans la Lune; Alpha Classics; ALPHA437). Matthias Käther

 

Da passt ein Album mit Ouvertüren und Zwischenmusiken aus Offenbachs Operetten unter dem etwas riskanten Titel Folies symphoniques von cpo gut dazu. Zu hören sind Les Bavards, Les Bergers, Le Roi Carotte, Monsieur Choufleuri, Les Brigands, Ba-Ta-Clan, Geneviève de Brabant, Monsieur et Madame Denis, La Créole, La Princesse de Trébizonde, Madame Favart, L’Ile de Tulipatan. Es spielt das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter Howard Griffiths (CPO, DDD, 2017; 8921600. Dazu schreibt jpc: Ouvertüren haben, wie schon Adolf Tegtmeier alias Jürgen von Manger erkannte, eine wichtige Funktion in der Oper: „Die fangen ja bei zuem Vorhang schon an, und spielense zuerst die ganze Melodien an ein’n Streifen, alles was später so auftaucht. Das ist aber nur, damit man sich an die Musik erst mal gewöhnen soll. Und is natürlich wichtig …, dass man dann hinterher nicht so’n Schrecken kriegt.“ Die hier versammelten Orchestervorspiele machen den Hörer auf das je folgende Werk neugierig. Auch wer die Feinheiten ihrer Konzeption nicht kennt, wird sich an dem unerschöpflichen Melodienreichtum, dem unwiderstehlichen Rhythmus, den Lyrismen und den gekonnten Details der Instrumentierung erfreuen. Die Gesamtheit der Stücke auf dieser CD kann eine Einladung sein, sich dem üppigen Œuvre Jacques Offenbachs anlässlich dessen diesjährigen 200. Geburtstag auch auf unbekannten Pfaden zu nähern, ohne Sorge haben zu müssen, dass man „hinterher so’n Schrecken kriegt“. (jpc)

 

Legendäres

 

Auf den ersten Blick ist die groß angelegte, insgesamt 24 CDs umfassende Kollektion Philharmonia Orchestra – Birth of a Legend, welche Warner Classics jetzt zu Ehren des 75. Geburtstages dieses berühmten britischen Orchesters auflegt (0190295349516), gar nicht so sonderlich spektakulär. Man beschränkt sich bewusst auf den ersten, aus der Rückschau sicherlich legendärsten Zeitabschnitt dieses Klangkörpers, von der Gründung im Jahre 1945 durch den Produzenten Walter Legge bis zum Beinahe-Untergang neunzehn Jahre später, als sich EMI von Legge und diesem Orchester trennte, das dann aber 1964 bekanntlich als New Philharmonia Orchestra eine Wiederauferstehung feiern konnte und (abermals unter dem alten Namen) bis heute besteht.

 

Streng genommen hatte das „alte“ Philharmonia, wie es oft kurz genannt wurde und später zeitweise so auch offiziell firmierte, erst ab 1959 einen Chefdirigenten, als Legge der Berufung Otto Klemperers zustimmte. Freilich übte Herbert von Karajan diese Funktion de facto bereits davor aus. Beiden sind daher zurecht bereits jeweils drei CDs gewidmet. Die meisten der Aufnahmen sind dem Sammler natürlich seit langem geläufig. Von Wichtigkeit ist gerade der Umstand, dass sie teilweise komplett neu remastered wurden, was in den meisten Fällen zu einer spürbaren Verbesserung des Hörerlebnisses führt. Davon profitieren besonders die Stereo-Einspielungen, aber auch jene in Mono, die in Karajans Fall dominieren: Das Schumann’sche Klavierkonzert mit Dinu Lipatti vom 1948, das vielfach noch heute als Referenz herangezogen wird, Schuberts Unvollendete von 1955, die Sinfonien Nr. 5 und 7 sowie die Egmont-Ouvertüre von Beethoven in den frühen Aufnahmen zwischen 1951 und 1954, der Don Juan von Richard Strauss (1951) und nicht zuletzt die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta von Béla Bartók (1949). Einzig die Pini di Roma von 1958 und Sibelius‘ Fünfte von 1960 erklingen schon im Stereo-Klang und klangen wahrscheinlich noch nie so gut wie in dieser Box. In Klemperers Fall griff man ebenso vornehmlich zu Mono-Produktionen von Mitte der 1950er Jahre, darunter Mozarts Kleine Nachtmusik und die Jupiter-Sinfonie sowie als Weltpremiere Don Juan (deutlich flotter als Karajan übrigens) und Till Eulenspiegel von einem Live-Konzert 1958, die künstlerisch einen anderen, frischeren Zugriff zeigen als jenen landläufig bekannten von „Old Klemp“, entstanden sie doch vor seinem Brandunfall, der ihn gesundheitlich einschränkte. Von seinem berühmten Beethoven-Zyklus wählte man für diese Edition einzig die Neunte von 1957, die als Klassiker gilt, aber nicht ganz die Intensität der fast zeitgleichen Live-Aufführung in Stereo (!) aufweist (bei Testament erschienen). Wahrhaftig klassisch auch die Beigabe von Mahlers Vierter mit Elisabeth Schwarzkopf, in gewisser Hinsicht bis zum heutigen Tage unerreicht. Von Klemperers Einsatz für die Moderne zeugt die Kleine Dreigroschenmusik von Kurt Weill, die er 1961 im bereits hohen Alter einspielte.

Lange vergriffen und hochinteressant: Elisabeth Schwarzkopfs Memoiren über sich und ihren Mann, Walter Legge, dem Begründer des Philharmonia Orchestras/ Discogs

Ein Weltklasse-Dirigent, der in der Frühphase des Philharmonia Orchestra häufig zu Rate gezogen wurde, war selbstredend Wilhelm Furtwängler, der hier mit immerhin zwei Discs berücksichtigt ist, alles klanglich ebenfalls generalüberholt. Klangwunder darf man sich von diesen uralten Aufnahmen allerdings nicht erhoffen, entstanden sie doch bereits zu Beginn der 50er Jahre. Gewichtig die  Wagner-Einspielungen mit Kirsten Flagstad (1952), nicht weniger bedeutend die Lieder eines fahrenden Gesellen mit dem jungen Dietrich Fischer-Dieskau aus demselben Jahr. Zwei weitere legendäre Solisten, Edwin Fischer und Yehudi Menuhin, werden von Furtwängler im fünften Beethoven’schen Klavierkonzert (1951) bzw. im zweiten Violinkonzert von Bartók (1953) begleitet.

Furtwänglers großer Antipode Arturo Toscanini ist mit seinem im Herbst 1952 in der Royal Festival Hall live mitgeschnittenen Brahms-Zyklus verewigt, bestehend aus den vier Sinfonien, der Tragischen Ouvertüre sowie den Haydn-Variationen. Die nüchterne Klarheit des Italieners ist im größten Gegensatz zur nebulösen Romantik Furtwänglers. Untrennbar mit Toscanini verbunden ist sein Protegé Guido Cantelli, heute oft übersehen, seinerzeit eine der größten Hoffnungsträger der Tonträgerindustrie; ein früher Unfalltod machte dem jäh einen Strich durch die Rechnung. Auch ihm sind nicht weniger als drei CDs gewidmet, leider mit bloß zwei Ausnahmen – Brahms‘ Dritte und Mozarts Musikalischer Spaß – mäßig klingende Mono-Produktionen: Mendelssohns Italienische, Schumanns Vierte, Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia sowie französische Musik von Ravel, Debussy und Dukas.

Der imperiale Gründer des Philharmonia: Walter Legge/ Discogs

Von ganz erheblicher Bedeutung für die Geschichte des Philharmonia Orchestra war auch ein anderer italienischer Dirigent, nämlich Carlo Maria Giulini, dessen Wichtigkeit ebenfalls durch drei CDs in der Edition unterstrichen wird. Hier sind wir nun glücklicherweise schon endgültig in der Stereo-Ära angekommen. Die älteste der Einspielungen datiert auf September 1956: Tschaikowskis Sinfonie Nr. 2, die sogenannte Kleinrussische. Die Aufnahme, obwohl im Finalsatz leicht gekürzt, ist ein absoluter Dreh- und Angelpunkt der Diskographie. War der sehr frühe Stereo-Klang bisher leider ein Manko, wird diese Einschränkung durch das nagelneue Remastering endlich obsolet. Überzeugender hat das noch nie geklungen. Neben Mussorgski (Eine Nacht auf dem kahlen Berge) und ein paar französischen Stücken (Bizet, Franck, Ravel) ist es vor allem die italienische Musik, die bei Giulini im Mittelpunkt steht. Vier Ouvertüren von Rossini, die Quattro pezzi sacri von Verdi mit Janet Baker sowie die weithin berühmte Einspielung der Messa da Requiem von 1963/64 mit Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig, Nicolai Gedda und Nicolai Ghiaurov sowie dem Philharmonia Chorus unter Wilhelm Pitz. Künstlerisch gibt es kaum eine geschlossenere Interpretation. Leider Gottes konnte nicht einmal die neueste Auffrischung des Klanges die seit Jahrzehnten berüchtigten Übersteuerungen in den lauten Passagen beseitigen. Dies schränkt den Hörgenuss besonders in den Chören empfindlich ein.

Die Dirigentenfelsen des Philharmonia 1964: Otte Klemperer, Adrian Bloult, Walter Legge und der junge Carlo Maria Giulini/ Philharmonia

Die restliche Box behandelt nicht weniger als vierzehn weitere Gastdirigenten, von William Walton (mit eigenen Kompositionen, eingespielt 1946, 1951 und 1953) über Paul Kletzki (Tschaikowskis Serenade C-Dur von 1952) bis hin zu Nikolai Malko (Auszüge aus Glinkas Ruslan und Ljudmila von 1950/52, erstmals auf CD). Weiterhin ausdrücklich als Raritäten deklariert die Suite zu I gioielli della Madonna von Ermanno Wolf-Ferrari unter Charles Mackerras (1956), die Suite fis-Moll von Ernö Dohnányi unter Robert Irving (1954, ebenfalls Premiere) sowie die Tanzsuite aus Klavierstücken von François Couperin aus der Feder von Richard Strauss unter Artur Rodzinski (1958). Die Symphonie fantastique unter der Leitung von André Cluytens aus demselben Jahr reicht allerdings nicht an dessen spätere Live-Aufführung mit dem Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire in Tokio 1964 (IMG Artists) heran. Exzeptionell dafür das lange Jahre nur schwer greifbare Sacre du printemps unter der Stabführung von Igor Markevitch (1959), welches sogar mit original russischen Aufnahmen mithalten kann.

