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Bürgerkriegsähnliche Zustände

Mehrere Monate lang war spekuliert worden, am vergangenen Wochenende wurde dann die Entscheidung verkündet: Kamerun wird der Afrika-Cup 2019 entzogen. Was ist los im westafrikanischen Staat?

Foto: sportfotodienst / IMAGO

Abdou ist sich sicher: Sein Land ist Opfer einer großen Verschwörung geworden. Im Gespräch mit dem Sender „Vooafrique“ erklärt der Jugendliche aus der Vorstadt der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé, dass es „von Anfang an eine Kampagne gegen Kamerun gegeben hätte“. Er blickt auf das Stadion, in dem in wenigen Monaten das Finale des Afrika-Cups hätte stattfinden sollen. „Schauen Sie doch, die Bauarbeiten sind fast abgeschlossen! Wir wären bereit gewesen“. Eine These, die in den letzten Wochen auch von Funktionären des nationalen Fußballerbandes (FECAFOOT) mantrahaft wiederholt wurde, jedoch angesichts der Bilder der unfertigen Arena als reichlich gewagt bezeichnet werden kann. Was ist also los rund um den Afrika-Cup 2019, der dem Land nun entzogen wurde? Ein Überblick.

Was war am Ende der ausschlaggebende Grund für den Entzug des Turniers?

Zwei Punkte waren ausschlaggebend für die Entscheidung des afrikanischen Fußballverbandes (CAF). Zunächst die bereits erwähnten infrastrukturellen Probleme – sowohl beim Bau der Stadien, neuer Straßen sowie Hotels für Fans und Spieler gab es erhebliche Verzögerungen. Dass das Turnier erstmals mit 24 statt 16 Mannschaften ausgetragen wird, hat die Situation nicht wirklich vereinfacht - die Bauarbeiten waren noch umfangreicher als sonst.

Dazu kommt, dass die politische Lage mehr als instabil ist. Der 85-jährige Präsident Paul Biya regiert das Land seit drei Jahrzehnten und denkt gar nicht daran, seine Macht abzugeben. Erst im Oktober wurde er zum siebten Mal wiedergewählt. Bei allen Kamerunern beliebt ist er deshalb aber nicht, da sich insbesondere die im Westen Kameruns lebende englischsprachige Minderheit von der Regierung ungerecht behandelt fühlt. Die Zustände in dieser Region sind bürgerkriegsähnlich, es kommt in der Gegend rund um die Stadt Limbé, die auch als Austragungsort vorgesehen war, immer wieder zu Kämpfen zwischen bewaffneten Gruppierungen und Sicherheitskräften der Regierung. Alleine in diesem Jahr starben dabei über 400 Menschen.

Kann Kamerun die Entscheidung anfechten?

Laut der Äußerungen einzelner Funktionäre scheint die Wut bei FECAFOOT sowie der Regierung keine Grenzen zu kennen. Tschiroma Bakary, seines Zeichens Kommunikationsminister, spricht von „Unverständnis“ in Hinblick auf die Entscheidung sowie einer „schreienden Ungerechtigkeit. Mit dem Bau wunderschöner, neuer Infrastrukturen sowie eines unglaublichen Engagements war alles bereit gewesen für ein tolles Fest des afrikanischen Fußballs im nächsten Jahr“. Theoretisch könnte der Verband nun gegen die Entscheidung klagen und bis vor den Internationalen Sportgerichtshof ziehen, doch trotz aller rhetorischen Empörung scheint dieser Schritt quasi ausgeschlossen. Denn in Yaoundé schielt man bereits auf das Jahr 2021...

Wird Kamerun das Turnier zu einem späteren Zeitpunkt austragen?

Das ist durchaus realistisch. Denn auch wenn die Stadien bis zum nächsten Jahr nicht mehr fertig geworden wären, sind die Bauarbeiten durchaus fortgeschritten. Ahmad Ahmad, Chef des afrikanischen Fußballverbandes, hat den Kamerunern deshalb das Angebot gemacht, die Organisation des Afrika-Cups nachzuholen – und zwar schon in zwei Jahren. Als Gastgeber für 2021 ist zwar eigentlich die Elfenbeinküste vorgesehen, doch auch die Ivorer werden laut Ahmad zu diesem Zeitpunkt „nicht bereit sein. Deshalb könnte Kamerun das Turnier übernehmen, und die Elfenbeinküste wäre dann 2023 dran und hätte zwei Jahre mehr Zeit zu Vorbereitung“.

Was passiert im nächsten Jahr? Droht das Turnier sogar auszufallen?

Falls sich kein Ersatzgastgeber finden sollte, ist dieses Szenario laut der Pariser Tageszeitung „Le Monde“ nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass entweder im Süden oder im Norden des Kontinentes ein Land einspringen wird. Als heißeste Kandidaten gelten neben Ägypten vor allem Marokko und Südafrika. Letztere dürften aufgrund der seit der WM 2010 vorhandenen Infrastrukturen leicht favorisiert sein.

Muss sich Kamerun nun auf normalem Wege qualifizieren?

In der Tat. Zwar wäre das Land als Gastgeber automatisch qualifiziert gewesen, nahm aber trotzdem in einer Gruppe mit Malawi, den Komoren und Marokko an der Quali teil und bestritt die Partien offiziell als Testspiele. Dementsprechend trat die Mannschaft auch auf – gegen Marokko setzte es eine 0:2-Niederlage, ansonsten gab es einen knappen 1:0-Sieg sowie zwei Unentschieden. Auch wenn das Team momentan auf dem zur Teilnahme berechtigten zweiten Platz steht, dürften die kommenden zwei Spiele zur Nervenschlacht werden, da nun auf einmal neben dem Verlust der Ausrichtung sogar das Scheitern in der Qualifikation droht.

Was ist die gute Nachricht?

Eine Satzungsänderung des Afrikanischen Fußballverbandes im Jahr 2017. Davor hieß es nämlich im Paragraph 92.3, dass „bei einem (weniger als ein Jahr vor dem geplanten Start des Turniers) beschlossen Entzug des Gastgeberrechtes die A-Mannschaft des betroffenen Landes für die nächste Ausgabe des Afrika-Cups ausgeschlossen wird“. Glück im Unglück also – zumindest für die Spieler der „Unzähmbaren Löwen“-, dass diese Regel nicht mehr gilt.