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Schwerpunkt: Supervision – Originalie Psychotherapeut 2010 · 55:465–470 DOI 10.1007/s00278-010-0773-4 Online publiziert: 13. Oktober 2010 © Springer-Verlag 2010 Redaktion M. Cierpka, Heidelberg Harald J. Freyberger Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Greifswald am Hanse-Klinikum Stralsund Professionalisierung der Supervision Qualifikationsmerkmale und Ausbildungserfordernisse von Supervisoren Ausgangslage Die Supervision in der Ausbildung psychologischer und der Weiterbildung ärztlicher Psychotherapeuten ist bereits hinsichtlich der Rahmenbedingungen und der sehr unterschiedlichen praktischen Umsetzung für sich genommen ein inhomogenes Feld. Während in der Ausbildung von psychologischen Psychotherapeuten bei insgesamt 600 Stunden geforderter ambulanter Patientenbehandlung nach jeder 4. Sitzung mit insgesamt 150 Stunden nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen Supervisionen durchzuführen sind, liegen die Anforderungen für die Weiterbildung im ärztlichen Bereich in der Facharztausbildung Psychiatrie und Psychotherapie mit 240 Stunden in der Musterweiterbildungsordnung von 2003 auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Zusätzlich werden 40 kontinuierlich supervidierte abgeschlossene Behandlungen aus dem Gesamtbereich psychischer Erkrankungen gefordert. Für den Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sind 1500 Stunden Behandlungen mit Supervision nach jeder 4. Stunde mit mindestens 40 Patienten als Vorgabe festgelegt. Die Supervision in der Ausbildung psychologischer Psychotherapeuten erfolgt in der Regel über die entsprechenden Ausbildungsinstitute und die dort zugelassenen Supervisoren. Die Supervisionen im ärztlichen Bereich werden nur teilweise über Ausbildungsinstitute abgebildet und erfolgen häufig innerhalb der Kliniken oder innerhalb der zwischen Kliniken bestehenden Weiterbildungsverbünde, ohne dass hierzu verlässliche Daten vorliegen. Die Frage, in welchem Umfang die Supervision intern, d. h. innerhalb der Ausbildungssysteme, oder extern, d. h. durch unabhängige, nichtinstitutionell gebundene Supervisoren, erfolgt, ist ungeklärt und wird durchaus kritisch sowie kontrovers diskutiert. In der klinischen Praxis psychiatrischer und psychosomatischer Kliniken dürfte es aus pragmatischen Gründe oft die Regel und selten die Ausnahme sein, das Assistenzärzte und klinische Psychologen durch Vorgesetzte supervidiert werden, die Z. B. gleichzeitig über Teamzusammensetzungen und Vertragsverlängerungen entscheiden. In der Ausbildung psychologischer Psychotherapeuten wird aber ebenfalls durchaus auch in nennenswertem Umfang von Überschneidungen von Supervisoren, Ausbildungs- und Selbsterfahrungsleitern berichtet (Glaesmer et al. 2009; Sonntag et al. 2009). In welchem Umfang hier das traditionell in der Psychotherapie verankerte Neutralitätsgebot verletzt wird, ist kritisch zu hinterfragen. Insbesondere in der Aus- bzw. Weiterbildung und in der späteren Supervision problematischer Behandlungsfälle dürfte es in der Praxis zu einer bedeutsamen Überschneidung mit Selbsterfahrungsaspekten kommen, für die interne Supervisionsbedingungen sicher nicht das vorrangige Angebot darstellen sollten. Auch bei den geforderten oder zu fordernden Qualifikationsmerkmalen für psychologische und/oder ärztliche Supervisoren ergibt sich insgesamt ein Feld, in dem weder die Voraussetzungen klar formuliert werden noch ein Konsens zwischen den Fachgesellschaften und den anderen beteiligten Institutionen besteht. Dies ist auch für die Situation in anderen Ländern zu konstatieren (Falender et al. 2004; Strauß u. Kohl 2009). In weiten Bereichen des psychotherapeutischen Feldes ist zu konstatieren, das sich die Qualifikation zum Supervisor praktisch mit zunehmender Berufserfahrung von selbst entwickelt und die persönliche Eignung in der Regel von den Ausbildungsinstituten geprüft wird. Im Bereich der Supervisionsausbildung liegen bisher nur wenige Konzepte und Curricula vor, und die Frage „Wer supervidiert die Supervisoren?