Mobilität im Alter – Doppelaufgabentraining als Therapieform bei neurologischen Patienten

Schott N
Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft, Universität Stuttgart

Abstract

Gait impairments in simultaneous motor-cognitive tasks have been well documented in neurodegenerative disease populations, including Parkinson’s disease, and Alzheimer’s disease. The consequences of these gait impairments in patient populations include an increased fall risk, sedentariness, functional decreases, decreases in self-efficacy, and overall reduced quality of life. Therefore, improving gait performance in dual-task situations is becoming an important focus of rehabilitation for people with neurological disorders. Despite the growing interest in training dual-task performance for people with motor and/or cognitive impairments as a treatment, there is currently a limited amount of available literature, and studies vary in overall quality and methodological rigor. In this narrative review, the objective was to describe the effectiveness of dual-task interventions in different patient populations. Overall, multicomponent interventions incorporating both physical and cognitive components demonstrated promising results for improving gait velocity and other gait parameters in patient populations. However, the results are inconsistent across studies. The discrepancies are not surprising given the differences in study populations, measures of dual-task performance, task difficulty, task prioritization, intervention duration and intensity. Future studies need to explore further the design of successful training interventions as well as the transfer of training-related benefits for enhancing activities of daily living in different clinical populations.

Zusammenfassung

Einschränkungen im Gangbild bei mehreren gleichzeitig durchgeführten Aufgaben, sogenannten Doppelaufgaben, werden häufig bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, z.B. bei Parkinson und Alzheimer, berichtet. Diese Gangeinschränkungen ziehen wiederum ein erhöhtes Sturzrisiko, Sedentariness, funktionale Einbussen, Abnahmen in der Selbstwirksamkeit und insgesamt eine reduzierte Lebensqualität nach sich. Deshalb rücken Verbesserungen im Gangbild durch ein Doppelaufgabentraining vermehrt in den Fokus in der Rehabilitation bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Trotz des wachsenden Interesses an Doppelaufgabentrainings für Personen mit motorischen und/oder kognitiven Einschränkungen liegen bis dato nur wenige Studien vor. Diese variieren zudem deutlich in ihrer Gesamtqualität und ihrer methodologischen Güte. Dieses narrative Review hat zum Ziel, die Effektivität von Interventionen zu Doppelaufgaben zu beschreiben und zu analysieren. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Mehrkomponenten-Interventionen, die gleichermassen motorische als auch kognitive Elemente integrieren, vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf Verbesserungen der Ganggeschwindigkeit sowie weiterer Gangparameter bei Patientenpopulation zeigen. Dennoch muss auch festgehalten werden, dass die Befunde inkonsistent sind. Dies ist nicht weiter überraschend, da deutliche Unterschiede in der Stichprobenauswahl, den Messmethoden zu den Doppelaufgaben, der Aufgabenschwierigkeit, der Aufgabenschwerpunktsetzung sowie der Interventionsdauer und Intensität vorliegen. In der Zukunft bedarf es einer Reihe weiterer Studien, um das Design erfolgreicher Interventionsstudien wie auch den Transfer trainingsbedingter Effekte zur Verbesserung von Alltagstätigkeiten bei verschiedenen klinischen Populationen zu ermitteln.