Auf CD 22 werden besonders die Solisten des Philharmonia Orchestra herausgestellt, so der Violinist Manoug Parikian in der Meditation aus Thaïs von Massenet (unter George Weldon, 1951), der Hornist Dennis Brain im zweiten Hornkonzert von Richard Strauss (unter Wolfgang Sawallisch, 1956), der Flötist Gareth Morris in Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune (unter Igor Markevitch, 1954), der Pianist Shura Cherkassky und der Trompeter Harold Jackson in Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester (unter Herbert Menges, 1954) sowie Sidney Sutcliffe (Oboe), Gareth Morris (Flöte), Bernard Walton (Klarinette), Cecil James (Fagott), Harold Jackson (Trompete), Dennis Brain (Horn) und Alfred Flaszynski (Posaune) in der Suite zum Ballett Souvenirs von Samuel Barber (unter Efrem Kurtz, 1955).

Als eines der absoluten Highlights der Kollektion stellt sich die unscheinbare CD 20 mit dem Titel The Lighter Side heraus. Hier dominiert zum einen Musik von Johann Strauss Sohn, allerdings in interessanten Bearbeitungen von Korngold (Ouvertüre zu Eine Nacht in Venedig unter Otto Ackermann, 1954 – als einziges noch in Mono) und Antal Doráti (Graduation Ball unter Sir Charles Mackerras, 1961). Der gern etwas unterschätzte Ackermann ist auch verantwortlich für Im chambre séparée aus Der Opernball von Richard Heuberger sowie Sei nicht bös aus Der Obersteiger von Carl Zeller, jeweils mit niemandem Geringeren als der Schwarzkopf als Solistin (1957).

Walter Legge: „Words and Music“; hrsg. von Alan Sanders

Der bereits zu Lebzeiten im Schatten seines zehn Jahre älteren Bruders Josef Krips stehende Henry Krips verantwortet die grandiosen Wiedergaben der Ouvertüre zu Suppés Die Irrfahrt um’s Glück, den Walzer Pomone von Waldteufel (jeweils 1956) sowie die urigen Tänze aus Österreich von Max Schönherr (1958), darunter auch sogenannte deftige Bauermusi‘. Obwohl nicht als CD-Premieren angegeben, müssen diese Einspielungen Jahre lang kaum greifbar gewesen sein.

Mit einer auf der vorletzten CD untergebrachten „Bonus-Aufnahme“ wird dann der nach wie vor hohe Standard des Philharmonia Orchestra bewiesen, indem ein atmosphärischer BBC-Mitschnitt von Schönbergs Verklärter Nacht unter dem heutigen Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen von 2018 hinzugefügt wurde.

Die letzte CD schließlich enthält persönliche Erinnerungen an die vier womöglich prägendsten Dirigenten für das Philharmonia Orchestra, Herbert von Karajan, Guido Cantelli, Otto Klemperer und Carlo Maria Giulini. Hierzu wurden Auszüge aus diversen, nicht unbedingt in der Box enthaltenen Aufnahmen berücksichtigt. Ein lesenswerter Aufsatz von Alan Sanders über die ersten beiden Jahrzehnte des Orchesters (allerdings nur auf Englisch) rundet diese empfehlenswerte Box ab. Daniel Hauser

Margareta Hallin

 

Der Monat Februar ist nicht nur ungemütlich mit Sturm und Regen. Er scheint auch der Monat vieler Todesfälle namentlich bei verdienten und älteren Künstlern zu sein. Da ist Margareta Hallin von der Schwedischen Oper Stockholm keine Ausnahme. Ihre schon damals in sich gekehrte, fast verzogene Gestalt habe ich noch von der Drottningholmer Aufführung von Voglers Oper Gustaf Adolf och Ebba Brahe in lebhafter Erinnerung, die Stimme rau und gebieterisch, ein starker Charakter. Sie war Jahrzehnte lang der Sopranfelsen an der Königlichen Oper, später die graue Eminenz mit weitreichendem Einfluss, den viele zu spüren bekamen. In ihrer besten Zeit besaß sie eine helle, lyrische Sopranstimme ganz eigener, der Muttersprache verpflichteten Wirkung, die ihr später den Wechsel zum dunklen Fach ermöglichte, was für ihre gute Schulung spricht. Nun ist sie am 9. Februar 2020 gestorben. Zu ihrer Karriere bemühen wir einmal wieder den verdienstvollen Kutsch/ Riemens mit Dank. G. H.

 

Hallin, Margareta, Sopran, * 22.2.1931 Karlskoga (Schweden); Ausbildung am Königlichen Konservatorium von Stockholm bei Ragnar Hultén. Noch als Elevin debütierte sie 1955 an der Königlichen Oper von Stockholm (als Rosina im »Barbier von Sevilla«), deren reguläres Mitglied sie 1956 wurde und für mehr als 25 Jahre blieb. Sie sang hier in den Uraufführungen der Opern »Aniara« von Blomdahl (31.5.1959), »Herr von Hancken«, ebenfalls von Blomdahl (2.9.1965) und »Tintomara« von Lars Johan Werle (18.1.1973), zur Eröffnung des Rotunda Teater am 26 5. 1964 in der von »Drömmen om Thérèse«, ebenfalls einem Werk von Werle. In Partien wie der Konstanze und dem Blondchen in der »Entführung aus dem Serail«, der Königin der Nacht in der »Zauberflöte«, der Lucia di Lammermoor, der Gilda im »Rigoletto« und der Zerbinetta in »Ariadne auf Naxos« erwies sie sich als hervorragende Koloratrice. Sie übernahm einerseits gerne Partien in vergessenen schwedischen Opern aus dem 18. Jahrhundert, andererseits Aufgaben in zeitgenössichen Werken (Titelrolle in »Drömmen om Thérèse« von Werle, Uraufführung von Sven-Erik Bäcks »Gästabudet« 1958 am Blancheteater Stockholm). Sie gastierte sehr erfolgreich, zumeist als Königin der Nacht, an den Staatsopern von Wien, München (1973 hier auch als Leo nore im »Troubadour«) und Hamburg, am Opernhaus von Zürich und an der Oper von Rom. 1957 und 1960 sang sie die Königin der Nacht bei den Festspielen von Glyndebourne, 1958 die Konstanze beim Maggio musicale von Florenz. 1960 sang sie zuerst in Stockholm, dann an der Covent Garden Oper London in »Alcina« von Händel. 1974 wirkte sie bei den Festspielen von Edinburgh mit. Sie sang im gleichen Jahr an der Oper von Leningrad. Seit 1962 war sie bei den Festspielen auf Schloß Drottningholm zu hören. Sie sang später auch die großen Partien des lyrischen und dramatischen Fachs (Aida, Donna Anna, Senta, Elsa, Traviata, Butterfly, Marschallin). 1973 hatte sie bei den Festspielen von Drottningholm einen besonderen Erfolg in der Oper »Gustaf Adolf og Ebba Brahe« von Abbé Vogler; 1983 wirkte sie in Stockholm in der Uraufführung der Oper »Siddharta« von Per Nrgaard mit. Seit 1966 schwedische Hofsängerin, 1976 Verleihung des Ordens »Litteris et artibus«. 1984 verabschiedete sie sich offiziell in Stockholm in der Titelpartie von Cherubinis Oper »Medea« von der Bühne. Sie ist aber auch später noch gelegentlich aufgetreten; so wirkte sie am 15.10.1986 an der Stockholmer Oper in der Uraufführung der Oper »Christina« von Hans Gefors mit und sang 1987 bei den Festspielen von Drottningholm die Marcellina in »Figaros Hochzeit« und nochmals 1991 bei den gleichen Festspielen die Clytemnestra in der vergessenen Oper »Electra« von Johann Christian Haeffner. Sie ist auch unter dem Namen Margareta Hallin-Boström aufgetreten.

 

Aufnahmen auf HMV und Telefunken. Auf MRF erschien ein Mitschnitt einer Aufführung von Voglers »Gustaf Adolf och Ebba Brahe« aus Drottningholm von 1973 auf Sterling, auf BIS Gilda im »Rigoletto« (Stockholm, 1959). [Lexikon: Hallin, Margareta. Großes Sängerlexikon, S. 10068; (vgl. Sängerlex. Bd. 2, S. 1483) (c) Verlag K.G. Saur] ( Foto oben Margareta Hallin als Gilda/ Wikipedia)

Von Myrthen und stillen Tränen

 

Unter dem Titel Songs of Love and Death sind auf einer bei resonus erschienenen CD die 12 Kerner-Lieder op. 35 und 5 Lieder op. 40 sowie der Liederkreis Dichterliebe von Robert Schumann zusammengefasst. Der deutsch-britische Bariton Simon Wallfisch und der Pianist Edward Rushton haben sich der hochromantischen Lieder angenommen. Von Beginn an werden bei den Liedern nach Gedichten von Justinus Kerner die Vorzüge des Sängers deutlich wie die nicht gekünstelte, natürliche Singweise bei bester Textverständlichkeit, die ausgeglichene Führung seiner warm timbrierten Stimme und besonders die Ausdeutung der etwas zurückhaltenden, eher lyrischen Lieder. Wenn es dagegen dramatisch wird sowie bei Liedern mit langsamen Tempi und länger auszuhaltenden Tönen stört das vor allem im forte zu starke Tremolo, wie z.B. bei „Stille Tränen“ oder in der „Dichterliebe“ bei „Im  Rhein, im heiligen Strome“, „Ich hab‘ im Traum geweinet“ oder „Aus alten Märchen winkt es“, was den positiven Gesamteindruck ein wenig eintrübt. Insgesamt kann man jedoch feststellen, dass den beiden Künstlern die Gestaltung der vielschichtigen Lieder jeweils in gut nachvollziehbarer Weise gelungen ist. In „Stirb, Lieb‘ und Freud‘!“ mit der Nachahmung der Mädchenstimme fällt positiv auf, dass Wallfisch die extreme Höhe mit feiner Kopfstimme zu singen weiß, ohne manieriert zu klingen, wie man es von manch anderen hört. Auch gibt er die teilweise düster-makabre Stimmung in den Liedern op. 40 nach Gedichten von Christian Andersen wie „Muttertraum“ oder im todtraurigen „Soldat“ überzeugend wieder. Als mitgestaltender Partner des Sängers erweist sich am Klavier Edward Rushton, der in den bei Schumann üblichen längeren Nachspielen mit hoher Sensibilität dem jeweiligen Inhalt der Lieder nachspürt (resonus RES 10247).