“ ist bisher nicht hinreichend und schon gar nicht konsensuell geklärt. Die spätere Supervision ausgebildeter psychologischer Psychotherapeuten und der Fachärzte bleibt weitgehend eine individuelle Entscheidung der Betroffenen, ohne dass hier durchgehend verbindliche Fortbildungsrichtlinien verankert wurden. Zu der Frage, in welchem Umfang sich praktizierende Psychotherapeuten supervidieren lassen, liegen keine repräsentativen Daten vor. In der Aus- und Weiterbildung wird in einer Reihe von Befragungen (Dobernig u. Laireiter 2000; Glaesmer et al. 2009; Kohl et al. 2009; Lieb 2000; Sonntag et al. 2009) hervorgehoben, dass es sich bei Psychotherapeut 6 · 2010 | 465 Schwerpunkt: Supervision – Originalie Tab. 1 Qualifikationsmerkmale der Deutschen Fachgesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (DFT) 1. 2. 3. 4. 5. Anerkennung als ärztlicher und/oder psychologischer Psychotherapeut (entsprechende Weiterbildung bei Ärzten bzw. Approbation) Fachkunde in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie Mindestens 5 Jahre Berufspraxis nach Anerkennung bei überwiegend psychotherapeutischer Tätigkeit Mindestens 3 Jahre regelmäßige Lehrtätigkeit in der Psychotherapie (Vermittlung theoretischer und praktischer fachlicher Inhalte in Form von Vorträgen oder Seminaren) oder Nachweis von 300 Stunden Supervisionstätigkeit im Bereich Psychotherapie Tab. 2 Qualifikationsmerkmale der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) 1. 2. Besonders erfahrene und geeignet erscheinende analytische Psychotherapeuten der DGPT oder einer der mit ihr kooperierenden Fachgesellschaften können von dem jeweiligen Institut oder der Gesellschaft zur Durchführung von Lehr- und Kontrollanalyse (Supervision) ermächtigt werden Die zu Ermächtigenden müssen nach Abschluss ihrer Aus-/Weiterbildung mindestens 6 Jahre überwiegend psychotherapeutische Behandlungstätigkeit ausgeübt haben und zum Zeitpunkt der Ermächtigung psychoanalytische Behandlungen durchführen Tab. 3 Qualifikationsmerkmale der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) 1. 2. 3. DGVT-Mitgliedschaft Nachweis einer abgeschlossenen verhaltenstherapeutischen Weiterbildung Nachweis einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit mit Schwerpunkt in der psychotherapeutischen Krankenbehandlung 4. Nachweis einer mindestens dreijährigen Dozententätigkeit an einer Ausbildungsstätte Verlängerung der Anerkennung 1. Teilnahme an mindestens 2 Supervisionsfortbildungen 2. Teilnahme an 2 Supervisionskonferenzen der DGVT 3. Nachweis kontinuierlicher Supervision 4. Nachweis der Tätigkeit als Supervisiorin Tab. 4 Qualifikationsmerkmale der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) 1. 2. 3. 4. 5. 6. Hochschul-/Fachhochschulabschluss im Bereich der Humanwissenschaften Nachweis über mindestens 5 Jahre Berufserfahrung in der Arbeit mit sozialen Systemen (zu Beginn der Supervisionsweiterbildung) DGSF-Anerkennung als „systemischer Berater“ oder „systemische Familientherapeut“ oder Abschluss einer vergleichbaren systemischen Weiterbildung Nachweis über 2 Jahre Berufserfahrung nach Abschluss der Beratungs-/Therapieweiterbildung Nachweis über die Teilnahme an mindestens 30 Sitzungen Supervision Möglichkeiten zur Umsetzung systemischer Supervision während der Weiterbildung Tab. 5 Qualifikationsmerkmale der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GWG) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 466 | Abgeschlossenes Studium an einer Hochschule/Fachhochschule in einem für die Ausübung der Supervision relevanten Studiengang Mindestens fünfjährige, einschlägige Berufstätigkeit Erklärung über Dokumentation der durchzuführenden Supervisionen und Anwendungsmöglichkeiten der erworbenen Kenntnisse