Einschaltstrom – Die wichtigsten Aspekte im Überblick

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Alle Spannungsversorgungen ziehen einen Anlaufstrom, der ihre nominale Stromaufnahme übersteigt. Dies ist auf mehrere zusammenwirkende Faktoren zurückzuführen: Die unterschiedlichen Kapazitäten im Eingangskreis und in den EMV-Filtern werden aufgeladen, das Magnetfeld im Transformatorkern wird aufgebaut und der Kondensator des Ausgangsfilters wird unter Spannung gesetzt und somit auch geladen. Sobald der Wandler stabil arbeitet, fällt der Eingangsstrom wieder auf die Werte ab, die man angesichts des Ein-/Ausschaltverhältnisses erwarten würde.

Eingangs-Einschaltstrom

Der Einschaltstromstoß in einem Leistungswandler ist typischerweise sehr kurz (einige zehn Mikrosekunden), aber deutlich höher als der Betriebsstrom. Abbildung 1 zeigt die Oszilloskopkurve eines 5W-DC/DC-Wandlers, der bei Volllastbetrieb 120mA aus einer 48V-Versorgung verbraucht, aber einen Spitzeneinschaltstrom von 1,34A zieht (allgemein etwa siebenmal höher als im Normalbetrieb).

Wenn die Spannungsversorgung eine schnell reagierende Überstrombegrenzung hat, kann der hohe Spitzeneinschaltstrom dazu führen, dass sie abgeschaltet oder überlastet wird.



Abb.1: Typischer Eingangs-Einschaltstrom eines DC/DC-Wandlers


Der Großteil dieses Einschaltstroms entfällt auf den Eingangskondensator, der intern direkt parallel zu den Versorgungspunkten geschlossen ist. Beim Einschalten verhält sich dieser Kondensator wie ein direkter Kurzschluss über den Eingangsklemmen mit einem Strom, der folgender Gleichung entspricht:



Iin(t) ist der Kondensatorstrom (zeitabhängig), Vin die Versorgungsspannung, R der Ausgangswiderstand der Versorgung. Addiert werden der ESR-Wert des Kondensators und sonstige Verbindungswiderstände. C ist die Eingangskapazität. Bei t=0 ist die Exponentialfunktion eins, sodass die einzigen Begrenzungen des Eingangsstroms der Widerstand R und die Stromaufnahmefähigkeit der Spannungsversorgung sind. Bei t >>1 ist die Exponentialfunktion null und der Eingangsstrom ist gleich dem Ruhestrom des Kondensators, da er unter anderem voll geladen ist.

Ein zusätzliches Phänomen ist in Abbildung 1 ablesbar. Nach der anfänglichen Stromspitze fällt der Eingangsstrom nicht auf den Betriebsstrom zurück, sondern wird kurzzeitig negativ und oszilliert, bevor er sich einpendelt. Diese Oszillation führt dazu, dass periodisch Strom aus dem Wandler zurück in die Versorgung fließt. Der Effekt dieses „negativen“ Stroms besteht darin, dass die Eingangsspannung kurzzeitig höher sein kann als die Versorgungsspannung. Abbildung 2 zeigt die Eingangsspannungskurve. Wenn die Eingangsspannung ansteigt, erhöht sich der aus der Versorgung gezogene Strom. Hat der Eingangsstrom seinen Spitzenwert erreicht und wird negativ, fließt Strom aus dem Wandler zurück in die Versorgung, mit dem Effekt, dass die Eingangsspannung weiter ansteigt. Je nach Güte des Versorgungsnetzes stabilisiert sich die Eingangsspannung auf den Versorgungswert.



Abb. 2: Beispiel für eine Eingangs-Einschaltüberspannung


Der Grund dafür, dass die Eingangsspannung höher als die Versorgungsspannung sein und dass der Eingangsstrom auch negativ werden kann, besteht darin, dass das System während der Einschaltbedingungen äußerst dynamisch ist. Die Gesamtimpedanz der Eingangsverdrahtung, der Leiterbahnen und der Steckverbinder wirken nicht nur als rein Ohm’scher Widerstand, sondern es handelt sich hierbei um eine Zusammenschaltung von verschiedensten Blindwiderständen. Die ohmschen Wirkwiderstände sowie die Blindwiderstände (XL, XC) können mit den Komponenten des Wandlers sowie der Last einen Schwingkreis bilden, welcher in Summe eine Oszillation hervorrufen kann.