Einleitung

Mobilität (Fähigkeit eines Individuums, sich in seiner Umwelt zu bewegen), und im Besonderen der Gang (Bewegungsmuster des Körpers während der Fortbewegung) gilt als wichtiger Marker für die globale Gesundheit und stellt einen bedeutenden Prädiktor in Bezug auf das Überleben bzw. die Mortalität älterer Menschen dar [1,2]. Das Gehen wird schon seit Längerem nicht mehr nur als einfache motorische Aufgabe verstanden. Bereits 2001 haben Hausdorff und Kollegen ein multifaktorielles Modell zu physiologischen und neuropsycho-
logischen Einflussfaktoren auf Ganginstabilitäten vorgestellt. Sie benennen unter anderem alters- wie auch inaktivitätsbedingte Faktoren wie die Abnahme im Bewegungsumfang und der aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit, Einbussen in Qualität und Quantität der muskulären Aktivierung sowie Abnahmen in der neuronalen Kontrolle (siehe Abb. 1).
Aktuelle Studien weisen zudem darauf hin, dass ein sicherer Gang das Zusammenspiel mit den höheren kognitiven Funktionen benötigt [3]. So zeigen sich für gesunde ältere Erwachsene wie auch Demenz- und Parkinsonpatienten deutliche Zusammenhänge zwischen Gehgeschwindigkeit und der visuo-räumlichen Aufmerksamkeit, der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, dem Gedächtnis und den exekutiven Funktionen [4]. Längsschnittstudien konnten zudem belegen, dass die Veränderung in den Gangmustern einen bedeutenden Prädiktor für die Entwicklung von leichten kognitiven Störungen (engl. Mild Cognitive Impairment, MCI) bzw. Demenz bei älteren Erwachsenen darstellt [5,6]. Weitere Einflussfaktoren wie kardiovaskuläre oder muskulo-skelettale Einschränkungen und Risikofaktoren (u.a. Lebensstile, Sedentariness, mangelhafte Ernährung) moderieren möglicherweise den Zusammenhang zwischen Mobilität und Kognition (siehe Abb. 1).
Vor allem bei gebrechlichen Senioren und den zuvor erwähnten Patientengruppen ist ein Wechsel von einer automatisierten Fortbewegung hin zur exekutiven Kontrolle (Planung, Durchführung und Überwachung zielgerichteter Aufgaben) des Gehens zu beobachten. Das Monitoring der exekutiven Kontrolle geschieht im präfrontalen Kortex. So geht eine steigende Komplexität von Gehaufgaben (z.B. Änderung der Gehgeschwindigkeit, Gehen mit gleichzeitiger kognitiver und/oder motorischer Zusatzaufgabe) mit einem Anstieg in der präfrontalen Aktivität einher [7]. Die Zunahme in der Aktivierung des präfrontalen Kortex im Alter wie auch bei neurodegenerativen Erkrankungen selbst bei einfachen Gehaufgaben kann jedoch auch eine Kompensationsstrategie des zentralen Nervensystems widerspiegeln [8]. Allerdings sind die genauen Mechanismen für Störungen des Gangbildes nach wie vor unklar [9].
Interventionen können – wie ebenfalls Abbildung 1 zu entnehmen ist – eine Vielzahl unterschiedlicher Ansatzpunkte zur Verbesserung von Mobilität und Kognition verfolgen und dies mit uni- oder multimodalen Strategien (z.B. unimodal: Krafttraining; multimodal: Krafttraining + Kognitionstraining). So liegen bereits zahlreiche Befunde zur Effektivität von Ausdauertraining und Krafttraining auf verschiedene Gangparameter [10], die neuronale Kontrolle wie auch die exekutiven Funktionen [11] vor. Reuter-Lorenz und Park [12] sehen die Plastizität des Gehirns als zentralen Mechanismus, der die nachteiligen Effekte degenerativer Alterungsprozesse minimieren kann.

Abb. 1: Rahmenmodell zur Erklärung der Wirkung von motorischen und kognitiven Interventionen auf die Mobilität [mod. nach 1,9,12]

