Wintersport
Näher an der Natur: Darum lohnt es sich, diesen Winter die Langlaufloipe auszuprobieren

Noch nie waren in der Schweiz so viele Menschen auf den Langlaufski unterwegs wie in diesem Winter. Mit gutem Grund.

Silvia Schaub
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Einsam dahingleiten wie hier auf Alp Garfiun bei Klosters. Langlaufen erlebt gerade ein Revival.

Einsam dahingleiten wie hier auf Alp Garfiun bei Klosters. Langlaufen erlebt gerade ein Revival.

Martina Walder

Es herrscht Hochbetrieb an diesem sonnigen Wintertag im sonst ruhigen Rietbad im Obertoggenburg. Vor der Säntisloipe stauen sich die Autos, weil sämtliche Parkplätze schon besetzt sind. Der 64-jährige Martin Meyer mag sich darüber nicht ärgern, er hat seine Runden für heute bereits absolviert, schreitet zufrieden zu seinem Auto und macht dem nächsten Wartenden Platz. Er staunt: «Unglaublich, wie viele es derzeit auf die Loipen lockt.» Da tummeln sich durchtrainierte Skater und Hobby-Läufer ebenso wie ältere Ehepaare. Aber auch ganze Familien versuchen die Koordination mit den Ski und Stöcken in den Griff zu bekommen.

Melanie Roth aus St.Gallen versucht sich an diesem Tag ebenfalls zum ersten Mal auf den schmalen Langlauflatten. Noch ringt sie manchmal etwas mit dem Gleichgewicht, muss kurz abbremsen, wenn es plötzlich zu schnell wird. Aber der Stil der jungen Frau sieht schon nach kurzer Zeit respektabel aus. Kein Wunder, die 26-jährige Product Managerin ist auch sonst sehr sportlich unterwegs. Sie spielt Unihockey in der Nationalliga B bei den UHC Nesslau Sharks. Weil sie coronabedingt derzeit nicht trainieren dürfe, wollte sie eine neue Sportart entdecken.

Schon einige meiner Freunde haben mit dem Langlaufen angefangen, deshalb war es für mich nun der richtige Moment, es auch einmal zu probieren.

Der erste Eindruck hat sie begeistert, sie findet es einen coolen Sport und wird bald wieder auf die Loipe gehen.

Da hingegen ist Martin Meyer ein Routinier. Der Nesslauer steht seit 15 Jahren auf Langlaufski. Schon damals, weil er sich nicht mehr so gerne ins Getümmel auf den Skipisten mischen wollte. «Und es ist ein toller Sport, bei dem man wirklich alle Muskeln braucht», schwärmt der Immobilienvermittler. Es hat ihn so sehr gepackt, dass er seit sieben Jahren jeweils am Engadin Skimarathon teilnimmt. Auf der kleinen, abwechslungsreichen Säntisloipe an der Schwägalpstrecke kann er sich perfekt darauf vorbereiten. Topografisch liegt Rietbad mit herrlichem Blick auf den Säntis in einer Senke, was das Gebiet schneesicher macht. Der vordere Teil der Loipe verläuft eher flach, der hintere ist kupierter und anspruchsvoller.

Je nachdem, was ich trainieren will, wähle ich meine Route.

Nicht nur in Rietbad spürt man den Boom aufs Langlaufen quer durch alle Altersklassen. Noch nie waren in der Schweiz so viele Menschen auf den Langlaufski unterwegs wie in diesem Winter, wie Mariette Brunner, Präsidentin von «Loipen Schweiz» (Dachorganisation aller Loipenorganisationen der Schweiz) bestätigen kann. Das überrascht sie nicht. Denn derzeit liegt flächendeckend genügend Schnee und es ist kalt. «Und natürlich ist die Coronakrise ein wichtiger Katalysator, der dem Langlaufsport zusätzlichen Schub gibt. Viele steigen in diesem Winter lieber auf die Langlaufski statt in volle Gondeln.»

Viele Langlaufpässe mussten nachbestellt werden

Die Nachfrage ist schon in den letzten Jahren gestiegen. Nicht zuletzt dank den erfolgreichen Schweizer Langlaufsportlern wie Dario Cologna oder Nadine Fähndrich. Aber auch, weil einige Gebiete sowie Swiss-Ski mit speziellen Funparcours die Kinder ansprechen. «Das langweilige Image dieses Sports ist verschwunden, heute ist es cool auf den Langlaufski zu stehen.» Noch kann Mariette Brunner den Boom nicht mit Zahlen belegen. «Doch von den 113 Loipenorganisationen, die Mitglied bei ‹Loipen Schweiz› sind, haben schon 31 Langlaufpässe nachbestellen müssen. Das hat es noch nie gegeben und zeigt, dass die Nachfrage wirklich riesig ist.»

