Vorne vier, hinten fünf

Erdkröte

Wer zuverlässig Molche von Eidechsen unterscheiden möchte, braucht nur einen Blick auf die vorderen Gliedmaßen zu werfen: Den Amphibien fehlt ein Finger.

Richard Owen war ein Zeitgenosse Darwins und der erste, der die Gliedmaßen der Tetrapoden, also der vierfüßigen Landwirbeltiere, systematisch untersuchte. Er fand bei allen Vertretern dieser Gruppe das gleiche Prinzip: Zuerst ein Knochen, Beispielsweise der Oberarm, dann ein Gelenk, anschließend zwei Knochen wie Elle und Speiche, gefolgt von vielen kleineren Knöchelchen und am Ende bis zu fünf Finger oder Zehen.

Owen sah darin den göttlichen Bauplan für Gliedmaßen, an den sich der Schöpfer bei all diesen Lebewesen hielt. Leicht nachvollziehbar, dass Darwin und die späteren Evolutionsbiologen anderer Meinung waren. Wo die Natur nicht zweimal das selbe hervorgebracht hat, steht hinter Parallelen im Körperbau ein gemeinsamer Vorfahre, und so trennen wir beispielsweise die Paarhufer wie das Reh von den Unpaarhufern wie dem Pferd, weil wir davon ausgehen, dass die Zahl der Zehen Rückschlüsse auf die Verwandtschaft der Arten zulässt.

Ursprünglich gingen Finger und Zehen aus den Flossenstrahlen der Fische hervor. Je fünf davon an einer Extremität sind uns geblieben, weshalb wir Klavier spielen oder auf der Tastatur tippen können. Und Rechnen lässt sich auch damit. Dass wir so schön greifen können, hat aber auch ein bisschen mit Glück zu tun. Bei den Amphibien hat die Evolution einen Finger vergessen, wie man auf den folgenden Fotos sehen kann:

Für Amphibien gilt, sie haben zwar fünf Zehen aber nur vier Finger – Ausnahmen sind der Grottenolm mit drei Fingern und zwei Zehen und die gliedmaßenlosen Schleichenlurche. Die dafür verantwortliche Mutation muss irgendwann in der Stammesgeschichte der Temnospondyli passiert sein, da ist den Lurchen der fünfte Finger verloren gegangen, und dieses Merkmal hat sich durchgesetzt.

Kaum vorzustellen, was aus den Amphibien hätte werden können, wenn sie bis zehn zählen könnten! Auf der anderen Seite wären sie aber nicht so niedlich. Die klobigen, kleinen Händchen verstärken diese Wirkung. Auch viele Zeichentrickfiguren haben ja verkürzte und zahlenmäßig reduzierte Finger. Das gehört zum Kindchenschema.

Mehr zum Thema findet sich in meinem Buch Amphibienbademeister – Zweitberuf am naturnahen Gartenteich.


Dargestellte Amphibien: zwei Erdkrötenmännchen, Alpen-Kammmolchweibchen, Teichmolchweibchen
Literatur:
Neil Shubin: Der Fisch in uns. Eine Reise durch die 3,5 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Körpers, Frankfurt am Main 2018
Dorota Konietzko-Meier, Elżbieta M. Teschner, Adam Bodzioch, P. Martin Sander: Pentadactyl manus of the Metoposaurus krasiejowensis from the Late Triassic of Poland, the first record of pentadactyly among Temnospondyli, https://doi.org/10.1111/joa.13276

Kein Freund zum Essen

Veränderliche Krabbenspinne auf Phlox

Als Schmetterling muss man auf vieles Aufpassen, wenn man zum Essen geht. Dieser Dickkopffalter hier musste sich beispielsweise mit einem lästigen Fotografen und einer deutlich gefährlicheren Essensbekanntschaft gleichzeitig herumschlagen. Für mich ergab sich dadurch ein Überraschungseffekt. Gerade hatte ich noch den Falter im Sucher, plötzlich war er weg, und stattdessen betrat die von mir gänzlich übersehene Veränderliche Krabbenspinne die Bühne.

Sie schien ein Fan von Hannibal Lecter zu sein, aber der Dickkopffalter teilte ihren Filmgeschmack nicht und flog davon. Es wird ein anderer Freund zum Essen kommen.

