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Gaslaternen als Kulturgut – Gaslicht-Kultur e.V.

Aufsatzleuchte | Foto: Bertold Kujath - www.gaslicht-kultur.de

In dieser Ausgabe von “Charlottenburg in Bewegung” spricht Oliver Springer mit Bertold Kujath, dem Vorsitzenden des Vereins Gaslicht-Kultur e.V. Hervorgegangen aus einer Bürgerinitiative, setzt sich der Verein für den Erhalt der Berliner Gasstraßenbeleuchtung als Kulturerbe ein.

Zwar sind bereits sehr viele Berliner Glaslaternen abgerissen worden, doch gibt es immer noch eine recht große Anzahl im Stadtgebiet. Insbesondere in Charlottenburg, in der Nähe des Schlosses, werden viele Straßen mit Gaslicht beleuchtet. Als Stadt mit den meisten öffentlich betriebenen Gaslaternen ist Berlin im internationalen Vergleich nach wie vor einzigartig.

Bertold Kujath erklärt, dass Gaslicht nicht nur eine kulturhistorische Bedeutung hat, sondern auch ökologische Vorteile bietet, wie z. B. eine geringere Lichtverschmutzung und im Gegensatz zur elektrischen Straßenbeleuchtung keine Insektenmassen anzieht, die dann verenden. Auch in puncto Langlebigkeit können Gaslaternen gegenüber LED-Straßenleuchten punkten.

Modellleuchte | Foto: Bertold Kujath – www.gaslicht-kultur.de

Zu den aktuellen Aktivitäten des Vereins gehören neben Führungen die Überwachung von Abrissplänen, die Förderung des Gaslaternenmuseums und das Bemühen um internationale Unterstützung für den Erhalt der Gasbeleuchtung.

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Gaslicht-Kultur e.V.
Am Postfenn 5
14055 Berlin
Telefon: 0179/81 06 747
Mail an den Verein: berlin@gaslicht-kultur.de

Website Gaslicht-Kultur e.V.

Website Gaslaternenmuseum

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Transkript zur Episode

Oliver Springer: Charlottenburg in Bewegung, ich bin Oliver Springer, zu Gast ist Berthold Kujath, Vorsitzender des Vereins Gaslicht-Kultur e.V. mit Sitz in Berlin-Westend. Hallo.

Bertold Kujath: Hallo.

Oliver Springer: Verein zur Förderung des Kulturgutes Berliner Gas-Straßenbeleuchtung, das steht auf der Vereinswebsite und vermittelt ja schon so ungefähr, worum es geht, aber lassen Sie uns für den Überblick doch ein paar Sätze dazu sagen!

Bertold Kujath: Ja, die Berliner Gasstraßenbeleuchtung braucht auf jeden Fall einen starken Fürsprecher, so eine Art Lobbyarbeit, die wir für die Gasbeleuchtung machen müssen. Deswegen haben wir uns im Jahre 2010 als gemeinnütziger Förderverein für das Kulturgut Berliner Gasstraßenbeleuchtung gegründet, weil die Abrisspläne für die Gasbeleuchtung gab es schon immer und die sind auch in der Zeit damals immer massiver geworden.

Anfangs wurden ja immer nur einzelne Straßen sozusagen umgerüstet, in Elektrobeleuchtung umgewandelt, aber dann kamen so ab 2010 die Pläne auf, also die Berliner Gasstraßenbeleuchtung insgesamt abzuschaffen, und da mussten wir uns aus der ehemaligen Bürgerinitiative, die wir waren, die Gaslichtinitiative Berlin in einen gemeinnützigen Verein umwandeln, und das haben wir mit der Vereinsgründung im Jahre 2010 dann gemacht.

Oliver Springer: Früher konnte man in Berlin ja überall Gasstraßenbeleuchtung sehen, ich erinnere mich auch noch an viele entsprechende Leuchten. Inzwischen ist davon ja wirklich viel verschwunden. In Charlottenburg ist aber zum Glück vergleichsweise viel übrig.

Bertold Kujath: In Charlottenburg ist immer noch viel übrig, obwohl zum Zeitpunkt des Beschlusses … Im Jahre 2008 wurde der Abgeordnetenhausbeschluss gefasst, die Gasbeleuchtung abzureißen in Berlin, komplett auszutauschen gegen Elektrolaternen.