Grundgedanken des Doppelaufgabenparadigmas

Eindrückliche Belege für den Zusammenhang von Mobilität und Kognition kommen insbesondere von Studien, die sich des sogenannten Doppelaufgaben(DA)paradigmas bedienen [13]. Dabei wird zusätzlich zur Gehaufgabe eine weitere motorische (z.B. Tragen eines Tablets; zuknöpfen eines Hemdes) oder kognitive Aufgabe (z.B. in 3er-Schritten rückwärts zählen; Stroop-Aufgabe) durchgeführt, was in den meisten Fällen in mindestens einer der Teilaufgaben zu Leistungseinbussen führt (kognitiv-motorische Interferenz). Als Mass für die Automatisierung des Gehens bzw. den motorischen wie auch kognitiven Einbussen werden sogenannte Doppelaufgabenkosten (DAK) berechnet. DAKs errechnen sich, indem die Leistung in jeder Aufgabe unter der DA-Bedingung zu der jeweiligen Leistung unter Einfachaufgabenbedingung in Beziehung gesetzt wird.
Es ist von besonderer Bedeutung, dass nicht nur der Einfluss der kognitiven Aufgabe auf die motorische Aufgabe (hier das Gehen) berechnet wird, sondern auch der Einfluss der motorischen auf die kognitive Aufgabe. So können doppelaufgabenbedingte Abnahmen beispielsweise in der Ganggeschwindigkeit mit einer (1) gleichzeitigen Abnahme in der kognitiven Leistungsfähigkeit (wechselseitige Interferenz), (2) keinen Einbussen in der kognitiven Aufgabe (kognitiv bedingte motorische Interferenz), aber auch (3) einer Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit einhergehen (siehe auch Tab. 1; [14]). Gleichermassen kann die kognitive Leistung von der motorischen Aufgabe profitieren bzw. die Performanz in der motorischen als auch kognitiven Aufgabe wird verbessert.
Eine wechselseitige Interferenz weist auf nicht ausreichende Aufmerksamkeitsressourcen bei der gleichzeitigen Ausführung zweier Aufgaben hin, welche wenn einzeln durchgeführt ohne Probleme absolviert werden können. Interferenzen in der motorischen, nicht aber der kognitiven Aufgabe lassen ebenso die nicht angemessene Nutzung der Aufmerksamkeitsressourcen vermuten [15]. Die Berücksichtigung motorischer als auch kognitiver DAKs gewinnt bei der Evaluierung von Interventionen eine besondere Bedeutung, da deren Effekte so getrennt für die motorischen sowie kognitiven Veränderungen beurteilt werden können.
Im Folgenden sollen nun Interventionsstudien berichtet werden, die motorische und kognitive Aspekte gleichermassen in der Rehabilitation berücksichtigen. Aus diesem Grund soll, wenn auch in knapper Form, ein Überblick über aktuelle Studien zum Doppelaufgabentraining (DAT) bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen (Parkinson, Demenz) vorgestellt werden.

Abb. 1: Rahmenmodell zur Erklärung der Wirkung von motorischen und kognitiven Interventionen auf die Mobilität [mod. nach 1,9,12]

