«Alles wird niedergewalzt, bevor wir ernten können»

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Schrebergärten vor dem Aus«Alles wird niedergewalzt, bevor wir ernten können»

Die Schrebergärtner in Salina Raurica BL kämpfen gegen die Verlegung der Rheinstrasse. Sonst müssen sie ihr irdisches Paradies räumen. Ein aussichtsloser Kampf.

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«Das hier ist unsere Erinnerung, ein Stück, das uns weggenommen wird, eine kleine Lunge, die zerstört werden soll»: Anja Pignataro (55) ist aufgebracht. Sie und ihre Mitstreiter kämpfen gegen die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BuD). Weil die Rheinstrasse in Pratteln verlegt wird, hat der Kanton als Landeigentümer Eigenbedarf angemeldet. Bis Ende September müssen die Pächter ihre Schrebergärten westlich der Frenkendörferstrasse räumen, wie die «Basler Zeitung» publik machte.

Pignataro und ihre Mitstreiter akzeptieren das Projekt nicht: «Wir wollen nicht, dass die letzte Grünfläche in Salina Raurica durch die Strasse, Wohnhäuser, Bürogebäude oder ein Spital ersetzt wird.» Eine Petition wurde gestartet, innerhalb von drei Tagen seien bereits mehrere hundert Unterschriften gesammelt worden.

Dass die Pächter für den Abbau ihrer geliebten Schreberanlagen aufkommen sollen, sorgt für zusätzlichen Ärger. «Ich verstehe nicht, wie sich der Staat ein 71-Millionen-Projekt leisten kann, aber dann anscheinend so dringend auf die paar tausend Franken von uns angewiesen ist», schimpft Pignataro. Viele der Leute seien bereits im AHV-Alter und hätten auf die Schnelle nicht so viel Geld für den Rückbau bereit.

Tippfehler in eingeschriebenem Brief

«Klar war uns bewusst, dass wir nicht immer in den Gärten bleiben können, aber anfangs hiess es noch, dass wir bis Ende Jahr bleiben dürfen», so Pignataro. Eine andere Pächterin meint: «Dieser Zeitpunkt kommt so ungelegen. Im September ist Erntezeit, die meisten von uns haben Kürbisse, Trauben und Tomaten angepflanzt. All das können wir nicht mehr ernten. Denn auf den 15. September soll alles niedergewalzt werden.»

Das Missverständnis sei auf einen Tippfehler in einem eingeschrieben Brief des BuD zurückzuführen. Nachdem kommuniziert wurde, dass die Pächter bis Ende Jahr bleiben dürften, erhielten die Anwohner einen zweiten Brief, der sie über den Schreibfehler im ersten Brief aufklärte. Die Pächter finden das eine völlig «lapidare»Erklärung.

«Hier bin ich im Paradies»

Gemäss den Plänen, die die Pächter zur Verlegung der Strasse erhielten, sind nicht alle Gärten direkt von der Verlegung der Strasse betroffen. Trotzdem müssten alle abgerissen werden. «Uns hat man nie gefragt, ob wir das wollen. Wir haben das Vertrauen in den Staat komplett verloren», beschweren sie sich. «Viele von uns, sind seit über dreissig Jahren hier. Wir haben den grössten Teil unserer Freizeit hier im Garten verbracht. Hier befinden sich auch die verschiedensten Tier- und Pflanzenarten.»

Es sei schwierig eine Alternative zu ihren «wilden» Schrebergärten zu finden, denn die meisten anderen Schrebergärten gehörten zu Vereinen und seien «um einiges teurer». Pignataro sagt: «Wenn ich nicht arbeiten muss, komme ich hierher und bin im Paradies. Dann sehe ich Eidechsen und Libellen und Bienen. Das ist der Ort, an dem ich meine Kollegen treffe, an dem meine Hunde frei sein dürfen und sich niemand beschwert.»

Für Einsprachen sei es bereits zu spät, heisst es bei der BuD, so Telebasel. Das genannte Projekt sei im Rahmen des regulären Verfahrens als kantonaler Nutzungsplan rechtskräftig geworden: «In diesem Verfahren konnten sich alle davon Betroffenen einbringen oder dagegen zu Wehr setzen. Von den Pächtern der Familiengärten sind keine Einsprachen eingegangen», so Nico Buschauer zu dem Sender.

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