Da hatten wir 44.000 Gaslaternen in Berlin insgesamt. Das ist aber auch noch nicht die Hochzeit. Die Hochzeit gab es 1938 mit 88.000 Gaslaternen in Berlin. Berlin war damals so etwas wie die Welthauptstadt der Gasbeleuchtung, in keiner anderen Stadt gab es mehr Gaslaternen, sie war auch sehr gut im Schuss und sehr gut gepflegt und gut gewartet damals.

Das war auch im Jahre 2008 noch der Fall, als dieser Abgeordnetenhausbeschluss zum Abriss gefasst wurde. Diese 44.000 Gaslaternen sind um weit mehr als die Hälfte reduziert worden, auf ungefähr unter 20.000 jetzt und es soll auch weitergehen. Und es gibt ja einen Beschluss im Augenblick, dass ungefähr 3.300 Gaslaternen denkmalgeschützt erhalten bleiben sollen, das ist so das Ziel, was in den nächsten Jahren dann erreicht werden soll.

Oliver Springer: Dann in den Erhaltungsgebieten, nehme ich an.

Bertold Kujath: In den Erhaltungsgebieten, die 31 Erhaltungsgebiete, die wir zusammen mit dem Landesdenkmalamt festgelegt haben und identifiziert haben, da ging es natürlich auch um Fragen “Wie sieht die Bebauung drum herum aus?”. Es musste denkmalgeschützt Bebauung möglichst aus der Zeit der Gasbeleuchtung, also so um 1850 rum, Ende des 19. Jahrhunderts, vorhanden sein. Und da gibt es genau 31 Gasschutzgebiete unterschiedlicher Größe. Es gibt auch Einzelstandorte, wie zum Beispiel der “Fünfarmige Kandelaber” vor dem S-Bahnhof Nikolassee. Es gibt aber auch große Erhaltungsgebiete, das größte überhaupt ist das in Charlottenburg, südlich vom Schloss Charlottenburg, da sind ungefähr 550 Gaslaternen unter Denkmalschutz.

Oliver Springer: Gasbeleuchtung war lange Zeit der Standard in der Stadt; und dieser Standard ist gleichzeitig, aber international gesehen trotzdem eine Ausnahme.

Bertold Kujath: Ja, also Berlin ist nach wie vor die Stadt mit den meisten öffentlich betriebenen Gaslaternen in der Welt, es gibt aber auch andere Städte, zum Beispiel in Düsseldorf, die ähnlich viel haben.

Da ist im Augenblick auch die Diskussion um Abriss und Erhaltung. Es gibt auch in den USA viele Städte mit Gaslaternen. South Orange ist ein Beispiel in der Nähe von New York, die auch sehr viele Gaslaternen noch haben. Die haben sich sogar mal mit uns in Verbindung gesetzt, weil der letzte Gaslaternenwächter dort in Rente gegangen ist und sie wollten Tipps und Hinweise von uns haben, wie man das dann mit der Wartung und technisch umsetzen kann dann. Also in den USA werden solche Gaslaternen auch tatsächlich wie mit Gas betrieben, auch sehr wertgeschätzt und auch erhalten, soweit sie noch vorhanden sind.

Oliver Springer: Beim Thema Gaslicht geht es nicht nur um das, was man sehen kann, aber auch das ist natürlich ein wichtiger Aspekt, auch wenn manchmal behauptet wird, man könnte den Unterschied gar nicht sehen. Dabei sieht man den Unterschied ja sogar vom Weltraum aus.

Bertold Kujath: Also zwischen einer normalen Elektrolaterne, so wie wir sie in den Straßen haben, das sind also hauptsächlich diese Natriumdampf- …, dieses gelbe, wir haben das früher immer belgisches Autobahnlicht genannt. Diese gelben Natriumdampflampen, die sind hauptsächlich in Ostberlin vertreten und in Westberlin gibt es doch tatsächlich noch Stellen, die überwiegend mit Gas beleuchtet sind. Es gibt Bezirke, wie zum Beispiel Zehlendorf und Charlottenburg, die waren bis vor kurzem zu 70 Prozent der Fläche mit Gas beleuchtet. Also Gaslicht ist nicht irgendein exotisches Beleuchtungsmedium, was dann vereinzelt mal irgendwo rumsteht und noch übriggeblieben ist, sondern das hat gerade in Berlin flächendeckenden Charakter.