Nachweis von Zusatzausbildungen oder Fortbildungsveranstaltungen im Umfang von mindestens 400 Stunden 30 Sitzungen berufsbezogene Supervision Teilnahme an einem Orientierungsseminar Psychotherapeut 6 · 2010 der Supervision um einen der relevantesten Bausteine überhaupt handelt; hierbei werden Einzelsupervisionen etwas besser bewertet als Gruppensupervisionen. Zumindest von einigen Experten werden in diesem Kontext eine Zertifizierung und Rezertifizierung von Supervisoren gefordert (Michels-Lucht et al. 2009). Das Problem eines offenen Feldes ohne definierte Rahmenbedingungen und Konzepte gilt auch für den Bereich der institutionellen Supervision, die in vielen Kliniken zur Praxis gehört, ohne dass hier ein Konsens über Konzepte und Durchführung vorliegt. Externe Supervisoren werden für stationäre oder teilstationäre Behandlungseinheiten oder im Peer-review-Verfahren zur Restrukturierung der Klinikorganisation, von Prozessabläufen oder zur Teamentwicklung herangezogen (Hetzel 2007). Eine gewisse Ausnahme stellen die 2006 eingeführte Zertifizierung Weiterbildungszentren für „Psychiatrie und Psychotherapie“ nach den Richtlinien der europäischen Facharztgesellschaft (UEMS) durch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) dar, in dem zumindest ansatzweise die zugehörigen Qualitätsstandards überprüft werden, und die Ansätze, die im Rahmen der Deutschen Gesellschaft für Supervision (http://www.dgsv. de) entwickelt wurden. Qualifikationsmerkmale von Supervisoren Die von den Fachgesellschaften mehr oder weniger explizit geforderten Qualifikationsmerkmale für Supervisoren variieren beträchtlich, wie aus den . Tab. 1, 2, 3, 4, 5 hervorgeht. Immerhin lassen die Kriterien der Deutschen Fachgesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (DFT), der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) und der der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GWG), die hier exemplarisch aufgeführt wurden, aber einige Gemeinsam- keiten erkennen. Zusammenfassend werden die folgenden übergreifenden Merkmale erkennbar: a) Qualifikation als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und/oder psychosomatische/psychotherapeutische Medizin oder psychologischer Psychotherapeut; b) „hinreichende“ Berufserfahrung, insbesondere im praktischen psychotherapeutischen Behandlungsfeld, die in einer Spannbreite zwischen 3 und 6 Jahren gefordert wird; c) Erfahrungen in der Lehrtätigkeit in der Psychotherapie (Theorie- und Praxisvermittlung) von etwa 3 Jahren; d) Nachweis von Supervisionserfahrungen, einschließlich der Teilnahme an Supervisionsfortbildungen unterschiedlichen Umfangs; e) Nachweis der Dokumentation durchgeführter Supervisionen bzw. Bestätigung, dass Inhalte und Ergebnisse von Supervisionen auch dokumentiert werden. Bemerkenswerterweise werden bei den in den . Tab. 1, 2, 3, 4, 5 wiedergegebenen Übersichten zu den Qualifikationsmerkmalen lediglich von der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) Kriterien für eine Verlängerung der Anerkennung als Supervisor definiert. Wie aus . Tab. 3 hervorgeht, beziehen sich diese Kriterien auf die Teilnahme an speziellen Fortbildungsveranstaltungen und auf den Nachweis eigener Supervision sowie klinischer Praxis. Supervisorenausbildung Ein weiteres zentrales Problem dürfte zweifelsohne darin bestehen, dass bisher nur wenige systematische Angebote zur Supervisorenausbildung existieren. Die 1989 gegründete Deutsche Gesellschaft für Supervision (DGSv), deren Ausbildungsspektrum weit über den Bereich der psychosozialen Medizin im engeren Sinn hinausreicht, hat die Inhalte und Formen der Ausbildung zum Supervisor (. Tab. 6) am breitesten operationalisiert und ein Netzwerk von Ausbildungsstätten gebildet, in denen die Ausbildungsinhalte in einem Umfang von insgesamt 640 Präsenzstunden zu reali- sieren sind (http://www.dgsv.de/supervisorin_werden.php). Hier wird vielleicht am