 

In der von Sony beabsichtigten Gesamtausgabe der Lieder von Robert Schumann mit Christian Gerhaher und Gerold Huber gibt es nun nach der CD Frage (siehe Besprechung bei operalounge) eine weitere CD, auf der die Liedersammlung Myrthen op.25 enthalten ist. Die 26 Lieder nach Gedichten von neun deutschen und englischen Dichtern, ein Geschenk Roberts für seine Braut Clara, das er ihr 1840 am Hochzeitstag überreichte, werden von Gerhaher und Camilla Tilling im Wechsel gesungen. Der Charme dieser Sammlung beruht auf dem ständigen Wechsel der Stimmungen in den nicht zueinander in innerer Beziehung stehenden Liedern. Jedenfalls sah man das so bisher; dass zwischen ihnen doch ein Zusammenhang, ein bestimmtes Formprinzip bestehen könnte, begründet Gerhaher in einem klugen Aufsatz im Beiheft. Ob seine erwägenswerten Überlegungen, die die Kompositionen in Beziehung zu den bekannten biographischen Umständen von Clara und Robert setzen, wesentlichen Einfluss auf die Interpretation der einzelnen Lieder haben, bezweifle ich allerdings. Wie die beiden, die schwedische Sopranistin und der deutsche Bariton, gemeinsam mit dem ausgezeichneten Pianisten die sehr unterschiedlichen Lieder ausdeuten, das hat hohes Niveau. Da wird mit bester Diktion durchweg derart intonationsrein gesungen, wie man es nur selten erlebt. Passend schlicht erklingen „Hochländisches Wiegenlied“, „Du bist wie eine Blume“ oder „Zum Schluss“. Bei Camilla Tilling erfreuen das ruhige Aussingen der Melodiebögen („Widmung“, „Der Nussbaum“) und das wunderbare Aufblühen ihres charaktervollen Soprans („Jemand“, „Mutter, Mutter, glaube nicht“). Allgemein bekannt ist Gerhahers Kompetenz in der Liedgestaltung, die sich auch hier erweist, z.B. bei den eher witzigen Inhalten („Aus den hebräischen Gesängen“, „Rätsel“ oder „Niemand“), aber natürlich auch bei den tiefgründig ausgedeuteten Liedern wie „Freisinn“, „Talismane“ oder den beiden „Venezianischen Liedern“. Gerold Huber als völlig gleichberechtigter Partner am Klavier zeigt seine Könnerschaft bei der Liedbegleitung, indem er z.B. auf jede kleine Verzögerung in der Darstellung durch die Singstimme eingeht (SONY 19075945362).

 

Unter dem Titel Art Nouveau singt die rumänische Sopranistin Teodora Gheorghiu Lieder von Komponisten, die am Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebten und wirkten. Damit waren sie alle den Einflüssen des Jugendstils (Strauss, Zemlinsky), der Belle Époque (Ravel) und der Décadence (Respighi) ausgesetzt, die man den für die CD ausgewählten Liedern durchweg anhört. Sie bewegen sich „zwischen Fin-de-siécle-Tristesse und verspieltem Schönheitskult“ und sind damit „l’art pour l’art“ (Florian Heurich im instruktiven Beiheft). Es sind, wie es im Beiheft heißt, Musikalische Jugendstilvignetten, die mit den Mädchenblumen op.22 und Liedern der Ophelia op.67 von Richard Strauss beginnen. Bei der Sängerin, die eine zuverlässige, die jeweilige Stimmung eigenständig charakterisierende Stütze im versierten Pianisten Jonathan Aner hat, imponieren die Beherrschung der schwierigen Intervallsprünge und die enorme Höhensicherheit. Zugleich trifft sie die Leichtigkeit der Blumen-Lieder ebenso wie die die fast expressionistische Tonsprache der Ophelia-Lieder. Ebenso gelingt es den beiden Künstlern ausgezeichnet, die schillernde Chromatik und Doppelbödigkeit der noch spätromantischen Walzer-Gesänge nach toskanischen Volksliedern op. 6 von Alexander Zemlinsky nachzuzeichnen. Beides, gute Gesangstechnik und treffliche Interpretation der Lieder, kommt auch den neun Liedern von Maurice Ravel, dabei die fünf griechischen Lieder und seine erste Liedkomposition, die Ballade de la reine morte d’aimer, zugute. Schließlich erklingt Ottorino Respighis Zyklus Deità silvane über fünf Sonette des Jugenstilmalers und Schriftstellers Antonio Rubino.  Insgesamt ist diese CD auch wegen der weithin nicht so bekannten Lieder, derer sich die beiden Künstler angenommen haben, sehr zu empfehlen (Aparté APO54). Gerhard Eckels

Mirella Freni

 

Das letzte Mal, dass ich Mirella Freni persönlich erlebt habe, war nicht bei einem ihrer Auftritte auf einer Bühne, sondern Mitte der Achtziger bei einem Gala Diner zu Ehren von Raina Kabaivanska nach einer Aufführung von Cileas Adriana Lecouvreur in Modena, wo  plötzlich neben der glamourösen Figur der bulgarischen Diva beglückwünschend eine schlichte Erscheinung auftauchte, quasi una vicina, die so unauffällig, wie sie erschienen war, auch wieder verschwand. Aber immerhin war damit dem Gerücht, zwei weltberühmte Diven in einer Stadt könnten einander nicht ausstehen,  der Boden entzogen. Auf der Bühne war mein letztes Mal mit Mirella Freni in Wien in der Strehler-Inszenierung von Simone Boccanegra gewesen, in der sie die Amelia sang, ihr Bühnengroßvater war Nicola Ghiaurov, ihr zweiter Ehemann. Sie hat dann noch lange gesungen, bis zum Jahre 2005 und zunehmend auch das russische Repertoire als Tatjana mit Ghiaurov oft als Gremin. Nach ihrem Abschied von der Bühne war Mirella Freni als Gesangspädagogin tätig.

Angefangen hat die Karriere der am 27. Februar 1935 Geborenen bereits mit zehn Jahren, als sie bei einem Concorso der RAI „Un bel di vedremo“ sang, nach einem Gesangsstudium debütierte sie als Zwanzigjährige in Modena als Micaela, 1962 war ihr erster Scala-Auftritt mit der Nanetta.  Butterfly war sie später auch unter Karajan, aber Legende ist ihre Mimi an der Scala 1963 und in den Jahren darauf, auch unter dem Dirigenten, der ein besonderes Faible für sie hatte. Das Ideal eines lyrischen Soprans passte auch optisch in die Partie der Grisette so wie in die der Susanna, denn in der Frühzeit ihrer Karriere sang die Modeneserin und Milchschwester von Luciano Pavarotti auch dieses Fach, später dann auch Verdi und Verismo, so Adriana und Fedora, und auf alle ihre Figuren traf zu, was der Bürgermeister von Modena, Gian Carlo Muzzarelli, in seinem Nachruf  schrieb: „Ci ha lasciato una voce splendida“, nachdem er davon gehört hatte, dass Mirella Freni nach langer Krankheit in ihrem Haus am Nachmittag des 9. Februar 2020 verstorben ist. Ingrid Wanja

Ingrid Wanja

Nello Santi

 

Ein Meister der feurigen Klänge. Wenn dieser kraftgeladene, korpulente Mann mit wuchtigen Schritten das Dirigentenpult betrat, wußte man im Publikum, daß ein lebhafter, spannender, mitunter auch geräuschvoller Opernabend bevorstand. Nello Santi, der nun 88jährig in Zürich verstorben ist, war kein Mann der leisen Töne. Es wäre aber ungerecht, ihn deshalb bloß als Krawallmacher unter den Operndirigenten zu bezeichnen. Santi liebte den vollen Klang, in ihm brannte in jedem Moment die hitzige Leidenschaft des Italieners. Sein Temperament konnte er am besten in der Musik seines Geburtslandes ausleben, im weiten Opernreich von Rossini, Bellini, Donizetti, über Verdi und Puccini bis zu den Verismo-Komponisten. Eine „Tosca“ unter Santi loderte in allen Farben, schon mit den ersten Akkorden war das volle Drama da. Und wenn er eine Kulmination wie das Te Deum in Puccinis Oper aufbaute, dann hatte das eine Großartigkeit, die nicht allein auf Lautstärke und künstlerischer Derbheit beruhte. Freilich brauchte er dazu auch Gesangskräfte auf der Bühne, die im Strom der Klänge nicht untergingen. Santi, der selbst ausgebildeter Sänger war, konnte – ähnlich wie sein deutscher Fachkollege Horst Stein – fallweise vom Pult aus assistieren.

„Maestro Tschinello“ – so nannten ihn in Wien die Stehplatzbesucher. Ein Spitzname, der sicher nicht immer bös gemeint war, denn viele Wiener Opernbesucher denken heute noch mit Dankbarkeit an so manchen unvergeßlichen Nello Santi-Abend zurück. Rund achtzigmal hat er in Wien dirigiert, italienische Opern, wie anders nicht denkbar. Davon am häufigsten „Andrea Chenier“ von Giordano, eine Oper, die wie für ihn geschaffen war. Oft auch Puccinis „La Bohème“, und da war doch spürbar, daß der sanguinische Italiener auch für die lyrische Sphäre Empfindung hatte.

Nello Santi war in allen großen Opernhäusern der Welt zu Hause, aber seine eigentliche künstlerische Heimat war die Schweiz, das Opernhaus Zürich. Dort wirkte er durch mehr als sechs Jahrzehnte, als Musikdirektor des Züricher Opernhauses, als Dirigent und auch als Lehrer, der viel von seinem profunden Wissen weiterreichen konnte. In der Züricher Direktion des Österreichers Hermann Juch (1964-1975) wurden Nello Santi viele interessante Aufgaben zugeteilt, so Rossinis „Semiramide“, Bellinis „ll Pirata“, Donizettis „Poliuto“.

Santi war ein Gedächtnisphänomen, wie man es in dieser Ausprägung nur höchst selten vorfindet. Niemals sah man ihn aus der Partitur dirigieren, jede Musik, die er interpretierte, hatte er Note für Note im Gedächtnis. Allein diese Gabe zeichnet ihn als ein Musiktalent hohen Grades aus.

Nello Santi, geboren am 22. September 1931 in Adria (Venetien) hat als Zwanzigjähriger in Turin mit Verdis „Rigoletto“, seiner Lieblingsoper seit Kindertagen, debütiert und stand bald danach in der vordersten Reihe der italienischen Opern-Kapellmeister.

In seinen letzten Lebensjahren war der Maestro meistens nur zu besonderen Anlässen als Operndirigent zu erleben. Seine letzte Arbeit im Züricher Opernhaus galt Donizettis „Lucia di Lammermoor“, Februar 2017, in einer Inszenierung von Damiano Michieletti. Nach der Aufführung gab es eine Publikums-Ovation für Santi, die länger als zehn Minuten dauerte. Es war dies Santis dritte „Lucia“-Inszenierung dieser Oper in Zürich. In seiner Wahlheimat hat er fast hundert Premieren dirigiert und nicht weniger als acht Opern-Direktionen überlebt.

Nicht immer war sein Kontakt mit Publikum und Presse harmonisch, in München soll der schlagkräftige Musiker ebenso schlagkräftige Ohrfeigen ausgeteilt haben – an ungezogene Buh-Rufer.