In vielen Bezirken, so auch in Charlottenburg, gibt es ganz, ganz viele Bereiche, die gasbeleuchtet waren, das ist natürlich jetzt durch die Abrissaktivitäten weniger geworden. Aber auf diesem Satellitenbild aus dem Weltraum kann man ganz klar noch die ehemalige Zonengrenze, die Mauer zwischen Ost- und Westberlin sehen, anhand der Lichtfarbe. Das ist in Westberlin dieses mehr weißliche, viel von Gaslicht geprägte Licht, was nach oben abstrahlt, und in Ostberlin dieses grelle, helle Natriumdampflicht, das ist ganz typisch für Berlin, auch diese Teilung in der Lichtfarbe der Stadt.

Oliver Springer: Wenn Gaslichtlaternen dann durch andere Beleuchtungsarten ersetzt werden, da ändert sich nicht nur das Licht, sondern oft auch das Aussehen der Laternen.

Bertold Kujath: Das ist richtig, die Mühe bei der Umrüstung LED-Imitate zu nehmen, die umgebaute Gaslaternen sind, das ist meistens die “U7”, das ist diese typische Bischofsmütze, die man in Berlin hat, die mit diesem dreifach abgesetzten silbernen Dach oben das ist auch die Laterne, die am häufigsten im Stadtgebiet vorkommt.

Diese U7 wurde häufig genommen als Imitat mit LED-Beleuchtung, dass zumindest am Tage kein Unterschied zu sehen ist. Bei der Lichtfarbe sieht man sehr wohl einen Unterschied nachts, also die LED es ist sehr viel heller und auch weißlicher in der Lichtfarbe, es ist kein Gaslicht. Der Schattenwurf ist ein ganz anderer, die ganze Lichtatmosphäre ist eine andere.

Aber die Zeiten sind auch vorbei. Denn diese Laternen waren ungefähr vier- bis fünfmal so teuer als eine Standardindustrieleuchte, die jetzt genommen wird. Eine große Berliner Tageszeitung hat diese Leuchten “Ufo-Leuchten” getauft, weil sie auch tatsächlich wie so ein landendes Raumschiff aussehen, mit vielen LED-Lichtpunkten oben drin und so verschiedenen wabenförmigen Ausbuchtungen. Das ist jetzt die neue Standardleuchte, die häufig für Gaslaternen genommen wird, in den Randbezirken auf jeden Fall, da gibt man sich nicht mehr die Mühe, dann für teures Geld die Imitate zu nehmen. In der Innenstadt sind in den denkmalgeschützten Bereichen tatsächlich noch einige Umrüstungen mit diesen Imitaten, aber das wird sicherlich aufhören, allein aus Kostengründen.

Oliver Springer: Dass Gaslichtlaternen durch andere Arten ersetzt werden. Das ist ja kein neues Thema, haben wir ja schon angesprochen. Diese Bürgerinitiative – in den 80ern ist die damals schon zustande gekommen, wenn ich das richtig verstanden habe.

Bertold Kujath: Genau, Gaslichtinitiative Berlin, das fing an, dass damals noch nach den Prinzipien der behutsamen Stadterneuerung, nicht so wie heute Kahlschlag und so schnell wie möglich und so billig wie möglich, sondern damals gab es noch die Prinzipien der behutsamen Stadterneuerung.

Da gab es mal einen Artikel in der Zeitung, wo gesagt wurde, man möchte jetzt immer da, wo Erdarbeiten in den Straßen nötig waren, dass die Fahrbahndecke erneuert werden muss oder Gas-, also Stromleitungen oder Wasserleitungen verlegt wurden, während, da wollte man dann, wenn da eine Gasbeleuchtung vorhanden gewesen wäre, diese durch Elektro-Laternen ersetzen im Zuge dieser Arbeiten. Das wäre wesentlich behutsamer und langsamer und unauffälliger, weniger einschneidend auch in in der Optik des Stadtbildes passiert.

