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Der Dünnschiss des Fußballs

Blitzlichtgewitter, Blitzeis, Blitzkrieg – ein harmloser Schnupfen gegen die wahre Plage der Menschheit: die Blitztabelle! Vom Anstoß weg informiert uns das mathematische Ärgernis über – nichts. Johannes Ehrmann kann nicht mehr.
Foto: 11FREUNDE

Diese unsere Welt wurde schon von allerlei Erfindungen überzogen, die uns nicht wirklich Freude bereitet haben. Weder einlagiges Klopapier, noch Nasenflöten oder die gute alte Handgranate haben dazu beigetragen, dass das Leben auf unserem Planeten lebenswerter wurde. Doch wenn Ihnen, werte Leser, bereits bei dieser kurzen Aufzählung vor Schreck der warme Kakao wieder hochkam, sollten Sie lieber nicht weiterlesen.  



Denn es geht noch schlimmer. Schon in den Neunzigern wurden die Fußballfans vom rechteinhabenden Sender bis kurz vor die Klapse gebracht. Die »ran-Datenbank« schleuderte im Sekundentakt Fakten in Umlauf, deren Relevanz sich zwischen »Hmja, geht so« und »Was soll der Dreck?« bewegte. Egal ob Zweikampfstatistiken von Tribünenhockern, Körbchengröße der Spielerfrauen oder Rasenhalmlänge des dritten Trainingsplatzes – kein Datenblatt war den geschätzten 300 Zahlenfüchsenvon Sat.1 zu dämlich, um es dem Publikum vorzuenthalten.  

Als das letzte »ranissimo« vom Stapel gelaufen war, wurde die Erbsenzählarmada, die selbst Samson aus der Sesamstraße den letzten Nerv geraubt hätte, dann offenbar in voller Stärke in die Premiere-Katakomben verfrachtet, wo sie fortan ihr Unwesen trieb. Ihre ganze Energie legten die gescheiterten Nummerngirls fortan in die nanosekündliche Erstellung der so genannten Blitztabelle.  

Blitzkrieg? Eine Lachnummer!
 

Gegen dieses unfassliche Ungetüm, mit dem der deutsche Pay-TV-Sender auch nach der Umbenennung seine vom absurd schlechten Niveau der Bundesligapartien ohnehin schon arg gebeutelten Zuschauer heimsucht, sind Blitzlichtgewitter, Blitzeis und sogar der gute alte Blitzkrieg eine Lachnummer. Als sei die schiere Existenz dieses völlig belanglosen Binärfortsatzes nicht empörend genug, gibt sich die sog. Blitztabelle darüber hinaus zu jeder noch so unpassenden Gelegenheit die Ehre.

Vierter Spieltag, die Samstagskonferenz läuft seit achteinhalb Minuten: Zeit für einen Blick auf den Tabellenstand – völlig egal, dass bei den Spielen noch überhaupt kein Tor gefallen ist. Vielleicht ist Bayern ja doch schon Meister! Schade, noch nicht. Wir schauen gleich noch mal nach...  

Den hartgesotteneren Fußballpuristen geht ja schon auf den Zeiger, dass ständig Spieldauer und Spielstand eingeblendet werden. Was waren das noch für Zeiten, als alle halbe Stunde eine flackernde, verpixelte Anzeige für Sekundenbruchteile ebendiese Informationen kundtat! Wer zwischendurch einschaltete, musste sich eben ein wenig gedulden.

In der Zwischenzeit konnte man dann prima das Spiel verfolgen, denn – auch wenn das einige Sky-Androiden überraschen könnte – es gibt da auch noch etwas, was wirklich zählt und wichtig ist. Menschen nämlich! 11 gegen 11 auf dem Rasen!! Rasen? Der liegt irgendwo hinter dem Datendschungel rechts.

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