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ANWENDUNGEN
System zur Überwachung und Schätzung
fahrdynamischer Signale
System for Monitoring and Estimation of Vehicle Dynamics Signals
Stefan Hillenbrand, Stefan Otterbein und Ansgar Rehm
Anhand des Beispiels zweier existierender Fahrzeugregelsysteme wird gezeigt, dass sich
durch die gemeinsame Verarbeitung der fahrdynamischen Sensorsignale erweiterte Möglichkeiten im Bereich der Sensorüberwachung und der Signalschätzung ergeben. Hierzu werden
Verfahren zur Überwachung redundanter Sensorsignale, zur modellbasierten Plausibilisierung
der Wankrate sowie zum Schätzen der Querneigung vorgestellt.
Based on two existing vehicle control systems it is shown that combined processing of vehicle
dynamics signals offers an extended potential for sensor monitoring and signal estimation.
Algorithms for monitoring of redundant signals, for model based plausibility checking of the
roll rate signal, and for estimation of lateral inclination are presented.
Schlagwörter: Fahrdynamik, Signalüberwachung, Signalschätzung, Redundanz
Keywords: Vehicle dynamics, signal monitoring, signal estimation, redundancy
1 Einleitung
Aufgrund der steigenden Anforderungen an die Sicherheit
und an den Komfort nimmt die Zahl der in modernen
Fahrzeugen verbauten Regel- und Steuerungssysteme immer weiter zu. Einige dieser Systeme – zum Beispiel das
ESP [10] oder auch das Steuergerät für Kopfairbags [6; 7]
– sind mit Sensoren zur Erfassung des Bewegungszustandes des Fahrzeuges ausgestattet. In heutigen Fahrzeugen
arbeiten die Fahrzeugregelsysteme weitestgehend unabhängig voneinander, das heißt jedes System verarbeitet nur die
Signale der ihm jeweils zugeordneten Sensoren. In Bild 1
ist die Signalverarbeitung von ESP und RoSe (,,Rollover
Sensing“ [7]) schematisch dargestellt.
Die wesentlichen fahrdynamischen Eingangssignale des
ESP sind die Gierrate ωz , die Querbeschleunigung a y , der
Lenkwinkel δ sowie die vier Radgeschwindigkeiten. In der
ersten Stufe der Signalverarbeitung werden diese Eingangssignale zunächst unabhängig voneinander verarbeitet. So
werden zum Beispiel hochfrequente Rauschanteile durch
geeignete Tiefpassfilter vermindert und Signaloffsets mit
Hilfe von langsamen Mittelwertberechnungen erkannt und
korrigiert. Bei einem Sicherheitssystem wie dem ESP ist
darüber hinaus die Überwachung der Sensorsignale von
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großer Bedeutung. Für jeden Sensor wird daher überprüft,
ob das Signal am Steuergerät ankommt, innerhalb des gültigen Wertebereiches liegt und keine zu starken zeitlichen
Veränderungen oder Peaks aufweist.
Im nächsten Block werden mit Hilfe von Modellen zur
Beschreibung der Fahrzeugbewegung die Signale von
Gierrate, Querbeschleunigung und Lenkwinkel plausibi-
Bild 1: Struktur der Signalverarbeitung der Systeme ESP und RoSe.
at – Automatisierungstechnik 55 (2007) 6 / DOI 10.1524/auto.2007.55.6.330 Oldenbourg Wissenschaftsverlag
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lisiert [3; 5; 9; 12; 13]. Die Modelle werden auch zum
Schätzen fahrdynamischer Größen eingesetzt, die nicht –
oder nur mit sehr hohem Aufwand – direkt von Sensoren gemessen werden können. Ein Beispiel hierfür ist die
Fahrzeuggeschwindigkeit über Grund.
Die so überwachten Sensorsignale und die Schätzgrößen
werden schließlich von den Reglern des ESP als Eingangsgrößen verwendet, um über die Ansteuerung der Bremsen
des Fahrzeuges dessen Bewegung in geeigneter Weise zu
beeinflussen.