Nello Santi hat niemals Abschied vom Dirigentenpult genommen, er besaß sogar noch einen Vertrag für die Saison 2020/21. Den wird er wohl im Jenseits erfüllen müssen, umgeben von herrlichen italienischen Opernmelodien und Belcantostimmen. Clemens Höslinger

 

 (Der Autor und der Donizetti-Verein Wien stellten uns diesen Artikel liebenswürdiger Weise zur Verfügung, in dessen Mitteilungsblättern er erschienen ist; Dank auch an den Obmann Alfred Gänsthaler für seine Vermittlung!)

Charles-Hubert Gervais: „Hypermnestre“

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Mit einer veritablen Rarität wartet das Label GLOSSA auf und veröffentlicht auf zwei CDs die Tragédie en musique Hypermnestre von Charles-Hubert Gervais (GCD 924007). 1716 wurde sie an der Pariser Académie royale de musique erfolgreich uraufgeführt, stand danach bis 1766 immer wieder auf dem Spielpan und wurde auch von den Werken Rameaus nicht verdrängt. Einige textliche und musikalische Schwächen im letzten Akt führten zu einer Neubearbeitung desselben durch den Komponisten (1717). Die Einspielung nutzt diese Fassung, stellt den 5. Akt aber auch im Original von 1716 vor.

Die Musik fußt auf der Tradition Lullys, erinnert zudem an die Kompositionen von Lalande, Charpentier und Marais. Und man findet italienische Einflüsse, die sich in den virtuosen Arietten widerspiegeln. In den vielen Divertissements, die der Librettist Joseph de La Font in die Handlung eingefügt hat, hatte Gervais Gelegenheit, eine Vielzahl von Tänzen einzubinden. Da finden sich beispielsweise im 2. Akt ein Tambourin, im 3. eine Gavotte und zwei Menuets, im 4. eine Sarabande und eine Passacaille.

Die drei Hauptfiguren der Tragödie – der zweiten des Komponisten nach seiner Méduse – sind die Titelheldin, ihr Vater Danaüs und ihr Geliebter Lyncée, Sohn des Égyptos. Im Prologue an den Ufern des Nils feiern die Bewohner die Göttin Isis in der Hoffnung, dass die Vereinigung ihres Landesherrn Lyncée mit Hypermnestre einen dauerhaften Frieden bringen wird. Dieses Vorspiel ist daher auch mit „Jeux en l’honneur d’Isis“ übertitelt. Der 1. Akt spielt auf einem Platz vor dem Mausoleum des Gélanor, König von Argor. Dieser wurde vor seinem Tod von Danaüs entthront, der die neuen Untertanen fürchtet, die noch immer Gélanor treu ergeben sind. Zu Ehren des verstorbenen Königs gibt er ein Fest, an dessen Ende Gélanors Schatten unter pompösen Marschklängen aus dem Grab steigt und verkündet, dass ein Sohn des Égyptos Danaüs töten wird. Dieser beschließt, Lyncée und seine Brüder zu opfern. Im 2. Akt am Hafen von Argos in der Nähe des Palastes von Danaüs wartet man auf die Ankunft von Lyncée. Hypermnestre bangt um das Leben des Geliebten, der endlich eintrifft. Beide schreiten zum Altar im Isis-Tempel, um vereint zu sein (3. Akt). Danaüs verlangt von seiner Tochter zu ihrem Entsetzen, Lyncée zu erdolchen. Im 4. Akt in den Gärten des Palastes zur Nachtzeit ist Hypermnestre gespalten zwischen ihrer Liebe zu Lyncée und ihrer Pflicht als Tochter. Sie drängt ihren Geliebten zur Flucht und will zu seiner Rettung für ihn sterben. Plötzlicher Lärm (Bruit de guerre – orchestral von hinreißender Wirkung) signalisiert Lyncée, dass seine Brüder ermordet werden. Im 5. Akt im Palast des Danaüs versucht Lyncée mit der Waffe, diesen für sein Verbrechen zu strafen, doch Hypermnestre bittet um Gnade für den Vater. In der Ferne ist ein Kampf zu hören, aus dem Lyncée siegreich zurückkehrt, aber versichert, den König verschont zu haben. Dieser wurde von Hieben anderer Kämpfer getroffen, erscheint von Blut überströmt und verflucht im Sterben seine Tochter. In der Originalversion von 1716 endet das Geschehen mit der Krönung von Lyncée zum König von Argos versöhnlich.

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Die Aufnahme für GLOSSA entstand im September 2018 in Budapest in Koproduktion mit dem Centre de musique baroque de Versailles und der Orfeo Music Foundation. Mit György Vashegyi steht ein Dirigent am Pult des Orfeo Orchestra, der die Musik mit theatralischer Intensität wiedergibt und auch in den Rezitativen die Spannung nicht nachlassen lässt. Die Ouverture zum Prologue ist von festlich-getragenem Duktus. Danach stimmt der Purcell Choir klangvoll den Choeur „Puissante Isis“ an, welcher der Göttin feierlich huldigt, und mit einer Gavotte en rondeau und einem Air pour les peuples erklingen schon die ersten Tänze. Hinreißend musiziert sind auch die Einlagen im 1. Akt – das Air, die Sarabande und das fulminante Air de Trompettes pour les Peuples argiens sowie das rasante, donnergrollende Tremblement de terre, wenn der Geist Gélanors erscheint. Lyncées glückliche Heimkehr wird von munteren und sich übermütig steigernden Airs du tambourin und Passepieds pour le Matelots begleitet.

Der lebendige Eindruck ist auch den Protagonisten zu danken, die von Katherine Watson in der Titelpartie angeführt werden. Ihr Sopran atmet Empfindsamkeit, vermittelt bezwingend die Sehnsucht nach ihrem Geliebten und den Konflikt der Figur zwischen Liebe und Pflicht. Dieser spiegelt sich eindrucksvoll im Air des 4. Aktes („Ô Nuit“) mit seiner stockenden Orchesterbegleitung wider. In der ursprünglichen Fassung von 1716 eröffnet Hypermnestre den letzten Akt noch mit einem gewichtigen Air („Quelle horreur“). Mathias Vidal, ein gesuchter Stilist im französischen Idiom, leiht Lyncée seinen gleichermaßen delikaten wie expressiven Tenor. Er und Hypermnestre  vereinen ihre Stimmen Ende des 2. Aktes zu zwei Duos, die sich in diesem Stück selten finden und in denen dennoch jede Figur ihre eigene, individuelle Gesangslinie nicht verlässt. Im Duo des 3. Aktes, „Dieu d’Hymen“, finden sich die beiden Stimmen dagegen in schöner Harmonie zusammen. Danach markieren Marche et choeur in ihrem straffen Duktus wieder einen Höhepunkt des Werkes, ebenso die galante Première et Deuxième Gavotte sowie das stampfende Premier et Deuxième Menuet.

Grandios ist Thomas Dolié als Danaüs mit charaktervollem Bass von hoher Autorität. Sein Gesang vermittelt eindrucksvoll und Respekt gebietend das düstere Schicksal der Figur. Die Stimme verliert auch in den fordernden Koloraturpassagen nichts von ihrem Reiz. Sein letzter Auftritt als tödlich Verwundeter atmet archaische Grüße. Mit diesem Rezitativ endet das Werk ernst und verhalten.

Vier Sängern wurden mehrere Rollen anvertraut, so dem Tenor Manuel Nuñez Camelino, der beispielsweise als Un Égyptien mit flüssiger Koloratur beeindruckt, auch dem Auftritt des Grand Prêtre d’Isis Nachdruck verleiht und die drei Airs des Berger im 3. Akt mit delikater Stimme vorträgt. Das Pendant zu ihm ist die Sopranistin Chantal Santon-Jeffery als Une Égyptienne, Une Argienne und Une Bergère mit typisch französischem, leicht säuerlichem Klang. Juliette Mars verleiht Isis autoritäre Mezzotöne; der Wunsch der Göttin nach heiteren Tänzen wird mit ausgelassenen Rhythmen erfüllt. In der Urfassung gehört ihr mit „Peuple, ,écoutez moi“ am Ende des 5. Aktes das letzte Solo. Tiefe Klänge steuert der Bassbariton Philippe-Nicolas Martin bei, der beispielsweise als Le Nil den Menschen reiche Ernten verspricht und als L’Ombre de Géleanor Düsteres verkündet. Bernd Hoppe.

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Rätselhaft

 

In die psychologischen Untiefen der doch reichlich verworrenen, kruden Libretti von Bellinis Belcanto-Opern einzudringen, ist alles andere als einfach. In den letzten Jahren haben das der Regisseur Jossi Wieler gemeinsam mit dem Dramaturgen Sergio Morabito und der Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock an der Staatsoper Stuttgart versucht. Nach Norma und La Sonnambula hatte I Puritani 2016 Premiere; von der Wiederaufnahme im Juli 2018 gibt es einen Mitschnitt, den Naxos als DVD herausgebracht hat. Das Regieteam lässt alles in einem Einheitsbühnenbild spielen, das einen feuchten Keller in der zentralen Puritaner-Festung im englischen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts suggeriert. Die Puritaner werden wie eine Sekte als geschlossene, strenggläubige und frauenfeindliche Gesellschaft gezeichnet; zu Anfang und am Schluss stehen sie betend vor einer Wand wie die männlichen Juden vor der Klagemauer in Jerusalem. Außerdem sind die Choristen ständig in Bewegung und wischen sich vorgebliche Krümel von der Kleidung (Puritanisch kommt von purification = Reinigung!). Ganz am Ende scheinen auch sie alle etwas neben sich zu sein, wenn sie unter merkwürdigen, spastischen Zuckungen leiden. Auch sonst gibt es manch Unverständliches und auch Ironisierendes: So tritt Riccardo seinen Kampf mit Arthur mit einem großen Beil an, während dieser mit dem Schwert hantiert. Elvira scheint nicht erst dann wahnsinnig zu werden, wenn Arthur sie verlässt und sie vermeintlich betrügt, sondern sie wirkt von Anfang an geistesverwirrt. Ihr Onkel Giorgio soll wohl deshalb nicht als liebender Verwandter, sondern eher als Therapeut auftreten, wozu er dann einem großen Koffer eine Bauchredner-Puppe entnimmt, mit der Elvira später spricht, nachdem sie eine Lücke in die Wand geschlagen hat, in der dann die Puppe sitzt. Im 3.Akt steht ein nur mannshohes Haus, in das sich Elvira verkrochen hat, aus dem heraus sie und später auch Arthur singen, nachdem sie ihn dort eingesperrt hat – aha, Elvira spielt noch mit Puppen! Dass schließlich Riccardo Elvira im Finale II vergewaltigt, als Arthur mit Enrichetta die Festung verlassen hat, ist eine unnötige Übertreibung. Insgesamt gibt es an Rätselhaftem, bei dem man ständig die tiefere Bedeutung sucht, einfach zu viel