breitesten auch auf sozial- und organisationspsychologische Prozesse Bezug genommen. Von den inzwischen im Bereich privatwirtschaftlich organisierter Ausbildungsinstitute vorgehaltenen Curricula zur Supervisorenausbildung sollen an dieser Stelle zwei Ansätze exemplarisch vorgestellt werden: Das Weiterbildungscurriculum des verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Instituts für Therapieforschung (IFT; http://www.ift-gesundheit.de) und die länderübergreifende Weiterbildung zum Supervisor für psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie des Instituts für Psychodynamische Organisationsberatung München (IPOM; http://www.ipom-net.com). Die Zugangsvoraussetzungen beider Institute entsprechen in etwa den oben diskutierten Qualifikationsmerkmalen der Fachgesellschaften. Im Curriculum des IFT werden neben expliziten theoretischen Bau- steinen als praktische Bestandteile eine Supervision der Supervisoren, Selbsterfahrung, Übungen im Einzel- und Gruppensetting z. T. auf der Basis videogestützter Supervisionssitzungen angeboten (. Tab. 7). Es berücksichtigt die von Willutzki (2005) formulierten Komponenten für ein Trainingsprogramm für Supervisoren: F Modelle der Supervision (z. B. entwicklungsorientierte Modelle), F Modelle der professionellen Entwicklung von Therapeuten, F Supervisionsmethoden und -techniken (z. B. Videobeobachtung, „microteaching“, Rollenspiele), F Supervisionsbeziehung, F ethische, rechtliche und professionelle Regelsysteme, F Evaluationsfertigkeiten, F Durchführungsfertigkeiten und F Kenntnis der Supervisionsforschung. Das psychodynamisch konzeptualisierte Weiterbildungscurriculum des IPOM Schwerpunkt: Supervision – Originalie Tab. 6 Supervisionsausbildung der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv) Inhalte F Theorien über Personen, Gruppen und soziale Komplexitäten sowie deren Umsetzung in praktisches Handeln F Theorien über Organisationen und Unternehmen sowie deren Transfer in praxisbezogenes Handeln F Theorien zu Gesellschaft und Persönlichkeit mit einem besonderen Fokus auf Arbeit, Beruf und Tätigkeit F Theorien zu Supervision, Coaching und Beratung greift in den in . Tab. 8 wiedergegebenen Komponenten nahezu analoge schulenspezifische Aspekte auf. Hierbei werden diagnostische Methoden und die Förderung selbstreflexiver Prozesse stärker in den Vordergrund gestellt. Schlussbemerkungen und Diskussion F Methodik von Supervision, Coaching und Beratung F Ethische Grundlagen von Supervision, Coaching und Beratung F Theorien des Lernens von Erwachsenen sowie deren Transfer in praktisches Handeln F Eigene praktische Beratungstätigkeit (Lernsupervision) unter fachlicher Begleitung (Lehrsupervision) Formen Alle Ausbildungen zum Supervisor sind als Weiterbildungen berufsbegleitend angelegt. Sie enthalten Lernzeiten: F In Lerngruppen von jeweils mehrtägiger Dauer F An einzelnen Studientagen F In selbst organisierten Gruppen F Im Selbststudium F In der Anfertigung/Durchführung von Präsentationen, Seminararbeiten, Hausarbeiten, Kolloquien, Prüfungen (bei Studiengängen auch in der Anfertigung von Master-Thesen) F In weiterbildungsbegleitender Lehrsupervision (einzeln und/oder in Gruppen) F In weiteren Formen (optional je nach Ausbildungsstätte, z. B. Balint-Gruppen, Organisationslaboratorien oder Exkursionen) F Für praktische und eigenverantwortliche Anwendung von Supervision, Coaching und Beratung mit Klient/innen (Lernsupervision) Tab. 7 Weiterbildungscurriculum des Instituts für Therapieforschung (IFT) zum Supervisor F 130 Unterrichtsstunden Training/Supervision der Supervisoren F Individuelles Training von spezifischen Analyse- und Interventionsfertigkeiten F 20 Unterrichtsstunden Selbsterfahrung F Einzel- und Gruppensetting F Bearbeitung von Problemfällen F Analyse videogestützter Supervisionssitzungen F Erarbeitung eines Problemlösemodells Konkrete Fragestellungen sind z. B. … F Wie