Assistenzärzte sehen Schweizer Gesundheitssystem in Gefahr

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GesundheitssystemAssistenzärzte unter Druck: «Bin teils kränker als meine Patienten»

Die Arbeitsbedingungen von Assistenzärzten in der Schweiz sind schlecht: Veraltete IT-Systeme und eine 70-Stunden-Woche bringen sie an ihre Belastungsgrenze.

Darum gehts

  • Assistenzärzte in der Schweiz sind einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt, mit bis zu 70 Stunden pro Woche.

  • Etwa zwei Drittel der Assistenzärzte gaben in einer Umfrage an, aufgrund der übermässigen Arbeitsbelastung patientengefährdende Fehler gemacht zu haben.

  • Veraltete IT-Systeme verursachen zusätzliche Arbeit für Assistenzärzte, wodurch sie weniger Zeit für Patientenbetreuung und Weiterbildung haben.

Assistenzärzte arbeiten in der Schweiz am Limit, viele von ihnen klagen über die enorme Arbeitsbelastung, der sie tagein, tagaus ausgesetzt sind. Laut einer Mitgliederbefragung des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) arbeiten die jungen Ärzte etwa 58 Stunden pro Woche, zwei Drittel von ihnen gaben an, wegen des enormen Pensums Patienten durch Fehler gefährdet zu haben.

DasSRF sprach mit zweien von ihnen, beide möchten aus Angst vor Konsequenzen anonym bleiben. Einer von ihnen, im Bericht nur Andy genannt, gibt an, regelmässig krank zur Arbeit zu kommen: «Teilweise bin ich als Arzt kränker als meine Patienten.» Er würde teils auch fiebrig zur Arbeit kommen, weil es einfach nicht anders gehe. Andy arbeitet als Assistenzarzt in einem Basler Spital, oft zwischen 60 und 70 Stunden pro Woche, teils auch 80 Stunden.

Negative Folgen für Patienten

Auch Larissa (Name ebenfalls geändert) berichtet Ähnliches. Schlimm ist für sie vor allem, dass die Missstände nicht offen angesprochen werden dürften: «Man setzt ansonsten seine Karriere aufs Spiel.» Wer sich beschwert, würde keine Stelle mehr bekommen. Da Assistenzärzte diese aber regelmässig wechseln müssten, würden viele trotz katastrophaler Umstände schweigen. «Alle wissen, dass das System sch****e ist, aber niemand getraut sich, etwas dagegen zu sagen.»

Dabei wäre das vermutlich wichtiger denn je: Die hohe Arbeitsbelastung bleibt auch für die Patientinnen und Patienten nicht ohne Folgen. Denn wer nicht nur krank und gestresst zur Arbeit kommt, sondern obendrein noch pro Patient nur wenige Minuten Zeit hat, macht Fehler. Die Patienten müssten sich also auf eine schlechtere Behandlung einstellen, so Larissa.

Veraltete IT sorgt für Mehrarbeit

Für Andy ist es besonders frustrierend, dass die Mehrarbeit zu grossen Teilen vermeidbar wäre – würde man nicht mit veralteten IT-Systemen arbeiten. Denn ungefähr drei Viertel ihrer Arbeitszeit verbringen Assistenzärzte mit administrativer Arbeit, und gar nicht am Patienten. «Niemand von uns würde sich beklagen, wenn wir wegen eines Notfalls oder eines Patienten länger bleiben müssten. Aber aufgrund schlechter IT-Systeme aus dem letzten Jahrhundert Überstunden zu schieben, das ist frustrierend», so Andy.

Eine weitere Folge des Pensums: Zeit, die eigentlich für Weiterbildung zugesichert ist, wird den jungen Ärzten nicht zur Verfügung gestellt. Eigentlich werden den Nachwuchs-Medizinern vertraglich nämlich vier Stunden Mindestzeit für strukturierte Weiterbildungen in den Spitälern zugesichert. «Diese Ausbildungszeit erhalte ich jedoch nie», so Andy. Und das, obwohl den Spitälern pro Assistenzarzt jährlich 15'000 Franken zur Verfügung gestellt werden, und dies dient explizit der Weiterbildung.

Welche Massnahme sollte ergriffen werden, um die Arbeitsbedingungen der Assistenzärzte zu verbessern?

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