Langlaufstar Dario Cologna sorgt seit Jahren für positive Schlagzeilen – und macht seinen Sport so populär.

Langlaufstar Dario Cologna sorgt seit Jahren für positive Schlagzeilen – und macht seinen Sport so populär.

Keystone

Das freut auch Martina Walder. Ihr Bild ziert nämlich den aktuellen Langlaufpass sowie das offizielle Werbeplakat des Verbandes. Coronabedingt zieht die 36-jährige Zürcher Geschäftsfrau derzeit nicht wie sonst üblich ihre Runden auf dem grossen Loipennetz in Klosters, sondern auch mal auf der Finnenloipe in Rothenthurm SZ. Sie startet direkt beim Bahnhof und führt durch das grösste zusammenhängende Hochmoorgebiet der Schweiz.

Die Loipe ist hervorragend präpariert und die Strecken so ausgelegt, dass man sich kurzfristig entscheiden kann, ob man eine grössere oder kleinere Runde skaten will.

Die sportliche Zürcherin fährt zwar auch Ski, schätzt aber am Langlaufen, dass man dabei gut Abstand halten könne. «Und man ist näher an der Natur und nimmt sie anders wahr als auf der Skipiste.»

Das sind vier weitere kleine, aber besonders schöne Gebiete

Edgar Schnüriger, Präsident des Vereins Finnenloipe Rothenthurm, ist hocherfreut über den Aufmarsch der Langläuferinnen und Langläufer. Vor der Ski-Vermietung habe es manchmal riesige Schlangen gegeben. Schnüriger steht selbst auch fast täglich auf der Loipe – zur Qualitätskontrolle, wie er schmunzelnd sagt. Er stelle fest, dass viele Einsteiger unter den Gästen seien, aber auch solche, die schon lange nicht mehr auf den Skie gestanden sind. Man habe natürlich in diesem Winter bisher auch von guten Bedingungen profitieren können.

Das ist auch im Eigenthal der Fall. Der Ort liegt nur gut eine halbe Stunde von Luzern entfernt am Nordfuss des Pilatus. Das kleine Langlaufgebiet lockt nicht nur, weil es im Winter oft nebelfrei ist, sondern über zahlreiche schön gelegene Loipen verfügt. Noch ein Pluspunkt: Hier hat schon Weltcupsiegerin Nadine Fähnd­rich ihre ersten Langlaufschritte gemacht.

Zu den kleineren Langlaufgebieten gehört Brigels in der Surselva. Der Bündner Wintersportort, auf einem sonnigen Hochplateau gelegen, bietet drei Rundkurse von 1 bis 6 Kilometer Länge für Einsteiger, Genussläufer und sportlich Ambitionierte an, die alle direkt vom Dorf aus starten.

Auch auf dem Jaunpass kommen Langläufer auf die Kosten, die lieber grosse Gebiete meiden wollen. Das Langlaufgebiet zwischen Simmental und dem freiburgischen Greyerzerland liegt auf rund 1500 Metern über Meer und bietet einen schönen Ausblick auf die Gastlosen. Die Strecke mit einigen Anstiegen und Abfahrten besteht aus mehreren Schlaufen und umfasst rund 16 Kilometer.

Und wer in der Westschweiz ein kleines Langlauf-Paradies sucht, wird in Les Pléiades fündig. Die Loipen oberhalb von Vevey liegen zwar nicht besonders hoch, bieten aber ein schönes Panorama über den Genfersee. Die Strecke führt mit flachen Abschnitten und mässigen Steigungen durch eine herrliche Naturlandschaft.

Mariette Brunner von «Loipen Schweiz» freut sich, dass derzeit alle Loipen offen sind und gerade nochmals eine Ladung Schnee gekommen ist. Sie hofft, dass dieser über die Skiferien hinaus liegen bleibt und so möglichst viele Neueinsteiger auf die Loipen lockt. Schliesslich war schon vor 50 Jahren die Aktion «LLL» der Auslöser für einen grossen Langlaufboom. Und auch heute noch dürfte der Slogan «Langläufer leben länger» seine Gültigkeit haben.

Weitere Infos und Loipen unter www.langlauf.ch oder www.schweizmobil.ch