eröffne ich einen Supervisionsprozess? F Wie strukturiere ich einen Supervisionsprozess? F Wie nutze ich meine therapeutischen Kompetenzen für die Supervision? F Was ist der Unterschied zwischen Teamsupervision und Supervision in der Gruppe? F Wie gehe ich mit schwierigen Gruppensituationen um? F Was ist bei der Supervision in Institutionen zu berücksichtigen? F Wie vereinbare ich meine Rolle als Vorgesetzter mit meinen Supervisionsaufgaben? F Welche Regeln gelten für die Supervision im Rahmen von Ausbildung? F Wo liegen die Grenzen von Supervision? Zugang F Mindestens zweijährige Berufserfahrung nach Approbation oder Facharztausbildung F Mindestens 4 Jahre Berufserfahrung im klinisch-psychotherapeutischen Bereich F Supervisionstätigkeit ab Weiterbildungsbeginn 468 | Psychotherapeut 6 · 2010 Supervision ist ohne jeden Zweifel ein unverzichtbarer Bestandteil sowohl in der psychotherapeutischen Ausbildung als auch in der späteren psychotherapeutischen Praxis. Sie wird im Rahmen der Ausbildung von zukünftigen Psychotherapeuten als eine der wichtigsten Ausbildungsfaktoren bewertet (Borg-Laufs 2005; Glaesmer et al. 2009; Kohl et al. 2009; Sonntag et al. 2009). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, Kriterien für die Rahmenbedingungen der Supervision abzuleiten, Qualifikationsmerkmale für Supervisoren zu entwickeln, Supervisionsausbildungen zu etablieren und über Modelle für die Supervision der Supervisoren nachzudenken, wie dies bereits durch eine Reihe von Fachgesellschaften und Ausbildungsinstituten geschehen ist. Gleichzeitig ist zu beachten, dass diese Merkmale und Kriterien in einem angemessenen Verhältnis zur klinischen Realität der verschiedenen Berufsgruppen, Fächer und Schulen stehen müssen. Schließlich befinden wir uns in einem ökonomischen Feld, in dem nicht nur die privatwirtschaftlich organisierten Institute eine Eigendynamik entfalten, die über die basalen Erfordernisse möglicherweise hinausgeht. Neben den bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Supervision bzw. den bestehenden Aus- und Weiterbildungsregelungen bleibt hinsichtlich der Rahmenbedingungen von Supervision festzuhalten, dass dem Neutralitätsgebot in der Psychotherapie Rechnung zu tragen ist und insbesondere in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken der Anteil externer Supervision in einem substanziellen Anteil sichergestellt werden muss. Wie das 2009 veröffentlichte Forschungsgutachten zur Ausbildung gezeigt hat, werden Supervisionsprozesse zudem kaum systematisch evaluiert, sodass schon unter dem Aspekt der Qualitätssicherung als weitere Rahmenbedin- Zusammenfassung · Abstract Tab. 8 Weiterbildungscurriculum des Instituts für Psychodynamische Organisationsberatung München (IPOM) zum Supervisor Methoden und Didaktik der Supervision Psychotherapeut 2010 · 55:465–470 DOI 10.1007/s00278-010-0773-4 © Springer-Verlag 2010 F Modelle und Didaktik der Supervision Harald J. Freyberger F Szenisches Verstehen der Psychotherapiedynamik in Dyaden und Gruppen (Spiegelphänomene und Parallelprozesse) Professionalisierung der Supervision. Qualifikationsmerkmale und Ausbildungserfordernisse von Supervisoren F Supervision mit Videoaufnahme einer Therapiestunde Supervision in verschiedenen Settings 1 F Diagnostik I: OPD als diagnostische und konzeptionelle Grundlage in der supervisorischen Arbeit F Settingspezifische Supervision I: Supervision bei tiefenpsychologischen Fällen F Störungs- und indikationsspezifisch: Supervision von Gruppenbehandlungen Techniken der Supervision F Einzel- und Gruppensupervision F Supervision mit Stundenprotokoll, mit Rollenspiel, mit „fish bowl“ Balint-Gruppe als Methode F Methodik und Technik des Balint-Gruppensettings F Modifizierte Anwendungen der Balint-Gruppe Selbstreflexion in der Supervision F Themenzentrierte Selbstreflexion in der Gruppe F Selbsterfahrungsanteil in der Supervision Dynamik von