Temu muss sich in der Schweiz nicht an die Regeln halten

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Ungleiche SpiesseTemu muss sich in der Schweiz nicht an die Regeln halten

Ausländische Onlineshops wie Temu unterstehen nicht der Schweizer Gesetzgebung. Das hat Folgen.

Temu in der Schweiz: Darum gehts

  • Onlineshops aus China müssen Gesetze in der Schweiz nicht einhalten.

  • Die heutige Regulierung führe zu einer klaren Bevorteilung von Temu und Co. gegenüber Schweizer Onlinehändlern, sagt der Detailhandel.

  • Das hat auch Folgen für die Schweizer Kundschaft, die bei Temu einkauft.

Temu schädigt den Schweizer Onlinehandel: Er verliere nun drei Prozent seines Umsatzes, weil der Shop aus China die Schweiz mit «Dumpingpreisen» und «Billigwaren» überflute, sagt Dagmar Jenni, Direktorin beim Schweizer Detailhandelsverband Swiss Retail Federation.

Diese Vorgaben muss Temu alle nicht einhalten

Nun fordert Jenni den Bundesrat zum Handeln auf: Er müsse verhindern, dass über Shopping-Apps aus dem Ausland Artikel in die Schweiz gelangen, die unseren Vorschriften nicht entsprechen. Denn Temu und Co. und die Hersteller der Waren auf dieser Plattform hielten sich zu häufig nicht an die Schweizer Vorgaben zur Produktsicherheit. Die Schweizer Behörden müssten diese Shops viel stärker kontrollieren.

China-Onlineshops unterstehen nicht der Schweizer Gesetzgebung

Ausländische Onlineshops wie Temu unterstehen nicht der Schweizer Gesetzgebung. Auch die Lebensmittelgesetzgebung für die Einfuhr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen für den privaten Gebrauch gilt nicht. Das sei problematisch, denn «Kinder nehmen Spielzeuge in den Mund», sagt GLP-Ständerätin Tiana Moser.

Temu und andere chinesische Onlineshops haben noch einen Vorteil: Ihre Kundinnen und Kunden müssen bis zu einem Betrag von 63 Franken keine Mehrwertsteuer bezahlen. Das verbillige Produkte aus China weiter, denn in der Schweiz fallen die Mehrwertsteuersätze ab dem ersten Franken an, so Jenni.

Der Bundesrat müsse handeln und die Regeln für Temu verschärfen, fordert die Swiss Retail Federation.

Der Bundesrat müsse handeln und die Regeln für Temu verschärfen, fordert die Swiss Retail Federation.

Sina Guntern

«Zunächst einmal erwarten wir vom Bundesrat eine möglichst rasche Beantwortung der beiden hängigen Interpellationen von Ständerätin Moser und Nationalrat Roduit», sagt Jenni. Dann könne er Massnahmen auf gesetzlicher Ebene sowie im Vollzug (Kontrollen, Sanktionen) einleiten.

Muss die Schweiz die Onlineshops aus dem Ausland stärker regulieren?

Auch die Lebensmittelgesetzgebung und die Spielzeugverordnung halte Temu nicht ein. Das zeigen Tests des Spielwaren Verbands Schweiz und von Greenpeace. Dabei sollten die Regeln dafür sorgen, dass nur sichere Produkte in der Schweiz verkauft werden.

Shein und Temu sind beide chinesische Billighändler, die vor allem Ultra-Fast-Fashion anbieten.

Shein und Temu sind beide chinesische Billighändler, die vor allem Ultra-Fast-Fashion anbieten.

Public Eye

Zudem gebe es weitere gesetzliche Vorschriften, die Produkte im Schweizer Onlinehandel verteuerten. Ein Beispiel dafür sind laut Jenni die Sorgfaltspflichten in den Lieferketten gemäss Obligationenrecht und der neuen Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz insbesondere zu Kinderarbeit. Ausserdem brauche es Klarheit darüber, wie stark Temu und Co. von Subventionen des chinesischen Staates profitieren.

Das sind die Auswirkungen für die Kunden

Die heutige Regulierung hat auch für die Kundschaft Folgen: Kauft man ein gefährliches Produkt auf Temu, etwa ein brennendes Akkuladegerät, kann man das in der Schweiz nirgendwo melden. Das vom Bund zur Verfügung gestellte Formular führe in Schritt zwei nur die Kantone auf und frage bloss, in welchem Kanton man das Produkt gekauft habe. «Auch das müsste man den heutigen Gegebenheiten anpassen», fordert Jenni.

Toxisches Metall in Temu-Spielzeug

Der Spielwaren Verband Schweiz hat Spielwaren von Temu und Shein getestet: 15 der 18 Spielwaren seien nicht verkehrsfähig, nach Schweizer Regeln hätte es Rückrufe geben müssen. An die müssen sich Temu und Shein aber nicht halten. Die Tester fanden in den Produkten «viel zu viel toxisches Schwermetall». Und Greenpeace stiess bei einem Test von Shein-Waren auf gefährliche Chemikalien.

Temu schreibt, dass die Firma kurz nach Veröffentlichung der Tests gehandelt und eine Überprüfung seiner auf der Schweizer Website verkauften Spielzeuge eingeleitet habe. Bestehe ein Anbieter diese nicht, entferne Temu ihn. Und als Vorsichtsmassnahme prüfe man «von Fall zu Fall» auch Artikel, die Kinder als Spielzeug nutzen, etwa Haustierzubehör. «Wir arbeiten aktiv mit unseren Verkäufern zusammen, um zu bestätigen, dass ihre Waren die erforderlichen Kriterien erfüllen, und bitten alle Beteiligten um Beiträge, um unser Angebot und die Kundenerfahrung zu verbessern», so Temu

«Sehr negative Umweltbilanz»

Temu schade auch der Umwelt: Das Unternehmen verpacke in der Regel jedes einzelne Päckchen separat und versende seine Waren per Luftfracht. In China seien die Umweltstandards häufig wenig greifbar und würden kaum durchgesetzt. All das führe zu einer «sehr negativen Umweltbilanz», zumal die Produkte häufig auch schneller im Abfall landen, weil sie qualitätsmässig minderwertig seien.

«Da Temu erst etwas mehr als ein Jahr alt ist, stehen wir mit unseren Nachhaltigkeitsprojekten noch am Anfang», schreibt das Unternehmen der Redaktion. Dennoch habe Temu in Kooperation mit «Trees for the Future» schon über sechs Millionen Bäume in ganz Afrika gepflanzt. Zudem reduziere das Temu-Modell die Beteiligung zahlreicher Zwischenhändler: Man minimiere die Anzahl der Transporte eines Artikels vom Beginn der Produktion bis zur Auslieferung an den Verbraucher und vermeide unnötige Transporte, was Kohlenstoffemissionen verringere.

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