Das Kuriosum war, dass damit in der Straße, in der ich damals gewohnt habe, angefangen werden sollte, nämlich in der Ulmenallee in Neu-Westend. Und ich habe dann sofort meine Freunde und Nachbarn alarmiert, hab gesagt: “Die wollen uns die Gaslaternen wegnehmen, das geht ja gar nicht!” Und da haben wir dann die Bürgerinitiative Gaslicht-Initiative Berlin gegründet, die es dann tatsächlich geschafft hat, im Abgeordnetenhaus einen Beschluss zu erwirken, dass die Gasbeleuchtung Berlin grundsätzlich zu erhalten ist. Und das war auch ein Beschluss, der über die Umstellung auf Erdgas hinaus dann bis Anfang der 2000er-Jahre tatsächlich umgesetzt und gewirkt hat.

Oliver Springer: In den 90ern wurde in Berlin ja von Stadtgas auf Erdgas umgestellt, und das war erst mal ein großes Problem für die Gaslichtbeleuchtung.

Bertold Kujath: Grundsätzlich war das überall in Deutschland, wo das passiert ist, ein Problem, weil das Erdgas andere Eigenschaften hinsichtlich der Feuchtigkeit hatte. Es ist trockener und es hat einen höheren Druck, und da war die Befürchtung, dass die Dichtungen der Gasbeleuchtung durch die höhere Trockenheit austrocknen, undicht werden würden.

Und man hatte auch Angst mit dem höheren Druck, dass Gas austritt, nicht nur aus den Gaslaternen, aus den einzelnen Teilen selber, sondern auch aus der Erde, aus den Gasrohren, was zum Teil auch tatsächlich in geringen Mengen passiert ist. Man hat dann aber im Gegensatz zu anderen Städten in Berlin das Projekt gewagt, die Gasbeleuchtung erdgastauglich zu machen.

Es ist mit einem hohen technischen, materiellen, personellen und finanziellen Aufwand erdgastauglich gemacht. Die höheren Drücke wurden abgefedert durch PE-Rohre, die in diese Gaslaternen, in diese Gasleitung eingezogen worden sind. Das musste man allerdings auch deswegen machen, weil die Gaslaternen an einem Gashausnetz hängen, am normalen Hausversorgungsnetz, das heißt, also da musste man natürlich auch dafür sorgen, dass es dichter wird.

Das ist immer so ein Aberglaube, man müsse für die Gaslaternen ein eigenes Gasnetz betreiben, was sie dann extrem teuer machen würde. Das stimmt nicht, es geht also ein Hauptgasrohr unter der Erde an der Häuserfront lang, und dann gehen meinetwegen rechts die Stichleitung in die Häuser für die Gasversorgung rein und links gegen die Stichleitung in die Gaslaternen, also ist ein und dasselbe Netz, was dann saniert werden musste. Und man hat es dann tatsächlich geschafft in Berlin, die Gasbeleuchtung erdgastauglich zu machen.

So konnte sie auch diese Umstellung überleben. In Ostberlin ist dieses Unterfangen nicht gemacht worden, weil man schlichtweg nicht geglaubt hat, dass das überhaupt technisch möglich war. In Berlin hat man gezeigt, dass es technisch möglich ist. Und deswegen haben wir auch in Ost-Berlin wesentlich weniger Gaslaternen als in West-Berlin, und auch in anderen Städten ist dann im Zuge der Umrüstung auf Erdgas die Gaslaternen komplett abgeschafft worden.

Oliver Springer: Geht’s beim Abschied von der Gaslichtbeleuchtung hauptsächlich ums Energiesparen oder was sind so die Hauptargumente?

Bertold Kujath: Das Energiesparargument ist natürlich ein großes Argument. Das hat jetzt wieder Auftrieb und Aufwind erhalten durch die Ukraine-Krise, durch den Ukraine-Krieg, weil wir ja hauptsächlich russisches Erdgas bezogen haben.

Es sind auch weitere Argumente: Umweltschutz, Klimaschutz, CO2. Es ist ein natürlich Verbrennungsvorgang, in der Laterne wird Gas verbrannt, da entsteht natürlich CO2. Das entsteht bei der Stromproduktion natürlich auch, bloß an anderer Stelle und in anderen zusammenhängen, da … Wenn man jetzt nur die Energieverhältnisse in der Lampe mit LED und Gaslaterne vergleicht, dann ist natürlich die Energiebilanz und die CO2-Bilanz bei der Gaslaterne sehr viel schlechter.

