Wachstum durch Trauma-Integration

Post-traumatisches Wachstum

Posttraumatisches-Wachstum-Trauma-Integraton

Ein Trauma kann bleibende psychische Wunden und sogar PTBS-Symptome (Albträume, Rückblenden, Scham usw.) verursachen. Aber wussten Sie, dass selbst stark traumatisierende Erfahrungen ein Katalysator für persönliches Wachstum und Entwicklung sein können?

In diesem Blogbeitrag werden wir uns mit dem Konzept des posttraumatischen Wachstums befassen. Posttraumatisches Wachstum kann stattfinden, wenn wir das Trauma erfolgreich integriert und die gespeicherten traumatischen Erinnerungen durch unseren Körper verarbeitet haben. Posttraumatisches Wachstum kann eine fruchtbare Quelle innerer Bedeutung und Stärke sein.

Voraussetzungen für posttraumatisches Wachstum

Traumatische Erfahrungen können unsere Vorstellungen und Überzeugungen über uns selbst und der Welt tiefgreifend beeinflussen. Sie können uns in einen Zustand versetzen, in dem wir uns als verletzte, hilflose Opfer anderer Menschen oder Umstände sehen. Da uns das Trauma auf der körperlichen Ebene erfasst, ist es mit kognitiver Umdeutung des Ereignisses nicht getan. Vielmehr bedarf es erfolgreicher Integration und Verarbeitung des Traumas emotional, körperlich und auf der Bedeutungsebene.

Die folgenden Voraussetzungen sind wichtig, um posttraumatisches Wachstum zu fördern. Körperpsychotherapeutische Ansätze der Traumatherapie bieten eine Reihe wichtiger Werkzeuge, um diese Voraussetzungen zu schaffen.

Aufbau von Ressourcen & Entwicklung von Resilienz

Das Trauma hat oft einige unserer Ressourcen erschüttert – unser Körper reagiert anders und unser Selbstvertrauen ist vielleicht erschüttert. Während des Ereignisses haben wir aufgegeben und uns der schrecklichen Erfahrung hingegeben. Wir haben unsere Mitte und unsere Impulse verloren, unsere Grenzen wurden verletzt. In der Folge gehen oft soziale Bindungen verloren.

Die Wiederherstellung individueller Resilienz und eines Netzwerkes, welches Unterstützung durch andere Menschen bereitstellt, sind oft wichtige Voraussetzungen für posttraumatisches Wachstum. Dazu gehört, dass wir uns wieder mit der aktuellen Realität verbinden. Es geht auch darum, ein überreaktives und überwachsames Nervensystem zu beruhigen, unsere Grenzen wiederherzustellen und uns wieder mit unserem Zentrum und unseren Impulsen zu verbinden.

Mit der Unterstützung in Therapie können Ressourcen wieder aufgebaut werden – Dazu gehören Herunterfahren von Übererregung, Wiederaufbau gesunder Grenzen und Rückkehr in die eigene Mitte.

Verarbeitung der Emotionen

Die Verarbeitung der starken mit dem Trauma verbundenen Emotionen ist oft ein wichtiger Schritt zurück ins Gleichgewicht.

  • Zunächst stehen oft Wut und Trauer über das Erlebte oder auf andere Menschen im Vordergrund. Dazu kommt ggf. Angst vor einer Wiederholung des Erlebten. Zusätzlich gilt es oft Scham- und Schuldgefühle zu verarbeiten.
  • Oft kommen nach der Bearbeitung vordergründiger Emotionen andere Emotionen in den Blick, die ein ganz anderes Selbsterleben ermöglichen.
  • Diese Emotionen weichen Schritt für Schritt gesundem Selbstmitgefühl und Mitgefühl für andere sowie einem Bewusstsein für innere Stärke und den aktuellen Emotionen im hier und jetzt.

Die Verarbeitung alter Emotionen macht es möglich, mehr Freude und Verbundenheit zu empfinden, sowie die in der aktuellen Situation angemessenen Emotionen zuzulassen.

