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Sens-ation: Eine Plattform zur Entwicklung ubiquitärer Umgebungen Christoph Beckmann, Maximilian Schirmer, Thilo Paul-Stueve, Tom Gross Fakultät Medien, Bauhaus-Universität Weimar Zusammenfassung In diesem Beitrag stellen wir die sensorbasierte Plattform Sens-ation vor, welche sowohl eine Grundlage zur prototypischen Umsetzung konzeptioneller Modelle von kooperativen ubiquitären Umgebungen darstellt, als auch die Evaluation der gedachten Konzepte hinsichtlich deren Machbarkeit, Systemverhalten und Skalierung erlaubt. Universelle Schnittstellen und ein komplexes Anfrage- und Benachrichtigungsschema sind zusätzlich zu einem detaillierten Ereignismodell Kernbestandteil der Plattform. 1 Einleitung Der Bedarf an Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Benutzern eines Informationssystems oder verteilten Systemen hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen und steigt weiter an. BenutzerInnen solcher Systeme, besonders an örtlich verteilten Arbeitsplätzen, benötigen ein digitales Bindeglied zur Unterstützung ihrer Arbeitsabläufe. Derartige Umgebungen, die Interaktion orts- und geräteübergreifend ermöglichen, bezeichnet man als kooperative ubiquitäre Umgebungen mit spezifischen Anforderungen. Die gewünschte Infrastruktur agiert im Hintergrund, um Interaktion zwischen Benutzern, Artefakten und Geräten herzustellen bzw. zu unterstützen. Hierbei kommen vor allem Eigenschaften wie Schnittstellenvielfalt, Skalierung und Plattformunabhängigkeit zum Tragen. Zusätzlich stehen auch konzeptionelle Fragestellungen im Vordergrund. In diesem Zusammenhang sticht die Anpassung des Systems an BenutzerInnen oder Benutzergruppen hervor und führt zu weiteren konkreten Anforderungen, wie zum Beispiel einem Informations- und Ereignismodell zur Abbildung von realen Geschehnissen der Umwelt. Die im Folgenden beschriebene Plattform Sens-ation erfüllt durch ihre modulare Struktur diese Anforderungen. 2 Konzept Sens-ation zeichnet sich durch drei Kernaspekte aus. Die Unterstützung offener Schnittstellen ist die Basis für den flexiblen Informationsaustausch und wird durch einen Publish/Subscribe-Mechanismus abgerundet. Ein detailliertes Ereignismodell dient dabei als Grundlage. Zunächst sind die vielfältigen Schnittstellen für die Kommunikation mit Sens-ation zu nennen. Sens-ation bedient gleichermaßen mobile Geräte (wie Mobiltelefone oder PDAs) und stationäre Computer. Zulieferer von Daten sind Sensoren, für die ebenso vielfältige Kommunikationsschnittstellen zur Verfügung stehen. Sens-ation versteht unter Sensoren eine mannigfaltige Kollektion von Datenquellen, ausgehend von einfachen physikalische Größen messenden Hardwaresensoren bis hin zu komplexen datenaggregierenden Softwaresensoren. Neben der direkten Abfrage von Informationen besteht auch die Möglichkeit, von Sens-ation benachrichtigt zu werden, sobald ein vorher formuliertes Informationsbedürfnis erfüllt ist. Dazu stellt die Plattform einen Publish/Subscribe-Mechanismus zur Verfügung. Durch eine reichhaltige Beschreibung des Informationsbedürfnisses können unter anderem Zeitpunkt und Frequenz für eine synchrone oder asynchrone Benachrichtigung definiert werden. Als Grundlage dient ein umfassendes Ereignismodell zur Beschreibung der realen Geschehnisse in der Umwelt. Jedes Ereignis kann einem Sensor zu einem bestimmten Zeitpunkt eindeutig zugeordnet und mit Metadaten ausgestattet werden. Folglich lassen sich auch Beziehungen zwischen mehreren Ereignissen modellieren und Informationen zusammenfassen. Sens-ation setzt dieses Konzept durch Inference Engines um. 3 Implementierung Die Sens-ation-Plattform ist als modulare ereignisbasierte Client-Server-Architektur angelegt und kann konzeptionell in Subsysteme untergliedert werden (siehe Abbildung 1). Zur Handhabung von Sensoren (Sensors), Aktuatoren (Actuators) und Ereignissen stehen über die Sensor- und Actuator-Komponenten verschiedene Schnittstellen zur Verfügung. Sens-ation hält ein Management-Subsystem bestehend aus Registry und Handler (für die Anmeldung bzw. Verwaltung von Komponenten) zur Koordination von eingehenden Anfragen bereit. Eingehende Ereignisse werden dem Persistence-Subsystem überreicht, wo sie zur Verarbeitung sowohl dauerhaft in einer Datenbank (Database) als auch in einem Cache (zur Geschwindigkeitssteigerung für folgende Abfragen) abgelegt werden. Eingehende Ereignisse werden an das Publisher-Subsystem zur Überprüfung hinsichtlich vorliegender Informationsbedürfnisse