Es sind aber auch noch andere Argumente wie Wartbarkeit. Man braucht natürlich bestimmte Einzelteile, die vorrätig gehalten werden müssen. Es werden immer weniger Gaslaternen, womit die Wartung dann auch immer teurer und komplizierter wird. Diese Einzelteile werden nicht mehr produziert, wie zum Beispiel Glühstrümpfe.

Man hat ja schon in den 1990er-Jahren die Glühstrumpfproduktion nach Indien verlagert, möglicherweise vorausschauend, um dann 2010 das Argument anzubringen, Wir haben ja gar keine Glühstrümpfe mehr, denn es wurde damals von dem Glühstrumpfhersteller beim Senat angefragt, ob er denn garantieren könne, dass auch weiterhin eine große Nachfrage an Glühstrümpfen passieren würde.

Da wurde ihm schon Mitte der 1990er-Jahre geantwortet nein, das können wir nicht garantieren. Das heißt also, diese Pläne sind schon länger in der Schublade und durch das Aufkommen der LED hatte man dann ein Argument zu sagen, wir können das Gaslicht ja imitieren und das ist ja viel billiger und sehr viel CO2-ärmer. Also das sind schon die Argumente: Energie, Klima, Einzelteil, Wartbarkeit.

Wir argumentieren dagegen, dass es sich ja um ein Industriedenkmal handelt, und es ist nun mal eine ureigenste Eigenschaft eines Denkmals, nicht den neuesten DIN-Normen zu entsprechen und auch den Umweltnormen zu entsprechen. Das ist halt ein altes, funktionierendes System, was seinen Wert hat. Und das ist natürlich schwieriger zu händeln als eine moderne LED-Laterne.

Oliver Springer: Bei LEDs wird ja oft die Langlebigkeit angepriesen, aber das Alter der Gaslaternen zeigt ja auch: Das ist ja auch ein System, was ziemlich langlebig ist.

Bertold Kujath: Gaslaternen haben einen natürlichen Rostschutzfaktor. Dieses Gas, was in den Rohren … Wir haben ja verschiedene Typen von Masten und da gibt es eine Mastform, das ist sozusagen einfach nur ein verlängertes Gasrohr, was oberirdisch senkrecht in Luft steht, sage ich immer, wo dann oben der Leuchtkopf der Gaslaterne anmontiert ist. Also dieser Mast ist komplett von innen mit Gas durchströmt, verdrängt somit den Sauerstoff und damit kann der Mast von innen nicht rosten.

Das Rosten von in ist ja immer ein großes Problem. Und das führt zum Beispiel dazu, dass Elektrolaternenmaste tatsächlich betriebswirtschaftliche Lebensdauer von 40 Jahren haben und Gaslaternen haben, so hat es die Bundesanstalt für Materialforschung einmal festgestellt, eine Lebensdauer von über 200 Jahren. Das heißt also, wir haben ja die fünffache Lebensdauer der Masten und deswegen muss man auch diese ganzen Umrüstungskosten mal zwei oder mal drei nehmen, denn wenn ich jetzt eine Gaslaterne abreiße und dafür eine Elektrolaterne hinstelle, dann würde die Gaslaterne noch stehen können, wenn die Elektrolaterne, die ich heute aufgestellt habe, in 40 Jahren abgerissen werden muss, weil sie durchgerostet ist.

Das sind natürlich jetzt Fallbeispiele, das sind extreme Sachen. Aber die Tendenz und der Trend ist schon da, dass Elektrobeleuchtung nicht so langlebig ist, wie von der Hardware zumindest her, wie die Gasbeleuchtung. Und das sind Kosten, die in diese Umrüstung überhaupt gar nicht mit eingeflossen sind bis jetzt.

Oliver Springer: Wenn es jetzt nur darum ginge Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schützen, dann wäre es im Grunde das Beste, nachts das Licht einfach auszulassen. Stichwort Lichtverschmutzung und auch Stichwort Insektensterben.

Bertold Kujath: Ja, natürlich gibt es eine Beleuchtungspflicht, gerade in der Innenstadt kann man sich das nicht vorstellen, obwohl die Innenstadt ja auch schon von selbst hell genug ist durch die Autoscheinwerfer, durch Geschäfte, die beleuchtet werden durch Reklameschilder. Trotzdem besteht eine Beleuchtungspflicht, man kann es nicht ausschalten.