Der kleine Wasserfrosch

Kleiner Wasserfrosch

Seit diesem Sommer bewohnt neben den Erdkröten, Grasfröschen, Springfröschen, Bergmolchen, Teichmolchen und Alpen-Kammmolchen auch ein kleiner Wasserfrosch unseren Teich. Ob es auch wirklich ein Kleiner Wasserfrosch ist, kann ich aber nicht genau sagen. Die Wasserfrösche sind zwar an der hellen Rückenlinie, den seitlichen Leisten und den schräg nach oben gerichteten Augen leicht zu erkennen, aber trotzdem schwer zu unterscheiden. Zu ähnlich sind sich Kleiner Wasserfrosch, Teichfrosch und Seefrosch.

Die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr. Die Tiere können sich auch untereinander fortpflanzen, und in den 1960-er Jahren entdeckte der polnische Zoologe Leszek Berger, dass der Teichfrosch gar keine eigene Art ist, sondern nur eine Hybridform der beiden anderen. Übersehen wurde dies, weil die Teichfrösche eigenständige Populationen bilden, die sich in manchen Verbreitungsgebieten problemlos über viele Generationen hinweg auch ohne Seefrösche oder Kleine Wasserfrösche fortpflanzen.

Während man ausgewachsene Seefrösche an ihrer Größe und Lautstärke leicht erkennen kann, bin ich bei unserem Besucher aufgeschmissen. Er schweigt beharrlich, folglich weiß ich nicht, ob es sich nicht um ein junges Exemplar handelt. Es könnte auch ein Weibchen sein. Jedenfalls fühlt sich der Frosch im Teich wohl, liegt regelmäßig am Vormittag in der Sonne auf den Seerosenblättern und zwei durchstreifende Ringelnattern hat er auch schon überlebt. Es schaut so aus, als wäre er gekommen, um zu bleiben. Mit etwas Glück finde ich also noch heraus, um welche Art es sich genau handelt.

Mehr zum Thema findet sich in meinem Buch Amphibienbademeister – Zweitberuf am naturnahen Gartenteich.

Grünes Heupferd im Juni

Grünes Heupferd

Die vorliegenden Fotos sind von gestern, dem 19. Juni. Wenn man bedenkt, dass bei uns bis Anfang März Schnee lag, dann hat dieses Weibchen in seiner Entwicklung den Turbo gezündet.

Der Grund wird wohl nicht nur an den klimatischen Veränderungen liegen, sondern auch daran, dass das Nahrungsangebot reichlich war. Ich sehe so viele Insekten wie selten und auch die Vegetation sprießt kräftig. Jedenfalls sollte man nicht alles glauben, was in der Wikipedia steht: „Mitte Juli treten die Larven des siebten Stadiums auf, danach bis Ende Oktober/Anfang November die adulten Heupferde.“ Hoffentlich findet sich bis dahin ein Männchen, das es genauso eilig hatte.

Libellen am Teich

Blaugrüne Mosaikjungfer Männchen

Zeitlich stammen die Fotos dieses Beitrags aus fünf verschiedenen Jahrgängen, räumlich sind es knapp 50 Quadratmeter. Alles, was es hier zu sehen gibt, habe ich an unserem Gartenteich aufgenommen – beziehungsweise in der Hecke nebenan. Und keine der abgebildeten Libellen hätte auch nur einen Fuß in unseren Garten gesetzt, wäre da nicht der Teich, der sie magisch anzieht.

Gemeine Winterlibelle

Die Gemeine Winterlibelle stelle ich an den Anfang. Sie ist die einzige, die als fertiges Insekt den Winter überdauert, folglich ist sie im Frühjahr auch die erste, die ablaicht, und sie sorgt dafür, dass die Libellensaison nicht nur auf den Sommer begrenzt ist.

Die anderen Libellen überwintern meist als Larven, manche auch als Ei wie diese hier:

Als ich das erste Exemplar erblickte, habe ich mich über die neue Art gefreut und dachte, die wird leicht zu bestimmen sein. Meine Suche nach einer Libellenart mit einem Knick im Hinterleib ergab aber keinen Treffer. Das Tier auf dem zweiten Bild hat einen Schlupffehler, eine Missbildung. Die Weidenjungfer, mit geradem Abdomen, ist aber ein regelmäßiger Gast. Sie bohrt ihre Eier in die Rinde der umliegenden Büsche. Dort überstehen diese den Winter und fallen im Frühjahr als Prolarve ins Wasser, wo sie sich anschließend zur Larve häuten.