Aufgabe des in Bild 1 rechts gezeigten RoSe (,,Rollover
Sensing“) Systems [7] ist, einen Überschlag eines Fahrzeuges sicher zu erkennen und zu den geeigneten Zeitpunkten Rückhaltemittel wie Gurtstraffer, Kopfairbags und
Überrollbügel auszulösen. Hierfür werden die Wankrate ωx
sowie die Beschleunigungen a y in Quer- und az in Vertikalrichtung gemessen.1 Die Auslösung der Rückhaltemittel
erfolgt, wenn sowohl anhand des Wankratensignals als auch
mit Hilfe der gemessenen Beschleunigungen ein Überschlagvorgang erkannt wird.
Um die Auslösegenauigkeit des RoSe-Systems für so genannte soil trip rollover, bei denen das Fahrzeug quer von
der Fahrbahn rutscht und sich die Räder in den weichen
Untergrund eingraben, zu verbessern, wird der Algorithmus
derart erweitert, dass die Quergeschwindigkeit des Fahrzeuges vor dem Überschlag in die Auslöseentscheidung
mit einbezogen wird [6]. Dieses RoSe II genannte System benötigt zur Schätzung der Quergeschwindigkeit des
schleudernden Fahrzeuges Signale des ESP. Bild 2 zeigt die
Struktur der Signalverarbeitung von ESP und RoSe II.
Bisher verwendet RoSe II die Signale des ESP ausschließlich zum Schätzen der Fahrzeugquergeschwindigkeit, um so
die Rückhaltemittel noch genauer auslösen zu können. Andere Möglichkeiten wie die modellbasierte Plausibilisierung
des Wankratensignals oder der Vergleich der redundant vorhandenen Querbeschleunigungsmessgröße werden nicht genutzt. Das ESP liefert zwar zahlreiche Signale an RoSe II,
kann jedoch selbst von dessen Sensorsignalen nicht profitieren. Es liegt daher nahe, sowohl dem ESP als auch
1
Es sind auch Verfahren bekannt, die statt des Wankratensignals die
Signale mehrerer Beschleunigungssensoren heranziehen [11].
Bild 2: Struktur der Signalverarbeitung der Systeme ESP und RoSe II.
Bild 3: Signalstruktur des Systems zur Überwachung und Schätzung
fahrdynamischer Signale für ESP und RoSe II.
RoSe II alle in Bild 2 gezeigten Sensorsignale zur Verfügung zu stellen [4; 8]. Damit ergibt sich die in Bild 3
gezeigte logische Struktur der Signalverarbeitung für die
beiden Systeme.
Ausgehend von diesem Beispiel sind im System zur
Überwachung und Schätzung fahrdynamischer Signale alle
vorhandenen fahrdynamischen Messgrößen zusammengefasst [4; 8]. Da diesem System dann deutlich mehr Signale
als den Einzelsystemen zur Verfügung stehen, ergeben sich
im Bereich der modellbasierten Plausibilisierung und der
Signalschätzung für viele Fahrzeugsysteme nutzbare Vorteile, von denen einige in den folgenden Abschnitten näher
erläutert werden.
2 Überwachung redundanter
Sensorsignale
Die Kombination der Signale des ESP und des RoSeSystems ermöglicht insbesondere eine gegenseitige Überwachung der beiden verbauten Querbeschleunigungssensoren (redundante Überwachung) innerhalb des gemeinsamen
Messbereichs. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, über
die kinematische Beziehung a y = vx ωz ein weiteres Beschleunigungssignal aus den ESP-Signalen Fahrzeuglängsgeschwindigkeit vx und Gierrate ωz zu bestimmen (analytische Redundanz [3; 5; 9]). Nimmt man an, dass nicht
mehrere Sensorfehler gleichzeitig auftreten, lässt sich theoretisch ein Sensorfehler aufgrund der Diskrepanz der beiden Messsignale feststellen. Der fehlerhafte Sensor kann
unter Hinzuziehung des Modellsignals auf der Basis eines
Mehrheitsentscheids (,,voting Verfahren“ [5]) identifiziert
werden.