Damit nun aber genug. In hohem Maße befriedigend ist die musikalische Seite der Aufführung: Dafür schafft das ausgezeichnete Staatsorchester Stuttgart eine gute Grundlage, mit dem Manlio Benzi mit sängerfreundlichem Dirigat dafür sorgt, dass die dramatischen Effekte ebenso wirkungsvoll wie die schwelgerischen lyrischen Passagen zur Geltung kommen. Der Staatsopernchor (Christoph Heil) entwickelt trotz der vielen Bewegung ausgewogenen, prächtigen Chorklang. Gestalterisches und sängerisches Zentrum der Oper ist Elvira, die auf bedauernswerte Weise zwischen zwei Männern steht. Anna Durlovski stellt sie in den sehr unterschiedlichen Phasen  ihrer Verwirrtheit letztlich glaubhaft dar; dabei führt die mazedonische Sängerin ihren flexiblen, abgerundeten Sopran höhensicher durch alle Lagen, wobei ihr die Koloraturen und Verzierungen in schöner Klarheit glänzend gelingen. Elviras geliebter Arthur ist René Barbera, dessen leichter, ebenfalls sehr flexibler Tenor durch Intonationsreinheit und sichere Führung imponiert, wobei ihm die vielen Extrem-Höhen keine Probleme zu machen scheinen. Sein Gegenpart Riccardo ist der albanische Sänger Gezim Myshketa, der durch einen kräftigen, mächtig auftrumpfenden Bariton für sich einnimmt, wenn auch manche Koloraturen leicht verwischt werden. Im großen Duett mit Giorgio, zweifellos eins der musikalischen Highlights der Oper, verbindet er sich mit dem sonoren, schön auf Linie singenden Bass von Adam Palka, wofür beide völlig zu Recht tosenden Beifall zum Schluss des 2. Akts einheimsen. In den kleineren Rollen gefallen der füllige Mezzosopran von Diane Haller als Enrichetta, der bewährte Bass von Stuttgarts Urgestein Roland Bracht als Elviras Vater Lord Valton und der sichere Tenor von Heinz Göhring als Sir Bruno.

Trotz aller Rätselhaftigkeit der Regie ist die DVD vor allem wegen der niveauvollen musikalischen Umsetzung empfehlenswert (NAXOS 2.110598, 2 DVD).  Gerhard Eckels

 

Fiamme inutili

 

Viele Gedanken macht sich immer Simone Kermes, bevor sie eine neue CD veröffentlicht. Auch bei der ganz aktuellen mit dem Titel Inferno e Paradiso ist das der Fall, wieder vor allem barocke Arien, aber auch einige Titel aus der Unterhaltungsmusik, so von Sting, Lady Gaga oder Udo Jürgens, die der Arrangeur Jarkko Riihimäki in barocke Arien umkomponiert hat. Im Booklet geht es dann allerdings nicht mehr um Hölle und Himmel, sondern um die sieben Todsünden, denen sieben  Tugenden als Gegenpol dazu gegenübergestellt werden. Immerhin besteht eine Verbindung zwischen beiden, denn wer der ersteren frönt, endet im Inferno, wer sich zu letzteren bekennt, im Paradiso. Wo allerdings derjenige seine letzte Ruhestätte findet, der Kermes‘ Ratschlag befolgt und einen „Mittelweg“ wandelt, wird nicht verraten. Zumindest was die eigene Optik angeht, neigen sich die Portraits auf und im Booklet eher den üppigen Sünden als den demütigen Tugenden zu.

Vielleicht unter dem Schock stehend, wie viele Doktores in der letzten Zeit wegen „unwissenschaftlicher“ Dissertationen ihren Titel verloren haben, geht der Sopran besonders gewissenhaft in dem auch bei dieser CD wieder selbst verfassten Text vor, nennt als Fußnote die Quellen, aus denen sie geschöpft hat. Barock wie die Musik ist der überschwängliche Dank an alle Mitwirkenden, bei der Erläuterung der einzelnen Tracks zeigt sich die Sängerin auf dem letzten Stand der Diskussion um existenzielle Fragen wie Klimawandel und Terrorattacken und redet dem Leser ins Gewissen, denn „erst stirbt die Biene, dann stirbt der Mensch“.

Natürlich ist es nicht leicht, für jede der Tugenden und für jede Sünde eine passende Arie zu finden, selbst wenn man für die Völlerei ein „aber bitte mit Sahne“ bemüht oder für die Wollust Lady Gagas „Pokerface“, auch wenn hier befremdet, dass auch die Königin der Nacht derselben bezichtigt wird.  Manchmal kann man Simone Kermes in ihren Zuordnungen folgen wie bei Händels „Tu del ciel ministra“ der Keuschheit, oft aber auch nicht, so der Neid zu Hasses „Se tu non senti“ oder der Fleiß, der flugs zum Mut wird, so bei Broschis „Qual guerriero“.

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass sich der Sopran voller Hingabe und mit Leidenschaft seiner Aufgabe widmet. Nicht immer aber genügen die stimmlichen Mittel den hohen Anforderungen, die die teilweise für die großen Kastratenstars komponierten Arien  an die Stimme stellen. So wird bereits im ersten Track,  bei Vincis „In braccio a mille furie“ der Ton nicht angemessen attackiert, werden die einzelnen Noten nicht ideal voneinander getrennt, spricht die Stimme nicht in allen Lagen gleich gut an, klingen die Koloraturen zu harmlos, als dass der Seelenzustand  der Mirtea angemessen hörbar würde. Für den San Nicola von Bononcini klingt der Sopran zu dünn, hat er für Hasses „Non ho più pace“ nicht genug Tiefe, wie die Intervallsprünge nach unten hören lassen. Manchmal wird Dramatik vorgetäuscht, kann die Spannung nicht gehalten werden wie bei Albinonis „Dopo i nembi“, klingt es hohl, wenn es dramatisch werden sollte wie bei Vivaldis „Gelida in ogni vena“. Bachs wunderbares „Erbarme dich, mein Gott“ erscheint hohl, wenn es traurig klingen soll, ist die Tongebung schwammig, auch mal hauchig. Beim letzten Track verwechselt die Sängerin verinnerlicht mit spannungslos und Broschis „Qual guerriero“ könnte beherzter klingen, hier wird vieles nur angetippt.

Dass Hausorchester von Simone Kermes, die Amici Veneziani, passen sich dem Gesangsstil der Sängerin perfekt an, einschließlich des Cellos in Caldaras „Pompe inutili“. Wer über viele Unzulänglichkeiten in der Ausführung hinweghören kann, weil er das bedingungslose Engagement für ein Kunstwerk mehr zu schätzen weiß als Perfektion, der kann an dieser CD durchaus seine Freude haben (Sony 19075963342). Ingrid Wanja      

Mozart, Affen und Musik

 

Wie ein Vermächtnis für die auf dem verderblichen Weg des Materialismus dahin taumelnde Welt, eine Botschaft, die vielleicht doch noch zur Rettung des höchsten Gutes der Menschheit, der Kultur, führen kann, lesen sich einige der Texte, die die Witwe von Nikolaus Harnoncourt, Plädoyer für die Musik,  in dem knapp hundertfünfzig Seiten starken Band mit dem schlichten Titel „Über Musik“ zusammengetragen hat. Reißerischer und Gesetzen des Marktes stärker unterworfen klingt da schon der Untertitel „Mozart und die Werkzeuge des Affen“. Alice Harnoncourt ist nicht nur Testamentsvollstreckerin ihres Gatten, sondern hat auch dreißig Jahre lang als Konzertmeisterin und Solistin im Concentus Musicus mitgewirkt, es kann also keine Berufenere als sie geben, den geistigen Nachlass des Dirigenten zu verwalten.

Mozart ist zumindest in diesem Buch mit Artikeln und Redemanuskripten Hauptthema, im Vorwort wird als Ziel angegeben, der Musik dazu zu verhelfen, ihre Kraft auf den Hörer wirken zu lassen. Aber auch von noch älterer Musik ist die Rede, und der erste Text Harnoncourts ist ein an eine Sophie gerichteter Brief, die ihr Leben offensichtlich der Musik widmen will und darüber belehrt wird, dass man der Kunst nur ganz oder gar nicht gehören kann. Dieser Rigorismus tritt immer wieder auf, sei es beim Bedauern darüber, dass in den Pisa-Untersuchungen nie die Musik berücksichtigt wird, sei es bei der Zurückweisung jedes Versuchs, Mozart als anmutigen, liebenswerten Unterhalter anzusehen und nicht als das Absolute an genialer Schaffenskraft, dessen Werke nicht unterhalten, sondern aufwühlen sollten.

In einem Vorwort zu einem Buch von Uli Molsen äußert sich der Dirigent zur Aufführungspraxis, das Gebiet, auf dem er revolutionär gewirkt hat, und meint, wahre Authentizität könne man bei der Aufführung alter Musik nie erreichen, führt dem Leser vor Augen, dass früher nur zeitgenössische Musik aufgeführt wurde, heutzutage dagegen fast ausschließlich Musik aus vergangenen Zeiten.

In dem Artikel „Über das Musikhören“ wird dem Leser bewusst gemacht, dass er aus diesem Grund nicht mehr das Was, sondern das Wie der Aufführung in den Mittelpunkt seines Interesses stellt. So werden ihm wichtige Einsichten vermittelt, ohne dass sich der Autor als Alles- und Besserwisser aufspielt, sich im Gegenteil auch oft fragend und zweifelnd verhält. Dies ist auch so bei der Einschätzung von Künstlern, die wie Toscanini nicht in vom Faschismus beherrschten Ländern auftraten oder denjenigen, die sich für das Bleiben entschieden. Harnoncourt überlässt es lieber dem Leser oder Hörer, ein Urteil zu fällen, stellt Positionen eher zur Diskussion als dass er sie aufoktroyiert. Obwohl sein praktisches Handeln in dieser Hinsicht manchem eher als ein anderes erschien, verteidigt der Dirigent die Vielfalt von Interpretationen, meint: „Buchstabentreue ist nicht Werktreue.“

„Warum immer Vibrato?“ nennt sich ein Beitrag, in dem er sich gegen die Entwertung dieses Mittels, das Affekt und Rhetorik vertritt, durch inflationären Gebrauch wendet. Historisch wird es, wenn sich der Autor mit der Geschichte der Oper, der Versöhnung von Ein- und Mehrstimmigkeit, von Madrigal und vertontem Drama durch Monteverdi befasst. Eine Rede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde in Salzburg kümmert sich um den „5. Oberton“, bereits 1982 erschien im Residenzverlag der Beitrag „Von der Mitteltönigkeit zur Wohltemperierten Stimmung“, von 1977 stammt „Zur Klangästhetik Monteverdis“.