Effekte von Doppelaufgabentraining

Parkinson (PD)
PD ist eine neurodegenerative Erkrankung der Basalganglien, die eine Reduktion in der Dopaminproduktion zur Folge hat. Dies wiederum geht mit motorischen und nicht-motorischen Symptomen (u.a. Ganginstabilität, Tremor, exekutive Funktionen, Depression) und dem Verlust von Aufgabenautomatisierung einher. Patienten zeigen zunehmend mehr Probleme, die Bewegungsamplitude, den Rhythmus und die posturale Kontrolle aufrechtzuerhalten, ohne konstant Aufmerksamkeit auf die aktuelle Tätigkeit zu richten [16]. Die motorisch-kognitive Interferenz manifestiert sich bei PD-Patienten meist in einer Verringerung der Ganggeschwindigkeit und Schrittlänge sowie in Zunahmen von Asymmetrien und Variabilität im Gangmuster [17,18,19]. Allerdings variiert das Ausmass der DA-Interferenz von Studie zu Studie aufgrund unterschiedlicher Aufgabenschwierigkeit und dem Krankheitsstadium der Patienten. Interessanterweise erzielen neu diagnostizierte PD-Patienten ähnliche Interferenzwerte wie gesunde Personen, wenn die Aufgabenschwierigkeit dem kognitiven Status des Probanden angepasst wird ([20]; siehe auch Abb. 2). Gehört der Patient zur Gruppe der Freezer (kurzfristige Bewegungsstarre) und/oder liegen leichte kognitive Störungen vor, dann verstärken sich die Verluste in der Bewegungsgenauigkeit in der DA-Situation [21,22].
In der evidenzbasierten Rehabilitation mit PD-Patienten gilt aktuell meist noch die Empfehlung, DA-Situationen zu meiden; stattdessen sollen komplexe Aufgaben im Sinne der Zergliederungsmethode in einfacheren Teilelementen geschult werden [23]. Die aktuellen europäischen Empfehlungen [24] nehmen eine differenziertere Haltung ein und schätzen ein DAT bei Patienten mit Höhn und Yahr Stufe II und III als sicher und effektiv ein. Aktuell liegen jedoch kaum RCT-Studien bei PD-Patienten vor, wobei dennoch meist positive Ergebnisse berichtet werden [25,26,27,28,29,30,31,32,33;34,35; siehe Tab. 2].
Diese Studien nutzen entweder einen integrierten Aufgabenansatz (gleichzeitige Durchführung verschiedener Aufgaben) oder einen hybriden Ansatz (Kombination aus integriertem und konsekutivem Ansatz), jedoch keinen konsekutiven Ansatz (nachgeschaltetes Einzelaufgabentraining). Die Trainingsdauer beträgt durchschnittlich ca. 2 Stunden pro Woche bei einer Interventionsdauer von 3 bis 10 Wochen. Bis auf eine Studie [31] berichten alle positive Effekte für Ganggeschwindigkeit und Schrittlänge. Ein Gangtraining mit sensorischen Reizen1 führte beispielsweise zu anhaltenden Abnahmen motorisch-kognitiver Interferenz, wobei diese Studie, wie auch die meisten anderen ohne Kontrollgruppe agieren [27]. Eine weitere aktuelle Studie untersuchte bei PD-Patienten den Effekt eines Laufbandtrainings unterstützt durch virtuelle Realität im Vergleich zu einem normalen Laufbandtraining [25]. Nicht nur ergaben sich Reduktionen in DAK und kognitiver Leistungsfähigkeit, diese Effekte konnten auch 30 Tage bis sechs Wochen nach der Intervention noch beobachtet werden [28]. Yogev-Seligman und Kollegen [30] kombinierten in ihrer Trainingsstudie Gehaufgaben mit verschiedenen kognitiven Aufgaben. Sie konnten nicht nur Effekte in der motorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit in den geübten, sondern auch ungeübten Aufgaben zeigen. Dieser Transfereffekt trat bereits nach nur 20-minütigem DAT auf [26]. Ein hybrides Training führte in einer 10-wöchigen Intervention zur Verbesserung der Haltungskontrolle nur zu Verbesserungen in den kognitiven Leistungen, nicht aber in den Gang- und Gleichgewichtsparametern [33]. Insgesamt kann festgehalten werden, dass ein DAT zu positiven Effekten in motorischen und kognitiven Bereichen führen kann, wobei Interventionsform und Erkrankungssubtyp (Ganginstabilitäten/Freezer vs. Tremor) berücksichtigt werden müssen. Fehlende Kontrollgruppen sowie meist kleinzahlige Studienpopulationen (< 20 Patienten) sollten jedoch zur Vorsicht in der Interpretation bisheriger Studien mahnen.

Abb. 2: Überblick über motorische und kognitive DAKs bei gesunden älteren Erwachsenen und neurologischen Patientengruppen (unveröffentlichte Daten). Alle Probanden führten den Trail-Making-Test sowie den Trail-Walking-Test [13]durch. Nahezu alle älteren Erwachsenen zeigen unabhängig ihres Krankheitsstatus eine wechselseitige Interferenz, wobei PD-Patienten erwartungsgemäss deutlichere Einbussen in der motorischen Aufgabe und MCI-Patienten deutlichere Einbußen in der kognitiven Aufgabe zeigen (Schott, Klotzbier, & Almeida in prep).