Abb. 3. Vergleich zwischen einer vereinfachten Stromverbindung an einen Wandler und seinem Übertragungsleitungsäquivalent


In der Regel stellt dieser primäre Einschaltstrom ein größeres Problem dar als die Eingangsüberspannung, es sei denn, das Versorgungskabel ist lang oder die Hauptstromversorgung ist keine niederohmige Quelle. In diesem Fall kann die Überspannungsspitze die Nennspannung des Wandlers übersteigen und diesen beschädigen.

Reduzierung von Eingangs-Überspannungen

Die einfachste Methode zur Reduzierung von Überspannungen am Ende langer Kabel ist das Hinzufügen eines Elektrolytkondensators an den Klemmen des DC/DC-Wandlers.

Elektrolyte haben eine hohe Kapazität und einen relativ hohen äquivalenten Serienersatzwiderstand (ESR). Die hohe Kapazität absorbiert die Überspannungsspitze und der hohe ESR hilft, die Schwankung zu dämpfen.

Im folgenden Beispiel wurde ein DC/DC-LED-Treiber mit 48V über ein 15m langes Kabel versorgt. Das erste Bild zeigt die am Wandler gemessene Eingangsspannung ohne Eingangskondensator (Spitze=71V), das zweite Bild mit einem 100µF-Kondensator (Spitze=55V) und das letzte Bild mit einem 220µF-Kondensator (auf 48V überdämpft).



Abb. 4. Effekt verschiedener Eingangskondensatoren auf die Eingangsspannung am Ende eines langen Kabels


Reduzierung des Einschaltstromstoßes am Eingang (AC/DC-Spannungsversorgungen)

In vielen AC/DC-Spannungsversorgungen kann ein hoher Einschaltstromstoß zu einem unerwünschten Auslösen von Sicherungen oder Überstromschutzvorrichtungen führen. Die Lösung besteht darin, einen Reihenwiderstand einzubauen, der den Eingangsstrom begrenzt, bis der Wandler ‚hochgefahren‘ ist.

Ein Thermistor mit negativem Temperaturkoeffizienten (NTC) ist ein Bauelement, das im kalten Zustand einen hohen und im heißen Zustand einen niedrigeren Widerstand hat. Beim Einschalten ist das Gerät hochohmig und der Einschaltstromstoß wird begrenzt. Der Thermistor erwärmt sich durch den hindurchfließenden Betriebsstrom schnell und wird niederohmig, sodass der Wandler seine volle Leistung abgeben kann. Auch wenn dies eine kostengünstige und kompakte Lösung ist, läuft der Thermistor im Normalbetrieb sehr heiß, was den Wirkungsgrad des Wandlers verringert. Außerdem ist die Lösung wenig effektiv, wenn der Wechselstromeingang entfernt und wieder angelegt wird, bevor er abgekühlt ist.

Eine effizientere Lösung besteht darin, einen NTC-Thermistor zu verwenden und diesen mit einem Relaiskontakt oder Triac kurzzuschließen, sobald der Wandler betriebsbereit ist. Diese Lösung ist weniger kompakt und teurer, aber effizienter und kann auch schnell auf Stromunterbrechungen reagieren, da der Thermistor im Normalbetrieb kalt ist.

Abbildung 5 zeigt zwei verschiedene RECOM-Produkte (RACM60 und RACM550), die die Thermistor- bzw. die Thermistor-plus-Relais-Methode verwenden.



Abb. 5. Einschaltstrombegrenzung mit einem NTC-Thermistor oder relaisgeschalteten NTC (eingekreist)


Reduzierung des Einschaltstromstoßes am Eingang (DC/DC-Spannungsversorgungen)

Bei einem DC/DC-Wandler könnte ebenfalls ein Thermistor als Einschaltstrombegrenzer eingesetzt werden. Es kann dabei jedoch zu Startproblemen kommen, wenn der Widerstand zu hoch und der Thermistor kalt ist und der DC/DC-Wandler nicht genügend Strom für einen regulären Start aufnehmen kann. Eine gängigere Lösung besteht in der Integration eines Induktors zur Begrenzung des Einschaltstroms. Sie bietet den zusätzlichen Vorteil, dass sie – wird sie als Pi-Filter verwendet – wie ein Eingangsfilter funktioniert und leitungsgeführte elektromagnetische Störungen reduziert. Der Einschaltstromstoß wird zwischen dem Versorgungsspannungskondensator C1 und dem induktivitätsbegrenzten Eingangsstrom aufgeteilt, der von C2 und dem Wandler benötigt wird (gestrichelt dargestellt).