Dieser naheliegende Zugang lässt sich in der Praxis jedoch
so meistens nicht realisieren: Zum einen sind Sensorsignale
typischerweise verrauscht, zum anderen basieren Modellsignale auf vereinfachenden Annahmen bzw. unbekannten
Parametern. Damit ergeben sich also auch im fehlerfreien
Fall Abweichungen, die dann fälschlicherweise als Sen-
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sorfehler interpretiert werden könnten. Betrachtet man die
angesprochene Fahrzeuganwendung, ist insbesondere das
Modell a y = vx ωz nicht in allen Fahrsituationen gültig.
Bei entsprechenden Fahrbahnanregungen (,,Schlechtweg“)
können außerdem die Querbeschleunigungssensoren kurzzeitig ein Vielfaches des physikalisch plausiblen Signals
anzeigen. Damit verbieten sich auch Voting Verfahren, die
Toleranzen berücksichtigen.
In der Literatur (z. B. [2]) werden deshalb Tiefpassfilter
zur Rauschunterdrückung in Kombination mit einer statistischen Auswertung der Signaldifferenzen betrachtet. Nachteilig an diesem Zugang, insbesondere in Hinblick auf eine
Realisierung in einem Steuergerät, ist der verhältnismäßig
hohe Rechenaufwand. Im Folgenden wird stattdessen eine
pragmatische Variante beschrieben, die insbesondere deutlich weniger Speicher benötigt.
Verglichen wird die gefilterte Differenz der beiden Sensorsignale mit einer adaptiven Schwelle. Diese Schwelle
besteht aus einem festen Anteil, der Sensoroffsets berücksichtigt, und dem eigentlichen adaptiven Anteil, der
proportional zum Mittelwert der beiden Sensorsignale ist.
Die Überschreitungen der Schwelle werden gezählt und bei
Überschreitung eines Maximalwertes wird ein Fehlerflag
gesetzt.
Dieses Konzept wird ebenfalls zur Identifikation des fehlerhaften Sensors benutzt. Dazu werden beide Sensorsignale
jeweils mit dem Modellsignal a y = vx ωz verglichen. Der
Fehler ist erkannt, wenn die entsprechenden Zähler für den
korrekt arbeitenden Sensor eine geringe Abweichung und
gleichzeitig für den fehlerhaften Sensor eine große Zahl
von Überschreitungen der Schwelle signalisieren.
Das Prinzip wird anhand von Bild 4 erläutert: Einem der
beiden Querbeschleunigungssignale (ESP-a y -Signal, grau)
ist ein Offsetfehler ab t = 22 s überlagert. Zunächst ist
wegen starken Fahrbahnanregungen (Schlechtweg) keine
Fehlererkennung möglich. Die Signalverläufe werden zwar
intern geglättet, aber gleichzeitig wächst die adaptive
Schwelle aufgrund der hohen auftretenden Beschleunigungen. Damit bleiben die zugeordneten Statusflags noch bei
dem Wert 3, der ein fehlerfreies, redundant überwachtes Signal kennzeichnet. Schließlich wird bei t = 34,1 s
der Fehler erkannt (eindeutige Abweichung über ein längeres Zeitintervall bei gleichzeitig fallender adaptiver
Schwelle). Die zugeordneten Statusflags signalisieren durch
den Sprung auf den Wert −1 den erkannten Fehler bei noch
ungeklärter Zuordnung zu einem Sensor. Zum Zeitpunkt
t = 34,4 s ist durch den Vergleich mit dem Modellwert
eine Zuordnung möglich: das Flag für den ESP-a y -Sensor
zeigt mit dem Wert 0 die Fehlerursache an. Das Flag für
den RoSe-Sensor springt zunächst für einen Abtastschritt
auf den Wert 2, um den erfolgreichen Modellvergleich zu
kennzeichnen. Da anschließend keine weitere Überwachung
stattfindet, wird auf den Status des Eingangssignals in
die redundante Überwachung umgeschaltet. Dieser signalisiert mit dem Wert 1, dass vorgeschaltete signalindividuelle
Tests keinen Fehler erkannt haben.
