Paller, Michaela

Lernbausteine Rhythmus, Takt & Notenwerte

Spielerisch Notenwerte und Rhythmus begreifen, Basis-Set (48 Notenbausteine, Grundplatte, Ideenbuch, Takteinteiler)/ Maxi-Set (158 Notenbausteine, zwei Grundplatten, Praxisbuch, Takteinteiler, Folienstift, Sauggriff)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: terzio/ConBrio, München/Regensburg 2009
erschienen in: üben & musizieren 2/2010 , Seite 58

Öffnet man das Lernbausteine-Set, spürt man es eigentlich schon in den Fingern kribbeln. Das System kennt jedes Kind, das einmal mit Lego-Steinen gespielt hat. Die Noten-Bausteine, die äußerst angenehm in der Hand liegen, lassen sich auf einer Grundplatte vielfältig kombinieren. Klick, klick, klack und im Nu hat man eine Reihe zusammengebaut. Das Prinzip Zeit = Strecke ist hier so einfach wie logisch umgesetzt: Unterschiedlich breite Steckbausteine sind mit verschiedenen Notensymbolen (inklusive Pausen) bedruckt. Ein Steckbaustein mit einer halben Note ist doppelt so lang wie einer mit einer Viertelnote und vier Viertelnoten oder acht Achtelnoten entsprechen der Länge eines 4/4-Takts. Tondauer, Rhythmen, Takte werden klar ersichtlich und so wird rhythmische Notation im besten Sinne des Wortes be-greifbar: eine spontane sinnliche Erfahrung und weniger eine mathematische Bruchrechenaufgabe, die erst in der Sekundarstufe thematisiert wird.
Das System funktioniert über alle Altersstufen hinweg und ist in vielen Spiel- und Unterrichtssituationen einsetzbar: in den Grundkursen (MFE, MGA), im instrumentalen bzw. vokalen Einzel-, Gruppen- und Ensemble-Unterricht und natürlich auch im Klassenzimmer, eventuell sogar zu Hause. Der große Vorteil gegenüber den altbekannten und bewährten rhythmischen Bausteinen in Kartenform (die weitaus günstigere, aber auch leichtere und mobilere Variante) ist die Fixierbarkeit auf der Grundplatte. Hier verrutscht nichts, mehrere Taktreihen können gesteckt, auf einen Notenständer aufgestellt oder aufgehängt werden.
Aber: Wie lang sind vier Takte im 3/4-Takt? Eine Schablone gibt es leider nicht. Dazu muss man entweder Noppen auf der Grundplatte abzählen, mit Folienstift die Taktlängen anzeichnen oder einen Mustersatz mit Blanko-Bausteinen und Takteinteilern vorab setzen, an dessen Länge sich die SpielerInnen orientieren. Gegebenenfalls kann die Spielleiterin auch mit der entsprechenden Anzahl von Notenbausteinen eine Vorauswahl treffen, die in Summe die gewünschten Taktlängen ergeben.
Der Einsatz gelingt vor allem im Einzel- und Kleingruppenunterricht. In größeren Gruppen/Klassen kann nur gespielt und geübt werden, wenn genügend Material vorhanden ist, das dann z. B. von der Leiterin vorbereitet und an Kleingruppen verteilt wird. Idealerweise stehen hierfür mehrere Basis-Sets zur Verfügung.
Das Material – wie generell der Einsatz von rhythmischen Bausteinen – eignet sich wunderbar für Einspielübungen, zur Heranführung und Verdeutlichung von Spielstimmen, animiert zum Verändern, Variationen finden mit neuen Rhythmen wie auch Tonhöhen (Bausteine z. B. höher setzen), Pausentakten, Wiederholungen, Entwicklung von Begleitstimmen und Mehrstimmigkeit in den gängigen Taktarten. „Erfinde für unser Lied ein rhythmisches Zwischenspiel mit acht Takten“ könnte eine Aufgabe lauten. Und somit ist das Set auch ein toller Komponier-Baukasten.
Die jeweiligen Begleitbücher (Ideen- bzw. Praxisbuch) bieten eine Fülle von „Anregungen für musikalisch praxisnahe und unterrichtsspezifische Situationen“ (u. a. für einzelne oder zwei gleichberechtige Spieler, zwei Spieler und eine Spielleitung, Klasse). Die Autorin Michaela Paller hat hier wirklich einen bemerkenswerten Fundus zusammengestellt mit Spielideen wie z. B. Notenspiegel, Taktstraße, Takt-Baustelle, Takt-Detektiv,  Pausenecho, Lieder-Teufel, Lieder-Spezialist, Blinde Kuh oder der Band of Rhythm.
Neben den letztlich technisch geprägten Spielen sind vor allem die „Anregungen für musikalische Umsetzungen der Spielideen“ für mich das Herzstück, denn jetzt wird die Sache erst lebendig. Sei es mit Körperklängen, mit Rhythmusinstrumenten, mit Stabspielen, Boomwhackers oder mit einem Soloinstrument – nun tönt es, jetzt klingt es, da wird aus rhythmischen Gebilden Musik gemacht.
Und da stoßen wir auf eine Grundsatzfrage: Meines Erachtens muss ein fundiertes Gefühl, ein sattes Maß an metrisch-rhythmischer Erfahrung der abstrakten Ebene der schriftlichen Darstellung vorgeschaltet sein, um dann „Notation mit spontan gefühltem Rhythmus in Einklang zu bringen“ (Vorankündigung des Verlags). Also – entsprechend einem wesentlichen didaktischen Grundsatz der Elementaren Musikpädagogik – vom Erleben zum Erkennen, vom Begreifen zum Benennen. Das heißt in diesem Fall: Die Empfindung von metrisch-rhythmischem Fluss und Phrase kommt vor Analyse und Synthese einzelner Takte und konstruierter Taktgebilde.
Ohne diese Basis bleibt der Baukasten eben nur ein Kasten mit schönen weißen Steinen. Und in diesem Zusammenhang wäre auch der Hinweis auf den Einsatz von Rhythmussprache(n) sicherlich angebracht und enorm hilfreich gewesen, da die Sprache ein wesentliches Element und Bindeglied im Erfassen rhythmischer Phänomene darstellt. Schade ist auch, dass die Verpackung (trotz des hohen Preises) so dürftig ausgefallen ist. Durch den einfachen Schuber gehen z. B. die Kleinteile wie Takteinteiler, Sauggriff oder kleine Stecksteine schnell verloren, besonders wenn das Set durch viele Hände wandert. Eine stabilere Box mit Fächern zur Ordnung der Bausteine (sodass alle Teile schnell griffbereit und auch die Grundplatten unverbaut zur Verfügung stehen) hätte diesem sonst qualitativ hochwertigen Set sehr gutgetan.
Micaela Grüner