Binge for feminism!

Eine neue Ära ist angebrochen: Wurde der Bildschirm bislang von Männern dominiert, so kämpfen sich inzwischen immer mehr weibliche Hauptrollen in unsere Wohnzimmer. Noch sind sie in der Unterzahl. Aber das muss nicht so bleiben.

Lange war die Hauptrolle in Film und Fernsehen für Männer reserviert. Frauen kamen meist nur am Rande vor – und spielten sie doch mal eine größere Rolle, drehte sich ihr Leben vor allem um eines: Männer. Von Dr. House über Walter White bis hin zu Don Draper – in den legendären Serien der vergangenen Jahrzehnte begleiten wir Männer durch ihre Abenteuer als geniale Drogenbosse, als geniale Wunderheiler, als geniale Mad Men. Diese Serien erzählen die Welt durch die Augen eines Mannes.

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Dieser Text ist Teil unserer sechsten Ausgabe. In der geht es um Glaube, Religion, selbstgebaute Smart-Speaker ohne mithörende Konzerne, wandernde Straßenbäume oder das Potenzial von religiösen Bildern im Einsatz gegen die Klimakrise.


Männer erleben in Serien Geschichten. Sie haben eine Agenda, Ideen, Träume, Ziele. Frauen träumen in Serien von Schuhen und Handtasche. Ihr einziges Ziel ist es, endlich Mr. Right zu finden. »Sex and the City« galt einst als revolutionär-feministisch. Nicht nur sprachen hier Frauen offen und ungeniert über ihre Sexualität. Sie mussten sich auch über weite Teile der Episoden den Bildschirm nicht mit Männern teilen. Spätestens aber wenn Carry und Co. zum Thema Politik nichts anderes einfällt, als die Fuckability der jeweiligen Präsidenten zu diskutieren, zeigen sich aber die Grenzen von Sex and the City.

Mehr Präsidentinnen, Polizistinnen oder Mörderinnen!

Das Universum der Frau kreist weiter um: Schuhe, Männer, Sex, Kinder. Seit Sex and the City ist viel passiert. Zwar arbeiten viele weibliche Seriencharaktere auch heute noch in Modeunternehmen, als Callgirl oder als hauptberufliche Jungfrau. Aber die Frauen der neuen Ära brechen aus den Klischees aus. Sie sind Anwältinnen, Präsidentinnen, Polizistinnen, Astronautinnen, Mörderinnen. Sie handeln, statt nur vorzukommen. Im Mittelpunkt ihres Universums steht nun nicht mehr der Mann. Ihre Geschichten sind ihr eigenes Universum. Dabei hat sich nicht nur die Zahl der Serien mit weiblichen Hauptrollen erhöht, sondern auch die Nuancen ihrer Geschichten. Immer mehr Serien zeigen: Frauen sind verschieden, vielfältig, mitunter auch widersprüchlich. Die Repräsentation dieser Vielfalt ist neu und geradezu bahnbrechend.

Trotz alledem sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. In Deutschland sind zwei Drittel aller zentralen Personen auf Fernsehbildschirmen und Kinoleinwänden Männer. Auch in Hollywood wird nur ein Drittel aller Filmrollen mit Frauen besetzt. Außerdem sind weibliche Charaktere im Schnitt zehn Jahre jünger als ihre männlichen Kollegen. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage hält stets als Totschlagargument dafür her, dass immer weiter männliche Hauptrollen besetzt oder sexistische, klischeebeladene und einseitige Geschichten über Frauen produziert werden.

Die Masse kriegt, was die Masse will. Es gibt also einen einfachen Weg, sich dem entgegenzustellen: Klappt den Laptop zu, wenn euch Sexismus serviert wird. Zappt weiter, wenn mal wieder nur Männer über den Bildschirm flimmern. Macht den Fernseher aus, wenn ihr euch mit den Geschichten nicht identifizieren könnt. Was uns auf die Watch-List kommt, entscheidet darüber, was wir in Zukunft zu sehen kriegen. Unser Serienkonsum wird zum politischen Statement. Deshalb: Werdet Teil einer neuen Ära. Binge for feminism!

Empfehlungen für den feministischen Serienmarathon

The Good Wife, Quelle: Amazon Prime
Auch wenn der Titel anders klingt, geht es in dieser Dramaserie nur auf den ersten Blick um Alicia Florricks Rolle als Ehefrau eines untreuen Politikers. Schnell zeigt die Anwältin, dass sie mehr kann als Haushalt und Kinder. Im Gegensatz zu vielen anderen Serien bleibt sie dabei nicht die einzige Frau im Kreis mächtiger Männer. Hier ist Platz für eine ganze Riege an starken, vielschichtigen Protagonistinnen.

Loulou, arte Mediathek
Loulou wird Mutter und bewältigt das alles vor allem mit Unterstützung ihrer Freunde. Viel selbst entscheiden kann sie nicht, aber das Herz sitzt am rechten Fleck.

Russian Doll, Netflix
Nadia hat ein partyerfülltes Leben, bis sie anfängt, ständig zu sterben. Die Serie nimmt dich mit zu Freundschaft, Vergangenheitsbewältigung und der Auseinandersetzung mit dem Tod.

Top of the Lake, Amazon Prime
Die Krimiserie umfasst bisher nur zwei Staffel mit je sechs Folgen, aber sie lädt ein, die Hauptkommissarin Robin auf ihrer Suche nach Wahrheit und ihrem Kampf mit der eigenen Vergangenheit zu begleiten.

Die Frau aus dem Meer, arte mediathek
Es geht um Meerjungfrauen, aber könnte nicht weiter entfernt sein von Arielle oder Ocean Girl. Die Sirene Théa (Laetitia Casta) bringt eine Menge Sinnlichkeit mit ins Spiel, aber vor allem bringt sie gerne Männer um. Düster, sexy, melancholisch.

Dear white people, Netflix
Wie selbstverständlich übernehmen die Aktivistinnen die Hauptrollen. Mit Charme und Absurdität zwingt die Serie die Betrachterin, sich mit Themen rund um Rassismus und Privilegien auseinander zu setzen.

Fleabag, Amazon Prime
Schwarzer Humor trifft auf Drama und Chaos. Fleabag ist wahnsinnig unterhaltsam und fordert jede Vorstellung von Knigge heraus.

Orphan Black, Netflix
Sarah hat keine Zeit, sich Gedanken über Schuhe zu machen. Als sie erfährt, dass sie Teil eines Klon-Experiments ist, bricht die Hölle los. Hauptdarstellerin Tatiana Maslany verkörpert nicht nur die Protagonistin, sondern gut ein Dutzend völlig unterschiedlicher Charaktere – und unterhält sich über große Strecken der Serie mit sich selbst. Für abgedroschene Rollenklischees ist hier kein Platz.

Happy Valley, derzeit nur als DVD erhältlich
Catherine Cawood ist 47 Jahre alt, geschieden und lebt mit ihrer Schwester zusammen. Und sie ist eine unverwüstliche Polizistin mit unerwarteten Durchbrüchen von Mut und Willensstärke. Als nach acht Jahren der Vergewaltiger ihrer Tochter wieder auf freiem Fuß ist, widmet sie sich der Aufgabe, ihn wieder hinter Gitter zu bringen. Ein höchst spannendes Drama aus Großbritannien.

Working Moms, Netflix
Frauen im Job, Frauen als Mütter, Männer im Job und Männer als Väter. Die kanadische Serie wirkt von außen so einseitig, ist aber erfrischend humorvoll und deutlich charmanter, als man es sich vorstellen mag.

Beitragsbild: Nabil Saleh via Unsplash

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