3 Wankratensensor-Überwachung
Mit der gemeinsamen Nutzung der ESP- und RoSe-Signale
wird auch eine modellgestützte Überwachung des Wankratensensors möglich. Bei einer Überwachung dieses Typs
wird der gemessene Wert mit einem oder mehreren Schätzwerten verglichen und bei Abweichung über eine gewisse
Schwelle hinaus auf Fehler erkannt. Hier werden zwei
Schätzwerte zunächst für den Wankwinkel berechnet, die
anschließend differenziert und mit dem gemessenen Wankratensignal verglichen werden. Der eine Schätzwert beruht
auf der kinematischen Beziehung
sin ϕ =
a y − ωz v x
g
zwischen den ESP-Größen Querbeschleunigung a y , Gierrate ωz sowie Fahrgeschwindigkeit vx und dem Wankwinkel ϕ des Fahrzeugs (g ist die Fallbeschleunigung2). Diese
Beziehung liefert allerdings nur bei stationärer Fahrt sehr
gute Schätzergebnisse. Der andere Schätzwert basiert auf
einem einfachen Modell der Wankbewegung des Fahrzeugaufbaus, in dem die Abstützung des Aufbaus durch Federung und Dämpfer modelliert ist. Dieses Wankmodell (in
Form einer Dgl. 2. Ordnung) kann sogar in der Ordnung
noch reduziert werden und äußert sich letztlich in Form
eines Tiefpassfilters
T ϕ̇V + ϕV = k · a y .
Der zweite Schätzwert kann damit allein aus der gemessenen Querbeschleunigung bestimmt werden, wobei die
Parameter T und k anhand von Messdaten aus dem Fahrversuch identifiziert sind. Das Modell schätzt allerdings den
Wankwinkel ϕV des Fahrzeugs relativ zur Fahrbahn (bzw.
die Zeitableitung); dieser unterscheidet sich vom (Gesamt-)
Bild 4: Redundante Fehlererkennung und Fehleridentifikation für zwei
Querbeschleunigungssensoren.
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Der Beschleunigungssensor arbeitet nach dem seismischen Prinzip, erfasst also bei geneigter Messrichtung auch den Fallbeschleunigungsanteil.
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nigung a y , Gierrate ωz und Fahrgeschwindigkeit vx . Das
Schätzverfahren nutzt dieselbe kinematische Beziehung, die
schon oben angegeben ist, zur Berechnung der ,,Stützgröße“ ϕSt sowie die Integration der Wankrate ωx und
verknüpft beides in Form eines Beobachters bzw. KalmanFilters, siehe Bild 6. Gelegentlich wird diese Anordnung
auch mit ,,complementary filters“ bezeichnet [1], da sie
sich als Überlagerung der tiefpassgefilterten Stützgröße und
hochpassgefilterten integrierten Wankrate deuten lässt. Dabei addieren sich die Übertragungsfunktionen der beiden
Filter (in ,,komplementärer“ Weise) zu Eins.
Bild 5: Beispiel für die Wankratenfehlererkennung.
Wankwinkel ϕ durch den Wankwinkel ϕ R der Fahrbahn gemäß
ϕ = ϕV + ϕ R
Auch das Schätzverfahren ist anhand von Messdaten in typischen Fahrmanövern parametriert und liefert gute Schätzwerte des Wankwinkels. Illustriert wird dies in Bild 7
und 8, das Daten zu einer Fahrt im Hochgeschwindigkeitsoval des Prüfzentrums in Boxberg zeigt. Das Oval besteht
aus zwei Steilkurven, die durch zwei (annähernd horizontale) Geradenstücke miteinander verbunden sind. Gezeigt
sind in Bild 7 die Stützgröße ϕSt , die stark verrauscht ist,
sowie die ,,offen“ integrierte Wankrate ϕint . Letztere zeigt
infolge eines Offsets im Wankratensensor anwachsende
Fehler.
Der zweite Schätzwert ist damit nur bei Fahrt auf einer Fahrbahn konstanter Querneigung brauchbar (dϕ/dt =
dϕV /dt), insbesondere also auf horizontaler Fahrbahn.
Durch numerische Differentiation ergeben sich aus den beiden Schätzwerten zwei Vergleichssignale für die Wankrate.
