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Auslandseinsätze der Bundeswehr (Teil 1) - NATO-Operation ACE GUARD

Seit ihrer Aufstellung im Jahre 1955 hat die Bundeswehr nicht nur ihre primäre Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung wahrgenommen. In großer Zahl wurden deutsche Soldatinnen und Soldaten weltweit zur humanitären Hilfe und, nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, auch in militärische Einsätze im Rahmen der internationalen Krisen- und Konfliktbewältigung entsandt. Zu dieser wichtigen Facette der Geschichte der Bundeswehr ist im Bundesarchiv umfangreiches Archivgut überliefert, das in einer aus mehreren Teilen bestehenden virtuellen Ausstellungsreihe exemplarisch vorgestellt wird.

  • BRD (ab 1949)

Hintergrundinformationen

Hintergrund: Der irakische Überfall auf Kuwait und die Operation DESERT STORM

Am 2. August 1990 überfielen die Streitkräfte des irakischen Diktators Saddam Hussein das ölreiche und finanzstarke Emirat Kuwait. Noch am gleichen Tag verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 660, welche die Invasion verurteilte und den Rückzug der irakischen Armee forderte. Allen Verurteilungen und Sanktionsmaßnahmen des UN-Sicherheitsrates zum Trotz, annektierte der Irak am 8. August 1990 das kleine Nachbarland. Tags darauf erklärte die Resolution 662 des UN-Sicherheitsrates die Annexion für „null und nichtig“ und forderte die Wiederherstellung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität Kuwaits. Zugleich begannen die USA, eine militärische Koalition gegen den Irak aufzubauen, der schließlich 34 Staaten angehörten. Im Rahmen der Operation DESERT SHIELD vollzogen die USA und ihre Verbündeten einen massiven Truppenaufmarsch in der Golfregion, auch aus Sorge vor einem befürchteten irakischen Angriff auf Saudi-Arabien.

Nach einer Phase erfolgloser politischer und wirtschaftlicher Gegenmaßnahmen sowie gescheiterten Verhandlungen ermächtigte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 678 vom 29. November 1990 die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, alle notwendigen Mittel, die die Resolution 660 unterstützen, einzusetzen, sofern der Irak nicht bis zum 15. Januar 1991 den UN-Resolutionen Folge leisten würde. Zwischenzeitlich drohte der irakische Diktator damit, Tausende westliche Geiseln als menschliche Schutzschilde einzusetzen und im Zweifel Israel mit in den Krieg zu ziehen. Nachdem der Irak das Ultimatum hatte verstreichen lassen, begannen die USA und die von ihr geführte Militär-Allianz am 16. Januar 1991 mit der Operation DESERT STORM.

Den Auftakt bildeten zahlreiche Luftschläge. Die von Reportern des Fernsehsenders CNN live aus der irakischen Hauptstaat Bagdad gesendeten Bilder von Einschlägen präzisionsgesteuerter Raketen bedeuteten eine Zäsur in der medialen Krisen- und Kriegsberichterstattung. Die sechs Wochen lang geführten Luftangriffe bewirkten faktisch jedoch kein Einlenken des Iraks. Der irakische Widerstand wurde schließlich erst mit einer am 2. Februar 1991 beginnenden Bodenoffensive gebrochen. Vier Tage später war Kuwait befreit und der Irak signalisierte seine Bereitschaft zu einem Waffenstillstand.

Neben den militärischen Verlusten und den Opfern unter der Zivilbevölkerung hatte der Krieg immense Umweltzerstörungen zur Folge. Unter anderem wurden zahlreiche Ölquellen von der sich zurückziehenden irakischen Armee in Brand gesteckt.Ein virulentes Thema während des ganzen Konflikts war die Sorge vor einem Einsatz irakischer Chemiewaffen und deren Verbleib.