weitergereicht. Mittels des Inferencing-Subsystems, bestehend aus den Inference Engines, können aus einzelnen oder mehreren Ereignissen Schlüsse gezogen werden, deren Ergebnisse an das Management-Subsystem zurückgeführt werden und somit dauerhaft zur Verfügung stehen. Abbildung 1: Sens-ation Komponentendiagramm. Verbindungen zu Client-Komponenten, d.h. zu entfernten (Remote), mobilen (Mobile) und stationären (Local) Geräten, werden über das Gateway-Subsystem realisiert. Wiederkehrende Anfragen im Zusammenspiel mit möglichen Bedingungen im Sinne eines Informationsbedürfnisses können vom Subscriber (spezialisierten Clients) an das Publisher-Subsystem gestellt werden, welches durch direkte Benachrichtigung des Interessenten häufiges Abfragen der aktuellen Daten erspart. Weitere Details zur Implementation finden sich unter: (Gross et al. 2006). 4 Szenario Im Folgenden wollen wir eine mit der Sens-ation-Plattform geschaffene kooperative ubiquitäre Infrastruktur durch ein Szenario mit zwei Szenen beschreiben. Mitarbeiter M arbeitet an seinem Computer. Auf diesem wird der aktuelle Arbeitsstand (geöffnete Programme und Dokumente) durch Sensoren erfasst und an Sens-ation übertragen. Sein Büro ist mit einem Identifikationssystem ausgestattet, welches eintretende Besucher registriert. Sensoren erfassen, dass Chef C Ms Büro betritt, während M am Computer Emails bearbeitet. Sens-ation fasst nun die Ereignisse zusammen und sendet eine Benachrichtigung an Ms Computer, der das Emailprogramm ausblendet und projektspezifische Dokumente lädt. C und M können nun gemeinsam am aktuellen Projekt arbeiten. Verlässt C den Raum, bleibt die Arbeitsumgebung bestehen, bis Cs Abwesenheit für eine längere Zeit festgestellt wurde. Im anderen Fall betritt Kollege K, der eine Recherche zum gemeinsamen Projekt betreibt, das Büro. Von Sens-ation ausgehend, werden nun verschiedene Aktionen in Ms Büro und auf seinem Computer ausgelöst. Neben den Projektdokumenten wird die Präsentationsumgebung (Projektor und interaktive Tafel) geladen. Sobald weitere Sensoren eine Diskussion und Bewegung vor der Tafel messen, werden Ks persönliche Projektdokumente eingeblendet. Geht K aus dem Raum, speichert Sens-ation seine Daten und blendet diese für M aus. Verlassen beide den Raum, geht die Präsentation in einen Pausemodus über. 5 Verwandte Arbeiten Interaktion mit und in einem Raum wurde unter dem Stichwort Roomware (Streitz et al. 1998) bereits untersucht und umgesetzt. ContextDrive (Prante et al. 2004) als Teil des AMBIENTE-Projektes erweitert diesen Ansatz, indem eine Historie gewonnener Benutzerinformationen zur Ableitung von Kontexten einbezogen wird. Ferner sind in der Vergangenheit bereits Infrastrukturen entwickelt worden, die sehr detaillierte Ereignis- und Kontextmodelle bieten (Gross & Prinz 2004) und umfassende Modellierung von Ereignissen der realen Umwelt erlauben. Sens-ation unterstützt die Entwickler bei der Konzeption und Entwicklung von solchen ubiquitären Infrastrukturen. 6 Fazit Sens-ation ist mit seinen vielfältigen Schnittstellen eine generische Plattform zur Umsetzung kooperativer ubiquitärer Umgebungen. Die modulare Struktur ermöglicht die rasche Umsetzung und erlaubt eine rasche Verifizierung von Systemkonzepten. Literaturverzeichnis Gross, T., Egla, T. und Marquardt, N. (2006). Sens-ation: A Service-Oriented Platform for Developing Sensor-Based Infrastructures. International Journal of Internet Protocol Technology (IJIPT) 1, 3. pp. 159-167. Gross, T. und Prinz, W. (2004): Modellierung von Kontexten in kooperativen Umgebungen. In Mensch & Computer - 4. Fachübergreifende Konferenz - M&C 2004 (5.-8. Sept., Paderborn). München: Oldenbourg. pp. 95-104. Prante, T., Petrovic, K. und Stenzel, R. (2004): Kontextbasiertes Individuelles Informationsmanagement fuer das Ubiquitous Computing. In Mensch & Computer - 4. Fachübergreifende Konferenz M&C 2004 (5.-8. Sept., Paderborn). München: Oldenbourg. pp. 291-300. Streitz, N., Geissler, J. und Holmer, T. (1998): Roomware for Cooperative Buildings: Integrated Design of Architectural Spaces and Information Spaces. In Proceedings of the Cooperative Buildings Workshop - CoBuild'98 (25.-26. Feb., Darmstadt). Heidelberg: Springer-Verlag. pp. 4-21. Danksagung Wir möchten allen Teilnehmern der Sens-ation-Projektreihe des CML danken. Besonderen Dank richten wir an Tareg Egla für seine stete konzeptionelle und praktische Unterstützung. Kontakt Prof. Dr. Tom Gross, tom.gross(at)medien.uni-weimar.de, T. 03643/58-3733