Körperliche Traumaverarbeitung

Körperliche Verarbeitung des Traumas bedeutet, dem Körper zu erlauben, die mit dem Trauma verbundenen körperlichen und emotionalen Empfindungen vollständig zu verarbeiten und loszulassen, anstatt sie zu unterdrücken oder zu vermeiden. Dazu ist kein Wiedererleben des Traumas erforderlich.

  • In der Traumatherapie können Techniken wie das Somatic Experiencing oder EMDR angewandt werden. Damit können Sie Schritt-für Schritt und im Rahmen eines sicheren Prozesses Zugang zu traumatischen Erinnerungen und Empfindungen finden, diese Verarbeiten und losgelassen.
  • Teile des Körpers, die in traumatischen Reaktionen (Kampf, Flucht, Erstarren oder Kollaps) feststecken, können gelöst, verarbeitet und losgelassen werden.

Durch die Verarbeitung des Traumas im Körper gehen Körper und Geist von einer hohen Aktivierung in einen Zustand der ruhigeren Entspannung über. Die Person kann sich wieder spontan betätigen und mit anderen in Kontakt treten.

Kognitive Trauma-Verarbeitung

Nachdem die mit dem Trauma verbundenen Emotionen verarbeitet und die im Körper gespeicherten Schock-Energiezustände entladen sind, wird die kognitive Bewältigung des traumatischen Ereignisses möglich. Vorher ist eine kognitiv gesteuerte Umdeutung der traumatischen Erfahrung oft mühsam.

  • Ein klares Verständnis von Begriffen wie Gut und Böse und angemessener Verantwortung kann entwickelt werden. Damit wird es möglich, das Trauma in das Kontinuum menschlicher Erfahrung einzuordnen.
  • Aus dem Trauma resultierende limitierende Überzeugungen über uns selbst (z.B. „ich bin es nicht wert besser behandelt zu werden“) oder über die Welt („die Welt ist gefährlich“) können aufgelöst werden.
  • Ich nehme mich nicht mehr passives Opfer der Umstände oder Ereignisse wahr,

Damit erlange ich einen neuen integrierten Realitätssinns in Bezug auf mich selbst. – Ich kann annehmen, was passiert ist und dass sich dies nicht rückgängig machen lässt. Ich kann aufhören, gegen das Trauma anzukämpfen und es vor mir und anderen zu verleugnen.

Sobald das Trauma kognitiv verarbeitet wurde, wird es möglich, das eigene Leben in der Gegenwart aktiver zu gestalten.

Aspekte des posttraumatischen Wachstums

Nachdem das Trauma verarbeitet wurde, werden weitere positive Veränderungen möglich. Dies ermöglicht Wachstum der Persönlichkeit, nicht nur trotz des Traumas, sondern auch gerade durch Integration des traumatischen Erlebens.

  • Persönlichkeitswachstum durch Überwindung des Trauma: Durch Überwindung der Traumasymptome werden wieder Offenheit für Wachstum und neue Erlebnisse möglich. Dies wird möglich, wenn die Symptome der PTBS (oft gerade Rückzug und Vermeidungsverhalten) erfolgreich überwunden sind.
  • Persönlichkeitswachstum durch das Trauma: Hier geht es darum, sich die besonderen Ressourcen, die im Schock-Ereignis genutzt wurden, bewusst zu machen und zu integrieren.

Beim eigentlichen posttraumatischen Wachstum (Persönlichkeitswachstum durch das Trauma) geht es darum, Wachstum über die Versorgung der psychischen Wunden hinaus zu erlangen. Dies umfasst zusätzliche Sinngebung und spirituelles Wachstum.

Posttraumatisches Wachstum bedeutet nicht, das Trauma rückgängig zu machen. Vielmehr wird es auf eine neue schöpferische Art integriert.

Positive Bedeutungsgebung / neuer Sinn für das eigene Leben

Ein Trauma kann das Gefühl für Sinn und Bedeutung des eigenen Lebens erschüttern. Durch posttraumatisches Wachstum ist es möglich, weitere Lehren aus dem Trauma zu ziehen und einen neuen Sinn für das Leben zu finden.