Indirekte Beteiligung Deutschlands

Die Vorgänge rund um Kuwait trafen in Deutschland auf eine gänzlich andere geschichtliche Situation. Der deutsche Wiedervereinigungsprozess nach 1989 symbolisierte das definitive und symbolische Ende der unmittelbaren Nachkriegsordnung und des Kalten Krieges. Die Menschen in den Staaten des demokratischen Westens und des ehemals kommunistischen Ostens, die sich noch kurz davor als ideologische Feinde gegenübergestanden hatten, hofften auf eine gemeinsame und friedliche Zukunft. Innenpolitisch dominierten Bundes- und Landtagswahlen sowie die am Horizont heraufziehenden wirtschaftlichen, fiskalischen und sozialen Herausforderungen, die mit der Wiedererlangung der Einheit einhergingen. Der Zwei-Plus-Vier-Vertrag war noch nicht abschließend ratifiziert; für den Abzug der gut 500.000 Soldaten der Sowjetarmee und deren Familien lag der Abzugsplan erst im Januar 1991 vor. Die Bundeswehr war vollends damit ausgelastet, die Nationale Volksarmee personell und materiell abzuwickeln bzw. einen Teil der ehemaligen NVA-Angehörigen in den eigenen Personalkörper zu integrieren.

Deutschland beteiligte sich zögerlich und überdies nur indirekt am Krieg gegen den Irak. Gleichwohl musste die Bundesregierung dem vehementen internationalen Drängen auf eine deutsche Beteiligung an den allierten Operationen nachgeben. Die Einräumung weitreichender Überflug- und Nutzungsrechte der alliierten militärischen Infrastruktur in Deutschland zur Unterstützung der USA und ihrer Verbündeten, milliardenschwere finanzielle und materielle Unterstützungsleistungen waren die Folge.

Einsatz der Bundeswehr als Teil der Allied Mobile Force

Nachdem die türkische Regierung am 17. Dezember 1990 aus Sorge vor einem irakischen Angriff um Beistand durch die NATO ersucht hatte und auf den Beschluss des NATO-Rats vom 2. Januar 1991 hin Teile der Allied Mobile Force (AMF), der mobilen Eingreiftruppe der NATO, im Rahmen der Operation ACE GUARD zum Schutz der Türkei in den Südosten des Landes verlegt wurden, betraf dies auch die deutschen Streitkräfte.

Da sich ein Einsatz im südlichen NATO-Gebiet seit Monaten abgezeichnet hatte, hatte die Bundeswehr entsprechende Vorbereitungen getroffen und konnte so ohne größeren Zeitverzug auf die Aktivierung der AMF reagieren: Unmittelbar nach dem Beschluss der Bundesregierung am 2. Januar 1991 traf ein Vorauskommando bereits am 3./4. Januar 1991 auf dem Militärflugplatz Erhaç im Südosten der Türkei ein, um die Gegebenheiten vor Ort zu erkunden. Ihm folgten in den nächsten Tagen 18 Alpha Jets der 2. Staffel des Jagdbombergeschwaders (JaboG) 43 aus Oldenburg, die am 12. Januar den Flugbetrieb im türkischen Luftraum aufnahmen. Das Gerät der nicht-fliegenden Kräfte wurde von drei Lufttransportgeschwadern der Luftwaffe in etwa 60 Flügen nach Erhaç verlegt. Der Entsendung der Bundeswehr vorangegangen waren heftige innenpolitische Kontroversen und die drohende Isolation Deutschlands in der NATO im Falle einer Nichtbeteiligung. Einen Höhepunkt markierte die Debatte im Deutschen Bundestag am 14. Januar 1991 (Plenarprotokoll 12/2).

Die im Bundesarchiv überlieferten Dokumente spiegeln vielfach die Sorge über mögliche Chemiewaffen-Angriffe durch den Irak. Diese Befürchtungen nahmen durch die schnellen Erfolge der US-Operation DESERT STORM mit der Zeit zwar ab, dafür traten andere Probleme in den Vordergrund: So wurde beispielsweise schnell ersichtlich, dass die noch ganz auf Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtete Bundeswehr über keine Konzepte für den Lufttransport von Großgerät verfügte. 

