3. Baustein der Selbstführung: Selbstverantwortung statt Opferrolle

Mai 14, 2021

Verantwortung zu übernehmen bedeutet im beruflichen Kontext meist die Zuständigkeit für eine Aufgabe, einen Bereich oder ein Team zu übernehmen. Betrachten wir die Rolle der Selbstverantwortung in Bezug auf unser Leben und als Grundlage zu einer gelungenen Selbstführung, besagt es viel mehr.

Bewusst Handeln und Entscheidungen treffen

Selbstverantwortung zu übernehmen heißt das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, unsere Entscheidungen bewusst treffen zu können und somit Einfluss auf die Geschehnisse in unserem Leben zu nehmen.

Selbst-, Eigenverantwortung oder Selbstbestimmung meinen alles das Gleiche: Wir haben es in der Hand, in welche Richtung sich unser Leben entwickelt.

Die Verantwortung für unser Handeln und unsere Entscheidungen übernehmen

Nur wenn wir uns selbst unserer Verantwortung stellen, die Konsequenzen für unser Verhalten und die getroffenen Entscheidungen übernehmen, sind wir fähig die Auswirkungen zu erkennen. Anschließend können wir selbständig Lösungen finden, anstatt die Schuld bei anderen zu suchen.

Das gilt ebenso für die Dinge, die wir nicht gemacht haben.

Selbstverantwortung umfasst somit

  • Ich trage selbst Verantwortung für meine Gedanken und Gefühle.
  • Es ist an mir zu erkennen, was ich wirklich möchte.
  • Ich weiß genau, was mir guttut und was mir Energie gibt.
  • Ich stehe zu meinen Entscheidungen und nehme Rückschlage an vertrete sie.
  • Ich nehme mein eigenes Wohlbefinden ernst.

 Erst dann, wenn wir für unsere Gedanken, Gefühle, Emotionen und Handlungsweisen vollständig die Verantwortung übernehmen, haben wir tatsächlich die Freiheit daran etwas zu verändern.

 

Gründe warum wir trotzdem in der Opferrolle verharren

Kein Mensch fühlt sich gerne als Opfer. Befinden wir uns in der Opferrolle, bedeutet das, dass wir Gefühle wie Wut, Scham, Hilflosigkeit, Angst und Hoffnungslosigkeit erleben. Interessanterweise verharren viele Mitarbeiter*rinnen und Führungskräfte trotz dieser unangenehmen und wenig erstrebenswerten Emotionen hartnäckig in dieser Rolle.

Besonders in schwierigen Situationen suchen wir gerne mal die Schuld im außen. Dabei sind andere Menschen lediglich die Projektionsfläche unserer eigenen Ängste und Unzulänglichkeiten und es ist gelegentlich leichter die eigene Verantwortung unter den Teppich zu kehren.

Wenn Menschen sich über viele Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre in einem solchen Zustand aufhalten, muss es für die menschliche Psyche auch Vorteile haben.

Genauso, wie wenn wir krank sind, erfahren wir trotz der misslichen Lage einen Gewinn. Wenn wir es genauer betrachten, gibt es einige gute Gründe dafür.

1.   Befreiung von Schuld

Sind wir im Opfermodus, sind wir nicht schuld an dem, was mit uns passiert. Es sind die anderen oder die äußeren Umstände, die uns in die unglückliche Lage geführt haben, in der wir uns befinden.

Ich selbst kann ein Lied davon singen. Zu Zeiten meines Burnout gab es in meinem Leben viele solcher Schuldigen: diejenigen, die das Projekt unrealistisch abgeschätzt haben, der Kunde, der Unmögliches verlangte, die fehlerhafte Software, die wir implementieren mussten, und viele andere.

Von daher waren nur  die anderen und die äußeren Umstände schuld an meinem Burnout, oder?

2.   Ablehnung von Verantwortung

Tragen wir keine Schuld, sind wir dem zu folge auch nicht verantwortlich für das, was uns geschieht. Wenn nur endlich der Kunde, die Mitarbeiterin oder die Chefin zur Besinnung kommen würden, dann wäre alles anders und uns würde es endlich besser gehen bzw. wir könnten endlich vernünftig arbeiten.

Und so lange die aktuelle und belastende Situation sich nicht ändert, sind uns sowieso die Hände gebunden. Wir können uns in unsere Komfortzone zurückziehen, alles beim Alten lassen und die Verantwortung die anderen tragen lassen.

3.   Sich im Recht fühlen

Menschen, denen übel mitgespielt wird, fühlen sich nicht nur emotional im Recht, sondern sind den schuldigen Personen moralisch überlegen. Oft suchen wir in solchen Situationen Menschen, die uns in unserem Recht bestätigen, die uns beistehen und sich mit uns solidarisch zeigen.