  • Neue Perspektiven & Werte: Das Trauma selbst und die anschließende Verarbeitung und Integration können Menschen dazu veranlassen, ihre Überzeugungen und Werte zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entwickeln
    • Dies kann zu einer Neubewertung dessen führen, was im Leben wirklich wichtig ist.
    • Dazu kann es gehören, eine Haltung / ein Selbstbild zu entwickeln, dass man Widrigkeiten überwinden kann und persönliche Stärken und Ressourcen erkennt.
  • Lebenssinn und Richtung: Nach erfolgreicher Bewältigung des Traumas kann ein stärkeres Gefühl für den Sinn oder die Bedeutung des eigenen Lebens entwickelt werden.
  • Beispiele: Dies kann beinhalten…
    • ein zusätzliches Engagement für persönliche Werte
    • ein Gefühl der Berufung, anderen zu helfen, die ein ähnliches Trauma erlebt haben
    • eine Verschiebung der Perspektive hin zu einer größeren Wertschätzung des gegenwärtigen Augenblicks
    • einer Vertiefung des eigenen Sinns für Ziel und Bedeutung des eigenen Lebens

Ein Beispiel ist der Psychologe Victor Frankl, der beschloss, nach dem Überleben über seine Erfahrungen in deutschen Vernichtungslagern zu sprechen. Das hat ihm geholfen, den Holocaust zu überleben und seine Logotherapie zu entwickeln. (Buchempfehlung: Victor Frankl, ... trotzdem ja zum Leben sagen)

Individuelles & spirituelles Wachstum

Die Erfahrung des Traumas selbst und die Erfahrung seiner Überwindung können auch als Auslöser und Beschleuniger für Wachstum und Transformation dienen.

Das Schockereignis selbst, die Folgen und die Therapie können uns ermöglichen, außergewöhnliche Erfahrungen zu machen. Sie ermöglichen uns die Begegnung mit zusätzlichen Qualitäten in uns selbst, in anderen Menschen und in der spirituellen Welt:

  • Während des Schock-Ereignisses selbst können wir außergewöhnliche Qualitäten in uns selbst und in anderen entdecken
    • Zugang zu den Überlebensinstinkten: Während des Schocks scheint sich die Zeit zu verlangsamen oder wir scheinen Zugang zu ungewöhnlichen Kräften zu haben, um zu überleben.
    • Zugang zum Höheren Selbst: Während des Schocks kann es Momente geben, in denen das Bewusstsein aus dem Körper geschleudert wird / wir können uns scheinbar aus einer beobachtenden Position heraus beobachten
    • Außergewöhnliche Menschen: Erleben außergewöhnlicher Qualitäten in anderen Menschen
  • In der Zeit nach dem Schockereignis können wir außergewöhnliche Qualitäten erleben, insbesondere von und mit anderen Menschen
    • Es kann Erfahrungen von Gemeinschaft unter den Überlebenden geben
    • Es kann Menschen geben, die sich nach dem Ereignis um uns kümmern – scheinbar unerwartet – ein Lächeln, eine helfende Hand, eine Umarmung
    • Es kann das Hochgefühl geben, das Ereignis überlebt zu haben
    • Wir können feststellen, dass wir von anderen durch das Ereignis getragen werden – von anderen Menschen oder von etwas wie Gott oder dem Geist.
  • Wenn wir das Trauma in der Therapie oder spontan loslassen, kann es sein, dass dies mit emotionale bzw. spirituellen Gipfelerfahrungen verbunden ist
    • Entwicklung von Selbst-Mitgefühl – Wir können ein außergewöhnliches Maß an Mitgefühl für uns selbst empfinden.
    • Getragen sein – Wir können erkennen, dass wir irgendwie durch das Ereignis getragen wurden – von anderen Menschen oder von etwas wie Gott oder dem Geist des Universums
    • Spirituelle Gipfelerfahrung – Gleichzeitig sind Erfahrungen der Verbundenheit mit einem größere Ganzen / Gott oder dem Universum oft Teil einer Transformationserfahrung

Diese Erfahrungen können dabei helfen, sich mit etwas Größerem als sich selbst zu verbinden, sei es eine höhere Macht, die natürliche Welt oder ein Gefühl der universellen Verbundenheit.