Es gibt aber in verschiedenen deutschen Städten Modellversuche in kleineren Straßen, wo wenig Verkehr ist, die Beleuchtung ausgeschaltet wird und immer nur dann, wenn jemand da durchgeht oder ein Auto kommt, sie wieder angeschaltet wird. In Mannheim gab es mal einen Modellversuch, wo dann Fußgänger die Straßenbeleuchtung mit ihrem Handy anschalten konnten. Ich habe mich mal gefragt: Was tun die, die kein Handy haben oder wo der Akku leer ist? Aber das sind so Modellversuche, den Strom zu sparen, die Lichtverschmutzung auch einzudämmen, das sind sehr gute Versuche und das sind auch sehr tolle Ideen, die dahinterstecken. Das kann man natürlich mit Gaslaternen nicht machen, solche Sensoren würde ja auch das historische Innenleben aus Verbrenner, aus Gasglühstrümpfen und so weiter und so fort dann da eingreifen. Es ist halt ein altes System, ein denkwürdiges System mit dem Potenzial zum Weltkulturerbe, und es kann eben diese neuesten Entwicklungen nicht mitmachen. Und es ist auch gut so.

Oliver Springer: Aber noch mal zum Thema Lichtverschmutzung: Da gibt es ja dann doch durchaus Unterschiede, gerade was die Insekten angeht.

Bertold Kujath: Die Lichtfarbe und das Lichtspektrum bei der Straßenlaterne ist grundsätzlich entscheidend, wie viel Lichtverschmutzung es gibt und wie gefährlich das für Insekten ist. Also das Gaslicht hat keine Blauanteile, das ist ein natürliches Licht, was dem Sonnenlicht ähnelt, und es hat den Effekt, dass es wenig Blauanteile hat. Insekten gehen hauptsächlich beim Straßenlicht auf die Blauanteile. Sie denken, das ist die Sonne und fliegen dagegen.

Pro Sommernacht fliegen sich bis zu 220 Insekten an einer Elektrolaterne am Glas tot, die immer reinfliegen wollen. Das kennt man auch den Effekt im Fenster, wenn draußen die Sonne scheint, dann liegen die toten Insekten auf der Fensterbank drin, das ist derselbe Effekt. Das gibt es beim Gaslicht nicht, weil Insektenaugen überwiegend blind gegenüber Gaslicht sind.

Dann kommt noch dazu, dass das blaue Lichtanteil die größte Lichtverschmutzung verursacht, weil es am weitesten ins Weltall hinaus strahlt. Das sind also die Punkte, die das Gaslicht besonders umweltfreundlich machen. Mal abgesehen davon, dass Gaslicht eine Primärenergie ist, das heißt ich verbrenne das Gas so, wie es aus der Erde kommt und muss nicht erst über Kohleverbrennung und so weiter und so fort mit Leitungsverlusten Strom erzeugen.

Ich will aber gar nicht rumargumentieren. Natürlich ist die LED-Laterne energetisch und von der Umweltbilanz besser, wobei man natürlich dazu auch sagen muss: Auch in der LED gibt es seltene Erden, da gibt es problematische Stoffe, LED-Laternen, manche Elektrolaterne, da muss der gesamte Leuchtkopf als Sondermüll entsorgt werden, weil das so giftig ist, dass … Diese Problematik gibt es beim Gaslicht auch nicht.

Oliver Springer: Also die Bilanz fällt nicht so eindeutig zugunsten der LED aus, das können wir festhalten. Schönheit liegt ja immer im Auge des Betrachters, ob Straßenbeleuchtung dagegen blendet oder nicht, das lässt sich ja objektiv beurteilen.

Bertold Kujath: Blendfrei ist das Gaslicht auch, ja. Das war früher mit den Elektrolaternen so, man konnte ja damals sozusagen einen Diffusor einbauen, in die Leuchtköpfe der Elektrolaternen, das heißt, das war so eine Art Milchglas, sodass das verbreitert, also verstreut wurde, das Licht, das blendete nicht, das ist ja jetzt nicht mehr erlaubt, weil das ja auch Energie kostet, das heißt, ich produziere ja mit Energie Licht, die dann von dem Diffusor wieder rausgefiltert wird. Das ist natürlich ein bisschen widersinnig, das gibt es jetzt nicht. Also deswegen strahlt das Licht jetzt aus den Lichtpunkten direkt auf die Erde und auch in das Auge des Betrachters. Und deswegen empfinde ich zumindest, und auch viele, mit denen ich so spreche, die neuen Elektrolaternen als blendend. Das ist beim Gaslicht halt eben nicht der Fall, weil es von der Lichtfarbe viel angenehmeres Licht ist, von der Atmosphäre, die erzeugt wird, vom Schattenwurf, auch das ist schon nicht so blendend und so störend wie das Elektrolicht.