Die Bedeutung der Kirchenmusik, die im Gegensatz zur Musik der Barockorchester allen zugänglich war, wird ebenso herausgestellt wie die einmal selbstverständliche Einheit von E- und U-Musik. Für Teldec entstand 1970 ein umfangreicherer Beitrag über die Instrumentenfamilien, für ein Konzerthausprogramm 1967 der über die unterschiedlichen Arten von Cembali.

Von Liebe und Verehrung geprägt sind die Ausführungen über Mozart, Harnoncourt verdammt die Arroganz mancher Forscher gegenüber den Familienmitgliedern des Komponisten, sieht seine Ausnahmestellung in der Geschichte auch darin begründet, dass er komponierte, was er noch nicht erlebt haben konnte.

Der Verfasser wendet sich sowohl gegen die Degradierung der Musik zum Zeitvertreib wie gegen ihre Einspannung für politische Zwecke, für die er zahlreiche Beispiele anführt. Zwei Grundsätze sind für ihn das Ergebnis seiner Arbeit mit Musik: Der wahre Künstler sei immer in Opposition und ohne Musik sei der Mensch kein Mensch, sondern ein „dekultiviertes Nützlichkeitswesen“. So behutsam Harnoncourt sonst in seinen Äußerungen ist, so entschieden tritt er als Verteidiger der Kunst als „Denken des Herzens“ auf. Allerdings, und darum geht es in Ausführungen über die Geschichte der Salzburger Festspiele, dürfe sie nicht wie unter den Nazis in KdF-Manier als Mittel zur Wiederherstellung der Arbeits- oder gar Wehrkraft missbraucht werden.

Das Buch schließt mit einer Rede anlässlich Mozarts 250. Geburtstag im Mozarteum 2006, in der Mozart als „vielleicht ein Griffel in der Hand Gottes“ bezeichnet wird, der Maestro noch einmal seine Verehrung und seinen demütigen Dienst an der Kunst unter Beweis stellt (140 Seiten, 2020 Residenz Verlag Salzburg Wien; ISBN 978 3 7017 3508 2). Ingrid Wanja

Vielgesichtig

 

Schon mit seinem Debütalbum bei Erato, Anima Sacra, das barocke Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts vorstellt, sorgte der polnische Countertenor Jakub Józef Orlinski für Aufmerksamkeit wegen seiner individuellen Stimme und der hohen Musikalität. Nun legt die Plattenfirma eine neue Platte vor mit dem Titel Facce d’amore ( 0190295423384), welche Opernarien männlicher Liebhaber dieser Epoche versammelt, darunter sieben Weltpremieren. Die Auswahl bietet ein breites Spektrum an Emotionen – Liebe, Zorn, Enttäuschung Eifersucht, Wahnsinn… Sie beginnt mit einer Szene aus Francesco Cavallis La Calisto („Lucidissima face“), in welcher der Solist seine weiche, klangschöne Stimme wirkungsvoll ausstellen kann. Nachfolger dieses Komponisten sind Giovanni Antonio Boretti und Giovanni Bononcini. Vom ersteren hört man aus Eliogabalo die Arie „Chi scherza con Amor“, die in ihrer koketten Munterkeit einen schönen Kontrast zum Auftakt darstellt, und zwei Szenen aus Claudio Cesare – die nachdenklich-getragene Arie „Crudo Amor“ und die Sinfonia. Hier hat das in der Barockwelt renommierte Ensemble Il Pomo d’Oro unter seinem Leiter Maxim Emelyanychev, das den Solisten inspirierend begleitet, Gelegenheit, als Orchester zu glänzen – wie später auch in der filigranen Sinfonia aus Bononcinis La nemica d’Amore fatta amante und dem rhythmisch auftrumpfenden Ballo dei bagatelli von Nicola Matteis. Heroischer Aplomb bestimmt die Arie „Fra gl’assalti di Cupido“ aus Alessandro Scarlattis Pirro e Demetrio. Mit zwei Ausschnitten aus seinem Scipione il giovane ist Luca Antonio Predieri vertreten – „Dovrian quest’occhi piangere“ in lieblich-wiegendem Melos und „Finche salve è l’amor suo“ in sanft kosendem Duktus. Reizvoll im Spiel mit den Registern der Stimme gibt sich „Che m’ami ti prego“ aus dem Nerone von Johann Mattheson, der 1723 in Hamburg zur Premiere kam. Kämpferisch ertönt „Odio, vendetta, amore“ aus Don Chisciotte in Sierra Morena von Francesco Bartolomeo Conti und gibt dem Solisten zudem Gelegenheit für energische und bravouröse Koloraturpassagen.

Mit  vier Titeln ist Georg Friedrich Händel der prominenteste Komponist der Anthologie. Aus Agrippina sind das Rezitativ und die Arie des Ottone zu hören, den Orlinski auch in der jüngst erschienen Gesamtaufnahme der Oper bei Erato mit Joyce DiDonato verkörpert und hier erneut mit seiner klagenden Expression berührt. Aus Amadigi di Gaula erklingt die aus Rinaldo („Lascia ch’io pianga“) bekannte gefühlvolle Arie „Pena tiranna“, aus dem Fragment Muzio ScevolaSpera, che tra le care gioie“, in welchem der Sänger mit kultivierten Koloraturläufen aufwartet, und aus Orlando die große Szene des Titelhelden „Ah stigie larve/Vaghe pupille“. Sie markiert den Höhepunkt der CD, denn nach dem Rezitativ zwischen rasendem Furor und umnachteten Lauten ist die Arie von besonderer Klangschönheit. Mit dem Stück eines weiteren barocken Großmeisters endet das Programm sehr stimmungsvoll – „Sempre a so vaghi rai“ aus Johann Adolf Hasses Orfeo. Orlinski erfreut hier noch einmal mit schmeichelndem Gesang und empfiehlt sich mit dieser CD für weitere Projekte in diesem Genre. Bernd Hoppe

Aufregend und aufregend besetzt

 

Händels Dramma per musica um Kaiserin Agrippina, die ihren Sohn Nerone zum Nachfolger des vermeintlich gestorbenen Kaisers Claudio machen will, war zuletzt auf vielen Bühnen und in mehreren Veröffentlichungen anzutreffen. Beispielsweise legte Naxos die Aufzeichnung vom März 2016 aus dem Theater an der Wien vor, welche eine Inszenierung von Robert Carsen festhielt. An der Bayerischen Staatsoper gab es im Rahmen der Münchner Opernfestspiele im Sommer 2019 eine Neuproduktion durch Barrie Kosky und jüngst tourten Joyce DiDonato und Franco Fagioli damit mit sensationellem Erfolg konzertant durch Europa. Nun legt Erato dieses Ereignis in einer Einspielung auf drei CDs vor, welche im Mai 2019 in Dobbiaco entstand (0190295336585). Die Besetzung ist spektakulär und vereint in fast allen Partien die derzeit international führenden Interpreten im Genre der Barockoper.

Joyce DiDonato singt die Titelpartie und markiert mit dieser Interpretation einen neuen Standard in ihrer ohnehin exzeptionellen Diskographie. Sie formt den intriganten Charakter der Herrscherin mit einer faszinierenden Fülle von Farben und Gestaltungsnuancen. Die Rezitative sind spannende Psychogramme, in jedem Moment erfüllt von lebendigem Ausdruck. Auch technisch ist die Sängerin über jeden Tadel erhaben. Schon ihre erste Arie von munterem Duktus,„L’alma mia“, zeigt die Stimme in ihrer unangefochtenen Flexibilität, so dass die Koloraturläufe bestens gelingen. Die folgende getragene Arie, „Tu ben degno“, ist dagegen meisterhaft geformt in ihrer Verschlagenheit und Hinterlist. Munter und kokett hüpft „Ho un non so che nel cor“, während das vierte Solo der Titelheldin im 1. Akt, „Non ho cor che per amarti“, sich als ernsthafter Gunstbeweis für Poppea darstellt. Ihr größter Auftritt,„Pensieri“, ist im 2. Akt platziert und wird vom Orchester mit harschen Akkorden eingeleitet und begleitet. Die Sängerin setzt hier bewusst heulende Töne und grelle Ausbrüche als existentielles Ausdrucksmittel ein und steigert sich im B-Teil in rasenden Furor. Den Akt beendet sie brillant mit dem beschwingten und an Trillern reichen „Ogni vento“. Ihr als Titelheldin gebührt auch am Ende noch ein  Solo – das getragen-sanfte „Se vuoi pace“, welches hören lässt, dass sich offenbar alle Verwirrungen gelöst haben. Poppea und Ottone besingen ihr Glück und angesichts des glücklichen Ausgangs steigt sogar Giunone vom Himmel herab und stimmt die jubelnde Arie “V’accendano le tede“ an. Marie-Nicole Lemieux erfreut mit pastosem Ton und bravourösen Läufen.

Franco Fagioli ist ein aufregender Nerone mit sinnlichem Countertenor. Schon in seiner Auftrittsarie, „Col saggio tuo consiglio“, besticht er durch brillante Spitzentöne und hohe Virtuosität. Brillant jongliert er mit den Noten in „Sotto il lauro“ im 2. Akt. Auch in dem kantablen “Quando invita la donna“ kann er mit schmeichelnder Stimmgebung punkten. Zu Beginn des 3. Aktes hat er dann mit „Coll’ardor del tuo bel core“ eine Bravournummer, welche er mit furioser Attacke angeht und mit seinen vehementen Koloraturläufen staunen macht. Mit „Come nube“ kann er diesen Eindruck sogar noch  überbieten – eine tour de force von abenteuerlicher Bravour mit rasenden Koloraturpassagen und schier unwirklich scheinenden Variationen im Da capo.

Die Kaiserin hatte sich der Unterstützung ihrer Gefolgsleute Pallante (Andrea Mastroni mit autoritärem Bassbariton) und Narciso (Carlo Vistoli mit hohem Countertenor von reizvoll-lieblichem Klang) versichert, die beide in sie verliebt sind. Claudios Diener Lesbo (Biagio Pizzuti mit auftrumpfendem Bass) verkündet unter Trompetengeschmetter die Rückkehr des Kaisers. Es war der getreue Ottone, der ihm das Leben rettete und dafür die Thron-Nachfolge versprochen bekam. Eratos neuer Counter-Trumpf Jakub Józef Orlinski singt ihn engagiert und jugendlich klangvoll. Den 2. Akt eröffnet er mit der bewegten Arie „Coronato il crin d’alloro“. Er ist in Ungnade gefallen, kann aber Poppea seine Treue beweisen. „Voi che udite il mio lamento“ ist ein schmerzliches Lamento, das der Counter empfindungsreich vorträgt. Und mit „Vaghe fonti“ fällt ihm eine der schönsten Eingebungen Händels zu – ein kurzes Arioso in siciliano-Manier –, für das er entrückte Klänge findet. Auch „Pur ch’io ti stringa“ im 3. Akt ist von elegisch-klagendem Charakter, wofür sich Orlinskis Stimme besonders eignet. Ottones Liebe gehört Poppea, die aber auch von Claudio und Nerone hofiert wird. Luca Pisaroni als Kaiser ist mit larmoyant und zuweilen verquollen klingendem Bass nicht auf dem Ausnahmeniveau der übrigen Besetzung. „Cade il mondo“ im 2. Akt offenbart zudem auch seine Defizite in der Extremtiefe. Am besten gelingt ihm das forsche „Basta che sol tu chieda“ am Ende des 2. Aktes, das er mit energischem Zugriff angeht.