Das sind die Momente, in denen in der Kaffeeküche, in der Kantine oder im Rauchereck ganz eigene Seilschaften innerhalb von Unternehmen oder Teams entstehen. Die vermeintlichen Schuldigen werden ausgegrenzt, Energien in Grabenkämpfe investiert und im schlimmsten Fall könnte es in einer Mobbing Situation enden.

 

4.   Zuspruch von anderen bekommen

Wenn wir im Recht sind und das Opfer der äußeren Umstände oder unserer Mitmenschen geworden sind, erhalten wir in aller Regel viel Anteilnahme, Mitleid und Mitgefühl von anderen Menschen. Das schmeichelt uns. Es bestätigt uns unser Selbstbild.

Wir erlangen die Gewissheit, dass wir im Recht sind, erfahren ein Gefühl der Zugehörigkeit und dass sich nur unsere Kolleginnen, Mitarbeiter oder die Umstände endlich ändern müssen, damit sich alles zum Guten wendet.

5.   Einen Freibrief erhalten

Unsere Mitmenschen sind oft nachsichtiger mit jenen, die Schweres durchgemacht haben.

  • Sie haben Verständnis, wenn wir mal die Fassung verlieren und unsere Wut oder unseren Frust laut kundtun.
  • Wir erfahren Schonung, wenn wir erwartete Arbeitsleistungen nicht rechtzeitig oder in entsprechender Qualität erbringen.
  • Vielleicht werden wir sogar von der einen oder anderen Alltagspflicht entbunden.

Die eigene Haltung kritisch hinterfragen als ersten Schritt zur Selbstverantwortung

So gesehen, gibt es also gute Gründe, warum wir uns selbst in einer Opferrolle kritisch hinterfragen sollten. Zugegebenermaßen erscheint gerade in Krisensituationen die Übernahme der Verantwortung für sich nicht immer leicht und es ist wesentlich bequemer diese nach außen zu verschieben.

Werden wir von außen angegriffen, befinden wir uns im Stress. Bei psychischen Schmerzen reagiert unser Schmerzzentrum anlog zu physischen Schmerzen. Unser Gehirn wird mit Adrenalin und Noradrenalin geflutet, was unser kognitives Gehirn blockiert, und wir somit in alten und meist wenig dienlichen Mustern landen.

Der erste wichtige Schritt, um die Opferrolle zu verlassen, ist es sich die eigene Opferhaltung einzugestehen.

Warum Selbstverantwortung übernehmen?

So lange wir Opfer der äußeren Umstände oder der Launen anderer Personen sind, müssen wir warten, bis diese etwas ändern. Das macht uns abhängig und frustriert uns langfristig. Wenn wir akzeptieren, dass die Welt nun mal so funktioniert, mag diese Erkenntnis schmerzlich sein, doch sie eröffnet uns die Option endlich selbst aktiv zu werden und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Im Rahmen meines Resilienz Workshops „Fit für die Zukunft“ lernst du viel über dich und deine Motivationen kennen und wie du deine Selbstverantwortung als Säule der Resilienz stärken kannst.

Prinzip der Selbstverantwortung: Love it, change it or leave it!

Immer dann, wenn wir nach den Prinzipien „Love it, change it or leave it.“ Handeln, werden wir zum Gestalter unseres Lebens. Wobei ich gerne das Wort „love“ mit „akzeptieren“ übersetze. Wir müssen es nicht alles lieben, akzeptieren reicht völlig.

Nichts macht uns unglücklicher als das Gefühl fremdbestimmt zu sein. Vielleicht hast du das Gefühl, du musst jede Menge Überstunden machen, rund um die Uhr erreichbar sein, dein Privatleben immer dem beruflichen unterordnen, die Launen deiner Kollegen oder Vorgesetzten aushalten nur damit deine Leistung gesehen und wahrgenommen wird.

Dann ist es an dir zu überlegen:

Kann und will ich die Situation akzeptieren?

Wenn ich es vollständig akzeptiere, darf alles so bleiben wie es ist, und ich fühle mich wohl mit dieser Situation. Kann ich es nicht akzeptieren kann, bleibt die Frage:

Kann ich es verändern?

Es ist in einem offenen Dialog oft viel mehr möglich als wir denken. Überlege dir, was du gerne ändern möchtest. Was wäre eine gute Lösung für dich? Welchen Mehrwert haben dein Vorgesetzter, deine Kollegen oder das Unternehmen davon?

Wenn du das Gefühl hast, du hast alles getan und es ist außerhalb deiner Macht etwas zu verändern, dann ist es an der Zeit das System zu verlassen. Auch dann handelst du selbstbestimmt und übernimmst die Verantwortung für dich.

 

Ich wünsche dir eine (ent-)spannende Zeit.

Es grüßt dich herzlich,