4A_37/2014: Wissen des Gerichts aus anderen Verfahren zwischen den Parteien ist gerichtsnotorisch

In einem Ver­fahren vor Bezirks­gericht Frauen­feld wurde ein Ablehnungs­begehren gegen eine Rich­terin gestellt, da sie anlässlich der Ref­er­ente­nau­dienz Aus­sagen machte, die nach Auf­fas­sung der A. AG (Beschw­erde­führerin) weit über eine richter­liche Mei­n­ungsäusserung hin­aus­ge­gan­gen seien und den Tatbe­stand ein­er Amts­ge­heimnisver­let­zung erfüllen kön­nten (Urteil 4A_37/2014 vom 24. Juni 2014). Die Bezirk­srich­terin habe bekan­nt gegeben, dass sich als Folge eines anderen am Bezirks­gericht Frauen­feld anhängi­gen Prozess­es, in dem die Beschw­erde­führerin eben­falls involviert war, die Buch­hal­tungsak­ten der A. AG ab 2009 beim Gericht befind­en wür­den. Die Rich­terin habe erwäh­nt, dass diesen Akten auch die Zahlen für 2008 ent­nom­men wer­den kön­nten und aus­ge­führt, in der Erfol­gsrech­nung 2008 sei ein Kon­to mit der Beze­ich­nung “U.” aufge­führt. Im Sal­do­be­trag dieses Kon­tos wäre gemäss den Aus­führun­gen der Rich­terin auch der von der Gegen­partei geforderte Betrag zu find­en gewe­sen, weshalb sie der A. AG einen Ver­gle­ich empfahl.

Die kan­tonalen Gerichte wiesen das Aus­stands­begehren ab. Das Bun­des­gericht schützte den ange­focht­e­nen Entscheid und wies die Beschw­erde ab, soweit darauf einzutreten war.

Die Beschw­erde­führerin machte vergebens gel­tend, die Bezirk­srich­terin habe gegen die Even­tual­maxime ver­stossen, indem sie ihr Wis­sen aus einem anderen Prozess ver­wen­det habe (E. 2.3). Das Bun­des­gericht lehnte das Vor­brin­gen wie fol­gt ab:

“2.4.1. Gemäss dem auf das erstin­stan­zliche Ver­fahren anwend­baren § 180 Abs. 3 2. Vari­ante aZPO/TG bedür­fen Tat­sachen, über die der Richter von Amtes wegen Ken­nt­nis hat, keines Beweis­es. Nach der Recht­sprechung darf der Richter solche sog. gericht­sno­torische Tat­sachen im Rah­men des Prozess­the­mas unbe­se­hen der Parteibehaup­tun­gen von Amtes wegen in den Prozess ein­führen […]. Dazu gehören namentlich Beweis­ergeb­nisse aus früheren Ver­fahren zwis­chen den näm­lichen Parteien […], aber auch Tat­sachen, von denen der Richter aus Drittprozessen Ken­nt­nis hat und die sich inner­halb des durch die Parteibehaup­tun­gen umris­se­nen Prozess­the­mas bewe­gen […]. Zu beacht­en bleibt dabei das Amts­ge­heim­nis, welch­es der Ver­wen­dung von Wis­sen aus anderen Prozessen Gren­zen set­zt […], sowie das rechtliche Gehör der Parteien […].

2.4.2. Im vor­liegen­den Fall wies die Bezirk­srich­terin die Parteien anlässlich der Ref­er­ente­nau­dienz darauf hin, dass sie aus einem (Par­al­lel-) Prozess Ken­nt­nis habe vom Bestand eines Ertragskon­tos im Jahresab­schluss 2008 der Beschw­erde­führerin mit einem Betrag von über Fr. 1’000’000.–. Dabei han­delt es sich um Wis­sen, das die Bezirk­srich­terin im Rah­men ihrer amtlichen Tätigkeit erlangte und welch­es unmit­tel­bar das The­ma des Prozess­es zwis­chen B. und der Beschw­erde­führerin bet­rifft. Es han­delt sich mithin um gericht­sno­torisches Wis­sen, welch­es die Bezirk­srich­terin grund­sät­zlich von Amtes wegen berück­sichti­gen darf. Inwiefern sie mit der Ver­wen­dung dieses Wis­sens die Even­tu­al- bzw. Ver­hand­lungs­maxime ver­let­zt haben sollte, ist daher nicht ersichtlich.
Eben­sowenig liegt eine Amts­ge­heimnisver­let­zung vor, hat doch das Bun­des­gericht im Urteil 4A_427/2011 vom 29. Novem­ber 2011 recht­skräftig fest­ge­hal­ten, dass die Beschw­erde­führerin gegenüber B. zur Rechen­schaftsable­gung verpflichtet ist, wozu auch die Offen­le­gung des genan­nten Jahresab­schlusses gehört. Ein schutzwürdi­ges Geheimhal­tungsin­ter­esse in Bezug auf die von der Bezirk­srich­terin im Rah­men der Ref­er­ente­nau­dienz offen­gelegten Tat­sachen hat die Beschw­erde­führerin gegenüber B. mithin nicht. […]”