Gruppen, Teams und Organisationen F Dynamik von Gruppen, Teams und Organisationen F Grenzbereich Fall- und Teamsupervision Zusammenfassung Supervision ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der klinischen Praxis. Qualifikationsmerkmale der Supervisoren und die Erfordernisse zu deren Ausbildung wurden bisher nicht ausreichend definiert. In diesem Beitrag werden die vorliegenden Vorschläge von Qualifikationskriterien für Supervisoren vorgestellt und diskutiert. Zusätzlich werden einige Trainings- und Ausbildungskonzepte vorgestellt. Hieraus werden Vorschläge für einen spezifizierten Kompetenzerwerb und für die Zertifizierung von Supervisoren abgeleitet. Schlüsselwörter Supervision · Supervisor · Ausbildung · Qualifikationsmerkmale F Differenzierung von interner und externer Supervision in Organisationen Supervision in verschiedenen Settings 2 F Diagnostik II: OPD II F Settingspezifische Supervision II: Supervision bei psychoanalytischen Fällen F Störungs- und indikationsspezifisch: Supervision von Psychotherapien bei Jugendlichen, Paaren und Familien Prozessverläufe in der Supervision F Prozess der Supervision: Anfang und Ende, kritische Situationen F Ethik und Grenzüberschreitung F Formale und rechtliche Grundlagen OPD Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik. gung eine begleitende Evaluation zu fordern ist (Strauß u. Freyberger 2009). In einer Arbeitsgruppe des Referats Psychotherapie der DGPPN wurden auch unter Machbarkeitserwägungen die folgenden Qualifikationsmerkmale für ärztliche Supervisoren vorgeschlagen, die im Wesentlichen mit den Merkmalen der anderen Fachgesellschaften kompatibel sind: F klinische Erfahrung von mehr als 3 Jahren nach Abschluss der Facharztweiterbildung mit Schwerpunkt Psychotherapie, F Nachweis einer Supervisionsausbildung und/oder Nachweis von Supervisionsweiterbildungen, F Lehrerfahrungen in Psychotherapie, F Nachweis der Tätigkeit in einer Supervisionsgruppe zusammen mit einem anerkannten Supervisor und F Nachweis fortlaufender eigener Supervision. Bei den gegenwärtig existenten Curricula zur Supervisionsausbildung lassen sich die folgenden schulenübergreifenden Bausteine identifizieren, die als grundlegend für entsprechende Ausbildungen anzusehen sind: F theoretische Grundlagen, einschließlich Diagnostik, Sozial- und Organisationspsychologie, F Methoden der Supervision (z. B. Balint-Gruppenarbeit; Grenzbereich zwischen Fall- und Teamsupervsion, Professionalization of supervision. Qualification features and training requirements of supervisors Abstract Supervision is a central domain of professional education and clinical practice. Supervisors features for qualification as well as formal training standards have been largely neglected. In this article the proposals of different psychotherapeutic societies concerning the features for qualification are discussed. Additionally, some training concepts are presented. Suggestions for future development in this area are addressed including the need to refine further operationalized competence, develop conditions for accreditation and certification regarding supervision competencies. Keywords Supervision · Supervisor · Training · Qualification features Psychotherapeut 6 · 2010 | 469 Schwerpunkt: Supervision – Originalie F F F F externe und interne Supervision, Abgrenzung zu Coaching und Beratung), Modelle, Settings und Techniken (z. B. Einzel- und Gruppensupervision, Fall-, Team- und institutionelle Supervision; Arbeit mit Videodokumentation), Selbsterfahrungsanteil, ethische Grundlagen und das Problem der Grenzüberschreitung zwischen Supervisor und Supervisand sowie formale und rechtliche Grundlagen. Fazit Insbesondere bei den psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken mit ihrem Aus- und Weiterbildungsauftrag stellt sich die Frage, ob diese die zukünftig steigenden qualitativen Anforderungen angemessen sicherstellen