Krankenkassenprämien: «Nach den Abzügen bleiben uns nur 1000 Franken zum Leben»

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Satter Anstieg«Nach den Abzügen bleiben uns nur 1000 Franken zum Leben»

Eine fünfköpfige Familie aus dem Kanton Zürich spart bereits jetzt an allen Ecken und Enden. Wie sie die Rechnungen nach den erhöhten Prämien zahlen soll, weiss die Familie noch nicht.

Krankenkassenprämien: Darum gehts

  • Am Dienstagnachmittag verkündete Bundesrat Alain Berset, dass die Krankenkassenprämien nächstes Jahr um 8,7 Prozent steigen werden.

  • Für viele Menschen in der Schweiz spitzt sich damit die finanzielle Lage weiter zu.

  • So auch bei einer fünfköpfigen Familie aus dem Kanton Zürich. 

  • Sie spart bereits jetzt an allen Ecken – und fragt sich, wie sie die Rechnungen nächstes Jahr stemmen soll.

«Ich habe Angst davor, wieder in die Sozialhilfe zu fallen – ganz am Boden zu leben, ist schlimm.» D. (30) sitzt in ihrem Wohnzimmer, als 20 Minuten sie besucht. In einer 4,5-Zimmer-Dachwohnung im Zürcher Weinland wohnt sie mit ihrem Mann M. (37), ihren Kindern N. (11), S. (2) und F. (6 Wochen) und dem Familienhund.

Die fünfköpfige Familie trifft der Prämienschock hart. «Wir sparen bereits jetzt, wo es nur geht», erzählt D. «Wir wissen nicht, wie wir nächstes Jahr alle unsere Rechnungen bezahlen sollen.»

Lebensmittel per Heimlieferung

Dass die Lebenskosten so hoch sind, belastet die Familie sehr. Vor allem Ausflüge mit den Kindern und Ferien würden darunter leiden. Auch die wöchentlichen Einkäufe werden sorgfältig geplant.

Statt selbst mit dem Auto einkaufen zu fahren, lässt sich die Familie Lebensmittel nach Hause liefern. «Die Lieferung kostet nur 2.90 Franken – ab einem Bestellwert von 250 Franken ist sie gratis. Das lohnt sich bei den hohen Benzinpreisen», sagt sie. In der Schweiz kaufe die Familie überwiegend M-Budget-Produkte und Tiefkühlwaren. Hygieneartikel sowie Windeln und Waschmittel kaufe die Familie nur in Deutschland ein. «Würde ich nicht in Deutschland einkaufen, könnte ich meine Familie nicht mehr ernähren – sogar Spaghetti sind hierzulande zu teuer», so D.

Die Milchbuchrechnung

Vater M. ist System Engineer bei einer IT-Firma. Der branchenübliche Lohn liegt bei knapp unter 10’000 Franken im Monat. Einen grossen Teil der Ausgaben bildet die Miete, die Familie zahlt für ihre Wohnung 2750 Franken. Darauf folgen 1100 Franken Krankenkassenprämien, rund 1000 Franken für Lebensmittel und Haushalt, 650 Franken für das Leasing des Autos sowie einen Privatkredit und auch monatliche Steuern von rund 1000 Franken.

Nicht zu vergessen: Kosten aus Versicherungen, Benzin, Altersvorsorge und Verein sowie Spielgruppe für die Kinder. Übrig bleiben letztendlich rund 1100 Franken. Von diesen werden nächstes Jahr aufgrund der Prämienerhöhung zusätzlich rund 100 Franken an die Krankenkasse fliessen.

«Würde meinen Kindern gerne mehr bieten»

Die gelernte Automobilfachfrau hörte 2021, nach der Geburt ihres zweiten Kindes, auf zu arbeiten. Nun könne sie nicht wieder anfangen, weil die Kinderbetreuung in der Kita oder bei Tagesmüttern zu teuer sei. «Ich würde rund 3000 Franken im Monat nur für die Kinderbetreuung ausgeben», so die dreifache Mutter.

Die finanziellen Probleme stimmen D. auch hinsichtlich ihrer Kinder traurig: «Ich würde ihnen so gerne mehr bieten.» Ihrem elfjährigen Sohn wollte sie ein Smartphone kaufen – derzeit habe er ein altes Nokia, damit sie sich gegenseitig erreichen könnten. «Meine Zweijährige darf einmal pro Woche in die Spielgruppe – mehr Tage können wir uns nicht leisten», so D.

Machen dir die hohen Krankenkassenprämien zu schaffen?

Zukunft bereitet Sorgen

Die Familie trafen auch mehrere Schicksalsschläge: Bei Sohn N. wurde kürzlich Autismus festgestellt, Tochter S. musste in ihrem jungen Leben bereits operiert werden. «Dadurch fallen natürlich auch hohe Gesundheitskosten an», sagt Mutter D.

Sorgen bereitet der 30-Jährigen auch die Zukunft: «Was, wenn N. die Töffli-Prüfung machen will? Was, wenn er eine Lehrstelle bekommt, die aber weiter entfernt ist und somit eine auswärtige Wohnung braucht? Wir können kaum Geld zur Seite legen für solche Dinge.»

«Weg mit der Werbung und Privatisierung»

«Ich würde gerne mal sehen, wie viel die Chefs bei den Krankenkassen verdienen», sagt sie genervt. Sie fragt sich, ob die Krankenkassenprämien nicht dem Lohn angepasst werden könnten. «So wie in Deutschland – weg mit der Werbung und der Privatisierung, dann haben sie auch wieder mehr Geld in der Kasse», so die 30-Jährige.

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