Leichte kognitive Störungen / Demenz / Alzheimer
Die leichte kognitive Störung (engl. Mild Cognitive Impairment, MCI) geht mit subjektiven und objektiven kognitiven Einbussen einher, ohne jedoch einen Verlust in der Alltagskompetenz aufzuweisen. Die amnestische leichte kognitive Störung wird als mögliches Prodromalstadium (Phase mit krankheitsunspezifischen Symptomen) der Alzheimer Demenz vermutet. Die Demenz ist durch Defizite im kognitiven Bereich sowie einer fortschreitenden Verschlechterung des Gedächtnisses gekennzeichnet. Zwar gibt es eine Vielzahl an Studien, die zeigen konnten, dass die motorische Leistungsfähigkeit bei Personen mit leichten kognitiven Störungen und dementiellen Erkrankungen eingeschränkt ist [u.a. 36,37], jedoch existieren bis dato nur wenige Studien, die die Interaktion von Kognition und Motorik im Rahmen von DA-Studien bei Patientengruppen mit MCI oder Demenz untersucht haben. Zudem kommen diese Studien aufgrund variierender methodischer Ansätze zu sehr unterschiedlichen Befunden [36,38,39,40,41]. Dennoch lässt sich als genereller Trend festhalten, dass DAK höher für Patienten mit leichten kognitiven Störungen im Vergleich zu gesunden, älteren Personen ausfallen (siehe auch Abb. 2); die DAK fallen wiederum noch deutlicher für Patienten mit dementiellen Erkrankungen im Vergleich mit Patienten mit leichten kognitiven Störungen aus [42].
Studien zu DAT bei Patienten mit leichten kognitiven Störungen oder Demenz liegen in ebenfalls nur geringer Zahl vor [43,44,45;46; siehe Tab. 3]. Die Zahl der Untersuchungsteilnehmer schwankte zwischen 27 und 61 mit einem Alter zwischen 65 und 92 Jahren. Die Interventionsdauer betrug zwischen 3 und 12 Monaten und wurde meist 2 bis 3x pro Woche für 60 bis 120 Minuten durchgeführt. Die Inhalte reichten von Kraft-, Ausdauer- und Gleichgewichtstraining, über Gehtraining bis zur Kombination von Wurf- und Fangaufgaben in Kombination mit beispielsweise arithmetischen Aufgaben. Nur zwei Studien berichteten explizit DAK [43,44]. Während Schwenk [44] eine Verbesserung von 22% in der Ganggeschwindigkeit für die Experimental-
gruppe (Demenz) im Vergleich zu 2% für die Kontrollgruppe findet, können Makizako und Kollegen [43] diesen Befund für Patienten mit leichten kognitiven Störungen nicht bestätigen. Positive Effekte finden sich zudem für Tests zur Überprüfung der exekutiven Funktionen (z.B. Frontal Assessment Battery; Rey-Osterrieth Complex Figure Test), der Aufmerksamkeit / Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (u.a. Zahlen-Symboltest, Test of Everyday Attention), der generellen kognitiven Leistungsfähigkeit (Mini-Mental-State-Exam). Weit weniger eindeutig sind die Ergebnisse in Bezug auf Gedächtnistests (u.a. Wechsler-Memory Scale): nur eine Studie bei MCI-Patienten berichtete signifikante Verbesserungen [47]. Law, Barnett, Yau und Gray [48] konstatieren in ihrem systematischen Review, dass differentielle Effekte und Trainingsempfehlungen aus den bisherigen Studien kaum abgeleitet werden können, da zum einen die Inhalte zu sehr über die Studien hinweg variieren, die Trainingsschwerpunkte nicht in einzelnen Studienarmen geprüft wurden, und nur selten aktive Kontrollgruppen inkludiert wurden.

Tab. 2: Studien zu Interventionseffekten auf Gangparameter nach einem Doppelaufgabentraining bei Parkinson-Patienten.
Tab. 3: Studien zu Interventionseffekten auf Gangparameter nach einem Doppelaufgabentraining bei Personen mit leichten kognitiven Störungen und Demenz.