Oliver Springer: Die Insekten, die haben ja keine so starke Lobby, aber Gasbeleuchtung wird inzwischen ja auch – hatten es schon angesprochen – als Kulturgut betrachtet.

Bertold Kujath: Definitiv ist es ein industrielles Kulturerbe, wie viele Sachen auch. Es gibt ja auch zum Beispiel “Zeche Zollverein”, wo Bergbau … Fördertürme und so erhalten werden. Gasbeleuchtung ist auch in der Industriegeschichte sehr prägend, gesellschaftlich prägend. Das Gaslicht hat ja sozusagen den Tag in die Nacht da reingebracht.

Es war in Berlin, also dann seit dem Aufkommen der Gasbeleuchtung, möglich, dass man nachts unter Gaslicht noch flanieren konnte. Früher mit den Öl-Laternen war das nicht möglich, die waren nur vereinzelt – beleuchteten nur vereinzelte Kreuzungen; es war weitestgehend dunkel in Berlin. Das ist mit der mit der Einführung der Gasbeleuchtung anders geworden. Der Vorteil war auch, dass Gasbeleuchtung zentral mit Energie versorgt wird, während die Öl-Laternen einzeln aufgefüllt werden mussten. Gasbeleuchtung hat also gerade diese ganzen hellen Boulevards hervorgebracht. Es war möglich, also auch abends noch zu flanieren, in Straßencafés zu gehen, also ein Nachtleben, wie wir es heute aus Berlin kennen, ist durch die Gasbeleuchtung in Berlin erst aufgekommen.

Das ging sogar so weit, dass durch die Gasbeleuchtung ja man auch nachts von der Arbeit nach Hause fahren konnte. Gasbeleuchtung hat auch die Industrieanlagen von innen beleuchten können. Übrigens die ersten Gasbeleuchtungsanlagen waren Indoor-Beleuchtung, die haben in London und in England die ersten Industriehallen von innen beleuchtet und sind dann von innen erst auf die Straße gekommen. Aber zumindest hat sich die Gesellschaft verändert. Auch die Gewerkschaften wurden dann plötzlich nötig, denn es war nun möglich, die ganze Nacht durchzuarbeiten und die Leute auch um 24 Uhr nach Hause zu schicken. Die Straßen waren ja beleuchtet und da mussten dann die Gewerkschaften einschreiten, dass also auch geregelte Arbeitszeiten, Schichtdienst, Schichtzulagen und so weiter und sofort die ganze Thematik, die damit zusammenhängt, ist dann aufgekommen. Also, das ist auch ein Argument, warum Gasbeleuchtung als Weltkulturerbe-fähig anerkannt wird, weil es eben als “Outstanding Value”, wie es heißt, auch gesellschaftliche Veränderung, große gesellschaftliche Veränderungen hervorrufen hat.

Oliver Springer: Was gehört denn jetzt alles zu den Aktivitäten Ihres Vereins und auf welche Art kann man sich da einbringen?

Bertold Kujath: Also wir haben ja in der Zeit, wo diese Umrüstungspläne aufgekommen sind, sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, Unterschriften gesammelt, Informationsveranstaltungen gemacht, auch mit der Presse Touren veranstaltet, um die Gasbeleuchtung zu erklären und näherzubringen.

Wir haben damals häufig den Satz gehört, das wussten wir ja alles gar nicht, wir dachten, Gasbeleuchtung sind so alle Funzeln, die irgendwo rumstehen, so vereinzelt und so aber, dass das solch ein tolles Stadtbild gibt, dass es so ein tolles Licht ist und solche Kiezatmosphäre da erzeugt, das wussten wir alles gar nicht. Und deswegen waren diese Informationsveranstaltungen für uns wichtig.