Aufgrund der diskutierten Modellabweichungen kann nur
dann auf einen Sensorfehler geschlossen werden, wenn
beide mit diesen Vergleichssignalen berechneten Residuen
gleichzeitig größer als die Überwachungsschwelle werden.
Das Verfahren ist anhand von Messdaten in typischen
Fahrmanövern parametriert und erprobt. Insbesondere ist
die Überwachungsschwelle adaptiv, sie nimmt proportional
zur Gierrate zu. Offset-Fehler können bei Geradeausfahrt
gut erkannt werden, bei Kurvenfahrt allerdings nur Fehler
großer Intensität.
Bild 6: Blockschaltbild des Beobachters.
Bild 5 zeigt als Beispiel den Verlauf der Wankrate, der Residuen und der Fehlerschwelle; zum Zeitpunkt t = 10 s wird
ein Wankratenfehler von −5◦/s aufgeschaltet.
Etwa 1,5 s nach Aufschalten des Fehlers überschreiten
beide Residuen den Schwellwert für die Fehlererkennung,
und es kann auf einen Wankratensensorfehler geschlossen
werden.
4 Wankwinkel-Schätzung
Nach der Überwachung des Wankratensignals kann (im
fehlerfreien Fall) eine weitere Funktion realisiert werden,
die in dieser Güte die beteiligten Systeme einzeln nicht
leisten können: die Schätzung des Wankwinkels. Diese
benötigt als Eingangsgrößen die vom RoSe-System gemessene Wankrate ωx sowie die ESP-Größen Querbeschleu-
Bild 7: Wankwinkelschätzung: Stützgröße und integrierte Wankrate.
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integriert werden. Dann bietet es sich an, in diesem Steuergerät auch das System zur Überwachung und Schätzung
fahrdynamischer Signale zu realisieren.
Literatur
Bild 8: Wankwinkelschätzung: Schätz- und Referenzgröße.
Nach einmaligem Durchfahren einer Runde (bei etwa
130 s) ist der Wert um ca. 3◦ höher als beim Start. Beide
Signale liefern nur eine sehr grobe Schätzung des Wankwinkels, erst die Nutzung beider Informationsquellen gemäß Bild 8 zum eigentlichen Schätzwert ϕest führt zu einem
guten Ergebnis, dies erkennt man im Vergleich mit dem
,,tatsächlichen“ Winkel ϕref , der mit einem GPS-gestützten
hochgenauen Inertialmesssystem ermittelt ist.
Neben der Schätzung des Gesamtwankwinkels ϕ hat man
zusätzlich – mit dem oben erwähnten Modell in Form des
Tiefpassfilters – eine Schätzung des Wankwinkels ϕV relativ zur Fahrbahn. Damit kann auch durch einfaches Bilden
der Differenz der Wankwinkel ϕ R der Fahrbahn ermittelt
werden.
Bei Anwendung dieses Schätzverfahrens können bei Kurvenfahrt bergauf oder bergab größere Fehler auftreten. Die
Ursache hierfür kann an der kinematischen Beziehung
ϕ̇ = ωx + tan θ · (sin ϕ · ω y + cos ϕ · ωz )
abgelesen werden: Bei vorhandenem Nickwinkel (θ = 0),
etwa aus einer Fahrbahnsteigung, und Kurvenfahrt (ωz = 0)
ergibt die Integration der Wankrate nicht mehr den Wankwinkel.
5 Zusammenfassung
[1] A. J. Baerveldt und R. Klang: A Low-cost and Low-weight
Attitude Estimation System for an Autonomous Helicopter,
Proc. of the IEEE Int. Conf. on Intelligent Engineering Systems, INES ’97, Budapest, Hungary, September 1997.
[2] E. L. Ding und T. Massel.: Neues Konzept zur redundanten Überwachung von Querbeschleunigungssensoren. ATZ,
107(4), 2005, Seiten 324–329.
[3] S. X. Ding, S. Schneider, E. L. Ding und A. Rehm: Advanced
Model-based Diagnosis of Sensor Faults in Vehicle Dynamics Control Systems. Proceedings of the 16th IFAC
World Congress, Prag, Tschechien, 4.–8. Juli 2005, Paper
Nr. 03278.
