Bei ihrem Debüt in der Talkshow “3 nach 9“ wirkt Moderatorin Judith Rakers an der Seite von Giovanni di Lorenz souverän und einfühlsam.

Bremen. Sie hätte es sich leicht machen und mit Ulrich Tukur beginnen können. Doch es war "3 nach 9"-Dauergastgeber Giovanni di Lorenzo , der sich entspannt im Sessel zurücklehnen und den umtriebigen Schauspieler und Musiker befragen durfte, der bekannt dafür ist, mit seinem Charme und Smalltalktalent jedem Drittklässler, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, ein passables Interview zu ermöglichen.

Judith Rakers erster offizieller Auftritt bei der Radio Bremen-Talkshow, der ältesten und geschichtsträchtigsten Talkshow im deutschen Fernsehen, begann mit Gelschinken, Biosiegel und unzulässigen Zuckerzusätzen in Kinderschokolode. Dass die Moderatorin es all jenen zeigen wollte, die im Vorfeld über ihre blonde Harmlosigkeit geunkt hatten; die ihr ob des "Tagesschau" -Sprecherjobs mangelnde Spontanität und konfrontatives Potenzial unterstellt hatten, war an diesem späten Freitagabend volle zwei Stunden lang nicht zu übersehen.

Den Provokateur Thilo Sarrazin hatte sie sich ausdrücklich als Gast gewünscht, Foodwatcher Thilo Bode hatte sie bekommen. So kontrovers die Thesen des einen, so harmonisch verlief das Gespräch mit dem Lebensmittelexperten, dessen Forderung, Nahrungsmittel ausreichend zu kennzeichnen wohl niemand im Publikum ernsthaft widersprechen würde. Es war jedenfalls ein gesellschaftlich relevantes Thema und kein Boulevardgeplänkel, mit dem Rakers sich hier präsentierte, und darauf schien sie Wert gelegt zu haben.

Wo ihre Vorgängerin und "Feuchtgebiete"-Autorin Charlotte Roche vor ihrer ersten Sendung dutzendfach versichern musste, die Gäste mit schlüpfrigen Fragen zu verschonen, weder zu fluchen noch sich für die Kameras sichtbar am Hinterteil zu kratzen, sah sich Rakers im Vorfeld ihres Talkdebüts Interviewfragen wie der folgenden ausgesetzt: "Ist ihr Blond echt?" - um im weiteren Gesprächsverlauf knallhart auf die Tatsache geprüft zu werden, "ob das Äußere in ihrem Job eine Rolle spielt".

Dass Rakers und di Lorenzo äußerlich betrachtet ein Moderatorenpaar abgeben, das jede Vorabendserie schmücken würde, mag eine Tatsache sein. Ebenfalls Fakt ist, dass gute Nachrichtensprecherinnen nur selten bemerkenswerte Moderatorinnen sind. Wer mit emotionsloser Mimik Staus auf der A 47 und Schweinegrippeviren ansagt, der entwickelt kein eigenständiges Profil, so die Logik. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, konnte die 34-Jährige es nur besser machen. Was sie dann auch tat.

Nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" plauderte sie mit Tom Jones über Unterhöschen und feuchte Träume, bevor sie ihn zum Tiger-Tanz auf die Bühne schickte - ein ziemlich albernes Gespräch, in dem lediglich verwunderte, dass Rakers tatsächlich nicht peinlich berührt schien, als sie Jones dem sogenannten Tiger-Test unterzog, den sich die Frauenzeitschrift "Cosmopolitan" nicht versauter hätte ausdenken können. Charlotte Roche hätte sich das sicher nicht getraut.

Es wurde viel gelacht in dieser "3 nach 9"-Ausgabe und noch mehr musiziert, es ging insgesamt so nett zu, wie der Großteil der Medien es im Vorfeld prognostiziert hatte. Nur in den ersten Minuten, als di Lorenzo seine neue "Dauerfreundin" im kornblumenblauen Abendkleid vorstellte, durfte Judith Rakers ein bisschen biestig werden - allerdings mit einem Augenzwinkern. Die seriösesten Zeitungen, erklärte sie, hätten ihr die dümmsten Fragen bezüglich ihres neuen Zweitjobs gestellt. Das musste raus, danach räkelte sich Judith Rakers sichtbar zufrieden auf ihrem Sitz zurecht.

Schön, wie sie zum Schluss den Schauspieler Moritz Bleibtreu, auf den sie sich im Vorfeld besonders gefreut hatte, zu seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Mutter Monica Bleibtreu befragte. Das war unaufdringlich und trotzdem einfühlsam, kurz und dennoch bewegend. Der starre Sprecherinnenblick, er fehlte in einer Unterhaltung wie dieser völlig. Niemand wird sagen können, dass Judith Rakers für das Gelingen dieser Sendung nicht ordentlich geschuftet hätte. Aber leicht ist ja auch langweilig.