Hauptaufgabe war auch international … Wir haben viele Fernsehsender aus dem Ausland zu Besuch bei uns gehabt, die über das Gaslicht berichtet haben. Es war eine Zeit lang sogar so, dass im Ausland mehr über den Abriss der Gasbeleuchtung in Berlin berichtet wurde als in Berlin selber. Klar, man wollte das Thema natürlich kleinhalten. Im Ausland war das schon, also auch in Japan, in … Al Jazeera hat über uns berichtet, in 141 Ländern sind wir ausgestrahlt worden. Das war die Aktivität damals, die sehr viele Leute uns auch dabei unterstützt haben. Dann war natürlich der Abgeordnetenhausbeschluss. Wir haben diese 3.300 denkmalgeschützten Laternen durchsetzen können, was viel zu wenig aus unserer Sicht ist, aber immer noch besser als gar nichts. Nun sind wir mehr damit beschäftigt, da sozusagen die Messen gesungen sind, diesen Abriss zu überwachen, dass nicht doch irgendwo mal angefangen wird, in geschützten Gebieten abzureißen.

Und wir kümmern uns jetzt hauptsächlich auch ums Gaslaternenmuseum, denn das braucht auch die Unterstützung eines Vereins, denn das wird auch abgebaut. Das ist ja lange Zeit vernachlässigt worden. Es brüten ja mittlerweile schon Vögel in den mit Steinen zerschmissene Gasleuchtköpfen oben. Das wird aber jetzt abgebaut, und da sind wir auch sehr dabei zu versuchen, dass das nicht verschrottet wird, dass es nicht verteilt wird, sondern zusammenbleibt und möglicherweise später noch mal wieder aufgestellt wird.

Das ist sozusagen jetzt unsere Hauptaufgabe, das Gaslaternenmuseum wieder in die Senkrechte zu bringen und nicht in Kisten verpackt im Keller verstauben zu lassen.

Oliver Springer: Wer sich informieren möchte, kann auf die Website des Vereins gehen.

Bertold Kujath: Ja, www.gaslicht-kultur.deist die Homepage der Berliner Gaslaternen … Und gaslaternenmuseum.eu.

Das Gaslaternenmuseum ist aus unserer Sicht ein europäisches Museum, weil aus ganz vielen europäischen Städten Spenden eingegangen sind, aus Brüssel, aus London, aus Paris eine große Pariser Leuchte, die “Grand Lumiere” steht im Gaslaternenmuseum. Aus Dublin haben wir eine Leuchte, also es ist schon ein europäisches Beleuchtungsmuseum, das wir erhalten wollen, deswegen haben wir eine eigene Seite, und deswegen hat diese Seite die Endung “.eu”.

Wir sind bei Facebook vertreten, der Link zu unserer Facebook-Präsenz gibt es auf der Homepage. Informieren über das Gaslicht und erleben, wie es funktioniert, kann man sich auch auf unseren Touren, die wir anbieten. Wir bieten geführte Gaslichttouren im größten Gaslaternenschutzgebiet Berlins in Charlottenburg, südlich vom Schloss Charlottenburg im sogenannten Schloss-Kiez an, da, wo die Umgebung noch ursprünglich ist, mit den Gründerzeitfassaden, mit den Schweinehälften auf der Straße, die diese typische Pflasterung … mit diesen großen Beton- oder Granitplatten, die ganz typisch aus dem 19. Jahrhundert sind. Da bieten wir diese Gaslichttouren an, als geführten Stadtspaziergang, als Radtour und als Bustour auch, das wird gerne für Firmenfeste von Vereinen gebucht, aber auch die Stadtspaziergänge für kleinere Touristengruppen. Zur “Langen nach der Museen” und zum “Tag des offenen Denkmals” gibt es ein Schnupperpaket, da bieten wir diese Touren auch an.

Wir machen da auch technische Demonstrationen, zeigen, wie moderne Gaslaternen heute angezündet werden. Da geht nämlich nicht mehr der gute ältere Herr mit der Stange rum und macht die Gaslaternen an. Das funktioniert alles mit Halbleiterelektronik. Auch eine Folge der Modernisierung der Gasbeleuchtung wegen der Erdgasumstellung. All das ist eine sehr spannende und viel gebuchte und viel gefragte Tour, die wir da anbieten, die jeder buchen kann bei uns und jeder, das Gaslicht auch erfahren kann, in seiner Ursprünglichkeit.

Oliver Springer: Das waren so viele Informationen. Dann ganz großes Danke fürs Mitmachen.

Bertold Kujath: Ich danke auch.

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