Gut gekaut ist halb gelöst

Um zu verstehen, warum es so wichtig ist, dass das Pferd lernt mit dem Gebiss unbefangen zu kauen, muss man wissen, wofür das eigentlich gut ist: Entspanntes, weiches Abkauen macht das Kiefergelenk frei, lockert die Muskulatur von Kiefergelenk und Genick. Doch das ist noch lange nicht alles.

Das Kauen mit seiner Aktivität von Lippen, Zunge und Kiefermuskulatur sowie Schluckbewegungen führt auch zu einer Lockerung der Spannung in Geweben und Muskulatur bis in Brust und Schulterbereich. Die über das Abkauen zu erreichende Entspannung wirkt sich auch auf die Psyche aus. So kann man ein junges Pferd oder ein Pferd in der Reha- oder Wiederaufbauphase vor dem Reiten über Abkauen so lösen, dass es mental entspannt. So wird beispielsweise ein beinbelastendes Ablongieren überflüssig.

Übungen zum Abkauen waren in den Heeresdienstvorschriften, die Grundlage für die FN-Richtlinien sind, lange enthalten. Hierbei kaut das Pferd zuerst im Stehen einige Minuten auf sanfte Impulse des Reiters vom Boden aus ab. Das geht im Gegensatz zum Longieren nicht auf die Gelenke und ermüdet das junge Pferd nicht unnötig, sondern entspannt es, und fördert – richtig angewendet – den Einsatz der korrekten Reitpferdemuskulatur.

Die einfachste Übung besteht darin, über einen Impuls im Maulwinkel das Abkauen auszulösen. Dafür wird der Zügel der abgewandten Seite über den Genickriemen geführt, der Zügel der Seite auf der man neben dem Pferd steht wird direkt hinter dem Gebiss nach oben geführt.

Nun bewegen Sie beide Hände in Superzeitlupe aufeinander zu, bis das Pferd abkaut. Sobald sich eine Kaubewegung zeigt nehmen Sie die Hände weg und loben. Beobachten Sie, wie das Pferd abkaut. Gewünscht ist ein weiches, entspanntes Kauen möglichst mit einer Leckbewegung der Zunge.

Der abgewandte Zügel wird vom Trensenring senkrecht nach oben über das Genick geführt. Den Zügel auf Ihrer Seite fassen Sie direkt hinter dem Gebissring. Machen Sie alle Abkauübungen gleichmäßig von beiden Seiten. (© C. Götz)

Wichtig ist: Öffnen oder – noch besser – entfernen Sie das Reithalfter. Arbeiten Sie konzentriert und langsam. Ziel ist, mit immer leichterem Zügelanzug auf die Lefze, ein Abkauen zu erreichen. Anfangs kann etwas mehr Druck auf dem Zügel nötig sein. Da er nur auf den Maulwinkel geht kann er dem Pferd weder Schmerzen bereiten noch Schaden anrichten. Viele Pferde reagieren allerdings auch beim ersten Mal schon sehr schnell. Darauf sollten Sie ebenfalls gefasst sein und Ihre Hände sofort lösen.

Wenn das Pferd seinen Kopf gegen den Anzug der Zügel drückt, halten Sie den Kopf in der vorherigen Höhe bis zu dem Moment, in dem das Pferd abkaut, also im Maul weich wird. Seien Sie darauf gefasst, dass das Pferd sich beim Abkauen nach unten dehnen wird und geben Sie entsprechend nach. Hat das Pferd das Grundprinzip des entspannten Abkauens verstanden, halten Sie den Kopf in einer natürlichen Haltung (mit dem Maul etwa auf Höhe des Buggelenks) und lassen das Pferd auf minimale Zügelimpulse entspannt am Gebiss kauen.

Es ist übrigens keine Schande, solch eine Übung nicht einfach aus einer Beschreibung nachzumachen, sondern sie sich von jemandem zeigen zu lassen, der sie kann. Bis dahin können Sie ihrem jungen oder nicht gut kauenden Pferd das Gebiss mit einem Leckerchen schmackhaft machen.