[4] D. Hofmann: Entwicklung einer zentralen Sensorauswertung
für die Fahrzeugbewegung. Internationaler VDI-Kongress
Elektronik im Kraftfahrzeug, Baden Baden, 25.–26.09.2003.
[5] R. Isermann: Supervision, fault detection, and fault diagnosis methods – An introduction. Control Engineering
Practice, 5(5), 1997, Seiten 639–652.
[6] M. Kröninger, R. Lahmann, T. Lich, M. Schmid, H. Güttler,
T. Huber und K. Williams: A new sensing concept for tripped rollovers. SAE-Paper 2004-01-034, 2004.
[7] T. Lich und B. Breitmaier: Optimierte Überrollsensierung
zur frühzeitigen Überschlagerkennung. Automotive Electronics I, Sonderausgabe von ATZ und MTZ und Automotive
Engineering Partners, 2003, Seiten 84–87.
[8] A. Rehm und D. Hofmann: Design of a Central Sensor Plausibility Check for the Vehicle Movement. Proceedings of
the World Automotive Conference FISITA 2004, Barcelona,
Spanien, 23.–27.05.2004, Paper Nr. F2004IO52.
[9] S. Schneider, N. Weinhold, S. X. Ding, H.-G. Schulz,
E. L. Ding und A. Rehm: Parity Space Method Based Design
of Unknown Input Observers for Fault Detection in Vehicle
Lateral Dynamics Control System. International Conference
on Advances in Vehicle Control and Safety, AVCS 2004,
Genua, Italien, 28.–30.10.2004, Seiten 200–207.
[10] A. T. van Zanten, R. Erhardt und G. Pfaff: Die Fahrdynamikregelung von Bosch. Automatisierungstechnik, 44(7), 1996,
Seiten 359–365.
[11] R. Eger: Schätzung von Fahrzeugüberschlagen, Dissertation
Universität Karlsruhe, Shaker Verlag 2000.
[12] M. Würtenberger: Modellgestützte Verfahren zur Überwachung des Fahrzustands eines PKW, Fortschr.-Ber. VDI
Reihe 12 Nr. 314, VDI-Verlag 1997.
[13] M. Börner, H. Straky und R. Isermann: Steigerung der Fahrsicherheit durch Einsatz modellgestützter Methoden der
Fehlererkennung und -diagnose, 11. Aachener Kolloquium
Fahrzeug- und Motorentechnik 2002, Seiten 1127–1167.
Manuskripteingang: 18. Mai 2006.
Am Beispiel der beiden Systeme ESP und RoSe II wurde
dargestellt, dass sich durch die gemeinsame Bearbeitung
der fahrdynamischen Sensorsignale erweiterte Möglichkeiten bei der Sensorsignalüberwachung und bei der Signalschätzung ergeben. Werden die fahrdynamischen Sensorsignale auch der anderen Fahrzeugsysteme zusammengefasst,
ergeben sich weitere Potenziale. Hierfür werden gegenwärtig Algorithmen und Verfahren entwickelt und erprobt.
In zukünftigen Fahrzeugen ist denkbar, dass die Inertialsensoren in einem leistungsfähigen zentralen Steuergerät
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Dr.-Ing. Stefan Hillenbrand beschäftigt sich bei
der Vorausentwicklung der Robert Bosch GmbH in
Schwieberdingen mit der Schätzung und Überwachung fahrdynamischer Größen sowie mit der aktiven Beinflussung der Fahrzeugbewegung.
Adresse: Robert Bosch GmbH, CR/AEV2, Postfach 30 02 40, 70442 Stuttgart, Tel.: 0711/811-42035,
Fax: 0711/811-1720,
E-Mail: Stefan.Hillenbrand@de.bosch.com
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Dr.-Ing. Stefan Otterbein beschäftigt sich bei der
Vorausentwicklung der Robert Bosch GmbH in
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Prof. Dr.-Ing. Ansgar Rehm arbeitet auf den Gebieten der Regelungstechnik und der digitalen Signalverarbeitung mit Anwendungen u. a. in Fahrdynamik, Verfahrenstechnik und Robotik.
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