An vielen Gewässern verbreitet ist der Plattbauch. Das erste Foto zeigt ein blaues Männchen, das zweite ein gelbes Weibchen bei der Eiablage. Die Eier wirft sie einfach aus dem Schwirrflug ins Wasser. Sollte ich jemals eine Paarung dieser beiden auf Foto bannen können, mache ich zur Feier des Tages eine Flasche auf. Die setzen sich nämlich nicht einmal hin und sind nach einer halben Minute fertig. Alles passiert im Flug.

Ein naher Verwandter ist der Vierfleck. Frisch geschlüpft sind diese Libellen unscheinbar, aber wenn sie an den Teich zurückkommen, sind sie ein echter Hingucker, vor allem wenn die Sonne im richtigen Winkel auf den glänzenden Körper fällt.

Vierfleck

Eine andere, seltenere Segellibelle ist der Südliche Blaupfeil. Vereinzelte Exemplare sehe ich jedes Jahr am Teich. Manchmal vermehren sie sich auch.

Ebenfalls zu den Segellibellen zählt die sehr häufige Große Heidelibelle. Ihr gehört der Herbst. Bis in den Oktober nützt sie die warmen Tage, um sich am Teich zu paaren. Wenigstens setzt sie sich dabei kurz hin, und lässt sich so fotografieren.

Auch hier gibt es seltenere Verwandte, die nur vereinzelt erscheinen, wie diese Blutrote Heidelibelle, die ich 2019 entdeckte.

Libellen, die hingegen jeder zu kennen glaubt, sind die kleinen Azurjungfern. Im Sommer stellen sie sich in großer Zahl bei uns ein, die Männchen himmelblau, die Weibchen meist grün. Tatsächlich gibt es diese Farbkombination bei verschiedenen Arten, die man nur an kleinen Details unterscheiden kann.

Links paaren sich zwei Hufeisen-Azurjungfern, rechts sieht man eine Gemeine Becherjungfer. Auf dem ersten Segment des Hinterleibs trägt sie einen kleinen schwarzen Becher, wie man auf dem Foto erkennen kann. Das Männchen der Hufeisen-Azurjungfer hat dort eine u-förmige Zeichnung, die in etwa wie ein Hufeisen aussieht.

Ebenfalls zu den Kleinlibellen zählen die Frühe Adonislibelle, die so heißt, weil sie rot ist wie das Blut des Adonis und schon zeitig im Frühjahr schlüpft, und die Blauflügel-Prachtlibelle.

Das erste Foto zeigt ein Männchen, das zweite ein Weibchen. Die Prachtlibellen sind oft am Teich zu Gast, obwohl sie ausschließlich in fließenden Gewässern laichen.

Und dann gibt es da natürlich auch noch die großen, man nennt sie Edellibellen. Am häufigsten sind es bei uns die Blaugrünen Mosaikjungfern. Im Sommer ist immer ein Männchen am Teich und verteidigt das Revier gegen ankommende Artgenossen.

Das Männchen, auf dem ersten Bild zu sehen, ist wirklich blaugrün, wie der Name sagt, das Weibchen eher nur grün.

Kaum kleiner ist die Große Königslibelle, deren Weibchen man oft beobachten kann, wie sie die Eier in Pflanzenteile unter Wasser bohren, während die Männchen selten am Teich auftauchen.

Die Larven dieser Edellibellen sind die eigentlichen Herrscher unseres Teichs. Wie kleine Kopien der Alien-Figur von HR Giger sitzen sie im Wasser und warten auf Beute.

Für Freunde des gepflegten Horrors empfiehlt sich ein genauerer Blick auf das letzte Bild. Im Profil kann man die Fangmaske erkennen, eine umgebildete Unterlippe, mit der die Libellenlarve ihre Beute greifen und heranziehen kann. Die kleinen Monster fressen quasi alles, was ihnen vor die Maske schwimmt.

Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass diese Larven sich bei ihrer letzten Häutung in so schöne Kreaturen verwandeln wie diese Glänzende Smaragdlibelle, ein Neuzugang, der mir vor zwei Wochen zum ersten Mal begegnet ist. Und auch dieses Bild ist in der gleichen Ecke des Gartens aufgenommen wie die anderen. Irgendwann müssen die Libellen halt alle ans Wasser.

Glänzende Smaragdlibelle