Besonders deutlich wurde dies im Februar, als auf den Beschluss der Bundesregierung vom 29. Januar 1991 zusätzliche Kräfte des Flugabwehrraketengeschwaders (FlaRakG) 36 und der Flugabwehrraketengruppe (FlaRakGrp) 42 in die Türkei entsandt wurden, um dort mehrere Flugplätze zu schützen. So beschreibt etwa der Erfahrungsbericht der FlaRakGrp 42 (in BArch, BL 10/1434) es als besonders erschwerend, dass „ein Großteil [ihrer] Kraftfahrzeuge nicht mit C-160 [Transall] verlastbar war“. 

Ungeachtet aller Widrigkeiten hatten sich die eingesetzten Soldaten nach Ansicht des Kommandeurs der FlaRakGrp 42 „mit dem Auftrag identifiziert […] [und] ihre Aufgaben leistungsbereit erfüllt“.

Vergessene Einsätze?

Die Beteiligung der Bundeswehr an der NATO-geführten Operation ACE GUARD reiht sich ein in ein halbes Dutzend militärischer Aktivitäten bzw. Einsätze Deutschlands, die mittelbar im Zusammenhang mit dem Zweiten Golfkrieg 1990/91 stehen: Schon im August 1990 hatte die NATO beschlossen, den Schutz der Mittelmeeranrainerstaaten unter ihren Mitgliedern zu erhöhen und militärische Vorsorge gegen ein weiteres Ausgreifen des Konfliktes zu treffen. Mit Beteiligung von Bundeswehrangehörigen flogen die multinational zusammengesetzten Besatzungen der NATO E-3A-Flotte mit ihren AWACS-Maschinen zwischen August 1990 und Februar 1991 über 1.100 Einsätze zur Sicherung des Luftraums an der südlichen Flanke des Bündnisgebiets und über der Türkei (NATO-Operation ANCHOR GUARD). Darüber hinaus zog die NATO eine große Zahl von See- und Seeluftstreitkräften für Sicherungsaufgaben im Mittelmeer zusammen. Auch die deutsche Marine entsandte zwischen Januar und März 1991 neben dem kurzfristig aufgestellten Minenabwehrverband Südflanke zahlreiche Schiffe. Die Gesamtheit der militärischen Maßnahmen der NATO zum Schutz des Bündnisgebietes firmierte unter der Bezeichnung Operation SOUTHERN GUARD.

Nach dem Ende der Kampfhandlungen engagierte sich die Bundeswehr in drei weiteren Einsätzen bei der Bewältigung der Folgen des Zweiten Golfkriegs: Der bereits erwähnte Minenabwehrverband Südflanke verlegte auf Ersuchen der USA in den persischen Golf, um dort Minen, welche die internationale Seeschifffahrt bedrohten, zu räumen. Darüber hinaus unterstützte die Bundeswehr die von den Vereinten Nationen zur Kontrolle der irakischen Chemiewaffen eingerichtete Kommission (UNSCOM) von August 1991 bis September 1996 durch den Transport von Gütern, Personal und bei medizinischen Evakuierungen. Schließlich leisteten deutsche Pioniere, Heeresflieger und Sanitätspersonal zwischen April und Juni 1991 die dringend benötigte humanitäre Hilfe für die zigtausenden kurdischen Flüchtlinge, die in die türkischen und iranischen Grenzgebiete nördlich des Irak geflohen waren (Operation Kurdenhilfe).

Umstrittene Beteiligung

Diese sechs quasi zeitgleich und parallel stattfindenden Einsätze im Umfeld des Zweiten Golfkriegs 1990/91 sind heute weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Dabei markieren sie den Beginn der Ära der Bundeswehr als „Armee im Einsatz“. Insbesondere die Beteiligung an ACE GUARD war innenpolitisch höchst umstritten, wie insgesamt die Ablehnung einer Beteiligung am Zweiten Golfkrieg in der deutschen Öffentlichkeit sehr verbreitet war. Die deutsche Politik wiederum hielt mehrheitlich noch an dem in den 1980er Jahren entstandenen Narrativ fest, wonach das Grundgesetz den Einsatz deutscher Streitkräfte außerhalb des Bündnisgebietes der NATO nicht zuließ. Erst drei Jahre später, im Juli 1994, entschied das Bundesverfassungsgericht über die rechtliche Zulässigkeit der damals noch so bezeichneten „Out-of-Area-Einsätze“.