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Rückzugsgefecht

Nach dem Champions-League-Spiel gegen Salzburg weigert sich die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti, ins Trainingslager zurückzukehren – und erzürnt damit den Präsidenten. Was genau ist da los bei der SSC Neapel?

Foto: Hoch Zwei / Italy Photo Press / IMAGO

Der November ist ein Monat, in dem man schon mal die Krise bekommen kann. Das Wetter ist meiste schlecht, die Tage dunkel und auch die Stimmung passt sich an. Das gilt in diesen Tagen insbesondere für die Stadt Neapel und ihren Fußballverein, der sich derzeit in seinen Grundfesten erschüttert sieht. Der Grund: Nach dem 1:1 in der Champions League am Dienstagabend widersetzten sich die Spieler um Kapitän Lorenzo Insigne einer Entscheidung des Vereinspräsidenten – sie wollten nicht wie ursprünglich geplant bis zum Sonntagabend im Trainingslager in Castel Volturno bleiben.

Dies hatte Klubchef Aurelio De Laurentiis zu Beginn der Woche im Gespräch mit dem Radiosender Kiss Kiss Napoli angekündigt. Die Idee: Die Mannschaft sollte sich im Trainingslager besser kennenlernen. „Wir haben alle unter dieser Situation gelitten, aber das Team hat gezeigt, dass es großes Potenzial hat“, lautete sein Fazit zu den jüngsten Ergebnisse der Neapolitaner, die am vergangenen Wochenende nach einer überschaubaren Leistung mit 1:2 gegen die Roma verloren. Neapel liegt nun mit nur 18 Punkten aus elf Spielen auf Rang sieben der Serie A und läuft damit Gefahr, die Saisonziele zu verpassen. Der exzentrische Klubchef legte nach und sagte: „Wir haben super bezahlte Profis, aber wir müssen dem Trikot treu bleiben und es ehren.“

Italienische Tradition

Daraus folgte seine Idee, einen ritiro (zu deutsch „Rückzug“) anzuordnen – diese Maßnahme gilt als Tradition im italienischen Fußball und wird gerne dann ergriffen, wenn sich eine Mannschaft im Formtief befindet. Das Vorgehen gilt jedoch als altmodisch und wird kritisiert, weil es hochbezahlte Fußballprofis so aussehen lässt, als wären sie schlecht erzogene Schulkinder. 

Auch Carlo Ancelotti war nicht glücklich mit dem angeordneten Rückzug. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel in der Königsklasse sagte er: „Wir sind nicht einverstanden, aber wir akzeptieren es“. An der Beziehung zu De Laurentiis habe sich aber nichts geändert, beteuerte der Trainer. Schließlich habe ihm der Präsident zu seinem Namenstag am Dienstag gratuliert.

„Wir sind nicht einverstanden, aber wir akzeptieren es“

Zumindest leistungstechnisch ging es dann am nächsten Tag im vierten Gruppenspiel gegen Salzburg nach oben: Napoli geriet zwar früh in Rückstand, glich aber kurz vor der Pause verdient durch Sommerneuzugang Hirving Lozano aus. Die Österreicher waren mit dem Unentschieden sogar gut bedient, weil José Callejon nach 13 Minuten den Pfosten und Insigne in der zweiten Halbzeit die Latte getroffen hatten. Insgesamt war es jedoch eine Leistung, mit der das Team von Carlo Ancelotti zufrieden sein konnte.

Nach dem Ende der Partie zeigte sich dann, dass der angekündigte Plan, ins Trainingslager zurückzukehren, nicht nur beim Trainer auf wenig Gegenliebe stieß. Die Mannschaft, die von dieser Idee offenbar nicht vom Verein, sondern durch die Medien in Kenntnis gesetzt wurde, kündigte an, die Reise ins circa 50 Kilometer nördlich gelegenen Castel Volturno nicht erneut antreten wollen. 

„Wir fahren nach Hause“, teilte Mannschaftskapitän Insigne dem Sohn des Klubchefs, Eduardo De Laurentiis mit. Die Führungsspieler um den gebürtigen Neapolitaner, Callejon, Allan und Mertens sowie einige andere, sollen den Rest des Kaders dem Vernehmen nach von dieser Idee überzeugt haben. Sie sollen der Meinung gewesen sein, dass die Leistung gegen Salzburg ausreichend gut gewesen war, um den Rückzug ins Trainingslager abzubrechen.

Die Gazetta dello Sport vermeldete, dass der Brasilianer Allan in der Kabine sogar fast handgreiflich gegenüber Edoardo De Laurentiis geworden sein soll. Aus diesem Grund, so heißt es, soll Ancelotti auch die obligatorische Pressekonferenz abgesagt haben – um die Ruhe in der Kabine wiederherzustellen. Dem mehrfachen Champions-League-Gewinner droht wegen des Verpassens dieses Pflichttermins nun eine sogar eine Strafe durch die UEFA.

Spieler müssen mit Geldstrafen rechnen 

Am Tag nach der Partie regenerierten die eingesetzten Spieler dann aber zunächst doch wie ursprünglich geplant im Trainingszentrum in Castel Volturno, während die Reservisten ein Spielersatztraining absolvierten. Um 13 Uhr verließen die Profis allerdings das Trainingszentrum und fuhren nach Hause. Damit kamen sie ihrer Ankündigung vom Vorabend nach – und lösten einen mittelschweren Skandal aus.

Der Klub veröffentlichte deswegen am Mittwochnachmittag ein Statement, in dem er ankündigte, seine eigenen Rechte zu schützen. Die Spieler müssen also wohl mit Geldstrafen rechnen. Die Gazetta dello Sport will sogar erfahren haben, dass De Laurentiis Schritte prüfen ließe, um sich vorzeitig von Ancelotti zu trennen. Gleichzeitig erklärte Napoli, dass bis auf Weiteres keine Verantwortlichen oder Spieler mit der Presse reden würden.

„Konstruktiver Rückzug“

Weiter hieß es, dass der Klub „die Entscheidungsverantwortung für die Durchführung des Trainingslagers der ersten Mannschaft dessen Trainer Carlo Ancelotti übertragen hat“. Der Trainer solle also über die weitere Wochenplanung entscheiden. Wenig später ging die nächste vom Verein veröffentlichte Meldung über den Äther: Das Trainingslager sei keineswegs ein „Strafentzug“, wie es einige Medien beschrieben hatten. Vielmehr solle es dabei darum gehen, der Gruppe mit diesem „konstruktiven Rückzug Konzentration und Motivation“ zurückzubringen – so habe sich schließlich auch Aurelio De Laurentiis geäußert.

Der Filmproduzent ist derjenige, der die Spieler in Neapel hauptsächlich bezahlt, und gilt trotz oder gerade wegen seiner exzentrischen Art als Führungsfigur in der süditalienischen Metropole. Wenn sich seine Mannschaft weigert, eine seiner Entscheidung umzusetzen und dies sogar öffentlich wird, ist nicht damit zu rechnen, dass in dieser Angelegenheit bereits das letzte Wort gesprochen ist.