Richtlinienkompetenz

18. Oktober 2022

Da hat Bundeskanzler Olaf Scholz gestern Abend doch tatsächlich die Richtlinienkompetenz-Karte gespielt. Alle drei deutschen Atomkraftwerke sollen bis Mitte April laufen können. Auch das Kernkraftwerk Emsland in Lingen (Ems). In einem Schreiben an die zuständigen Minister Steffi Lemke, Robert Habeck und Christian Lindner ordnete Scholz an, die gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie auch Emsland über den 31. Dezember 2022 hinaus bis längstens zum 15. April 2023 betreiben zu können.

Also vor Gericht ziehen? Beispielsweise weil die erforderlichen Generalüberholung und damit die Sicherheit fehlt, die 2019 kommen musste, aber wegen des Abschaltdatums 31.12.2022 geschoben wurde? Ein solches Gerichtsverfahren flog mir gestern Abend auch durch den Kopf. Doch “kann“ das KKE überhaupt solange, wie es jetzt dürfen soll? Nach allem, was bisher geschrieben und mitgeteilt wurde, sind doch die Brennelemente im KKE zum Jahresende leer gebrannt. Macht trotzdem eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen eine politisch entschiedene Verlängerung für 105 Tage Sinn? Ist dies gar Pflicht?

Ich sehe das eher gelassen. Stets bin ich skeptisch, wenn  eine politische Entscheidung rechtlich gestoppt werden kann. Die Verwaltungsgerichte lassen jedenfalls eine gegen die Laufzeitverlängerung gerichtete Klage solange liegen, bis der 15. April verstrichen ist. Garantiert!

Meine Schlussfolgerung: Bleibt geschmeidig und gelassen. Das Atomkraftwerk in Lingen geht vom Netz – in 75 Tagen oder 105 Tage später.

2 Antworten to “Richtlinienkompetenz”

  1. heiner11 said

    Dem Blogbetreiber, dem ich an dieser Stelle ausdrücklich für das kürzlich weitergeleitete You Tube-Video zur Herstellung des perfekten Pizza-Teiges danken möchte, flogen gestern diverse Ideen und Reaktionen auf das Dekret -Kompetenz erkenne ich da nicht- des Bundeskanzlers zum Weiterbetrieb des Lingener AKW durch den Kopf (vgl. o.).
    Es ging und geht mir auch so. Und daher will ich an dieser Stelle einige Gedanken loswerden, zumal sich offensichtlich niemand für das Thema interessiert. Aber das hat in Lingen Tradition!
    Ich versuche die Gedanken zu ordnen und freue mich über Vertiefungen und Richtigstellungen gut informierter Leser:
    – Der Verzicht auf ein verwaltungsgerichtliches Verfahren leuchtet mir ein. Ich erinnere mich daran, dass Teile des Altenlingener Forstes längst abgeholzt waren, bevor irgendein zuständiges Verwaltungsgericht sich äußerte.
    – Gespannt bin ich allerdings auf die Reaktion der zuständigen Genehmigungsbehörden. Sind die atomrechtlichen Voraussetzungen zum Weiterbetrieb des AKW in Lingen noch gegeben? Auch diesen Behörden bleibt ja nicht mehr allzu viel Zeit für ihre Entscheidung, also abwarten und vielleicht hoffen, dass die zuständigen Beamten viel Tee trinken, der Winter steht ja vor der Tür.
    – Wirtschaftsminister Habeck hat gestern in den Tagesthemen die „staatspolitische Keule“ herausgeholt. Irgendwie habe ich rückblickend etwas gegen dieses „Argument“. Habeck, der auf angeschlagen machte, hat es in dem Interview aber nicht geschafft oder gewollt,zu vermitteln, welche Fakten zu dieser „staatspolitisch notwendigen Laufzeitverlängerung“ zwingen.
    – Damit bin ich bei der energiepolitischen Dimension des Kanzler-Dekrets: Ich gestehe, dass ich nicht jeden Tag die überregionalen deutschen Tageszeitungen studiere, daher fehlt mir hier der Hintergrund. Was bringt eine Laufzeitverlängerung von 3 AKW bis April? Ich freue mich auf kompetente Aufklärung. Mir fällt spontan nur ein, dass diese Laufzeitverlängerung vor allem den süddeutschen Ländern nützt, die ihre Hausaufgaben in sachen erneuerbare Energien seit Jahren nicht gemacht haben! Ferner stelle ich mir vor, dass der Atomstrom aus Lingen die Stromleitungen nach Süden noch schneller „verstopft“ und daher Windräder im Norden abgestellt werden müssen (siehe gestrigen Artikel in diesem Blog zum Strom“markt“). Bei AKW geht das nicht so einfach …
    – Politisch gesehen war die gestrigen Kanzlerentscheidung (kommt bei Scholz eher selten vor) ein Schlag gegen die viel weitergehenden Atom-Pläne der FDP. Vielleicht haben sich Scholz und Habeck abgestimmt und der Vize-Kanzler, von Lindner genervt, signalisierte, ähnlich wie der Blogbetreiber, was sind schon 105 Tage mehr. Das werde er schon hinkriegen mit den staatspolitisch gewordenen „Grünen“. Kubicki muckt schon auf, morgen in der NOZ! Das Thema bleibt bei der FDP auf der Tagesoprdnung.

    Aber wie oben gesagt, das sind alles nur Gedanken, die mir so durch den Kopf gehen…

    • Helmut said

      Was die Verlängerung energiepolitisch bringt?
      Ganz einfach:
      Die Erneuerbaren stehen mangels Speicherkapazitäten noch nicht 24h zur Verfügung. Gerade wenn nachts die Sonne nicht scheint, oder zu wenig Wind weht, werden konventionelle Kraftwerke dazugeschaltet – das betrifft auch den Norden!
      Ich empfehle dazu das Agorameter (einfach googlen) anzuschauen und mal für die letzten Wochen und Tage zu vergleichen – die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien reicht nie aus, um den Bedarf zu decken. Selbst wenn wir Deutschland in der Mitte teilen, könnte sich der Norden nicht vollständig aus EE versorgen.
      Hier springen konventionelle Kraftwerke ein – aktuell dann wieder Kohlekraftwerke und vor allem Gaskraftwerke. Diese haben halt den unsäglichen Nachteil, dass sie in der Merit Order (darüber wird der Strompreis festgelegt) den höchsten Gestehungspreis haben. Dieser Preis gilt dann aber für alle Produzenten, also auch für Strom aus Erneuerbaren. Das verteuert insgesamt den Strom.

      Wenn die AKW also dazu beitragen, dass die Gaskraftwerke häufiger oder deutlich weniger am Netz sein müssen, wird das einerseits den Strompreis deutlich entlasten, andererseits steht – aufgrund der Gasmangellage – mehr Gas für andere Anwendungen zur Verfügung. Auch für Private!
      Wir reden hier über einen Streckbetrieb der kommenden vier Monate über den Winter – nicht um einen Wiedereinstieg auf Jahre.

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