Abb. 6. Verwendung eines Eingangs-Pi-Filters zur Reduzierung des Einschaltstromstoßes bei einem DC/DC- Wandler


Bei leistungsstärkeren DC/DC- Wandlern kann der Eingangsinduktor zu groß oder zu teuer sein. Außerdem weist der Filter Resonanzen auf, die ohne Dämpfungstechniken zu Überspannungen und sogar zur Instabilität des Wandlers führen können. Eine Alternative ist die Verwendung einer aktiven Strombegrenzungsschaltung, wie z. B. einer Soft-Start-Schaltung, die im RECOM DC/DC Book of Knowledge) in Kapitel 4.7 abgebildet ist:



Abb 7. Soft-Start-Schaltung mit einem N-Kanal-MOSFET zur Umgehung eines Strombegrenzungswiderstands


Beim Einschalten ist der Transistor Q1 ausgeschaltet und der Wandler wird über den Strombegrenzungswiderstand Rlimit versorgt. Der Kondensator C1 wird langsam über den Widerstand R1 aufgeladen. Wenn die Spannung die Gate-Spannung des MOSFET übersteigt, schaltet dieser sich ein und überbrückt den Strombegrenzungswiderstand. R2 begrenzt zum einen die maximale Spannung am Gate auf sichere Pegel, indem es bei R1 als Potenzialteiler fungiert, und entlädt zum anderen C1, wenn der Strom abgeschaltet wird, um den Schutz zurückzusetzen.

Die in Abbildung 7 dargestellte Schaltung verwendet einen kostengünstigen N-Kanal-MOSFET, hat aber den Nachteil, dass ein Strombegrenzungswiderstand Rlimit mit hoher Leistung erforderlich ist. Bei beengten Platzverhältnissen kann Rlimit weggelassen und der Kanalwiderstand des MOSFET als Strombegrenzung verwendet werden, obwohl dieser nicht so gut geregelt wird wie mit einem separaten Widerstand. Die Schaltung kann auch invertiert und als Strombegrenzungseinrichtung auf der positiven Schiene mit einem P-Kanal-MOSFET verwendet werden, der mit einem Widerstand oder im Ohm’schen Bereich arbeitet. Wenn kein separater Widerstand verwendet wird, hat dies den zusätzlichen Vorteil, dass der MOSFET auch eine Verbindung mit umgekehrter Polarität blockiert. Zwei oder mehr MOSFETs können parallel geschaltet werden, um die Stromaufnahmefähigkeit zu erhöhen, wie im Beispiel in Abbildung 9 zu sehen ist (RECOM RPMD-Serie).



Abb. 8. Alternative Soft-Start-Schaltung mit einem P-Kanal-MOSFET im Ohm’schen Bereich zur Begrenzung des Einschaltstromstoßes




Abb. 9. Eingangsfilter mit parallel verwendeten aktiven Einschaltstrombegrenzungs-MOSFETs


Wir helfen Ihnen gerne weiter

Einschaltströme können bei manchen AC/DC- und DC/DC-Anwendungen zu Problemen führen, etwa zum Auslösen von Sicherungen oder des Überstromschutzes in Primärstromversorgungen. In schweren Fällen ist auch ein Ausfall des Wandlers möglich. Es gibt jedoch mehrere Techniken, um den Effekt abzuschwächen. Wenn Sie bei Ihrer Anwendung Probleme mit dem Einschaltstrom haben, lohnt es sich, den technischen Support von RECOM oder unsere erfahrenen Vertriebsingenieure um Rat zu fragen.

RECOM integriert Einschaltstrombegrenzungen in alle AC/DC-Spannungsversorgungen mit höherer Leistung, sei es für die Offboard- oder für die Leiterplattenmontage. Wenn jedoch viele Spannungsversorgungen parallel an dieselbe Versorgungsleitung angeschlossen sind – z. B. in LED-Beleuchtungsanwendungen –, kann selbst bei individueller Einschaltstrombegrenzung in jedem Schaltgerät der kombinierte Strom Probleme verursachen. Daher gibt RECOM in den Datenblättern der AC/DC-LED-Treiber je nach Typ (B, C oder D) die maximale Belastung der Sicherungsautomaten sowie den Nennstrom an.

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