Elsa Benoit singt Poppea mit verführerisch tönendem Sopran, die reich verzierte Auftrittsarie „Vaghe perle“ absolviert sie brillant mit feinen staccati. Wenig später beweist sie in„Fa’ quanto vuoi“ resoluten Ausdruck und forsche Koloraturattacke. Sie beendet den 1. Akt mit der bewegten Arie „Se giunge un dispetto“, in welcher der Konflikt der Figur entschlossen geschildert wird. Launisch gibt sie sich dagegen in „ Ingannata una sol volta“ und „Col peso del tuo amor“. Mit„Bel piacere“ im 3. Akt hat sie nochmals Gelegenheit, ihren feinen Sopran in einem kultivierten Vortrag zu bester Wirkung zu bringen.

Für Händels Komposition, in der sich viele Nummern aus seinen früheren Werken finden (auch aus Oratorien, Kantaten und Motetten), ist Maxim Emelyanchev am Pult des Ensembles Il Pomo d’Oro der denkbar beste Anwalt. Schon in der Sinfonia sorgt er mit gravitätischen Akkorden zu Beginn und später dem fiebrigen Mittelteil für spannende Akzente. Das Preludio im 2. Akt  ist von dramatischer Spannung erfüllt, der nachfolgende, von Bläsergeschmetter umrahmte Chor „Di timpani e trombe“ atmet pompösen Glanz. Am Ende kann er mit dem Orchester zum lieto fine noch die sechs Balli differenziert und Affekt geladen zu Gehör bringen.

Die Ausgabe bringt im Anhang noch zwei Nummern der Poppea – die lebhafte Arie „Fa’ quanto vuoi“ aus dem 1. Akt, welche vor der Premiere gestrichen wurde, und ihr inniges Liebesduett mit Ottone, „No, no, ch’io non apprezzo“  aus dem 3. Akt. In letzterem vereinen sich die Stimmen von Benoit und Orlinski in schönster Harmonie. Bernd Hoppe

„Oh Mensch, gib acht !“

 

Ein Unstern waltete über den Geschicken Hans Swarowskys, der die berühmtesten Pultlöwen seiner Zeit ausbilden konnte, aber leider selbst nicht dirigieren. Eben nicht so, wie seine flamboyanten Schüler Mehta und Abbado, sondern durchschnittlich und grau wie seine Erscheinung. So der Ruf, den die deutsche Fachwelt verhängte, die zu selbiger Zeit auch lehrte, daß Jean Sibelius nicht komponieren konnte. Jedenfalls nicht so umwerfend wie Boulez und Stockhausen. Nun, richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.

Dies vorausgeschickt, verwundert es wenig, dass der RIAS Berlin das Sendeband vom 21.1.1963 löschte, das die grandioseste Aufführung der 3. Mahlersinfonie enthielt, dirigiert von jenem Mann bescheidenen Rufs, gespielt vom Radiosinfonieorchester Berlin. Damals noch Ferenc Fricsays Orchester, kurz vor seinem Wechsel zu Maazel, der übrigens auch eine grandiose Mahler III hinterlassen hat, wohlverwahrt bei Sony, aber nicht ganz so blutig, so markerschütternd. Swarowsky wiederum verwahrte seit 1920 Furtwänglers Dirigierpartitur, was gäben wir für einen Mitschnitt seiner Aufführung, aber verklungen, verweht, perdu wie jenes RIAS-Band.

 Anscheinend war Swarowsky von seinem Berliner Abend recht angetan, zumal bei der außerordentlichen Orchesterleistung. Mahler III war bisher nur zweimal auf Platten gebannt worden, 1952 von SPA Records unter Charles F. Adler (ebenfalls grandios) mit Covertext von Alma, und 1962 von Bernstein con fuoco. Seit nunmehr 14 Jahren war Swarowsky bemüht gewesen, jenen halbverschollenen Komponisten, der Musikwissenschaft zufolge nicht sonderlich begabt, in Wien nach dem NS-Kahlschlag wieder heimisch zu machen, vergebens. Aber das Band, das das Dokument des genialen Werks genial realisiert, hätte Swarowsky gern gehütet, so wie Furtwänglers Partitur bis zum Ende seiner Tage! Es war sein Schicksalsstück. Natürlich kannte er Adlers Platte mit den Wiener Sinfonikern, kurzzeitig sein eigenes Orchester, aber es musste ja so völlig anders, weniger klassizistisch klingen, so wie im Januar 1963: kosmisch, wie, laut Mahler, es Mensch, Natur, Tier und alle Engel ihm erzählt hatten.

Hat Swarowsky den RIAS womöglich um eine Bandkopie gebeten? Er war ein kleinmütiger, oft gedemütigter Mann. Wir wissen’s nicht, nur dass er keine solche besaß, und dass der RIAS von dem mittelmäßigen Dirigenten mit dem mittelmäßigen Stück zu wenig hielt, um das Band aufzubewahren. Schließlich hatte er selbst Fricsays Beethovenzyklus gelöscht; war ja nur in Mono! Und dann die Darbietung eines Schülers Anton v. Weberns archivieren, der ihm Mahlers eigenes Dirigat Takt für Takt eingebleut hat? Davon wird diese Bandwurmsinfonie auch nicht besser. Warum wohl hatten die treuen Adlaten Klemperer und Walter keine Dritte hinterlassen?

Man sollte die Mahlerverkennung nicht allein den Nazis anlasten. Grove’s Dictionary von 1944 meint, dass von dem Oeuvre außer Sinfonie Nr. 9 und Lied von der Erde nichts überlebt. Zehn Jahre später sorgte Hans Redlich in der 5th edition für die gegenteilige Auskunft. An was soll sich der Rundfunkredakteur am Löschkopf denn nun halten? Daran, dass sich dies längste der Mahlerschen Ungetüme kaum für Rundfunkprogramme eignet! Damit hätte denn die Furie des Verschwindens per Knopfdruck ein erstrangiges Dokument aus der Herzkammer der Mahlerrezeption geschluckt, wäre nicht das Außerprogrammäßige eingetreten (zum schillernden Lebensweg von Hans Swarowsky gibt es einen brillanten Artikel in der NZZDer Dirigent, der spionierte: Hans Swarowsky zwischen Zürich und dem «Dritten Reich» und einen im Spiegel: „Ohne diese Juden spielen wir nicht“; dazu auch die website der Hans Swarowsky Akademie Wien)

Die Schlüsselgestalt unserer Anekdote umgibt Dunkel. Kein Gesicht, keine Adresse, offenbar kein Betriebsangehöriger, ein namenloser Passant des Musiklebens. Er muss von hartnäckigem Naturell und überdies Besitzer eines UKW-Empfängers und eines Tonbandgeräts gewesen sein, ausgelegt für 18 cm Spulen und Monoviertelspur. Letzteres ein scheußliches Patent, aber ökonomisch: Das gleiche Band ist vierfach bespielbar, jedoch pro Spur auf Zwirnsfadenbreite. Das allerdings genügt nicht zur Verwirklichung der goldenen Idee, die Übertragung mitzuschneiden. Das Stück dauert 94 Minuten, d.h. man müsste einmal das Band wenden, wechseln oder zurückspulen; dazu bleibt in der Satzpause aber ungenügend Zeit.

 

Hans Swarowsky als Chef des Philharmonischen Orchesters Krakau/ Archiv der Hans-Swarowsky-Akademie Wien

Weil der Unbekannte unbedingt die Sinfonie besitzen wollte, behalf er sich damit, einen Sozius zu kontaktieren. Dessen Auftrag war, Satz 4 – 6 zu speichern, also hinter Min. 59:44 auf ’Start’ drücken! Im Tandem war das Unternehmen gut realisierbar. Sein Urheber indes, der Satz 1 – 3 auf seine Spule bannte, hätte normalerweise beide Spulen entsorgt, nachdem der Mahler-Boom die vorangegangene musical correctness hinwegfegte, denn Mahler hatte gar nicht so konfus komponiert wie gedacht. Das entdeckten ab Mitte der 60er Jahre ein Pultmagier nach dem anderen und alle major labels gleichzeitig, welch’ Wunder. Anbetracht der alsbald in Stereo, Quadro, Metalmastering und Digital anrollenden Schallplatten, durchweg brillant musiziert, mochte man den mäßig beleumdeten Pionier in Viertelspurmono getrost vermüllen.

Aber so geschah es nicht, warum nicht ? Weil der Namenlose die Spulen nicht in die Tonne steckte, sondern in den Briefkasten. Weshalb der Krempel diesen Weg einschlug, nämlich zu Hans Swarowsky nach Wien – das alles ist geheim! Hat er die Tonbandamateure gekannt, den Plan gar initiiert? Letzteres schwerlich, sonst wäre passables Equipment aufgetrieben worden und alles ersprießlicher, als es ist.

Indem die Spulen sich in des Meisters Wohnung langsam doch nicht vollständig zersetzten, weilten sie nach 1975, dem Sterbejahr, in seinem Privatnachlass, überstanden dort unbeachtet ein Vierteljahrhundert, um zu guter Letzt in dem Archiv der jüngst gegründeten Hans-Swarowsky-Akademie zu landen, eine Londoner Nobeladresse mit den allerersten Namen des Dirigiergewerbes im Unterstützerrat. Die Akademie verwaltet in der Hauptsache die Tonaufzeichnungen dessen, was Swarowsky, der fama nach, am wenigsten konnte, dirigieren, in über hundert Dokumenten. Möglicherweise konnte er es doch; immerhin waren die Herren Barenboim, Jansons, Dohnanyi, Abbado und Mehta dieser unorthodoxen Ansicht. Sie lässt sich über die Webseite der Akademie von jedermann überprüfen. Man traue seinen Ohren und lasse sich nichts einreden!