Diskussion

Obwohl etliche Grundlagenstudien zur motorisch-kognitiven Interferenz bei Personen mit neurodegenerativen Erkrankungen vorliegen, wurden bisher nur wenige Trainingsstudien durchgeführt. Weiterhin ist die Vergleichbarkeit der Studien nur in geringem Masse gegeben; Empfehlungen lassen sich aus diesen Studien deshalb nur bedingt ableiten. Obwohl einem DAT zumindest keine Sicherheitsbedenken entgegenstehen und die Effektivität für Gangparameter weitgehend bestätigt zu sein scheint, sind genaue Angaben darüber, welches Training mit welcher spezifischen Gruppe wie durchgeführt werden muss, aktuell nur bedingt möglich.
Die Planung zukünftiger Interventionsstudien zur Verbesserung der motorisch-kognitiven Interferenz hängt von der Beantwortung einiger bedeutsamer Faktoren ab, die von Wissenschaftlern und Klinkern gleichermassen beantwortet werden müssen: (1) Was versteht man unter DAT? DA stellen per Definition die simultane Ausführung zweier diskreter Aufgaben dar (z.B. Hindernisse übersteigen, während in 3er-Schritten rückwärts gezählt wird), aber eben nicht nur eine kognitiv anspruchsvolle motorische Aufgabe, die hohe Ansprüche an die Aufmerksamkeitsressourcen stellt (z.B. Gehen und dabei ein Glas Wasser balancieren). McIsaac, Lamberg und Muratori [49] argumentieren, dass es sich hier um ein einziges Handlungsziel handelt, nämlich kein Wasser zu verschütten, deshalb wird die motorische Kontrolle vollständig auf das zentrale Handlungsziel ausgerichtet. (2) Muss ein DAT durchgeführt werden, um DAK zu verbessern? Beispielsweise haben Fritz, Cheek und Nichols-Larsen [50] in ihr systematisches Review nur Studien inkludiert, die auch ein DAT beinhaltet haben. Jedoch konnten Plummer und Kollegen [51] zeigen, dass auch andere Trainingsinhalte (u.a. Fitness, Tai Chi, Tanz) unabhängig davon, ob diese Elemente des DATs beinhaltet haben oder nicht, zu Verbesserungen in der Ganggeschwindigkeit in der DA-Bedingung führten.
In der Arbeit mit Patienten geht es weitgehend um funktionale Optimierung und Unabhängigkeit bei gleichzeitiger Gewährleistung von Sicherheitsaspekten in der realen Umwelt. Ziel der meisten aktuellen Studien ist es, den doppelaufgabenbedingten Abnahmen in der Gehgeschwindigkeit entgegenzuwirken. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass eine niedrigere, selbstgewählte Gehgeschwindigkeit die Strategie der Wahl ist, um die eigene Sicherheit zu erhöhen. Insofern handelt es sich hier nicht um ein negatives Verhalten, das um jeden Preis verändert werden muss. Vielmehr sollte das Training darauf ausgerichtet sein, Patienten Strategien zu vermitteln, die sie auf unerwartete DA-Situationen (z.B. im Strassenverkehr, in einem vollen Einkaufszentrum) vorbereiten.
Ein bedeutsamer Faktor ist es, die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten bei der Planung eines DATs zu berücksichtigen. Leidet eine Person beispielsweise unter der Alzheimer- oder Parkinson-Erkrankung mit leichten kognitiven Einschränkungen, dann wird ein DAT kaum zu langfristigen Verbesserungen führen, die sich entsprechend z.B. auf das Risiko zu stürzen positiv auswirken. Im Gegensatz dazu mag ein DAT bei Schlaganfallpatienten oder Personen, die aufgrund eines Unfalls eine Hirnverletzung erlitten haben, und auch entsprechende motorische und/oder kognitive Verbesserungen im Heilungsverlauf erfahren, zu einem sicheren Gangverhalten beitragen.
Last, but not least gilt es, nicht nur die absoluten Veränderungen in der motorischen Aufgabe sowie kognitiven Aufgabe in der Einzel- als auch DA-Bedingung zu erheben, sondern auch entsprechende motorische und kognitive Interferenzen zu bestimmen. Nur so können «richtige» und «falsche» Aufgabenlösungsstrategien (Stichwort Priorisierung) identifiziert und verbessert werden.

Praktische Relevanz

  • Motorisch-kognitive Interferenzen sind im Zusammenhang steigender Sturzraten bei neurologischen und zerebrovaskulären Patienten ein ernstzunehmendes Problem.
  • Neuronale Kapazitäten sind ein wichtiger Erklärungsfaktor für das Ausmass von Doppelaufgabenkosten bei Patientengruppen.
  • Das Training sollte mit einem integrierten Aufgabenansatz (gleichzeitige Durchführung verschiedener Aufgaben) oder einem hybriden Ansatz (Kombination aus integriertem und konsekutivem Ansatz), jedoch keinem konsekutiven Ansatz (nachgeschaltetes Einzelaufgabentraining) gestaltet werden.
  • Die Integration eines Doppelaufgabentrainings in jegliche Rehabilitationsmassnahmen ist unabdingbar, um das Bewusstsein für den Umgang mit solchen Situationen auch in Bezug auf das eigene Sturzrisiko zu schärfen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Nadja Schott
Institut für Sport- und
Bewegungswissenschaft
Universität Stuttgart,
Allmandring 28, 70569 Stuttgart
Phone: +49 711 685 63042
Fax: +49 711 685 63165
nadja.schott@inspo.uni-stuttgart.de

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