können oder ob hierzu nicht eine systematische Kooperation mit den Ausbildungsinstituten notwendig erscheint. Dieses würde Kooperationsverträge zwischen den Ausbildungsinstituten und Kliniken mit einer Umschreibung der wechselseitigen Einflussnahmemöglichkeiten und dem Austausch von Dozenten voraussetzen. Nicht zuletzt unter dem Refinanzierungsaspekt der Ausbildung stellt sich zudem die Frage, welcher Anteil der ärztlichen Behandlungsfälle in den Institutsambulanzen der Kliniken selbst bzw. in den Institutsambulanzen der Institute abzubilden ist. Für die verschiedenen Fachgesellschaften, einschließlich der DGPPN, besteht ein gewisser Regulierungsbedarf, der sich auch mit der Frage beschäftigen sollte, ob sich die Fachgesellschaften neben der Definition der Qualitätsstandards auch um die Praxis der Supervisionsausbildungen und um deren Zertifizierung sowie Rezertifizierung kümmern und damit in Konkurrenz zu den bisherigen, im Wesentlichen privatwirtschaftlich organisierten Instituten treten sollen. In Klinikkontexten ist in der Facharztweiterbildung aus Praktikabilitätsgründen ein angemessenes Verhältnis zwischen interner und externer Supervision sicherzustellen. Dabei sind insbesondere kleinere psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und Kliniken bei der Sicherstellung des 470 | Psychotherapeut 6 · 2010 Supervisionsauftrags an die Kooperation in Weiterbildungsverbünden sowie mit externen Instituten angewiesen. Die Fragen der Supervisionsfinanzierung und der Refinanzierung von Supervisoren sind vorzugsweise einheitlich zu lösen, da in der Praxis bereits eine erhebliche Vielfalt von Lösungsmodellen existiert. Korrespondenzadresse Prof. Dr. Harald J. Freyberger Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Greifswald am Hanse-Klinikum Stralsund Rostocker Chaussee 70, 18437 Stralsund Deutschland freyberg@uni-greifswald.de Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur Borg-Laufs M (2005) Prozessqualität der Ausbildung in Psychotherapie/Verhaltenstherapie und ihre Sicherung. In: Laireiter AR (Hrsg) Ausbildung in Verhaltenstherapie. Hogrefe, Göttingen, S 383–403 Dobernig E, Laireiter AR (2000) Where do behaviour therapists take their troubles? Befunde zur Häufigkeit, Art und Nutzen von Selbsterfahrung und Eigentherapie von Teilnehmern und Absolventen verhaltenstherapeutischer Ausbildung. In: Laireiter AR (Hrsg) Selbsterfahrung in der Psychotherapie und Verhaltenstherapie. Empirische Befunde. DGVT, Tübingen, S 417–456 Falender CA, Cornish JA, Goodyear R et al (2004) Defining competencies in psychology supervision: a consensus statement. J Clin Psychol 60:771–785 Glaesmer H, Sonntag S, Barnow S et al (2009) Psychotherapeutenausbildung aus Sicht der Absolventen. Ergebnisse der Absolventenbefragung im Rahmen des Forschungsgutachtens. Psychotherapeut 54:437–444 Hetzel R (2007) Basiswissen: Supervision und Beratung in der Psychiatrie. Psychiatrie-Verlag, Bonn Kohl S, Barnow S, Brähler E et al (2009) Die Psychotherapieausbildung aus Sicht der Lehrkräfte. Ergebnisse der Befragung von Dozenten, Supervisoren und Selbsterfahrungsleitern im Rahmen des Forschungsgutachtens. Psychotherapeut 54:445–456 Lieb H (2000) Evaluationsstudie IFKV Bad Dürkheim: Veränderung durch Selbsterfahrung – Wirkvariablen in der Selbsterfahrung. In: Laireiter AR (Hrsg) Selbsterfahrung in der Psychotherapie und Verhaltenstherapie. Empirische Befunde. DGVT, Tübingen, S 493–523 Michels-Lucht F, Freyberger HJ, Rad K von et al (2009) Ergebnisse der Delphi-Befragung des Forschungsguatchtens zur Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Psychodynam Psychother 4:178–232 Strauß B, Freyberger HJ (2009) Ausbildungsforschung in der Psychotherapie. Ergebnisse des Forschungsgutachtens. Psychotherapeut 54:409–410 Strauß B, Kohl S (2009) Themen der Ausbildungsforschung in der Psychotherapie. 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