 

Hans Swarowsky dirigiert/ Twitter/ Archiv der Hans-Swarowsky-Akademie Wien

Und jetzt erreicht unsere Geschichte ihre Peripetie: Mit Profil Haenssler nimmt sich ein respektables Label des Verschollenen an, eine Mahler III von ’63 ist in der 11 CD Box ein attraktiver Happen. Die renommierte Akademie überstellt die wundersam erhaltenen Reliquien dem Restaurator, Holger Siedler, von der THS-Medien, Dormagen. Gerettet ist das edle Glied! Aber so gnädig ist das Schicksal dem Hans Swarowsky nicht gesonnen, sein Unstern lässt ihn nicht los.

Als der Tontechniker Holger Siedler (wie er auf Rückfrage mitteilte) die Flaschenpost des Unbekannten öffnet und seine eiernden Spulen einspannt, kommt das Elend des Tonbandamateurs über ihn. Die famose Idee, mit zwei Maschinen zu operieren, hatte einen verfluchten Haken gehabt. Die Sätze 1 – 3, man glaubt es kaum, können in verblüffendem Glanz wiederauferstehen. Den Hörer umfängt vom ersten Hörnerchor an das Weltepos dieser Sinfonie, gespielt, wie soeben erfunden! Klopfenden Herzens erwartet er den beseelten vierten Satz mit Gesangsteil: Oh Mensch, gibt acht. Da saust das Fallbeil: Der warm abgebildete Konzertsaal wechselt in die Katakomben. Ein dumpf hallendes Gewölbe mit verwaschenen, zittrigen Lauten, Soňa Červená singt Weh spricht, vergeh’“, aber es vergeht nicht, die ganzen drei letzten Sätze nicht, einschließlich des schmerzlichen Schlussadagios, nun eine doppelte Grablege.

Wie Holger Siedler berichtet, hat der Mensch am zweiten Gerät nicht acht gegeben. Er hat Billigband eingesetzt, seine Tonköpfe waren anscheinend verschmutzt, sein Empfänger instabil. Die Restauration hat egalisiert, eliminiert, Hall darum gewickelt und, wie wir gern glauben, alles unternommen, was Profil Haenssler bezahlen konnte. Also: Was spricht die tiefe Mitternacht? Die Sache ist einstweilen verpatzt, weil der Erlebnisraum, den das Stück auftürmt, auseinanderklappt in Himmel- und Höllenfahrt, darüber kommt man nicht hinweg !

 Wir besitzen ein Fragment und einen Abbruch, tragisch, wie die Musikgeschichte so oft verfahren ist: Mozart, Schubert, Bruckner, Berg. Denn alle Lust will Ewigkeit, singt Červená, aber man bekommt sie nicht, die Lust. Was in die Ewigkeit eingehen wird, ist sicherlich die Lust zwischen Minute 1 und 59.

Hans Swarowsky 1972/ Wikipedia

Die Wege der Spulen, wie die Wege dessen, was als musikalische Größe gilt, waren verschlungen, unberechenbar und auch unendlich. Wer weiß, ob digitale Hexer/ Tontechniker nicht dereinst die Informationen von  Spule 1 auf die Rudimente von Spule 2 hochrechnen können? Ach bitte ja!

Diese idealen Tontechniker einer fernen Zukunft  operieren von dem Basismaterial aus, das die zwei anonymen Tonbandbesitzer mit den Viertelspurgeräten gelegt haben, diese Besessenen! Sie krallen die Schätze mit armseligen Klauen. Sie sind das Salz der Erde.

 

Der Dirigent, der aus dem Dunkel kam. Ist es nicht amüsant, daß allenthalben große und riesengroße Label voluminöse Boxen auf den Markt werfen, mit den Hinterlassenschaften von Dirigenten wie Eugen Jochum, Rafael Kubelik, Charles Munch, Carl Schuricht, Joseph Keilberth, Günther Wand, Hans Rosbaud u. a., wo doch in den Musikfeuilletons klipp und klar geschrieben steht, wie uninformiert diese Herrschaften in puncto Bach, Mozart, Beethoven, Brahms gewesen sind ? Dicke Streicherbesetzung, romantischer Schwulst, keine Ahnung von Verzierungsbräuchen und historischer Artikulation.

Wer kauft dies „Zeug“, während man doch die richtiggestellten Lesarten der rising stars X, Y, Z reichlich erwerben kann ? Ludwig Van, wie er wirklich war, nicht gepanscht von den Idolen unaufgeklärter Zeiten! Der Profil Haenssler Verlag hat diesen „verdächtigen“ Personenkreis mit einer erstaunlichen Reihe bedacht, in der alte LP- und Rundfunkaufnahmen von Josef Krips, Rudolf Kempe, Hermann Abendroth u. a. wiederaufgelegt werden, teils mit Sächelchen, die selbst alte Sammler nicht besitzen. Wer das Pech hat, jung zu sein, kann sich flächendeckend und preiswert eindecken. Eine neue, weithin beachtete Box mit Einspielungen, die garantiert keiner kennt und hat, ist Hans Swarowsky gewidmet.

Groß ist das Feld von Renommées, die nach einer Zeitlang geplatzt sind, namentlich nach des Trägers Dahinscheiden. Aus der Mode gekommen, von der PR-Agentur oder Plattenfirma abgeschaltet! Wer war nochmal Hans Schmidt-Isserstedt ? Oder, wie das böse Wort hieß, „Karl Böhm war tot, einen Tag nachdem er gestorben ist“. Inzwischen ist er wieder lebendig; mit ‘Schmisserstedts‘ Wiedererscheinen ist zu rechnen. Hingegen geschieht es so gut wie nie, daß ein 40 Jahre hindurch in den großen Musikzentren als Routinier tätiger Dirigent, 45 Jahre nach seinem Ende, als eine Jahrhundertgröße erkannt wird. Man glaube davon kein Wort, man höre einfach die Eroica und die zwei Haydn-Sinfonien in besagter Box.

Legendär sind die Erzählungen der Schüler (die meisten davon auch schon verblichen) von Swarowskys Partituranalysen; aber eine Komposition aufschlüsseln können und sie zum Klingen bringen, sind zwei verschiedene Talente. Die Offenbarung der Swarowskyschen Tondokumente besteht nun darin, daß man die klassisch-romantischen Sinfonien und Konzerte nicht als unterhaltsamen Zeitfluß, sondern als Klanggebäude wahrnimmt. Jegliches Element versteht sich als Ziegel, Säule oder Strebe. So ist diese Musik auch gemeint, so steht es in jedem Schulbuch, jeder Dirigent hat das gelernt und will es zu Gehör bringen. Und dann kommen die „schönen Stellen“, die emotionalen Erhitzungen, die dynamischen Steigerungen, rumms, und es schleift einen durch die interpretatorischen Wechselbäder, dass Hören und Sehen vergehen.

Das Genie Swarowskys bewirkt, dass das Schöne schön bleibt, die Leidenschaften brennen, die Kraft sich entfaltet und dennoch nichts selbstverliebt verweilt, nichts losfegt auf der Autobahn, denn alles ist gerahmt in die Konstruktion. Sie gibt Sinn, Maß und Ziel. Es ist der allesbeherrschende architektonische Sinn, der das Anhören Swarowskyscher Dirigate zu einer unvergleichlichen Erfahrung macht. Man wird nicht eingeseift oder mitgerissen, sondern in gemessenen Tempi durch Seiten- und Hauptschiff, Altar und Krypta, Licht und Dunkel dessen geführt, was zusammen die Kathedrale ausmacht.

Nirgends kommt das mit solcher Plastizität zur Geltung, wie in den Haydn-Sinfonien 70 und 93. Wer etwa befürchtet, von einem sturen Didaktiker gelangweilt zu werden, dem sei Schuberts Unvollendete anempfohlen. Sie erstickt nicht in personalem Weltschmerz, sondern überträgt ihn gestaltenreich in Thema und Variation. Die Eroica wiederum ist ein Planetarium, Strenge, Gesetzlichkeit und Ferne des Gestirnenlaufs lösen wie Tristan „von der Welt mich los“ und ebenso von Isolde !

Die Wagner-Ouvertüren stehen in der Tonart mau, sie schallen 1950 ff. wie durch eine bleierne Grabplatte. Sie haben etwas hinter sich. Wer sonst hätte das  s o  dirigiert ? Kein furtwänglerischer marcia funebre, sondern mit hohlen Dämpfern vor Siegfrieds Horn. Auch die Wiener Walzer erklingen nicht in der aufgeräumten Neujahrsspritzigkeit, die wir gewohnt sind, Dorfschwalben aus Franz-Joseph-Reich. Alles nicht mehr wahr, quietschfidel, aber so wie auf dem Beerdigungskaffee. Musikantenglück, zündender Schwung und sagenhafte Rubati entspringen Brahms’ Ungarischen Tänzen; dazu muss man 1899 in Budapest geboren sein, Éljen A Magyar!

Wo Musik gestisch wird, in Mendelssohns Violinkonzert oder Straußens Till Eulenspiegel, vertieft sich der Begriff des Spielens zu Kinderseligkeit. Wie fliegende Schaukel und hüpfender Ball, hübsche Puppe und flitzender Roller ertönt das pure Entzücken am Lebendigen.

Um nicht weiter nach Worten für all die Wunder in dieser Schachtel zu suchen: Wen es zu Größe, zu gestochener Handschrift zieht, zu ganz modefreiem Eigensinn, der hat darin was zu entdecken. Die Hinterlassenschaft Hans Swarowskys ist umfänglich, wiewohl zu seinen Lebzeiten kein repräsentatives Label es für nötig fand, ihn zu verpflichten. Auf der Webseite der Hans Swarowsky Akademie findet sich eine Diskographie, die sich Kleinstfirmen und Rundfunkanstalten verdankt. Profil Haenssler sei dringlichst eine Fortsetzungsbox angeraten. Das meiste von dem, was ihre historische Reihe alter Meister bietet, war schon einmal da, die Namen wie die Aufnahmen. Ein alter Meister, der nie richtig dagewesen ist, wäre endlich einmal etwas Neues.  Jörg Friedrich

 

Hans Swarowsky – The Conductor (Hänssler Profil 11 CD PH18061) mit Werken von: Joseph Haydn (1732-1809), Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Ludwig van Beethoven (1770-1827), Franz Schubert (1797-1828), Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), Gustav Mahler (1860-1911), Arnold Schönberg (1874-1951), Johannes Brahms (1833-1897), Richard Strauss (1864-1949), Richard Wagner (1813-1883), Johann Strauss II (1825-1899), Josef Strauss (1827-1870)
Mitwirkende: Friedrich Gulda, Ivry Gitlis, Sona Cervena, Wiener Akademie Kammerchor, Akademie Kammerorchester Wien, Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Wiener Symphoniker, Orchester der Wiener Staatsoper, Radio-Symphonie-Orchester Berlin, Hans Swarowsky