Darüber hinaus kann das spirituelle Wachstum nach einem Trauma viele Formen annehmen. Für einige kann es eine Vertiefung ihrer bestehenden religiösen oder spirituellen Überzeugungen bedeuten, da sie sich dem Glauben als Quelle des Trostes und der Stärke in schwierigen Zeiten zuwenden oder dankbar sind, dass sie das Ereignis überlebt haben. Andere beginnen auf der Suche nach Unterstützung/Therapie vielleicht mit neuen spirituellen Praktiken oder Überzeugungen, die sie ansprechen, wie z. B. Achtsamkeitsmeditation oder Yoga.

Die Reintegration des Trauma kann zu spirituellem Wachstum führen. Wir können uns mit etwas zu verbinden, das größer ist als man selbst, sei es eine höhere Macht, die natürliche Welt oder ein Gefühl der universellen Verbundenheit.

Integration in Lebensgeschichte & Identität

Das Identitätsgefühl einer Person umfasst die eigene Lebensgeschichte, die Selbstwahrnehmung, das Verständnis des eigenen Platzes in der Welt und die Art und Weise, wie man mit anderen umgeht. Identität entwickelt und passt sich im Laufe der Zeit als Reaktion auf verschiedene Lebensereignisse an, einschließlich der Erfahrung eines Traumas, der Verarbeitung von Traumata und dem anschließenden posttraumatischen Wachstum.

Im Verlauf der Traumaverarbeitung und des posttraumatischen Wachstums können Sie ihre Überzeugungen über sich selbst neu bewerten und umgestalten. Dies ermöglicht es, das Schock-Ereignis als vergangenes Erlebnis zu akzeptieren und anders in die Lebensgeschichte einzuordnen.

Sie können negative Selbstwahrnehmungen, die möglicherweise durch die traumatische Erfahrung beeinflusst wurden, in Frage stellen und transformieren. Sie können nicht nur die Opfermentalität überwinden, sondern auch neue Überzeugungen kultivieren, die Belastbarkeit, Selbstwertgefühl und persönliche Entscheidungsfreiheit betonen. Dieser Wandel der Überzeugungen über sich selbst trägt zu einem gesünderen und stärkeren Identitätsgefühl bei.

Indem die traumatische Erfahrung akzeptiert und in die eigene Lebensgeschichte und integriert wird, können der individuelle Realitätssinn und die Kongruenz der Identitätserfahrung wiederhergestellt werden.

Chance Posttraumatisches Wachstum

Eine Garantie für posttraumatisches Wachstum gibt es nicht. Voraussetzungen für posttraumatisches Wachstum sind die Wiederherstellung der Sicherheit, die Verarbeitung von Emotionen und Trauma im Körper, die kognitive Neubewertung und die Reintegration des Traumas in die Lebensgeschichte und Identität. Durch die Auseinandersetzung mit diesen Komponenten können Einzelpersonen ihr Trauma in einen Katalysator für persönliches Wachstum und Entwicklung verwandeln. Ein solcher Bedeutungs- und Identitätszuwachs ist oft auch ein wichtiger Aspekt bei der Überwindung der Symptome einer PTBS.

Es ist damit möglich, dass Menschen aus schwierigen Erfahrungen nicht nur widerstandsfähiger, sondern auch positiver und erfüllter in ihrem Leben hervorgehen. Dazu können zusätzliche Kompetenzen, ein neuer Lebenssinn und geistiges Wachstum gehören. Ein Teil dieses Wachstums wird durch das Trauma überhaupt erst möglich gemacht.

Letztendlich können neue Perspektiven, veränderte Werte und Überzeugungen sowie spirituelles Wachstum unsere Überzeugungen über uns selbst und unsere Selbstwahrnehmung tiefgreifend beeinflussen. Psychotherapie kann dazu beitragen, die Symptome der PTBS zu lindern und zusätzlich positive Entwicklung zu fördern.